1 Steuerermäßigung nach § 35b EStG bei Belastung mit Erbschaftsteuer
2 Anrechnung von ausländischer Erbschaft- und Schenkungsteuer
2.1 Grundsätzliches
2.2 Anrechnungsmöglichkeiten ausländischer Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer
2.3 Anrechnungsvolumen
2.4 Begrenzung der Anrechnung
2.5 Umfang der Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer
3 Verfahrensfragen
4 Literaturhinweise
5 Verwandte Lexikonartikel
§ 35b EStG verringert bei Erbfällen eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer. Die Vorschrift kommt nur bei einer Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer innerhalb von fünf Jahren nach einem Erwerb von Todes wegen zur Anwendung. Zum zeitlichen Aspekt vgl. auch FG Hamburg vom 23.8.2021, 1 K 305/19 (bestätigt durch BFH vom 28.11.2023, X R 20/21, LEXinform 0953936). Der Begünstigungszeitraum beginnt mit Entstehung der ErbSt. Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die ErbSt grds. mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Zeitraum beginnt nicht erst mit der Festsetzung der ErbSt. Mit der Formulierung »der Erbschaftsteuer unterlegen« kann der Zeitpunkt der Entstehung, aber auch der Zeitpunkt der Festsetzung gemeint sein. Die Gesetzessystematik, konkret das Zusammenspiel von § 35b EStG mit den Regelungen des ErbStG, spricht für eine Anknüpfung an § 9 ErbStG, so der BFH in der Urteilsbegründung. Grund für diese Auslegung war auch die praktische Anwendbarkeit des § 35b EStG.
Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, wird sodann auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um einen nach § 35b Satz 2 EStG zu bestimmenden Prozentsatz ermäßigt. Zur Berechnung der Ermäßigung vgl. auch BFH vom 13.3.2018 (IX R 23/17, BStBl II 2018, 593).
Eine Doppelbelastung liegt beispielsweise vor, wenn ein Anspruch bereits im Todeszeitpunkt (Entstehung der ErbSt, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) entstanden ist und somit im Vermögensanfall erfasst wird. Der Zufluss erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt an den Erben und führt bei diesem zu steuerpflichtigen Einnahmen i.S.d. § 2 EStG.
Beispiel 1:
Im Nachlass des am 11.12.2023 verstorbenen Erblassers gehört u.a. ein vermietetes Geschäftsgrundstück (Grundvermögen). Am Todestag bestanden Mietrückstände i.H.v. 2 000 € (Mieten für November und Dezember 2021). Die rückständigen Mieten wurden im Februar 2024 an die Erben gezahlt.
Lösung 1:
Die Mietforderungen sind als Kapitalforderungen im übrigen Vermögen zu erfassen. Eine sachliche Steuerbefreiung (§ 13 ff. ErbStG) kommt nicht in Betracht. Die Kapitalforderungen sind mit dem Nennwert (2 000 €) zu bewerten. Mit Zufluss im VZ 2024 liegen bei den Erben Einnahmen zu § 21 EStG vor, diese unterliegen der sachlichen Einkommensteuerpflicht. In diesem Fall liegt eine Doppelbelastung mit ErbSt und ESt vor, die auf die Kapitalforderung entfallende ErbSt kann gem. § 35b Satz 2 EStG auf die ESt 2024 angerechnet werden.
Kapitaleinnahmen, die im Rahmen der ESt unter die abgeltende Besteuerung fallen (z.B. Gewinnausschüttungen, Zinsen, §§ 32d Abs. 1, 43 Abs. 5 EStG) fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 35b EStG. Diese Einnahmen sind gem. § 2 Abs. 5b EStG nicht in die Veranlagung einzubeziehen. Um die Steuerermäßigung nach § 35b EStG in Anspruch nehmen zu können, wäre ein Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG möglich (Günstigerprüfung).
Beispiel 2:
Der verstorbene Max Muster (M) war u.a. Gesellschafter der M-GmbH. M verstarb am 10.6.2024. Im Mai 2024 hatten die Gesellschafter über die Verwendung des Gewinns der GmbH entschieden und eine Ausschüttung beschlossen, auf M entfiel ein Gewinnanteil von 50 000 €. Die Auszahlung erfolgte im Juli 2024 an die Erben des M unter zutreffendem Einbehalt von KapESt.
