1 Allgemeines
2 Die Sonderregel im Überblick/Tatbestandsmerkmale
3 Die Regelungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr im Einzelnen
3.1 Drittlandskäufer
3.1.1 Wohnort im Drittland
3.1.2 Beispiele
3.2 Ausfuhr im nichtkommerziellen Reiseverkehr
3.2.1 Ausfuhr im Reiseverkehr
3.2.2 Reisende
3.2.3 Persönliches Reisegepäck
3.2.4 Kommerzieller Reiseverkehr
3.2.5 Nichtkommerzieller Reiseverkehr
3.2.6 Nichtanwendung bei Lieferungen zur Ausrüstung und Versorgung von privaten Beförderungsmitteln
3.3 Nachweis der Ausfuhrfrist (Drei-Monats-Frist)
3.4 Beachtung der Wertgrenze
3.5 Ausfuhrnachweise
3.5.1 Ausfuhrbestätigung
3.5.2 Alternativbelege
3.5.3 Nachweiserleichterungen an Flughäfen – Scan-Verfahren
3.6 Abnehmernachweis
3.6.1 Wohnort im Drittlandsgebiet (»Drittlandskäufer«)
3.6.2 Übereinstimmung mit der tatsächlich vorgelegten Ausreiselegitimation (»Abnehmerbestätigung«)
3.6.3 Versagung der Abnehmerbestätigung trotz gültiger Legitimation
3.7 Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung
3.8 Buchnachweis
4 Abwicklung durch den Unternehmer
5 Verfahrensschritte an der Grenzzollstelle
6 Ersatzbestätigung
7 Abholung der Ware an einer inländischen Lieferadresse
8 Wechselwirkung der Ausfuhrbefreiungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3a UStG
9 Einschaltung von Service-Unternehmen
10 Doppelverkaufssystem
11 Beispiele
12 Literaturhinweise
13 Verwandte Lexikonartikel
Die Sonderregelungen für Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr finden sich vor allem in
§ 6 Abs. Abs. 3a UStG;
Abschn. 6.11. UStAE;
bis 30.6.2022 im Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (BMF vom 10.1.2020, BStBl I 2020, 186; Abschn. 6.11. Abs. 17 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 10.1.2020, BStBl I 2020, 184).
Das bisherige Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (BMF vom 10.1.2020, BStBl I 2020, 186; Abschn. 6.11. Abs. 17 UStAE) wird mit Stand Juli 2022 neu herausgegeben (BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352). Das bisherige durch das BMF-Schreiben vom 10.1.2020 (BStBl I 2020, 186) herausgegebene Vordruckmuster wird durch das angepasste Vordruckmuster »Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen für Umsatzsteuerzwecke bei Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr« ersetzt (Anlage 2 zum Merkblatt).
Mit BMF-Schreibens vom 15.3.2022 (BStBl I 2022, 351) zur Änderung des UStAE – Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr – wird u.a. Abschn. 6.11. Abs. 17 UStAE wie folgt gefasst: »Weitere Hinweise enthält das Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr, Stand Juli 2022 (Anlage 1 zum BMF-Schreiben vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352).
Die Anlage 1 des Merkblatts zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352) enthält Übersichten zur umsatzsteuerrechtlichen Abgrenzung EU-Gebiet/Drittlandsgebiet.«
Die Ausfuhrlieferung im nichtkommerziellen Reiseverkehr i.S.d. § 6 Abs. 3a UStG (Art. 146 Abs. 1 Buchst. b und Art. 147 MwStSystRL) ist dann nach § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 UStG steuerfrei, wenn folgende Tatbestandsmerkmale vorliegen:
Es liegt eine steuerbare Lieferung vor.
Der Gegenstand der Lieferung wird für außerunternehmerische Zwecke erworben und wird
durch den Abnehmer,
im persönlichen Reisegepäck ausgeführt.
Der Abnehmer hat seinen Wohnort oder Sitz im Drittlandsgebiet, ausgenommen im § 1 Abs. 3-Gebiet, und
der Gegenstand der Lieferung wird vor Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat der Lieferung folgt, ausgeführt.
Der Gesamtwert der Lieferung einschließlich USt übersteigt 50 €.
Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wurde § 6 Abs. 3a UStG durch Art. 12 Nr. 6 geändert. Diese Änderung sieht die zeitlich befristete Einführung einer Wertgrenze für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr vor.
Danach werden Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr mit Wirkung zum 1.1.2020 erst ab einem Gesamtwert der Lieferung einschließlich USt von 50 € von der Umsatzsteuer befreit (§ 6 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 UStG). Die Wertgrenze entfällt zum Ende des Jahres, in dem das bereits in Vorbereitung befindliche IT-Verfahren zur automatisierten Erteilung der Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen in Deutschland in den Echtbetrieb geht (§ 6 Abs. 3a Satz 2 UStG; s.a. FinMin Schleswig-Holstein vom 23.1.2020, VI 358 – S 7133 – 003, SIS 20 04 86).
Bei den Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (§ 6 Abs. 3a UStG) handelt es sich um Fälle, in denen der Abnehmer
Waren zu nichtunternehmerischen Zwecken erwirbt und
im persönlichen Reisegepäck in das Drittlandsgebiet verbringt
(sog. »Export über den Ladentisch«).
Hinweis:
Verkäufe an Reisende mit Wohnort im EU-Gebiet oder in Nordirland sind nicht umsatzsteuerfrei. Das gesamte EU-Gebiet sowie Nordirland gilt für Privatpersonen umsatzsteuerlich als einheitlicher Raum ohne Steuergrenzen. Jeder Einkauf eines Reisenden in einem EU-Staat oder Nordirland ist mit der USt des Kauflandes belastet. Diese Besteuerung ist endgültig und bleibt auch nach dem Verbringen der Ware in einen anderen EU-Staat bestehen (Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr, BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 unter I.).
Drittlandskäufer sind Reisende mit Wohnort in einem Staat außerhalb der EU.
Beachte:
Für das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ist ab dem 1.1.2021 Folgendes zu beachten: Obwohl Nordirland Teil des Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ist, wird Nordirland im Warenverkehr behandelt, als ob es EU-Gebiet wäre. Reisende mit Wohnort in Nordirland sind daher keine Drittlandskäufer. Reisende mit Wohnort in einem anderen Teil des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sind dagegen Drittlandskäufer (Abschn. 6.11. Abs. 11 Satz 2 UStAE; Tz. 1.2 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
Wohnort ist der Ort, an dem der Käufer für längere Zeit eine Wohnung genommen hat und der als der örtliche Mittelpunkt seines Lebens anzusehen ist. Als Wohnort in diesem Sinne gilt der Ort, der im Pass oder sonstigen Grenzübertrittspapier eingetragen ist. Auf die Staatsangehörigkeit des Käufers kommt es nicht an. Der Wohnort im Drittland muss im Zeitpunkt der Lieferung vorhanden sein (s. Abschn. 6.11. Abs. 11 Satz 3 und 4 UStAE).
Zum Drittlandsgebiet s. Abschn. 1.10. Abs. 1 und 2 UStAE sowie die Anlage 1 zum Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352).
Eine deutsche Staatsangehörige hat ihren Wohnort laut Eintragung im Pass oder im sonstigen Grenzübertrittspapier in der Schweiz. Folglich ist sie eine Drittlandskäuferin.
Ein japanischer Staatsangehöriger hat seinen Wohnort in Belgien. Folglich ist er kein Drittlandskäufer.
Ein türkischer Staatsangehöriger ist ArbN in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. In aller Regel hat er dann seinen Wohnort im Gebiet der EU und ist daher kein Drittlandskäufer. Dasselbe gilt in der Regel für Studenten aus Drittländern, die in Deutschland oder in einem anderen EU-Staat studieren.
Ein deutscher Diplomat wird von seiner bisherigen Tätigkeit in der Zentrale des Auswärtigen Amtes an eine deutsche Botschaft im Drittlandsgebiet versetzt. Er kauft in einem deutschen Einzelhandelsgeschäft Ware, die er an seinen neuen Einsatzort mitnehmen will. Er ist dann ein Drittlandskäufer, wenn er im Zeitpunkt der Lieferung seinen neuen Wohnort im Drittlandsgebiet bereits begründet hat und dies dem Unternehmer durch ein amtliches Dokument nachweist. Die Versetzungsverfügung des Auswärtigen Amtes in das Drittlandsgebiet allein reicht dazu nicht aus.
