1 Ertragsteuerrechtliche Behandlung
1.1 Allgemeines
1.2 Bauleistungen
1.3 Begriff Bauwerk
1.4 Gegenleistung
1.5 Abzugsverpflichtung
1.6 Befreiung von der Abzugsverpflichtung
1.7 Zusammenfassende Übersicht
1.8 Höhe des Steuerabzugs
1.9 Anmeldung und Abführung des Abzugsbetrages
1.10 Haftung
1.11 Freistellung durch Freistellungsbescheinigung
1.12 Steuerabzugsbeträge im Insolvenzverfahren
2 Ausländische Bauleistungsunternehmer
3 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
3.1 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 1UStG
3.2 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG
4 Auswirkung des Steuerabzugs nach § 48 EStG auf die Höhe der Umsatzsteuer
4.1 Allgemeine Verwaltungsanweisungen
4.2 Bauleistungen inländischer Unternehmer
4.3 Bauleistungen ausländischer Unternehmer
4.4 Istbesteuerung gem. § 20 UStG
4.5 Berechnungsmethode
4.6 Pflichtwidrige Nichtzahlung des Steuerabzugs
5 Steuerabzug nach § 48 EStG und Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG
6 Steuerabzug bei Bauleistungen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen
7 Leistungen in der Bauwirtschaft
8 Verpflichtung zur Rechnungserteilung
9 Literaturhinweise
10 Verwandte Lexikonartikel
Für Bauleistungen (→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer), die nach dem 31.12.2001 erbracht werden (§ 52 Abs. 56 EStG), ist nach § 48 EStG ein Steuerabzug von 15 % der Gegenleistung vorzunehmen (Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30.8.2001 BGBl I 2001, 2267, BStBl I 2001, 602). Mit dem Gesetz wurde zur Sicherung von Steueransprüchen und zur Vermeidung von Schwarzarbeit im Baugewerbe ein Steuerabzug bei der im Inland stattfindenden Ausführung von Bauleistungen eingeführt. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich in den §§ 48 bis 48d EStG. Zum Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen (§§ 48 ff. ESt) nimmt das BMF mit Schreiben vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229 Stellung und überarbeitet das bis dahin gültige Schreiben vom 27.12.2002 (BStBl I 2002, 1399).
Die Bauabzugsteuer tritt dann ein, wenn jemand als Leistender an einen Unternehmer i.S.d. UStG oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Leistungsempfänger) eine Bauleistung im Inland erbringt. Außerdem darf keine der in § 48 Abs. 2 EStG genannten Ausnahmetatbestände (Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung i.S.d. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. Nichtüberschreitung der Bagatellgrenze) vorliegen. Nach § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG sind Bauleistungen alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Liegen die o.g. Tatbestände vor, hat der Leistungsempfänger von der Gegenleistung einen Steuerabzug von 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen.
Mit Beschluss vom 8.7.2008 (13 V 9389/07, LEXinform 5006934) gelangte das FG Berlin-Brandenburg zu der Ansicht, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die §§ 48 ff. EStG eine nach Art. 49 und Art. 50 EG-Vertrag verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen und die Bauabzugsteuer demnach EU-rechtswidrig sein könnte.
Mit Beschluss vom 29.10.2008 (I B 160/08, BFH/NV 2009, 377, LEXinform 5904773) widerspricht der BFH der Rechtsauffassung des FG. Das in §§ 48 ff. EStG angeordnete Steuerabzugsverfahren ist in systematischer Hinsicht mit demjenigen vergleichbar, das § 50a Abs. 4 EStG und § 50d EStG im Zusammenhang mit der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler vorsehen. Dazu hat der BFH entschieden, dass die Vereinbarkeit jener Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht nach den im Jahr 2007 gegebenen Verhältnissen nicht i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft ist (BFH Beschluss vom 29.11.2007, I B 181/07, BStBl II 2008, 195). Das FG zieht die Richtigkeit dieser Entscheidung zwar in Zweifel. Der BFH hält aber die dort angestellten Überlegungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, weiterhin für tragfähig.
Im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Vorschriften kommt hinzu, dass §§ 48 ff. EStG nicht danach unterscheiden, ob die Bauleistung durch einen inländischen oder einen ausländischen Unternehmer erbracht wird. Die mit dem Steuerabzug verbundenen Verpflichtungen des Leistungsempfängers knüpfen vielmehr ausschließlich an die in § 48 EStG genannten Merkmale an, zu denen die Ansässigkeit des leistenden Unternehmers nicht gehört. Darin unterscheiden sich die maßgeblichen Regelungen namentlich von denjenigen des belgischen Rechts, die der EuGH für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erachtet hat (EuGH Urteil vom 9.11.2006, C-433/04, DStRE 2007, 655); jene Entscheidung kann daher auf den Streitfall nicht übertragen werden. Die Erstreckung der Abzugsregelungen auf alle Leistenden schließt eine dem Gemeinschaftsrecht widerstreitende Diskriminierung ausländischer Unternehmer im Grundsatz aus. Im Bereich der Bauabzugsteuer besteht jedenfalls kein Anlass, die Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht für ernstlich zweifelhaft zu halten.
Für Unternehmen des Baugewerbes, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, gilt eine zentrale örtliche Zuständigkeit von Finanzämtern im Bundesgebiet (vgl. § 20a AO). Demnach ist für die Besteuerung von Unternehmen das FA zuständig, das für die Besteuerung der entsprechenden Umsätze nach § 21 Abs. 1 AO zuständig ist, wenn der Unternehmer seinen Wohnsitz oder das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes hat.
Ziel der Vorschrift ist vor allem ist die Bekämpfung der illegalen Betätigung im Baugewerbe sowie die Sicherung von Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer, die aus im Inland erbrachten Bauleistungen resultieren. Das Steuerabzugsverfahren dient jedoch nicht der Sicherung von Umsatzsteuer.
Die Bauabzugsteuer ist vergleichbar mit der Einbehaltung der Lohn- oder Kapitalertragsteuer. Die Bauabzugsteuer stellt eine Steuervorauszahlung dar, die der Leistende im Anrechnungsverfahren nach § 48c Abs. 1 EStG oder durch ein Erstattungsverfahren zurückfordern kann.
Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 EStG sind alle Leistungen, die der
Herstellung,
Instandsetzung,
Änderung oder
Beseitigung
von Bauwerken dienen.
Der Begriff der Bauleistung knüpft an die Definition der Bauleistung in § 101 Abs. 2 SGB III an; vgl. BT-Drs. 14/4658, 10.
Der Begriff des Bauwerkes ist im Einkommensteuergesetz nicht näher umschrieben. Der BFH spricht sich für ein weites Begriffsverständnis und somit einen umfassenden Begriff des Bauwerkes aus (vgl. BFH vom 7.11.2019, I R 46/17). Nach ständiger Rspr. des BGH ist unter einem Bauwerk eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehen, wobei auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem Gebäude darunter zu subsumieren sind, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind. Es werden demzufolge nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen (z.B. Brücken, Straßen oder Tunnel, Versorgungsleitungen, Windkraftanlagen) dazu gezählt.
Die maßgeblichen Bauleistungen ergeben sich aus § 1 Abs. 2 der Baubetriebe-Verordnung (BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 5–13).
Darunter zählen insbes.:
Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;
Aptierungs- und Drainierungsarbeiten, wie z.B. das Entwässern von Grundstücken und urbar zu machenden Bodenflächen, einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen;
Asbestsanierungsarbeiten an Bauwerken und Bauwerksteilen;
Bautrocknungsarbeiten, das sind Arbeiten, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen, auch unter Verwendung von Kunststoffen oder chemischen Mitteln sowie durch Einbau von Kondensatoren;
Beton- und Stahlbetonarbeiten einschließlich Betonschutz- und Betonsanierungsarbeiten sowie Armierungsarbeiten;
Bohrarbeiten;
Brunnenbauarbeiten;
chemische Bodenverfestigungen;
Dämm-(Isolier-)Arbeiten (das sind z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen sowie technischen Dämm-(Isolier-)Arbeiten, insbes. an technischen Anlagen und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen;
Dachbegrünung eines Bauwerks;
Erdbewegungsarbeiten, das sind z.B. Wegebau-, Meliorations-, Landgewinnungs-, Deichbauarbeiten, Wildbach- und Lawinenverbau, Sportanlagenbau sowie die Errichtung von Schallschutzwällen und Seitenbefestigungen an Verkehrswegen.