Lösung 2:
Da die Gewinnausschüttung noch vor dem Zeitpunkt der Entstehung der ErbSt (10.6.2024) beschlossen wurde, ist eine Kapitalforderung (Anspruch auf Auszahlung des Gewinns) im Vermögensanfall zu erfassen. Mit Auszahlung im Juli 2024 (§ 11 EStG) liegen Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Die Gewinnausschüttung unterliegt dem Kapitalertragsteuerabzug von 25 %, §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG. Dieser hat gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG Abgeltungswirkung. Eine Einbeziehung in die besondere Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG kommt nur auf Antrag gem. § 43 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 32d Abs. 4 EStG in Betracht (z.B. Berücksichtigung Sparer-PB). Auch in diesem Fall kommt eine Steuerermäßigung i.S.d. § 35b EStG nicht in Betracht. Eine Steuerermäßigung käme aber in den Fällen des § 32d Abs. 2 bzw. Abs. 6 EStG in Betracht (z.B. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG).
Ein Anwendungsfall des § 35b EStG liegt bei Nutzungen und Leistungen vor (z.B. lebenslängliche Rente als Vermächtnis). Diese Ansprüche sind im Rahmen des Vermögensanfalls mit dem Kapitalwert zu bewerten und im Vermögensanfall des Berechtigten zu erfassen (§§ 13, 14 BewG). Gleichzeitig liegen mit dem Zufluss der Nutzungen bzw. Leistungen in aller Regel auch steuerpflichtige Einnahmen vor (z.B. Renten gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG). Auch Veräußerungstatbestände in Person des Erben können zur Anwendung des § 35b EStG führen, wenn beispielsweise der Veräußerungsvorgang der ESt unterliegt (z.B. § 16 EStG) und gleichzeitig eine Belastung mit ErbSt eintritt (z.B. Verstoß gegen Behaltensfrist, § 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG).
§ 35b EStG gilt nach seinem Wortlaut nur bei Erwerben von Todes wegen und nicht für Zuwendungen unter Lebenden, wozu auch die vorweggenommene Erbfolge zählt. Zu den Erwerben von Todes wegen zählt beispielsweise der Erbanfall, ein Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder auch ein Anspruch aus einem Vertrag zugunsten Dritter (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). § 35b EStG erscheint insoweit lückenhaft (s. Herzig/Joisten/Vossel, DB 2009, 584).
Entsprechend dem Einkommensteuerrecht (§ 1 Abs. 1 EStG) knüpft das deutsche Erbschaftsteuerrecht im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 ErbStG) an den »Weltvermögensanfall« an. Dies hat zur Folge, dass es durch die Besteuerung durch die Belegenheitsstaaten (Staaten, in denen ein ausländischer Teil des »Weltvermögens« belegen ist) zur Doppelbesteuerung des nach ausländischer Sicht vorliegenden Inlandsvermögens kommt. Fehlt ein DBA, kann nach § 21 ErbStG die Belastung von Erwerben mit inländischer und ausländischer Steuer unilateral vermieden oder zumindest abgemildert werden (entsprechend § 34c EStG für die Einkommensteuer).
Was als Auslandsvermögen anzusehen ist, wird durch § 21 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 121 BewG näher bestimmt. Danach wird Grundvermögen, nicht jedoch Kapitalvermögen erfasst. Daher kommt z.B. die Anrechnung britischer Steuer auf ererbtes Kapitalvermögen nicht in Betracht (Kapitalvermögen wird in aller Regel nicht über § 121 Nr. 7 BewG erfasst, da grds. keine Sicherung durch Grundbesitz vorliegt). Der BFH hat im Urteil vom 19.6.2013 (II R 10/12, DB 2013, 1700) klargestellt, dass bei Fehlen eines DBA die auf Auslandskapitalvermögen gezahlte ausländische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer nicht angerechnet werden kann; es könne jedoch eine Billigkeitsmaßnahme geboten sein.
Sachverhalt:
A hat ihren Wohnsitz in Deutschland. In 2000 beerbte sie ihre Großtante, die ebenfalls in Deutschland lebte. Die Erbschaft bestand u.a. aus französischen Guthaben und Wertpapieren, die die Großtante von einer französischen Bank verwalten ließ. Der französische Notar musste 55 % des Wertes an die französische Staatskasse abführen. Das FA setzte nach deutschem Recht ebenfalls ErbSt fest, und zwar i.H.v. 29 % des Bruttoerbes. Damit stieg die Belastung auf 84 %, A verblieben lediglich noch 16 % des Erbes. Das FA erließ die Steuer teilweise wegen sachlicher Unbilligkeit, wodurch sich die Gesamtbelastung auf 71 % verringerte. Die von A erhobene Klage mit dem Ziel, die französische ErbSt auf die deutsche Steuer anzurechnen oder hilfsweise als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, wies das FG zurück (s. FG Baden-Württemberg Urteil vom 21.12.2011, EFG 2012, 1290).