Die Ausführungen im Beispiel Nr. 4 gelten auch für Soldaten der Bundeswehr, die zu einem Einsatz im Drittlandsgebiet mit Änderung des Wohnorts versetzt werden (z.B. zu einer deutschen Luftwaffeneinheit in Kanada) sowie für ArbN der Privatwirtschaft, die vom ArbG zu einer länger andauernden Tätigkeit im Drittlandsgebiet mit Begründung des Wohnorts in diesem Staat versetzt werden.
In Deutschland stationierte Soldaten aus dem Drittlandsgebiet und ihre Familienangehörigen sind keine Drittlandskäufer. Dasselbe gilt für das Personal diplomatischer oder konsularischer Vertretungen aus dem Drittlandsgebiet mit Tätigkeitsort im EU-Gebiet.
Ein britischer Staatsangehöriger hat seinen Wohnort in Nordirland. Somit ist er nicht als Drittlandskäufer anzusehen.
Ein britischer Staatsangehöriger hat seinen Wohnort in England. Er ist Drittlandskäufer.
Eine Ausfuhr im Reiseverkehr liegt vor, wenn der Drittlandskäufer die erworbene Ware im persönlichen Reisegepäck ins Drittlandsgebiet mitnimmt (s.a. Abschn. 6.11. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Als Reisende gelten Touristen (Urlauber), Berufspendler, aber auch Käufer, die eigens zum Einkaufen aus dem Drittlandsgebiet in das EU-Gebiet kommen (s. Abschn. 6.11. Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Zum »persönlichen Reisegepäck« gehören diejenigen Gegenstände, die der Abnehmer bei einem Grenzübertritt mit sich führt, z.B. das Handgepäck oder die in einem von ihm benutzten Fahrzeug (Pkw oder auch Kleintransporter) befindlichen Gegenstände, sowie das anlässlich einer Reise aufgegebene Handgepäck (Abschn. 6.11. Abs. 1 Satz 3 UStAE; Tz. 1.4 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
Hinweis:
Ein Fahrzeug, seine Bestandteile und sein Zubehör sind kein persönliches Reisegepäck.
Keine Ausfuhr im Reiseverkehr liegt vor, wenn der Käufer die Ware durch einen Spediteur, durch Bahn oder Post oder durch einen sonstigen Frachtführer in ein Drittland versendet oder wenn er die Ware nicht im üblichen Reisegepäck in das Drittlandsgebiet befördert, sondern z.B. Möbel oder größere Haushaltsgeräte in einem eigenen oder gemieteten Lastkraftwagen dorthin transportiert (Tz.1.4 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr sowie Abschn. 6.11. Abs. 1 Satz 5 und 6 UStAE).
Beispiel 1:
Ein Käufer verpackt die gekaufte Ware in einem Paket und verschickt es z.B. durch die Deutsche Post AG an seine Heimatadresse im Drittlandsgebiet.
Ein Verkauf im Reiseverkehr liegt auch dann nicht vor, wenn der Unternehmer die Ware, z.B. Möbel, mit seinem betriebseigenen Fahrzeug in das Drittlandsgebiet befördert oder wenn der Unternehmer die Ware durch einen von ihm beauftragten Spediteur oder sonstigen Frachtführer in das Drittlandsgebiet versendet.
Bei Ausfuhrlieferungen im Reiseverkehr wird entsprechend dem Verwendungszweck der erworbenen Ware zwischen kommerziellem und nichtkommerziellem Reiseverkehr unterschieden.
Eine Ausfuhrlieferung im kommerziellen Reiseverkehr liegt vor, wenn die erworbene Ware für unternehmerische Zwecke bestimmt ist.
Eine Ausfuhrlieferung im nichtkommerziellen Reiseverkehr liegt vor, wenn die erworbene Ware für den privaten Bedarf des Drittlandskäufers bestimmt ist.
Ein Fahrzeug, seine Bestandteile und sein Zubehör sind kein persönliches Reisegepäck (Abschn. 6.11. Abs. 1 Satz 5 UStAE). Lieferungen von Waren, die zur Ausrüstung oder Versorgung eines privaten Beförderungsmittels (z.B. Pkw, Kombiwagen, Sportboot, Segelyacht, Flugzeug) dienen, sind von der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr ausgeschlossen. Bei den betroffenen Waren handelt es sich sowohl um Kraftfahrzeugteile, die mit dem Fahrzeug fest verbunden werden (z.B. Stoßstange), als auch um solche, die als bewegliche Teile zur Ausrüstung des Fahrzeugs gehören (z.B. Abschleppseil, Reservereifen, Verbandkasten). Auch Waren zur Versorgung eines Fahrzeugs (z.B. Kraftstoff, Motoröl, Pflegemittel) fallen nicht unter die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (Tz. 7 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
Eine weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung besteht darin, dass der Käufer die Ware vor Ablauf des dritten Monats, der dem Monat der Lieferung folgt, nachweislich in ein Drittland ausführt (§ 6 Abs. 3a Nr. 2 UStG).
Beispiel 2:
Der Drittlandskäufer kauft am 6.3. (Tag der Übergabe der Ware durch den liefernden Unternehmer). Er muss die Ware dann spätestens am 30.6. desselben Jahres in das Drittlandsgebiet ausführen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kann der Unternehmer aus der Angabe des Datums auf der zollamtlichen Ausfuhrbestätigung ersehen.
Der Unternehmer hat die Einhaltung der Ausfuhrfrist (§ 6 Abs. 3a Nr. 2 UStG) durch Angabe des Tages der Ausfuhr im Ausfuhrbeleg nachzuweisen. Fehlt auf dem Ausfuhrbeleg die Angabe des Ausfuhrtages, muss der Unternehmer den Tag der Ausfuhr durch andere überprüfbare Unterlagen nachweisen (z.B. durch Nachweis der Auszahlung des Preisnachlasses innerhalb der Drei-Monats-Frist; Abschn. 6.11. Abs. 10 UStAE; Tz. 1.5 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wurde § 6 Abs. 3a UStG durch Art. 12 Nr. 6 geändert. Diese Änderung sieht die zeitlich befristete Einführung einer Wertgrenze für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr vor.
Danach werden Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr mit Wirkung zum 1.1.2020 erst ab einem Gesamtwert der Lieferung einschließlich Umsatzsteuer von 50 € von der Umsatzsteuer befreit (§ 6 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 UStG; Abschn. 6.11. Abs. 2 UStAE). Die Wertgrenze entfällt zum Ende des Jahres, in dem das bereits in Vorbereitung befindliche IT-Verfahren zur automatisierten Erteilung der Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen in Deutschland in den Echtbetrieb geht (§ 6 Abs. 3a Satz 2 UStG).
Auch bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen greift die Steuerbefreiung erst dann, wenn der Gesamtwert der Lieferung einschließlich USt 50 € übersteigt (Abschn. 6.11. Abs. 2 UStAE). Für die Feststellung, ob die maßgebliche Wertgrenze überschritten wurde, wird der Rechnungsbetrag zugrunde gelegt (Art. 48 Satz 1 MwStVO 282/2011 vom 15.3.2011, ABl. L 77, 1; Abschn. 6.11. Abs. 3 Satz 1 UStAE).
Beim Einkauf mehrerer Gegenstände darf der Gesamtwert dieser Gegenstände nur zugrunde gelegt werden, wenn alle Gegenstände auf einer Rechnung aufgeführt sind und diese Rechnung von ein und demselben Unternehmer an ein und denselben Abnehmer ausgestellt wurde. Eine Zusammenfassung mehrerer einzelner Rechnungen, um dadurch die Wertgrenze von 50 € zu überschreiten, ist nicht zulässig (Art. 48 Satz 2 MwStVO 282/2011 vom 15.3.2011, ABl. L 77, 1; Abschn. 6.11. Abs. 4 UStAE).