Bei Photovoltaikanlagen jeglicher Art handelt es sich um die Herstellung eines (sonstigen) Bauwerks i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG. Damit unterliegt die Installation einer Photovoltaikanlage wie alle anderen Bauleistungen am Gebäude der Bauabzugsteuer. Unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Bauleistungsempfänger verpflichtet, den Steuerabzug bei Bauleistungen i.H.v. 15 % der Gegenleistung für Rechnung des Bauleistenden vorzunehmen, wenn keine der in § 48 Abs. 2 EStG genannten Ausnahmetatbestände vorliegen; vgl. Landesamt für Steuern Niedersachsen vom 17.10.2023, S 2240 – St 222/St 221-2473/2022 unter III. 12.
An der bisher anders lautenden Auffassung, dass Photovoltaikanlagen als Betriebsvorrichtungen nicht den Begriff des Bauwerks erfüllen, wird nicht mehr festgehalten.
Folgende Leistungen fallen nicht unter den Steuerabzug:
bloße Reinigungstätigkeiten, wie das Reinigen von Fenstern und Räumlichkeiten ohne Eingriff in die Bausubstanz; eine Veränderung der Oberfläche, z.B. beim Sandabstrahlen einer Fassade, führt nicht zu einer Bauleistung. Ebenso das Aufstellen von Baugerüsten sowie reine Wartungsarbeiten an Bauwerken,
Materiallieferungen (z.B. durch Baustoffhändler oder Baumärkte),
Anliefern von Beton (demgegenüber stellt das Anliefern und das anschließende fachgerechte Verarbeiten des Betons durch den Anliefernden eine Bauleistung dar),
gem. BGH Urteil vom 7.7.2005, VII ZR 430/02, gehören Planungs- und Bauaufsichtsleistungen von Architekten und Ingenieuren nicht zu den Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG,
Zurverfügungstellen von Betonpumpen,
planerische Leistungen (z.B. von Architekten, Statikern, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungsingenieuren),
Zurverfügungstellen von anderen Baugeräten,
Aufstellen von Material- und Bürocontainern, mobilen Toilettenhäusern,
Entsorgung von Baumaterialien (Schuttabfuhr durch Abfuhrunternehmer),
Aufstellen von Messeständen,
Gerüstbau,
Anlegen von Bepflanzungen und deren Pflege (z.B. Bäume, Gehölze, Blumen, Rasen),
Labordienstleistungen (z.B. chemische Analyse von Baustoffen) oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben,
Luftdurchlässigkeitsmessungen an Gebäuden, die für die Erfüllung von § 6 EnEV und Anlage 4 zur EnEV durchgeführt werden, da sich diese Leistungen nicht auf die Substanz eines Gebäudes auswirken.
Mit Urteil vom 13.11.2013 (7 K 7001/13) stellt das FG Berlin-Brandenburg klar, dass bei Bauleistungen, die den Einbau oder Aufbau einer Betriebsvorrichtung betreffen, keine Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergeht. Das FG verdeutlicht, dass die in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG bezeichneten Werklieferungen und sonstigen Leistungen, die, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sich im Ausgangspunkt mit Bauleistungen i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG gleichsetzen lassen. Sie erstrecken sich auch auf Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit einem Grundstück. Die umgekehrte Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers erfasse nur solche Bauleistungen, die sich unmittelbar auf die Substanz eines Bauwerks i.S. einer Substanzveränderung in Form der Erweiterung, Verbesserung oder Beseitigung desselben auswirken. Sie scheide daher aus, wenn die Leistungen den Einbau bzw. Aufbau einer sog. Betriebsvorrichtung betreffen.
Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, entschieden, dass die Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen in Form von Aufdach-Anlagen eine Bauleistung darstellt, die nach § 48 EStG dem Steuerabzug bei Bauleistungen unterliegt. Ebenso hat das Hessische FG mit Urteil vom 16.5.2017, 4 K 63/17, die Errichtung einer Freiland-Photovoltaikanlage als Bauleistung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG eingestuft.
In dem Revisionsverfahren zum Hessischen Finanzgericht entschied der BFH mit Urteil vom 7.11.2019, I R 46/17, dass Bauabzugsteuer i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen anfallen kann, da die Begriffe Bauwerk und Bauleistung normspezifisch auszulegen sind. Die der Bauabzugsteuer unterliegenden Bauwerke sind insbes. nicht auf Gebäude oder unbewegliche WG beschränkt, sondern kommen auch bei Scheinbestandteilen, Betriebsvorrichtungen und technischen Anlagen in Betracht. Ob die Einkünfte des Leistenden in Deutschland stpfl. sind, spielt für die Bauabzugsteuer grds. keine Rolle. Die Bauabzugsteuer ist mit Unionsrecht vereinbar, da die dadurch verursachte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt ist.
Zum Begriff der Bauleistungen s. die ausführlichen Erläuterungen unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers sowie → Bauleistungen in der Umsatzsteuer.
Der Begriff des Bauwerks wurde bei Einführung der Vorschrift erstmals im EStG festgelegt. Der Begriff ist weit auszulegen (BFH vom 7.11.2019, I R 46/17, BStBl II 2020, 552) und umfasst demzufolge nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen (z.B. Brücken, Straßen oder Tunnel, Versorgungsleitungen, Windkraftanlagen). Der Begriff des Bauwerks i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG ist weder auf Gebäude noch allgemein auf unbewegliche WG beschränkt. Vielmehr können darunter auch Scheinbestandteile i.S.d. § 95 BGB und Betriebsvorrichtungen i.S.d. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG fallen. Technische Anlagen können daher ebenfalls ein Bauwerk i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellen, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt ein Bauwerk vorliegt (BFH vom 7.11.2019, I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Rn. 17 zu Freiland-Photovoltaikanlagen).
Erbringt ein Subunternehmer des mit der Programmierung der Roboter beauftragten Unternehmens die weit überwiegend aus Verkabelungsarbeiten und geringfügig aus Kabelrinnenmontagen bestehenden Arbeiten zur Verlegung der für die Stromzufuhr und Steuerung der Roboter benötigten Kabel, so stellen diese Arbeiten keine Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG im Hinblick auf die einzig als Bauwerk zu qualifizierenden Werkhallen dar; FG Berlin-Brandenburg vom 20.6.2022, 6 K 6197/19.
Gegenleistung i.S.d. § 48 Abs. 3 EStG ist das Entgelt zzgl. USt (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Das gilt auch im Falle des § 13b UStG, obwohl der Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer ist. Dabei unterliegen auch Abschlagszahlungen auf die vereinbarte Gegenleistung dem Abzugsverfahren. Maßgeblich für die Anmeldung des Steuerabzugs durch den Leistungsempfänger ist gem. § 48a EStG die »Erbringung« der Gegenleistung; somit die Zahlung des Entgelts zzgl. USt. Entgelte Dritter (z.B. Versicherungen) sind einzubeziehen; hierbei muss der Leistungsempfänger Sorge tragen, dass die Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt wird.
Der Leistungsempfänger ist abzugsverpflichtet, wenn es sich hierbei
um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder
um einen Unternehmer i.S.d. § 2 UStG handelt. Darunter fallen auch Tätigkeiten, die einkommensteuerrechtlich eine → Liebhaberei darstellen. Die Abzugsverpflichtung besteht auch für → Kleinunternehmer, pauschalversteuernde Land- und Forstwirte und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen (BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 14). Die Abzugsverpflichtung besteht demzufolge auch für Kleinunternehmer (§ 19 UStG), pauschalversteuernde Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen. Dazu gehören auch die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Gebäuden und Gebäudeteilen. Im Falle des Nießbrauchs ist der Nießbrauchsberechtigte Unternehmer. Der Gebäudeeigentümer (Nießbrauchsverpflichteter) ist nur bei entgeltlich bestelltem Nießbrauch Unternehmer (nachhaltige Duldungsleistung). Bei unentgeltlich bestelltem Nießbrauch (z.B. Vorbehalts-, Zuwendungsnießbrauch) fehlt es zur Unternehmereigenschaft an der Einnahmeerzielungsabsicht. Die Abzugsverpflichtung betrifft nur den unternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Wird eine Bauleistung ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich eines Unternehmers erbracht, findet der Steuerabzug nicht statt. Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft ist der Organträger der Unternehmer.