Entscheidung des BFH:
Der BFH verneint einen Verstoß gegen Unionsrecht. Er beruft sich auf die Rspr. des EuGH. Danach berührt das Unionsrecht die Autonomie der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der ErbSt nicht und es verpflichtet sie auch nicht, ihr Steuersystem den verschiedenen Systemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen. Die Nichtanrechnung der ausländischen ErbSt ist daher – unabhängig von dem ausländischen Steuersatz und der Gesamtbelastung – nicht gemeinschaftsrechtswidrig. Es liegt weder ein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Eigentumsschutz noch gegen die Gewährleistung des Eigentums und des Erbrechts durch das GG vor. Zum einen handelt es sich beim Erbschaftsteuerrecht nicht um Unionsrecht, sondern um nationales (nicht unionsrechtlich determiniertes) Recht. Zum anderen wäre die Verpflichtung Deutschlands, die Belastung durch die Anrechnung der ausländischen Steuer zu vermeiden, als einseitige Maßnahme mit der Souveränität der Staaten zur Erhebung von Steuern unvereinbar.
Ebenso verneint der BFH einen Verstoß gegen das GG.
Die auf das Kapitalvermögen entfallende Erbschaftsteuer kann auch nicht als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Satz 1 ErbStG abgezogen werden. Dem Abzug steht § 10 Abs. 8 ErbStG entgegen, wonach die vom Erwerber zu entrichtende eigene Steuer nicht abzugsfähig ist (s. auch BFH Urteil vom 19.6.2013, II R 10/12, DB 2013, 1700). Dabei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen der vom Erwerber zu entrichtenden eigenen deutschen und ausländischen Erbschaftsteuer. Dass § 10 Abs. 8 ErbStG nicht anwendbar sein soll, wenn und soweit die ausländische Steuer nicht nach § 21 ErbStG angerechnet werden kann, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen (FG Düsseldorf Urteil vom 13.5.2009, 4 K 155/08 Erb, EFG 2009, 1310). Eine dem § 34c Abs. 3 EStG vergleichbare Vorschrift zum Abzug ausländischer Steuer, wenn die Voraussetzungen der Anrechnung nicht vorliegen, enthält § 21 ErbStG nicht.
Eine Anrechnung ausländischer ErbSt und SchenkSt kommt nur bei Erbfällen und Schenkungen mit unbeschränkter – einschließlich erweitert unbeschränkter – Steuerpflicht in Betracht (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die in der Vorschrift vorausgesetzte Eigenschaft des Inländers bestimmt sich im Einzelnen bei natürlichen Personen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG. Bei Stiftungen oder Vereinen ist erforderlich, dass sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind Erwerber anrechnungsberechtigt, die durch die Vermögensübertragung begünstigt sind. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist die Anrechnung der ausländischen Steuer subsidiär. Die Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer kann daher nur dann erfolgen, »sofern« nicht die Vorschriften eines DBA anzuwenden sind. Hierzu sind derzeit lediglich mit sechs Staaten solche DBA vereinbart (Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden, Schweiz und USA), wobei Schweden keine ErbSt mehr erhebt.
Eine Liste der bestehenden DBA enthält H E 2.1 [Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet des ErbStG] ErbStH sowie die jährlich vom BMF veröffentlichte Liste zum Stand der DBA insgesamt (z.B. BMF vom 15.1.2024, IV B 2 – S 1301/21/10048:003, zum Stand der DBA am 1.1.2024).
Anrechenbar ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nur eine ausländische Steuer, die der deutschen Erbschaftsteuer entspricht. Gegenstand dieser ausländischen Steuer muss das Auslandsvermögen sein. Die Höhe des Auslandsvermögens ist vom Erwerber nachzuweisen (§ 21 Abs. 3 ErbStG). Der Umfang des zu berücksichtigenden Auslandsvermögens bestimmt sich danach, ob der Erblasser zum Todeszeitpunkt Inländer war oder nicht (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 ErbStG). Zur Abgrenzung wird auf § 121 BewG verwiesen (abschließend aufgezählte Vermögensgegenstände). Für die Anwendung des § 21 ErbStG müssen die in § 121 BewG genannten Vermögensgegenstände einen Auslandsbezug haben, insbes.
ausländisches Grundvermögen,
ausländisches Betriebsvermögen,
Anteile an ausländischen KapGes (Mindestbeteiligung beachten).