Der Rechnungsbetrag kann neben dem Entgelt und dem auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag auch Kosten für Nebenleistungen (z.B. Beförderung, Verpackung, Versicherungen) enthalten, die in die Ermittlung der Wertgrenze einzubeziehen sind (Abschn. 6.11. Abs. 3 Satz 2 UStAE; Tz. 1.5 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
Pfandgeld auf Warenumschließungen, das dem Abnehmer bei der Lieferung berechnet wird, ist grds. Teil des Entgelts für die Lieferung (Nebenleistungen zur Hauptleistung).
Beachte:
Unabhängig davon, ob einzelne Liefergegenstände von der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausgeschlossen sind (z.B. Gegenstände, die zur Ausrüstung oder Versorgung nichtunternehmerischer Beförderungsmittel bestimmt sind; § 6 Abs. 3 UStG), werden diese jedoch bei der Ermittlung der Wertgrenze berücksichtigt (Abschn. 6.11. Abs. 3 Satz 3 und 4 UStAE).
Bei nachträglichen Entgeltminderungen bleiben Pfandrückgaben aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. Nachträgliche Teilrückabwicklungen (etwa bei Reklamation, Umtausch gegen Barauszahlung) sind zu berücksichtigen (Abschn. 6.11. Abs. 5 UStAE).
Bei Einzweckgutscheinen i.S.d. § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG (→ Gutscheine) kommt die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr – unabhängig von der Überschreitung der Wertgrenze – nicht in Betracht (ruhende Lieferung).
Beispiel 3:
S. das Beispiel 7 zu → Gutscheine unter dem Gliederungspunkt »Leistungsausführung bei der Übertragung bzw. Ausgabe von Einzweck-Gutscheinen« und dort »Besteuerungszeitpunkt und Bemessungsgrundlage«.
Das Modehaus M aus Deutschland betreibt in mehreren Ländern der EU sowie in der Schweiz Filialen. M stellt am 5.2.2024 in seinem Modehaus in Singen (Bodensee) einen Gutschein für Bekleidung im Nennwert von 200 € zum Preis von 180 € an einen Kunden K aus. Der Kunde kann den Gutschein nur in der Filiale in Singen einlösen. Am 15.5.2024 kauft K in der Filiale in Singen ein Kleidungsstück im Wert von 250 €. Der Kunde K aus der Schweiz lässt die Ausfuhr des Kleidungsstücks von der deutschen Grenzzollstelle nach § 6 Abs. 3a und 4 UStG i.V.m. § 17 UStDV bestätigen. Am 25.6.2024 sendet der Schweizer Kunde K den Ausfuhrbeleg an das Modehaus M in Singen.
Lösung 3:
Da die mit dem Gutschein verkörperte Leistung (Lieferung Bekleidung), der Ort dieser Lieferung (Singen) und die für den Umsatz (Verkauf des Kleidungsstücks) geschuldete USt zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, handelt es sich um einen Einzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 14 Satz 1 UStG). Um einen Einzweck-Gutschein handelt es sich auch dann, wenn im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins nicht feststeht, ob das Kleidungsstück im Inland bleibt oder ausgeführt wird.
Jede Übertragung eines Einzweck-Gutscheins durch einen Stpfl., der im eigenen Namen handelt, gilt als eine Lieferung der Gegenstände oder Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht (§ 3 Abs. 14 Satz 2 UStG; Art. 30b Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL). Die »fiktive« Lieferung des M ist in Deutschland steuerbar und stpfl. Der Ort der »fiktiven Kleiderlieferung« bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Die »fiktive Lieferung« wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (in der Filiale in Singen). Eine Steuerbefreiung für die fiktive Kleiderlieferung kann nicht geltend gemacht werden, da der Gegenstand nicht in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet wird.
M muss in diesem Fall die USt auf die Gegenleistung abführen, die er für den Einzweck-Gutschein erhalten hat. Entgelt für die fiktive Kleiderlieferung im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll.
Bemessungsgrundlage ist der Betrag, den der Käufer des Einzweck-Gutscheins dafür aufwendet, abzüglich der USt. Bemessungsgrundlage ist somit nicht der Nennwert des Gutscheins (200 €), sondern der aufgewendete Betrag (180 € abzgl. 19 % USt). Die Bemessungsgrundlage beträgt demnach (180 € : 119 × 100 =) 151,26 €, die USt 28,74 €.
M muss für den VZ Februar 2024 die Ausgabe des Gutscheins als »fiktive« Kleiderlieferung zum Steuersatz von 19 % erklären (ruhende Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG). Die tatsächliche Kleiderlieferung, für die der Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wurde (im Wert von 200 €), gilt nicht als unabhängiger Umsatz (§ 3 Abs. 14 Satz 5 UStG).
Im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung im VZ Mai 2024 ist der Differenzbetrag von 50 € abzüglich USt zu versteuern (Abschn. 3.17. Abs. 2 Satz 15 UStAE mit Beispiel 3). Die USt beträgt (50 € : 119 × 100 =) 7,98 €.
Hinsichtlich der Zuzahlung (50 €) liegt ein von der Versteuerung des Einzweck-Gutscheins unabhängiger Umsatz vor. Der Ort für diese »weitere Kleiderlieferung« bestimmt sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 und 2 UStG (Abhollieferung). Lieferungen, bei denen der Lieferort nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt wird, werden im Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstands – hier am 15.5.2022 – ausgeführt (Abschn. 13.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Für die steuerbare Übertragung eines Einzweck-Gutscheins kommt eine Steuerbefreiung für Ausfuhrliefe-rungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr – unabhängig von der Überschreitung der Wertgrenze – nicht in Betracht (ruhende Lieferung), da der Gegenstand der fiktiven Lieferung nicht in das Ausland bewegt wird (Abschn. 6.11. Abs. 6 Satz 1 UStAE mit Beispiel). Die tatsächliche Warenbewegung (am 15.5.2024) i.H.v. 200 € gilt nicht als unabhängiger Umsatz (§ 3 Abs. 14 Satz 5 UStG).
Für den von der Versteuerung des Einzweck-Gutscheins unabhängigen Umsatz i.H.v. 50 € kann die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3a UStG nicht geltend gemacht werden, da der Gesamtwert der Lieferung einschließlich USt 50 € nicht übersteigt. Der unabhängige Umsatz i.H.v. 50 € ist stpfl. (s.a. Abschn. 6.11. Abs. 2 UStAE).
Zur Behandlung der Zuzahlung s. den Hinweis vor dem Beispiel 7 unter → Gutscheine.
Die Ausgabe oder erstmalige Übertragung eines Mehrzweckgutscheins i.S.d. § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG (→ Gutscheine) stellt keine umsatzsteuerbare Lieferung dar. Bei einem Mehrzweckgutschein gilt die Lieferung des Gegenstandes erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung (= Einlösung) als erbracht. Die Wertgrenze ist daher auch für Mehrzweckgutscheine anzuwenden, die vor dem 1.1.2020 ausgegeben, aber erst nach dem 31.12.2019 eingelöst werden.
Beispiel 4:
Kauf eines Mehrzweckgutscheins am 23.12.2019 i.H.v. 20 €; Einlösung des Gutscheins für den Kauf einer CD zum Rechnungsbetrag von 20 € am 4.1.2020.
Lösung 4:
S.a. das Beispiel zu Abschn. 6.11. Abs. 6 UStAE.
Die Ausgabe des Mehrzweckgutscheins am 23.12.2019 ist umsatzsteuerlich unbeachtlich. Erst mit Einlösung des Gutscheins am 4.1.2020 wird die tatsächliche Lieferung erbracht. Die Steuerbefreiung kommt mangels Überschreiten der Wertgrenze nicht in Betracht.
Die Verbringung des Liefergegenstands in das Drittlandsgebiet soll grundsätzlich durch eine Ausfuhrbestätigung der den Ausgang des Gegenstands aus dem Gemeinschaftsgebiet überwachenden Grenzzollstelle eines EU-Mitgliedstaates (Ausgangszollstelle) nachgewiesen werden (Abschn. 6.11. Abs. 7 Satz 1 UStAE i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStDV, Abschn. 6.6 Abs. 3 UStAE).