Die Abzugsverpflichtung betrifft nur Bauleistungen für den unternehmerischen Bereich. Wird die Bauleistung für ein Bauwerk erbracht, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, kommt es darauf an, ob die Bauleistung dem unternehmerisch oder nichtunternehmerisch genutzten Teil des Bauwerks zugeordnet werden kann. Bauleistungen, die einem Teil des Bauwerks nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind dem Zweck zuzuordnen, der überwiegt. Der überwiegende Zweck ist anhand des Wohn-/Nutzflächenverhältnisses oder anderer sachgerechter Maßstäbe festzustellen. Zur Behandlung von Bauleistungen für ein Bauwerk, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, s. BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 14.
Der Steuerabzug ist vom Leistungsempfänger unabhängig davon durchzuführen, ob der Leistende im Inland oder im Ausland ansässig ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt als Leistender auch derjenige, der über eine Bauleistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben. Mit dieser Regelung soll insbes. sichergestellt werden, dass Generalunternehmer gegenüber ihrem Auftraggeber auch für solche Bauleistungen dem Steuerabzug unterliegen, die sie von einem Subunternehmen erbringen lassen.
Bei Wohnungseigentümergemeinschaften ist zwischen dem Sondereigentum und dem Gemeinschaftseigentum zu unterscheiden. Bei Bauleistungen für das Sondereigentum ist der jeweilige Sondereigentümer als Leistungsempfänger zur Durchführung des Steuerabzugs verpflichtet, sofern er die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 EStG erfüllt. Bei Bauleistungen für das Gemeinschaftseigentum ist die Wohnungseigentümergemeinschaft als Leistungsempfängerin zur Durchführung des Steuerabzugs verpflichtet. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist Unternehmerin i.S.d. § 2 UStG, denn sie erbringt Leistungen gegenüber den Eigentümern. Dazu gehört auch die Instandhaltung des Bauwerks.
Der Steuerabzug muss nicht vorgenommen werden, wenn
der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt; dies ist in der Praxis die Regel;
der Leistungsempfänger nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet (§ 48 Abs. 1 Satz 2 EStG); die Regelung wurde eingeführt, um private Vermieter zu schützen;
der Leistungsempfänger ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 UStG ausführt und die Gegenleistung im laufenden Kj. für denselben Leistungsempfänger voraussichtlich 15 000 € nicht übersteigt;
der Leistungsempfänger nicht ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 UStG ausführt und die Gegenleistung im laufenden Kj. für denselben Leistungsempfänger voraussichtlich 5 000 € nicht übersteigt.
Der Begriff der Wohnung ist im Bewertungsgesetz definiert. Eine Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbstständigen Haushalts möglich ist (§ 181 Abs. 9 Satz 1 BewG). Des Weiteren müssen diese von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennt sein und eine abgeschlossene Einheit bilden (§ 181 Abs. 9 Satz 2 BewG), einen eigenen Zugang haben, über eine Küche sowie ein Bad mit Wanne oder Dusche und eine Toilette verfügen (§ 181 Abs. 9 Satz 3 BewG). Außerdem muss die Wohnfläche mindestens 20 qm betragen (§ 181 Abs. 9 Satz 4 BewG).
Bei einzeln vermieteten Zimmern ist die Nutzung der gesamten Wohnung ausschlaggebend. Wird diese im Übrigen selbst genutzt oder unentgeltlich überlassen, so ist kein Steuerabzug vorzunehmen. Werden sämtliche Zimmer an mehrere Mieter vermietet, so zählt die Wohnung als ein Objekt für die Zweiwohnungsregelung.
Unter folgenden Voraussetzungen ist der Leistungsempfänger verpflichtet bzw. nicht verpflichtet, den Steuerabzug vorzunehmen:
Abb.: Anwendung der Bauabzugsteuer
Der Steuerabzug beträgt 15 % der Gegenleistung. Der Steuerabzug knüpft an die Erbringung der Gegenleistung, nicht an die Erbringung der Leistung selbst an. Somit können Subunternehmerleistungen bei einer entsprechenden Leistungskette mehrmals dem Steuerabzug unterliegen. Dem Steuerabzug unterliegen auch Entgelte Dritter (z.B. bei direkter Zahlung durch eine Versicherung). In diesem Fall muss der Leistungsempfänger Sorge tragen, dass der Dritte nur 85 % des Bruttorechnungsbetrags an den Leistenden auszahlt und er den Steuerabzug von 15 % erhält und beim zuständigen FA anmeldet und abführt. Bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ist nur der Differenzbetrag zu der vorherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen.
Der Leistungsempfänger hat 15 % der Gegenleistung einzubehalten. Gegenleistung ist das Entgelt für die Bauleistung zuzüglich Umsatzsteuer. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist das Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufzuwenden hat, um die Leistung zu erhalten. Von der Gegenleistung sind Skonti und gewährte Boni als mindernder Betrag zu berücksichtigen (vgl. Bruschke, StB 2002, 130).
Der Steuerabzug ist auch vorzunehmen, wenn sich im Rahmen der Aufrechnung Hauptforderung und Gegenforderung in gleicher oder annähernd gleicher Höhe gegenüberstehen.
Beispiel 1:
Ein Generalunternehmer ist verpflichtet, dem Auftraggeber (Bauherrn) die gesamte Leistung zu erbringen. Der Generalunternehmer vergibt seinerseits Teilaufträge an andere Unternehmer, die als Subunternehmer bezeichnet werden. Diese Subunternehmer stehen nur mit dem Generalunternehmer in Vertrag und nicht mit dem Auftraggeber des Gesamtauftrages. Daher erbringen sie ihre Leistungen auch an den Generalunternehmer, gegen den sie auch einen Anspruch auf Zahlung des Leistungspreises haben.
Lösung 1:
Der Steuerabzug beträgt insgesamt 135 000 €. Bezogen auf das Auftragsvolumen zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer i.H.v. 500 000 € entspricht der gesamte Steuerabzug i.H.v. 135 000 € 27 %. Erbringt ein ausländischer Unternehmer eine Bauleistung, ist gem. § 13b UStG der Auftraggeber (Leistungsempfänger) Schuldner der USt. Diese USt ist somit nicht Teil des Entgelts. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung im § 48 Abs. 3 EStG ist sie aber Teil der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug.
Beispiel 2:
Bauunternehmer A beauftragt im Februar 2022 die belgische B-B.A. den Rohbau eines Bürogebäudes zu erstellen. Der Rechnungsbetrag lautet über 100 000 €. Eine Freistellungsbescheinigung wurde dem A weder in Kopie noch im Original vorgelegt.
Lösung 2:
A schuldet gem. § 13b UStG für diese Leistungsbeziehung eine USt i.H.v. 19 000 €. Die Abzugsteuer ermittelt sich mit 15 % von (100 000 € + 19 000 €) und beträgt somit 17 850 €.
Versteuert der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG), ist die Versteuerung in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem das Entgelt bzw. Teilentgelt vereinnahmt wird. Hierbei ist es unerheblich, dass der Leistungsempfänger den Steuerabzug gem. § 48a Abs. 1 EStG (15 %) erst am 10. des Folgemonats an das FA entrichtet.
Ähnlich des LSt-Anmeldungsverfahrens in § 41a EStG hat der Leistungsempfänger bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung i.S.d. § 48 EStG erbracht wird, eine Anmeldung abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. Die Verpflichtung zum Steuerabzug entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung beim Leistungsempfänger i.S.v. § 11 EStG abfließt (§ 48a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Fließt die Gegenleistung nur in Teilen ab, etwa aufgrund von An- oder Abschlagszahlungen oder bei Minderung wegen Mängeln, unterliegt dem Steuerabzug nur der tatsächlich geleistete Teilbetrag. Der Abzugsbetrag ist am zehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fällig. Der Steuerabzug wird durch den Leistungsempfänger für Rechnung des Leistenden an das für den Leistenden im Inland zuständige FA abgeführt. Hier sind für im Inland ansässige Leistende das Wohnsitzfinanzamt bei natürlichen Personen bzw. bei KapGes sowie PersGes das FA am Ort der Geschäftsleitung bzw. das Betriebsfinanzamt zuständig. Soweit der Leistende den Wohnsitz, Sitz oder die Geschäftsleitung im Ausland hat, sind die zuständigen Finanzämter nach § 1 UStZustV nach Maßgabe der Herkunftsländer zu ermitteln.