Nicht von § 121 BewG erfasst werden beispielsweise Sparguthaben (Bankguthaben, Festgeldkonten, Wertpapiere unterhalb der Mindestbeteiligung). In diesen Fällen wird über § 21 ErbStG keine Doppelbelastung abgemildert.
Besteht der Erwerb nur zum Teil aus Auslandsvermögen, also daneben auch zum Teil aus Inlandsvermögen, ist das Aufteilungsgebot nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu beachten, mit der Folge der Aufteilung der deutschen ErbSt im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen.
Beispiel 3 (Grundfall zur Anrechnung):
Der verstorbene Max Muster (M) wohnte bis zu seinem Tod im November 2023 in Mainz. Alleinerbin ist seine Tochter Bettina (34 Jahre). Der Nachlass von M setzt sich wie folgt zusammen:
Mietwohngrundstück, Grundbesitzwert |
2 000 000 € |
Ferienhaus in Olinda (Brasilien) |
400 000 € |
hierfür in Brasilien gezahlte Erbschaftsteuer |
15 000 € |
Geldanlage bei der Banco Azteca in Peru |
80 000 € |
hierfür in Peru gezahlte Erbschaftsteuer |
7 000 € |
übriges Vermögen |
1 000 000 € |
Verbindlichkeiten Mietwohngrundstück |
50 000 € |
Verbindlichkeiten Ferienhaus Olinda |
30 000 € |
Bestattungskosten |
20 000 € |
Lösung 3:
Die tarifliche ErbSt ist wie folgt zu ermitteln:
Mietwohngrundstück, Ansatz 90 %, §§ 12 Abs. 3, 13d ErbStG |
1 800 000 € |
Ferienhaus in Olinda (Brasilien), § 12 Abs. 7 ErbStG |
400 000 € |
Geldanlage bei der Banco Azteca in Peru, § 12 Abs. 1 ErbstG |
80 000 € |
übriges Vermögen |
1 000 000 € |
Steuerpflichtiger Vermögensanfall |
3 280 000 € |
Abzüglich Nachlassverbindlichkeiten § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG |
|
Verbindlichkeit MWG, 90 %, § 10 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 ErbStG |
45 000 € |
Verbindlichkeit Ferienhaus Brasilien |
30 000 € |
Erblasserschulden § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG |
20 000 € |
Bereicherung § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG |
3 185 000 € |
Abzüglich Freibeträge §§ 16, 17 ErbStG |
|
Persönlicher FB § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG |
400 000 € |
Versorgungs-FB § 17 ErbStG kein Abzug (34 Jahre) |
|
Steuerpflichtiger Erwerb § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG |
2 785 000 € |
Tarifliche ErbSt § 19 Abs. 1 ErbStG (19 %) |
529 150 € |
Anrechnung ausländische Steuer § 21 ErbStG |
15 000 € |
Festzusetzende ErbSt |
514 150 € |
Die Anrechnung gem. § 21 ErbStG kann nur für die Steuer aus Brasilien erfolgen. Die in Peru gezahlte ErbSt kann nicht angerechnet werden, da kein Auslandsvermögen vorliegt. Vergleichbares Kapitalvermögen fällt bei beschränkter Steuerpflicht nicht unter den Katalog des Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG. Ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit scheidet ebenfalls aus (eine vergleichbare Regelung zu § 34c Abs. 3 EStG gibt es in § 21 ErbStG nicht). Für die Höchstbetragsberechnung ist der stpfl. Wert des Nachlasses nach Abzug der Erblasserschulden maßgebend, d.h. die Bereicherung ohne die Bestattungskosten (= 3 205 000 €). Der Höchstbetrag nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG beträgt daher 61 088 € (529 150 × 370 000 ./. 3 205 000). Die in Brasilien festgesetzte, gezahlte Steuer i.H.v. 15 000 € ist in voller Höhe anrechenbar. Die festzusetzende ErbSt beträgt daher 514 150 €.