Die Ausfuhrbestätigung erfolgt durch einen Sichtvermerk der Ausgangszollstelle der Gemeinschaft auf der vorgelegten Rechnung oder dem vorgelegten Ausfuhrbeleg. Unter Sichtvermerk ist der Dienststempelabdruck der Ausgangszollstelle mit Namen der Zollstelle und Datum zu verstehen (Abschn. 6.11. Abs. 7 Sätze 2 und 3 UStAE).
Als ausreichender Ausfuhrnachweis ist grundsätzlich ein Beleg (Rechnung oder ein entsprechender Beleg) anzuerkennen, der mit einem gültigen Stempelabdruck der Ausgangszollstelle versehen ist. Das gilt auch dann, wenn außer dem Stempelabdruck keine weiteren Angaben, z.B. Datum und Unterschrift, gemacht wurden oder wenn auf besonderen Ausfuhrbelegen die vordruckmäßig vorgesehenen Ankreuzungen fehlen. Entscheidend ist, dass sich aus dem Beleg die Abfertigung des Liefergegenstandes zur Ausfuhr durch die Ausgangszollstelle erkennen lässt (Abschn. 6.11. Abs. 8 UStAE). Ist der Ausfuhrnachweis durch Belege mit einer Bestätigung der Grenzzollstelle nicht möglich oder nicht zumutbar, kann der Nachweis im begründeten Einzelfall auch durch geeignete Alternativbelege geführt werden (vgl. Abschn. 6.11 Abs. 8 Satz 4 i.V.m. Abschn. 6.6. Abs. 6 UStAE).
Der Ausfuhrbeleg (Rechnung oder entsprechender Beleg) hat folgende Angaben zu enthalten:
Name und Anschrift des liefernden Unternehmers,
die handelsübliche Bezeichnung und
die Menge des ausgeführten Gegenstands (Abschn. 6.11. Abs. 9 Satz 1 UStAE; Tz. 3.1 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
»Handelsüblich« ist dabei jede im Geschäftsverkehr für einen Gegenstand allgemein verwendete Bezeichnung, z.B. auch Markenbezeichnungen (Abschn. 6.11. Abs. 9 Satz 2 UStAE).
Auch handelsübliche Sammelbezeichnungen, z.B. Baubeschläge, Büromöbel, Kurzwaren, Spirituosen, Tabakwaren, Waschmittel, sind ausreichend (Abschn. 6.11. Abs. 9 Satz 3 UStAE).
Dagegen reichen Bezeichnungen allgemeiner Art, die Gruppen verschiedener Gegenstände umfassen, z.B. Geschenkartikel, nicht aus (Abschn. 6.11. Abs. 9 Satz 4 UStAE i.V.m. Abschn. 14.5. Abs. 15 UStAE).
Die im Ausfuhrnachweis verwendete handelsübliche Bezeichnung von Gegenständen ist nicht zu beanstanden, wenn die Ausgangszollstelle anhand der Angaben im Ausfuhrbeleg die Ausfuhr dieser Gegenstände bestätigt. Damit ist ausreichend belegt, dass die Gegenstände im Ausfuhrbeleg so konkret bezeichnet worden sind, dass die Ausgangszollstelle in der Lage war, die Abfertigung dieser Gegenstände zur Ausfuhr zu bestätigen (Abschn. 6.11. Abs. 9 Sätze 5 und 6 UStAE).
Hinweis:
Nach dem BFH-Urteil vom 10.7.2019 (XI R 28/18, BStBl II 2021, 961) sind keine allgemeingültigen Aussagen möglich, wann eine Bezeichnung als handelsüblich angesehen werden kann und wann nicht. Vielmehr muss dies unter den Umständen des Einzelfalles entschieden werden. »Handelsüblich« ist eine Bezeichnung dann, wenn sie unter Berücksichtigung von Handelsstufe, Art und Inhalt der Lieferungen den Erfordernissen von Kaufleuten i.S.d. HGB genügt und von Unternehmern in den entsprechenden Geschäftskreisen allgemein (d.h. nicht nur gelegentlich) verwendet wird (s. BMF vom 1.12.2021, BStBl I 2021, 2486 zur Ergänzung u.a. des Abschn. 14.5. Abs. 15 Satz 3 und 4 UStAE).
Mit BMF-Schreiben vom 20.12.2022 (BStBl I 2022, 1694) werden – unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 10.7.2019 (XI R 28/18, BStBl II 2021, 961) – in Abschn. 6.11. Abs. 9 UStAE die Sätze 2 bis 4 neu gefasst.
Zur Nachweiserleichterung bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr an Flughäfen (Scan-Verfahren) nimmt das FinMin Schleswig-Holstein mit Erlass vom 18.7.2023 (VI 3515 – S 7510 – 141897/2023, UR 2023, 738, SIS 23 15 00) Stellung.
Der Unternehmer hat gem. § 6 Abs. 4 UStG die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegenüber dem zuständigen FA nachzuweisen. Die Nachweisführung hat nach Abschn. 6.11. Abs. 7 UStAE grds. durch eine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle zu erfolgen. Ist der Ausfuhrnachweis durch Belege mit einer Bestätigung der Grenzzollstelle nicht möglich oder nicht zumutbar, kann der Nachweis im begründeten Einzelfall auch durch geeignete Alternativbelege geführt werden (vgl. Abschn. 6.6. Abs. 6 UStAE). Eine Alternative stellt das sog. Scan-Verfahren an Flughäfen dar, bei dem ein Einzelhändler den Gegenstand der Lieferung im Ladengeschäft im Sicherheitsbereich eines Flughafens seinem im Drittlandsgebiet wohnenden Abnehmer übergibt. Bei diesem Verfahren werden die Reisepässe sowie die Bordkarten der Kunden vom Einzelhändler gescannt und können dann die zollamtlichen Ausfuhrbelege ersetzen.
Als Nachweisführung für die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung ist das Scan-Verfahren künftig jedoch nur noch anzuerkennen, wenn es an Flughäfen zum Einsatz kommt, an denen die Zollverwaltung nicht vertreten ist. Sofern ein Unternehmen an mehreren Flughäfen Ladengeschäfte betreibt, muss das zuständige FA prüfen, ob und inwieweit die Zollverwaltung am jeweiligen Flughafen präsent ist und ob das Scan-Verfahren als Nachweis für die Steuerbefreiung an diesen Flughäfen zulässig ist, sodass das Scan-Verfahren künftig die Ausnahme hinsichtlich der Ausfuhrnachweise darstellt.
Außer der Ausfuhr der Gegenstände hat der Unternehmer durch einen Beleg nachzuweisen, dass der Abnehmer
im Zeitpunkt der Lieferung
seinen Wohnort im Drittlandsgebiet
hatte (Abschn. 6.11. Abs. 11 Satz 1 UStAE).
Wohnort ist der Ort, an dem der Abnehmer für längere Zeit seine Wohnung hat und der als der örtliche Mittelpunkt seines Lebens anzusehen ist. Als Wohnort in diesem Sinne gilt der Ort, der im Reisepass oder in einem anderen in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Grenzübertrittspapier (insbesondere Personalausweis) eingetragen ist (Abschn. 6.11. Abs. 11 Sätze 2 u. 3 UStAE).
Hinweis:
Der Unternehmer kann sich hiervon durch Einsichtnahme in das vom Abnehmer vorgelegte Grenzübertrittspapier überzeugen. Aus dem Ausfuhrbeleg (Rechnung oder entsprechender Beleg) müssen sich daher der Name und die Anschrift des Abnehmers ergeben (Land, Wohnort, Straße und Hausnummer). Ist die Angabe der vollständigen Anschrift des Abnehmers zum Beispiel aufgrund von Sprachproblemen nicht möglich, genügt neben dem Namen des Abnehmers die Angabe des Landes, in dem der Abnehmer wohnt, und die Angabe der Nummer des Reisepasses oder eines anderen anerkannten Grenzübertrittspapiers (Abschn. 6.11. Abs. 11 Sätze 4 bis 6 UStAE).