Erlischt die Gegenleistung infolge einer Aufrechnung, tritt die wirksame Aufrechnungserklärung an die Stelle der Zahlung. In diesem Zeitpunkt hat der Leistungsempfänger (= Auftraggeber und Schuldner der Gegenleistung) den Steuerabzug für Rechnung des Leistenden (Auftragnehmers) vorzunehmen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dazu muss er den Steuerabzugsbetrag von der Gegenleistung einbehalten. Eine Stundung des Steuerabzugsbetrags ist nach § 222 AO ausgeschlossen.
Bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ist nur der Differenzbetrag zu der vorherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen.
Der Leistungsempfänger hat mit dem Leistenden unter Angabe
des Namens und der Anschrift des Leistenden,
des Rechnungsbetrages, des Rechnungsdatums und des Zahlungstags,
der Höhe des Steuerabzugs und
des FA, bei dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist,
über den Steuerabzug abzurechnen (§ 48a Abs. 2 EStG).
Es reicht aus, wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden zum Zwecke der Abrechnung den dafür vorgesehenen Durchschlag der Steueranmeldung überlässt.
Die Abführung des Abzugsbetrages hat für den Leistungsempfänger und den Leistenden folgende Konsequenzen:
Abb.: Anrechnung des Abzugsbetrages
Eine Anwendung der Vorschrift des § 160 AO scheidet aus, wenn ein Empfänger von Bauleistungen seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug i.H.v. 15 % für Rechnung des Leistenden vornimmt (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag angemeldet und an das zuständige FA abgeführt hat (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG). Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt auch dann, wenn Bauleistender eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist; vgl. Niedersächsisches FG vom 5.2.2020, 9 K 95/13.
Darüber hinaus ist der Leistungsempfänger verpflichtet, über den einbehaltenen Steuerabzug ebenfalls bis zum 10. des Folgemonats eine Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gegenüber dem für den Leistenden zuständigen FA abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldezeitraum (Kalendermonat) selbst berechnet. Die Regelung in Nr. 7 des AEAO zu § 152 über das grundsätzliche Absehen von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei einer bis zu fünf Tage verspäteten Abgabe einer Steueranmeldung (Abgabe-Schonfrist) gilt nur für die dort genannten Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Lohnsteuer-Anmeldungen, nicht aber für die Anmeldung des Steuerabzugs bei Bauleistungen. Der Leistungsempfänger hat für jeden Leistenden eine eigene Anmeldung abzugeben, auch wenn mehrere Leistende bei einem FA geführt werden. Die Anmeldung muss vom Leistungsempfänger oder von einem zu seiner Vertretung Berechtigten unterschrieben sein. Sie steht einer Steueranmeldung (§§ 167, 168 AO) gleich. In der Anmeldung ist die zugrundeliegende Bauleistung anzugeben (Art der Tätigkeit und Projekt); nur die Angabe einer Auftrags- oder Rechnungsnummer ist nicht ausreichend.
Bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ist nur der Differenzbetrag zu der vorherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen; vgl. BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 68.
Zur → Haftung des Leistungsempfängers bei Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung nimmt die Vfg. der OFD Münster vom 25.2.2002 (S 2303 – 2 – St 13 – 31, DStR 2002, 453, LEXinform 0576464) Stellung.
Die Verpflichtung zum Einbehalten des Steuerabzugs entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung beim Leistungsempfänger abfließt (§ 11 EStG). Dies gilt auch bei Verrechnungen und Zahlungen in Teilbeträgen (Vorschüsse, Abschlagszahlungen, Zahlung gestundeter Beträge). Die rechtswirksame Aufrechnung gilt als Zahlung. Bei einer Gegenleistung von 100 € sind 15 % = 15 € einzubehalten, sodass noch eine Zahlung von 85 € an den Leistenden erfolgt. 15 € sind 17,65 % bezogen auf die Zahlung (netto) von 85 €. Demnach kann der Abzugsbetrag mit einem Prozentsatz von 17,65 aus der Nettozahlung ermittelt werden. Dieser Prozentsatz ist insbes. in den Fällen der Aufrechnung, die einer Zahlung gleichsteht, zu beachten, da die Hauptforderung i.H.d. Aufrechnungsbetrages und des abzuführenden Abzugsbetrages erlischt.
Nach § 48a Abs. 3 EStG haftet der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Der Leistungsempfänger haftet nicht, wenn ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit er vertrauen konnte (BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 70 ff.).
Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Haftung vorliegen, entscheidet das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens über die Inanspruchnahme des Leistungsempfängers als Haftungsschuldner. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Steuerschuld, für die gehaftet werden soll, entstanden sein und noch bestehen muss. Bei der Prüfung der Akzessorietät der Haftungsschuld zur zugrundeliegenden Steuerschuld (Primärschuld) ist die »zugrunde liegende Steuerschuld« nicht die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerschuld des Leistenden, sondern die vom Leistenden geschuldete Bauabzugsteuer (BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 71).
Die Leistungsempfänger können die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigungen durch eine Abfrage im Internet auf der Homepage des BZSt (http://eibe.bff-online.de/eibe/) überprüfen. Bestätigt das Bundeszentralamt für Steuern die Gültigkeit nicht oder kann der Leistungsempfänger die elektronische Abfrage nicht durchführen, kann sich der Leistungsempfänger auch durch eine Nachfrage bei dem auf der Freistellungsbescheinigung angegebenen FA Gewissheit verschaffen. Das Unterlassen einer elektronischen Abfrage beim Bundesamt für Finanzen oder einer Anfrage beim FA begründet für sich allein keine grobe Fahrlässigkeit. Anfragen an die Finanzämter zur Bestätigung der Gültigkeit der Freistellungsbescheinigungen werden mündlich oder fernmündlich beantwortet. Eine schriftliche Bestätigung erfolgt grundsätzlich nicht.
Schützenswertes Vertrauen liegt nicht vor, wenn die Freistellungsbescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und dem Leistungsempfänger dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (§ 48a Abs. 3 Satz 3 EStG).
Eine Inanspruchnahme des Leistungsempfängers soll auch dann unterbleiben, wenn ihm zum Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung keine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, er aber gleichwohl den Steuerabzug nicht vorgenommen hat und ihm im Nachhinein eine bereits im Zeitpunkt der Zahlung gültige Freistellungsbescheinigung nachgereicht wird. Schützenswertes Vertrauen liegt nicht vor, wenn die Freistellungsbescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und dem Leistungsempfänger dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (§ 48a Abs. 3 Satz 3 EStG). Dies gilt auch, wenn dem Leistungsempfänger eine gefälschte Freistellungsbescheinigung vorgelegt wurde und der Leistungsempfänger dies erkannte oder hätte erkennen müssen.
Zur Haftungsinanspruchnahme nach § 48a Abs. 3 EStG hat das FG München mit Urteil vom 24.9.2009 (7 K 1238/08, LEXinform 5009180) entschieden, dass dann, wenn offene Steueransprüche gegen den Leistenden i.H.d. Haftungsbetrages bestehen, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme nach § 48a Abs. 3 EStG gegeben ist. Der Leistende kann dabei sowohl Steuern schulden, die in § 48c Abs. 1 EStG genannt sind, als auch andere Steuern.
Der Haftungstatbestand nach § 48a Abs. 3 EStG ist nicht streng akzessorisch i.S.v. § 191 Abs. 5 AO in Bezug auf einen Steueranspruch gegenüber dem Leistenden. Dies ergibt sich daraus, dass eine Verknüpfung mit einem bestimmten Steuertatbestand auf Seiten des Leistenden fehlt und die Bauabzugsteuer vielmehr ein Sicherungsinstrument für ein Konglomerat von Abgaben, die allgemein aus Bauleistungen resultieren können, darstellt. Eine Akzessorietät besteht lediglich zu dem der Haftung unmittelbar zugrunde liegenden Bausteueranspruch nach § 48 EStG. Ob Steueransprüche gegenüber dem Leistenden bestehen, ist jedoch im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen.