Das Auslandsvermögen ist mit den Werten anzusetzen, die für die inländische Besteuerung maßgebend sind. Dazu hat der EuGH allerdings entschieden, dass die unterschiedliche Bewertung von Inlands- und Auslandsvermögen EU-rechtswidrig ist (EuGH Urteil vom 17.1.2008, C-256/06, BFH/NV Beilage 2008, 120).
Zur Vermeidung von Missbräuchen ist nur die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer anrechenbar (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Diese Voraussetzung hat der Erwerber durch Vorlage entsprechender Urkunden nachzuweisen (§ 21 Abs. 3 ErbStG). Drei Berechnungsbeispiele zur Anrechnung sind in H E 21 »Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer« ErbStH dargestellt.
Problematisch ist der Umfang der Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer im Falle von mehreren Übertragungen von Auslandsvermögen innerhalb von zehn Jahren. Hier kann der Umfang der Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer problematisch werden, wenn ein Erwerber in einem ausländischen Staat mit seinem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer entsprechenden Steuer herangezogen wurde und bei der Berechnung der deutschen Schenkungsteuer für den Erwerb des Auslandsvermögens Vorschenkungen berücksichtigt wurden, für die ebenfalls jeweils ausländische Schenkungsteuer entrichtet wurde. Hier stellt sich die Frage, wie die Berücksichtigung früherer Erwerbe (→ Erbschaftsteuer: Berücksichtigung früherer Erwerbe) nach § 14 ErbStG zu behandeln ist. Der BFH hat in seinem Urteil vom 7.9.2011 entschieden, dass bei der Festsetzung der inländischen Schenkungsteuer für einen Erwerb, der auch in den Niederlanden der Schenkungsteuer unterliegt, die Berücksichtigung von ebenfalls in den Niederlanden besteuerten Vorerwerben nach § 14 ErbStG nicht zu einer Anrechnung der für die gesamten Vorerwerbe gezahlten niederländischen Steuer führt. Die in den Niederlanden gezahlte Schenkungsteuer sei nur insoweit nach § 21 ErbStG anzurechnen, als sie auf die besteuerte Zuwendung (Letzterwerb) entfällt (BFH Urteil vom 7.9.2011, II 58/09, BStBl II 2012, 40).
Dies gelte auch dann, wenn die ausländische Schenkungsteuer für die Vorerwerbe bei der Festsetzung der inländischen Schenkungsteuer für die Vorerwerbe nicht oder nur zum Teil angerechnet werden konnte, weil für den jeweiligen Vorerwerb entweder keine deutsche Schenkungsteuer festzusetzen oder die deutsche Schenkungsteuer niedriger als die ausländische Schenkungsteuer war. Eine Anrechnung nicht ausgenutzter ausländischer Schenkungsteuer könne insoweit nicht bei der Besteuerung von Nacherwerben nachgeholt werden. Der BFH hat in seinem o.g. Urteil auch festgestellt, dass die Regelungen der §§ 14, 21 ErbStG nicht gegen die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit verstoße.
Zur Anrechnung der schweizerischen ErbSt für vor dem Erbfall getätigte Schenkungen auf die deutsche Schenkungsteuer vgl. FG Düsseldorf vom 4.5.2022 (4 K 2501/21 Erb). Die schweizerische Steuer auf fünf Jahre vor dem Erbfall getätigte Schenkungen entspricht der deutschen Schenkungsteuer und ist auf diese anzurechnen. Maßgebend ist, dass sich die Besteuerung in beiden Staaten auf den gleichen Steuertatbestand bezieht. Unschädlich war nach Auffassung des FG Düsseldorf, dass in der Schweiz keine Schenkungsteuer erhoben wird, sondern die Schenkung die Zahllast der ErbSt erhöht. Ausgehend von einem identischen Lebenssachverhalt betrachtet das schweizerische Steuerrecht die Klägerin, wie dargestellt, im Ergebnis als Erbin, während das deutsche Steuerrecht von einer Schenkung ausgeht.
Sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anrechnung ausländischer ErbSt gem. § 21 ErbStG gegeben, stellt sich verfahrensrechtlich die Frage, ob eine Anrechnung auch dann noch in Betracht kommt, wenn der inländische Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheid bereits bestandskräftig ist. Der BFH hatte zu klären, ob die Erstattung ausländischer Quellensteuer als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen ist oder eine Änderung der Anrechnung nur wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich ist. Die Beantwortung dieser Frage hat Bedeutung für die Festsetzungsverjährung. Während bei § 173 AO die vierjährige Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Anzeige des (inländischen) Erwerbs (§ 30 ErbStG) erfolgt, beginnt die vierjährige Verjährungsfrist gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO mit Ablauf des Jahres, in dem das maßgebliche Ereignis stattfindet, also der Erlass des Bescheids über die ausländische Erbschaftsteuer.