Auf die Staatsangehörigkeit des Käufers kommt es nicht an.
Wichtig:
Für Käufer mit britischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland besteht die Besonderheit, dass sich aus dem britischen Reisepass der Wohnort und damit die Abnehmereigenschaft als »Drittlandskäufer« nicht eindeutig ergibt. Es kann somit nicht unterschieden werden, ob der Käufer seinen Wohnsitz in Großbritannien (= Drittland) oder dem für Warenlieferungen als EU-zugehörig geltenden Nordirland innehat.
Eine Abnehmerbestätigung kann in diesen Fällen daher trotz Vorlage eines gültigen Reisepasses durch die Grenzzollstelle nur bei Vorlage eines gültigen britischen Führerscheins oder durch Vorlage eines aktuellen Kommunalsteuerbescheids oder einer aktuellen Strom-, Gas- oder Wasserrechnung (nicht älter als 12 Monate) erteilt werden. Andernfalls bestätigt die Grenzzollstelle nur die Ausfuhr des Gegenstandes. Außerdem vermerkt die Grenzzollstelle auf dem Ausfuhrbeleg die Gründe, weshalb sie die Richtigkeit von Name und Anschrift des Käufers nicht bestätigen kann. Ist der Abnehmernachweis durch eine Bestätigung der Grenzzollstelle nicht möglich oder nicht zumutbar, bestehen keine Bedenken, auch eine entsprechende Bestätigung einer amtlichen Stelle der Bundesrepublik Deutschland im Wohnsitzstaat des Käufers, z.B. einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland oder einer im Drittlandsgebiet stationierten Truppeneinheit der Bundeswehr, als ausreichend anzuerkennen. Die amtlichen Stellen der Bundesrepublik Deutschland erheben im Wohnsitzstaat des Käufers für jede Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung derzeit eine Gebühr von 34,07 € (Tz. 3.2 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr; s.a. Abschn. 6.11. Abs. 13 Satz 1 Nr. 8 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 351).
Im Ausfuhrbeleg bestätigt die Ausgangszollstelle außer der Ausfuhr, dass die Angaben zum Namen und zur Anschrift des Abnehmers mit den Eintragungen in dem vorgelegten Grenzübertrittspapier desjenigen übereinstimmen, der den Gegenstand in seinem Reisegepäck in das Drittlandsgebiet verbringt (§ 17 UStDV). Ist aus dem ausländischen Grenzübertrittspapier nicht die volle Anschrift, sondern nur das Land und der Wohnort oder nur das Land ersichtlich, erteilen die Ausgangszollstellen auch in diesen Fällen die Abnehmerbestätigung. Derartige Abnehmerbestätigungen sind als ausreichender Belegnachweis anzuerkennen (Abschn. 6.11. Abs. 12 Sätze 1 bis 3 UStAE).
Gem. Abschn. 6.11. Abs. 12 Satz 4 UStAE gilt Abschn. 6.11. Abs. 8 Satz 2 und 4 UStAE (Ausfuhrnachweis) für die Abnehmerbestätigung entsprechend. Auch hier ist als ausreichender Ausfuhrbeleg also grundsätzlich ein Beleg anzuerkennen, der mit einem gültigen Stempelabdruck der Ausgangszollstelle versehen ist. Das gilt auch dann, wenn außer dem Stempelabdruck keine weiteren Angaben, z.B. Datum und Unterschrift, gemacht wurden oder wenn auf besonderen Ausfuhrbelegen die vordruckmäßig vorgesehenen Ankreuzungen fehlen. Entscheidend ist, dass sich aus dem Beleg die Ausreise des Abnehmers erkennen lässt. Der Nachweis kann im begründeten Einzelfall auch durch geeignete Alternativbelege geführt werden.
In den in Abschn. 6.11. Abs. 13 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 15.3.2022 (BStBl I 2022, 351) aufgelisteten acht Einzelfällen versagen die deutschen Grenzzollstellen die Abnehmerbestätigung.
Für den Ausfuhrbeleg i.S.d. § 17 UStDV soll ein Vordruck nach vorgeschriebenem Muster (vgl. Anlage 2 zum BMF-Schreiben vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352) verwendet werden. Es bestehen keine Bedenken, wenn die in den Abschnitten B und C des Musters enthaltenen Angaben nicht auf einem besonderen Vordruck, sondern, z.B. durch Stempelaufdruck, auf einer Rechnung angebracht werden, sofern aus dieser Rechnung der Lieferer, der ausländische Abnehmer und der Gegenstand der Lieferung ersichtlich sind (Abschn. 6.11. Abs. 15 UStAE).
Neben dem belegmäßigen Ausfuhr- und Abnehmernachweis müssen sich die Voraussetzungen der Steuerbefreiung auch eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung ergeben (§ 13 UStDV). Grundlage des buchmäßigen Nachweises ist grundsätzlich der Beleg mit der Ausfuhr- und Abnehmerbestätigung der Ausgangszollstelle (Anlage 2 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352). Hat die Ausgangszollstelle die Ausfuhr der Gegenstände sowie die Angaben zum Abnehmer in dem vorgelegten Beleg bestätigt, sind die in dem Beleg enthaltenen Angaben (z.B. hinsichtlich der handelsüblichen Bezeichnung der Gegenstände und der Anschrift des Abnehmers) insoweit auch als ausreichender Buchnachweis anzuerkennen. Dies gilt auch dann, wenn zum Beispiel bei Sprachproblemen anstelle der vollständigen Anschrift lediglich das Land und die Passnummer aufgezeichnet werden (Abschn. 6.11. Abs. 16 UStAE).
Hinweis:
Der Unternehmer muss neben dem Belegnachweis zusätzlich einen Buchnachweis führen. Dazu soll er aufzeichnen:
handelsübliche Bezeichnung und Menge der ausgeführten Waren,
Name und Anschrift des Drittlandskäufers,
Tag der Lieferung,
das Entgelt (= Preis abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer),
die Ausfuhr.
Zur Vereinfachung kann diese Aufzeichnungspflicht dadurch erfüllt werden, dass die Buchführung und die Belege (Rechnung, Ausfuhrnachweis) mit gegenseitigen Verweisen versehen werden (Tz. 3.4 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr).
S. dazu auch die Ausführungen in Tz. 1.1 und Tz. 2 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022 (BStBl I 2022, 352 – Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr). Die Steuerbefreiung tritt erst dann ein, wenn sämtliche Voraussetzungen dafür erfüllt sind; u.a. erst dann, wenn der Unternehmer den Ausfuhrnachweis vorliegen hat. Im Zeitpunkt der Lieferung muss diese als stpfl. behandelt werden. Da der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung nicht für unternehmerische Zwecke erworben hat, steht ihm kein Vorsteuerabzug zu. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist der Unternehmer berechtigt – nicht jedoch verpflichtet – eine Rechnung auszustellen, in der u.a. der Steuersatz und der auf das Entgelt entfallende Steuerbetrag gesondert auszuweisen sind.
Falls der Unternehmer den Steuerbetrag gesondert ausweist, der Abnehmer – im Vorgriff auf die eventuelle Steuerbefreiung – aber lediglich den Nettobetrag entrichtet, kann diese Handhabung zum Nachteil des Unternehmers führen, wenn der Abnehmer nach erfolgter Ausfuhr den Nachweis nicht vorlegt. Die Lieferung bleibt danach stpfl. und der Unternehmer muss die gesondert ausgewiesene USt an das FA abführen, obwohl er sie nie erhalten hat.
Wird der Ausfuhrnachweis durch den Abnehmer an den Unternehmer vorgelegt, so wird die Lieferung nachträglich steuerfrei. Dies wiederum führt dazu, dass der Unternehmer für eine steuerfreie Lieferung die USt gesondert ausgewiesen hat. In diesem Fall schuldet der Unternehmer die USt nach § 14c Abs. 1 UStG (Abschn. 14c.1. Abs. 8 UStAE). Die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG erlischt erst dann, wenn der Unternehmer die Rechnung wirksam berichtigt hat.