Nach dem BFH-Beschluss vom 29.10.2008 (I B 160/08, BFH/NV 2009, 377, LEXinform 5904773) ist es nicht ernstlich zweifelhaft i.S.d. § 69 FGO, dass die Regelungen über den Steuerabzug bei Bauleistungen gem. §§ 48 ff. EStG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Ernstlich zweifelhaft ist auch nicht, dass im Bereich der Bauabzugsteuer ein »strukturelles Vollzugsdefizit« und deshalb ein verfassungswidriger Zustand nicht besteht. Es ist jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die Haftung des Leistungsempfängers nach § 48a Abs. 3 EStG der Höhe nach durch die zu sichernde Steuerforderung gegenüber dem Leistenden begrenzt ist und ob als »zu sichernde Steuerforderung« ggf. die Gesamtheit aller Steuerbeträge i.S.d. § 48c Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen oder ob ein bestimmter Zusammenhang mit der die Abzugspflicht begründenden Leistung zu fordern ist.
Das FG Münster nimmt im Urteil vom 12.7.2012 (13 K 2592/08) Stellung zur Haftung für nicht abgeführte Bauabzugsteuer. Im zu entscheidenden Fall wurde der Kl. für nicht angemeldete und abgeführte Bauabzugssteuer in Haftung genommen. Er berief sich auf die europäischen Grundfreiheiten und machte geltend, dass die Haftungsregelung des § 48 Abs. 3 EStG eine Haftung für eine originär eigene Schuld des Leistungsempfängers anordne. Das FG Münster stellte hingegen klar, dass das FA ein Wahlrecht zwischen dem Erlass eines Nachforderungsbescheids und eines Haftungsbescheids gegen den Leistungsempfänger hat. Außerdem hafte der Kl. nicht nur für eine eigene Schuld, sondern auch für eine Schuld des Leistenden, denn der Steuerabzug sei dem Grunde nach unlösbar mit Abgabeansprüchen des FA gegen den Leistenden verknüpft.
Das Sächsisches FG entschied mit Urteil vom 15.6.2016, 8 K 1685/16, wie folgt: Einbehaltene, angemeldete und abgeführte Bauabzugssteuer kann zum einen zeitlich unbegrenzt nach § 48c Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 4 EStG auf Lohn- bzw. Bauabzugssteuer und damit auch auf erst zukünftig entstehende Lohn- bzw. Bauabzugssteuer angerechnet und zum anderen mit jedwedem auch nicht vom Sicherungszweck der Bauabzugssteuer erfassten Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis aufgerechnet werden. Die Haftung in dem Fall, dass der Leistungsempfänger dem Leistenden vom Entgelt zzgl. Umsatzsteuer die Bauabzugssteuer nicht abgezogen hat, soll dem FA indessen den Schaden durch die entgangene Sicherung der Ansprüche i.S.v. § 48c Abs. 1 EStG ausgleichen und nicht darüber hinaus zugunsten des Leistenden zu einer Tilgung weiterer Ansprüche aus dessen Steuerschuldverhältnis führen (vgl. hierzu auch BFH Beschluss vom 29.10.2008, I B 160/08). Die Inhaftungnahme eines Empfängers von Bauleistungen, der trotz Nichtvorlage einer Freistellungsbescheinigung des Leistenden keinen Steuerabzug vorgenommen hat, kann der Höhe nach nur insoweit ermessensfehlerfrei erfolgen, als im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gegenüber dem Leistenden offene Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 48c Abs. 1 EStG vorhanden sind und/oder aufgrund bestehender offener Ansprüche wegen Lohn- bzw. Bauabzugssteuer zumindest Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Leistende auch zukünftig seiner Verpflichtung zur Abführung von Lohn- bzw. Bauabzugssteuer nicht ordnungsgemäß nachkommen wird.
Die Haftung ist grds. unabhängig von einem Verschulden des Leistungsempfängers, wenn dem Leistungsempfänger keine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat (BFH vom 7.11.2019, I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Rn. 43).
Der Anspruch auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung besteht nach § 48b Abs. 1 EStG dann, wenn nach der Einschätzung des FA der Leistende seine steuerlichen Pflichten zuverlässig erfüllt und Sicherungsmaßnahmen deshalb überflüssig sind. Zur Erteilung einer Freistellungsbescheinigung s. BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 28–40.
Der leistende Unternehmer hat die Möglichkeit, bei dem für ihn zuständigen FA eine Freistellungsbescheinigung gem. § 48b Abs. 1 EStG zu beantragen und somit den Steuereinbehalt durch den Leistungsempfänger zu vermeiden. Legt der Leistende dem Leistungsempfänger eine solche Freistellungsbescheinigung vor, muss der Steuerabzug nicht durchgeführt werden.
Liegen keine Versagungsgründe gegen die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung vor, so erteilt das für den Leistenden zuständige FA die Freistellungsbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Die Freistellungsbescheinigung kann dabei auf bestimmte Zeit, längstens jedoch für einen Zeitraum von drei Jahren, oder bezogen auf einen bestimmten Auftrag erteilt werden. Eine Freistellungsbescheinigung, die für einen bestimmten Auftrag erteilt wird, ist auf einen Gültigkeitszeitraum zu befristen. Insbes. bei einem Leistenden, der der Finanzverwaltung erstmals bekannt wird, soll die Freistellungsbescheinigung i.d.R. nur so lange gelten, bis das Abgabe- und Zahlungsverhalten erstmalig beurteilt werden kann. Dies wird grds. spätestens ein Jahr nach Antragstellung möglich sein, wenn die ersten Voranmeldungen oder Jahreserklärungen abzugeben sind (BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 35). Wenn in der Person und dem steuerlichen Verhalten des Leistenden keine Gründe für eine Begrenzung einer Freistellungsbescheinigung auf einen bestimmten Auftrag oder einen kürzeren Zeitraum vorliegen, ist eine auf drei Jahre befristete Freistellungsbescheinigung zu erteilen. Neben der befristeten können keine auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigungen erteilt werden. Die Einstellung eines Betriebes ist kein Grund eine Freistellungsbescheinigung zu widerrufen (Ausnahme: Fälle der Gewerbeuntersagung). Grundsätzlich kann auch einem Insolvenzverwalter eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden.
Nach § 48b Abs. 6 EStG erteilt das BZSt dem Leistungsempfänger im Wege einer elektronischen Abfrage Auskunft über die gespeicherten Freistellungsbescheinigungen.
Steuerabzugsbeträge, die auf Bauleistungen beruhen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt wurden und vor der Insolvenzeröffnung durch den Leistungsempfänger an das FA gezahlt wurden, sind auf Steuern anzurechnen, die vor Eröffnung des Verfahrens begründet wurden (Insolvenzforderungen nach § 38 InsO). Bei der Anrechnung ist die Reihenfolge des § 48c Abs. 1 EStG zu beachten. Sofern sich danach keine Anrechnungsmöglichkeiten ergeben, sind die verbliebenen Beträge mit anderen Insolvenzforderungen aufzurechnen (§ 94 InsO).
Steuerabzugsbeträge, die auf Bauleistungen beruhen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt wurden und nach der Insolvenzeröffnung durch den Leistungsempfänger an das FA gezahlt wurden, sind an die Insolvenzmasse auszukehren (BFH Beschluss vom 13.11.2002, I B 147/02, BStBl II 2003, 716; BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 86).
Wie das FG München mit Urteil vom 24.9.2009 (7 K 1238/08, LEXinform 5009180) feststellt, entfällt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden weder die Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Vornahme des Steuerabzugs nach § 48 EStG noch die Befugnis des FA, einen Haftungsbescheid nach § 48a Abs. 3 EStG zu erlassen. Ob das FA den Abzugsbetrag behalten darf oder an den Insolvenzverwalter auskehren muss, ist für die Frage der Befugnis zum Erlass eines Haftungsbescheids unerheblich.
Die Regelungen zur Bauabzugsteuer sind für ausländische Bauunternehmer beachtlich (z.B. weil der ausländische Bauunternehmer über eine inländische Betriebsstätte verfügt). Denn diese Vorschriften sehen kein Tatbestandsmerkmal vor, wonach die Einkünfte des ausländischen Bauunternehmers in Deutschland stpfl. sein müssen (vgl. BT-Drs. 14/6071, 16). Dies bestätigt nun das BMF-Schreiben, indem der Leistungsempfänger nicht von seiner Verpflichtung zur Einbehaltung der Bauabzugsteuer befreit wird, selbst wenn klar ist, dass der Auftragnehmer in Deutschland nicht stpfl. ist (vgl. BMF vom 19.7.2022, BStBl I 2022, 1229, Rz. 63). Ob die Bauleistung durch einen inländischen oder einen ausländischen Unternehmer erbracht wird, ist insoweit unbeachtlich. Die Vorschriften des § 48d EStG sichern das deutsche Steuerabzugsrecht. Ob die Einkünfte des Leistenden in Deutschland stpfl. sind, spielt für die Bauabzugsteuer grds. keine Rolle; vgl. BFH vom 7.11.2019, I R 46/17.