Der BFH sieht in der Zahlung der ausländischen Steuer ein rückwirkendes Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit, so dass der deutsche Steuerbescheid auch nach Eintritt der Bestandskraft nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern ist (BFH vom 22.9.2010, II R 54/09, BFH/NV 2011, 377). Im konkreten Fall zahlte der Steuerpflichtige tessinische Schenkungsteuer, nachdem das deutsche Finanzamt Schenkungsteuer festgesetzt hatte.
Die Anwendung des § 175 AO ergibt sich schon aus dem Umstand, dass eine ausländische Steuer notwendigerweise erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und gezahlt worden sein kann, sodass die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers zurückwirkt. Entsprechendes gilt für die Schenkungsteuer.
Sachverhalt:
Die Mutter des Klägers wandte diesem am 2.5. und 31.10.1994 jeweils einen Geldbetrag zu. Ihr Wohnsitz befand sich zum Zeitpunkt der Zuwendungen im Kanton Tessin (Schweiz). Der Kläger war Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 ErbStG. Nachdem der Kläger die Zuwendung dem FA gegenüber erklärt hatte, setzte das FA Schenkungsteuer fest. Es berücksichtigte dabei mehrere Vorschenkungen.
Die Finanzbehörde des Kantons Tessin setzte ebenfalls nach sieben Jahren Schenkungsteuer für die Zuwendungen fest. Der Kläger zahlte diese Schenkungsteuer und beantragte beim FA, sie auf die deutsche Schenkungsteuer anzurechnen. Das FA lehnte dies ab, da die Festsetzung und Zahlung der tessinischen Schenkungsteuer den Tatbestand einer Korrekturnorm der AO nicht erfülle. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Entscheidung:
Der BFH sah die Voraussetzungen des § 21 ErbStG im konkreten Fall als erfüllt an. Damit stellt sich die Frage, ob die zuerst ergangenen deutschen Schenkungsteuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern waren, also ob es sich bei der Zahlung der festgesetzten tessinischen Schenkungsteuer um ein rückwirkendes Ereignis handelte. Dies bejaht der BFH, weil nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers der Zahlung festgesetzter ausländischer Steuer Wirkung für die Vergangenheit zukommen soll (s. dazu BFH Urteil vom 18.10.2000, II R 46/98, BFH/NV 2001, 420). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 21 ErbStG, folgt jedoch aus dem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt des § 21 ErbStG.
Die Finanzverwaltung hat sich mittlerweile der Auffassung des BFH angeschlossen und geht ebenfalls bei der Zahlung von ausländischer Erbschaftsteuer nach Bestandskraft des inländischen Steuerbescheides von einem rückwirkenden Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 1 Nr. 2 AO aus (R E 21 Abs. 4 ErbStR).
Hinweis:
Bei Erlass, Aufhebung oder Änderung eines ausländischen Erbschaftsteuerbescheids ist der deutsche Erbschaftsteuerbescheid nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG von Amts wegen zu korrigieren. Es handelt sich nämlich nicht um einen Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung i.S.d. § 171 Abs. 10 AO. Es bedarf damit eines Änderungsantrags des Steuerpflichtigen.
Die ausländische Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer ist nach § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist. Bestehen zwischen dem ausländischen und dem deutschen Recht Unterschiede hinsichtlich der Steuerentstehung, kann dies zum Verlust der Anrechnung führen.
Hechtner, Neuregelung des § 35b EStG durch das ErbStRG – Ermittlung der Steuerermäßigung und ökonomische Belastungsanalyse, BB 2009, 486; Herzig/Joisten/Vossel, Die Vermeidung der Doppelbelastung mit ESt und ErbSt nach Einführung des § 35b EStG, DB 2009, 584; Lüdicke/Fürwentsches, Das neue Erbschaftsteuerrecht, DB 2009, 17; Viskorf/Haag, Überblick über die wichtigsten Neuregelungen der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, DStR 2012, 219.
→ Erbschaftsteuer: Berücksichtigung früherer Erwerbe
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