Die Steuerschuldnerschaft nach § 14c Abs. 1 UStG sowie die damit im Zusammenhang stehende Rechnungsberichtigung kann der Unternehmer von Anfang an vermeiden, wenn er in der Rechnung an den Abnehmer lediglich den Bruttobetrag der Lieferung ausweist, den auch der Abnehmer an den Unternehmer entrichtet. Legt der Abnehmer später den Ausfuhrnachweis vor, kann der Unternehmer die im Rechnungsbetrag enthaltene USt an den Abnehmer erstatten. Die Folgen des § 14c Abs. 1 UStG treten nämlich nicht ein, wenn in Rechnungen für nicht stpfl. Umsätze lediglich der Gesamtpreis einschließlich USt in einem Betrag angegeben wird (Abschn. 14c.1. Abs. 4 Satz 2 UStAE).
Für Rechnungen über Kleinbeträge bedeutet dies, dass der Steuersatz bzw. die Steuersätze nicht aufgeführt werden dürfen, denen die Warenlieferungen unterliegen. Bekanntlich kann bei Kleinbetragsrechnungen der Vorsteuerabzug bereits aus der Nennung des Steuersatzes ohne Ausweis des Steuerbetrages hergeleitet werden.
Aus Vereinfachungsgründen ist eine Rechnungsberichtigung entbehrlich, wenn der Drittlandskäufer die ursprüngliche Rechnung bzw. den ursprünglichen Kassenbon an den Unternehmer zurückgibt und dieser den zurückerhaltenen Beleg bei seinen Buchhaltungsunterlagen aufbewahrt (BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352, Tz. 2 und 5 sowie Abschn. 14c.1. Abs. 8 Satz 3 UStAE).
Der Drittlandskäufer legt an der Grenzzollstelle vor:
seinen Pass (oder ein anderes Grenzübertrittspapier),
den Ausfuhrbeleg,
die auszuführende Ware.
Die Grenzzollstelle bestätigt unter Angabe von Ort und Datum
die Abfertigung der zur Ausfuhr vorgelegten und im Ausfuhrbeleg näher bezeichneten Waren,
die Übereinstimmung der Angaben über Name, Anschrift, Nummer des Passes oder eines sonstigen Grenzübertrittspapiers des Käufers mit den Angaben im Ausfuhrbeleg
durch Dienststempelabdruck.
Ist aus dem ausländischen Grenzübertrittspapier nicht die volle Anschrift, sondern nur das Land und der Wohnort oder nur das Land ersichtlich, erteilen die Grenzzollstellen auch in diesen Fällen die Abnehmerbestätigung. Derartige Abnehmerbestätigungen werden als ausreichender Belegnachweis anerkannt.
Die deutsche Grenzzollstelle erteilt die Abnehmerbestätigung nur, wenn die Angaben in dem Beleg über den Namen, die Nummer des Grenzübertrittspapiers und die Anschrift des Käufers mit dem vorgelegten Reisepass, Personalausweis oder einem sonstigen Grenzübertrittspapier des Ausführers übereinstimmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aus anderen Umständen (z.B. aus einer Aufenthaltsgenehmigung) Zweifel daran ergeben, ob der Käufer seinen Wohnort tatsächlich im Drittlandsgebiet hat.
Beachte:
Zur Erteilung der Abnehmerbestätigung für Käufer mit britischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz im Vereinigten Königreich Großbritannien beachte die Besonderheiten dazu in Abschn. 6.11. Abs. 11 Satz 2 sowie Abs. 13 Satz 1 Nr. 8 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 13.5.2022 (BStBl I 2022, 351).
Kann die Grenzzollstelle zwar die Ausfuhr des Gegenstandes bestätigen, nicht aber die Angaben zum Wohnort im Drittland, gibt sie – soweit möglich – auf dem Ausfuhrbeleg den Grund dafür an. Ergibt sich aus der Begründung, dass der Käufer seinen Wohnort zum Zeitpunkt der Lieferung nicht im Drittlandsgebiet hatte, entfällt die Steuerbefreiung. Hatte der Käufer zwar seinen Wohnort im Zeitpunkt der Lieferung im Drittlandsgebiet, konnte er dies aber der Grenzzollstelle nicht nachweisen, kann an die Stelle der fehlenden Abnehmerbestätigung der Grenzzollstelle eine Ersatzbestätigung treten, z.B. die Bestätigung einer amtlichen Stelle der Bundesrepublik Deutschland (z.B. deutsche Auslandsvertretung) im Einfuhrstaat (s. den folgenden Gliederungspunkt). Eine Ersatzbestätigung einer Zollstelle im Drittlandsgebiet kommt dagegen nicht in Betracht.
Wenn Ausfuhr- und/oder Abnehmernachweis nicht durch die Grenzzollstelle erbracht werden können oder dies für den Käufer nicht zumutbar ist (z.B. weil sich die gekaufte Ware im aufgegebenen Reisegepäck befindet), können diese Bestätigungen durch eine deutsche Auslandsvertretung im Wohnortland des Käufers erteilt werden (vgl. Teil C der Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung; Anlage 2 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352). Dies setzt in der Regel voraus, dass die Ware der Auslandsvertretung vorgeführt wird. Wichtig ist auch in diesen Fällen die Bestätigung, dass der Käufer im Zeitpunkt der Lieferung, d.h. bei Übergabe der Ware an ihn durch den Unternehmer, seinen Wohnort im Drittlandsgebiet hatte (s.a. Abschn. 6.11. Abs. 14 UStAE).
Nach § 6 Abs. 3a UStG liegt eine Ausfuhrlieferung im nichtkommerziellen Reiseverkehr nur vor, wenn der Gegenstand der Lieferung nicht für unternehmerische Zwecke erworben wird, der Abnehmer die Ware im persönlichen Reisegepäck ausführt und zudem folgende Voraussetzungen vorliegen:
Der Abnehmer hat seinen Wohnort oder Sitz im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, und
der Gegenstand der Lieferung wird vor Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat der Lieferung folgt, ausgeführt.
Die LFD Thüringen (Vfg. vom 15.6.2016, S 7133 A – 03 – A 5.14, UR 2016, 860) stellt fest, dass auf Bund-Länder-Ebene geklärt wurde, dass die Steuerbefreiung im nichtkommerziellen Reiseverkehr auch für folgende Fallgestaltung in Betracht kommt:
Ein Abnehmer mit Wohnsitz im Drittlandsgebiet (z.B. Schweiz) bestellt Ware bei einem Unternehmer mit Sitz im Inland (z.B. über das Internet).
Der (liefernde) Unternehmer versendet die Ware an eine inländische Lieferadresse (i.d.R. an einen Dienstleister oder an Paketshops bzw. Packstationen).
Der Abnehmer holt die Ware dort ab und führt sie im persönlichen Reisegepäck in das Drittlandsgebiet aus.
Rechnungsadressat ist der Abnehmer im Drittlandsgebiet.
Der Abnehmer soll nach erfolgter Ausfuhr den zollamtlichen Beleg über die Ausfuhr an den (liefernden) Unternehmer senden, um von diesem die Umsatzsteuerrückerstattung zu erhalten (s.a. Esser u.a., NWB 28/2016, 2100).
Mit Urteil vom 17.12.2020 (C-656/19, UR 2021, 598, LEXinform 5217210) hat sich der EuGH mit der Problematik der Ausfuhrbefreiung des Art. 147 MwStSystRL (§ 6 Abs. 3a UStG) auseinandergesetzt und dabei geprüft, ob die Steuerbefreiung des Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen des Art. 147 MwStSystRL (§ 6 Abs. 3a UStG) nicht erfüllt sind.
Entscheidungssachverhalt des EuGH-Urteils C-656/19:
Die Tätigkeit des in Ungarn ansässigen Stpfl. B bestand zu 95 % aus Lieferungen großer Mengen an Lebensmitteln, Kosmetik- und Reinigungsprodukten an 20 Privatpersonen aus drei Familien. Diese Einkäufe wurden per Telefon durchgeführt, und zwar mehrere Hundert Male.