Zur örtlichen Zuständigkeit ausländischer Bauleistungsunternehmer und von ausländischen ArbN dieser Bauleistungsunternehmer s. → Örtliche Zuständigkeit. Für Unternehmen des Baugewerbes, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, gilt eine zentrale örtliche Zuständigkeit von Finanzämtern im Bundesgebiet (vgl. § 20a AO). Demnach ist für die Besteuerung von Unternehmen das FA zuständig, das für die Besteuerung der entsprechenden Umsätze nach § 21 Abs. 1 AO zuständig ist, wenn der Unternehmer seinen Wohnsitz oder das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes hat.
Gem. § 48 Abs. 3 EStG ist Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer das Entgelt zuzüglich der USt. Erbringt ein ausländischer Unternehmer eine Bauleistung, ist gem. § 13b UStG der Auftraggeber (Leistungsempfänger) Schuldner der USt. Diese USt ist somit nicht Teil des Entgelts. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 48 Abs. 3 EStG ist sie aber Teil der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug.
Beispiel 3:
Bauunternehmer X beauftragt im Januar 2022 die niederländische B-B.V., den Rohbau eines Bürogebäudes zu erstellen. Der Rechnungsbetrag lautet über 100 000 €. Eine Freistellungsbescheinigung wurde dem X weder in Kopie noch im Original vorgelegt.
Lösung 3:
X schuldet gem. § 13b UStG für diese Leistungsbeziehung eine USt i.H.v. 19 000 €. Die Abzugssteuer ermittelt sich mit 15 % von 119 000 € (100 000 € + 19 000 €) und beträgt somit 17 850 €.
Für steuerbare und stpfl. Bauleistungen ausländischer Unternehmer schuldet der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG die USt (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Der ausländische Unternehmer ist nicht berechtigt, eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis zu erteilen (§ 14a Abs. 5 UStG). Der Leistungsempfänger muss Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Die Steuerschuldnerschaft tritt auch dann ein, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Weitere Informationen enthält der Abschn. 13b.1. UStAE. S.a. das ausführliche Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft – Stand: Oktober 2009 – (BMF vom 12.10.2009, BStBl I 2009, 1292).
Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht (entgegen BMF vom 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz. 15a); vgl. BFH vom 27.9.2018, V R 49/17.
Der Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG setzt nach Abs. 5 Satz 2 UStG voraus, dass der Leistungsempfänger selbst auch die in § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG genannten Bauleistungen erbringt. Im Baubereich verlagert sich die Steuerschuld insbes. dann auf den Leistungsempfänger, wenn ein Subunternehmer für den Leistungsempfänger tätig wird (Abschn. 13b.3. Abs. 8 UStAE). Mit Schreiben vom 16.10.2009 (BStBl I 2009, 1298) nimmt das BMF zur Anwendung der Steuerschuldnerschaft eines Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, der selbst Bauleistungen erbringt, ausführlich Stellung. Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 ausgeführt werden. Für Umsätze, die nach dem 31.12.2009 ausgeführt worden sind, für die aber Entgeltzahlungen, Zahlungen von Teilentgelten oder Anzahlungen vor dem 1.1.2010 geleistet worden sind, und bei denen aufgrund der Regelungen des BMF-Schreibens vom 16.10.2009 (BStBl I 2009, 1298) der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG wird, sind Übergangsregelungen zu beachten. Erläuterungen dazu s. unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.
Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 6 UStG).
Erbringt ein Unternehmer eine Leistung, die keine Bauleistung i.S.v. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG ist (Abschn. 13b.3. Abs. 13 UStAE), und bezeichnet er sie dennoch in der Rechnung als Bauleistung, ist der Leistungsempfänger für diesen Umsatz nicht Steuerschuldner. Mit Schreiben vom 23.1.2006 (UR 2006, 367; Abschn. 13b.2. Abs. 7 Nr. 15 UStAE) teilt das BMF mit, dass Wartungsleistungen an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken, die einen Nettowert von 500 € übersteigen, nur dann als Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG zu behandeln sind, wenn Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden.
Ausgenommen sind nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG ausdrücklich Planungs- und Überwachungsleistungen. Hierunter fallen planerische Leistungen (z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren), Labordienstleistungen (z.B. chemische Analyse von Baustoffen) oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben.
Weiterhin fallen folgende Leistungen nicht unter die in § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Umsätze: Materiallieferungen (z.B. durch Baustoffhändler oder Baumärkte), auch wenn der liefernde Unternehmer den Gegenstand der Lieferung im Auftrag des Leistungsempfängers herstellt, nicht aber selbst in ein Bauwerk einbaut; Lieferungen einzelner Maschinen, die vom liefernden Unternehmer im Auftrag des Abnehmers auf ein Fundament gestellt werden. Stellt der liefernde Unternehmer das Fundament oder die Befestigungsvorrichtung allerdings vor Ort selbst her, ist nach den Grundsätzen in Abs. 4 zu entscheiden, ob es sich um eine Bauleistung handelt.
Zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG) auf bestimmte Bauleistungen nimmt das BMF-Schreiben vom 2.12.2004 (BStBl I 2004, 1129) ausführlich Stellung. Die OFD Hannover hat mit Vfg. vom 7.3.2007 (S 7279 – 4 – StO 183, LEXinform 5230655) ein ausführliches Merkblatt zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG auf Bauleistungen herausgegeben.
Mit Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 2014, 233) nimmt das BMF Stellung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG und Gebäudereinigungsleistungen: Der BFH hat mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG ausgelegt. Nach seiner Entscheidung sind die Regelungen einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen komme es entgegen Abschn. 13b.3. Abs. 2 UStAE nicht an. Im Übrigen sei es entgegen der Vereinfachungsregelung in Abschn. 13b.8. UStAE nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht. Die Entscheidung des BFH hat mittelbar auch Auswirkungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 5 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 8 UStG).
Zur Auswirkung des Steuerabzugs auf die Höhe der USt und des Vorsteuerabzugs sowie zur Auswirkung der USt auf die Höhe des Steuerabzugs s. Vfg. der OFD Cottbus vom 12.12.2001 (S 7200-0041-St 244, UR 2002, 187).
Der Steuerabzug hat umsatzsteuerrechtlich keinen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage. Obwohl der Leistungsempfänger gem. § 48 Abs. 1 EStG zur Einbehaltung des 15 %igen Steuerabzugs verpflichtet ist, gehört der Steuerabzug zum Entgelt, weil er für Rechnung des Leistenden gezahlt wird und demnach ausschließlich im wirtschaftlichen Interesse des leistenden Unternehmers steht (Abschn. 10.1. Abs. 7 Satz 1 UStAE).
Beispiel 4:
Der Leistende erteilt dem Leistungsempfänger (Unternehmer, der nicht selbst Bauleistungen durchführt) für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:
Auftragssumme netto |
100 000 € |
USt 19 % |
19 000 € |
Bruttobetrag |
119 000 € |
Lösung 4:
Der Leistungsempfänger überweist dem Leistenden 101 150 €. Die einbehaltene 15 %ige Abzugsteuer von 17 850 € überweist der Leistungsempfänger an das für den Leistenden zuständige FA. Der Leistende hat gem. § 10 Abs. 1 UStG den vollen Betrag von 100 000 € der USt zu unterwerfen.
Auch in diesen Fällen hat der 15 %ige Steuerabzug gem. § 48 EStG keinen Einfluss auf die Höhe der USt-Schuld gem. § 13b UStG. Bemessungsgrundlage für die Steuer gem. § 48 EStG ist das Entgelt zzgl. der USt, die gem. § 13b UStG vom Leistungsempfänger geschuldet wird.
Beispiel 5:
Der ausländische Bauunternehmer erteilt dem inländischen Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:
Auftragssumme 100 000 €. In der Rechnung wird auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG hingewiesen.
Lösung 5:
Nach § 13b UStG schuldet der Leistungsempfänger eine USt von 19 000 €. Die Steuer gem. § 48 EStG beträgt 15 % von 119 000 € = 17 850 €.