Die betreffenden Gegenstände wurden auf Rechnung von B aus seinem Lager in Szeged (Ungarn) zu einem von den Käufern angemieteten Lager in Tompa (Ungarn), nahe der ungarisch-serbischen Grenze, befördert. Dort wurden die Rechnungen und die Antragsformulare zur Erstattung der USt für ausländische Reisende, die B auf der Grundlage der von den Käufern übermittelten Informationen ausgestellt hatte, zusammen mit den betreffenden Gegenständen gegen Zahlung des Kaufpreises ausgehändigt. Die Käufer beförderten diese Gegenstände dann mit einem Privatfahrzeug als persönliches Gepäck nach Serbien. Ihnen wurde dafür die für Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von ausländischen Reisenden vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung gewährt, indem das Exemplar des Antragsformulars zur Erstattung der USt mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle, dass die Waren in Tompa das Gebiet der Europäischen Union verlassen hätten, an B zurückgeschickt wurde. Nach Erhalt dieses Formulars erstattete B ihnen die beim Kauf entrichtete USt. In der USt-Erklärung minderte B die erklärte Steuer um ca. 946 000 €.
Im Rahmen einer Steuerprüfung stellte die ungarische Steuerbehörde fest, dass die in Rede stehenden Erwerbe über den persönlichen und familiären Bedarf der Erwerber hinausgegangen und zum Zweck des Weiterverkaufs der erworbenen Gegenstände erfolgt seien. Dies schließe aus, dass die Gegenstände persönliches Gepäck im Sinne der anwendbaren Rechtsvorschriften sein könnten. Ferner könne B die Umsatzsteuerbefreiung bei der Ausfuhr nicht in Anspruch nehmen, weil sie kein zollbehördliches Ausfuhrverfahren für diese Gegenstände eingeleitet habe und nicht über die dafür notwendigen Belege verfüge.
Unstreitig ist, so der EuGH in Rz. 21 seiner Entscheidung, dass B zweifellos gewusst habe, dass die Erwerber die in Rede stehenden Gegenstände nicht für ihren persönlichen oder familiären Gebrauch gekauft hätten, sondern um sie auf serbischen Märkten weiterzuverkaufen, und dass sich die Mitglieder der drei Familien an den fraglichen Geschäften beteiligt hätten, damit der Gegenwert der einzelnen Lieferungen einen bestimmten Betrag nicht übersteige und so die Beförderung der Gegenstände über die Grenze zwischen Ungarn und Serbien erleichtert werde. Es sei unstreitig, dass die in Rede stehenden Gegenstände jeweils aus dem Hoheitsgebiet Ungarns ausgeführt worden seien.
Als Erstes stellt der EuGH in den Rz. 35 bis 53 fest, dass die in Art. 147 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung für »Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden« dahin auszulegen ist, dass darunter keine Gegenstände fallen, die eine Privatperson, die nicht in der Europäischen Union ansässig ist, zu gewerblichen Zwecken nach Orten außerhalb der Europäischen Union mit sich führt, um sie in einem Drittstaat weiterzuverkaufen (s.a. Abschn. 6.11. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Danach hatte der EuGH die Frage zu prüfen, ob die Steuerverwaltung – nach der Feststellung, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden nicht erfüllt sind, es aber tatsächlich zu einer Beförderung in einen Drittstaat kam – verpflichtet werden kann, zu prüfen, ob die Steuerbefreiung des Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) auf die betreffende Lieferung angewandt werden kann, obwohl die einschlägigen Zollformalitäten nicht durchgeführt wurden und der Erwerber die Anwendung der Befreiung nicht beabsichtigte.
Nach Rz. 57 seiner Entscheidung C-656/19 ist es unstreitig, so der EuGH, dass Lieferungen von Gegenständen i.S.v. Art. 14 MwStSystRL stattgefunden haben, dass die Gegenstände, auf die sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze beziehen, von ihren Erwerbern nach Orten außerhalb der Union befördert wurden und dass für jede dieser Lieferungen die tatsächliche Ausfuhr der Gegenstände aus dem Gebiet der Union durch einen von der Ausgangszollstelle angebrachten Sichtvermerk auf einem Formular bestätigt wird, das sich im Besitz des Stpfl. befindet.
Wie aus dem Wortlaut von Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL ausdrücklich hervorgeht, stellt Art. 147 der Richtlinie nur einen besonderen Anwendungsfall der in Art. 146 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung dar, und die in Art. 147 festgelegten Voraussetzungen kommen zu den in Art. 146 Abs. 1 Buchst. b vorgesehenen Voraussetzungen hinzu. Somit schließt der Umstand, dass diese speziell in Art. 147 vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nicht aus, dass die Voraussetzungen des Art. 146 Abs. 1 Buchst. b erfüllt sind.
Ferner sieht Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL zum einen keine Voraussetzung vor, nach der die für die Ausfuhr geltenden Zollformalitäten zu beachten sind, damit die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung bei der Ausfuhr anwendbar ist (vgl. EuGH vom 28.3.2019, C-275/18, UR 2019, 550, LEXinform 0651532, Rz. 26; s.a. → Ausfuhrlieferung unter dem Gliederungspunkt »Versagung der Steuerbefreiung bei Betrug«).
Die Einordnung eines Umsatzes als »Ausfuhrlieferung« i.S.d. Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL kann weder von der Beachtung der für die Ausfuhr geltenden Zollformalitäten abhängen noch davon, dass der Erwerber beim Kauf beabsichtigte, dass nicht die in dieser Bestimmung, sondern die in Art. 147 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Befreiung zur Anwendung kommt. Diese Umstände schließen nämlich nicht aus, dass diese objektiven Kriterien erfüllt sind.
Entscheidung des EuGH zur Wechselwirkung der Ausfuhrbefreiungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3a UStG:
Art. 146 Abs. 1 Buchst. b (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) und Art. 147 MwStSystRL (§ 6 Abs. 3a UStG) sind dahin auszulegen, dass die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung angewandt werden kann, obwohl die einschlägigen Zollformalitäten nicht durchgeführt wurden und der Erwerber beim Kauf nicht beabsichtigte, dass diese Befreiung angewandt wird, wenn die Steuerverwaltung feststellt, dass die Voraussetzungen der Mehrwertsteuerbefreiung für Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden nicht erfüllt sind, die betreffenden Gegenstände vom Erwerber aber tatsächlich nach Orten außerhalb der Union befördert wurden.
Beachte:
Die Steuerverwaltung darf, wenn sie feststellt, dass die in Rede stehende Ausfuhr gewerblichen Zwecken dient und damit die Steuerbefreiung nach Art. 147 MwStSystRL nicht in Anspruch genommen werden kann, nicht automatisch schlussfolgern, dass die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Befreiung ebenfalls zu verweigern ist (EuGH C-656/19, Rz. 67).
Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist es nicht vereinbar, wenn eine Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von Gegenständen deshalb verweigert wird, weil der betroffene Stpfl. kein zollbehördliches Ausfuhrverfahren für diese Gegenstände durchgeführt hat und nicht über die notwendigen Belege verfügt, obwohl feststeht, dass die Gegenstände tatsächlich ausgeführt wurden, was durch einen von der Ausgangszollstelle angebrachten Sichtvermerk bestätigt wird, und diese Lieferung daher durch ihre objektiven Merkmale die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erfüllt (EuGH C-656/19, Rz. 79).
Der EuGH hat bereits entschieden, dass dann, wenn die Voraussetzungen der Steuerbefreiung bei der Ausfuhr nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, u.a. die Verbringung der betroffenen Gegenstände aus dem Zollgebiet der Union, nachgewiesen sind, für eine solche Lieferung keine Mehrwertsteuer geschuldet wird und grds. keine Gefahr eines Steuerbetrugs oder finanzieller Verluste mehr besteht, die die Besteuerung des betroffenen Umsatzes rechtfertigen kann (EuGH vom 17.10.2019, C-653/18, UR 2019, 849, LEXinform 0651640, Rz. 35; → Ausfuhrlieferung unter dem Gliederungspunkt »Versagung der Steuerbefreiung bei Betrug«; beachte auch BFH vom 12.3.2020, V R 20/19, BStBl II 2020, 608).
Obwohl der Stpfl. an dem Verstoß gegen Art. 147 MwStSystRL beteiligt war, kann ein solcher punktueller Verstoß, der nicht zu einem finanziellen Verlust für die Union führt, nicht als Gefährdung des Funktionierens des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems angesehen werden.
Daher kann ein solcher Verstoß, ohne dass die Möglichkeit ausgeschlossen wäre, deshalb nach nationalem Recht verhältnismäßige Verwaltungssanktionen wie z.B. Geldbußen zu verhängen, nicht mit der Versagung der Mehrwertsteuerbefreiung für die tatsächlich durchgeführten Ausfuhren geahndet werden (EuGH C-656/19, Rz. 88; beachte auch BFH vom 12.3.2020, V R 20/19, BStBl II 2020, 608).
Die Service-Unternehmen zahlen den Käufern an Grenzübergängen, insbesondere auch auf Flughäfen, gegen Aushändigung der zollamtlich bestätigten Ausfuhrbelege den Steuerbetrag nach Abzug eines Bearbeitungsentgelts in bar aus. Die Service-Unternehmen, die in Vertragsbeziehungen zu den Unternehmern stehen, lassen sich die an die Reisenden bereits ausgezahlten Steuerbeträge gegen Vorlage der Ausfuhrbelege von den Unternehmern erstatten (BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352, Tz. 1.1).
Bei dem »Doppelverkaufssystem« handelt es sich um ein Verfahren, das es einerseits einem ausländischen Kunden ermöglicht, Waren zutreffend umsatzsteuerfrei einkaufen zu können und das andererseits dem Einzelhändler größtmögliche Sicherheit bei der Abwicklung des Geschäfts bietet. Das wird dadurch erreicht, dass es beim Doppelverkaufssystem gerade nicht zu einer Lieferung des Einzelhändlers an den ausländischen Abnehmer kommt. Tatsächlich kommt es zunächst zu einer umsatzsteuerpflichtigen Lieferung des Einzelhändlers an einen zwischengeschalteten Unternehmer (sog. Tax-refund-Unternehmer), der anschließend die umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung an den ausländischen Abnehmer ausführt (§ 4 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 3a UStG).
Die umsatzsteuerliche Anerkennung des Doppelverkaufssystems durch die FinVerw ist von einer entsprechenden Vertragsgestaltung abhängig. Dem Kunden muss deutlich gemacht werden, dass er die Ware nicht beim Einzelhändler, sondern stattdessen bei dem mit dem Einzelhändler kooperierenden Tax-refund-Unternehmer erwirbt (z.B. durch ein Hinweisschild). In den Fällen des Doppelverkaufssystems ist folglich im Zeitpunkt der Lieferung der Ware durch den Einzelhändler sowohl diesem als auch dem Kunden derjenige Tax-refund-Unternehmer bekannt, an den der Einzelhändler liefert und von dem der ausländische Kunde die Ware erwirbt. Soweit Einzelhändler die Ware dagegen nicht im Namen und für Rechnung des Tax-refund-Unternehmens verkaufen, liegt kein Fall des von der FinVerw anerkannten Doppelverkaufssystems vor (BayLfSt vom 8.5.2019 (S 7133.2.1-4/14 St 33, UR 2019, 478; s.a. Hellmann, NWB 38/2019, 2786).
Nach dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.2.2019 (I-2 U 42/18, LEXinform 1675188) verstößt es nicht gegen geltendes Steuerrecht und ist auch nicht wettbewerbswidrig, wenn das Geschäftsmodell der Umsatzsteuerrückerstattung für Einkäufe von Nicht-EU-Ausländern derart konstruiert wird, dass der ausländische Tourist dem Händler ein Formular vorlegt, wonach der Kaufvertrag zunächst mit dem Vertragspartner des Touristen, vertreten durch diesen, zustande kommt und dieser alsdann die gekaufte Ware an den Touristen weiter verkauft.
Urteilssachverhalt:
Der Unternehmer U wendet sich vorwiegend an chinesische Landsleute, die als Touristen die Bundesrepublik Deutschland besuchen.
Das Umsatzsteuererstattungsmodell des U sieht vor, dass kein Direktverkauf zwischen dem Händler und dem Käufer (Touristen) aus dem Nicht-EU-Land (z.B. Volksrepublik China) zustande kommt, sondern dass stattdessen ein gestaffelter Doppelkauf wie folgt stattfindet: Gegenüber dem Händler tritt der Kunde (Tourist) als Vertreter des U auf, z.B. dadurch, dass er dem Händler vor dem Kauf das bereits mit den Namens- und Adressdaten des U vorausgefüllte Umsatzsteuererstattungsformular des U präsentiert. Wie sich daraus ergibt, soll das Kaufgeschäft in zwei Schritten abgewickelt werden, wobei der erste Kauf vom Händler an den U (dieser vertreten durch den Kunden) geschieht, während sich der zweite, unmittelbar nachfolgende Kauf vom U auf den Kunden vollzieht, der zu diesem Zweck nicht nur im eigenen Namen, sondern zugleich als Vertreter des U agiert. Folge der Doppelkauf-Vertragskonstruktion ist, dass für den Händler ein reines Inlandsgeschäft vorliegt, das wie jeder gewöhnliche Kauf abgewickelt werden kann und insbes. keine umsatzsteuerrechtlichen Folgerungen nach sich zieht. Beteiligter des erstattungsrelevanten Ausfuhrgeschäftes ist allein der U, weswegen der Umsatzsteuererstattungsanspruch im ausschließlichen Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Käufer (Touristen) abgewickelt werden kann.
Beispiel 5:
Öszak (Ö) ist Türke, hat eine Wohnung in Stuttgart und arbeitet hier. Er kauft beim Händler H in Stuttgart einen CD-Spieler. Anlässlich eines Besuchs in der Türkei nimmt er das Gerät im Kofferraum seines Pkw mit in die Türkei.
Lösung 5:
Die Lieferung von H an Ö ist steuerbar und stpfl. Da Ö der Ausführer des Geräts ist und eine Ausfuhr im nichtkommerziellen Reiseverkehr vorliegt, ist für die Steuerfreiheit ein ausländischer Abnehmer erforderlich. Da Ö aber eine Wohnung in Stuttgart hat, ist dies bei ihm nicht der Fall.
Beispiel 6:
Wie im Beispiel 5. Jedoch hat Ö das Gerät im Namen und für Rechnung seines in der Türkei wohnenden Bruders erworben. Die Rechnung lautet auf seinen Bruder. An der Grenzzollstelle des EU-Mitgliedstaates, über den der Käufer die Ware aus der EU ausführt (z.B. Griechenland) erhält Ö einen Ausfuhrnachweis (Tz. 3.1 des BMF-Schreibens vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352). Die Abnehmerbestätigung kann jedoch nicht erteilt werden, da Name und Anschrift des Passes mit dem Namen des Käufers nicht übereinstimmt (Abschn. 6.11. Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 UStAE).
Lösung 6:
Es handelt sich um eine Ausfuhrlieferung im nichtkommerziellen Reiseverkehr. Da der Bruder des Ö nunmehr den Gegenstand erworben hat, liegt ein ausländischer Abnehmer vor. Die Lieferung ist jedoch nur dann steuerfrei, wenn der Bruder sich bei der deutschen Botschaft oder bei einem deutschen Konsulat in der Türkei einen Identitätsnachweis erteilen lässt und diesen dem H zusendet (BMF vom 15.3.2022, BStBl I 2022, 352, Tz. 6; Abschn. 6.11. Abs. 14 UStAE).
Schneider, ABC-Führer USt, Stichwort: Ausfuhrlieferungen in Drittlandsgebiete (Loseblattwerk); Esser u.a., Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr, NWB 28/2016, 2100; Hellmann, Wettbewerbsrechtlich unbedenkliches Umsatzsteuerrückerstattungsmodell, NWB 38/2019, 2886.
→ Innergemeinschaftlicher Erwerb
Redaktioneller Hinweis:
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