In Fällen der lstbesteuerung gem. § 20 UStG ist die Versteuerung des Gesamtentgelts ausschließlich in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der Leistende die Gegenleistung (85 % der Auftragssumme) vereinnahmt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 UStG). Hierbei ist es unerheblich, dass der Leistungsempfänger die 15 %ige Abzugsteuer erst am 10. des Folgemonats gem. § 48a Abs. 1 EStG an das FA entrichtet.
Beispiel 6:
Der Leistende erteilt dem Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:
Auftragssumme netto |
100 000 € |
USt 19 % |
19 000 € |
Bruttobetrag |
119 000 € |
Der Leistungsempfänger überweist dem Leistenden 101 150 € im Monat 03/10. Die einbehaltene 15 %ige Abzugsteuer von 17 400 € überweist der Leistungsempfänger an das für den Leistenden zuständige FA im Monat 04/10.
Lösung 6:
Der Leistende hat 100 000 € gem. § 10 Abs. 1 UStG im Monat 03/10 der USt zu unterwerfen.
Entsprechendes gilt, wenn der Gesamtbetrag in mehreren Teilbeträgen (Abschlagszahlungen) gezahlt wird.
Beispiel 7:
Der Leistende erteilt dem Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:
Auftragssumme netto |
100 000 € |
USt 19 % |
19 000 € |
Bruttobetrag |
119 000 € |
Der Leistungsempfänger überweist dem Leistenden einen Teilbetrag von 50 575 € im Monat 03/10 (59 500 € abzgl. 15 % Steuerabzug) und den restlichen Betrag von 50 575 € (59 500 € abzüglich 15 % Steuerabzug) im Monat 05/10.
Lösung 7:
Der Leistende hat gem. § 10 Abs. 1 UStG im Monat 03/10 einen Teilbetrag von 50 000 € und den Restbetrag von 50 000 € im Monat 05/10 der USt zu unterwerfen.
Die Umsatzsteuer kann aus dem vereinnahmten Betrag durch Anwendung eines Faktors wie folgt ermittelt werden:
erhaltene Zahlung × Faktor |
100 |
Der Faktor beträgt bei einem Steuersatz von 19 %= 18,783984. Der Faktor wird wie folgt ermittelt:
Bei einem Brutto-Rechnungsbetrag von 119 000 € beträgt der Steuerabzug von 15 % = 17 850 €, sodass der Leistende 101 150 € (= 85 % von 119 000 €) erhält.
101 150 € × 100 × 19 |
= 19 000 € |
85 × 119 |
100 × 19 |
= 0,18783984 |
85 × 119 |
Beispiel 8:
Erhaltene Zahlung 101 150 €, Steuersatz 19 %.
101 150 € × 18,783984 |
= 19 000 € |
100 |
Das Entgelt (Nettobemessungsgrundlage) kann durch Anwendung der folgenden Formel berechnet werden:
Erhaltene Zahlung × Faktor |
19 |
Der Faktor beträgt bei einem Steuersatz von 19 % = 18,783984
Beispiel 9:
Erhaltene Zahlung 101 150 €, Steuersatz 19 %.
101 150 € × 18,783984 |
= 100 000 € |
19 |
In Fällen, in denen der Leistungsempfänger an den Leistenden nur 85 % der Bausumme zahlt, jedoch der Leistungsempfänger pflichtwidrig die 15 %ige Abzugsteuer nicht an das FA des Leistenden abführt, liegt keine Entgeltsminderung gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vor. Die Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 1 UStG für die ausgeführte Bauleistung bleibt insoweit unberührt. Dies gilt auch dann, wenn das FA, die Anrechnung gem. § 48c Abs. 3 EStG ablehnt.
Für die Anrechnung ist zum Schutz des Leistenden grundsätzlich nicht Voraussetzung, dass der angemeldete Betrag auch abgeführt wurde. Im Hinblick auf § 48c Abs. 3 EStG hat das FA vor der Anrechnung jedoch festzustellen, ob der Leistungsempfänger den angemeldeten Abzugsbetrag abgeführt hat. Ist dies nicht der Fall, ist vom FA durch weitere Sachverhaltsermittlungen zu klären, ob Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Abzugsverfahrens gegeben sind.
Ist ein Abzugsbetrag vom Leistungsempfänger einbehalten, aber nicht angemeldet und abgeführt worden, wird der Abzugsbetrag beim Leistenden angerechnet, wenn der Leistende seinem FA die entsprechende Abrechnung i.S.d. § 48a Abs. 2 EStG vorlegt und der Leistungsempfänger durch Haftungsbescheid oder eine Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 AO in Anspruch genommen worden ist. Bis dahin ist eine Stundung der dem Steuerabzugsverfahren unterliegenden fälligen Steuern des Leistenden nach § 222 AO nicht möglich. Ggf. kommt die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung gem. § 258 AO in Betracht (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 88).
Nicht jede Steuerabzugsverpflichtung i.S.d. § 48 EStG führt zur Steuerschuldnerschaft i.S.d. § 13b UStG und umgekehrt.
Abb.: Die Anwendung des § 48 EStG und des § 13b UStG im Überblick
Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurde mit Wirkung vom 6.11.2015 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 UStG) klarstellend überarbeitet (s.a. BMF vom 10.8.2016, BStBl I 2016, 820). Danach unterliegen den Reverse-Charge-Verfahren »Bauleistungen einschließlich Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen«. Als Grundstücke gelten insbes. auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.
Die Abzugsverpflichtung i.S.d. § 48 EStG betrifft nur den unternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Wird eine Bauleistung ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich eines Unternehmers erbracht, findet der Steuerabzug nicht statt.
Wird die Bauleistung für ein Bauwerk erbracht, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, kommt es darauf an, ob die Bauleistung dem unternehmerisch oder nichtunternehmerisch genutzten Teil des Bauwerks zugeordnet werden kann. Bauleistungen, die einem Teil des Bauwerks nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind dem Zweck zuzuordnen, der überwiegt. Der überwiegende Zweck ist anhand des Wohn-/Nutzflächenverhältnisses oder anderer sachgerechter Maßstäbe festzustellen.
Nach § 13b Abs. 5 UStG gilt auch in den Fällen der Bauleistungen, dass der Leistungsempfänger auch dann die Steuer schuldet, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird. In allen Fällen des § 13b UStG ist es unerheblich, ob die Leistung für unternehmerische oder private Zwecke bezogen wird.
Beispiel 10:
Ein Bäcker B lässt im Verkaufsraum seiner Bäckerei eine neue Ladeneinrichtung installieren. Ausführender der Bauleistung ist ein
im Inland bzw.
im Ausland
ansässiger Unternehmer.
Lösung 10:
Die Vergütung unterliegt in den Fällen a) und b) dem Steuerabzug nach § 48 EStG.
Im Fall a) wird B als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 UStG, da er nicht selbst Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ausführt.
Im Fall b) wird B als Leistungsempfänger Steuerschuldner i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 und 7 UStG, da der Ausführende ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist.
Beispiel 11:
Ein freiberuflich tätiger Journalist J lässt die Fliesen im Badezimmer seiner zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung erneuern. Ausführender der Bauleistung ist ein
im Inland bzw.
im Ausland
ansässiger Unternehmer.
Lösung 11:
Die Vergütung unterliegt nicht dem Steuerabzug, obwohl es sich beim Leistungsempfänger um einen Unternehmer handelt, denn die Bauleistung wurde in dessen Privatwohnung vorgenommen.
Im Fall a) wird J als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 UStG, da er nicht selbst Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ausführt.
Im Fall b) wird J als Leistungsempfänger Steuerschuldner i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 und 7 UStG, da der Ausführende ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist. Die Steuerschuldnerschaft erstreckt sich sowohl auf die Umsätze für den unternehmerischen als auch auf die Umsätze für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 5 UStG, BMF vom 5.12.2001, BStBl I 2001, 1013, Rz. 1).
Ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich, da die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG (für sein Unternehmen) nicht vorliegen.
Beispiel 12:
Ein Eigentümer lässt in einem Vierfamilienhaus, in dem er eine Wohnung selbst bewohnt und die übrigen Wohnungen vermietet, Verbundglasfenster einbauen.
Lösung 12:
Da es sich bei dem Eigentümer hinsichtlich seiner Vermietungstätigkeit um einen Unternehmer handelt, unterliegt die Vergütung insoweit dem Steuerabzug, als sie sich auf den Einbau von Fenstern in den vermieteten Wohnungen bezieht. Fenster in Gemeinschaftsräumen (z.B. Flure, Treppenhäuser) sind der überwiegenden Nutzung zuzuordnen. Da in dem Beispiel die größere Zahl der Wohnungen vermietet ist, ist von der Gegenleistung für diese Fenster der Steuerabzug vorzunehmen. Unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 EStG ist kein Steuerabzug vorzunehmen.
Zur umsatzsteuerrechtlichen Lösung s. Beispiel 10 und 11.
Die Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehbar, aber nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig.
Die auf den Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 UStG übergegangene Steuer ist als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehbar, wenn der Leistungsempfänger die nach § 13b Abs. 2 UStG an ihn ausgeführten Umsätze für sein Unternehmen empfangen hat. Die Vorsteuer ist abzugsfähig, wenn die an ihn ausgeführten Umsätze zur Ausführung von Abzugsumsätzen verwendet werden.
S nutzt das Arbeitszimmer zur Ausführung der stpfl. schriftstellerischen Tätigkeit. Durch die Verwendung der seinem Unternehmen zugeordneten Wohnräume erbringt S stpfl. Umsätze nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 Satz 1 UStG. Die mit Beschluss des BFH vom 25.5.2000 (V R 39/99, UR 2000, 325) dem EuGH vorgelegte Frage wurde durch das EuGH-Urteil vom 8.5.2003 (C-269/00, DStR 2003, 873) beantwortet. In der Nachfolgeentscheidung hat der BFH wie folgt entschieden (BFH Urteil vom 24.7.2003, V R 39/99, BStBl II 2004, 371): Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude – einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils – entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG abziehen. Die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers ist keine steuerfreie Grundstücksvermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG und schließt deshalb den Vorsteuerabzug nicht gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus. Die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterliegt als stpfl. unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der Umsatzbesteuerung. Für die Anwendung dieser Grundsätze ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG eine unternehmerische Nutzung von mindestens 10 % erforderlich. Da S somit das gesamte Grundstück zur Ausführung von Abzugsumsätzen verwendet, ist die Vorsteuer i.H.v. 2 400 € nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehbar und in voller Höhe auch abzugsfähig.
Das Bayerische Landesamt für Steuern nimmt im Schreiben vom 16.9.2015, S 2272. 1.1-3/8 St32, Stellung zur Bauabzugsteuer im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen:
Vergütungen für Bauleistungen, die im Inland gegenüber einem Unternehmer i.S.d. § 2 UStG oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden, unterliegen dem Steuerabzug (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, vom Rechnungsbetrag 15 % einzubehalten, anzumelden und an das FA abzuführen, es sei denn im Zeitpunkt der Gegenleistung liegt eine gültige Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vor oder die gesamte Gegenleistung im laufenden Kj. übersteigt voraussichtlich nicht die Freigrenze von 5 000 € bzw. 15 000 € (§ 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG). Die Verpflichtung zum Steuerabzug entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung erbracht wird, d. h. beim Leistungsempfänger selbst oder bei einem Dritten, der für den Leistungsempfänger zahlt, abfließt (§ 11 EStG). Unter Bauleistung sind alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 48 Abs. 1 Satz 3 EStG). Im Gesetz findet sich keine Erläuterung, was unter Bauwerken zu verstehen ist. Gemäß dem BMF-Schreiben vom 27.12.2002 (BStBl I 2002, 1399) ist der Begriff weit auszulegen:
Zur Beurteilung der Frage, inwieweit eine Bauleistung i.S.d. § 48 Abs. 1 EStG vorliegt, spielt es keine Rolle, ob das fest in das Gebäude eingebaute WG als Betriebsvorrichtung oder Gebäudebestandteil anzusehen ist. Die Installation einer Photovoltaikanlage an oder auf einem Gebäude stellt eine Bauleistung i.S.d. § 48 EStG dar. Die Aufstellung einer Freilandphotovoltaikanlage kann ebenfalls den Bauleistungsbegriff des § 48 EStG erfüllen. An der bisher anders lautenden Auffassung, dass Photovoltaikanlagen als Betriebsvorrichtungen nicht den Begriff des Bauwerks erfüllen, wird nicht mehr festgehalten.
Die nunmehr geltende Rechtsauffassung ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Fälle bis zum 31.12.2015 (Zeitpunkt der Entstehung der Bauabzugsteuer) ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn ein Abzug der Bauabzugsteuer oder das Anfordern einer Freistellungsbescheinigung unterbleibt.
Das BMF ordnet in seinem Schreiben auch Photovoltaikanlagen, die »an oder auf einem Gebäude« installiert werden, als Bauwerke ein (so bereits FG Düsseldorf vom 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, NWB VAAAG-81430). Für Zwecke der Bauabzugsteuer ist es somit unerheblich, ob es sich bei einer dachintegrierten Photovoltaikanlage um einen Gebäudebestandteil oder bei einer Auf-Dach-Photovoltaikanlage um eine Betriebsvorrichtung handelt (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 5.6.2013, BStBl I 2013, 734, Tz. 3.6).
Bei Photovoltaikanlagen jeglicher Art handelt es sich um die Herstellung eines (sonstigen) Bauwerks i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG. Damit unterliegt die Installation einer Photovoltaikanlage wie alle anderen Bauleistungen am Gebäude der Bauabzugsteuer. Unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Bauleistungsempfänger verpflichtet, den Steuerabzug bei Bauleistungen i.H.v. 15 % der Gegenleistung für Rechnung des Bauleistenden vorzunehmen, wenn keine der in § 48 Abs. 2 EStG genannten Ausnahmetatbestände vorliegen; vgl. Landesamt für Steuern Niedersachsen vom 17.10.2023, S 2240 – St 222/St 221-2473/2022 unter III. 12.
Ergänzend zu den Abschn. A 13b.1. bis R 13b.3. UStAE hat das BMF ein Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft herausgegeben (BMF vom 27.1.2023, BStBl I 2023, 305, s.a. OFD Frankfurt vom 12.4.2010, S 7270 A – 11 – St 113, UR 2010, 831, LEXinform 5232700 sowie OFD Karlsruhe vom 28.2.2012, S 7270, LEXinform 5234023). Näheres s. unter → Bauleistungen in der Umsatzsteuer, → Werklieferung und → Werkleistung sowie → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.
Gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der leistende Unternehmer, soweit er eine stpfl. Werklieferung oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Dies gilt auch, wenn die Bauleistung an eine Privatperson ausgeführt wird. Da die Rechnung von der Privatperson zwei Jahre lang aufzubewahren ist (§ 14b Abs. 1 Satz 5 UStG), muss die Rechnung einen Hinweis auf die zweijährige Aufbewahrungspflicht enthalten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 UStG). Bei Nichteinhaltung der Rechnungsausstellungsverpflichtung kann das FA ein Bußgeld festsetzen (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Zur Rechnungsausstellung und zu den Aufbewahrungspflichten s. BMF vom 24.11.2004 (BStBl I 2004, 1122; → Rechnung).
Gem. § 14 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 bis 4 UStG ist der Unternehmer berechtigt und ggf. verpflichtet, über das vor der Ausführung der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen vereinnahmte Entgelt eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener USt zu erteilen. Aus der Rechnung muss hervorgehen, dass damit Voraus- oder Abschlagszahlungen abgerechnet werden.
Seifert, Die Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen im Überblick, INF 2001, 577; Ebling, Das neue BMF-Schreiben vom 27.12.2002 zum Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen, DStR 2003, 402; Diebold, Der Verwaltungserlass zum Bausteuerabzug, DB 2003, 1134; Völkel u.a., ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Loseblatt); Beer und Goy, Erfassung der Bauabzugsteuer nach §§ 48 bis 48d EStG, BBK 2017, 547; Update Bauabzugsteuer, Überblick über aktuelle Rechtsfragen, NWB 15/2021, 1034; Bubeck/Stiegler, Neues BMF-Schreiben zur Bauabzugsteuer, NWB 39/2022, 2770; Gehrs/Brügge, Die Bauabzugsteuer – leicht übersehene Steuerfalle für unternehmerisch tätige Auftraggeber von Bauleistungen, StuB 23/2022, 903.
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
→ Rechnung
→ Steuerschuldner bei der Umsatzsteuer
→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden