1 Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014
2 Definition der Auswärtstätigkeit
3 Erste Tätigkeitsstätte
3.1 Grundsätzliches
3.2 Prüfungsschema zur Feststellung der ersten Tätigkeitsstätte
3.3 Zuordnung durch den Arbeitgeber
3.3.1 Privatrechtliche Regelung
3.3.1.1 Betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers
3.3.1.2 Betriebliche Einrichtung eines verbundenen Unternehmers
3.3.2 Öffentlich-rechtliche Grundsätze
3.4 Quantitative Zuordnungskriterien
4 Sammelpunkt/gleich bleibender Treffpunkt
5 Tätigkeitsstätte außerhalb des Verfügungsbereichs des Arbeitgebers
5.1 Überblick über die Rechtsprechung und die Verwaltungsauffassung
5.2 Regelung ab 1.1.2014
6 Fahrten eines Unternehmers zwischen der Wohnung und der Einrichtung eines Kunden
7 Entfernungspauschale bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
8 Weiträumiges Tätigkeitsgebiet
9 Bildungseinrichtungen
10 Berufliche Veranlassung der Auswärtstätigkeit
10.1 Ertragsteuerliche Behandlung
10.2 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
11 Fahrtkosten
11.1 Als Reisekosten zu berücksichtigende Fahrtkosten
11.1.1 Tatsächliche Aufwendungen bzw. pauschale Wegstreckenentschädigung
11.1.2 Entfernungspauschale auch ohne erste Tätigkeitsstätte
11.2 Tatsächliche Gesamtkosten oder pauschale Kilometersätze
11.2.1 Tatsächliche Gesamtkosten
11.2.2 Pauschale Kilometersätze
11.3 Fahrtkosten bei ständig wechselnden Tätigkeitsstätten
11.3.1 Allgemeiner Überblick
11.3.2 Fahrtkosten bei täglicher Rückkehr zur Wohnung
11.3.3 Fahrtkosten bei auswärtiger Unterbringung
11.3.4 Fahrten mittels Sammelbeförderung durch den Arbeitgeber
11.4 Fahrtkosten bei Fahrtätigkeiten
11.5 Pkw-Gestellung durch den Arbeitgeber
11.5.1 Typische Auswärtstätigkeiten
11.5.2 Entfernungspauschale bei Auswärtstätigkeiten
11.6 Fahrtkostenerstattung durch den Arbeitgeber
11.7 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
11.7.1 Fahrzeuge im Unternehmensvermögen
11.7.2 Fahrzeuge im Privatvermögen
11.7.3 Aufwendungen für arbeitnehmereigene Fahrzeuge
11.8 Aufwendungen für öffentliche oder sonstige Verkehrsmittel
11.8.1 Lohnsteuerrechtliche Behandlung
11.8.2 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
11.9 Unfallkosten, Diebstahl und Kfz-Versicherungen
11.10 Zinsen für ein Anschaffungsdarlehen
12 Verpflegungsmehraufwendungen als Reisekosten
12.1 Grundsätzliches
12.2 Übersicht über die Verpflegungsmehraufwendungen
12.3 Eintägige auswärtige Tätigkeit ohne Übernachtung
12.4 Mehrtägig auswärtige Tätigkeiten
12.5 Verpflegungsmehraufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeit
12.6 Dreimonatsfrist
12.6.1 Grundsätzliches zur Anwendung der Dreimonatsfrist
12.6.2 Keine Anwendung der Dreimonatsfrist bei Fahrtätigkeit
12.6.3 Keine Anwendung der Dreimonatsfrist bei Einsatzwechseltätigkeit
12.7 Pauschbetrag für Berufskraftfahrer
12.8 Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen durch den Arbeitgeber
12.8.1 Steuerfreie Erstattung
12.8.2 Pauschale Versteuerung bei steuerpflichtigen Verpflegungsmehraufwendungen
12.9 Verpflegungsgestellung durch den Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten als Arbeitslohn
12.9.1 Bewertung und Besteuerungsverzicht
12.9.2 Lohnsteuer-Pauschalierung für Mahlzeiten
12.9.3 Bescheinigungspflichten
12.9.4 Kürzung der Verpflegungspauschalen
12.9.4.1 Ermittlung des Kürzungsbetrages
12.9.4.2 Minderung des Kürzungsbetrages
12.10 Gemischt veranlasste Reisen mit Mahlzeitengestellung
12.11 Verpflegungsmehraufwand bei Berufssoldaten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung
12.12 Umsatzsteuerliche Behandlung
13 Kosten der Unterkunft
13.1 Ermittlung der Unterkunftskosten
13.2 Erstattung durch den Arbeitgeber
13.3 Umsatzsteuerliche Behandlung
14 Reisenebenkosten
14.1 Übliche Reisenebenkosten
14.2 Reisenebenkosten bei Lkw-Fahrern
15 Telefonkosten
16 Fahrt- und Übernachtungskostenersatz für gastspielverpflichtete Künstler
17 Auslandsreisekosten
17.1 Fahrtkosten
17.2 Verpflegungsmehraufwand
17.3 Übernachtungsgelder
18 Sozialversicherungsrechtliche A1-Bescheinigungen
18.1 Gesetzliche Regelung in § 106 SGB IV
18.2 Allgemeiner Überblick zum Bescheinigungsverfahren
19 Literaturhinweise
20 Verwandte Lexikonartikel
Durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) wird die umfangreiche BFH-Rspr. zum Teil gesetzlich fixiert, zum Teil führt die Neuregelung aber auch zu einer Ausweitung der BFH-Rspr.
Folgende wichtige Neuerungen sind zu beachten:
neue gesetzliche Definition »erste Tätigkeitsstätte« in § 9 Abs. 4 EStG;
Fahrtkosten in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG
bei auswärtiger Tätigkeit,
beim Aufsuchen eines dauerhaft festgelegten Ortes oder
beim Aufsuchen desselben weiträumigen Tätigkeitsgebietes;
Verpflegungsmehraufwendungen nach § 9 Abs. 4a EStG;
Vereinfachung der steuerlichen Erfassung der vom ArbG zur Verfügung gestellten Mahlzeiten während einer auswärtigen Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Satz 8 und 9 und § 9 Abs. 4a Satz 8 ff. EStG;
Unterkunftskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und Nr. 5a EStG.
Zur Anwendung der ab 1.1.2014 in Kraft tretenden gesetzlichen Bestimmungen des EStG zur steuerlichen Beurteilung von Reisekosten der ArbN hat das BMF ein ausführliches Einführungsschreiben erlassen (BMF vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412). Das Schreiben vom 24.10.2014 gilt grundsätzlich mit Wirkung ab 1.1.2014. Lediglich bezüglich der Regelungen zu Mahlzeiten im Flugzeug, Schiff oder Zug wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn diese erst ab 1.1.2015 angewendet werden (BMF vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz. 130; s.a. Anmerkung vom 4.11.2014, LEXinform 0652497).
Mit Urteil vom 4.4.2019 (VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 31) hat der BFH entschieden, dass das steuerliche Reisekostenrecht, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte ArbN und Beamte – wie z.B. Streifenpolizisten – einschränkt, verfassungsgemäß ist. Zeitgleich hat der BFH vier weitere Urteile veröffentlicht, die die Folgen der geänderten Rechtslage für andere Berufsgruppen – wie etwa Piloten, Luftsicherheitskontrollkräfte oder befristet Beschäftigte – verdeutlichen (BFH vom 10.4.2019, VI R 6/17, vom 11.4.2019, VI R 36/16, VI R 40/16 und VI R 12/17; alle veröffentlicht am 18.7.2019).
Die o.g. Urteile sind in einem aktualisierten Schreiben (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228) eingearbeitet, welches das bisherige BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, ersetzt. Im Übrigen aktualisiert das BMF-Schreiben einige Passagen (aufgrund ergangener Rspr.) und pflegt die neuen Beträge für die Verpflegungsmehraufwendungen ein. Wesentliche Klärungen bzw. Änderungen ergeben sich hinsichtlich der Themen erste Tätigkeitsstätte, Mahlzeitengestellung sowie doppelte Haushaltsführung.
Das BMF-Schreiben ist in folgende Abschnitte gegliedert:
Erste Tätigkeitsstätte, auswärtige Tätigkeit, weiträumiges Tätigkeitsgebiet (Rz. 1 bis 46)
Verpflegungsmehraufwendungen (Rz. 47 bis 60)
Vereinfachung der steuerlichen Erfassung der vom ArbG zur Verfügung gestellten Mahlzeiten während einer auswärtigen Tätigkeit (Rz. 61 bis 99)
Unterkunftskosten (Rz. 100 bis 128)
Reisenebenkosten (Rz. 129 bis 133)
Sonstiges (Rz. 134 bis 135)
Die Auswärtstätigkeit ist im EStG nicht definiert. Lediglich in § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG ist in einer Klammerdefinition die »auswärtige berufliche Tätigkeit« genannt. Danach ist eine Auswärtstätigkeit bei einer beruflichen Tätigkeit außerhalb der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG) gegeben.
Es muss eine berufliche Veranlassung zugrunde liegen. Werden mit der Auswärtstätigkeit private Angelegenheiten verbunden, ist eine Aufteilung der Aufwendungen in einen privaten bzw. beruflichen Anteil zu prüfen; vgl. BMF vom 6.7.2010, BStBl II 2010, 672. Als geeigneter Aufteilungsmaßstab bei beruflich sowie privat veranlassten Aufwendungen gelten in diesem Fall die Zeitanteile.
Als Wohnung i.S.d. Vorschrift gilt die Wohnung, die für die Berechnung nach der Entfernungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG maßgebend ist. Als Ausgangspunkt kommt somit jede Wohnung des ArbN in Betracht, die er regelmäßig zur Übernachtung nutzt und von der aus er seine erste Tätigkeitsstätte aufsucht. Als Wohnung ist z.B. auch ein möbliertes Zimmer, eine Schiffskajüte, ein Gartenhaus, ein auf eine gewisse Dauer abgestellter Wohnwagen oder ein Schlafplatz in einer Massenunterkunft anzusehen. Hat ein ArbN mehrere Wohnungen, können Wege von und zu der von der ersten Tätigkeitsstätte weiter entfernt liegenden Wohnung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG nur dann berücksichtigt werden, wenn sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen des ArbN befindet und sie nicht nur gelegentlich aufgesucht wird. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich bei einem verheirateten ArbN regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie. Die Wohnung kann aber nur dann ohne nähere Prüfung berücksichtigt werden, wenn sie der ArbN mindestens sechsmal im Kj. aufsucht; vgl. R 9.10 Abs. 1 LStR.
Durch den in § 9 EStG neu eingefügten Abs. 4 wird der bisherige unbestimmte Rechtsbegriff der »regelmäßigen Arbeitsstätte« durch »erste Tätigkeitsstätte« ersetzt und gesetzlich genau definiert. Entsprechend der Rspr. des BFH wird dabei höchstens noch eine Tätigkeitsstätte je Dienstverhältnis mit beschränktem Werbungskostenabzug (Entfernungspauschale, keine Verpflegungspauschalen, Unterkunftskosten i.d.R. nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung) vorgesehen (§ 9 Abs. 4 Satz 5 EStG). Die Bestimmung dieser einen Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig anhand der arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen sowie der diese ausfüllenden arbeits- oder dienstrechtliche Weisungen/Verfügungen, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien. Im Zweifel ist die räumliche Nähe zur Wohnung des Stpfl. maßgebend. Dabei ist künftig nicht mehr die Regelmäßigkeit des Aufsuchens, sondern vorrangig die Festlegungen des ArbG maßgebend. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen. Voraussetzung ist zudem, dass der ArbN in einer der in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG genannten ortsfesten Einrichtungen dauerhaft tätig werden soll. Dementsprechend wird der bisherige unbestimmte Rechtsbegriff »regelmäßige Arbeitsstätte« durch den neuen Begriff »erste Tätigkeitsstätte« ersetzt. Ein ArbN ohne erste Tätigkeitsstätte ist außerhalb seiner Wohnung immer auswärts tätig (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 2; s.a. Schramm u.a., NWB 2014, 26).
§ 9 Abs. 4 EStG kann in vier Abschnitte aufgeteilt werden:
Abschnitt 1 (Sätze 1 bis 3): Qualitative Kriterien (1. Prüfungsstufe)
Abschnitt 2 (Satz 4): Quantitative Kriterien (2. Prüfungsstufe)
Abschnitt 3 (Sätze 5 bis 7): Prüfungsschritte bei Vorliegen mehrerer erster Tätigkeitsstätten (3. Prüfungsstufe)
Abschnitt 4: Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte (Satz 8)
Zur Ermittlung der ersten Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG ist folgende Prüfung vorzunehmen:
Abb.: Prüfungsschema zur Feststellung der ersten Tätigkeitsstätte
Tätigkeitsstätte ist eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst, die der Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
Inwiefern die Begrifflichkeit der ersten Tätigkeitsstätte auslegbar ist für den Betriebsstättenbegriff nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG, wurde durch das FG-Urteil Rheinland-Pfalz vom 19.6.2024, 1 K 1219/21 aufgegriffen: Der Begriff der »ersten Tätigkeitsstätte« in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 EStG bewirkt keine sachliche Änderung für die Bestimmung des Begriffs der »Betriebsstätte« i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG.
Ortsfeste betriebliche Einrichtungen können sein:
der Betrieb,
der Zweigbetrieb,
Bus- oder Straßenbahndepots oder Fahrkartenverkaufsstellen,
betriebliche Einrichtungen eines Kunden,
Baucontainer, die z.B. auf einer Großbaustelle längerfristig fest mit dem Erdreich verbunden sind und in denen sich z.B. Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden;
Betriebsgelände (Werksanlage, Zechengelände, Flughafen, Bahnhof, Hafen) als großräumige erste Tätigkeitsstätte.
Befinden sich auf einem Betriebs-/Werksgelände mehrere ortsfeste betriebliche Einrichtungen, so handelt es sich dabei nicht um mehrere, sondern nur um eine Tätigkeitsstätte (s. z.B. BFH Urteile vom 11.4.2019, VI R 12/17, LEXinform 0951308, Rz. 15 sowie VI R 40/16, LEXinform 0951199, Rz. 20).
Keine ortsfesten betrieblichen Einrichtungen sind z.B. (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 3)
das Schiff,
der Lkw, Bus oder Schienenfahrzeug,
das Flugzeug,
öffentliche Bushaltestellen oder Parkplätze.
Das häusliche Arbeitszimmer des ArbN ist keine betriebliche Einrichtung des ArbG oder eines Dritten und kann daher auch keine erste Tätigkeitsstätte sein (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 3). Im ergänzenden BMF-Schreiben zum Reisekostenrecht stellt die Finanzverwaltung in Ergänzung zum ursprünglichen BMF-Schreiben deutlich dar, dass eine Tätigkeitsstätte eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung ist. Auch vom ArbG angemietete Arbeitsräume vom ArbN sind der Wohnung anzurechnen und rechtfertigen keine erste Tätigkeitsstätte.
Eine »erste Tätigkeitsstätte« eines Werksbahn-Lokführers besteht auch dann, wenn die betrieblichen Einrichtungen des ArbG über ein Schienennetz verbunden sind, ohne dass die übrigen Einrichtungen für sich bereits direkt örtlich aneinandergrenzen (vgl. FG Köln vom 11.7.2018, 4 K 2812/17). Der Kläger begehrte den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen mit der Begründung, er übe eine Fahrtätigkeit aus. Das FG versagte die Reisekostengrundsätze, weil der Lokführer im betriebseigenen Schienennetz eingesetzt sei und es sich hierbei um ein zum Werksgelände gehörendes Schienennetz und nicht um Trassen der DB oder anderer öffentlicher Verkehrsbetriebe sei. Dieses Netz verbinde die mehreren ortsfesten betrieblichen Einrichtungen und somit alle unterschiedlichen Bereiche des ArbG. Das FG betrachtete das Werksgelände somit als eine »großräumige, erste Tätigkeitsstätte«. Selbst wenn sich ein solches Schienennetz über mehrere Stadtteile erstreckt, handelt es sich um ein räumlich geschlossenes bzw. zusammenhängendes Gelände. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich auf dem geografischen Gelände, auf dem das Schienennetz verlegt ist, auch öffentliche Straßen befinden. Nach diesen Grundsätzen stellt das Einsatzgebiet des Klägers eine erste Tätigkeitsstätte dar. Die Revision entschied der BFH mit Urteil vom 1.10.2020, VI R 36/18 wie folgt: Das firmeneigene Schienennetz, das ein Lokomotivführer mit der firmeneigenen Werksbahn seines ArbG befährt, ist eine großräumige erste Tätigkeitsstätte. Das firmeneigene Schienennetz muss nach seinen infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar sein. Bei Werksbahnen ist dies zu bejahen, da es sich um eine Eisenbahninfrastruktur handelt, die ausschließlich für den eigenen Güterverkehr betrieben wird. Die vorstehenden Ausführungen gelten allerdings nicht für Lokomotivführer im öffentlichen Eisenbahnverkehr, da Schienenwege öffentlicher Betreiber wegen der Zugänglichkeit für jedermann nicht mit einer »betrieblichen Einrichtung« vergleichbar sind.
Auch Baucontainer, die z.B. auf einer Großbaustelle längerfristig fest mit dem Erdreich verbunden sind und in denen sich z.B. Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden, stellen »ortsfeste« betriebliche Einrichtungen dar.
In den folgenden Fällen wurde eine erste Tätigkeitsstätte bejaht bzw. verneint:
Berufszweig |
Erste Tätigkeitsstätte ist … |
Flugpersonal |
der im Arbeitsvertrag festgelegte Flughafen; vgl. BFH vom 10.4.2019, VI R 17/17 |
Streifenpolizist |
das Polizeirevier; vgl. BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019, 536 |
Pilot |
der Heimatflughafen; BFH vom 10.4.2019, VI R 17/17 |
Lkw-Fahrer |
nicht vorhanden; jedoch gilt hier § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EStG; Fahrten zu dem festen Einsatzort zwecks Abholung des Lkw werden nach der Entfernungspauschale angesetzt; FG Nürnberg vom 13.5.2016, 4 K 1536/15 |
Zeitsoldat |
Ein Zeitsoldat kann an dem Bundeswehrstandort, dem er dauerhaft zugeordnet ist, eine erste Tätigkeitsstätte begründen. Der Umstand, dass ein Soldat (auf Zeit) unter Beachtung der dienstrechtlichen Vorschriften (jederzeit) auch einem anderen Bundeswehrstandort zugeordnet werden kann, steht einer dauerhaften Zuordnung nicht entgegen; vgl. BFH vom 22.11.2022, VI R 6/21. Erste Tätigkeitsstätte einer Soldatin auf Zeit, die sich in der Freistellung vom militärischen Dienst für eine Bildungsmaßnahme befindet und dem Dienstherrn nicht mehr im Sinne einer ständigen Zugriffs- und Verwendungsmöglichkeit aktiv zur Verfügung steht, ist nicht mehr der letzte militärische Dienstort, sondern der Sitz der Bildungsstätte, sodass Fahrtkosten vom Wohnort zur Bildungsstätte nur i.H.d. Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind und keine Verpflegungsmehraufwendungen angesetzt werden können; vgl. FG Nürnberg vom 8.3.2023, 5 K 211/22. |
Triebwagenführer (Bahnhofsgelände) |
Ist einem Lok- bzw. Triebwagenführer von seinem ArbG dienstrechtlich ein bestimmtes Bahnhofsgelände mit Dienstgebäude dauerhaft als 1. TS zugewiesen worden, so sind die Fahrtkosten von der Wohnung zu diesem Bahnhof lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale und nicht nach Dienstreisegrundsätzen als WK anzusetzen; vgl. FG Sachsen-Anhalt vom 26.2.2020, 1 K 629/19. |
Hafenmitarbeiter: |
Ein Gesamthafenmitarbeiter hat keine erste Tätigkeitsstätte, sondern ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EStG; vgl. BFH vom 11.4.2019, VI R 36/16, BStBl II 2019, 543. |
Studenten bei Auslandspraxissemestern |
Sieht die Studienordnung einer Universität vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer anderen (weiteren) Hochschule (hier: Auslandssemester) absolvieren können bzw. müssen, wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet; vgl. BFH vom 14.5.2020, VI R 3/18. |
Müllwerker |
Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert; vgl. BFH vom 2.9.2021, VI R 25/19. |
Elektromonteur/befristetes Arbeitsverhältnis |
Wird ein ArbN von seinem ArbG wiederholt befristet auf einer Baustelle des Auftraggebers eingesetzt, begründet er dort auch dann keine erste Tätigkeitsstätte, wenn der Einsatz insgesamt ununterbrochen länger als vier Jahre andauert. Eine erste Tätigkeitsstätte wird dann auch nicht begründet, wenn der ArbN in der Nachbetrachtung zwar über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten ununterbrochen auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers eingesetzt war, sich diese Einsatzzeit aber weder zu Beginn des Ersteinsatzes noch zu Beginn der Folgeeinsätze prognostizieren ließ. (FG Münster vom 25.3.2019, 1 K 447/16 E; Revision nicht zugelassen). Vgl. auch BFH vom 10.4.2019, VI R 6/17, BStBl II 2019, 539. |
Bauleiter |
Eine (stillschweigende) Zuordnung des ArbN zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG ergibt sich nicht allein daraus, dass der ArbN die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt; vgl. BFH vom 14.9.2023, VI R 27/21. |
Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn der ArbN einer solchen Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG) dauerhaft zugeordnet ist. Es handelt sich dabei um die ortsfeste betriebliche Einrichtung des ArbG, eines verbundenen Unternehmers oder eines vom ArbG bestimmten Dritten.
Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 13 sowie BFH Urteile vom 11.4.2019, VI R 40/16, LEXinform 0951199, VI R 12/17, LEXinform 0951308 sowie VI R 36/16, LEXinform 0951092).
Die dauerhafte Zuordnung des ArbN wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG). Das gilt unabhängig davon, ob diese schriftlich oder mündlich erteilt worden sind. Die Zuordnung kann also insbes. im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (bspw. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des ArbG oder Dienstherrn vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der ArbG der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der ArbN von seinem ArbG einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter Zahlungen als Reisekosten verringern (BT-Drs. 17/10774, 15). Entscheidend ist, ob der ArbN aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten tätig werden sollte (BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 16).
Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des ArbG als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 17). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der ArbN der betrieblichen Einrichtung des ArbG zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.
Diese Zuordnung muss sich auf die Tätigkeit des ArbN beziehen; dies ergibt sich aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der mit der beispielhaften Aufzählung darüber hinaus das Kriterium der Dauerhaftigkeit beschreibt (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 6).
Beispiel 1 (vgl. BFH vom 26.10.2022, VI R 48/20):
Der Stpfl. S ist als Feuerwehrmann beschäftigt. Nach dem gültigen Arbeitsvertrag durfte der ArbG S arbeitstäglich an vier verschiedenen Einsatzorten in verschiedenen Gemeinden eingesetzt werden. Tatsächlich eingesetzt wurde S allerdings nur an einem der Orte. An 110 Tagen war S in der Feuerwache des Ortes A eingesetzt und beantragt den Abzug der Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen.
Lösung 1:
Die Lösung ergibt sich aus dem BFH-Urteil vom 16.10.2022, VI R 48/20: Die Feuerwache A stellt eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des ArbG dar. Eine dauerhafte Zuordnung an dieser ist allerdings nicht allein deshalb zu verneinen, weil S laut Arbeitsvertrag verpflichtet ist, seinen Dienst an verschiedenen Einsatzstellen zu leisten. Eine steuerliche Zuordnung lasse sich einer solchen Bestimmung nicht entnehmen. Die Weisung des ArbG, in unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen tätig zu werden, steht einer Zuordnung zu einer dieser Einrichtungen nicht entgegen. Ob ein konkreter Einsatzort vorgesehen war, muss das FG nunmehr ebenso prüfen wie die Frage, ob an diesem Ort eine dauerhafte Zuordnung vorlag oder zumindest die zeitlichen Voraussetzungen zu erfüllen waren. Die Ableistung von Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten in einer Einrichtung des ArbG ist jedenfalls eine Tätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG.
Beispiel 2 (vgl. BFH vom 14.9.2023, BStBl II 2024, 38):
Der Stpfl. S ist als Bauleiter bei einem international wirkenden Bauunternehmen beschäftigt. In Mainz wird eine Niederlassung unterhalten. Nach dem Arbeitsvertrag liegt der Einstellungsort des Stpfl. in Mainz. Dem Stpfl. stand ein Firmenwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung; für die Fahrten zwischen Wohnung und Mainz wurde somit ein Sachbezug nach § 8 Abs. 2 EStG versteuert. In den Einkommensteuererklärungen macht S WK für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Als Ort der ersten Tätigkeitsstätte gibt S jeweils Mainz an. Er erklärte, er habe die erste Tätigkeitsstätte im Jahr 2015 an 215 Tagen (gemäß berichtigter Anlage N), im Jahr 2016 an 209 Tagen und im Jahr 2017 an 217 Tagen aufgesucht. Außerdem machte er Verpflegungsmehraufwendungen mit einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden an 178 Tagen im Jahr 2015, an 162 Tagen im Jahr 2016 und an 168 Tagen im Jahr 2017 geltend. Zum Beleg der Verpflegungsmehraufwendungen reichte er Bescheinigungen des ArbG ein. Das FA erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen für 2015 nicht an. Die Entfernungspauschale berücksichtigte es hingegen erklärungsgemäß für 215 Tage. Für 2016 und 2017 setzte es die Verpflegungsmehraufwendungen wie erklärt an, kürzte dafür aber die Entfernungspauschale auf 47 Tage (2016) beziehungsweise auf 49 Tage (2017). S trägt vor, er habe in Mainz keine erste Tätigkeitsstätte.
Lösung 2:
Eine (stillschweigende) Zuordnung des ArbN zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG ergibt sich nicht allein daraus, dass der ArbN die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt.
Die Zuordnung eines ArbN zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z.B. Personalaktenführung), ohne dass der ArbN in dieser Einrichtung – auch nicht in geringem Umfang – tätig werden soll, ist keine Zuordnung i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG. Sofern der ArbN in einer vom ArbG festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, ist die Zuordnung des ArbG zu dieser Tätigkeitsstätte maßgebend, selbst wenn für die Zuordnung letztlich tarifrechtliche, mitbestimmungsrechtliche oder organisatorische Gründe ausschlaggebend sind. Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es dabei nicht an, vielmehr können, wie z.B. bei Festlegung einer Dienststelle /Dienststätte auch Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung ausreichend sein. Die Abgabe von Krank- oder Urlaubsmeldungen durch Dritte (z.B. mittels Post, Bote oder Familienangehörige) reicht für eine Zuordnung nicht aus, da ein Tätigwerden auch ein persönliches Erscheinen des ArbN voraussetzt (BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 18).
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der ArbN am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die »erste Tätigkeitsstätte« als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies folgt nach Auffassung des BFH insbes. aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der ArbN an diesem Ort auch tätig werden soll. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich geschuldeten Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals »erste Tätigkeitsstätte« geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Stpfl. nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden (BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 19).
Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert; vgl. BFH vom 2.9.2021, VI R 25/19. Mit Urteil vom 16.6.2022, 16 K 4259/17 (Folgeentscheidung zu BFH vom 2.9.2021, VI R 25/19) entschied das FG Berlin-Brandenburg zur ersten Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers wie folgt: Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, wenn er sich dort jeweils lediglich umkleidet, die Ansage der Einsatzleitung anhört, das Tourenbuch, die Fahrzeugpapiere und die Fahrzeugschlüssel abholt, danach mit seinen Kollegen die Blinker sowie die Beleuchtung des Müllfahrzeugs kontrolliert und wenn die übrige Zeit des 45-minütigen Aufenthalts auf dem Betriebshof auf Parkplatzsuche für den eigenen Pkw, den gleichzeitigen Dienstbeginn von 500 ArbN und die gleichzeitige Abfahrt von 120 Fahrzeugen vom Betriebshof zurückzuführen ist. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist als Müllwerker für einen kommunalen Entsorgungsbetrieb tätig. Er fährt arbeitstäglich als einer von zwei sog. Läufern neben dem Kraftfahrer auf dem Lkw mit, der die Mülltonnen der Kunden im Abfuhrgebiet entleert. Zwischen Abfahrt von der Wohnung am Morgen und Rückkehr dorthin am Nachmittag liegen regelmäßig mehr als acht Stunden. Hingegen beträgt die arbeitstägliche Fahrzeit auf dem Müllfahrzeug im Abfuhrgebiet (Abwesenheit vom Betriebshof) i.d.R. weniger als acht Stunden. Für die Frage, ob Verpflegungsmehraufwendungen zu berücksichtigen sind, kam es daher darauf an, ob der Betriebshof erste Tätigkeitsstätte des Müllwerkers ist.
Die Rettungswache, der ein Rettungsassistent zugeordnet ist, ist dessen erste Tätigkeitsstätte, wenn er dort arbeitstäglich vor dem Einsatz auf dem Rettungsfahrzeug vorbereitende Tätigkeiten vornimmt (z.B. Überprüfung des Rettungsfahrzeugs in Bezug auf Sauberkeit und ordnungsgemäße Bestückung mit Medikamenten und sonstigem (Verbrauchs-)Material, im Bedarfsfall Reinigung sowie Bestückung des Fahrzeugs mit fehlenden Medikamenten und fehlendem (Verbrauchs-)Material); vgl. BFH vom 30.9.2020, VI R 11/19. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Bezirk seiner Rettungswache ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG ist, stellt sich im Streitfall damit nicht. Denn einer Antwort auf diese Frage bedarf es nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG nur, wenn der Stpfl. – anders als der Kläger im Streitfall – über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit als Rettungsassistent nach den von seinem ArbG aufgestellten Dienstplänen seine Tätigkeit grds. in der Hauptwache zu beginnen. Damit hatte der ArbG den Kläger kraft seines Direktionsrechts der Hauptwache i.S.v. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG zugeordnet. Diese Zuordnung galt im Streitjahr fort. Der Kläger musste auch im Streitjahr nach den sich aus den Dienstplänen ergebenden Weisungen seines ArbG seinen Dienst in aller Regel in der Hauptwache beginnen. Einer besonderen einkommensteuerrechtlichen Festlegung einer ersten Tätigkeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 4 EStG bedurfte es daneben nicht. Vielmehr nimmt das neue – zum 1.1.2014 in Kraft getretene – steuerliche Reisekostenrecht die vorgefundenen arbeits- und dienstrechtlichen Festlegungen des ArbG auf.
Nach der Rechtslage ab 1.1.2014 kann der ArbG z.B. den Flughafen als regelmäßige Arbeitsstätte bestimmen, da der ArbN hier zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z.B. Hilfs- und Nebentätigkeiten ausführt, wie z.B. Stundenzettel, Auftragsbestätigungen, Krank- und Urlaubsmeldungen abgibt (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 7). Ohne die Zuordnung des ArbG erfüllt der Flughafen allerdings nicht die quantitativen Zuordnungskriterien. Der ArbN muss an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 27).
Der Gerichtsvollzieher unterhielt in einem Amtsgerichtsbezirk ein Gemeinschaftsbüro mit vier Bürozimmern, das er zusammen mit sieben weiteren Gerichtsvollziehern nutzt; FG Baden-Württemberg vom 23.7.2018, 10 K 1935/17. Nach Auffassung des Gerichts ist der Sitz des Amtsgerichts kraft Zuordnung durch den Dienstherrn als erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG anzusehen. Die arbeitgeberseitige Zuordnungsentscheidung ergibt sich bereits aus § 2 Satz 1 GVO. Danach ist Amtssitz des Gerichtsvollziehers der Sitz seiner Dienstbehörde, mithin in diesem Falle der Sitz des Amtsgerichts, bei dem der Gerichtsvollzieher gem. der Bestätigung der Verwaltungsleitung beschäftigt ist. Ein Gerichtsvollzieher ist im öffentlichen Dienst tätig und untersteht der Dienstaufsicht des jeweiligen Amtsgerichts. Es handelt es sich nicht lediglich um eine disziplinarische Zuordnung. Denn das Amtsgericht ist zugleich die zugewiesene Dienststelle/Dienststätte im Sinne des öffentlichen Reisekostenrechts. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 16.12.2020, VI R 35/18, wie folgt: Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, das er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat. Eine Einrichtung des ArbN, die dieser aufgrund seiner Eigentümerstellung, seines obligatorischen, dinglichen oder auch faktischen Nutzungsrechts für die berufliche Tätigkeit nutzt, kann eine betriebliche Einrichtung des ArbG sein, wenn dieser aufgrund seines Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung auf die Nutzung der Einrichtung durch den ArbN bestimmenden Einfluss nehmen kann. Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, das er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat. Daran ändert nach Ansicht der Richter auch der Umstand, dass das Beamtenverhältnis der Gerichtsvollzieher insofern atypisch ausgestaltet ist, als ihnen vom Dienstherrn weder Diensträume noch Arbeitsmittel noch Personal zur Verfügung gestellt werden, nichts.
Der Stationierungs- oder Heimatflughafen, der einem Flugzeugführer von seinem ArbG im Arbeitsvertrag oder durch eine die arbeitsvertragliche Regelung ausfüllende Weisung unbefristet zugewiesen wird und an dem er seine Einsätze regelmäßig beginnt und beendet, ist seine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG (BFH Urteil vom 14.4.2019, VI R 40/16, LEXinform 0951199; s.a. das im Wesentlichen inhaltsgleiche Urteil vom 10.4.2019, VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904, LEXinform 0951337). Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl von Sachmitteln, die für sich betrachtet selbstständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (BFH Urteile vom 11.4.2019, VI R 12/17, LEXinform 0951308, Rz. 15 sowie VI R 40/16, LEXinform 0951199, Rz. 20; s.u. den Gliederungspunkt »Weiträumiges Arbeitsgebiet«).
Die Zuordnungsentscheidung nach § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG ist seitens des ArbG nicht verpflichtend, sondern fakultativ; der ArbG hat somit lediglich die Möglichkeit der Festlegung. Verzichtet er auf die Festlegung, bestimmt sich die weitere Prüfung nach den quantitativen Kriterien in Satz 4.
Die Zuordnung durch den ArbG zu einer Tätigkeitsstätte muss auf Dauer angelegt sein (Prognose). Die typischen Fälle einer dauerhaften Zuordnung nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG sind:
Die unbefristete Zuordnung des ArbN zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung.
Eine Zuordnung ist unbefristet i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 21). Auch der Umstand, dass der ArbN jederzeit einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet werden könnte, führt nicht zur Annahme einer befristeten Zuordnung (BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019, 536). Entscheidend sind allein die Festlegungen des ArbG und die dienstlich erteilten Weisungen.
Die Zuordnung für die Dauer des gesamten – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll. Dies kann insbes. angenommen werden, wenn die Zuordnung im Rahmen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses unbefristet oder (ausdrücklich) für dessen gesamte Dauer erfolgt (BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 22; BFH vom 10.4.2019, VI R 6/17, LEXinform 0951271, Rz. 27 f.).
Der ArbN über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an der Tätigkeitsstätte tätig werden soll (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 14).
War der ArbN im Rahmen eines befristeten Arbeits- oder Dienstverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und wird er im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet, erfolgt diese zweite Zuordnung nicht mehr gem. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG für die Dauer des Dienstverhältnisses. Nimmt der ArbG während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte vor, stellt die neue Tätigkeitsstätte keine erste Tätigkeitsstätte dar, wodurch ab diesem Zeitpunkt die Reisekostengrundsätze greifen. Der BFH bestätigte die Rechtsauffassung des FG: Die Zuweisung des Leiharbeitsgebers, »bis auf Weiteres« in einer betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig zu sein, kann nicht als unbefristet i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alt. EStG angesehen werden. Es kann dahinstehen, ob eine Umsetzung/Versetzung eines dauerhaft beschäftigten ArbN »bis auf Weiteres« zu einem anderen Betriebsteil, Werk, Zweigstelle etc. seines ArbG oder Dritten dazu führt, dass dieser dort unbefristet und damit dauerhaft i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG 2014 tätig ist. Bei Leiharbeitnehmern verbietet sich jedenfalls aufgrund der Befristung des Leiharbeitsverhältnisses und der vertraglich vereinbarten – jederzeitigen – Flexibilität (wie im Streitfall ggf. bundesweit) eine derartige Betrachtung; vgl. BFH vom 10.4.2019, VI R 6/17.
Erste Tätigkeitsstätte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens, der der ArbN im Rahmen eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen für die Dauer der Entsendung zugeordnet ist (BFH vom 17.12.2020, VI R 21/18).
Bei einem Leiharbeitnehmer, der unbefristet bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt ist, schließt die bloße Möglichkeit der jederzeitigen Versetzung an einen anderen Arbeitsort eine »erste Tätigkeitsstätte« am Arbeitsort der Entleiherfirma nicht aus. Der Leiharbeitnehmer ist der Entleiherfirma dauerhaft zugeordnet, wenn sich aus der Zuordnungsentscheidung der Zeitarbeitsfirma oder aus den Gesamtumständen keine zeitliche Begrenzung des Einsatzes ergibt; vgl. Niedersächsisches FG vom 13.7.2021, 13 K 63/20.
Beispiel 3:
Der ArbN A ist von der Firma Z als technischer Zeichner ausschließlich für ein Projekt befristet eingestellt worden. Das Arbeitsverhältnis von A soll vertragsgemäß nach Ablauf der Befristung enden.
Lösung 3:
A hat ab dem ersten Tag der Tätigkeit bei Z aufgrund der arbeitsrechtlichen Zuordnung des ArbG seine erste Tätigkeitsstätte.
Beispiel 4:
ArbN A wohnt in H und ist in S (5 km entfernt) beschäftigt. Vom 1.1.16 bis zum 31.5.16 wird er nach W abgeordnet. Ab 1.6.16 ist er wieder in S tätig. In den Monaten Januar bis Mai hat er seine Arbeitsstätte in W an jeweils 20 Tagen aufgesucht. Die Entfernung nach W beträgt 50 km.
Lösung 4:
Zu beachten gilt, dass der ArbN je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben kann (§ 9 Abs. 4 Satz 5 EStG). Erste Tätigkeitsstätte ist dabei grundsätzlich die betriebliche Einrichtung des ArbG, der der ArbN dauerhaft zugeordnet ist. Diese Zuordnung erfolgt durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG).
Da eine genaue Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte arbeitsvertraglich nicht geregelt wurde, ist die erste Tätigkeitsstätte nach der quantitativen Betrachtungsweise des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG zu ermitteln. Dabei ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der ArbN u.a. dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll. Dies ist die betriebliche Einrichtung in S. In W ist der ArbN nicht dauerhaft, d.h. entweder unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus, tätig.
Nach § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG liegt für den gesamten Zeitraum von fünf Monaten eine Auswärtstätigkeit vor. A kann somit für diesen Zeitraum Fahrtkosten i.H.v. 3 000 € als WK geltend machen (100 Tage × 50 km × 2 × 0,30 €).
Abwandlung:
Die bisherige fünfmonatige Abordnung wird nach Ablauf der 5 Monate um 46 Monate verlängert.
Lösung:
Wird eine auf weniger als 48 Monate geplante Auswärtstätigkeit des ArbN verlängert, kommt es darauf an, ob dieser vom Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung an noch mehr als 48 Monate an der Tätigkeitsstätte eingesetzt werden soll (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 18).
Obwohl ArbN A insgesamt 51 Monate in W tätig wird, hat er dort keine erste Tätigkeitsstätte. Die vom Gesetz vorgesehene Prognose-Betrachtung bedeutet, dass A weder im Zeitpunkt der erstmaligen Zuordnung noch im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung für mehr als 48 Monate in W eingesetzt werden soll (s.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Beispiel 8 in Rz. 18).
Abwandlung:
Die bisherige fünfmonatige Abordnung wird bereits nach 2 Monaten um 46 Monate auf insgesamt 51 Monate verlängert.
Lösung:
Ab dem Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung hat A seine erste Tätigkeitsstätte in W, da er ab diesem Zeitpunkt noch 49 Monate und somit dauerhaft in W tätig werden soll.
Abwandlung:
A ist mehr als 48 Monate nach W abgeordnet.
Lösung:
Nach dem Gesetzeswortlaut müsste bei einer Abordnung von mehr als 48 Monaten die Tätigkeitsstätte in W zu einer ersten Tätigkeitsstätte werden. Fraglich ist, ob dann die Tätigkeitsstätte in S den Charakter der ersten Tätigkeitsstätte verliert, mit der Folge, dass nur noch die Tätigkeitsstätte in W erste Tätigkeitsstätte wäre und die Fahrten dorthin mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen wären.
Da der ArbN aber weiterhin der Tätigkeitsstätte in S angehörig ist und nur für einen längeren Zeitraum als 48 Monate nach W abgeordnet ist, ist m.E. nach die Tätigkeitsstätte in S weiterhin erste Tätigkeitsstätte, da der ArbN dort dauerhaft, nämlich für die Dauer des Dienstverhältnisses tätig ist. Zusätzlich ist auch die betriebliche Einrichtung in W erste Tätigkeitsstätte, da der ArbN auch dort dauerhaft, nämlich länger als 48 Monate, tätig ist.
Da aber der ArbN je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben darf (§ 9 Abs. 4 Satz 5 EStG), ist diejenige Tätigkeitsstätte erste Tätigkeitsstätte, die der ArbG bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 6 EStG).
Fehlt eine solche Bestimmung, ist die der Wohnung örtlich am nächsten liegende Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 Satz 7 EStG). Damit bleibt die Tätigkeitsstätte in S erste Tätigkeitsstätte, sodass die Fahrten nach W nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Hinweis:
Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte die Zuordnung des ArbN zu einer ersten Tätigkeitsstätte genau dokumentiert werden.
Beachte:
Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des ArbG als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 17). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der Finanzgerichtsordnung zugelassenen Beweismittel möglich und durch das FG im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der ArbN der betrieblichen Einrichtung des ArbG zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.
Beispiel 5:
Ein ArbN M ist als Maurer bei einem Bauunternehmen auf ständig wechselnden Einsatzstellen tätig. Im Jahr 16 war er ganzjährig auf Baustellen eingesetzt.
Lösung 5:
Ist der ArbN einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich dauerhaft zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder auch anderen Tätigkeitsstätten ausübt. Insoweit wird dem umfassenden Direktionsrecht des ArbG auch steuerlich Rechnung getragen (BT-Drs. 17/10774, 15). So könnte der Betriebssitz des Bauunternehmens arbeitsvertraglich als erste Tätigkeitsstätte festgelegt sein. Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen/Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen.
Sofern der ArbN in einer vom ArbG festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z.B. in Form von Hilfs- und Nebentätigkeiten (Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krank- und Urlaubsmeldung abgeben etc.), kann der ArbG den ArbN zu dieser Tätigkeitsstätte zuordnen, selbst wenn für die Zuordnung letztlich tarifrechtliche, mitbestimmungsrechtliche oder organisatorische Gründe ausschlaggebend sind. Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es dabei somit nicht an (anders als bei der Bestimmung anhand der quantitativen Zuordnungskriterien; vgl. dazu BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 27). Vielmehr können, wie z.B. bei Festlegung einer Dienststelle/Dienststätte, auch Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung (s.o.) ausreichend sein. Die Abgabe von Krank- oder Urlaubsmeldungen durch Dritte (z.B. mittels Post, Bote oder Familienangehörige) reicht für eine Zuordnung nicht aus, da ein Tätigwerden auch ein persönliches Erscheinen des ArbN voraussetzt (Vorrang des Dienst- oder Arbeitsrechts; BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 19).
Die wechselnden Einsatzstellen können nicht als erste Tätigkeitsstätte angesehen werden, weil es sich nicht um eine ortsfeste Einrichtung
des ArbG,
eines verbundenen Unternehmens oder
eines vom ArbG bestimmten Dritten
handelt und darüber hinaus der ArbN auch nicht dauerhaft einer solchen Einrichtung zugeordnet ist.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbes. auszugehen, wenn der ArbN
unbefristet,
für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus
an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Ohne ausdrückliche dienstrechtliche Weisung (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG) hat der ArbN M keine erste Tätigkeitsstätte.
Hinweis:
Die Zuordnung eines ArbN zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z.B. Personalaktenführung), ohne dass der ArbN in dieser Einrichtung – auch nicht in geringem Umfang – tätig werden soll, ist keine Zuordnung i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG (BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 19).
Die vorrangige maßgebliche dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung durch den ArbG kann außerhalb des Dienst- oder Arbeitsvertrags erfolgen (auch mündlich oder konkludent) und ist unabhängig davon, ob sich der ArbG der steuerlichen Folgen bewusst ist; vgl. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 11. Die Zuordnungsentscheidung muss nicht dokumentiert werden. Die Zuordnungsentscheidung des ArbG kann sich vielmehr auch ergeben aus: Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Protokollnotizen, dienstrechtlichen Verfügungen (u.a. Regelungen zum abweichenden Dienstsitz), Einsatzplänen, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen, dem Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder vom ArbG als Nachweis seiner Zuordnungsentscheidung vorgelegten Organigrammen (BFH vom 11.4.2019, VI R 40/16, BStBl II 2019, 546; BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 201, 536). Fehlt eine Zuordnung, gilt § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG.
Ein Organigramm kann gegen den Willen des ArbG nicht als Nachweis zur Bestimmung einer ersten Tätigkeitsstätte herangezogen werden, wenn der ArbG tatsächlich keine Zuordnung seines ArbN zu einer Tätigkeitsstätte getroffen hat und kein anderer Nachweis über die Zuordnung erbracht wird.
Hinweis:
Der ArbG kann dienst- oder arbeitsrechtlich nicht festlegen, dass der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung). Er kann allerdings (ggf. auch ausdrücklich) darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, oder ausdrücklich erklären, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen. In diesen Fällen erfolgt die Prüfung, ob eine erste Tätigkeitsstätte gegeben ist, anhand der quantitativen Zuordnungskriterien nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG (BMF vom 25.11.2020, Rz. 13). In Einstellungsbögen bzw. in Arbeitsverträgen ist aufgrund des Nachweisgesetzes und tariflicher Regelungen ein Einstellungs-, Anstellungs- oder Arbeitsort des ArbN bestimmt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Zuordnung i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, wenn der ArbG schriftlich auch gegenüber dem ArbN bzw. in der Reiserichtlinie des Unternehmens erklärt, dass dadurch keine arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte erfolgen soll.
Beispiel 6:
Der in H wohnende ArbN A ist bis auf Weiteres an drei Tagen in der Woche in einer Filiale seines ArbG in H und an zwei Tagen in der Woche in einer Filiale seines ArbG in S tätig. Der ArbG hatte zunächst die Filiale in S als erste Tätigkeitsstätte festgelegt. Ab 1.7.01 legt er H als erste Tätigkeitsstätte fest.
Lösung 6:
Bis 30.6.01 hat der ArbN in S seine erste Tätigkeitsstätte. Ab 1.7.01 ist die erste Tätigkeitsstätte in H.
Die Baustelle eines Auftraggebers des ArbG stellt keine erste Tätigkeitsstätte des ArbN dar, wenn sich den objektiven Umständen des Falles nicht die Prognose ableiten lässt, dass der ArbN auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers über einen Zeitraum von grundsätzlich mehr als 48 Monaten bzw. für die Dauer seines Dienstverhältnisses tätig werden sollte (ex-ante-Betrachtung). Eine erste Tätigkeitsstätte wird dann auch nicht begründet, wenn der ArbN in der Nachbetrachtung zwar über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten ununterbrochen auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers eingesetzt war, sich diese Einsatzzeit aber weder zu Beginn des Ersteinsatzes noch zu Beginn der Folgeeinsätze prognostizieren ließ; vgl. BFH vom 25.3.2019, 1 K 447/16 E.
Zu einem Baumaschinenführer entschied der BFH mit Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/19 wie folgt: Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der ArbN den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des ArbG zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat. Ein »typischerweise arbeitstägliches« Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom ArbG festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des ArbN. Ein nach Weisung »typischerweise fahrtägliches« Aufsuchen genügt aber nicht. Für die Frage, ob der ArbN denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufgrund der Weisung des ArbG »dauerhaft« aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG entsprechend heranzuziehen.
Erste Tätigkeitsstätte einer Soldatin auf Zeit, die sich in der Freistellung vom militärischen Dienst für eine Bildungsmaßnahme befindet und dem Dienstherrn nicht mehr im Sinne einer ständigen Zugriffs- und Verwendungsmöglichkeit aktiv zur Verfügung steht, ist nicht mehr der letzte militärischen Dienstort, sondern der Sitz der Bildungsstätte, sodass Fahrtkosten vom Wohnort zur Bildungsstätte nur i.H.d. Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind und keine Verpflegungsmehraufwendungen angesetzt werden können; vgl. FG Nürnberg vom 8.3.2023, 5 K 211/22.
Die OFD Nordrhein-Westfalen hat eine Vfg. zur Behandlung der Unterkunftskosten und den Verpflegungsmehraufwendungen bei vorübergehend entsandten ArbN herausgeben (Vfg. vom 8.12.2014 (Kurzinformation ESt Nr. 47/2014, DB 2014, 2929).
Wenn das mit dem bisherigen ArbG abgeschlossene Beschäftigungsverhältnis für die Dauer der Entsendung zum verbundenen Unternehmen ruht und das verbundene Unternehmen mit dem ArbN für die Dauer der Entsendung einen eigenständigen Arbeitsvertrag abschließt, liegt beim aufnehmenden Unternehmen ein eigenständiges Dienstverhältnis vor. Im Rahmen dieses Dienstverhältnisses ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 4 EStG auch die erste Tätigkeitsstätte zu bestimmen. Vereinbarungen mit dem entsendenden Unternehmen über eine nur vorübergehende Entsendung sind somit unmaßgeblich. Folglich hat der entsandte ArbN aufgrund des Arbeitsvertrages mit dem aufnehmenden Unternehmen als ArbG eine erste Tätigkeitsstätte, wenn er von diesem einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet worden ist (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 23 mit Beispiel 10). Liegt keine dauerhafte Zuordnung des ArbN zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung durch das aufnehmende Unternehmen vor, hat der entsandte ArbN im Rahmen des Dienstverhältnisses mit dem aufnehmenden Unternehmen eine erste Tätigkeitsstätte, wenn die quantitativen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG hinsichtlich einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung erfüllt sind (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 25).
»Ortsfeste betriebliche Einrichtungen« i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden; vgl. FG München vom 21.3.2023, 6 K 1233/20.
Verbundene Unternehmen sind rechtlich selbstständige Unternehmen, die im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17), Konzernunternehmen (§ 18), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292) sind.
Wird ein ArbN bei Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen ohne Abschluss eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dieses Unternehmens tätig, liegt beim aufnehmenden Unternehmen eine erste Tätigkeitsstätte nur dann vor, wenn der ArbN vom entsendenden Unternehmen einer ortsfesten Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens unbefristet zugeordnet ist, die Zuordnung die Dauer des gesamten – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses umfasst oder die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinausreicht (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG; BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 24 mit Beispiel 11).
Beispiel 7:
Ein ArbN L ist als Luftsicherheitskraft auf dem Frankfurter Flughafen bei der Firma X-GmbH eingesetzt. Die X-GmbH ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der FX GmbH, die den Flughafen X betreibt. Die X-GmbH führt in den Bereichen Terminal 1 und Terminal 2 des Flughafens X im Auftrag der FX-GmbH die Absicherung der beiden Terminals und der Baustelle sowie Beschäftigtenkontrollen durch. Im Außenbereich führt die X GmbH an den Kontrollstellen des Flughafens X Personal-, Waren- und Kfz-Kontrollen durch und übernimmt die Sicherheitsabfertigung sowie Frachtkontrollen für Fluggesellschaften und Absicherungsaufgaben nach § 8 und 9 des Luftsicherheitsgesetzes.
Lösung 7:
Der ArbN L hat am gesamten Frankfurter Flughafen seine großräumige erste Tätigkeitsstätte. Es handelt sich es sich beim Flughafen um ein wenn auch großflächiges, so doch räumlich abgegrenztes infrastrukturell erschlossenes Betriebsgelände eines mit dem ArbG des Klägers (X GmbH) verbundenen Unternehmens i.S.d. § 15 AktG (FX GmbH). Mit dem Schutz ihres gesamten Betriebsgeländes hat die FX GmbH die X GmbH als Sicherheitsunternehmen betraut.
Dienststelle/Dienststätte i.S.d. öffentlichen Reisekosten-, Umzugskosten- und Trennungsgeldrechts ist die Stelle, bei der der ArbN eingestellt oder zu der er versetzt, abgeordnet, zugeteilt, zugewiesen oder kommandiert worden ist. Jede dieser dienstlichen Maßnahmen führt dazu, dass diese Stelle zur neuen dienstrechtlichen Dienststelle/Dienststätte wird, unabhängig davon, ob die Maßnahme dauerhaft oder nur vorübergehend ist.
Die OFD Niedersachsen nimmt mit Vfg. vom 15.3.2017 (S 2350 – 14 – St 215, ohne Fundstelle) zu Aufwendungen der Finanz- und Steueranwärter/-innen für die eigene Berufsausbildung, insbes. aus Anlass der Teilnahme an auswärtigen Lehrgängen, Stellung. Danach werden die Anwärter ihrem Ausbildungsfinanzamt durch ihre Einstellungsverfügung zugeordnet. Die Zuordnung umfasst die gesamte Ausbildung und somit den gesamten Zeitraum eines Dienstverhältnisses, es handelt sich somit um eine dauerhafte Zuordnung. Die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und dem Ausbildungsfinanzamt sind somit grundsätzlich mit der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als WK zu berücksichtigen. Werden die Anwärter/-innen von ihrer ersten Tätigkeitsstätte (Ausbildungsfinanzamt) vorübergehend an ein anderes FA abgeordnet (z.B. zur Ausbildung in einem Betriebsprüfungsfinanzamt), so handelt es sich insoweit um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit i.S.d. R 9.4 LStR und die Anwärter/-innen können Reisekosten geltend machen. Werden die Anwärter/-innen von ihrer ersten Tätigkeitsstätte für die Teilnahme an Lehrgängen vorübergehend an die Steuerakademie bzw. Hochschule für Finanzen abgeordnet, so handelt es sich insoweit um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit. Die Anwärter/-innen können für den Zeitraum der Abordnung Reisekosten geltend machen.
Mit Urteil vom 4.4.2019 (VI R 27/17, LEXinform 0951414) hat der BFH entschieden, dass ein Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst an seinem ihm zugeordneten Dienstsitz, den er arbeitstäglich aufsucht, um dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen, die er dienstrechtlich schuldet und die zu dem Berufsbild eines Polizeivollzugsbeamten gehören, über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Für die Frage der Zuordnung ist entscheidend, ob der ArbN aus der Sicht ex ante nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten tätig werden soll.
Entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage kommt es für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der ArbN am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Eine Zuordnung ist unbefristet i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Für die steuerrechtliche Beurteilung der dauerhaften Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte gilt insbes. Folgendes (BMF vom 25.11.2020, Rz. 22):
Versetzung ohne zeitliche Befristung – dauerhafte Zuordnung, es wird eine neue »erste Tätigkeitsstätte« begründet (Beamter erhält hier eine Verfügung, aufgrund derer er zu einer Dienststelle versetzt wird).
Abordnung ohne zeitliche Befristung – dauerhafte Zuordnung, es wird eine neue »erste Tätigkeitsstätte« begründet (Beamter erhält hier eine Verfügung, aufgrund derer er zu einer Dienststelle abgeordnet wird).
Versetzung mit einer zeitlichen Befristung bis zu 48 Monaten – keine dauerhafte Zuordnung, damit keine neue »erste Tätigkeitsstätte«.
Abordnung mit einer zeitlichen Befristung bis zu 48 Monaten, ggf. auch verbunden mit dem Ziel der Versetzung – keine dauerhafte Zuordnung, damit keine neue »erste Tätigkeitsstätte«.
Entsprechendes gilt für abordnungs- oder versetzungsgleiche Maßnahmen (z.B. Kommandierung, Zuteilung, Zuweisung).
Der Umstand, dass ein Beamter unter Beachtung der dienstrechtlichen Vorschriften (jederzeit) auch einer anderen Dienststelle zugeordnet werden könnte, führt nicht zur Annahme einer befristeten Zuordnung (BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17).
Mit Urteil vom 16.12.2020, VI R 35/18 entschied der BFH zur ersten Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers wie folgt: Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, das er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat. Eine Einrichtung des ArbN, die dieser aufgrund seiner Eigentümerstellung, seines obligatorischen, dinglichen oder auch faktischen Nutzungsrechts für die berufliche Tätigkeit nutzt, kann eine betriebliche Einrichtung des ArbG sein, wenn dieser aufgrund seines Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung auf die Nutzung der Einrichtung durch den ArbN bestimmenden Einfluss nehmen kann.
Eine Zuordnung bei Beamten ergibt sich nicht aus einem Arbeitsvertrag, sondern aus den beamtenrechtlichen Grundsätzen. Bei Beamten erfolgt die Zuordnung zu einer konkreten ersten Tätigkeitsstelle durch Versetzung in Form eines Verwaltungsaktes. Eine dauerhafte Zuordnung eines Postzustellers zu einem festen Zustellungsstützpunkt ergibt sich auch aus den täglich im Zustellungsstützpunkt zu erledigenden Sortierarbeiten einschließlich der nach Rückkehr zum Zustellungsstützpunkt zu erledigenden Nacharbeiten. Auch aus der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers, z.B. der täglichen, vom Kläger zwingend zu erledigenden Sortierarbeit im Zustellstützpunkt und der anschließend dort beginnenden Zustellrunde einschließlich der Rückkehr zur Dienststelle zwecks Erledigung der erforderlichen Nacharbeiten ergibt sich, dass entsprechende (und auch in mündlicher Form ausreichende) Weisungen bzw. Abreden i.S.v. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. bestehen, nach denen der Kläger dem Zustellstützpunkt dauerhaft zugeordnet ist, dort bestimmten Aufgaben nachzugehen hat und dort auch tatsächlich tätig wird. In der anschließenden Revision entschied der BFH wie folgt: Der Zustellpunkt (Zustellzentrum), dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt, ist erste Tätigkeitsstätte; vgl. BFH vom 30.9.2020, VI R 10/19.
Bei der Versetzung eines Finanzbeamten an ein FA für Großbetriebsprüfung und gleichzeitiger Rückabordnung an ein anderes FA im Rahmen der Ausbildung zum Großbetriebsprüfer stellen die Fahrten zum Abordnungs-FA Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dar, wenn beim FA für Großbetriebsprüfung während dieser Zeit keine wesentlichen Arbeitsleistungen erbracht wurden. Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte hat mangels eindeutiger dienstrechtlicher Festlegung im vorliegenden Fall daher nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG zu erfolgen; vgl. FG Niedersachsen vom 14.6.2022, 13 K 82/21.
Ist für Rettungssanitäter keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt worden, sondern sollen die Rettungssanitäter ohne Zeitvorgaben an wechselnden betrieblichen Einrichtungen in allen Rettungswachen eines Landkreises eingesetzt werden und zwischen diesen Rettungswachen rollieren, so stellt eine bestimmte Rettungswache für einen Rettungssanitäter auch dann keine erste Tätigkeitsstätte dar, wenn er dort mehr als ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit verbracht hat und jeweils monatlich vorab Einsatzpläne unter Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache erstellt worden sind; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 25.7.2023, 11 K 11130/21.
Fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung des ArbN zu einer betrieblichen Einrichtung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung nach den vorstehenden Kriterien oder ist die getroffene Festlegung nicht eindeutig, ist nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG von einer ersten Tätigkeitsstätte an der betrieblichen Einrichtung auszugehen, an der der ArbN
typischerweise arbeitstäglich oder
je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
dauerhaft (s.o.) tätig werden soll (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 26).
§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Festlegung durch den ArbG nicht eindeutig bzw. zweifelhaft erfolgte. Zweifel liegen vor allem dann vor, wenn der ArbG die Zuordnungsentscheidung nicht hinreichend dokumentiert hat. Einsatzpläne oder Reisekostenabrechnungen stellen Indizien für eine dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung dar.
Dabei muss der ArbN an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z.B. um ein Kundendienstfahrzeug, Material, Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krankmeldungen oder Ähnliches abzuholen oder abzugeben, die Abholung oder Abgabe von Lkws einschließlich deren Be- oder Entladung führt hier noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 27).
Hinweis:
Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbes. auszugehen, wenn der ArbN
unbefristet,
für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus
an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Hat ein ArbN keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG und bestimmt der ArbG durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen (einschließlich Absprachen und Weisungen), dass der ArbN sich dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des ArbN von der Wohnung zu diesem, vom ArbG festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten darf nur die Entfernungspauschale angesetzt werden. Im Urteilsfall suchte der Vorarbeiter ca. einmal pro Woche die betriebliche Einrichtung seines ArbG auf, um dort berufliche Tätigkeiten, wie das Beladen eines Firmenautos, das Abgeben von Stundenzetteln oder Urlaubsanträgen, nachzugehen. Anschließend fuhr er auf die jeweiligen Baustellen, die er im Übrigen arbeitstäglich direkt von der Wohnung aufsuchte. Laut Bescheinigung ist der Vorarbeiter keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet. Sein Einsatzort sind die verschiedenen Baustellen. Das Gericht entschied wie folgt: Sucht der ArbN dauerhaft typischerweise die betriebliche Einrichtung des ArbG nur an einem von fünf Arbeitstagen auf, sind die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen. Im Streitfall übt der Kläger seine eigentliche berufliche Tätigkeit auf den unterschiedlichen Baustellen aus. Er ist weder zwei volle Arbeitstage noch mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung tätig. Wie bereits ausgeführt, nimmt der Kläger in der betrieblichen Einrichtung lediglich Hilfs- und Nebentätigkeiten – wie das Beladen des Fahrzeugs, die Abgabe von Stundenzetteln und Urlaubsanträgen – wahr. Die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Zuordnungskriterien scheidet demnach aus; vgl. FG Nürnberg vom 8.7.2016, 4 K 1836/15.
Die Baustelle eines Auftraggebers des ArbG stellt keine erste Tätigkeitsstätte des ArbN dar, wenn sich den objektiven Umständen des Falles nicht die Prognose ableiten lässt, dass der ArbN auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers über einen Zeitraum von grundsätzlich mehr als 48 Monaten bzw. für die Dauer seines Dienstverhältnisses tätig werden sollte (ex-ante-Betrachtung). Eine erste Tätigkeitsstätte wird dann auch nicht begründet, wenn der ArbN in der Nachbetrachtung zwar über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten ununterbrochen auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers eingesetzt war, sich diese Einsatzzeit aber weder zu Beginn des Ersteinsatzes noch zu Beginn der Folgeeinsätze prognostizieren ließ. Dies hat das FG Münster mit Urteil vom 25.3.2019 (1 K 447/16, LEXinform 5022098) entschieden.
Ein ArbN, dessen Arbeitsvertrag den »Sitz des Betriebes sowie alle Baustellen des ArbG« als Arbeitsort festlegt und der an 177 Arbeitstagen des Jahres auf derselben Baustelle tätig gewesen ist, vor dem Weitertransport zu dieser Baustelle aber jeweils den Betriebssitz aufgesucht hat, hat damit »dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufgesucht«. Er kann daher die Fahrten zum Betriebssitz nicht nach Dienstreisegrundsätzen, sondern nur mit der Entfernungspauschale als WK geltend machen; vgl. FG Thüringen vom 28.2.2019, 1 K 498/17. In der anschließenden Revision (BFH vom 2.9.2021, VI R 14/19) entschied der BFH wie folgt: Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der ArbN den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des ArbG zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.
Eine (stillschweigende) Zuordnung des ArbN zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG ergibt sich nicht allein daraus, dass der ArbN die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt; vgl. BFH vom 14.9.2023, VI R 27/21.
Eine erste Tätigkeitsstätte wird dann auch nicht begründet, wenn der ArbN in der Nachbetrachtung zwar über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten ununterbrochen auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers eingesetzt war, sich diese Einsatzzeit aber weder zu Beginn des Ersteinsatzes noch zu Beginn der Folgeeinsätze prognostizieren ließ.
Hinweis:
Betriebliche Einrichtung ist
die Einrichtung des ArbG,
die Einrichtung eines verbundenen Unternehmers oder
die Einrichtung eines vom ArbG bestimmten Dritten.
Beispiel 8:
Ein ArbN soll seine berufliche Tätigkeit an drei Tagen in einem Homeoffice ausüben und an zwei vollen Tagen in der betrieblichen Einrichtung seines ArbG in A tätig werden.
Lösung 8:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228; Beispiel 17.
Das Homeoffice ist nie erste Tätigkeitsstätte. Erste Tätigkeitsstätte ist hier vielmehr die betriebliche Einrichtung des ArbG in A, da der ArbN dort an zwei vollen Tagen beruflich tätig werden soll.
Beispiel 9:
Ein ArbN soll seine berufliche Tätigkeit im Homeoffice ausüben und zusätzlich jeden Arbeitstag für eine Stunde in der betrieblichen Einrichtung seines ArbG in A tätig werden.
Lösung 9:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228; Beispiel 18.
Das Homeoffice ist nie erste Tätigkeitsstätte. Erste Tätigkeitsstätte ist hier vielmehr die betriebliche Einrichtung des ArbG in A, da der ArbN dort typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll. In diesem Fall ist es unerheblich, dass dort weniger als 1/3 der gesamten regelmäßigen Arbeitszeit erbracht werden soll.
Beispiel 10:
Ein ArbN soll seine berufliche Tätigkeit im Homeoffice ausüben und zusätzlich jeden Tag in einer anderen betrieblichen Einrichtung seines ArbG tätig werden. Die Arbeitszeit in den verschiedenen Tätigkeitsstätten beträgt jeweils weniger als 1/3 der gesamten Arbeitszeit des ArbN.
Lösung 10:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228; Beispiel 19.
Das Homeoffice ist nie erste Tätigkeitsstätte. Auch an den anderen Tätigkeitsstätten des ArbG hat der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte, da er diese Tätigkeitsstätte nicht arbeitstäglich aufsucht und dort jeweils weniger als 1/3 seiner gesamten Arbeitszeit tätig wird.
Bei der quantitativen Prüfung kommt es allein auf den Umfang der an der Tätigkeitsstätte zu leistenden arbeitsvertraglichen Arbeitszeit an. Dies bedeutet (BMF vom 25.11.2020; BStBl I 2020, 1228, Beispiel 17, Rz. 29):
Soll der ArbN an einer Tätigkeitsstätte zwei volle Arbeitstage je Arbeitswoche oder mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden, dann ist dies die erste Tätigkeitsstätte.
Entsprechendes gilt, wenn der ArbN an einer Tätigkeitsstätte arbeitstäglich und mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Soll der ArbN an einer Tätigkeitsstätte arbeitstäglich, aber weniger als 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden, dann führt dies nur zu einer ersten Tätigkeitsstätte, wenn der ArbN dort typischerweise arbeitstäglich seine eigentliche berufliche Tätigkeit und nicht nur Vorbereitungs– oder Hilfstätigkeiten (Kundendienstfahrzeug, Material, Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krankmeldungen oder Ähnliches abholen oder abgeben) durchführen soll.
Erfüllen danach mehrere Tätigkeitsstätten die quantitativen Voraussetzungen für eine erste Tätigkeitsstätte, dann kann der ArbG bestimmen, welche dieser Tätigkeitsstätten die erste Tätigkeitsstätte ist. Fehlt eine solche Bestimmung des ArbG, wird zugunsten des ArbN die Tätigkeitsstätte zugrunde gelegt, die der Wohnung des ArbN am nächsten liegt. Damit wird nur für die der Wohnung am nächsten liegende Tätigkeitsstätte die Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz Nr. 4 EStG angesetzt, sodass Wege zu weiter entfernten Tätigkeitsstätten mit den tatsächlichen Kosten als WK angesetzt werden (Meistbegünstigung).
Beispiel 11:
ArbN A erzielt als Außendienstmitarbeiter der X-KG Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG. Der Leiter der Betriebsstätte erteilt zu Kontrollzwecken und für Absprachen mit dem jeweiligen Kundenberater die Anweisung, jeder Außendienstmitarbeiter müsse täglich zunächst die Betriebsstätte in B aufsuchen, bevor er in seinen Einsatzbereich fahren dürfe. Daher begibt sich ArbN A täglich einmal in die Betriebsstätte der KG in B. Dort steht allerdings kein individuell für ihn eingerichteter Arbeitsplatz zur Verfügung.
ArbN A steht ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, das er auch für Privatfahrten nutzen darf. Die private Nutzung wird nach der 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) versteuert; für die Fahrten zwischen Wohnung und der Betriebsstätte in B wird die 0,03 %-Zuschlagsregelung (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG) angewandt.
Lösung 11:
Ein ArbG kann aus organisatorischen Gründen eine bestimmte Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte festlegen, auch wenn der ArbN dort nur in geringem Umfang tätig wird, er muss es aber nicht. Falls der ArbG den Betriebssitz in B als erste Tätigkeitsstätte bestimmt hat, so ist das auch für das Steuerrecht bindend. Die Fahrten dorthin sind mit der Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen.
Ohne eine solche Festlegung durch den ArbG sind nach der weiteren Prüfungsstufe des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG die quantitativen Kriterien nicht erfüllt. Der ArbN hat danach keine erste Tätigkeitsstätte.
Die Fahrtkosten sind in diesen Fällen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG zu ermitteln. Für die Fahrten zu einem vom ArbG dauerhaft festgelegten Ort, an dem sich der ArbN aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Festlegungen regelmäßig einzufinden oder seine dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig aufzunehmen hat, sind die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als WK zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG); vgl. hierzu auch BFH vom 14.9.2023, VI R 27/21.
Beispiel 12:
Zum Aufgabenbereich des leitenden Mitarbeiters gehört nach arbeitsvertraglicher Regelung die Tätigkeit an zwei Niederlassungen des ArbG. An vier Tagen ist A in einer Niederlassung in Köln tätig, an einem Tag arbeitet er in der in Düsseldorf gelegenen Niederlassung.
Lösung 12:
Wenn der ArbG keine erste Tätigkeitsstätte bestimmt hat (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2), hat der ArbN nach der quantitativen Betrachtungsweise die erste Tätigkeitsstätte in Köln, da er dort dauerhaft je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG).
Abwandlung:
An drei Tagen ist A in einer Niederlassung in Köln tätig, an zwei Tagen arbeitet er in der in Düsseldorf gelegenen Niederlassung.
Lösung:
Wenn der ArbG keine erste Tätigkeitsstätte bestimmt hat (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2), hat der ArbN nach der quantitativen Betrachtungsweise zwei Tätigkeitsstätten, da er sowohl in Köln als auch in Düsseldorf je Arbeitswoche dauerhaft zwei volle Arbeitstage tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG). Nach § 9 Abs. 4 Satz 7 EStG ist die der Wohnung örtlich am nächsten liegende Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte. Damit ist für alle Fahrten zu den weiter entfernt liegenden Tätigkeitsstätten kein geldwerter Vorteil bei einer Pkw-Überlassung anzusetzen bzw. es sind die tatsächlichen Fahrtkosten anzusetzen. Weiterhin ist eine steuerfreie Erstattung möglich.
Beispiel 13:
Der Lkw-Fahrer L soll typischerweise arbeitstäglich den Betriebssitz des ArbG aufsuchen, um dort das Fahrzeug abzuholen sowie dessen Wartung und Pflege durchzuführen. Die Tätigkeit des L umfasst auch die Be- und Entladung des Fahrzeugs.
Lösung 13:
S.a. BMF vom 25.11.2020; BStBl I 2020, 1228 Beispiel 16.
Allein das Abholen, die Wartung und Pflege sowie das Be- und Entladen des Fahrzeugs, als Hilfs- und Nebentätigkeiten, führen nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte am Betriebssitz des ArbG; allerdings handelt es sich in diesem Fall bei dem Betriebssitz um einen sog. Sammelpunkt bzw. gleich bleibenden Treffpunkt (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 38). Die Fahrtkosten können nur i.H.d. Entfernungspauschale berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG). Vgl. hierzu auch BFH vom 2.9.2021, VI R 25/19: Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert.
Etwas anderes gilt nur, wenn der ArbG den ArbN dem Betriebssitz arbeitsrechtlich als erste Tätigkeitsstätte zuordnet (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 13).
Bei mehreren Einsatzstellen eines Feuerwehrmannes waren die quantitativen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht erfüllt; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 28.11.2019, 6 K 1475/18. Die Einsatzstelle in der Feuerwache des Krankenhauses kann nicht als Einrichtung angesehen werden, an der der Kläger dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll, da der ArbG ihn nach den vertraglichen Bestimmungen stets von einem Tag auf den anderen auch an eine der anderen im Vertrag vorgesehenen Einsatzstellen hin beordern kann. Ebenso fehlt es auch an der Voraussetzung, dass der Kläger dauerhaft mindestens zwei volle Arbeitstage in der Woche oder ein Drittel der vereinbarten Arbeitszeit in der Feuerwache des Krankenhauses tätig werden soll. Zwar ist er tatsächlich mehr als diese geforderten Mindestzeiten dort tätig, aber es fehlt an der Voraussetzung, dass er dauerhaft dort tätig sein soll, da er jederzeit auch an einer der anderen Einsatzstellen eingesetzt werden kann. Da eine ex-ante-Betrachtung vorzunehmen ist, spielt es keine Rolle, dass der Kläger tatsächlich nur in der Feuerwache des Krankenhauses eingesetzt war. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 26.10.2022, VI R 48/20 wie folgt: Die Ableistung von Arbeitsbereitschafts- und Bereitschaftsruhezeiten in einer Einrichtung des ArbG ist eine Tätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG. Die Zuordnung zur ersten Tätigkeitsstätte wird gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht (BFH v. 11.4.2019, VI R 40/16, BStBl II 2019, 546, Rz. 23, 35). Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des ArbG als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden. Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der FGO zugelassenen Beweismittel möglich und durch das FG im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen.
Ordnet der ArbG seine Mitarbeiter einem Versorgungsbereich zu, innerhalb dessen sie dauerhaft und grds., aber rollierend auf der Basis monatlich erstellter Dienstpläne in verschiedenen Rettungswachen eingesetzt werden, kommt eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache nicht in Betracht; vgl. BFH Beschluss vom 8.2.2024, VI B 46/23.
Nach der bisherigen Rspr. und der damit im Zusammenhang stehenden Verwaltungsmeinung waren Fahrten von der Wohnung zu einem ständig gleich bleibenden Treffpunkt außerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung, von dem der ArbN dann zur jeweiligen auswärtigen Tätigkeitsstätte weiterbefördert wird, wie Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zu behandeln mit der Folge, dass die Entfernungspauschale anzusetzen war.
Der Treffpunkt ist ab 1.1.2014 keine erste Tätigkeitsstätte, da die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 EStG nicht erfüllt sind. Im Hinblick auf die Fahrtkosten erfolgt aber eine Gleichbehandlung mit ArbN, die an einer ersten Tätigkeitsstätte tätig werden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG wird keine erste Tätigkeitsstätte fingiert, sondern lediglich die Anwendung der Entfernungspauschale für die Fahrtkosten von der Wohnung zu diesem Ort sowie die Besteuerung eines geldwerten Vorteils bei Firmenwagengestellung durch den ArbG nach § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG festgelegt und der steuerfreie Arbeitgeberersatz für diese Fahrten nach § 3 Nr. 16 EStG ausgeschlossen. Auf die Berücksichtigung von Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten als WK oder den steuerfreien Arbeitgeberersatz hierfür hat diese Festlegung hingegen keinen Einfluss, da der ArbN weiterhin außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte und somit auswärts beruflich tätig wird (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 38 ff.).
Beispiel 14:
Der ArbN ist auf wechselnden Einsatzstellen tätig. Er fährt regelmäßig mit dem eigenen Pkw
zum 25 km entfernt liegenden Betrieb des ArbG oder
zu einem anderen gleich bleibendem Treffpunkt (Park and ride).
Die Weiterfahrt zur jeweiligen Einsatzstelle erfolgt im Rahmen einer Sammelbeförderung durch den ArbG.
Lösung 14:
Mit Urteil vom 9.6.2011 (VI R 58/09, BStBl II 2012, 34, s.o.) hat der BFH entschieden, dass der Betriebssitz des ArbG, den der ArbN zwar regelmäßig, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte wird. Sämtliche Fahrten sind daher solche im Rahmen einer Auswärtstätigkeit.
Wenn der ArbG den Betriebssitz nicht als erste Tätigkeitsstätte bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG), dann hat der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte. Die Fahrtkosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG zu berücksichtigen.
Für die Fahrten zu einem vom ArbG dauerhaft festgelegten Ort, an dem sich der ArbN aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Festlegungen regelmäßig einzufinden oder seine dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig aufzunehmen hat (z.B. Fahrten zu einem Busdepot oder Fährhafen oder Treffpunkt für einen betrieblichen Sammeltransport), sind die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als WK zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).
S.o. Lösung a).
Mit Urteil vom 13.5.2016 (4 K 1536/15, EFG 2016, 1240, LEXinform 5019175, rkr.) hat das FG Nürnberg entschieden, dass dann, wenn ein Lkw-Fahrer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG hat und der ArbG einen Ort bestimmt, von dem aus Einsatzorte aufzusuchen sind, die Fahrten des ArbN von der Wohnung zu diesem vom ArbG festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt werden. Für diese Fahrten ist nur die Entfernungspauschale anzusetzen. Der Stpfl. war als Lkw-Fahrer zum Transport von Schüttgütern tätig. Den leeren Lkw holte er arbeitstäglich am selben Betriebsstandort seines jeweiligen ArbG ab, um zu entsprechenden Ladestationen (z.B. Steinbruch) zu fahren und die Ladung zum Abladeort (z.B. Baustelle) zu transportieren. Damit unterscheidet sich der Kläger nicht von anderen ArbN, die ebenfalls eine ortsfeste betriebliche Einrichtung arbeitstäglich aufsuchen und deren Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte ebenfalls nur nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale berücksichtigungsfähig sind. (s.a. Anmerkung vom 6.9.2016, LEXinform 0948075).
Das FG Nürnberg hat in einem weiteren Urteil vom 8.7.2016 (4 K 1836/15, EFG 2016, 692, LEXinform 5019350, rkr.) entschieden, dass dann, wenn der ArbN dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des ArbN von der Wohnung zu diesem, vom ArbG festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten nur die Entfernungspauschale angesetzt werden darf. Sucht der ArbN dauerhaft typischerweise die betriebliche Einrichtung des ArbG nur an einem von fünf Arbeitstagen auf, sind die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen.
Fährt ein Bauarbeiter entsprechend der Weisung des ArbG jeweils von der Wohnung zum Betriebssitz des ArbG und von dort mit einem Sammelfahrzeug zu den jeweiligen Baustellen und kehrt er wegen des Einsatzes auf weit entfernten Baustellen nicht jeden Tag nach Hause zurück, sodass auch die Fahrten zum Betriebssitz nicht arbeitstäglich durchgeführt werden, so gilt gleichwohl der Betriebssitz des ArbG als »derselbe typischerweise arbeitstäglich aufgesuchte Ort« i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG, mit der Folge, dass für die Fahrten zum Betriebssitz ein Werbungskostenabzug nur i.H.d. Entfernungspauschale und nicht nach Reisekostengrundsätzen zulässig ist. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG umfasst die Fälle, in denen der ArbN bei jeder Fahrt von seinem Wohnort zum Arbeitsbeginn zunächst einen durch den ArbG bestimmten Sammelpunkt anfahren muss. Die Rechtsnorm ist also auch dann anwendbar, wenn der ArbN den vom ArbG bestimmten Sammelort infolge der Nichtheimkehr an einzelnen Wochen bzw. Tagen tatsächlich nicht aufsucht; diese gilt jedenfalls dann, wenn der der ArbN an den meisten Arbeitstagen (hier: 82 %) tatsächlich von der Wohnung zum Sammelpunkt gefahren ist; vgl. FG Thüringen vom 5.12.2018, 1 K 594/16.
Ein ArbN, dessen Arbeitsvertrag den »Sitz des Betriebes sowie alle Baustellen des ArbG« als Arbeitsort festlegt und der an 177 Arbeitstagen des Jahres auf derselben Baustelle tätig gewesen ist, vor dem Weitertransport zu dieser Baustelle aber jeweils den Betriebssitz aufgesucht hat, hat damit »dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufgesucht«. Er kann daher die Fahrten zum Betriebssitz nicht nach Dienstreisegrundsätzen, sondern nur mit der Entfernungspauschale als WK geltend machen; vgl. FG Thüringen vom 28.2.2019, 1 K 498/17.
Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 15.6.2017 (10 K 139/16, LEXinform 5020368) entschieden, dass ein Lkw-Fahrer, der lediglich zwei bis drei Tage je Woche seine Fahrtätigkeit am Firmensitz des ArbG beginnt und die übrige Zeit mehrtägige Fahrten unternimmt, nicht typischerweise arbeitstäglich den Firmensitz des ArbG zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit aufsucht. Typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen eines Ortes zwecks Aufnahme der beruflichen Tätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit »regelmäßig oder üblicherweise«. Die Fahrtkosten sind nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen.
Das Sächsische FG gelangt in seinem Urteil vom 14.3.2017 (8 K 1870/16, LEXinform 5020386, rkr. durch BFH Beschluss vom 7.11.2017, VI R 33/17, LEXinform 0951416) zu einer anderen Rechtsauffassung als das Niedersächsische FG in seinem o.g. Urteil vom 15.6.2017. Danach wäre eine »typischerweise arbeitstägliche« Anfahrt zu einem Sammelpunkt anzunehmen, wenn zwar die Anfahrt nicht an jedem Arbeitstag stattfindet, jedoch immer dann, wenn der ArbN von seinem Wohnort aufbricht, um seine Arbeit binnen eines Tages oder länger während auf einer Baustelle zu verrichten.
Fahrtkosten eines Lotsen zwischen seiner Wohnung und dem mit einer Lotsenstation versehenen Hafen des Lotsenreviers werden behandelt wie die Fahrten von der Wohnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte. Angestellte Lotsen haben üblicherweise keine erste Tätigkeitsstätte (BFH Urteil vom 29.4.2014, VIII R 33/10, BStBl II 2014, 760; BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 27 in Rz. 38).
Hinweis:
Die gesetzliche Fiktion findet keine Anwendung bei Treffpunktfahrten, die nicht vom ArbG angeordnet sind, z.B. Park-and-Ride-Parkplätze als Sammelpunkt zur Begründung einer privat organisierten Fahrgemeinschaft (→ Entfernungspauschale; BMF vom 25.11.2020, Rz. 39).Aufwendungen für Fahrten von einer Wohnung, die den Lebensmittelpunkt des ArbN darstellt, zu einem Sammelpunkt i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG sind nur mit der Entfernungspauschale als WK zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Fahrten an einer dem Arbeitsplatz näher gelegenen Wohnung unterbrochen werden; vgl. BFH Beschluss vom 14.9.2020, VI B 64/19.
Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der ArbN den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des ArbG zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat. Ein »typischerweise arbeitstägliches« Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom ArbG festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des ArbN. Ein nach Weisung »typischerweise fahrtägliches« Aufsuchen genügt aber nicht; vgl. BFH vom 19.4.2021, VI R 6/19.
Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der ArbN den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des ArbG zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat. Für die Frage, ob der ArbN denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufgrund der Weisung des ArbG »dauerhaft« aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG entsprechend heranzuziehen; vgl. BFH vom 2.9.2021, VI R 14/19.
Wird der betriebliche Lastwagen eines angestellten Möbelmonteurs täglich an einem Sammelpunkt an wechselnden öffentlichen Parkplätzen an einem bestimmten Ort abgestellt und wird von diesem Ort aus mit dem Lastwagen alle vier Tage zum Zentrallager des ArbG und ansonsten täglich zu den Kunden und wieder zurück zu dem Sammelpunkt gefahren, so hat der Möbelmonteur keine »erste Tätigkeitsstätte« i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG; vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern vom 1.9.2022, 2 K 104/19.
Mit Urteilen vom 10.7.2008 (VI R 21/07, BStBl II 2009, 818) und vom 9.7.2009 (VI R 21/08, BStBl II 2009, 822) hat der BFH entschieden, dass auch bei längerfristigem Einsatz bei einem Kunden des ArbG dort keine regelmäßige Arbeitsstätte des ArbN begründet wird.
Betriebliche Einrichtungen von Kunden des ArbG sind keine regelmäßigen Arbeitsstätten seiner ArbN, unabhängig von der Dauer der dortigen Tätigkeit. Mit Urteil vom 13.6.2012 (VI R 47/11, BStBl II 2013, 169) macht der BFH nochmals deutlich, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des ArbG unabhängig von der Dauer des Einsatzes nur dann regelmäßige Arbeitsstätte sein kann, wenn der ArbG dort über eine eigene Betriebsstätte verfügt (s.a. BFH Urteil vom 15.5.2013, VI R 18/12, BStBl II 2013, 838).
Eine regelmäßige Arbeitsstätte in einer außerbetrieblichen Einrichtung ist anzunehmen, wenn zwar das Dienstverhältnis an einen anderen ArbG ausgelagert wird, der ArbN aber weiterhin an seiner bisherigen regelmäßigen Arbeitsstätte tätig ist (Outsourcing; BFH vom 9.2.2012, VI R 22/10, BStBl II 2012, 827; BFH Pressemitteilung Nr. 33/12 vom 16.5.2012, LEXinform 0437940).
Ein ArbN, der zunächst für drei Jahre und anschließend wiederholt befristet von seinem ArbG ins Ausland entsandt worden ist, begründet dort keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, auch wenn er mit dem ausländischen Unternehmen für die Dauer des Entsendungszeitraums einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat (BFH Urteil vom 10.4.2014, VI R 11/13, BStBl II 2014, 804 zur Rechtslage bis 31.12.2013). Zu beachten ist, dass es ab 1.1.2014 auf die dauerhafte Zuordnung zu diesem Arbeitsplatz ankommt. Eine dauerhafte Zuordnung ist u.a. dann zu bejahen, wenn der ArbN für die Dauer des Dienstverhältnisses an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll (s.u.). Der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages für die Dauer des Entsendezeitraums führt zur dauerhaften Zuordnung und somit zur Begründung einer ersten Tätigkeitsstätte.
Durch die Erweiterung des Tätigkeitsstättenbegriffs auch auf die ortsfeste betriebliche Einrichtung eines vom ArbG bestimmten Dritten (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG) wird die Kundenrechtsprechung des BFH (s.o.) wieder rückgängig gemacht. Ab 1.1.2014 kann auch die betriebliche Einrichtung eines Dritten eine »erste Tätigkeitsstätte« sein. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der ArbG den ArbN einer solchen Tätigkeitsstätte dauerhaft i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG zuordnet. Maßgeblich ist die Ex-ante-Betrachtung (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 21).
Zu den Besonderheiten bei Leih-ArbN s. den Beitrag von Plenker u.a., DB 2008, 1822 sowie OFD Hannover vom 22.7.2008 (S 2353 – 161b – StO 217, LEXinform 5231579 und OFD Karlsruhe vom 10.12.2008, S 2353/25 – St 143, LEXinform 5231905).
Hinweis:
Der Begriff »Leiharbeit« bezeichnet das Beschäftigungsverhältnis zwischen ArbN (Leiharbeitnehmern) und Zeitarbeitsfirmen, die ihre Mitarbeiter Dritten (Entleihern) gegen Entgelt zur Arbeitsleistung zur Verfügung stellen (Arbeitnehmerüberlassung; § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Die Rechte und Pflichten dieses Dreiecksverhältnisses zwischen Verleiher – Entleiher – Leiharbeitnehmer regelt das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) vom 7.8.1972 (BGBl I 1972, 594).
Ab 1.4.2017 wurde das AÜG reformiert (Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.2.2017, BGBl I 2017, 258). Mit Inkrafttreten der AÜG-Reform dürfen Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen werden (§ 1 Abs. 1b AÜG; Höchstüberlassungsdauer). Zu den Folgen des Überschreitens der Höchstüberlassungsdauer s. § 9 AÜG. Der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer wird unwirksam. Gleichzeitig wird ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert, wenn der Leiharbeitnehmer keine Festhaltenserklärung abgibt.
Bei einem Leiharbeitnehmer, der unbefristet bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt ist, schließt die bloße Möglichkeit der jederzeitigen Versetzung an einen anderen Arbeitsort eine »erste Tätigkeitsstätte« am Arbeitsort der Entleiherfirma nicht aus. Der Leiharbeitnehmer ist der Entleiherfirma dauerhaft zugeordnet, wenn sich aus der Zuordnungsentscheidung der Zeitarbeitsfirma oder aus den Gesamtumständen keine zeitliche Begrenzung des Einsatzes ergibt. Der Leiharbeitnehmer ist der Entleiherfirma dauerhaft zugeordnet, wenn sich aus der Zuordnungsentscheidung der Zeitarbeitsfirma oder aus den Gesamtumständen keine zeitliche Begrenzung des Einsatzes ergibt; vgl. FG Niedersachsen vom 13.7.2021, 13 K 63/20.
Beispiel 15:
Leih-ArbN L ist befristet bei der Zeitarbeitsfirma Z zunächst bis zum 30.11.12 beschäftigt. Nach Ablauf der Befristung erfolgt eine Verlängerung des Leiharbeitsverhältnisses jeweils für ein Jahr. Im Mai 15 mündet das Zeitarbeitsverhältnis in eine Festanstellung beim ehemaligen Entleiher Y.
L war bei der Firma Y in A-Stadt eingesetzt. Im Kj. 14 war L ausschließlich bei der Firma Y in B-Stadt eingesetzt.
Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass bei L keine Auswärtstätigkeit vorliege, weil L dem Entleihbetrieb dauerhaft zugeordnet gewesen sei. L dagegen beantragte die Berücksichtigung der Fahrtkosten von der Wohnung nach B-Stadt als Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit mit 0,30 €/km.
Lösung 15:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 10.4.2019 (VI R 6/17, LEXinform 0951271).
Voraussetzung für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte ist sowohl nach Satz 1 bis 3 als auch nach Satz 4 des § 9 Abs. 4 EStG, dass der ArbN dauerhaft an dieser Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbes. auszugehen, wenn der ArbN
unbefristet,
für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus
an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die betriebliche Einrichtung, an der der ArbN dauerhaft
typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Im Beispielsfall müssen für Dauerhaftigkeit der Tätigkeit in B-Stadt die Tatbestandsmerkmale »unbefristet« oder »für die Dauer des Dienstverhältnisses« vorliegen.
Eine Zuordnung ist unbefristet i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Ist das Arbeitsverhältnis seinerseits befristet, kommt eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Denn es ist in einem solchen Fall ausgeschlossen, dass »der ArbN unbefristet … an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll«, wie es § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut voraussetzt.
Die Zuordnung erfolgt gem. § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll.
War der ArbN im Rahmen eines befristeten Arbeits- oder Dienstverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte (A-Stadt) zugeordnet und wird er im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte (B-Stadt) zugeordnet, erfolgt diese zweite Zuordnung nicht mehr für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses. Denn in Bezug auf die zweite Zuordnung steht (aus der auch insoweit maßgeblichen Sicht ex ante) fest, dass sie nicht gem. § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die (gesamte) Dauer des Dienstverhältnisses gilt, sondern lediglich für die Dauer des verbleibenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses.
Bei dem Werk in B-Stadt handelt es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG eines vom ArbG bestimmten Dritten. Dieser Einrichtung war L auch zugeordnet. die Zuordnung war aber nicht dauerhaft. Das Vorliegen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses schließt die Annahme einer dauerhaften Zuordnung nicht generell aus (BFH Urteil vom 10.4.2019 (VI R 6/17, LEXinform 0951271, Rz. 31). Wie bereits oben erläutert, schließt allerdings ein befristetes Beschäftigungsverhältnis eine unbefristete Beschäftigung aus. Die Zuweisung des Leiharbeitsgebers, »bis auf Weiteres« in einer betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig zu sein, kann nicht als unbefristet i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alt. EStG angesehen werden. Es kann dahinstehen, ob eine Umsetzung/Versetzung eines dauerhaft beschäftigten ArbN »bis auf Weiteres« zu einem anderen Betriebsteil, Werk, Zweigstelle etc. seines ArbG oder Dritten dazu führt, dass dieser dort unbefristet und damit dauerhaft i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG 2014 tätig ist. Bei Leiharbeitnehmern verbietet sich jedenfalls aufgrund der Befristung des Leiharbeitsverhältnisses und der vertraglich vereinbarten – jederzeitigen – Flexibilität (wie im Streitfall ggf. bundesweit) eine derartige Betrachtung.
Der ArbN L war dem Werk in B-Stadt infolge seiner ursprünglichen Zuordnung zu dem Werk in A-Stadt auch nicht für die Dauer seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses (§ 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG) zugeordnet. Er wurde vielmehr während seines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses nacheinander zwei verschiedenen Tätigkeitsstätten zugeordnet. Damit war es aus der Sicht ex ante ausgeschlossen, dass er der zweiten Tätigkeitsstätte »für die Dauer des Dienstverhältnisses« zugeordnet werden konnte, wie es das zweite Regelbeispiel in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG erfordert.
Beachte:
In den Rz. 34 und 35 seiner Entscheidung vom 10.4.2019 (VI R 6/17, LEXinform 0951271) zeigt der BFH eine Gestaltungsalternative auf.
Anders wäre der Fall zu lösen, wenn jede Verlängerung der Befristung zugleich ein neues Beschäftigungsverhältnis darstellen würde. Bei einer bloßen Verlängerung wird das bisherige befristete Arbeitsverhältnis nach der Rechtsprechung des BAG jedoch lediglich über den zunächst vereinbarten Endtermin bis zu dem neu vereinbarten Endtermin fortgesetzt. Dies ist der Fall, wenn die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts zum einen noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags in schriftlicher Form vereinbart wird und der Vertragsinhalt zum anderen ansonsten unverändert bleibt; andernfalls handelt es sich um den – nicht ohne weiteres zulässigen – Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags (s. z.B. BAG Urteile vom 16.1.2008, 7 AZR 603/06, DB 2008, 1323, LEXinform 5212070 und vom 26.10.2016, 7 AZR 535/14, LEXinform 1659723, Rz. 18 und 24).
Da im Beispielsfall die Verlängerungen jeweils schriftlich vor Ablauf der Befristung erfolgten und der übrige Vertragsinhalt in diesem Zusammenhang ansonsten nicht geändert wurde, lag im Beispielsfall danach nur ein einziges, wiederholt verlängertes Beschäftigungsverhältnis vor.
Das Bundesministerium der Finanzen nimmt in seinem Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, in Rz. 20 die Entscheidung des BFH vom 10.4.2019, VI R 6/17 auf: Wird ein befristetes Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bei ansonsten unverändertem Vertragsinhalt verlängert, liegt ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vor. Für die Frage, ob eine Zuordnung für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, ist daher ab dem Zeitpunkt der Verlängerung auf das einheitliche Beschäftigungsverhältnis und nicht lediglich auf den Zeitraum der Verlängerung abzustellen.
Bei einem Leiharbeitnehmer, der unbefristet bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt ist, schließt die bloße Möglichkeit der jederzeitigen Versetzung an einen anderen Arbeitsort eine »erste Tätigkeitsstätte« am Arbeitsort der Entleiherfirma nicht aus. Der Leiharbeitnehmer ist der Entleiherfirma dauerhaft zugeordnet, wenn sich aus der Zuordnungsentscheidung der Zeitarbeitsfirma oder aus den Gesamtumständen keine zeitliche Begrenzung des Einsatzes ergibt; vgl. Niedersächsisches FG vom 13.7.2021, 13 K 63/20.
ArbN, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu einem Zeitarbeitsunternehmen stehen, können auch dann nur die Entfernungspauschale für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte geltend machen, wenn das Zeitarbeitsunternehmen mit dem jeweiligen Entleiher des ArbN eine Befristung der Tätigkeit vereinbart hat; vgl. Niedersächsisches FG vom 28.5.2020, 1 K 382/16. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 12.5.2022, VI R 32/20 wie folgt: Im Fall einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG ist (lohnsteuerrechtlicher) ArbG der Verleiher. Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob der ArbN einer betrieblichen Einrichtung i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 1 bis 3 EStG dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem ArbG (Verleiher) und dem (Leih-) ArbN bestehende Arbeitsverhältnis. Besteht der Einsatz des ArbN bei dem Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG.
Das zeitlich wiederholte oder sogar dauerhafte Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen nicht, um die für eine eigene Betriebsstätte erforderliche nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers über die von ihm genutzte Einrichtung zu begründen (s. BFH Urteil vom 4.6.2008, I R 30/07, BStBl II 2008, 922). Fraglich ist, wie die Fahrten des Unternehmers zwischen Wohnung und der Einrichtung eines Kunden reisekostenrechtlich zu behandeln sind. Die Fahrten eines Unternehmers zwischen Wohnung und Betriebsstätte sind keine Reisekosten. Ihr Abzug richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nach den Regelungen in § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 bis 6 EStG zur abziehbaren Entfernungspauschale. Hierbei ist für die Auslegung des in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG verwendeten Begriffs der Betriebsstätte die allgemeine Begriffsbestimmung des § 12 AO nicht heranzuziehen; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 26.1.2021, 3 K 2195/18.
Wird der Gewerbetreibende an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Auftraggebers fortdauernd tätig, so liegt eine Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG in der bis zum Jahr 2013 geltenden Fassung auch dann vor, wenn der Gewerbetreibende zugleich über eine eigene Betriebsstätte verfügt; vgl. BFH vom 16.2.2022, X R 14/19.
Mit Schreiben vom 23.12.2014 (BStBl I 2015, 26) nimmt das BMF zur ertragsteuerlichen Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und von Reisekosten unter Berücksichtigung der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts und deren Anwendung bei der Gewinnermittlung Stellung. Zum Reisekostenrecht für Unternehmer s. die Erläuterungen unter → Geschäftsreise.
Der Begriff der »ersten Tätigkeitsstätte« in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 EStG bewirkt keine sachliche Änderung für die Bestimmung des Begriffs der »Betriebsstätte« i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 19.6.2024, 1 K 1219/21.
Nach § 9 Abs. 3 EStG gelten die Regelungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 bis 5a sowie die Abs. 2 und 4a EStG u.a. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend. Nicht anzuwenden sind die Regelungen des § 9 Abs. 4 EStG zur Ermittlung der ersten Tätigkeitsstätte.
Die Gerichte sind sich einig, dass die für ArbN geltenden Grundsätze auch bei den Gewinn- und den weiteren Überschusseinkünften entsprechend anzuwenden sind (s. BFH Urteil vom 1.12.2015, IX R 18/15, BStBl II 2016, 532; s.a. Anmerkung vom 26.4.2016, LEXinform 0947733). Zum Begriff der Betriebsstätte weist das BMF in seinem Schreiben vom 23.12.2014 (BStBl I 2015, 26, Rz. 1 ff.) auf die Gleichbehandlung von ArbN und Stpfl. mit Gewinneinkünften im Regelungsbereich der Behandlung der Fahrtaufwendungen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bzw. Betriebsstätte hin (→ Geschäftsreise).
Zur Berücksichtigung der Entfernungspauschale bei Fahrten des Vermieters zu den vermieteten Objekten sowie zur Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. zur ersten Tätigkeitsstätte hat der BFH mit Urteil vom 1.12.2015 (IX R 18/15, BStBl II 2016, 532) Stellung genommen.
Beispiel (dem BFH-Urteil vom 1.12.2015 nachgebildet):
Der Stpfl. erzielt u.a. Einkünfte aus der Vermietung von zwei Wohnobjekten in der C.-Straße und der D.-Straße in E. Lt. ordnungsgemäß geführtem Fahrtenbuch fährt der Stpfl. an 125 Tagen von der Wohnung zum Objekt C.-Straße und zurück, Fahrtstrecke jeweils 10 km, und an 175 Tagen von der Wohnung zum Objekt D.-Straße und zurück, Fahrtstrecke jeweils 4 km. In seiner ESt-Erklärung macht der Stpfl. Fahrtkosten pauschal mit 0,30 € je gefahrenem Kilometer für Fahrten zu den beiden Vermietungsobjekten geltend. Seine tägliche Arbeitszeit beträgt ca. drei Stunden (insgesamt pro Woche – Montag bis Donnerstag – somit ca. zwölf Stunden), in denen er u.a. Tätigkeiten wie Streuen, Fegen, Wässern, Pflanzen, Gartenarbeiten, Reparaturen und Verhandlungen mit den Mietern wahrnimmt. Freitags ist der Stpfl. in seinem Wohnhaus mit Büroarbeiten (ca. 6 Stunden) für die Vermietung beschäftigt.
Entscheidungsgründe:
Das FG macht in seiner Entscheidung deutlich, dass die für ArbN geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden sind. Zu beachten ist dabei die Norm des § 9 Abs. 4 Satz 5 EStG, wonach der ArbN je Dienstverhältnis eine erste Tätigkeitsstätte haben kann. Von daher ist sowohl bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit als auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung je Einkunftsquelle eine eigene erste Tätigkeitsstätte möglich, sodass bei mehreren Einkunftsquellen (also Arbeitsverhältnissen oder Vermietungsobjekten) auch mehrere erste Tätigkeitsstätten vorliegen können.
Unter entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG entfallen 12/18 Stunden auf die Mietobjekte, dies entsprich 2/3 der Arbeitszeit. Wenn die beiden Objekte die gleiche Arbeitszeit in Anspruch nehmen, wird der Stpfl. zu mindestens 1/3 seiner Arbeitszeit an der Einrichtung tätig. Jedes Objekt stellt somit innerhalb der Einkunftsquelle eine erste Tätigkeitsstätte dar, sodass die Fahrtkosten jeweils nur mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind.
Für die Frage der ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen der Einkünfte aus VuV steht dem Vermieter kein Bestimmungsrecht zu. Eine Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte durch den ArbG kommt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht in Betracht. Vermieter haben im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht das Recht, die erste Tätigkeitsstätte selbst zu bestimmen. Würde man dem Vermieter dieses Recht zugestehen, könnte er stets seine Wohnung als erste Tätigkeitsstätte festlegen. Dies hätte zur Folge, dass der Vermieter auch bei arbeitstäglichen Fahrten zum Vermietungsobjekt stets die tatsächlichen Fahrtkosten geltend machen könnte. Hierdurch würde – so das FG – die gesetzliche Regelung in Bezug auf die Fahrtkosten zur ersten Tätigkeitsstätte bei Vermietern ins Leere laufen. Hier mangelt es bereits an einer einem ArbG vergleichbaren Person. Soweit in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, der Stpfl. habe das Dispositionsrecht, seine Wohnung als erste Tätigkeitsstätte zu bestimmen (u.a. Geserich, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 273. Lfg. Stand: 10/2016), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Frage der ersten Tätigkeitsstätte bestimmt sich ausschließlich nach der entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 4 EStG und dem Grundsatz der Gleichstellung von ArbN und Nicht-ArbN. Der ArbN hat aber gerade kein Recht, bei mehreren Tätigkeitsstätten seine erste Tätigkeitsstätte zu bestimmen. Für die Beurteilung der ersten Tätigkeitsstätte bei VuV sind die quantitativen Elemente des § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 und Nr. 2 EStG maßgeblich. Eine erste Tätigkeitsstätte liegt dort vor, wo der Vermieter mind. 1/3 seiner Tätigkeiten ausübt. Fahrtkosten zwischen zwei ersten Tätigkeitsstätten sowie Beschaffungsfahrten sind mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen; vgl. FG Köln vom 19.2.2020, 1 K 1209/18. Der Stpfl. wird auch freitags in seiner Wohnung zu 1/3 seiner Arbeitszeit tätig. Ein häusliches Arbeitszimmer ist aber keine Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (s.a. BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 4) und keine erste Tätigkeitsstätte.
Mit Urteil vom 18.8.2016, 15 K 1519/15, entschied das FG München, dass ein zur Verwaltung von mehr als 50 Mietverhältnissen (im Streitfall 70 Objekte) genutztes Arbeitszimmer, das nach den Gesamtumständen des Einzelfalls den Mittelpunkt der Vermietungstätigkeit bildet, nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG fällt. Die Entfernungspauschale gelangt auch dann zur Anwendung, wenn der Stpfl. ein für die Verwaltung des Grundbesitzes eingerichtetes Büro unterhält. In diesem Fall greifen bei Übernachtung am Tätigkeitsort die Grundsätze der doppelten Haushaltsführung ein, wenn der Stpfl. zur Betreuung seiner Mietobjekte an deren Belegenheitsort übernachtet. Für die Fahrtkosten waren somit Reisekostengrundsätze anzuwenden; die Übernachtungskosten fanden nach den Grundsätzen der Auswärtstätigkeit in tatsächlicher Höhe Berücksichtigung.
Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet kann keine (erste) Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG sein, da die Arbeitsleistung nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG oder eines anderen ausgeführt wird.
ArbN, die innerhalb eines weiträumigen Gebietes an verschiedenen Tätigkeitsstätten ihres ArbG tätig werden, fallen nicht unter die Regelungen des weiträumigen Tätigkeitsgebietes, sondern es muss nach § 9 Abs. 4 EStG geprüft werden, ob eine dieser Tätigkeiten die Voraussetzungen einer ersten Tätigkeitsstätte erfüllt. So kann z.B. eine von mehreren Filialen in einer Großstadt erste Tätigkeitsstätte sein, wenn der ArbG dies so arbeitsvertraglich festlegt. Erfüllen die Filialen nicht die Voraussetzungen einer ersten Tätigkeitsstätte, so ist der ArbN insgesamt auswärts beruflich tätig. Als Fahrtkosten können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 EStG die tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden.
Ist der ArbN dagegen in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet tätig, ist der ArbN zwar auch auswärts beruflich tätig, die Fahrtkosten zu dem der Wohnung am nächsten gelegenen Zugang des weiträumigen Tätigkeitsgebietes können aber lediglich mit der Entfernungspauschale berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG). Hat der ArbN das weiträumige Tätigkeitsgebiet stets von ein und demselben Zugang aus zu betreten oder zu befahren, so ist für die Fahrten von der Wohnung bis zu diesem Zugang zu dem weiträumigen Arbeitsgebiet die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Auf die Geltendmachung von Verpflegungspauschalen und Übernachtungskosten hat diese Regelung allerdings keinen Einfluss (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 41 ff.). Wird das weiträumige Tätigkeitsgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist aus Vereinfachungsgründen nur für die Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang die Entfernungspauschale zu berücksichtigen; für die Fahrten von der Wohnung zu den weiter entfernten Zugängen können hingegen für die zusätzlichen Kilometer die tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden. Von dieser Regelung betroffen sind z.B. ArbN, die in einem Hafengebiet tätig sind, Schornsteinfeger, Forstarbeiter oder Briefzusteller. Nach dem BFH-Urteil vom 18.6.2009 (VI R 61/06, BStBl II 2010, 564) stellt der Einsatz eines ArbN auf einem Fahrzeug auf dem Betriebsgelände bzw. unter Tage im Bergwerk des ArbG keine Auswärtstätigkeit dar. In diesem Zusammenhang hat zunächst das FG Düsseldorf und im Anschluss daran auch der BFH bestätigt, dass das firmeneigene Schienennetz, das ein Lokomotiv-Rangierführer mit der firmeneigenen Eisenbahn (Werksbahn) seines ArbG befährt, eine »erste Tätigkeitsstätte« sein kann (Urteil FG Düsseldorf vom 21.10.2013, 11 K 2103/12, EFG 2014, 247; BFH Urteil vom 10.3.2015, VI R 87/13, BFH/NV 2015, 1084, LEXinform 0934442).
Mit Urteil vom 1.10.2020, VI R 36/18 entschied der BFH zum weiträumigen Tätigkeitsgebiet (Schienennetz) wie folgt: Das firmeneigene Schienennetz, das ein Lokomotivführer mit der firmeneigenen Werksbahn seines ArbG befährt, ist eine großräumige erste Tätigkeitsstätte. Das firmeneigene Schienennetz muss nach seinen infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar sein. Bei Werksbahnen ist dies zu bejahen, da es sich um eine Eisenbahninfrastruktur handelt, die ausschließlich für den eigenen Güterverkehr betrieben wird. Die vorstehenden Ausführungen gelten allerdings nicht für Lokomotivführer im öffentlichen Eisenbahnverkehr, da Schienenwege öffentlicher Betreiber wegen der Zugänglichkeit für jedermann nicht mit einer »betrieblichen Einrichtung« vergleichbar sind.
Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes wurden zutreffend die pauschalen Kilometersätze angesetzt, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem BRKG festgesetzt sind.
Kennzeichnend für diese Tätigkeit ist vor allem, dass die eigentliche, berufliche Tätigkeit »an der frischen Luft« stattfindet.
Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets können die tatsächlichen Fahrtkosten berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG).
Beispiel 16:
Ein in A wohnender Forstarbeiter fährt an 150 Tagen von seiner Wohnung zu dem 15 km entfernten, nächstgelegenen Zugang des von ihm täglich zu betreuenden Waldgebietes (weiträumiges Tätigkeitsgebiet). An 70 Tagen fährt A von seiner Wohnung über einen weiter entfernt gelegenen Zugang (20 km) in das Waldgebiet.
Lösung 16:
S.a. BMF vom 25.11.2020, Beispiel 28.
Die Fahrten von der Wohnung zu dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet werden behandelt wie die Fahrten von der Wohnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte. A kann somit für diese Fahrten lediglich die Entfernungspauschale i.H.v. 0,30 € je Entfernungskilometer (= 15 km × 0,30 €) als WK ansetzen. Die Fahrten innerhalb des Waldgebietes können mit den tatsächlichen Kosten oder aus Vereinfachungsgründen mit dem pauschalen Kilometersatz i.H.v. 0,30 € je tatsächlich gefahrenem Kilometer berücksichtigt werden.
Bei den Fahrten zu dem weiter entfernt gelegenen Zugang werden ebenfalls nur 15 km mit der Entfernungspauschale (15 km × 0,30 €) berücksichtigt. Die zusätzlichen fünf Kilometer morgens hin und die fünf Kilometer abends zurück werden ebenso wie die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes mit den tatsächlichen Kosten oder aus Vereinfachungsgründen mit dem pauschalen Kilometersatz i.H.v. 0,30 € je gefahrenem Kilometer berücksichtigt.
Somit sind für 220 Tage jeweils 15 km mit der Entfernungspauschale und die restlichen tatsächlich gefahrenen Kilometer mit den tatsächlichen Kosten oder aus Vereinfachungsgründen dem pauschalen Kilometersatz i.H.v. 0,30 € anzusetzen.
Mit Urteil vom 11.4.2019 (VI R 12/17, LEXinform 0951308) hat der BFH das Urteil des FG München vom 9.2.2017 (11 K 2508/16, LEXinform 5020300 bestätigt, wonach ein Flughafengelände, auf dem ein ArbN von seinem ArbG, einer 100 %igen Tochtergesellschaft des Flughafenbetreibers und mit diesem also i.S.d. § 15 AktG verbundenen Unternehmen, an täglich wechselnden Kontrollstellen zur Durchführung von Sicherheitskontrollen eingesetzt wird, für den ArbN eine großräumige erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG darstellt. Der Flughafen ist für den ArbN der im Servicebereich des Flughafens tätigen Tochtergesellschaft des Flughafenbetreibers nicht als weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG, sondern als eine ortsfeste, d.h. nicht mobile, betriebliche Einrichtung eines verbundenen Unternehmens des ArbG zu behandeln. Folglich stellt der Einsatz des Stpfl. auf dem Betriebsgelände des Flughafens keine auswärtige berufliche Tätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4a EStG dar. Es handelt sich vielmehr um eine Tätigkeit innerhalb einer – wenngleich großräumigen – ersten Tätigkeitsstätte, an der der Stpfl. seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen hat. Da der Stpfl. im Urteilsfall nicht außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte und seines Wohnorts tätig war, können weder Verpflegungsmehraufwendungen noch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Reisekostengrundsätzen berücksichtigt werden. Die vom Stpfl. aufgeworfene Frage, ob der Flughafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG ist, stellt sich im Streitfall damit nicht. Denn einer Antwort auf diese Frage bedarf es nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG nur, wenn der Stpfl. über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt (BFH Urteil vom 11.4.2019 (VI R 12/17, LEXinform 0951308, Rz. 29; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 43/2019 vom 18.7.2019, LEXinform 0450020).
Zum weiträumigen Tätigkeitsgebiet eines Rettungssanitäters vgl. die Ausführungen des FG Berlin-Brandenburg vom 25.7.2023, 11 K 11130/21, unter I. 1. b) bis c).
Von einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet i.S.d. in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG kann bei einem Gerichtsvollzieher nicht ausgegangen werden; FG Baden-Württemberg vom 23.7.2018, 10 K 1935/17, Rz. 33. Es fehlt an den Absprachen oder Weisungen des ArbG, dieses typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen. Vielmehr besteht nur die Weisung, täglich die Eingänge in der Verteilungsstelle des Amtsgerichts abzuholen. Der Gerichtsvollzieher übt vielmehr seinen Geschäftsbetrieb nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen aus und auch der Bestätigung der Verwaltungsleitung des Amtsgerichts zufolge liegen weder Vorgaben des Landes noch des Amtsgerichts hierzu vor. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 16.12.2020, VI R 35/18, wie folgt: Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, das er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob der dem Kläger zugeschlagene Gerichtsvollzieherbezirk ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG ist, stellt sich im Streitfall damit nicht. Denn einer Antwort auf diese Frage bedarf es nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG nur, wenn der Stpfl. – anders als der Kläger im Streitfall – über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Eine Einrichtung des ArbN, die dieser aufgrund seiner Eigentümerstellung, seines obligatorischen, dinglichen oder auch faktischen Nutzungsrechts für die berufliche Tätigkeit nutzt, kann eine betriebliche Einrichtung des ArbG sein, wenn dieser aufgrund seines Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung auf die Nutzung der Einrichtung durch den ArbN bestimmenden Einfluss nehmen kann.
Nach dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 9.4.2019 (5 K 5269/17, LEXinform 5022207) stellt der Versicherungsbezirk eines angestellten Versicherungskaufmanns kein »weiträumiges Tätigkeitsgebiet« dar. Ist einem angestellten Versicherungskaufmann ein bestimmter Bezirk im Werbebereich einer Geschäftsstelle eines Versicherungsunternehmens zugewiesen und hat der ArbG keine »erste Tätigkeitsstätte« für den Stpfl. bestimmt, sondern ihn der Geschäftsstelle lediglich organisatorisch zugewiesen, so stellt die Geschäftsstelle keine »erste Tätigkeitsstätte« für den Stpfl. dar.
Auch das von dem Versicherungskaufmann in seinem Bezirk angemietete Servicebüro stellt keine erste Tätigkeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 4 EStG dar, wenn es nicht von seinem ArbG, sondern allein auf Rechnung des Stpfl. betrieben wird und damit nicht dem ArbG zuzurechnen ist.
Der einem angestellten Versicherungskaufmann zugewiesene Versicherungsbezirk stellt kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG dar. Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet liegt in Abgrenzung zur ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder bei einem vom ArbG bestimmten Dritten ausgeübt werden soll. Dies trifft beispielsweise zu auf Zusteller, Hafenarbeiter oder Forstarbeiter, nicht jedoch auf z.B. Schornsteinfeger, Bezirksleiter und Vertriebsmitarbeiter, die verschiedene Niederlassungen betreuen, oder mobile Pflegekräfte, die verschiedene Personen in deren Wohnungen in einem festgelegten Gebiet betreuen.
Der Zustellpunkt (Zustellzentrum), dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt, ist erste Tätigkeitsstätte; vgl. BFH vom 30.9.2020, VI R 12/19. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob ein Zustellbezirk ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG ist, stellt sich im Streitfall damit nicht. Denn einer Antwort auf diese Frage bedarf es nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG nur, wenn der Stpfl. – anders als der Kläger im Streitfall – über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (BT-Drs. 17/10774, 13) und das Bundesministerium der Finanzen im BMF-Schreiben beispielhaft davon ausgehen, dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG u.a. auf (Brief-/Post-)Zusteller anwendbar sein soll. Dass diese Berufsgruppe uneingeschränkt dem Anwendungsbereich der Norm unterfällt, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Bei der beispielhaften Erwähnung des (Brief-/Post-)Zustellers dürften der Gesetzgeber und das BMF vielmehr von einem anderen als dem im Streitfall bindend festgestellten Tätigkeitsbild eines Postzustellers ausgegangen sein.
Ein Tätigwerden in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet liegt nur vor, wenn der ArbN die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des ArbG, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder bei einem vom ArbG bestimmten Dritten auszuüben hat. Ein ArbN kann im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit keine erste Tätigkeitsstätte, mehrere Tätigkeitsstätten oder ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet aufsuchen. Im Einzelfall kann eine Abgrenzung schwer sein; BFH vom 15.2.2023, VI R 4/21.
Der BFH hat mit Urteilen vom 9.2.2012 (VI R 42/11, BStBl II 2013, 236 und VI R 44/10, BStBl II 2013, 234, → Ausbildungskosten, Geserich, NWB 2012, 1226) und vom 18.9.2012 (VI R 65/11, BFH/NV 2013, 517, LEXinform 0928800) entschieden, dass Fahrten zwischen der Wohnung und einer vollzeitig besuchten Bildungseinrichtung in voller Höhe (wie Dienstreisen) und nicht nur beschränkt in Höhe der Entfernungspauschale als WK abgezogen werden können (Änderung der Rspr. in BFH-Urteilen vom 10.4.2008, VI R 66/05, BStBl II 2008, 825 und vom 22.7.2003, VI R 190/97, BStBl II 2004, 886; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 20/12 vom 28.3.2012, LEXinform 0437732 sowie Anmerkung vom 5.4.2012, LEXinform 0941537).
§ 9 Abs. 4 Satz 8 EStG enthält ab 2014 gegenüber der BFH-Rspr. eine Ausweitung. Als erste Tätigkeitsstätte wird danach auch eine Bildungseinrichtung behandelt, die zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Voraussetzung für diese Annahme ist allerdings, dass die Maßnahme nicht durch ein bestehendes Dienstverhältnis veranlasst ist.
Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme findet insbes. dann außerhalb eines Dienstverhältnisses statt, wenn
diese nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses sind, auch wenn sie seitens des ArbG durch Hingabe von Mitteln, wie z.B. eines Stipendiums, gefördert werden oder
diese ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung absolviert werden und die Beschäftigung lediglich das Studium oder die Bildungsmaßnahme ermöglicht.
Bei einem dualen Studium bzw. bei einer dualen Berufsausbildung stellt die Hochschule/Universität bzw. die Berufsschule keine erste Tätigkeitsstätte dar, da diese Bildungseinrichtung im Rahmen eines Dienstverhältnisses aufgesucht wird. Erste Tätigkeitsstätte ist bei diesen Fällen die ortsfeste betriebliche Einrichtung des ArbG.
Zur Abgrenzung gegenüber einem Studium oder einer Bildungsmaßnahme innerhalb eines Dienstverhältnisses vgl. auch R 9.2 sowie 19.7 LStR.
Ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme liegt insbes. vor, wenn der Stpfl. im Rahmen des Studiums oder im Rahmen der Bildungsmaßnahme für einen Beruf ausgebildet wird und daneben entweder keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder während der gesamten Dauer des Studiums oder der Bildungsmaßnahme eine Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit oder in Form eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV ausübt.
Da der Stpfl. in diesen Fällen keinem Direktionsrecht unterliegt, sondern selbst die Entscheidung für die jeweilige Bildungseinrichtung trifft, hat er – vergleichbar dem ArbN, der einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist – die Möglichkeit, sich auf die ihm entstehenden Wegekosten einzurichten und deren Höhe zu beeinflussen (BMF vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz. 32 bis 34).
Der BFH entschied zur Frage einer Mindestdauer der Bildungsmaßnahme mit Urteil vom 14.5.2020, VI R 24/18 wie folgt: Die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG ist unerheblich. Eine Bildungseinrichtung gilt auch dann als erste Tätigkeitsstätte, wenn sie vom Stpfl. im Rahmen einer nur kurzzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Davon ist auszugehen, wenn der Stpfl. die Bildungseinrichtung anlässlich der regelmäßig zeitlich befristeten Bildungsmaßnahme nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft) aufsucht. Eine zeitliche Mindestdauer der Bildungsmaßnahme ist nicht erforderlich. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut der systematischen Auslegung als auch der Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Eine dahingehende zeitliche Komponente enthält § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG nicht. Die Vorschrift setzt nach ihrem Wortlaut lediglich eine vollzeitige Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses, nicht aber eine bestimmte Zeitdauer einer solchen Bildungsmaßnahme voraus. Geserich (Geserich, Erste Tätigkeitsstätte bei einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme, NWB 43/2020, 3152) begrüßt die Entscheidung des BFH in seiner Kommentierung. Das FG hat zu Recht die Aufwendungen des Klägers für die Unterkunft sowie die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen.
Mit Urteil vom 24.1.2018 (7 K 1007/17, EFG 2018, 549, LEXinform 5020905, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 3/18, LEXinform 0951823) hat das FG Münster zur ersten Tätigkeitsstätte eines Studenten während eines Auslandssemesters entschieden. Studiert der Stpfl. für ein oder mehrere Auslandssemester an einer ausländischen Hochschule, begründet er dort eine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 8 EStG. Die Dauer der Bildungsmaßnahme spielt dafür keine Rolle. Bei einem Auslands(praxis)semester wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet. Der Fall wurde vom BFH in der Revision vom 14.5.2020, VI R 3/18, entschieden.
Urteilssachverhalt:
Die Klägerin begann nach dem Abschluss einer anderen Ausbildung mit dem Studium an einer Fachhochschule (FH) in B-Stadt. Nach der einschlägigen Prüfungsordnung sind für ihren Studiengang zwei Auslandssemester sowie ein Auslandspraxissemester vorgesehen. Als Studentin absolvierte die Klägerin die beiden Auslandssemester in E-Stadt (Ausland) und das Praxissemester in M-Stadt (Ausland) nacheinander. Während des Praxissemesters war sie in Vollzeit bei einer Au-Pair-Agentur tätig, wobei ihr in M-Stadt (Ausland) ein Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellt und Arbeitslohn gezahlt wurde. Während des gesamten Studiums – auch während der Auslandsaufenthalte – behielt die Klägerin ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern im Inland bei, wo sich auch ihr Lebensmittelpunkt befand. Hierbei handelte es sich um eine Vierzimmerwohnung mit Küche und Bad, deren Miete und Nebenkosten von den Eltern getragen wurden (s.a. Anmerkung vom 20.2.2018, LEXinform 0653375).
Entscheidungsgründe:
Sieht die Studienordnung einer Universität vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer anderen (weiteren) Hochschule (hier Auslandssemester) absolvieren können bzw. müssen, wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet. Studierende können daher Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die durch den Besuch der anderen Hochschule veranlasst sind, nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG als vorab entstandene WK geltend machen. Entsprechendes gilt i.d.R. auch für Studierende, die im Rahmen ihres Studiums ein Praxissemester oder Praktikum ableisten können bzw. müssen und dabei ein Dienstverhältnis begründen; BFH vom 14.5.2020, VI R 3/18.
In puncto Abzugshöhe begründete der BFH seine Entscheidung wie folgt: Sieht die Ausbildungs-/Studienordnung vor, dass Teile der Ausbildung an einer auswärtigen Bildungseinrichtung zu absolvieren sind und wird vorübergehend an einem anderen Ort studiert oder einem (Auslands-)Praktikum nachgegangen, wandert die erste Tätigkeitsstätte jedoch nicht automatisch an diesen Ort. Vielmehr liegt bei einem nur vorübergehenden Aufsuchen eines anderen Studienortes eine Auswärtstätigkeit mit der Folge vor, dass der Kostenabzug nach reisekostenrechtlichen Regelungen angesetzt werden kann. Die erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG liegt weiterhin am bisherigen Studienort, selbst wenn dieser vorübergehend nicht aufgesucht wird, weil nach der Ausbildungs-/Studienordnung Teile der Ausbildung an einer auswärtigen Bildungseinrichtung zu absolvieren sind. Die Beibehaltung der ersten Tätigkeitsstätte am bisherigen Studienort gilt ebenso für ein vorgeschriebenes Praxissemester, selbst wenn währenddessen ein Dienstverhältnis begründet wird. Auslösendes Moment für die Tätigkeit im Rahmen des Praktikums ist das Studium, sodass wegen des Veranlassungszusammenhangs mit dem Studienort auch insoweit die erste Tätigkeitsstätte am bisherigen Studienort verbleibt und das im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübte Praxissemester ebenso nach den Grundsätzen der Auswärtstätigkeit abgerechnet werden kann. Die zusätzlichen Unterkunftskosten können geltend gemacht werden, selbst wenn der Studierende/die Studierende im Haushalt der Eltern nur ein Zimmer bewohnt und dieses Zimmer nicht die Bedingungen für einen eigenen Hausstand im Sinne der doppelten Haushaltsführung erfüllt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG) oder – wie im Entscheidungsfall – sich der Studierende/die Studierende nicht an den Kosten der Haushaltsführung beteiligt.
Bei einem Master-Studiengang in London gilt die Bildungseinrichtung in London als erste Tätigkeitsstätte. Dass die erste Tätigkeitsstätte des Klägers im Zeitraum September bis einschließlich Dezember 2014 im EU-Land lag, weil er an der dortigen Universität als Student eingeschrieben war, und der Student dort auch zumindest zeitweise in der eigens für das Studium angemieteten Wohnung wohnte, war zwischen den Beteiligten unstreitig; vgl. FG Düsseldorf vom 28.5.2020, 9 K 719/17 E. Durch die Anmietung zweier Zimmer im Obergeschoss des Elternhauses während eines Auslandsstudiums gegen eine nach den Gesamtkosten des Gebäudes bemessene anteilige Kostentragung wird keine doppelte Haushaltsführung an einem eigenen Hausstand des Kindes außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte begründet, weil eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG auch die teilweise Übernahme der Kosten für die gemeinsame Lebenshaltung einer Haushaltsgemeinschaft, insbes. in Gestalt von Lebens- und Verbrauchsmitteln für die alltägliche Durchführung der gemeinsamen Haushaltsführung, umfassen muss.
Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme ist auch in Zeiten einer Erwerbslosigkeit des Stpfl. nicht notwendig mit der Folge als Vollzeitstudium oder vollzeitige Bildungsmaßnahme zu qualifizieren, dass die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale begrenzt ist (entgegen Rz. 34 des BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228); vgl. Niedersächsisches FG vom 16.2.2022, 4 K 113/20. Die Entscheidung ist vorläufig nicht rkr. Das Verfahren ist vor dem BFH unter dem AZ. VI R 7/22 anhängig. Der BFH wird sich mit der folgenden Rechtsfrage auseinandersetzen müssen: Unter welchen Voraussetzungen wird die Bildungseinrichtung (hier: Fernuniversität) »zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme« aufgesucht (hier: Abgrenzungskriterien gem. Tz. 34 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, nach denen ein während einer Erwerbslosigkeit absolviertes Studium – unabhängig von dem zeitlichen Umfang des Studiums – stets als Vollzeitmaßnahme angesehen werden muss)?
Von einer beruflichen Veranlassung ist auszugehen, wenn die Auswärtstätigkeit auf einer Weisung des ArbG beruht. Allerdings ist nicht jede auf Weisung des ArbG unternommene Reise automatisch beruflich veranlasst.
Der Abzug der Reisekosten setzte nach der bisherigen Rspr. des BFH voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen/betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher bzw. betrieblicher Anlass zugrunde liegt (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages) und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (s. BFH Urteil vom 19.1.2017, VI R 37/15, BStBl II 2017, 526; Bestätigung der ständigen Rechtsprechung). Gleiches gilt, wenn die berufliche bzw. betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist. Anderenfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf/Betrieb veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt. Nutzt der Stpfl. ein selbst gesteuertes Privatflugzeug für beruflich veranlasste Reisen, kann es sich bei den Flugkosten um Aufwendungen handeln, die die Lebensführung i.S.d. §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7, 9 Abs. 5 Satz 1 EStG berühren.
Nach R 9.4 Abs. 1 Satz 3 und 4 LStR sind die im Zusammenhang mit der beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit mit erledigten privaten Angelegenheiten zu trennen. Ist das nicht – auch nicht durch Schätzung – möglich, gehören die gesamten Aufwendungen zu den nach § 12 EStG nicht abziehbaren Aufwendungen der Lebensführung. So hat der BFH einem nebenberuflichen Autor den Abzug von Reiseaufwendungen in südliche Länder versagt, weil die Aufwendungen untrennbar sowohl betrieblich als auch privat veranlasst waren (BFH Urteil vom 7.5.2013, VIII R 51/10, BStBl II 2013, 808).
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Der zu 90 % schwerbehinderte Kläger, der hauptberuflich als Lehrer tätig ist, wollte die Aufwendungen für Auslandsreisen im Zusammenhang mit seiner Autorentätigkeit als BA abziehen, weil er die Reisen in trockene Länder auf ärztlichen Rat unternommen habe, allerdings nur, um an den Urlaubsorten Lehrbücher zur kaufmännischen Ausbildung zu aktualisieren. Er habe sich dort nur in den Ferienhäusern aufgehalten und zehn Stunden täglich an seinen Lehrbüchern gearbeitet, aber sonst keinerlei touristische Aktivitäten entfaltet. Der Ausblick habe ihm zur Erholung genügt. Die Reiseaufwendungen für seine Ehefrau seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, weil sie ihn wegen seiner Schwerbehinderung habe begleiten müssen.
Der BFH hat die Reiseaufwendungen insgesamt nicht als BA zum Abzug zugelassen. Die Aufwendungen hätten nicht in einen beruflichen und einen privaten Teil aufgeteilt werden können, weil sie gleichrangig sowohl der Erholung an einem Ferienort als auch der schriftstellerischen Tätigkeit gedient und untrennbar ineinandergegriffen hätten.
Die Reisekosten für die mitgereiste Ehefrau des Klägers seien nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, weil durch die Behinderung des Klägers insoweit kein Mehraufwand entstanden sei. Die Ehefrau des Klägers wäre aus eigenem Interesse auch dann mitgereist, wenn ihr Mann nicht schwerbehindert gewesen wäre (Pressemitteilung des BFH Nr. 57/13 vom 4.9.2013, LEXinform 0440635).
Der Große Senat des BFH hat mit Beschluss vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) entschieden, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für Aufwendungen normiert, die sowohl durch die Einkunftserzielung als auch privat veranlasste Teile enthalten (gemischte Aufwendungen). Aus diesem Anlass nimmt das BMF mit Schreiben vom 6.7.2010 (BStBl I 2010, 614) zur steuerlichen Beurteilung gemischter Aufwendungen Stellung (→ Lebensführungskosten).
In seinem Beschluss vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) hat der Große Senat des BFH Aufwendungen für gemischt veranlasste Reisen in größerem Umfang als bisher zum Abzug als BA oder WK zugelassen. Danach sind Aufwendungen für Reisen, die abgrenzbare berufliche und private Anteile enthalten, grundsätzlich aufzuteilen, sofern die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist (s.a. Fischer, NWB 2010, 412 und Geserich, NWB 2011, 2452).
Im Streitfall hatte der Kläger, der im Bereich der Informationstechnologie beschäftigt und anschließend als »EDV-Controller« tätig war, eine Computer-Messe in Las Vegas besucht. FA und FG waren der Auffassung, von den sieben Tagen des USA-Aufenthalts seien nur vier Tage einem eindeutigen beruflichen Anlass zuzuordnen. Deshalb seien nur die Kongressgebühren, Kosten für vier Übernachtungen und Verpflegungsmehraufwendungen für fünf Tage zu berücksichtigen. Das FG erkannte darüber hinaus auch die Kosten des Hin- und Rückflugs zu 4/7 als WK an. Dagegen wandte sich das FA mit der Revision und machte geltend, die Aufteilung der Flugkosten weiche von der ständigen Rspr. des BFH ab. Der Große Senat ist der Auffassung des vorlegenden Senats gefolgt: Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare WK oder BA und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.
Ein Abzug der Aufwendungen kommt nach der Entscheidung des Großen Senats nur dann insgesamt nicht in Betracht, wenn die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist, wenn es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung fehlt.
Damit hat der Große Senat die bisherige Rspr. aufgegeben, die der Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen entnommen hatte. Ein solches Aufteilungs- und Abzugsverbot, das die Rspr. in der Vergangenheit ohnehin in zahlreichen Fällen durchbrochen hatte, lässt sich nach Auffassung des Großen Senats dem Gesetz nicht entnehmen. Dies kann Auswirkungen auch auf die Beurteilung anderer gemischt veranlasster Aufwendungen haben.
Mit Urteil vom 21.4.2010 (VI R 66/04, BStBl II 2010, 685) hat der BFH in Änderung seiner bisherigen Rspr. entschieden, dass Aufwendungen eines Arztes für die Teilnahme an einem Fortbildungskurs, der mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung »Sportmedizin« angerechnet werden kann, zumindest teilweise als WK zu berücksichtigen sind, auch wenn der Lehrgang in nicht unerheblichem Umfang Gelegenheit zur Ausübung verbreiteter Sportarten zulässt.
Im Streitfall ging es um den Abzug von Aufwendungen für die Teilnahme eines angestellten Unfallarztes an einem sportmedizinischen Wochenkurs am Gardasee als WK bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Fortbildung, die von der Ärztekammer für den Erwerb der Zusatzbezeichnung »Sportmedizin« anerkannt wurde, war an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, worunter auch eine Teilnahme an den von der Ärztekammer anerkannten sportmedizinischen Kursen von insgesamt 120 Stunden Dauer fiel. Das Programm des Kurses sah in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag Vorträge vor, während die Zeit von 9:15 bis 15:45 Uhr der Theorie und Praxis verschiedener Sportarten wie Surfen, Biken, Segeln, Tennis und Bergsteigen vorbehalten war.
Während das FA die Aufwendungen für die Teilnahme an dem Kurs i.H.v. 1 606 € nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen hatte, gab das FG der Klage teilweise mit der Begründung statt, die Aufwendungen seien zur Hälfte beruflich veranlasst. Der BFH bestätigte diese Entscheidung und berief sich dazu auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672), wonach Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind (sog. gemischte Aufwendungen), grundsätzlich in abziehbare WK und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung aufzuteilen sind. Nach der neueren Rspr. des Großen Senats des BFH steht § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG einer Aufteilung gemischt veranlasster Aufwendungen auch für Fortbildungsveranstaltungen nicht mehr entgegen. Der BFH folgte daher der Würdigung des FG, das die Aufteilung anhand der Zeitanteile vorgenommen hatte, die auf die beruflich veranlassten Vorträge einerseits und die – nach seiner Auffassung – privat veranlassten sportpraktischen Veranstaltungen andererseits entfielen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 50/10 vom 2.6.2010, LEXinform 0435311).
Reisekosten, die zu einem unbedeutenden beruflichen Anteil veranlasst sind, bleiben in vollem Umfang steuerlich unberücksichtigt; vgl. FG Münster vom 28.11.2014, 14 K 2477/12 E. Die Ziele der Reisen, bei denen der Kläger teilweise auch von Angehörigen und seiner Lebensgefährtin begleitet wurde, lagen teilweise im Ausland und in Gebieten, in denen Kurtaxe erhoben wurde. Die Aufwendungen wurden anhand von Reisekostenabrechnungen und Rechnungen durch den Kläger belegt. Der Reisezweck wurde handschriftlich durch den Kläger erläutert.
Mit Urteil vom 21.4.2010 (VI R 5/07, BStBl II 2010, 687) hat der BFH entschieden, dass Reisekosten nur dann in WK und Aufwendungen für die private Lebensführung aufzuteilen sind, wenn die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge objektiv voneinander abgegrenzt werden können. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt dafür v.a. das Verhältnis der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile in Betracht. Im Streitfall ging es um den Abzug der Aufwendungen, die einer Gymnasiallehrerin für Englisch und Religion anlässlich einer achttägigen Fortbildungsreise für Englischlehrer nach Dublin/Irland entstanden waren. Die Reise, die von der Englischlehrervereinigung angeboten und durchgeführt wurde und für die die Klägerin Dienstbefreiung erhalten hatte, lief nach einem festen Programm ab, das kulturelle Vortragsveranstaltungen und Besichtigungstermine sowie einen Tagesausflug nach Belfast umfasste. FA und FG lehnten den Abzug der Aufwendungen in vollem Umfang ab.
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und forderte das FG auf, erneut zu prüfen, ob die Kosten der Bildungsreise als beruflich veranlasste Aufwendungen ganz oder zumindest teilweise als WK zu berücksichtigen seien. Zur Klärung der Veranlassungsbeiträge bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise gelten nach Auffassung des BFH auch nach der geänderten Rspr. des Großen Senats des BFH die früher von ihm entwickelten Abgrenzungsmerkmale grundsätzlich weiter. Haben nicht nur berufliche Gründe den Stpfl. bewogen, die Reisekosten zu tragen, so ist zu prüfen, ob die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge objektiv voneinander abgrenzbar sind.
Reisekosten sind nur dann als WK steuerlich abziehbar, wenn sie beruflich veranlasst sind. Sind diese Aufwendungen sowohl beruflich als auch privat veranlasst (sog. gemischte Aufwendungen), so können sie nach der geänderten Rspr. des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 21.9.2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) grundsätzlich in abziehbare WK und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind (Pressemitteilung des BFH Nr. 49/10.vom 2.6.2010, LEXinform 0435310).
Zur Aufteilung von Studienreisekosten nimmt das FG Münster mit rechtskräftigem Urteil vom 27.8.2010 (4 K 3175/08 E, LEXinform 5010986) Stellung. Aufwendungen für eine sowohl beruflich als auch privat motivierte Studienreise sind nur dann – teilweise – steuerlich abzugsfähig, wenn die beruflichen und privaten Reiseanteile objektiv voneinander getrennt werden können. Lag der Durchführung einer Studienreise zwar eine berufliche Veranlassung zugrunde, wurde die Reise jedoch auch aus nicht völlig untergeordneten privaten Motiven unternommen, kommt eine steuerliche Berücksichtigung der beruflich veranlassten Reisekosten auch nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) nur dann in Betracht, wenn die Reise abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge enthält, die jeweils nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Enthält jeder Programmpunkt der Studienreise eine untrennbare Verbindung von beruflichen und privaten Gesichtspunkten, scheidet eine steuerliche Berücksichtigung anteiliger beruflich veranlasster Reiseaufwendungen auch im Wege der Schätzung aus (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614 Rz. 18). Die Schätzung wäre nur dann geboten, wenn keine Zweifel daran bestünden, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, eine dementsprechende Quantifizierung aber nicht bzw. schwer möglich ist. Fehlt es dagegen an einer Abgrenzbarkeit der Veranlassungsbeiträge, besteht auch keine Schätzungsmöglichkeit hinsichtlich der Höhe der abzugsfähigen Aufwendungen. Geschätzt werden kann nämlich nicht der Umfang der beruflichen Veranlassung.
Aufwendungen sind nicht als WK abziehbar, wenn mit der Reise auch ein allgemein-touristisches Interesse von nicht untergeordneter Bedeutung befriedigt wird und keine einzelnen abgrenzbaren Aufwendungen durch einen ausschließlich betrieblichen (beruflichen) Anlass entstehen; vgl. FG München vom 21.4.2015, 2 K 488/13. Der Kläger ist als Geschäftsführer einer GmbH tätig. Im Zeitraum vom 30.7. bis 20.8.2011 unternahm der Kläger in Begleitung der Klägerin und des gemeinsamen Sohnes eine Rundreise in die USA mit folgenden Reisezielen: New York, Niagara Falls, Boston, Denver, Cheyenne, Keystone, Santa Monica Beach, Yellowstone Nationalpark, Salt Lake City, Moab, Monument Valley, Las Vegas, Los Angeles. Die Reise des Klägers in die USA, die nach seinen Angaben (auch) sein berufliches Informationsbedürfnis über internationale Mitbewerber stillen sollte, fand während des Jahresurlaubs des Klägers statt, den er (auch) mit seiner Familie verbringen wollte. In der Einkommensteuererklärung für 2011 machte der Kläger als WK im Rahmen seiner nichtselbstständigen Arbeit Aufwendungen für die USA-Reise i.H.v. 7 368 € geltend. Davon betrugen allein die Hotelkosten 3 378 €. An den Reisekosten beteiligte sich die ArbG des Klägers nicht.
Aufwendungen einer Religionslehrerin für eine Studienreise mit dem Schulkollegium nach Israel sind keine WK, wenn sich die Reise nicht von einer allgemeintouristisch geprägten Gruppenreise unterscheidet und nicht festgestellt werden kann, in welcher Weise sie für die Lehrerin zur Vorbereitung eines geplanten Schüleraustauschs konkret erforderlich war. Wurde eine Studienreise nach Israel als Gruppenreise vom gesamten Kollegium einer Schule unternommen, sind die Aufwendungen der teilnehmenden Religionslehrerin nicht als WK abziehbar, wenn der Reise kein konkreter Bezug zu ihrer beruflichen Tätigkeit zugrunde lag, die Reise vielmehr allgemeiner Information der Lehrerin diente, da sie und ihre Kollegen sich lediglich an einem Tag während der Studienreise in ihrer Partnerschule aufhielten und in der übrigen Zeit historisch und religionsgeschichtlich bedeutsame Orte und Landschaften Israels besuchten (BFH vom 29.11.2006, VI R 36/02, BFH/NV 2007, 681).
Ob und inwieweit Aufwendungen für eine Reise in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, hängt von den Gründen ab, aus denen der Stpfl. die Reise oder verschiedene Teile einer Reise unternimmt. Die Gründe bilden das auslösende Moment, das den Stpfl. bewogen hat, die Reisekosten zu tragen; vgl. FG Münster vom 27.1.2022, 1 K 224/21 E.
Zu den abzugsfähigen Aufwendungen zählen:
Fahrtkosten (R 9.5 LStR),
Verpflegungsmehraufwendungen (R 9.6 LStR),
Übernachtungskosten (R 9.7 LStR) sowie
Reisenebenkosten (R 9.8 LStR).
Bei einer untergeordneten betrieblichen/beruflichen Mitveranlassung (< 10 %) sind die Aufwendungen in vollem Umfang nicht als BA/WK abziehbar (→ Lebensführungskosten). Wird ein Sachverhalt insgesamt als privat veranlasst gewürdigt und werden die Aufwendungen dementsprechend steuerlich nicht berücksichtigt, so können zusätzliche ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasste Aufwendungen für sich genommen als BA oder WK abzuziehen sein (BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Rz. 11).
Beispiel 17:
Ein Stpfl. nimmt während seiner 14-tägigen Urlaubsreise an einem eintägigen Fachseminar teil.
Lösung 17:
S.a. BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Beispiel 1 in Rz. 11.
Die Aufwendungen für die Urlaubsreise sind nicht abziehbar. Die Aufwendungen, die unmittelbar mit dem Fachseminar zusammenhängen (Seminargebühren, Fahrtkosten vom Urlaubsort zum Tagungsort, ggf. Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen), sind als BA/WK abziehbar.
Zur Umsatzsteuer s.u. Beispiel 18.
Beispiel 18:
Ein niedergelassener Arzt besucht einen Fachkongress in London. Er reist Samstag früh an. Die Veranstaltung findet ganztägig von Dienstag bis Donnerstag statt. Am Sonntagabend reist er nach Hause zurück.
Lösung 18:
S.a. BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Beispiel 3 in Rz. 15.
Da Reisen nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) entgegen der bisherigen Rspr. nicht mehr in jedem Fall als Einheit zu betrachten sind, sind die Kosten für zwei Übernachtungen (von Dienstag bis Donnerstag) sowie die Kongressgebühren ausschließlich dem betrieblichen Bereich zuzuordnen und daher vollständig als BA abziehbar. Die Flugkosten sind gemischt veranlasst und entsprechend den Veranlassungsbeiträgen aufzuteilen. Sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist das Verhältnis der betrieblichen und privaten Zeitanteile der Reise (betrieblich veranlasst sind 3/9). Ein Abzug der Verpflegungskosten als BA ist nur i.H.d. Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen für die betrieblich veranlassten Tage zulässig.
Zur Umsatzsteuer s.u. Beispiel 19.
Aufwendungen für Auslandsreisen zu beruflichen Veranstaltungen eines Steuerberaters, die auf seine ihn begleitende Ehefrau entfallen, sind trotz Unterstützung der Ehefrau bei der Aufnahme und Pflege von Kontakten zu ausländischen Berufsträgern nicht als BA abzugsfähig, wenn die Ehefrau fachlich in keiner Weise vorgebildet ist, zum Ehemann in keinem Arbeits- oder Angestelltenverhältnis steht und in einem touristisch attraktiven Land an einem Begleitprogramm mit hohem Freizeitwertanteil teilnimmt; vgl. FG Münster vom 14.5.2019, 2 K 2355/18 E. Das FG Münster hat die Reisekosten, soweit sie auf die Begleitung durch die Ehefrau entfielen, nicht als BA eingestuft, weil sie ganz vorrangig privat veranlasst waren: Die Ehefrau hatte nichts anderes getan, als das, was nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB von allen Eheleuten verlangt wird, nämlich dass sie sich gegenseitig beistehen und unterstützen. Das Verfahren vor dem BFH, VIII B 127/19, hat sich am 12.11.2019 unbegründet erledigt.
Für die ertrag- und umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen anlässlich von Auswärtstätigkeiten ist zu unterscheiden, ob bei dem ArbN oder beim Unternehmer selbst eine Auswärtstätigkeit vorliegt.
Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung (s. R 9.11 LStR) fallen nicht unter den lohnsteuerrechtlichen Reisekostenbegriff. Der ertragsteuerrechtliche Reisekostenbegriff spielt allerdings für die Frage des Vorsteuerabzugs aus den Aufwendungen für »Auswärtstätigkeiten« keine Rolle. Entscheidend für den Vorsteuerabzug ist, dass die Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind und keine Ausschlusstatbestände vorliegen.
Der Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) – nach dem gemischte Aufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG grundsätzlich aufzuteilen sind – hat keine Auswirkung auf die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Reisekosten. Nach Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStAE ist bei Bezug von sonstigen Leistungen die darauf entfallende Steuer entsprechend dem Verwendungszweck in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Anteil aufzuteilen. Obwohl ertragsteuerrechtlich der nicht abzugsfähige Anteil der Aufwendungen zu Kosten der Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG führt, ist umsatzsteuerrechtlich die nicht abziehbare Vorsteuer auf diesen Anteil nicht nach § 15 Abs. 1a UStG zu ermitteln. § 15 Abs. 1a UStG ist in Bezug auf § 12 Nr. 1 EStG lediglich bei Repräsentationsaufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG anzuwenden (Abschn. 15.6. Abs. 1 UStAE). Zur Anwendung des § 15 Abs. 1a UStG s. → Geschenke.
Beispiel 19:
S.a. Beispiel 17. Ein Stpfl. nimmt während seiner 14-tägigen Urlaubsreise an einem eintägigen Fachseminar teil.
Lösung 19:
S.a. BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Beispiel 1 in Rz. 11.
Ertragsteuerlich sind die Aufwendungen für die Urlaubsreise nicht abziehbar (Kosten der Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG). Die Aufwendungen, die unmittelbar mit dem Fachseminar zusammenhängen (Seminargebühren, Fahrtkosten vom Urlaubsort zum Tagungsort, ggf. Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen), sind als BA/WK abziehbar.
Umsatzsteuerlich sind die Vorsteuerbeträge für die Urlaubsreise nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abziehbar, da die sonstigen Leistungen nicht für das Unternehmen bezogen wurden. Die Vorsteuerbeträge, die unmittelbar mit dem Fachseminar zusammenhängen, sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbar und unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und 3 UStG auch abzugsfähig.
Beispiel 20:
Ein niedergelassener Arzt besucht einen Fachkongress in München. Er reist Samstag früh an. Die Veranstaltung findet ganztägig von Dienstag bis Donnerstag statt. Am Sonntagabend reist er nach Hause zurück.
Lösung 20:
Ertragsteuerrechtliche Lösung:
S.a. BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Beispiel 3 in Rz. 15.
Da Reisen nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672) entgegen der bisherigen Rspr. nicht mehr in jedem Fall als Einheit zu betrachten sind, sind die Kosten für zwei Übernachtungen (von Dienstag bis Donnerstag) sowie die Kongressgebühren ausschließlich dem betrieblichen Bereich zuzuordnen und daher vollständig als BA abziehbar. Die Flugkosten sind gemischt veranlasst und entsprechend den Veranlassungsbeiträgen aufzuteilen. Sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist das Verhältnis der betrieblichen und privaten Zeitanteile der Reise (betrieblich veranlasst sind 3/9). Ein Abzug der Verpflegungskosten als BA ist nur i.H.d. Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen für die betrieblich veranlassten Tage zulässig.
Umsatzsteuerrechtliche Lösung:
Die Vorsteuerbeträge für die empfangenen Leistungen sind in einen abziehbaren und in einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. Dabei kann die ertragsteuerrechtliche Aufteilung auch für die Umsatzsteuer übernommen werden.
Ein Unternehmer kann aus Verpflegungskosten anlässlich einer Geschäftsreise den Vorsteuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG in Anspruch nehmen, wenn die Aufwendungen durch Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis auf den Namen des Unternehmers bzw. durch Kleinbetragsrechnungen bis 250 € i.S.d. § 33 UStDV belegt sind. Somit kann der Unternehmer bei Geschäftsreisen die gesamte in Rechnung gestellte Vorsteuer für seine Verpflegungskosten (Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Getränke) in Anspruch nehmen. Aus den entsprechenden Rechnungen (insbes. Restaurantrechnungen) ist somit die gesamte USt als Vorsteuer abziehbar.
Die in Rz. 11 des BMF-Schreibens vom 6.7.2010 (BStBl I 2010, 614) geregelte Bagatellgrenze, wonach bei einer untergeordneten betrieblichen/beruflichen Mitveranlassung von weniger als 10 % die Aufwendungen in vollem Umfang nicht als BA/WK abziehbar sind, ist umsatzsteuerrechtlich nicht anzuwenden. Die für den Vorsteuerabzug maßgebliche Bagatellgrenze von 10 % i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt nur für Lieferungen, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Gegenstandes, nicht aber für bezogene sonstige Leistungen.
Die in Rz. 12 des BMF-Schreibens vom 6.7.2010 (BStBl I 2010, 614) geregelte Bagatellgrenze, wonach bei einer untergeordneten privaten Mitveranlassung von weniger als 10 % die Aufwendungen in vollem Umfang als BA/WK abziehbar sind, ist umsatzsteuerrechtlich ebenfalls nicht anzuwenden.
Sowohl in den Fällen der Rz. 11 als auch in den Fällen der Rz. 12 des BMF-Schreibens vom 6.7.2010 (BStBl I 2010, 614) sind die Vorsteuerbeträge der bezogenen Leistungen in einen abziehbaren und in einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen.
Für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. Abs. 4 EStG sowie keine Familienheimfahrten sind, kann der ArbN nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen.
Der BFH bestätigt mit Urteil vom 19.1.2017 (VI R 37/15, BStBl II 2017, 526) die bisherige Rechtsprechung, indem er feststellt, dass es für den Werbungskostenabzug von beruflich veranlassten Reisekosten dem Grunde nach nicht darauf ankommt, welches Verkehrsmittel der Stpfl. wählt. Dem Stpfl. steht die Wahl des Verkehrsmittels grundsätzlich frei. Es ist bei Reisekosten – wie auch sonst bei der Anerkennung von Aufwendungen als WK – regelmäßig unerheblich, ob die geltend gemachten Aufwendungen objektiv gesehen zweckmäßig und notwendig waren, selbst wenn das Handeln des Stpfl. sich nachträglich als unwirtschaftlich herausstellt. Als Resümee daraus stellt der BFH fest, dass es der Berücksichtigung von Reisekosten dem Grunde nach nicht entgegensteht, dass der Stpfl. die Geschäftsreisen mit seinem Privatflugzeug durchgeführt hat. Insbesondere rechtfertigt die Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels regelmäßig nicht die Annahme, dass die Verfolgung privater Reiseinteressen den Schwerpunkt der Reise bildet. Zwar komme einem Privatflugzeug ein hoher Repräsentationswert und bei Personen, die eine Begeisterung für das Fliegen besitzen, auch ein großes Affektionsinteresse zu. Die Beschaffung und Unterhaltung des Privatflugzeugs berührte die Lebensführung des Klägers nach den Feststellungen des FGs im Streitfall in erheblicher Weise. Der Kläger nutzte das Flugzeug weit überwiegend privat und nicht beruflich (gem. Sachverhalt, s. oben I, 29,59 Flugstunden von 111 Flugstunden = 26,65 %). Allerdings muss in diesem Zusammenhang geprüft werden, ob der Werbungskostenabzug gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen ist. Danach dürfen Aufwendungen, »die die Lebensführung … berühren«, nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG den Gewinn bzw. die Einkünfte nicht mindern, »soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind«. Dabei kann es sich anbieten, den angemessenen Teil der Reisekosten unter Rückgriff auf durchschnittliche Reisekosten einschließlich Nebenkosten (z.B. Flug- oder Bahnkosten; Kosten für Anreise zum Flughafen oder Bahnhof; Taxen und Parkgebühren) zu schätzen (s.a. → Geschäftsreise).
Aufwendungen für Besuchsfahrten eines Ehepartners zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des anderen Ehepartners sind auch bei einer längerfristigen Auswärtstätigkeit des anderen Ehepartners grundsätzlich nicht als WK abziehbar. Das gilt auch dann, wenn der Stpfl. aus beruflichen Gründen – z. B. aufgrund einer Weisung oder Empfehlung des ArbG oder aus anderen dienstlichen Gründen – auf eine Heimfahrt verzichten muss (BFH vom 22.10.2015, VI R 22/14, BStBl II 2016, 179; Anmerkung vom 5.1.2016, LEXinform 0947430).
Ein im Gelegenheitsverkehr genutztes Taxi zählt nicht zu den »öffentlichen Verkehrsmitteln« i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem Taxi können daher lediglich i.H.d. Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG als WK in Ansatz gebracht werden; vgl. BFH vom 9.6.2022, VI R 26/20.
In § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG ist eine Abgrenzung zur Berücksichtigung der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) dahingehend geregelt, dass bei beruflich veranlassten Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG oder Familienheimfahrten sind, die Fahrtkosten mit den tatsächlich entstandenen Aufwendungen als WK berücksichtigt werden können. Bei der Benutzung eines eigenen oder zur Nutzung überlassenen Fahrzeugs ist dafür ein Kilometersatz aufgrund der für einen Zeitraum von zwölf Monaten ermittelten Gesamtkosten für das genutzte Fahrzeug zu errechnen. Dieser kann so lange angesetzt werden, bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern.
Zusätzlich wird nun bei den Fahrtkosten – anstelle der bisherigen Verwaltungsregelungen – gesetzlich klargestellt, dass der ArbN anstelle der tatsächlichen Aufwendungen aus Vereinfachungsgründen typisierend je nach Art des benutzten Verkehrsmittels (z.B. Pkw, Motorrad) auch einen pauschalen Kilometersatz für jeden gefahrenen Kilometer als WK ansetzen kann. Dieser pauschale Kilometersatz entspricht dabei dem für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzten Betrag:
bei Benutzung eines Kraftwagens, z.B. Pkw 0,30 €,
für jedes andere motorbetriebene Fahrzeug 0,20 €
für jeden gefahrenen Kilometer.
Wird der pauschale Kilometersatz angesetzt, ist eine Prüfung der tatsächlichen Kilometerkosten entbehrlich (BMF vom 25.11.2020, Rz. 36 und 37).
Beachte:
Pauschale Kilometersätze enthält die »Wegstreckenentschädigung nach dem BRKG« gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 BRKG nur für Fahrten mit anderen als den in § 4 BRKG genannten Beförderungsmitteln. Danach sind insbes. regelmäßig verkehrende Beförderungsmittel – wie die Bahn oder das Flugzeug –, die § 4 BRKG erfasst, von der Anwendung einer Pauschale ausgeschlossen. Die »Wegstreckenentschädigung nach dem BRKG« ist nach dem Regelungsgehalt des BRKG etwas anderes als die in § 4 BRKG geregelte »Fahrt- und Flugkostenerstattung nach dem BRKG« (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BRKG). Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG verweist gerade nicht auf die »Fahrt- und Flugkostenerstattung nach dem BRKG«, die mit dem Begriff »regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel« auf die Bahn oder auf das Flugzeug als »Fahrzeuge« abstellt.
Mit Urteil vom 2.11.2018 (5 K 99/16, EFG 2019, 155, LEXinform 5021745, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 50/18, LEXinform 0952259) hat das FG Hamburg entschieden, dass bei auswärtiger Tätigkeit als Fahrtkosten nur die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden können, wenn die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt wurden. In der Revision entschied der BFH mit Urteil vom 11.2.2021, VI R 50/18 wie folgt: Der Ansatz der pauschalen Kilometersätze nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG für sonstige berufliche Fahrten kommt nicht in Betracht, wenn der Stpfl. ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S.d. § 4 Abs. 1 BRKG (Flugzeug, Bahn) benutzt. Der BFG schränkt somit das Wahlrecht ein, nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen für die nicht der Entfernungspauschale unterliegenden beruflich veranlassten Fahrten pauschale Kilometersätze zu beanspruchen. Dies entspricht dem Gesetz und dem von der gesetzlichen Regelung verfolgten Vereinfachungszweck. Die Revision des Klägers konnte keinen Erfolg haben, weil er keinen Anspruch auf den Ansatz einer Entfernungspauschale hatte, sondern der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG unterlag. Danach aber konnte der Kläger für seine mit dem Flugzeug und der Bahn sowie S-Bahn durchgeführten Fahrten keine pauschalen Kilometersätze, sondern nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen als WK ansetzen. Nach § 4 Abs. 1 BRKG gilt nämlich das in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG eingeräumte Wahlrecht, anstelle der tatsächlichen Aufwendungen eine Wegstreckenentschädigung nach BRKG zu beanspruchen, nicht für Fahrten mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln. Daher waren nur die mit dem eigenen Pkw durchgeführten Dienstreisen mit der Wegstreckenentschädigung von 0,30 € abzugelten. Im Streitfall wirkte sich das allerdings wegen des höheren ArbN-Pauschbetrags nicht aus. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 11.2.2021, VI R 50/18 wie folgt: Der Ansatz der pauschalen Kilometersätze nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG für sonstige berufliche Fahrten kommt nicht in Betracht, wenn der Stpfl. ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S.d. § 4 Abs. 1 BRKG benutzt.
Vergütungen des ArbG für Fahrtkosten anlässlich einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit können unter den genannten Voraussetzungen auch nach § 3 Nr. 13 oder Nr. 16 EStG steuerfrei geleistet werden.
Hinweis:
Zu beachten gilt, dass seit dem 1.1.2014 die sog. Mitnahmepauschale i.H.v. 0,002 €/km nicht mehr als WK anerkannt wird. Die Mitfahrer- bzw. Mitnahmepauschalen sind bei ArbN innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes seit dem Veranlagungszeitraum 2014 nicht (mehr) nach § 3 Nr. 13 bzw. Nr. 16 EStG steuerfrei (Urteil FG Rheinland-Pfalz vom 8.11.2016, EFG 2016, 20135, LEXinform 5019550, rkr.; s.a. Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 22.11.2016, LEXinform 0445427 sowie Anmerkung vom 31.1.2017, LEXinform 0948432).
Als Fahrtkosten kommen in Betracht:
Benutztes Verkehrsmittel |
Ansatz der Aufwendungen |
Öffentliche Verkehrsmittel |
Ansatz der tatsächlichen Kosten; vgl. R 9.5 Abs. 1 Satz 1 und 2 LStR |
Eigener Pkw |
Die anteiligen tatsächlichen Kosten (individueller Kilometersatz) |
Pauschaler Kilometersatz von 0,30 € je gefahrenem Kilometer |
|
Motorrad/Motorroller |
Pauschaler Kilometersatz von 0,20 € je gefahrenem Kilometer |
Moped/Mofa |
Pauschaler Kilometersatz von 0,20 € je gefahrenem Kilometer |
Fahrrad |
Ansatz der tatsächlichen Kosten |
Für die Fahrten zu einem vom ArbG dauerhaft festgelegten Ort, an dem sich der ArbN aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Festlegungen regelmäßig einzufinden oder seine dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig aufzunehmen hat (z.B. Fahrten zu einem Busdepot oder Fährhafen), sind die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als WK zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG; BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 38).
Hat der ArbN seine Tätigkeit in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet auszuüben, gilt dies für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Tätigkeitsgebiet ebenfalls. Hat der ArbN das weiträumige Arbeitsgebiet stets von ein und demselben Zugang aus zu betreten oder zu befahren, so ist für die Fahrten von der Wohnung bis zu diesem Zugang zu dem weiträumigen Arbeitsgebiet die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Wird das weiträumige Arbeitsgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist aus Vereinfachungsgründen nur für die Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang die Entfernungspauschale zu berücksichtigen; für die Fahrten von der Wohnung zu den weiter entfernten Zugängen können hingegen für die zusätzlichen Kilometer die tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden. Von dieser Vereinfachung betroffen sind z.B. ArbN, die in einem Hafengebiet tätig sind, Schornsteinfeger, Forstarbeiter oder Briefzusteller.
Für alle Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes sowie für die zusätzlichen Kilometer bei den Fahrten von der Wohnung zu einem weiter entfernten Zugang, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen oder der sich am Bundesreisekostengesetz orientierende maßgebliche pauschale Kilometersatz (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 41 bis 46).
Als Fahrtkosten können die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden (R 9.5 Abs. 1 LStR bzw. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG). Benutzt der ArbN sein Fahrzeug, ist der Teilbetrag der jährlichen Gesamtkosten dieses Fahrzeugs anzusetzen, der dem Anteil der zu berücksichtigenden Fahrten an der Jahresfahrleistung entspricht. Zu den Gesamtkosten eines Fahrzeugs gehören
die Betriebsstoffkosten (Benzin und Öl),
die Wartungs- und Reparaturkosten,
die Kosten einer Garage am Wohnort bzw. Stellplatzmiete,
die Kraftfahrzeugsteuer,
die Aufwendungen für die Halterhaftpflicht- und Fahrzeugversicherungen,
die Absetzungen für Abnutzung,
die Zinsen für ein Anschaffungsdarlehen sowie
eine Leasingsonderzahlung bei einem geleasten Fahrzeug (dann erfolgt aber keine Abschreibung).
Dagegen gehören nicht zu den Gesamtkosten
nicht vorhersehbare und nicht auf Verschleiß beruhende Reparaturen wie z.B. ein Austauschmotor,
Aufwendungen infolge von Verkehrsunfällen,
Park- und Straßenbenutzungsgebühren,
laufende Aufwendungen für ein Autotelefon,
Diebstahlsverluste (FG Sachsen vom 30.6.2004, 2 K 2082/03).
Aufwendungen für Insassen- und Unfallversicherungen sowie
Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgelder.
Diese Aufwendungen sind mit Ausnahme der Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgelder ggf. als Reisenebenkosten abziehbar (H 9.5 [Einzelnachweise] LStH).
Neben den Pauschalen können die tatsächliche angefallenen Parkgebühren als Reisenebenkosten geltend gemacht werden. Beruflich veranlasste Unfallkosten können ebenfalls zusätzlich zu als WK abgezogen werden. Das gilt auch, wenn der ArbG dem ArbN Reisekosten mit den Pauschalsätzen steuerfrei ersetzt; vgl. BFH vom 23.6.1978, VI R 133/76. Den Absetzungen für Abnutzung ist bei Personenkraftwagen und Kombifahrzeugen grds. eine Nutzungsdauer von 6 Jahren zugrunde zu legen. Bei einer hohen Fahrleistung kann auch eine kürzere Nutzungsdauer anerkannt werden. Bei Kraftfahrzeugen, die im Zeitpunkt der Anschaffung nicht neu gewesen sind, ist die entsprechende Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung des Alters, der Beschaffenheit und des voraussichtlichen Einsatzes des Fahrzeugs zu schätzen.
Ohne Einzelnachweis können folgende Kosten angesetzt werden:
bei einem Kraftwagen 0,30 € je Fahrtkilometer,
für jedes andere motorbetriebene Fahrzeug 0,20 € je Fahrtkilometer (BMF vom 25.11.2020, Rz. 37).
Nach der gesetzlichen Regelung entsprechen die steuerlichen pauschalen Kilometersätze dabei den pauschalen Kilometersätzen, die im BRKG für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentschädigung vorgesehen sind. Weitere Kilometerpauschalen als die oben genannten enthält das BRKG nicht. Da keine Kilometerpauschale für nicht motorbetriebene Fahrzeuge, wie z.B. das Fahrrad, im BRKG vorgesehen ist, kann der ArbN ab 2014 bei Nutzung eines Fahrrads nur die tatsächlich entstandenen Kosten als WK ansetzen. Auch einen pauschalen Kilometersatz für die beruflich veranlasste Mitnahme von Personen enthält das BRKG nicht. Auch in diesen Fällen können nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen berücksichtigt werden (s.a. Harder-Buschner u.a., NWB 2014, 256).
Der ArbN kann das Wahlrecht zwischen den einzelnen Kostenansätzen in jedem Jahr neu oder bei einem Fahrzeugwechsel innerhalb des Jahres ausüben.
Mit Urteil vom 2.11.2018 (5 K 99/16) hat das FG Hamburg entschieden, dass bei auswärtiger Tätigkeit als Fahrtkosten nur die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden können, wenn die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt wurden. In der Revision entschied der BFH mit Urteil vom 11.2.2021, VI R 50/18 wie folgt: Der Ansatz der pauschalen Kilometersätze nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG für sonstige berufliche Fahrten kommt nicht in Betracht, wenn der Stpfl. ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S.d. § 4 Abs. 1 BRKG (Flugzeug, Bahn) benutzt.
Neben den Kilometersätzen können etwaige außergewöhnliche Kosten angesetzt werden, wenn diese durch Fahrten entstanden sind, für die die Kilometersätze anzusetzen sind. Außergewöhnliche Kosten sind nur die nicht voraussehbaren Aufwendungen für Reparaturen, die nicht auf Verschleiß oder die auf Unfallschäden beruhen, und Absetzungen für außergewöhnliche technische Abnutzung und Aufwendungen infolge eines Schadens, der durch den Diebstahl des Fahrzeugs entstanden ist; dabei sind entsprechende Schadensersatzleistungen auf die Kosten anzurechnen. Kosten, die mit dem laufenden Betrieb eines Fahrzeugs zusammenhängen, wie z.B. Aufwendungen für eine Fahrzeug-Vollversicherung, sind keine außergewöhnlichen Kosten. Mit den pauschalen Kilometersätzen ist auch eine Leasingsonderzahlung abgegolten (H 9.5 [Pauschale Kilometersätze] LStH).
Stellt der ArbG dem ArbN für die beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, ist insoweit kein geldwerter Vorteil zu versteuern. Der ArbG darf in diesem Fall die pauschalen Kilometersätze nicht zusätzlich steuerfrei erstatten. Da dem ArbN durch die Überlassung keine Aufwendungen entstehen, darf er insoweit keine WK geltend machen. Dafür ist entscheidend, dass in den Kilometersätzen auch die dem ArbN nicht zustehende AfA als wesentlicher Bestandteil enthalten ist (BFH Urteil vom 26.5.1982, I R 104/81, BStBl II 1982, 594). Der ArbN kann folglich nur die ihm tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Aufwendungen, z.B. Kraftstoff usw. als WK geltend machen.
Das BMF macht mit Schreiben vom 9.9.2015 (BStBl I 2015, 734) deutlich, dass die pauschalen Kilometersätze i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG auch dann unvermindert gelten, wenn der ArbN keine eigene Fahrzeug-Vollversicherung, sondern der ArbG eine Dienstreise-Kaskoversicherung für ein Kfz des ArbN abgeschlossen hat. Das zum 2. Leitsatz des BFH-Urteils vom 27.6.1991, VI R 3/87 ergangene BMF-Schreiben vom 31.3.1992 »Dienstreise-Kaskoversicherung des Arbeitgebers für Kraftfahrzeuge des Arbeitnehmers und steuerfreier Fahrtkostenersatz« wird daher im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Typisierende Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt sind zwar Gegenstand richterlicher Kontrolle, sie dürfen allerdings durch die Gerichte weder wie Gesetze ausgelegt noch verändert werden. Kommt ein Gericht zu dem Ergebnis, dass eine solche Verwaltungsanweisung den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht und die Schätzung nicht (mehr) vertretbar ist, scheidet die Anwendung aus. Die Gerichte sind nicht zur Übernahme der reisekostenrechtlichen Werte (Wegstreckenentschädigung) für Zwecke des Werbungskostenabzugs befugt. Zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. ist eine Entscheidung des BFH – außer in den Fällen der Divergenz – dann geboten, wenn ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung besteht, weil das FG revisibles Recht fehlerhaft ausgelegt hat, der insoweit unterlaufene Fehler von Gewicht und geeignet ist, das Vertrauen in die Rspr. zu schädigen. Das ist insbes. der Fall, wenn die Auslegung und Anwendung des revisiblen Rechts durch das FG objektiv willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig ist; vgl. BFH Beschluss vom 15.3.2011, VI B 145/10.
Fahrten von und zur jeweiligen Einsatzstelle fallen – mangels Aufsuchens einer regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. ersten Tätigkeitsstätte – nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 2 EStG. Die Entfernungspauschale ist für diese Fahrten daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 70/03, BStBl II 2005, 785).
Die Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Einsatzstelle sowie für Fahrten zwischen mehreren Einsatzstellen können als Reisekosten angesetzt werden. Die Fahrtkosten können zeitlich unbegrenzt als WK abgezogen oder vom ArbG steuerfrei erstattet werden (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 70/03, BStBl II 2005, 785).
Mit Urteil vom 18.12.2008 (VI R 39/07, BStBl II 2009, 475) hat der BFH hinsichtlich der Fahrten zu ständig wechselnden Einsatzstellen Folgendes entschieden: Für die Wege eines ArbN zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten ist keine Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusetzen. Die Fahrtkosten sind unabhängig von der Entfernung (ab dem ersten Kilometer) in tatsächlicher Höhe als WK zu berücksichtigen (s.a. Nachfolgeentscheidung des BFH vom 18.3.2009, VI R 49/08, BFH/NV 2009, 931, LEXinform 0179437).
Die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gilt arbeitstäglich zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) ab. Legt ein ArbN nur einen Weg zurück, so ist nur die Hälfte der Entfernungspauschale je Entfernungskilometer und Arbeitstag als WK zu berücksichtigen; vgl. BFH vom 12.2.2020, VI R 42/17.
Ein ArbN, der typischerweise an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig ist und dabei am Ort einer solchen auswärtigen Tätigkeitsstätte vorübergehend eine Unterkunft bezieht, kann die Entfernungspauschale weder für die Wege zwischen seiner Wohnung und dem Tätigkeitsort noch für die Wege zwischen auswärtiger Unterkunft und Tätigkeitsstätte ansetzen (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 34/04, BStBl II 2005, 793). Die Aufwendungen für solche Fahrten sind in der nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Höhe abziehbar.
ArbN, die eine Einsatzwechseltätigkeit ausüben und hierbei eine auswärtige Unterkunft beziehen, begründen keine doppelte Haushaltsführung (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 7/02, BStBl II 2005, 782). Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, solange die auswärtige Beschäftigung als Auswärtstätigkeit anzuerkennen ist und somit keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt. Hieraus folgt, dass sowohl Fahrt- als auch Übernachtungskosten in vollem Umfang und zeitlich unbegrenzt als allgemeine WK abzugsfähig sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies gilt sowohl für Fahrten von der Wohnung zur auswärtigen Unterkunft als auch für Fahrten zwischen auswärtiger Unterkunft und auswärtiger Tätigkeitsstätte.
Aufgrund des bundesweiten Einsatzes hatte der Bundesbetriebsprüfer in der Dienststelle keinen eingerichteten Arbeitsplatz. Weder der Dienstsitz in Bonn noch eine andere betriebliche Einrichtung des Dienstherrn war dem Kläger als erste Tätigkeitsstätte zugewiesen worden. Das Gericht kam zu der (eindeutigen) Überzeugung, dass ein Fall des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG nicht vorliegt. Denn der Kläger hatte als Bundesbetriebsprüfer im Außendienst nach den dienstrechtlichen Festlegungen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit nicht dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen. Als Fahrtkosten bei auswärtiger Tätigkeit können nur die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden und keine pauschalen Kilometersätze, wenn die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt wurden; vgl. FG Hamburg vom 2.11.2018, 5 K 99/16. In der Revision entschied der BFH mit Urteil vom 11.2.2021, VI R 50/18 wie folgt: Der Ansatz der pauschalen Kilometersätze nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG für sonstige berufliche Fahrten kommt nicht in Betracht, wenn der Stpfl. ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S.d. § 4 Abs. 1 BRKG (Flugzeug, Bahn) benutzt. Die Revision des Klägers konnte keinen Erfolg haben, weil er keinen Anspruch auf den Ansatz einer Entfernungspauschale hatte, sondern der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG unterlag. Danach aber konnte der Kläger für seine mit dem Flugzeug und der Bahn sowie S-Bahn durchgeführten Fahrten keine pauschalen Kilometersätze, sondern nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen als WK ansetzen. Nach § 4 Abs. 1 BRKG gilt nämlich das in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG eingeräumte Wahlrecht, anstelle der tatsächlichen Aufwendungen eine Wegstreckenentschädigung nach BRKG zu beanspruchen, nicht für Fahrten mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln. Daher waren nur die mit dem eigenen Pkw durchgeführten Dienstreisen mit der Wegstreckenentschädigung von 0,30 € abzugelten. Im Streitfall wirkte sich das allerdings wegen des höheren ArbN-Pauschbetrags nicht aus.
Bei Sammelbeförderungen durch den ArbG scheidet mangels Aufwands des ArbN ein Werbungskostenabzug für diese Fahrten aus (BFH Urteile vom 11.5.2005, VI R 25/04, BStBl II 2005, 791 und VI R 70/03, BStBl II 2005, 785; H 9.5 [Werbungskostenabzug und Erstattung durch den Arbeitgeber, 3. Spiegelstrich] LStH).
Nach § 3 Nr. 32 EStG ist die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung eines ArbN zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem vom ArbG eingesetzten Beförderungsmittel, z.B. Omnibus, Kleinbus oder für mehrere Personen zur Verfügung gestellter Pkw, steuerfrei. Das Gleiche gilt, wenn das Fahrzeug von einem Dritten im Auftrag des ArbG eingesetzt wird.
Ab 1.1.2014 ist die Entfernungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur für Aufwendungen des ArbN zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte anzusetzen. Zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte s.o. die Erläuterungen zu diesem Gliederungspunkt.
Für ArbN mit einer Einsatzwechseltätigkeit kann eine erste Tätigkeitsstätte nur dann angenommen werden, wenn eine dauerhafte Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung durch den ArbG erfolgt ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG). Ist der ArbN einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich dauerhaft zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder auch anderen Tätigkeitsstätten ausübt. Insoweit wird dem umfassenden Direktionsrecht des ArbG auch steuerlich Rechnung getragen (BT-Drs. 17/10774, 15). So könnte der Betriebssitz des Bauunternehmens arbeitsvertraglich als erste Tätigkeitsstätte festgelegt sein. Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen/Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen.
Hinweis:
Wichtig ist, dass der ArbN in einer vom ArbG festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll. Ein persönliches Erscheinen an der ortsfesten betrieblichen Einrichtung ist somit unabdingbar (BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, LEXinform 0951414).
Die wechselnden Einsatzstellen können nicht als erste Tätigkeitsstätte angesehen werden, weil es sich nicht um eine ortsfeste Einrichtung
des ArbG,
eines verbundenen Unternehmens oder
eines vom ArbG bestimmten Dritten (in den Fällen des Outsourcing)
handelt und darüber hinaus der ArbN auch nicht dauerhaft einer solchen Einrichtung zugeordnet ist. Zur Definition der ortsfesten betrieblichen Einrichtung s. Rz. 13 des BFH-Urteils vom 4.4.2019; VI R 27/17: Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des ArbG, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom ArbG bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.
Beispiele für Fahrtaufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeiten:
Abb.: Fahrten bei Einsatzwechseltätigkeit:
Fahrten Wohnung – Betriebssitz – Tätigkeitsstätte 1 – Wohnung:
Betriebssitz ist nicht erste Tätigkeitsstätte:
Da keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, ist auch keine Entfernungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Die Aufwendungen für sämtliche Fahrten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG zu ermitteln.
Betriebssitz ist nach arbeitsrechtlicher Zuordnung durch den ArbG erste Tätigkeitsstätte:
Für die Wege zwischen Wohnung und Betriebssitz ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusetzen.
Die Entfernungspauschale ist allerdings nur zur Hälfte anzusetzen, wenn der ArbN den Weg zwischen Wohnung und Betriebssitz nur einmal zurücklegt, da die Rückfahrt nicht im Betrieb, sondern an der Wohnung endet.
Für die Wege zwischen
– Betriebssitz und Tätigkeitsstätte 1 und umgekehrt sowie zwischen
– Tätigkeitsstätte 1 und der Wohnung und umgekehrt
sind die tatsächlichen Aufwendungen bzw. die Kostenpauschale des jeweils benutzten Beförderungsmittels anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 EStG).
Betriebssitz ist nicht erste Tätigkeitsstätte, muss aber nach Weisung des ArbG täglich aufgesucht werden, um von dort die Tätigkeit zu beginnen:
Der Betriebssitz ist nicht erste Tätigkeitsstätte. Die Aufwendungen für sämtliche Fahrten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG zu ermitteln. Für die Fahrten von der Wohnung zu dem dauerhaft aufzusuchenden Ort und umgekehrt ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG die Entfernungspauschale anzusetzen.
Fahrten Wohnung – Tätigkeitsstätte 2 und zurück:
Für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte 2 und umgekehrt sind die tatsächlichen Aufwendungen bzw. die Kostenpauschale des jeweils benutzten Beförderungsmittels anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 EStG).
Fahrten zwischen verschiedenen Tätigkeitsstätten:
Für die Fahrten zwischen Tätigkeitsstätte 2 und 3 und umgekehrt sind die tatsächlichen Aufwendungen bzw. die Kostenpauschale des jeweils benutzten Beförderungsmittels anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 EStG).
Beispiel 21:
Die Nachbarn A und B sind Arbeitskollegen und üben eine »Einsatzwechseltätigkeit« aus. A fährt mit dem eigenen Pkw zu einer Einsatzstelle, die 28 km von seiner Wohnung entfernt liegt, und nimmt B mit.
Lösung 21:
Für A und B gelten danach die Grundsätze der Auswärtstätigkeit. Auch nach Ablauf von drei Monaten handelt es sich weiterhin um Auswärtstätigkeiten, die zu WK i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG führen können.
Nach dem BFH-Urteil vom 18.12.2008 (VI R 39/07, BStBl II 2009, 475) sind die Fahrtkosten unabhängig von der Entfernung (ab dem ersten Kilometer) in tatsächlicher Höhe als WK zu berücksichtigen.
A erhält entweder die tatsächlichen Aufwendungen oder die pauschalen Kilometersätze (H 9.5 [Pauschale Kilometersätze] LStH). Ein Pauschbetrag für die Mitnahme des B ist ab 2014 nicht mehr zu gewähren.
Mangels eigenen Aufwands kann B keine Fahrtkosten geltend machen.
Die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen können auch nach Ablauf von drei Monaten berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 8.10.2014, VI R 95/13, BStBl II 2015, 231; s.a. Anmerkung vom 16.12.2014, LEXinform 0652535 sowie die Erläuterungen unter dem Gliederungspunkt Keine Anwendung der Dreimonatsfrist bei Einsatzwechseltätigkeit«).
Beispiel 22:
Der ArbN, der eine Einsatzwechseltätigkeit ausübt, ist auf einer Einsatzstelle tätig, die 30 km von seiner Wohnung entfernt liegt. Die Fahrten von der Wohnung zur Einsatzstelle und zurück erfolgen ausschließlich i.R.d. Sammelbeförderung durch den ArbG.
Lösung 22:
Es handelt es sich um eine vorübergehende Auswärtstätigkeit an ständig wechselnden Einsatzstellen. Bei Sammelbeförderungen durch den ArbG scheidet mangels Aufwands des ArbN ein Werbungskostenabzug für diese Fahrten aus (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 25/04, BStBl II 2005, 791).
Beispiel 23:
Der ArbN ist auf wechselnden Einsatzstellen tätig. Er fährt regelmäßig mit dem eigenen Pkw zum 25 km entfernt liegenden Betrieb des ArbG. Die Weiterfahrt zur jeweiligen Einsatzstelle erfolgt im Rahmen einer Sammelbeförderung durch den ArbG.
Lösung 23:
Der Betriebssitz ist nach arbeitsrechtlicher Zuordnung durch den ArbG erste Tätigkeitsstätte:
Für die Wege zwischen Wohnung und Betriebssitz ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusetzen.
Für die Sammelbeförderungen zur Einsatzstelle kann der ArbN keine Fahrtkosten geltend machen, da ihm keine entsprechenden Aufwendungen entstehen.
Der Betriebssitz ist nicht erste Tätigkeitsstätte, muss aber nach Weisung des ArbG täglich aufgesucht werden, um von dort die Tätigkeit zu beginnen:
Der Betriebssitz ist nicht erste Tätigkeitsstätte. Die Aufwendungen für sämtliche Fahrten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG zu ermitteln. Für die Fahrten von der Wohnung zu dem dauerhaft aufzusuchenden Ort und umgekehrt ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG die Entfernungspauschale anzusetzen.
Beispiel 24:
Der ArbN, der eine Einsatzwechseltätigkeit ausübt, ist auf einer Baustelle tätig, die 30 km von seiner Wohnung entfernt liegt. Für die Fahrten zur Baustelle nutzt er einen ihm vom ArbG zur Verfügung gestellten Pkw.
Lösung 24:
Da die beruflich veranlassten Fahrten von der Wohnung nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte führen, kann der ArbN die tatsächlichen Aufwendungen als Fahrtkosten geltend machen. Die Pkw-Gesamtkosten können nach R 9.5 Abs. 1 Satz 3 LStR nur berücksichtigt werden, wenn der ArbN seinen eigenen Pkw einsetzt. Bezüglich der Pkw-Gestellung für die dienstlichen Fahrten liegt kein geldwerter Vorteil vor, da insoweit der Pkw für berufliche Zwecke und nicht für private Zwecke verwendet wird.
ArbN, die ausschließlich auf einem Fahrzeug tätig sind, haben nach der Definition des § 9 Abs. 4 EStG keine erste Tätigkeitsstätte; sie sind mangels ortsfester Einrichtung auswärts tätig.
Beachte:
Der Stationierungs- oder Heimatflughafen, der einem Flugzeugführer von seinem ArbG im Arbeitsvertrag oder durch eine die arbeitsvertragliche Regelung ausfüllende Weisung unbefristet zugewiesen wird und an dem er seine Einsätze regelmäßig beginnt und beendet, ist seine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG. Auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs der »regelmäßigen Arbeitsstätte« kommt es nach der gesetzlichen Neuregelung ab dem Kj. 2014 nicht mehr an (BFH Urteil vom 11.4.2019, VI R 40/16, LEXinform 0951199). Die Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie diese ausfüllenden Absprachen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht.
Mit Urteil vom 13.5.2016 (4 K 1536/15, EFG 2016, 1240, LEXinform 5019175, rkr.) hat das FG Nürnberg entschieden, dass dann, wenn ein Lkw-Fahrer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG hat (Fahrtätigkeit) und der ArbG einen Ort bestimmt, von dem aus Einsatzorte aufzusuchen sind, die Fahrten des ArbN von der Wohnung zu diesem vom ArbG festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt werden. Für diese Fahrten ist nur die Entfernungspauschale anzusetzen. Der Stpfl. war als Lkw-Fahrer zum Transport von Schüttgütern tätig. Den leeren Lkw holte er arbeitstäglich am selben Betriebsstandort seines jeweiligen ArbG ab, um zu entsprechenden Ladestationen (z.B. Steinbruch) zu fahren und die Ladung zum Abladeort (z.B. Baustelle) zu transportieren (s.a. Anmerkung vom 6.9.2016, LEXinform 0948075).
Eine erste Tätigkeitsstätte eines Werksbahn-Lokführers besteht auch dann, wenn die betrieblichen Einrichtungen des ArbG über ein Schienennetz verbunden sind, ohne dass die übrigen Einrichtungen für sich bereits direkt örtlich aneinandergrenzen. Der Kläger begehrte den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen mit der Begründung, er übe eine Fahrtätigkeit aus. Das FG versagte die Reisekostengrundsätze, weil der Lokführer im betriebseigenen Schienennetz eingesetzt sei und es sich hierbei um ein zum Werksgelände gehörendes Schienennetz und nicht um Trassen der DB oder anderer öffentlicher Verkehrsbetriebe sei. Dieses Netz verbinde die mehreren ortsfesten betrieblichen Einrichtungen und somit alle unterschiedlichen Bereiche des ArbG. Das FG betrachtete das Werksgelände somit als eine »großräumige, erste Tätigkeitsstätte«. Selbst wenn sich ein solches Schienennetz über mehrere Stadtteile erstreckt, handelt es sich um ein räumlich geschlossenes bzw. zusammenhängendes Gelände. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich auf dem geografischen Gelände, auf dem das Schienennetz verlegt ist, auch öffentliche Straßen befinden. Nach diesen Grundsätzen stellt das Einsatzgebiet des Klägers eine erste Tätigkeitsstätte dar. Die Revision entschied der BFH mit Urteil vom 1.10.2020, VI R 36/18 wie folgt: Das firmeneigene Schienennetz, das ein Lokomotivführer mit der firmeneigenen Werksbahn seines ArbG befährt, ist eine großräumige erste Tätigkeitsstätte. Das firmeneigene Schienennetz muss nach seinen infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar sein. Bei Werksbahnen ist dies zu bejahen, da es sich um eine Eisenbahninfrastruktur handelt, die ausschließlich für den eigenen Güterverkehr betrieben wird. Die vorstehenden Ausführungen gelten allerdings nicht für Lokomotivführer im öffentlichen Eisenbahnverkehr, da Schienenwege öffentlicher Betreiber wegen der Zugänglichkeit für jedermann nicht mit einer »betrieblichen Einrichtung« vergleichbar sind. Folglich stellt das Führen einer Lokomotive durch den Kläger auf dem Schienennetz keine auswärtige berufliche (Fahr-)Tätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4a EStG dar. Es handelt sich vielmehr um eine Tätigkeit innerhalb einer – wenngleich großräumigen – ersten Tätigkeitsstätte, an der der Kläger seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen hat.
Wird der betriebliche Lastwagen eines angestellten Möbelmonteurs täglich an einem Sammelpunkt an wechselnden öffentlichen Parkplätzen an einem bestimmten Ort abgestellt und wird von diesem Ort aus mit dem Lastwagen alle vier Tage zum Zentrallager des ArbG und ansonsten täglich zu den Kunden und wieder zurück zu dem Sammelpunkt gefahren, so hat der Möbelmonteur keine »erste Tätigkeitsstätte« i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG. Wird der Möbelmonteur in einem weiträumigen geografischen Bereich (hier: »Mecklenburg-Vorpommern, gesamte Ostseeküste Schleswig-Holsteins bis nach Hamburg«) tätig, so sind die Voraussetzungen eines »weiträumigen Tätigkeitsgebietes« i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG mangels einer vom ArbG festgelegten Fläche, innerhalb der der Monteur seine vereinbarte Arbeitsleistung erbringen soll, nicht erfüllt. Die Fahrten des Monteurs mit dem privaten Pkw zum Abstellort des Lkw sind daher nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen; vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern vom 1.9.2022, 2 K 104/19.
Beispiel 25:
Der angestellte Linienbusfahrer übernimmt den Bus täglich im Busdepot des ArbG.
Lösung 25:
Sachverhalt und Lösung S. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Beispiele 15 und 16.
Der ArbN unterhält keine regelmäßige Arbeitsstätte im Busdepot, da er dort nicht tätig wird.
Hat ein ArbN keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG) und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, ist die Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet ab 1.1.2014 entsprechend anzuwenden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).
Hinweis:
Es wird keine erste Tätigkeitsstätte fingiert, sondern lediglich die Anwendung der Entfernungspauschale für die Fahrtkosten von der Wohnung zu diesem dauerhaft bestimmten Ort festgelegt (Harder-Buschner u.a., Beilage zu NWB 9/2013, 2). Die Fahrten zwischen der Wohnung und dem dauerhaft festgelegten Ort fallen im Übrigen aber unter die Reisekostenbestimmungen. Dadurch beginnt die berufliche Abwesenheitszeit für die Gewährung von Verpflegungsmehraufwendungen ab Verlassen der Wohnung und endet auch dort (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 38 und 40.
Ist einem Lok- bzw. Triebwagenführer von seinem ArbG dienstrechtlich ein bestimmtes Bahnhofsgelände mit Dienstgebäude dauerhaft als erste Tätigkeitsstätte zugewiesen worden, so sind die Fahrtkosten von der Wohnung zu diesem Bahnhof lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale und nicht nach Dienstreisegrundsätzen als WK anzusetzen. Insoweit ist unter Geltung des neuen Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 unerheblich, ob der Lok- bzw. Triebwagenfahrer regelmäßig in der Lok/dem Triebwagen sowie außerhalb des Betriebsgeländes und damit nicht typischerweise arbeitstäglich auf dem streitigen Bahnhof tätig ist (Ausführungen zur Zuweisung einer ersten Tätigkeitsstätte durch den ArbG und zur Dauerhaftigkeit dieser Zuweisung). Als erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG kommt auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht, wenn der ArbN dort zumindest in geringem Umfang arbeits- bzw. dienstrechtlich geschuldete Leistungen erbringen muss, die zu seinem Berufsbild gehören. Bei einem Lok- bzw. Triebwagenführer sind solche geringfügige, zum Berufsbild gehörigen Leistungen auf dem Bahnhofsgelände unter anderem die Entgegennahme dienstlicher Unterlagen (mit Schichtplan, Langsamfahrstellen und anderen Besonderheiten), der Weg zum Ablöseort oder zum Abstellplatz der Triebwagen, die Übernahme sowie die gelegentliche Inbetriebnahme des Triebwagens und diverse technische Prüfarbeiten (z.B. die Prüfung der Sicherheitsfahrschaltung, Bremsprobe auf dem Bahnhofsgelände, Durchführung einer Sichtkontrolle, Kontrolle des Öl- und Wasserstands und bei Bedarf eine Nachfüllung bei Abstellen des Triebwagens auf dem Bahnhofsgelände). Er hat in der ersten Tätigkeitsstätte seine dienstlichen Unterlagen entgegengenommen, in denen der Schichtplan, die Langsamfahrstellen und andere Besonderheiten verzeichnet waren. Er hat sich sodann zum Ablöseort oder zum Abstellplatz der Triebwagen begeben. Soweit er den Triebwagen nicht lediglich übernommen hat, was in geringem Umfang vorgekommen ist, hat er das Triebfahrzeug in Betrieb setzen müssen. Dazu hat er diverse technische Prüfarbeiten wie die Prüfung der Sicherheitsfahrschaltung sowie eine Bremsprobe auf dem Bahnhofsgelände und eine Sichtkontrolle durchführen müssen; vgl. FG Sachsen-Anhalt vom 26.2.2020, 1 K 629/19.
Beispiel 26:
Ein Linienbusfahrer war im Kj. auf drei verschiedenen Linien eingesetzt. Das jeweils zu führende Fahrzeug hat er an zwei unterschiedlichen Busdepots auf Weisung seines ArbG dort übernommen.
Lösung 26:
Busdepot als erste Tätigkeitsstätte:
Die Busdepots sind ortsfeste betriebliche Einrichtungen des ArbG, die der Stpfl. regelmäßig und immer wieder aufsucht. Eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des ArbG wird dann zur ersten Tätigkeitsstätte, wenn der ArbN dieser Tätigkeitsstätte durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen dauerhaft zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG). So ist es möglich, dass ein Busdepot (z.B. Depot 1) auf Weisung des ArbG zur ersten Tätigkeitsstätte erklärt wird. Ist der ArbN einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich dauerhaft zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder auch anderen Tätigkeitsstätten ausübt. Insoweit wird dem umfassenden Direktionsrecht des ArbG auch steuerlich Rechnung getragen (BT-Drs. 17/10774, 15 und BMF vom 25.11.2020, Rz. 7).
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der ArbN am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die »erste Tätigkeitsstätte« als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies folgt nach Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 4.4.2019 (VI R 27/17, LEXinform 0951414, Rz. 19) insbes. aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der ArbN an diesem Ort auch tätig werden soll. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich geschuldeten Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals »erste Tätigkeitsstätte« geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Stpfl. nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Schließlich zwingt auch das objektive Nettoprinzip, den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte dahingehend auszulegen. Denn anderenfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht – gleichheitsrechtlich geboten – nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Stpfl., sondern nach dem Belieben seines ArbG.
Für die Fahrten zwischen Wohnung und Depot 1 und umgekehrt ist dann die Entfernungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuwenden. Alle weiteren Fahrten stellen beruflich veranlasste Fahrten dar, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und keine Familienheimfahrten sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG).
Busdepot ist nicht erste Tätigkeitsstätte:
Ohne arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte werden die Busdepots unter den quantitativen Kriterien nicht zu ersten Tätigkeitsstätten nach § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG, da der ArbN dort nicht dauerhaft
typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Sämtliche Fahrten des ArbN sind nicht unter § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, sondern unter Nr. 4a EStG zu subsumieren.
Da der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG) hat und er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft dieselben Busdepots typischerweise arbeitstäglich aufsuchen muss, gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen Busdepot entsprechend. Da hier zwei Orte arbeitsrechtlich aufzusuchen sind, kann nur für eine mögliche Fahrt zwischen Wohnung und Busdepot die Entfernungspauschale angesetzt werden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 4 Satz 5 und 7 EStG ist dies der Wohnung am nächsten liegende Busdepot.
Ist für Rettungssanitäter keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt worden, sondern sollen die Rettungssanitäter ohne Zeitvorgaben an wechselnden betrieblichen Einrichtungen in allen Rettungswachen eines Landkreises eingesetzt werden und zwischen diesen Rettungswachen rollieren, so stellt eine bestimmte Rettungswache für einen Rettungssanitäter auch dann keine erste Tätigkeitsstätte dar, wenn er dort mehr als ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit verbracht hat und jeweils monatlich vorab Einsatzpläne unter Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache erstellt worden sind; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 25.7.2023, 11 K 11130/21.
Die Nutzungsüberlassung des betrieblichen Kfz für berufliche Auswärtstätigkeiten ist durch das überwiegende betriebliche Interesse des ArbG bedingt und führt somit nicht zu Arbeitslohn (→ Firmenwagenüberlassung an Arbeitnehmer). Wird dem ArbN für die Auswärtstätigkeit im Rahmen seines Dienstverhältnisses ein Kfz zur Verfügung gestellt, darf der ArbG die pauschalen Kilometersätze nicht – auch nicht teilweise – steuerfrei erstatten (R 9.5 Abs. 2 Satz 3 LStR). Auch der ArbN darf die pauschalen Kilometersätze nicht als WK berücksichtigen, da diese nur bei Benutzung eines privaten Fahrzeugs angesetzt werden dürfen.
Für die Fahrten zu einem vom ArbG dauerhaft festgelegten Ort, an dem sich der ArbN aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Festlegungen regelmäßig einzufinden oder seine dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig aufzunehmen hat (z.B. Fahrten zu einem Busdepot oder Fährhafen), sind die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als WK zu berücksichtigen. Hat der ArbN seine Tätigkeit in einem weiträumigen Arbeitsgebiet auszuüben, gilt dies für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Tätigkeitsgebiet ebenfalls. Hat der ArbN das weiträumige Arbeitsgebiet stets von ein und demselben Zugang aus zu betreten oder zu befahren, so ist für die Fahrten von der Wohnung bis zu diesem Zugang zu dem weiträumigen Arbeitsgebiet die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Wird das weiträumige Arbeitsgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist aus Vereinfachungsgründen nur für die Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang die Entfernungspauschale zu berücksichtigen; für die Fahrten von der Wohnung zu den weiter entfernten Zugängen können hingegen die tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden.
In § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG wird ab 1.1.2014 der Anwendungsbereich der 0,03 %-Regelung ausgeweitet. Entsprechend der Erstreckung der Entfernungspauschale auf das Aufsuchen von Orten, die keine erste Tätigkeitsstätte darstellen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG), findet nun auch die 0,03 %-Regelung für Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG Anwendung.
Die Erstattung der Fahrkosten anlässlich einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit durch den ArbG ist unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 13 oder Nr. 16 EStG steuerfrei. Bei Sammelbeförderung durch den ArbG scheidet mangels Aufwands des ArbN ein Werbungskostenabzug für diese Fahrten aus. Die als Reisekosten erfassten Fahrtkosten können als WK abgezogen werden, soweit sie nicht vom ArbG steuerfrei erstattet worden sind (§ 3c EStG).
Zu den erstatteten Reisekosten gehören insbes. Fahrt- und Flugkostenerstattungen (§ 4 BRKG), Wegstreckenentschädigungen (§ 5 BRKG), Tagegeld (§ 6 BRKG), Übernachtungsgeld (§ 7 BRKG) sowie die Erstattung sonstiger Kosten (§ 10 BRKG).
Sog. Mitfahrer- bzw. Mitnahmepauschalen sind bei ArbN innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes seit dem Veranlagungszeitraum 2014 nicht (mehr) steuerfrei; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 8.11.2016, 3 K 2578/14. Das Verfahren ist beim BFH anhängig (Nichtzulassungsbeschwerde, VI B 90/16). Der BFH wird sich mit der folgenden Rechtsfrage auseinandersetzen: Ist eine von einem ArbG gezahlte Mitfahrerpauschale nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei?
Der ArbN hat seinem ArbG Unterlagen vorzulegen, aus denen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Erstattung und, soweit die Fahrtkosten bei Benutzung eines privaten Fahrzeugs nicht mit den pauschalen Kilometersätzen erstattet werden, auch die tatsächlichen Gesamtkosten des Fahrzeugs ersichtlich sein müssen. Der ArbG hat diese Unterlagen als Belege zum Lohnkonto aufzubewahren. Wird dem ArbN für die Auswärtstätigkeit im Rahmen seines Dienstverhältnisses ein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt, darf der ArbG die pauschalen Kilometersätze nicht – auch nicht teilweise – steuerfrei erstatten.
Die Fiktion einer ersten Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG bei Fahrten zu einem arbeitsrechtlich festgelegten Treffpunkt mit der Folge des Ansatzes der Entfernungspauschale hat auch Auswirkung auf den Fahrtkostenersatz durch den ArbG und die Versteuerung des geldwerten Vorteils bei Benutzung eines Firmenfahrzeugs. Obwohl der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte hat und somit eine auswärtige berufliche Tätigkeit vorliegt, führt der Ansatz der Entfernungspauschale dazu, dass die Fahrtkosten nicht vom ArbG steuerfrei erstattet werden können (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 40).
Für den Ersatz von Aufwendungen des ArbN für Fahrten, die mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind, kann der ArbG die LSt nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 15 % erheben.
Das FG des Saarlandes hat mit Urteil vom 24.5.2017 (2 K 1082/14, Mitteilung des FG vom 4.8.2017, LEXinform 0446938) entschieden, dass dem ArbN erstattete Fahrtkosten nur dann nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei sind, wenn der ArbG (zeitnah) Unterlagen erstellt und aufbewahrt hat, anhand derer die Überprüfung der Steuerfreiheit des ausgezahlten Fahrtkostenersatzes nachgeprüft werden kann. Dies gilt auch dann, wenn ArbN und ArbG übereinstimmend bestätigen, dass Fahrtkosten im Wege der Einzelabrechnung und unterhalb der gesetzlich zulässigen Pauschbeträge erstattet wurden. Kann dem Stpfl. ein Nachweis durch Vorlage von Reisekostenabrechnungen ausnahmsweise nicht zugemutet werden, kann es genügen, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lediglich glaubhaft zu machen. Selbst wenn feststeht, dass seitens der ArbN unstreitig Reisekostenaufwand angefallen ist und die hierfür geleisteten Zahlungen unterhalb der gesetzlich zulässigen Kilometerpauschalen lagen, stehen die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens einer Schätzung steuerfreier Reisekostenerstattungen entgegen, wenn der ArbG den Nachweisanforderungen nicht genügt hat und die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Nachweispflicht nicht vorliegen. Die Frage, in welcher Höhe Fahrtkosten als BA abgezogen werden können, ist ohne Bedeutung für die Frage, ob hiervon Lohnsteuer einzubehalten ist. Durch die Anerkennung von Fahrtkostenerstattungen als BA ist das FA daher nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, Erstattungen in nämlicher Höhe vom Lohnsteuerabzug freizustellen.
Benutzt der Unternehmer für Geschäftsreisen oder der ArbN für dienstliche Auswärtstätigkeiten unternehmenseigene Fahrzeuge (Firmenfahrzeuge), wird für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht auf die einzelnen Fahrten abgestellt. Vielmehr ist der Vorsteuerabzug aus den Kfz-Kosten dieser Fahrzeuge nach den allgemeinen Grundsätzen zulässig, die für den Vorsteuerabzug bei Fahrzeugen des Unternehmensvermögens gelten. Dem Unternehmensvermögen können alle Fahrzeuge zugeordnet werden, deren unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG; Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE; → Pkw-Nutzung, → Firmenwagenüberlassung an Arbeitnehmer, → Unternehmensvermögen).
Fahrzeuge, die zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt werden, müssen zwingend dem umsatzsteuerlichen Privatvermögen (nichtunternehmerischer Bereich) zugeordnet werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG; Abschn. 15.2c. Abs. 5 UStAE). Der Unternehmer kann aber bei zu mindestens 10 % unternehmerisch genutzten Fahrzeugen auch freiwillig darauf verzichten, dieses gemischt genutzte Fahrzeug dem Unternehmensvermögen zuzuordnen. Ein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten des Fahrzeugs scheidet in diesen Fällen aus. Es können dann lediglich Vorsteuern abgezogen werden, die unmittelbar auf gelegentliche unternehmerisch bedingte Fahrten entfallen, z.B. aus Benzinkosten für eine Geschäftsreise (vgl. Abschn. 15.2c. Abs. 3 UStAE).
Wenn Unternehmer die BA für unternehmerisch bedingte Fahrten mit einem Fahrzeug des Privatvermögens mit 0,30 € pro gefahrenen Kilometer ermitteln (BMF vom 25.11.2020, Rz. 37), ist ein Vorsteuerabzug aus den so ermittelten Kfz-Kosten – mangels ordnungsgemäßer Rechnung – nicht zulässig.
Soweit es sich um Fahrtkosten für Fahrzeuge des Personals (arbeitnehmereigene Fahrzeuge) handelt und soweit der Unternehmer Leistungsempfänger ist, wird unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug zugelassen. Der Vorsteuerabzug wird nur in den Fällen ermöglicht, in denen der Unternehmer – und nicht der ArbN – Leistungsempfänger der Kfz-Aufwendungen geworden ist.
Wenn der Unternehmer (ArbG) seinem ArbN die Aufwendungen für die Benutzung des arbeitnehmereigenen Fahrzeugs nicht nach Belegen, sondern nach Reisekostenpauschbeträgen, insbes. mit dem lohnsteuerfreien Kilometergeld von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer, lohnsteuerfrei erstattet, kann er aus derartigen Zahlungen keinen Vorsteuerabzug geltend machen.
Die tatsächlichen Fahrtkosten, die dem ArbN für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bei Auswärtstätigkeiten entstehen, können als WK berücksichtigt werden, sofern diese nicht vom ArbG steuerfrei ersetzt werden. Bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel werden die Fahrauslagen fast immer nachgewiesen werden können.
Zum Ansatz von pauschalen Kilometersätzen bei Benutzung von regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln i.S.d. BRKG entschied der BFH mit Urteil vom 11.2.2021, VI R 50/18 wie folgt: Der Ansatz der pauschalen Kilometersätze nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG anstelle der tatsächlichen Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 EStG für sonstige berufliche Fahrten kommt nicht in Betracht, wenn der Stpfl. ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S.d. § 4 Abs. 1 BRKG (Flugzeug, Bahn) benutzt.
Ein im Gelegenheitsverkehr genutztes Taxi zählt nicht zu den »öffentlichen Verkehrsmitteln« i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem Taxi können daher lediglich i.H.d. Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG als WK in Ansatz gebracht werden. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung der Ausnahmeregelung eine Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr vor Augen gehabt; vgl. BFH vom 9.6.2022, VI R 26/20.
Die Finanzverwaltung hat sich mit der Frage befasst, ob in Fällen, in denen ein ArbN eine Monatskarte für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel privat anschafft und diese auch zu dienstlichen Zwecken einsetzt (Fahrten bei einer Auswärtstätigkeit), bei Erstattung der Anschaffungskosten durch den ArbG ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des ArbG vorliegt oder eine steuerfreie Erstattung nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG in Betracht kommt (Erlass FinBeh Berlin vom 27.6.2016, ESt-Nr. 353, FR 2016, 1015).
Hierzu wurde beschlossen, dass in den Fällen, in denen ein ArbN eine Monatskarte für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs selbst privat anschafft und diese auch für dienstliche Fahrten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit nutzt, im Fall der Arbeitgebererstattung die Grundsätze des steuerlichen Reisekostenrechts anzuwenden sind. Demzufolge kommt eine steuerfreie Erstattung durch den ArbG nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG in Betracht. Zur Feststellung der Höhe möglicher steuerfreier Erstattungen ist ein monatlicher Nachweis der beruflichen Fahrten erforderlich. Aus Vereinfachungsgründen können – anstelle einer quotalen Aufteilung (Nutzung zu dienstlichen Zwecken im Verhältnis zur Gesamtnutzung) – auch die während des Gültigkeitszeitraumes ersparten Kosten für die Einzelfahrscheine zugrunde gelegt werden, die durch die dienstliche Nutzung des Nahverkehrs entstanden wären, allerdings begrenzt auf die Höhe der tatsächlichen Kosten der vom ArbN erworbenen Monatskarte. Der ArbG kann demnach die dem ArbN entstandenen Aufwendungen für die Monatskarte dann vollumfänglich steuerfrei erstatten, wenn die Kosten der während des Gültigkeitszeitraums ersparten Einzelfahrkarten für die dienstlichen Fahrten den Preis der Monatskarte erreichen oder übersteigen. In allen anderen Fällen ist eine teilweise steuerfreie Erstattung möglich. Auch hier kann die Höhe der möglichen steuerfreien Erstattung anhand der ersparten Kosten für Einzelfahrkarten für die im Gültigkeitszeitraum nachgewiesenen dienstlichen Fahrten ermittelt werden.
Hinweis:
Durch die Neuregelung des § 3 Nr. 15 EStG durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) erfolgt die Einführung der Steuerbegünstigung von zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährten Arbeitgeberleistungen (Zuschüsse und Sachbezüge) zu den Aufwendungen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Linienverkehr (ohne Luftverkehr) der ArbN zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Die Steuerbegünstigung gilt auch für private Fahrten im öffentlichen Personennahverkehr (s. das Stichwort Fahrtkostenzuschüsse (§ 3 Nr. 15 EStG) unter → Steuerfreie Einnahmen nach dem EStG, ABC-Form). Stellt der ArbG dem ArbN eine BahnCard zur Verfügung, ist dieser Sachbezug steuer- und beitragsfrei, wenn der ArbN die BahnCard ausschließlich zur Verbilligung der beruflichen Fahrten wegen Auswärtstätigkeit verwendet. Entsprechendes gilt für Familienheimfahrten im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung. Wird die BahnCard vom ArbG angeschafft und vom ArbN sowohl beruflich als auch privat genutzt, liegt wegen des ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses des ArbG kein stpfl. geldwerter Vorteil vor, wenn nach der Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der BahnCard die ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die im Rahmen der beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit ohne Nutzung der BahnCard während der Gültigkeitsdauer anfallen würden, die Kosten der BahnCard erreichen oder übersteigen (prognostizierte Vollamortisation).
Mit Schreiben vom 15.8.2019, BStBl I 2019, 875 nimmt das BMF Stellung zur Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 15 bei Arbeitgeberleistungen für bestimmte Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr sowie im öffentlichen Personennahverkehr.
Aus Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis für unternehmerisch veranlasste Inlandsflugreisen, Bahnfahrten usw. kann der Vorsteuerabzug grundsätzlich in Anspruch genommen werden. Allerdings gelten hierfür die allgemeinen Regelungen für den → Vorsteuerabzug nach § 15 UStG. Hierzu gehört insbes., dass der Unternehmer (nicht jedoch der die auswärtige Tätigkeit antretende ArbN) als Leistungsempfänger des Beförderungsunternehmers anzusehen sein muss (vgl. Abschn. 15.2b. UStAE). Hierfür ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer (ArbG) die Beförderungsleistung im eigenen Namen bestellt und die Rechnung des Beförderungsunternehmers auf den Namen des Unternehmers lautet (z.B. bei der Abrechnung von Reisebüros über Inlandsflugtickets oder Fahrkarten). Bestellt hingegen der ArbN, der eine Dienstreise unternimmt oder anderweitig dienstlich auswärts tätig ist, Flugtickets oder Fahrkarten im eigenen Namen und ist die Rechnung des Reisebüros dementsprechend auf den ArbN ausgestellt, ist der Vorsteuerabzug nicht zulässig.
Beim Vorsteuerabzug aus Fahrausweisen (Fahrkarten) für unternehmerisch bedingte Fahrten, braucht die Frage nach dem im Einzelfall zutreffenden Leistungsempfänger aus Vereinfachungsgründen nicht geprüft zu werden, sodass der Vorsteuerabzug aus Fahrausweisen stets zulässig ist. Bei Fahrausweisen im Nahverkehr (innerhalb einer politischen Gemeinde oder im Umkreis von 50 km) beträgt der USt-Satz 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG), sodass der Vorsteuerbetrag mit 7/107 oder 6,54 % aus dem Bruttobetrag herauszurechnen ist. Bei Fahrausweisen für den Fernverkehr (mehr als 50 km) beträgt der USt-Satz 19 %. In diesem Fall ist die abziehbare Vorsteuer mit 19/119 oder 15,96 % oder aus dem Bruttobetrag herauszurechnen. Dies gilt auch für Kleinbetragsrechnungen bis zu 250 € i.S.d. § 33 UStDV, in der kein Rechnungs- oder Leistungsempfänger angegeben ist.
Auch bei der Benutzung von Leasing- oder Mietfahrzeugen sowie von Taxen für unternehmerisch bedingte Fahrten ist der Vorsteuerabzug nur zulässig, wenn der Unternehmer als Leistungsempfänger anzusehen ist. Deshalb muss insbes. bei der Leihe von Mietfahrzeugen darauf geachtet werden, dass die Rechnung des Mietwagenunternehmens auf den Namen des Unternehmers (ArbG) – und nicht auf den Namen des ArbN – lautet. S.a. → Personenbeförderung.
Unfallkosten und Aufwendungen wegen des Diebstahls des Pkw des ArbN gehören nicht zu den Gesamtkosten und können als Reisenebenkosten berücksichtigt werden (H 9.5 [Einzelnachweis, 1. Spiegelstrich] LStH, → Unfallkosten, → Verlust von Wirtschaftsgütern). Die Unfallkosten bzw. der »Restbuchwert« des gestohlenen Pkw kann vom ArbG steuerfrei ersetzt werden. Das bedeutet, dass der Wert, der sich im Zeitpunkt des Unfalls bei einer gleichmäßigen Verteilung der Anschaffungskosten auf die voraussichtliche Nutzungsdauer des Fahrzeugs ergibt, steuerfrei ersetzt werden kann. Ist das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Diebstahls bereits vollständig abgeschrieben, kommt ein steuerfreier Ersatz oder Werbungskostenabzug nicht in Betracht.
Die Zinsen für einen Kredit, den ein ArbN zur Anschaffung eines privaten Pkw aufnimmt, sind selbst dann keine WK bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, wenn die Anschaffung im Anschluss an eine auf einer Berufsfahrt herbeigeführte Beschädigung des früheren Pkw des ArbN erfolgt; vgl. BFH vom 1.10.1982, BStBl II 1983, 17. Die Gründe, weshalb ein ArbN – auch nach einem auf einer Berufsfahrt erlittenen Autounfall – anstelle des bisherigen Fahrzeugs ein neues (auf Kredit) erwirbt, können vielfältig und von beruflichen Erwägungen völlig unabhängig sein. So kann der ArbN z.B. ohnedies gerade ein kleineres, ein größeres, ein kostengünstigeres oder ein neues Fahrzeug haben anschaffen wollen. Solche Gründe stehen indessen mit der Berufstätigkeit in keinem Zusammenhang. Deshalb können auch die Zinsen für einen Pkw-Anschaffungskredit keine WK bei den Einkünften des ArbN aus nichtselbstständiger Arbeit sein.
In § 9 Abs. 4a EStG wird typisierend der Mehraufwand festgelegt, der über das hinausgeht, was ein ArbN für seine Verpflegung ohnehin während eines normalen Arbeitstages an der ersten Tätigkeitsstätte aufwendet; die jedem Stpfl. täglich entstehenden Aufwendungen für Verpflegung stellen Kosten der privaten Lebensführung dar, die steuerlich unberücksichtigt bleiben.
Um den Bereich der Verpflegungsmehraufwendungen zu vereinfachen, wird die bis 2013 geltende dreistufige Staffelung (mit einer bestimmten maßgebenden Abwesenheitszeit) der abziehbaren Pauschalen und Mindestabwesenheitszeiten durch eine zweistufige Staffelung ersetzt; dabei wird auf einen Teil der Berücksichtigung von Mindestabwesenheitszeiten verzichtet und die Berechnung der Dreimonatsfrist vereinfacht.
§ 9 Abs. 4a S. 1 EStG schließt vorab einen Abzug der tatsächlichen Kosten aus.
§ 9 Abs. 4a Satz 3 regelt die Verpflegungsmehraufwendungen folgendermaßen:
§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. |
Pauschbetrag |
||
VZ 2014–2019 |
ab VZ 2020 |
||
1 |
für jeden Kalendertag, an dem der ArbN 24 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist |
24 € |
28 € |
2 |
für den An- und Abreisetag, wenn der ArbN an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet |
jeweils 12 € |
jeweils 14 € |
3 |
für den Kalendertag, an dem der ArbN ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist; beginnt die auswärtige berufliche Tätigkeit an einem Kalendertag und endet am nachfolgenden Kalendertag ohne Übernachtung, werden 12 € für den Kalendertag gewährt, an dem der ArbN den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist |
12 € für den Kalendertag |
14 € für den Kalendertag |
Abb.: Verpflegungsmehraufwendungen ab 2014/ab 2020
Die neuen Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen gelten ab dem 1.1.2020 und sind somit erstmals für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 EStG i.d.F. vom 1.1.2020; Art. 2 JStG 2019).
Eine Anpassung der Verpflegungsmehraufwendungen war zunächst im Rahmen des Wachstumschancengesetzes 2024 vorgesehen, wurde aber endgültig nicht umgesetzt.
Für eintägige auswärtige Tätigkeiten ohne Übernachtung kann ab einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte eine Pauschale von 12 € / 14 € berücksichtigt werden. Ist der ArbN an einem Kalendertag mehrfach oder über Nacht (an zwei Kalendertagen ohne Übernachtung) auswärts tätig, können die Abwesenheitszeiten dieser Tätigkeiten zusammengerechnet und im Fall der Tätigkeit über Nacht für den Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der ArbN den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als 8 Stunden abwesend ist.
Darüber hinaus wird geregelt, dass dies auch dann gilt, wenn der ArbN seine eintägige auswärtige berufliche Tätigkeit über Nacht (sog. Mitternachtsregelung) ausübt – somit nicht übernachtet – und dadurch ebenfalls insgesamt mehr als 8 Stunden von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Die Verpflegungspauschale von 12 €/14 € ist in diesen Fällen dann für den Kalendertag zu berücksichtigen, an dem der ArbN den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als acht Stunden abwesend ist (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 47 mit Beispielen). Die sog. Mitternachtsregelung stellt also eine Ausnahme dar, dass für die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte jeder Kalendertag für sich zu beurteilen ist. Die Ausnahmeregelung betrifft ausschließlich diejenigen Fälle, in denen der ArbN nachts eine Tätigkeit ausübt, ohne dass eine Übernachtung stattfindet. Die Ausnahmeregelung soll zwar in erster Linie für Berufskraftfahrer gelten, die nachts fahren; nach dem Gesetzeswortlaut ist jedoch jede Tätigkeit angesprochen, die nachts ausgeübt wird.
Beispiel 27:
Der Vertriebsleiter V verlässt um 8.00 Uhr seine Wohnung in B und besucht zuerst bis 12.00 Uhr einen Kunden. Von 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr ist er in seinem Büro (erste Tätigkeitsstätte) tätig. Anschließend fährt er von dort zu einer Tagung in C und kehrt um 19.00 Uhr noch einmal für eine Stunde in sein Büro in B zurück.
Lösung 27:
Es zählen die Zeiten vom Verlassen der Wohnung bis zur Ankunft an der ersten Tätigkeitsstätte (Büro) mittags sowie vom Verlassen der ersten Tätigkeitsstätte (Büro) bis zur Rückkehr dorthin. V war zweimal beruflich auswärts tätig und dabei insgesamt mehr als acht Stunden von seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte abwesend. Er erfüllt daher die Voraussetzungen der Verpflegungspauschale für eine eintägige Auswärtstätigkeit (14 €); vgl. auch BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, Bsp. 29.
Für die Kalendertage, an denen der ArbN außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig ist (auswärtige berufliche Tätigkeit) und aus diesem Grunde 24 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist, kann eine Pauschale von 24 €/28 € als WK geltend gemacht bzw. vom ArbG steuerfrei ersetzt werden (Zwischentag).
Für den An- und Abreisetag einer solchen mehrtägigen auswärtigen Tätigkeit mit Übernachtung außerhalb seiner Wohnung kann ohne Prüfung einer Mindestabwesenheitszeit eine Pauschale von jeweils 12 €/14 € als WK berücksichtigt bzw. vom ArbG steuerfrei ersetzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit von der Wohnung, der ersten oder einer anderen Tätigkeitsstätte des ArbN aus begonnen wird. Im Hinblick auf die oftmals auch über Nacht oder mehrere Tage andauernden An- und Abreisen bei auswärtigen beruflichen Tätigkeiten genügt es für die Qualifizierung als An- und Abreisetag, wenn der ArbN unmittelbar nach der Anreise oder vor der Abreise auswärtig übernachtet. Eine mehrtägige auswärtige Tätigkeit mit Übernachtung liegt auch dann vor, wenn die berufliche Auswärtstätigkeit über Nacht ausgeübt wird und sich daran eine Übernachtung am Tage sowie eine weitere Tätigkeit über Nacht anschließt.
Zur Abgeltung der notwendigen Mehraufwendungen, die einem ArbN während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des ArbG oder eines vom ArbG beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, kann ab 1.1.2020 einheitlich im Kj. eine Pauschale von 8 € für jeden Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der ArbN eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nr. 1 und 2 EStG beanspruchen könnte. Die Pauschale kann auch von mitfahrenden ArbN beansprucht werden, die ebenfalls im Fahrzeug übernachten, wenn der ArbG keine weiteren Erstattungen für Übernachtungskosten leistet oder der ArbN keine weiteren Übernachtungskosten als WK geltend macht. Die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG müssen erfüllt sein; vgl. auch BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 131.
Mit Wirkung ab dem VZ 2024 erfolgt im Rahmen des Wachstumschancengesetzes eine Anhebung des Pauschbetrags für Berufskraftfahrer von 8 auf 9 €.
Folgen mehrere Auswärtstätigkeiten unmittelbar aufeinander, so hat dies keinen Einfluss auf die Verpflegungspauschale. Unterbrechungen führen jedoch zum Neubeginn.
Eine mehrtägige auswärtige Tätigkeit mit Übernachtung liegt auch dann vor, wenn die berufliche Auswärtstätigkeit über Nacht ausgeübt wird und sich daran eine Übernachtung am Tage sowie eine weitere Tätigkeit über Nacht anschließt. Unerheblich ist auch, ob für die Übernachtung tatsächlich Übernachtungskosten anfallen (so z.B. bei Schlafen im Bus, Lkw oder Lok).
Mehraufwendungen für Verpflegung sind auch dann zu gewähren, wenn der ArbN keine erste Tätigkeitsstätte hat (§ 9 Abs. 4a Satz 4 EStG). Der Bezug einer Unterkunft an einer vorübergehenden beruflichen Tätigkeitsstätte (Einsatzwechseltätigkeit) begründet keine doppelte Haushaltsführung. Die mit einer solchen Auswärtstätigkeit verbundenen Fahrt- und Übernachtungskosten sind in vollem Umfang als WK abziehbar (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 7/02, BStBl II 2005, 782). Die Höhe des Verpflegungsmehraufwands richtet sich bei Auswärtstätigkeiten i.S.d. § 9 Abs. 4a Satz 2 und 4 EStG nach der Abwesenheit des ArbN von seiner Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts. Nicht entscheidend ist die Abwesenheitsdauer von der auswärtigen Unterkunft am Einsatzort. Das gilt auch dann, wenn der ArbN stets in derselben auswärtigen Unterkunft nächtigt (BFH Urteil vom 8.10.2014, VI R 95/13, BStBl II 2015, 231).
Beispiel 28:
Der Ingenieur I aus B ist von Montagabend bis Dienstag in M auswärts tätig. An diese Tätigkeit schließt sich am Dienstag gleich die Weiterreise nach H zu einer neuen auswärtigen Tätigkeit an. I fährt von M direkt nach H und kehrt am Mittwochmittag zu seiner Wohnung zurück.
Lösung 28 (ab 2020):
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 33 in Rz. 49.
I kann folgende Verpflegungspauschalen beanspruchen: Für Montag als Anreisetag und für Mittwoch als Rückreisetag stehen ihm jeweils 14 € zu. Da I am Dienstag infolge der Abreise aus M und direkten Anreise nach H 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist, kann er für diesen Tag eine Pauschale von 28 € beanspruchen.
Abwandlung:
I sucht am Dienstag kurz seine Wohnung in B auf, um Unterlagen und Kleidung einzupacken, und fährt nach einer Stunde weiter nach H.
Lösung ab 2020:
In diesem Fall kann I auch für Dienstag als An- und gleichzeitig als Abreisetag nur 14 € Verpflegungspauschale beanspruchen. Eine Verpflegungspauschale von 28 € kann nur dann beansprucht werden, wenn I infolge seiner beruflichen Auswärtstätigkeit 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.
Die Verpflegungspauschale von 14 € kann auch dann noch gewährt werden, wenn bei mehrtägigen Dienstreisen die Rückkehr nach Mitternacht erfolgt.
Beispiel 29:
Monteur M aus D ist von Montag bis Mittwoch in S auswärts tätig. Eine erste Tätigkeitsstätte besteht nicht. M verlässt am Montag um 10.30 Uhr seine Wohnung in D. M verlässt S am Mittwochabend und erreicht seine Wohnung in D am Donnerstag um 1.45 Uhr.
Lösung 29 (ab 2020):
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 34 in Rz. 49.
M steht für Montag (Anreisetag) eine Verpflegungspauschale von 14 € zu. Für Dienstag und Mittwoch kann M eine Pauschale von 28 € beanspruchen, da er an diesen Tagen 24 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist. Für Donnerstag steht ihm eine Pauschale von 14 € zu (Abreisetag).
Als Wohnung im vorstehenden Sinn gilt (§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 2 EStG und BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 50)
der Hausstand, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen des ArbN bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird, oder
die Zweitwohnung am Ort einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung (insbes. zu berücksichtigen, wenn der ArbN mehrere Wohnungen hat).
Als Wohnung ist z.B. auch ein möbliertes Zimmer, eine Schiffskajüte, ein Gartenhaus, ein auf eine gewisse Dauer abgestellter Wohnwagen oder ein Schlafplatz in einer Massenunterkunft anzusehen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich bei einem verheirateten ArbN regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie.
Hinweis:
Wohnung in diesem Sinne kann somit z.B. bei Auszubildenden auch die elterliche Wohnung sein, wenn sich dort noch der Lebensmittelpunkt des ArbN befindet.
Beispiel 30:
Der Stpfl. ist von Januar bis Mai jeweils montags um 8 Uhr in den Betrieb des ArbG gefahren (9 km), um dort Bericht zu erstatten und anschließend um 9 Uhr weiter zu dem Kunden A. nachmittags fährt er von A zu seiner Wohnung, die er um 16.30 Uhr erreicht.
Dienstags bis freitags fuhr er um 8 Uhr unmittelbar von seiner Wohnung zu A, dessen Büro 15 km vom Betrieb seines ArbG und 18 km von seiner Wohnung entfernt liegt. Nachmittags fährt er von A zu seiner Wohnung, die er um 16.30 Uhr erreicht. Eine Zuordnung zu einer 1. TS hat der ArbG nicht vorgenommen.
Lösung 30:
Der Stpfl. hat keine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG. Der Betrieb ist nur dann erste Tätigkeitsstätte, wenn er dem Stpfl. arbeitsrechtlich dauerhaft zugeordnet ist. Ohne erste Tätigkeitsstätte sind die Fahrtaufwendungen nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen.
Die wöchentlich einmalige Fahrt zum Betrieb (montags) führt ebenfalls nicht zum Ansatz der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG, wenn der Betrieb nicht typischerweise arbeitstäglich zur Aufnahme der beruflichen Tätigkeit dauerhaft aufgesucht werden muss.
Die Abwesenheitsdauer für Verpflegungsmehraufwendungen beginnt montags bis freitags um 8 Uhr mit Verlassen der Wohnung und endet mit Erreichen der Wohnung um 16.30 Uhr und beträgt insgesamt 8,5 Stunden. Da die Abwesenheit mehr als 8 Stunden beträgt, sind Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. täglich 14 € zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG).
Beispiel 31:
Der ArbN ist wie folgt von seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte abwesend:
Montag 5.00 – 20.00 Uhr,
Dienstag 6.00 – 11.00 Uhr und 15.00–18.30 Uhr,
Dienstag 12.00 – Mittwoch 18.00 Uhr,
Dienstag 20.00 – Mittwoch 23.00 Uhr,
Mittwoch 19.00 – Donnerstag 5.30 Uhr,
Lösung 31 (für Kj. ab 2020):
Es handelt sich um eine eintägige auswärtige Tätigkeit ohne Übernachtung mit einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden. Der Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand beträgt nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG 14 €.
Der ArbN ist an dem Kalendertag mehr als 8 Stunden abwesend. Der Pauschbetrag beträgt nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG 14 €.
Ohne Übernachtung ist der ArbN sowohl am Dienstag als auch am Mittwoch mehr als 8 Stunden abwesend. Der Pauschbetrag beträgt jeweils 14 € (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG).
Die Abwesenheitszeiten dieser Tätigkeiten können zusammengerechnet und im Fall der Tätigkeit über Nacht für den Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der ArbN den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als 8 Stunden abwesend ist. Nach der Zusammenrechnung ist der ArbN am Mittwoch mehr als 24 Stunden abwesend. In diesem Fall erhält der ArbN für den Mittwoch 28 € (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 47 und Beispiel 31).
Mit Übernachtung erhält der ArbN jeweils 14 € für den An- und Abreisetag nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG.
Ohne Übernachtung ist der ArbN am Dienstag 4 Stunden abwesend. Ein Pauschbetrag kann nicht gewährt werden. Mittwochs beträgt der Pauschbetrag 14 € bei einer Abwesenheitsdauer von mehr als 8 Stunden (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG).
Mit Übernachtung erhält der ArbN jeweils 12 € für den An- und Abreisetag nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG.
Ohne Übernachtung ist der ArbN insgesamt mehr als 8 Stunden, nämlich insgesamt 27 Stunden, von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend. Die Abwesenheitszeiten dieser Tätigkeiten können zusammengerechnet und im Fall der Tätigkeit über Nacht für den Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der ArbN den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als 8 Stunden abwesend ist (BMF vom 25.11.2020, Rz. 47). Da die gesamte Tätigkeit über Nacht 24 Stunden erreicht, kommt eine Verpflegungspauschale von 28 € in Betracht (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 31 in Rz. 47).
Die Abwesenheitsdauer beträgt mittwochs 5 Stunden und donnerstags 5,5 Stunden. Es handelt sich somit um eine eintägige Auswärtstätigkeit am Donnerstag. Bei einer Abwesenheitsdauer von mehr als 8 Stunden beträgt der Pauschbetrag 14 € (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG).
S.a. die ausführlichen Beispiele 29 bis 32 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228.
Bei derselben Auswärtstätigkeit beschränkt sich der Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate; dieselbe Auswärtstätigkeit liegt nicht vor, wenn die auswärtige Tätigkeitsstätte an nicht mehr als (ein bis) zwei Tagen wöchentlich aufgesucht wird (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 55). Werden während einer beruflichen Tätigkeit mehrere ortsfeste betriebliche Einrichtungen innerhalb eines Werks- oder Betriebsgeländes aufgesucht, handelt es sich um die Tätigkeit an einer (großräumigen) Tätigkeitsstätte (BFH vom 11.4.2019, VI R 40/16 und VI R 12/17, BStBl II 2019, 546 und 551). Handelt es sich um einzelne ortsfeste betriebliche Einrichtungen verschiedener Auftraggeber oder Kunden, liegen mehrere Tätigkeitsstätten vor. Dies gilt auch dann, wenn sich die Tätigkeitsstätten in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befinden.
Um die Berechnung der Dreimonatsfrist zu vereinfachen, ist eine rein zeitliche Bemessung der Unterbrechungsregelung vorzunehmen.
Beispiel 32:
Der Auszubildende August besucht über die gesamte Lehrzeit von drei Jahren dienstags und mittwochs die Berufsschule. Die Entfernung von der Wohnung zur Berufsschule beträgt 20 km. Die Abwesenheitszeit an diesen Tagen beträgt über 8 Stunden.
Lösung 32:
Es handelt sich um jeweils beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten. Die Fahrtkosten können nach den pauschalen Reisekostengrundsätzen angesetzt werden. Für die Verpflegungsmehraufwendungen ist die Dreimonatsfrist nicht anzuwenden, da der Besuch der Berufsschule nur an zwei Tagen in der Woche stattfindet.
Eine längerfristige vorübergehende Auswärtstätigkeit ist noch als dieselbe Auswärtstätigkeit zu beurteilen, wenn der ArbN nach einer Unterbrechung die Auswärtstätigkeit mit gleichem Inhalt, am gleichen Ort ausübt und ein zeitlicher Zusammenhang mit der bisherigen Tätigkeit besteht.
Als erste Tätigkeitsstätte (= keine Reisekosten) gilt aber auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Arbeitsverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird (§ 9 Abs. 4 Satz 8 EStG). Die Berufsschule ist daher keine erste Tätigkeitsstätte, weil sie in aller Regel im Rahmen eines (Ausbildungs-)Arbeitsverhältnisses aufgesucht wird. Die erste Tätigkeitsstätte des Berufsschülers befindet sich somit regelmäßig im Betrieb des ArbG. Beim Besuch der Berufsschule handelt es sich um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit.
Hinweis:
Ein selbstständiger Unternehmensberater, der über Monate hinweg wöchentlich zwei bis vier Arbeitstage in dem Betrieb eines Kunden auswärts tätig ist, kann Mehraufwendungen für seine Verpflegung nur in den ersten drei Monaten dieser Auswärtstätigkeit geltend machen. Eine Unterbrechung der Tätigkeit, die zum Neubeginn der Dreimonatsfrist führt, liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn sie mindestens vier Wochen dauert. Ob es sich bei der Auswärtstätigkeit des Klägers um eine Einsatzwechseltätigkeit handelt oder um Dienstreisen, kann dahinstehen. Denn bei beiden Formen der Auswärtstätigkeit gilt die Dreimonatsfrist. Dies hat der BFH mit Urteil vom 28.2.2013 (III R 94/10, BStBl II 2013, 725) entschieden (s.a. Pressemitteilung BFH Nr. 28/13 vom 15.5.2013, LEXinform 0439661).
Eine ununterbrochene Vollzeittätigkeit ist danach nicht Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift. Der Kläger habe vielmehr dem Zweck der Vorschrift entsprechend seine auswärtige Verpflegungssituation derjenigen an seinem Wohnort anpassen können.
Auch eine rechtlich relevante Unterbrechung der Auswärtstätigkeit, die einen neuen Abzugszeitraum eröffnen würde, liegt nicht vor. Weder die kurzfristigen Auswärtstätigkeiten für andere Kunden noch die Arbeit im heimischen Büro sind dafür ausreichend. Eine solche Unterbrechung müsste im Regelfall vielmehr mindestens vier Wochen andauern. Dies entspricht auch der ab dem Jahr 2014 anwendbaren Neufassung des Gesetzes (§ 9 Abs. 4a Satz 7 EStG, s.u.).
Verpflegungsmehraufwendungen können steuerlich zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden, wenn nicht dieselbe Auswärtstätigkeit vorliegt.
Die Berücksichtigung der Pauschalen für die Verpflegungsmehraufwendungen ist auf die ersten drei Monate einer beruflichen Tätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte beschränkt (§ 9 Abs. 4a Satz 6 EStG). Die Dreimonatsfrist ist insoweit ein sachgerechtes Kriterium, um den beruflich veranlassten Mehraufwand für die Verpflegung von den allgemein anfallenden Verpflegungskosten abzugrenzen.
Nach § 9 Abs. 4a Satz 7 EStG führt eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte für einen Zeitraum von vier Wochen bereits zu einem Neubeginn des Dreimonatszeitraums. Es ist unerheblich, aus welchem Grund (z.B. Krankheit, Urlaub, Tätigkeit an einer anderen Tätigkeitsstätte) die Tätigkeit unterbrochen wird (BMF vom 25.11.2020, Rz. 54). Zum Neubeginn s.o. BFH Urteil vom 28.2.2013 (III R 94/10, BStBl II 2013, 725).
Der BFH hat mit zwei Urteilen vom 8.7.2010 (VI R 10/08, BStBl II 2011, 32 und VI R 11/08, BFH/NV 2011, 14, LEXinform 0179301) entschieden, dass die zeitliche Begrenzung des Abzugs von Mehraufwendungen für Verpflegung (Dreimonatsfrist) bei Begründung einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auf drei Monate verfassungsgemäß ist. Somit dürfte auch die Dreimonatsfrist bei vorübergehender Auswärtstätigkeit verfassungsgemäß sein (§ 9 Abs. 4a Satz 12 EStG und BMF vom 25.11.2020, Rz. 57).
Werden im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit mehrere ortsfeste betriebliche Einrichtungen innerhalb eines großräumigen Werks- oder Betriebsgeländes aufgesucht, handelt es sich um die Tätigkeit an einer Tätigkeitsstätte. Handelt es sich um einzelne ortsfeste betriebliche Einrichtungen verschiedener Auftraggeber oder Kunden, liegen mehrere Tätigkeitsstätten vor. Diese gilt auch dann, wenn sich die Tätigkeitsstätten in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befinden.
Beispiel 33:
Ein Monteur mit Wohnsitz in Mainz (erste Tätigkeitsstätte nicht vorhanden), der typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird, ist für sieben Monate an einer Baustelle in Kaiserslautern tätig.
Lösung 33:
Der Werbungskostenabzug der Verpflegungsmehraufwendungen ist nur auf die ersten drei Monate der Tätigkeit in Kaiserslautern beschränkt.
Der BFH hat mit Urteil vom 24.2.2011 (VI R 66/10, BStBl II 2012, 27) seine Rspr. geändert (bisher s. BFH Urteil vom 19.12.2005, VI R 30/05, BStBl II 2006, 378) und entschieden, dass die Dreimonatsfrist für den Abzug von Verpflegungspauschalen bei einer Fahrtätigkeit und damit auch bei einer Seereise keine Anwendung findet (Bestätigung durch BFH Urteil vom 15.5.2013, VI R 41/12, LEXinform 0929200 sowie). Bei beruflichen Tätigkeiten auf mobilen, nicht ortsfesten betrieblichen Einrichtungen wie z.B. Fahrzeugen, Flugzeugen, Schiffen findet die Dreimonatsfrist keine Anwendung. Entsprechendes gilt für eine Tätigkeit in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet (BMF vom 25.11.2020, Rz. 56).
Beispiel 34:
Ein Spediteur kehrt nach einer Speditionsreise nach vier Monaten aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse zurück.
Lösung 34:
Es können für den gesamten Zeitraum steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen gezahlt werden, da die Dreimonatsfrist bei einer Fahrtätigkeit nicht greift.
Hat der Stpfl. keine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, kann trotzdem von einer Auswärtstätigkeit ausgegangen werden, wenn der Stpfl. außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig wird (§ 9 Abs. 4a Satz 2 und 4 EStG). Der Stpfl. ist grundsätzlich zum Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung berechtigt. Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG beschränkt sich bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der pauschale Abzug auf die ersten drei Monate (Dreimonatsfrist). Gem. § 9 Abs. 4a Satz 12 EStG gelten die Abzugsbeschränkung nach Satz 1, die (gestaffelten) Pauschbeträge nach Satz 3 sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 6 und 7 auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Allerdings begründet der Bezug einer Unterkunft an einem Beschäftigungsort, der nicht den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte erfüllt, keine doppelte Haushaltsführung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG (BFH vom 24.9.2013, VI R 51/12, BStBl II 2014, 342).
Wenn bei dem Stpfl. weder eine auswärtige berufliche Tätigkeit noch eine doppelte Haushaltsführung vorliegt, er vielmehr an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten zum Einsatz kommt, kann § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG und damit der sog. Dreimonatszeitraum nicht zur Anwendung kommen. Das gilt auch dann, wenn der ArbN stets in derselben auswärtigen Unterkunft nächtigt (BFH vom 8.10.2014, VI R 95/13, BStBl II 2015, 231; s.a. Anmerkung vom 16.12.2014, LEXinform 0652535).
Ein Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst ist bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2013 schwerpunktmäßig überwiegend außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig. Die Höhe der Mehraufwendungen für Verpflegung richtet sich in diesem Fall nach der Abwesenheitsdauer des Stpfl. von seiner Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts. Der Kläger war als Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst und damit schwerpunktmäßig überwiegend außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig; vgl. BFH vom 13.5.2020, VI R 38/18.
Beispiel 35:
Ein ArbN wird für sieben Monate von A nach B abgeordnet.
Lösung 35:
Die Fahrtkosten können insgesamt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG als Reisekosten berücksichtigt werden.
Die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen können nur für die ersten drei Monate der Tätigkeit in B berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 4a Satz 6 EStG).
Beispiel 36:
ArbN A (Bauarbeiter), der typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig wird ist für acht Monate an einer Baustelle in C eingesetzt. A fährt jeden Tag mit seinem eigenen Pkw von seiner Wohnung in den 25 km entfernt liegenden Ort C.
Lösung 36:
Die Fahrtkosten können insgesamt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG als Reisekosten berücksichtigt werden.
Die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen können über den Dreimonatszeitraum hinaus berücksichtigt werden. Nach dem BFH-Urteil vom 8.10.2014 (VI R 95/13, BStBl II 2015, 231; s.a. Anmerkung vom 16.12.2014, LEXinform 0652535) kommt § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG nicht zur Anwendung.
Die Höhe des Verpflegungsmehraufwands richtet sich bei Einsatzwechseltätigkeit nach der Abwesenheit des ArbN von seiner Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts. Begründet der ArbN allerdings im Betrieb seines ArbG eine regelmäßige Arbeitsstätte, weil er dem Betrieb arbeitsrechtlich dauerhaft zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG) und fährt vom Betrieb weiter zur Einsatzstelle, beginnt mit Verlassen des Betriebs die Auswärtstätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4a Satz 1 und 2 EStG. Die Abwesenheitszeiten sind ab Verlassen des Betriebs zu ermitteln (BFH Urteil vom 11.5.2005, VI R 16/04, BStBl II 2005, 789).
Beispiel 37:
ArbN A besucht für 2 Monate einen Lehrgang in D. Zwei Wochen nach Beendigung des Lehrgangs muss er erneut für 6 Wochen nach D. Der Lehrgang wird fortgesetzt.
Lösung 37:
Die Fahrtkosten sind für 2 Monate und danach für 6 Wochen nach Reisekostengrundsätzen zu gewähren (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG).
Bei der zweimaligen Tätigkeit in D handelt es sich insgesamt um dieselbe Auswärtstätigkeit, da diese nach der Unterbrechung von 14 Tagen durch A mit gleichem Inhalt am gleichen Ort ausgeübt wird und ein zeitlicher Zusammenhang mit der bisherigen Tätigkeit besteht. Die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen können nur für die ersten drei Monate berücksichtigt werden. Da die Unterbrechung nicht mindestens 4 Wochen gedauert hat, beginnt der Dreimonatszeitraum nicht neu. Verpflegungsmehraufwendungen können somit noch für die ersten zwei Wochen des 2. Lehrgangs berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 4a Satz 6 und 7 EStG).
Beispiel 38:
ArbN A mit Wohnsitz und regelmäßiger Arbeitsstätte in E wird vom 1.3.16 bis zum 30.6.16 nach F abgeordnet. Ab 1.7.16 ist er wieder in seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in E eingesetzt. Vom
16.7.16 bzw.,
16.8.16
ist A erneut in F eingesetzt.
Lösung 38:
Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 und 7 EStG beschränkt sich der Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate (März, April, Mai). Für die Auswärtstätigkeit im Juni können keine Verpflegungsmehraufwendungen gewährt werden.
Am 16.7.16 beginnt eine weitere Auswärtstätigkeit mit gleichem Inhalt, am gleichen Ort und es besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit der bisherigen Tätigkeit. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist am 31.5.16 beginnt am 16.7.16 – also mehr als 4 Wochen nach Ablauf der Dreimonatsfrist – eine weitere Auswärtstätigkeit. Maßgeblich für den Neubeginn der Dreimonatsfrist ist jedoch nicht der Unterbrechungszeitraum nach dem Bezug von Verpflegungsmehraufwendungen bis zum Beginn der erneuten Auswärtstätigkeit, sondern der Unterbrechungszeitraum zwischen zwei derselben Auswärtstätigkeiten.
Der Unterbrechungszeitraum beginnt mit Beendigung der Auswärtstätigkeit am 1.7.16 und endet mit Beginn der weiteren Auswärtstätigkeit. Da dieser Zeitraum mehr als 4 Wochen beträgt, beginnt mit Beginn der weiteren Auswärtstätigkeit ein neuer Dreimonatszeitraum für den Erhalt von Verpflegungsmehraufwand.
Beispiel 39:
ArbN J mit Wohnsitz und regelmäßiger Arbeitsstätte in K wird für sieben Monate in die Filiale in L abgeordnet, und zwar
jeweils montags bzw.,
jeweils montags bis donnerstags.
Lösung 39:
Es handelt sich um eine vorübergehende beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit. Die Auswärtstätigkeit beginnt und endet montags jeweils neu, sodass es sich nicht um dieselbe Auswärtstätigkeit handelt. Da der ArbN J die Filiale nur einmal wöchentlich aufsucht, ist die Dreimonatsfrist für die Berücksichtigung der Verpflegungsmehraufwendungen nicht anzuwenden (§ 9 Abs. 4a Satz 6 und 7 EStG).
Dieselbe Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn die auswärtige Tätigkeitsstätte an mehr als zwei Tagen wöchentlich aufgesucht wird. Die Gewährung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen ist auf die ersten drei Monate begrenzt. Die Fahrtkosten können jedoch für den gesamten Zeitraum nach Reisekostengrundsätzen berücksichtigt werden.
Berufskraftfahrer halten sich während der Arbeitsausübung in oder bei ihrem Fahrzeug auf (BFH vom 31.3.2004, BStBl II 2004, 936). Das Fahrzeug ist daher ihr Ort der Arbeitsausübung.
Mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG ist ein neuer Pauschbetrag für Berufskraftfahrer i.H.v. 8 € pro Kalendertag eingeführt worden (Art. 2 JStG 2019). Berufskraftfahrer i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG sind ArbN, die ihre berufliche Tätigkeit vorwiegend auf Kraftfahrzeugen ausüben. Die neue gesetzliche Pauschale kann für die üblicherweise während einer mehrtägigen beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Übernachtung im Kraftfahrzeug des ArbG entstehenden Mehraufwendungen angesetzt werden. Übernachtungen auf Schiffen oder Schienenfahrzeugen sind von der 8-EUR-Übernachtungspauschale ausgeschlossen, da es sich nicht um Kraftfahrzeuge handelt. Als Kraftfahrzeuge gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Zur Abgeltung der notwendigen Mehraufwendungen, die einem ArbN während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des ArbG oder eines vom ArbG beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, kann ab 1.1.2020 einheitlich im Kj. eine Pauschale von 8 € für jeden Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der ArbN eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nr. 1 und 2 EStG beanspruchen könnte. Es können auch höhere Aufwendungen als die 8 € nachgewiesen und geltend gemacht werden (z.B. auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 4.12.2012, BStBl I 2012 I, 1249). Die Entscheidung, die tatsächlichen Mehraufwendungen oder den gesetzlichen Pauschbetrag geltend zu machen, kann nur einheitlich im Kj. erfolgen. Die Pauschale kann auch von mitfahrenden ArbN beansprucht werden, die ebenfalls im Fahrzeug übernachten, wenn der ArbG keine weiteren Erstattungen für Übernachtungskosten leistet oder der ArbN keine weiteren Übernachtungskosten als WK geltend macht. Die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG müssen erfüllt sein; vgl. auch BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 131.
Mit dem neuen § 4 Abs. 10 EStG wird die neue Pauschale für die Übernachtung von Berufskraftfahrern auch in die Gewinnermittlung übernommen. Damit kann die typisierende Pauschalierung der im Zusammenhang mit einer Übernachtung im Kraftfahrzeug entstehenden Mehraufwendungen auch von selbstständigen Berufskraftfahrern geltend gemacht werden. Die Neuregelung des § 4 Abs. 10 EStG ist erstmalig auf Übernachtungssachverhalte im Sinne der Regelung anwendbar, die nach dem 31.12.2019 verwirklicht werden (§ 52 Abs. 6 Satz 12 EStG).
Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes erfolgt eine betragsmäßige Änderung, die erstmals für den VZ 2024 anzuwenden ist. Der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer ist von 8 € je Kalendertag auf 9 € je Kalendertag angehoben worden; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG.
Vergütungen des ArbG für Verpflegung anlässlich einer eintägigen oder mehrtägigen auswärtigen beruflichen Tätigkeit können unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 13 oder Nr. 16 EStG bis zur Höhe der Pauschalen auch steuerfrei geleistet werden.
Steuerfreie Erstattungen für Reisekostenvergütungen oder Trennungsgelder stehen dem Abzug von Verpflegungsmehraufwand als Werbungskostenabzug nur insoweit entgegen, als sie dem Stpfl. tatsächlich ausgezahlt wurden. Soweit der ArbG entsprechend den reiskostenrechtlichen Bestimmungen von seinem Einbehaltungsrecht Gebrauch macht oder die Vergütungen gekürzt hat, kommt § 3c EStG nicht zur Anwendung (BFH Urteil vom 24.3.2011, VI R 11/10, LEXinform 0927803).
Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG kann die LSt mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erhoben werden für Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen, die für eine Tätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4a Satz 3 bis 6 EStG gezahlt werden, soweit die Vergütungen die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG bezeichneten Pauschbeträge – ohne Anwendung der Kürzungsregelung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 bis 10 EStG – um nicht mehr als 100 % übersteigen; die Pauschalversteuerung gilt nicht für die Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung (R 40.2 Abs. 1 Nr. 4 LStR). Die LSt-Pauschalierung mit 25 % ist also auf das Doppelte der jeweils maßgebenden steuerfreien Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen begrenzt (100 %-Grenze; BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 58 bis 60).
Beispiel 40:
Ein ArbN führt im Monat Mai 2018 folgende Auswärtstätigkeiten durch:
Anzahl der Auswärtstätigkeiten |
Dauer |
steuerfreier Pauschbetrag |
tatsächlicher Ersatz |
2 |
weniger als 8 Stunden |
0 € |
2 × 15 €) 30 € |
12 |
zwischen 8 und 14 Stunden (mehr als 8 Stunden) |
(12 × 12 €) 144 € |
(12 × 15 €) 180 € |
4 |
mehr als 14 Stunden, nicht 24 Stunden (mehr als 8 Stunden) |
(4 × 12 €) 48 € |
(4 × 15 €) 60 € |
1 |
24 Stunden |
24 € |
15 € |
Summe |
216 € |
285 € |
|
tatsächlich gezahlt |
285 € |
||
steuerpflichtig |
69 € |
||
100 %-Grenze |
216 € |
Der Betrag von 69 € überschreitet die 100 %-Grenze von 216 € nicht. Er kann deshalb in voller Höhe mit 25 % pauschal versteuert werden.
Wie bereits oben erwähnt, werden von der Pauschalierungsvorschrift nur stpfl. Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen erfasst. Eine Pauschalierung der stpfl. Werte mit einem Pauschsteuersatz von 25 % war für Mahlzeiten, die vom ArbG oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten anlässlich von Auswärtstätigkeiten gewährt wurden (R 8.1 Abs. 8 Nr. 2 LStR) bis 31.12.2013 nicht möglich.
Hinweis:
Es ist zulässig, die Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen mit Fahrtkosten- und Übernachtungskostenvergütungen zusammenzurechnen, wenn dort die steuerfreien Beträge noch nicht voll ausgeschöpft sind. In diesem Fall ist die Summe der Vergütungen steuerfrei, soweit sie die Summe der steuerfreien Einzelvergütungen nicht übersteigt (R 3.16 Satz 1 und R 40.2 Abs. 4 Satz 3 LStR, H 9.6 [Erstattung durch den Arbeitgeber] LStH).
Beispiel 41 (für Kj. ab 2020):
ArbN A erhält während einer ununterbrochenen viermonatigen Auswärtstätigkeit von seinem ArbG Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 56 € für jeden vollen Kalendertag. Für An- und Abreisetage reduziert sich diese Vergütung auf 28 € pro Tag. Während seiner Auswärtstätigkeit wird dem ArbN kostenlos eine Unterkunft vom ArbG zur Verfügung gestellt.
Lösung 41:
In den ersten drei Monaten ist die Verpflegungspauschale für die vollen Kalendertage i.H.v. 28 € und für die An- und Abreisetage jeweils i.H.v. 14 € steuerfrei. Der Mehrbetrag von 28 € bzw. 14 € kann mit 25 % pauschal versteuert werden.
Ab dem vierten Monat sind die Verpflegungsvergütungen von täglich 56 € bzw. 28 € wegen des Ablaufs der Dreimonatsfrist als Arbeitslohn individuell zu versteuern (s.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 59 Beispiel 42).
Wird dem ArbN während einer beruflichen Tätigkeit außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte vom ArbG oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, ist diese Mahlzeit mit dem maßgebenden amtlichen Sachbezugswert nach der SvEV anzusetzen, wenn der Preis für die Mahlzeit 60 € nicht übersteigt (§ 8 Abs. 2 Satz 8 EStG). Hierbei sind auch die zur Mahlzeit eingenommenen Getränke einzubeziehen.
Mahlzeiten mit einem Preis von über 60 € dürfen nicht mit dem amtlichen Sachbezugswert bewertet werden. Bei einer solchen Mahlzeit wird typisierend unterstellt, dass es sich um ein »Belohnungsessen« (R 8.1 Abs. 8 Nr. 3 LStR) handelt. Belohnungsessen sind mit dem tatsächlichen Preis als Arbeitslohn (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG) anzusetzen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 62). Für die Prüfung der 60-€-Grenze kommt es auf den Preis der Mahlzeit (einschließlich USt) an, den der Dritte dem ArbG in Rechnung stellt. Zuzahlungen des ArbN sind bei der Prüfung der 60-€-Grenze nicht zu berücksichtigen.
Die für eine unmittelbar vom ArbG abgegebene Mahlzeit maßgeblichen Grundsätze gelten auch, wenn eine Mahlzeit auf Veranlassung des ArbG von einem Dritten an den ArbN abgegeben wird. Die Gestellung einer Mahlzeit ist vom ArbG veranlasst, wenn er Tag und Ort der Mahlzeitengestellung bestimmt. Das ist insbes. dann der Fall, wenn (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 64)
er die Verpflegungskosten im Hinblick auf die beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit des ArbN dienst- oder arbeitsrechtlich erstattet und
die Rechnung auf den ArbG ausgestellt ist (R 8.1 Abs. 8 Nr. 2 Satz 6 LStR).
Zu den vom ArbG zur Verfügung gestellten Mahlzeiten gehören auch die z.B. im Flugzeug, im Zug oder auf einem Schiff im Zusammenhang mit der Beförderung unentgeltlich angebotenen Mahlzeiten, sofern die Rechnung für das Beförderungsticket auf den ArbG ausgestellt ist und von diesem dienst- oder arbeitsrechtlich erstattet wird. Die Verpflegung muss dabei nicht offen auf der Rechnung ausgewiesen werden. Lediglich dann, wenn z.B. anhand des gewählten Beförderungstarifs feststeht, dass es sich um eine reine Beförderungsleistung handelt, bei der keine Mahlzeiten unentgeltlich angeboten werden, liegt keine Mahlzeitengestellung vor (BMF vom 25.11.2020, Rz. 65).
Eine Mahlzeit, die zur Kürzung der Verpflegungspauschale führt, kann auch ein vom ArbG zur Verfügung gestellter Imbiss z.B. belegte Brötchen, Kuchen und Obst sein. Die z.B. auf Flügen gereichten kleinen Tüten mit Chips, Salzgebäck, Schokowaffeln, Müsliriegel oder bei anderen Anlässen zur Verfügung gestellte vergleichbare Knabbereien und unbelegte Backwaren (BFH vom 3.7.2019, VI R 36/17: Unbelegte Backwaren wie Brötchen und Rosinenbrot mit einem Heißgetränk stellen kein Frühstück i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SvEV dar. Für die Annahme eines (einfachen) Frühstücks muss jedenfalls ein Aufstrich oder Belag hinzutreten.) erfüllen nicht die Kriterien für eine Mahlzeit. Sie führen zu keiner Kürzung der Pauschalen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 74).
Zu Essenszuschüssen des ArbG in Form von Restaurantschecks als Sachbezug vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 14.11.2019, 2 K 768/16: Die Ausgabe der Restaurantschecks dient der Verpflegung der ArbN. Sie ist mit einer Mahlzeitengestellung durch den ArbG im Wesentlichen vergleichbar und daher mit dem amtlichen Sachbezugswert anzusetzen.
Ob die vom ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit vom ArbN tatsächlich eingenommen wird oder die Aufwendungen für die vom ArbG gestellte Mahlzeit niedriger sind als der jeweilige pauschale Kürzungsbetrag, ist für die Kürzung der Verpflegungspauschalen unbeachtlich. Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit durch den ArbG (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i.S.v. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert nicht, dass der ArbN die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt. Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenfalls unerheblich (BFH vom 7.7.2020, VI R 16/18, BStBl II 2020, 783). Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit unerheblich. Stellt der ArbG dem ArbN Mahlzeiten zur Verfügung, konnte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass dem ArbN insoweit für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Es ist daher nur folgerichtig, in einem solchen Fall die ebenfalls im Wege der Typisierung festgelegten Verpflegungspauschalen (anteilig) zu kürzen, wie dies § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG anordnet.
Der Ansatz einer nach Satz 8 bewerteten Mahlzeit unterbleibt, wenn beim ArbN für ihm entstehende Mehraufwendungen für Verpflegung ein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 4a Satz 1 bis 7 EStG käme (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG), d.h.
wenn der ArbN mehr als 8 Stunden von der Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist,
bei mehrtägigen auswärtigen beruflichen Tätigkeiten unabhängig von der Abwesenheitszeit und
wenn die Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen ist (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 66 und 67).
Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG kann die LSt mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erhoben werden, wenn der ArbG oder auf seine Veranlassung ein Dritter den ArbN anlässlich einer beruflichen Tätigkeit außerhalb der Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte Mahlzeiten zur Verfügung stellt, die nach § 8 Abs. 2 Satz 8 und 9 EStG mit dem Sachbezugswert anzusetzen sind. Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Pauschalierung dann in Betracht, wenn
der ArbN eine Mahlzeit anlässlich einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit von weniger als 8 Stunden erhält; bei einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden kommt eine Verpflegungspauschale in Betracht und es wird auf die Besteuerung verzichtet (s.o.);
dem ArbG keine Informationen über die Abwesenheitszeiten vorliegen oder
die Dreimonatsfrist abgelaufen ist (s.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 69).
Soweit der ArbN steuerfreie Erstattungen für Verpflegung erhält, ist ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen (§ 9 Abs. 4a Satz 11 EStG). Wie bisher muss der ArbG die nach § 3 Nr. 13 oder Nr. 16 EStG steuerfrei gezahlten Verpflegungszuschüsse nach § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 EStG in der LSt-Bescheinigung bescheinigen.
In § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 EStG ist geregelt, dass zusätzlich in der LSt-Bescheinigung der Großbuchstabe »M« zu bescheinigen ist, wenn der ArbN eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt bekommt, die nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG zu bewerten ist. Das FA kann bei der ESt-Veranlagung des ArbN erkennen, dass der ArbN lediglich eine gekürzte Verpflegungspauschale beanspruchen darf. Diese Aufzeichnungs- und Bescheinigungspflicht gilt unabhängig von der Anzahl der Mahlzeitengestellungen an den ArbN im Kj. Es kommt nicht darauf an, ob eine Besteuerung der Mahlzeiten ausgeschlossen ist (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG) oder die Mahlzeit pauschal nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG oder individuell besteuert wurde.
Sobald für einen ArbN im laufenden Kj. die erste vom ArbG gewährte übliche Mahlzeit während einer Auswärtstätigkeit vorliegt, ist in Zeile 2 der Lohnsteuerbescheinigung der Großbuchstabe »M« anzugeben.
Das gilt grds., also unabhängig davon, ob die Mahlzeit
nicht versteuert wird, aber zu einer Kürzung der steuerfreien Verpflegungspauschale geführt hat,
mit dem Sachbezugswert nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG pauschal versteuert wird (sozialversicherungsfrei) oder
mit dem Sachbezugswert individuell versteuert (und verbeitragt) wird.
Diese Aufzeichnungs- und Bescheinigungspflicht gilt unabhängig von der Anzahl der Mahlzeitengestellungen an den ArbN im Kj. Im Fall der Gewährung von Mahlzeiten, die keinen Arbeitslohn darstellen oder deren Preis 60 € übersteigt und die daher nicht mit dem amtlichen Sachbezugswert zu bewerten sind, besteht keine Pflicht im Lohnkonto den Großbuchstaben »M« aufzuzeichnen und zu bescheinigen.
Der ArbN kann für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten nach der Abwesenheitszeit von seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte gestaffelte Verpflegungspauschalen als WK ansetzen oder in entsprechender Höhe einen steuerfreien Arbeitgeberersatz erhalten (s.o.).
Nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG werden im Fall der vom ArbG oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten zur Verfügung gestellten Mahlzeiten die ermittelten Pauschalen typisierend gekürzt für
ein Frühstück um 20 % und
für ein Mittag- oder Abendessen jeweils um 40 %
des Betrags der Verpflegungspauschale für eine 24-stündige Abwesenheit. Dies entspricht im Inland einem Frühstück von 5,60 € sowie einem Mittag- und Abendessen von je 11,20 €. Die Kürzung führt zu einem Besteuerungsverzicht nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 73). Diese typisierende, pauschale Kürzung der Verpflegungspauschale ist tagesbezogen und maximal bis auf 0 € vorzunehmen.
Bei der Hingabe von Essenmarken durch den ArbG im Rahmen einer beruflichen Auswärtstätigkeit des ArbN handelt es sich innerhalb der Dreimonatsfrist nicht um eine vom ArbG gestellte Mahlzeit, sondern lediglich um eine Verbilligung der vom ArbN selbst veranlassten und bezahlten Mahlzeit. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist sind die an diese ArbN ausgegebenen Essenmarken (Essensgutscheine, Restaurantschecks) abweichend von R 8.1 Abs.7 Nr. 4 Buchst. a Satz 1 Doppelbuchst. dd LStR 2015 mit dem maßgebenden Sachbezugswert zu bewerten. Der Ansatz des Sachbezugswerts setzt voraus, dass die übrigen Voraussetzungen der R 8.1 Abs. 7 Nr. 4 Buchst. a LStR 2015 vorliegen; vgl. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rz. 76.
Die Kürzung gilt auch für die Teilnahme des ArbN an einer geschäftlich veranlassten Bewirtung i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG oder an einem außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte gewährten Arbeitsessen (R 19.6 Abs. 2 Satz 2 LStR), wenn der ArbG oder auf dessen Veranlassung ein Dritter die Mahlzeit zur Verfügung stellt. Es kommt nicht darauf an, ob Vorteile aus der Gestellung derartiger Mahlzeiten zum Arbeitslohn zählen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 82 und dort das Beispiel 55).
Auch ein vom ArbG zur Verfügung gestellter Snack oder Imbiss (z.B. belegte Brötchen, Kuchen, Obst), der während einer auswärtigen Tätigkeit gereicht wird, kann eine Mahlzeit sein, die zur Kürzung der Verpflegungspauschale führt. Eine feste zeitliche Grenze für die Frage, ob ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen zur Verfügung gestellt wird, gibt es nicht. Maßstab für die Einordnung ist vielmehr, ob die zur Verfügung gestellte Verpflegung an die Stelle einer der genannten Mahlzeiten tritt, die üblicherweise zu der entsprechenden Zeit eingenommen wird (BMF vom 25.11.2020, Rz. 74). Mit Schreiben vom 19.5.2015 (DStR 2015, 1188, LEXinform 5235603) nimmt das BMF u.a. zur Kürzung der Verpflegungspauschale Stellung und stellt fest, dass eine Kürzung der steuerlichen Verpflegungspauschale allerdings nur vorzunehmen ist, wenn es sich bei der vom ArbG gestellten Mahlzeit tatsächlich um ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen handelt. Es kommt daher für die steuerrechtliche Würdigung nicht allein darauf an, dass dem ArbN etwas Essbares vom ArbG zur Verfügung gestellt wird, sondern auch, ob es sich dabei um eine der im Gesetz genannten Mahlzeit handelt. So handelt es sich beispielsweise bei Kuchen, der anlässlich eines Nachmittagskaffees gereicht wird, nicht um eine der genannten Mahlzeiten und es ist keine Kürzung der Verpflegungspauschale vorzunehmen. Auch die z.B. auf innerdeutschen Flügen oder Kurzstrecken-Flügen gereichten kleinen Tüten mit Chips, Salzgebäck, Schokowaffeln, Müsliriegel oder vergleichbare andere Knabbereien erfüllen nicht die Kriterien für eine Mahlzeit und führen somit zu keiner Kürzung der Pauschalen. In der Praxis obliegt es vorrangig dem jeweiligen ArbG, zu beurteilen, inwieweit die von ihm angebotenen Speisen unter Berücksichtigung z.B. ihres jeweiligen Umfangs, des entsprechenden Anlasses oder der Tageszeit tatsächlich an die Stelle einer der genannten Mahlzeiten treten.
Beachte:
Mit Urteil vom 3.7.2019 (VI R 36/17, LEXinform 0951474) hat der BFH zur Kürzung der Verpflegungsmehraufwendungen wie folgt entschieden (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 58/2019 vom 19.9.2019, LEXinform 0450302): Im Streitfall hatte der ArbG seinen ArbN unbelegte Backwaren wie Brötchen und Rosinenbrot nebst Heißgetränken zum sofortigen Verzehr im Betrieb kostenlos bereitgestellt. Die ArbN sollten beim Verzehr der Backwaren und Heißgetränke in der Kantine zusammenkommen und sich über berufliche Angelegenheiten untereinander sowie mit der »Führungsetage« austauschen. Das FA sah in dieser Zuwendung ein Frühstück, das mit den amtlichen Sachbezugswerten zu versteuern sei.
Mit Urteil vom 12.12.2017, 5 K 432/17, hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anzusetzende Verpflegungsmehraufwand gem. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen ist, wenn und soweit einem Berufssoldaten vom ArbG in der Kaserne eine Gemeinschaftsverpflegung unentgeltlich angeboten wird. Das gilt auch dann, wenn der Soldat an einzelnen Mahlzeiten der Gemeinschaftsverpflegung (im Streitfall: morgens und abends) generell tatsächlich nicht teilnimmt. Die Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG ist immer dann vorzunehmen, wenn der ArbG dem ArbN im zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder unmittelbar während der Arbeit eine Mahlzeit zur Verfügung stellt.
Ob die vom ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit vom ArbN tatsächlich eingenommen wird oder die Aufwendungen für die vom ArbG gestellte Mahlzeit niedriger sind als der jeweilige pauschale Kürzungsbetrag, ist für die Kürzung der Verpflegungspauschalen unbeachtlich. Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit durch den ArbG (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i.S.v. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert nicht, dass der ArbN die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt. Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenfalls unerheblich. Die Kürzung der Verpflegungspauschalen war auch in Bezug auf Frühstück und Abendessen gerechtfertigt, obwohl der Kläger diese Mahlzeiten nicht in der Kaserne eingenommen hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es aus, dass die Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Dies erfordert aber nicht, dass die Mahlzeiten auch tatsächlich eingenommen werden. FG und BFH sind insoweit der Auffassung des BMF im Schreiben vom 24.10.2014 (BStBl I 2014, 1412 Rz. 75) gefolgt. Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenso unerheblich, wie der Umstand, dass der Kläger nicht verpflichtet war, an der vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten Gemeinschaftsverpflegung in der Kaserne teilzunehmen; BFH vom 7.7.2020, VI R 16/18, BStBl II 2020, 783. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der ArbG des Klägers, die Bundeswehr, stellte dem Kläger Mahlzeiten zur Verfügung. Der Kläger hat bei Inanspruchnahme eines Mittag- und Abendessens jeweils eine Zuzahlung von 3 €, bei Inanspruchnahme eines Frühstücks eine Zuzahlung von 1,63 € zu leisten. Nahm der Kläger keine Mahlzeit ein bzw. nur ein Mittagessen, wurde ihm hierfür 150 % des Sachbezugs als stpfl. Trennungsgeld ausbezahlt. Der Kläger hat im Streitjahr nur das Mittagessen in der Kaserne eingenommen.
Beispiel 42:
Der ArbN A ist von 9.00 Uhr bis 18.00 auswärts bei verschiedenen Kunden beruflich tätig. In der Mittagspause kauft er sich eine Pizza und ein Wasser für 8 €.
Lösung 42:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 47 in Rz. 75).
Da A anlässlich einer eintägigen beruflichen Auswärtstätigkeit mehr als acht Stunden von seiner Wohnung abwesend ist, könnte er eine Verpflegungspauschale von 14 € beanspruchen. Würde A die Rechnung für die mittags verzehrte Pizza und das Wasser seinem ArbG vorlegen und von diesem erstattet bekommen, könnte A neben 8 € Erstattungsbetrag nur noch eine gekürzte Verpflegungspauschale von 2,80 € (14 € ./. 11,20 €) beanspruchen.
Die Kürzung des Werbungskostenabzugs ist auch dann vorzunehmen, wenn
der ArbG die dem ArbN zustehende Reisekostenvergütung lediglich gekürzt ausbezahlt oder
der ArbG den amtlichen Sachbezugswert der Mahlzeit pauschal besteuert hat.
Beispiel 43:
Der ArbN nimmt an einer eintägigen Fortbildungsveranstaltung teil. Der ArbG hat für den ArbN auf dieser Fortbildungsveranstaltung ein Mittagessen gebucht und bezahlt. Der ArbG besteuert das Mittagessen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG pauschal, da er keine Aufzeichnungen über die Abwesenheit des ArbN führt. Der ArbN erhält vom ArbG keine weiteren Reisekostenerstattungen.
Lösung 43:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 53 in Rz. 79).
Der ArbN kann anhand seiner Bahntickets gegenüber dem FA nachweisen, dass er für die Fortbildung insgesamt zehn Stunden von seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte abwesend war. Er kann für die Fortbildung folgende Verpflegungspauschalen als WK abziehen:
Eintägige Auswärtstätigkeit: |
14,00 € |
Kürzung: |
|
1 Mittagessen: 1 × (40 % von 28 € =) 11,20 € |
./. 11,20 € |
Verbleiben an WK |
2,80 € |
Der Umstand, dass der ArbN die Lebensmittel durch Zwischenschaltung eines Vereins selbst bezahlt, schließt eine Mahlzeitengestellung nicht aus. § 9 Abs. 4a Satz 10 EStG regelt für den Fall, dass der ArbN für die Mahlzeit ein Entgelt bezahlt, dass dieser Betrag den Kürzungsbetrag mindert. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit einer Mahlzeitengestellung auch dann ausgeht, wenn der Stpfl. hierzu eine Zahlung leistet. Tatsächlich beschränkt sich der Eigenbeitrag des Klägers auch auf eine reine »Geldzahlung«. Der Kläger beschafft weder etwas persönlich, noch hat er Einfluss darauf, welche Gerichte zubereitet und zur Verfügung gestellt werden. Nach den schriftlichen Darstellungen und den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung macht dies vielmehr der – vom ArbG bezahlte – Schiffskoch; vgl. Niedersächsisches FG vom 27.11.2019, 1 K 167/17.
Hat der ArbN für die Mahlzeit ein Entgelt gezahlt, mindert dieser Betrag den Kürzungsbetrag (§ 9 Abs. 4a Satz 10 EStG). Die Kürzung des Werbungskostenabzugs ist auch dann vorzunehmen, wenn der ArbG die dem ArbN zustehende Reisekostenvergütung lediglich gekürzt ausbezahlt. Nur ein für die Gestellung der Mahlzeit vereinbartes und vom ArbN tatsächlich gezahltes Entgelt mindert den Kürzungsbetrag. Es ist hierbei nicht zu beanstanden, wenn der ArbG das für die Mahlzeit vereinbarte Entgelt im Rahmen eines abgekürzten Zahlungsweges unmittelbar aus dem Nettolohn des ArbN entnimmt. Gleiches gilt, wenn der ArbN das Entgelt im Wege der Verrechnung aus der dem ArbN dienst- oder arbeitsrechtlich zustehenden Reisekostenerstattung entnimmt (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 77). Eine Verminderung der steuerfreien Reisekostenerstattung (einseitige Kürzung des Tagegeldanspruchs) führt hingegen nicht zu einer Minderung des Kürzungsbetrages (BFH Urteil vom 24.3.2011, VI R 11/10, BStBl II 2011, 829).
Beispiel 44:
Der ArbN ist auf einer dreitägigen Auswärtstätigkeit. Der ArbG hat für den ArbN in einem Hotel zwei Übernachtungen jeweils mit Frühstück sowie je ein Mittag- und ein Abendessen gebucht und bezahlt. Der ArbN erhält vom ArbG keine weiteren Reisekostenerstattungen.
Lösung 44 (VZ 2020):
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 48 in Rz. 76).
Der ArbN kann für die Auswärtstätigkeit folgende Verpflegungspauschalen als WK geltend machen:
Anreisetag |
14,00 € |
||
Zwischentag |
28,00 € |
||
Kürzung: |
Frühstück |
./. 5,60 € |
|
Mittagessen |
./. 11,20 € |
||
Abendessen |
./. 11,20 € |
||
verbleiben für Zwischentag |
0,00 € |
||
Abreisetag |
14,00 € |
||
Kürzung: |
Frühstück |
./. 5,60 € |
|
verbleiben für den Abreisetag |
8,40 € |
||
Verbleiben an WK |
22,40 € |
Der ArbG muss keinen geldwerten Vorteil für die Mahlzeiten versteuern (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG).
Abwandlung:
Der Preis für das Mittagessen beträgt 70 €.
Beim Mitarbeiter ändert sich der Werbungskostenabzug i.H.v. 22,40 € nicht.
Da der Preis für das Mittagessen die 60 €-Grenze des § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG überschreitet, ist die Mahlzeit mit dem Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten und lohnsteuerpflichtig. Eine Pauschalversteuerung i.S.d. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG ist nicht zulässig, da die Mahlzeit nicht mit dem Sachbezugswert anzusetzen ist.
Beispiel 45:
ArbN D führt eine eintägige Auswärtstätigkeit aus und ist dabei 3 Stunden vom Betrieb abwesend. Der ArbG zahlt nach der betrieblichen Reisekostenregelung eine Vergütung für Verpflegungsmehraufwand von 5 €. Weitere Vergütungen werden nicht erstattet.
Lösung 45:
Die zulässigen steuerfreien Verpflegungsmehraufwendungen betragen |
0,00 € |
für die Pauschalierung mit 25 % zulässiger Betrag (100 %) |
0,00 € |
tatsächlich übersteigender Betrag |
5,00 € |
Der Betrag von 5,00 € überschreitet die 100 %-Grenze um 5 €. Eine Pauschalierung mit 25 % ist nicht möglich. Die Vergütung ist individuell zu versteuern.
Beispiel 46:
ArbN C führt von Montag 18 Uhr bis Mittwoch 12 Uhr eine Auswärtstätigkeit durch. Er fährt dabei 500 km mit dem eigenen Pkw. An Hotelkosten inkl. Frühstück fallen 2 × 80 € an. Die Hotelrechnung ist auf den ArbG ausgestellt. Ein Sammelposten ist i.H.v. 32 € (20 % von 160 €) in der Rechnung ausgewiesen. Das Mittag- und Abendessen hat der ArbN selbst bezahlt. Der ArbG erstattet folgende Beträge:
Kilometergeld 500 km × 0,28 € |
140,00 € |
Hotelkosten inkl. Frühstück |
160,00 € |
Verpflegungsmehraufwand |
42,00 € |
Insgesamt |
342,00 € |
Lösung 46 (für Kj. ab 2020):
Der ArbG hat keinen geldwerten Vorteil für die Mahlzeiten zu versteuern, da beim ArbN für bei ihm entstandene Mehraufwendungen für Verpflegung ein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 4a Satz 1 bis 7 EStG in Betracht käme.
Der ArbN könnte folgende Reisekosten geltend machen:
Kilometergeld 500 km × 0,30 € |
150,00 € |
|
Hotelkosten lt. Beleg ohne Frühstück (160 € abzgl. Sammelposten von 32 € =) 128 |
128,00 € |
|
Sammelposten 32 € abzgl. Frühstück (20 % von 28 € = 5,60 € × 2), Reisenebenkosten = |
20,80 € |
|
Verpflegungsmehraufwand für |
||
Montag 6 Stunden; Anreisetag (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
14,00 € |
|
Dienstag für 24 Stunden |
28,00 € |
|
Mittwoch 12 Stunden; Abreisetag (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
14,00 € |
|
Insgesamt |
56,00 € |
|
Kürzung Frühstück (§ 9 Abs. 4a Satz 8 Nr. 1 EStG) 2 × 5,60 € |
./. 11,20 € |
|
Verbleiben als Mehraufwendungen für Verpflegung |
44,80 € |
44,80 € |
WK des ArbN insgesamt |
343,60 € |
|
Der ArbG kann nach § 3 Nr. 16 EStG insgesamt folgende Beträge steuerfrei erstatten: |
||
Kilometergeld 500 km × 0,30 € |
150,00 € |
|
Hotelkosten lt. Beleg ohne Frühstück (160 € abzgl. Sammelposten von 32 € =) 128 |
128,00 € |
|
Sammelposten 32 € abzgl. Frühstück (20 % von 28 € = 5,60 € × 2), Reisenebenkosten = |
20,80 € |
|
Verpflegungsmehraufwand |
44,80 € |
|
Insgesamt |
343,60 € |
|
tatsächlich erstattet |
342,00 € |
|
Steuerpflichtig |
1,60 € |
|
für die Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG mit 25 % zulässiger Betrag (100 % von 56,00 € – Verpflegungspauschalen ohne Kürzung) |
56,00 € |
|
tatsächlich übersteigender Betrag |
1,60 € |
Der Betrag von 1,60 € überschreitet die 100 %-Grenze nicht. Er kann deshalb in voller Höhe mit 25 % pauschal versteuert werden (s.a. R 40.2 Abs. 4 LStR).
Die LSt kann mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erhoben werden, wenn dem ArbN Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich einer Auswärtstätigkeit i.S.v. § 9 Abs. 4a Satz 3 bis 6 EStG gezahlt werden, soweit diese die danach dem ArbN zustehenden Verpflegungspauschalen ohne Anwendung der Kürzungsregelung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 bis 10 EStG um nicht mehr als 100 % übersteigen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 58). Soweit nach Ablauf der Dreimonatsfrist eine steuerfreie Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen nicht mehr möglich ist, kommt eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht in Betracht (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 59).
Bei gemischt veranlassten Reisen sind die Kosten in einen beruflich veranlassten Anteil und einen den Kosten der Lebensführung zuzurechnenden Anteil aufzuteilen (s.o.). Dies gilt auch für die Verpflegungsmehraufwendungen. Stellt der ArbG im Rahmen einer gemischt veranlassten Reise Mahlzeiten zur Verfügung, ist die Kürzung der Verpflegungspauschalen nach Ermittlung des beruflich veranlassten Teils der Verpflegungspauschalen vorzunehmen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 90).
Beispiel 47:
ArbN A nimmt an einer einwöchigen vom ArbG organisierten und finanzierten Reise im Inland teil. Das Programm sieht morgens eine Fortbildungsmaßnahme vor, der Nachmittag steht für touristische Aktivitäten zur Verfügung. Frühstück und Abendessen sind inklusive (Halbpension). Fahrtkosten und Übernachtungskosten sind unstreitig zu 50 % als WK zu berücksichtigen.
Lösung 47:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 59 in Rz. 90).
Folgende Auswirkungen ergeben sich durch die gemischte Veranlassung der Reise auf die steuerliche Berücksichtigung des Verpflegungsmehraufwands:
Die Verpflegungsmehraufwendungen sind – wie die übrigen Reisekosten – nur zu 50 % beruflich veranlasst.
Anreisetag: |
14,00 € × 50 % = |
7,00 € |
|
Kürzung: |
11,20 € |
||
verbleibt |
0,00 € |
||
5 Zwischentage je 28,00 € × 50 % = |
je 14,00 € |
||
Kürzung je 5,60 € und je 11,20 € = |
je 16,80 € |
||
verbleibt 5 × 0,00 € = |
0,00 € |
||
Abreisetag: |
14,00 € × 50 % |
7,00 € |
|
Kürzung: |
5,60 € |
||
verbleibt |
1,40 € |
Der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anzusetzende Verpflegungsmehraufwand (§ 9 Abs. 4a Satz 12 i.V.m. Satz 1 bis 3 EStG) ist gem. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen, wenn und soweit einem Berufssoldaten vom ArbG in der Kaserne eine Gemeinschaftsverpflegung unentgeltlich angeboten wird. Das gilt auch dann, wenn der Soldat an einzelnen Mahlzeiten der Gemeinschaftsverpflegung (im Streitfall: morgens und abends) generell tatsächlich nicht teilnimmt. Die Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG ist immer dann vorzunehmen, wenn der ArbG dem ArbN im zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder unmittelbar während der Arbeit eine Mahlzeit zur Verfügung stellt (FG Baden-Württemberg Urteil vom 12.12.2017, 5 K 432/17, EFG 2018, 1533, LEXinform 5021337, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 16/18, LEXinform 0951893; s.a. Anmerkung vom 14.8.2018, LEXinform 0653503). In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 7.7.2020, VI R 16/18, dass die Verpflegungspauschalen auch dann zu kürzen sind, wenn der ArbG dem ArbN Mahlzeiten zur Verfügung stellt, diese vom ArbN aber nicht eingenommen werden. Die Entscheidung folgt dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Sie betrifft nicht nur Soldaten oder ArbN, die an einer Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen können, sondern Stpfl. aller Berufsgruppen. Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit unerheblich. Stellt der ArbG dem ArbN Mahlzeiten zur Verfügung, konnte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass dem ArbN insoweit für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Es ist daher nur folgerichtig, in einem solchen Fall die ebenfalls im Wege der Typisierung festgelegten Verpflegungspauschalen (anteilig) zu kürzen, wie dies § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG anordnet. Die Kürzung der Verpflegungspauschalen war auch in Bezug auf Frühstück und Abendessen gerechtfertigt, obwohl der Kläger diese Mahlzeiten nicht in der Kaserne eingenommen hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es aus, dass die Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Dies erfordert aber nicht, dass die Mahlzeiten auch tatsächlich eingenommen werden. FG und BFH sind insoweit der Auffassung des BMF im Schreiben vom 24.10.2014 (BStBl I 2014, 1412 Rz. 75) gefolgt. Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit ebenso unerheblich, wie der Umstand, dass der Kläger nicht verpflichtet war, an der vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten Gemeinschaftsverpflegung in der Kaserne teilzunehmen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der ArbG des Klägers, die Bundeswehr, stellte dem Kläger Mahlzeiten zur Verfügung. Der Kläger hat bei Inanspruchnahme eines Mittag- und Abendessens jeweils eine Zuzahlung von 3 €, bei Inanspruchnahme eines Frühstücks eine Zuzahlung von 1,63 € zu leisten. Nahm der Kläger keine Mahlzeit ein bzw. nur ein Mittagessen, wurde ihm hierfür 150 % des Sachbezugs als stpfl. Trennungsgeld ausbezahlt. Der Kläger hat im Streitjahr nur das Mittagessen in der Kaserne eingenommen.
Der Unternehmer (ArbG) kann den Vorsteuerabzug aus Verpflegungskosten seiner ArbN nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die Verpflegungsleistungen anlässlich einer unternehmerisch bedingten Auswärtstätigkeit des ArbN vom ArbG empfangen und in voller Höhe getragen werden. Außerdem müssen die Verpflegungsaufwendungen durch Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis auf den Namen des Unternehmers bzw. durch Kleinbetragsrechnungen bis 250 € i.S.d. § 33 UStDV belegt sein. Das bedeutet, dass der Unternehmer – und nicht der ArbN – Leistungsempfänger der Verpflegungsleistungen der Restaurants usw. sein muss. Damit der Unternehmer Leistungsempfänger wird, ist es erforderlich, dass der Unternehmer die Speisen und Getränke entweder selbst bestellt oder aber – bei einer Bestellung durch den ArbN – dass die Speisen und Getränke mit rechtlicher Wirkung für das Unternehmen bestellt werden (vgl. Abschn. 15.2b. Abs. 1 UStAE). Wenn das Unternehmen die Aufwendungen für die Verpflegung der ArbN nicht in voller Höhe trägt, geht die Verwaltung offensichtlich davon aus, dass die Speisen und Getränke vom ArbN – nicht jedoch vom Unternehmen – empfangen worden sind und lässt in diesen Fällen den Vorsteuerabzug nicht zu. Deshalb reicht es für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nicht aus, dass Rechnungen über die Verpflegungskosten vorliegen. Die darin in Rechnung gestellten Beträge müssen außerdem in voller Höhe vom ArbG getragen (bezahlt) worden sein (Abschn. 1.8. Abs. 13 UStAE). Wenn die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug aus Restaurantrechnungen usw. in voller Höhe in Anspruch nehmen. Die fiktive Weitergabe der Speisen und Getränke vom ArbG an den ArbN braucht nicht als unentgeltliche Wertabgabe (Sachleistung) i.S.d. § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 UStG besteuert zu werden. Die Verwaltung sieht die in voller Höhe übernommenen Verpflegungsleistungen des ArbG an den ArbN während einer Auswärtstätigkeit offensichtlich – der Höhe nach unbegrenzt – als eine nicht umsatzsteuerbare Leistung im überwiegend betrieblichen Interesse des ArbG an (vgl. Abschn. 1.8. Abs. 4 UStAE). Dies gilt allerdings nur für Verpflegungsleistungen während einer Auswärtstätigkeit des ArbN.
In § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a EStG wird die Abziehbarkeit der beruflich veranlassten Unterkunftskosten während einer Tätigkeit außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte (auswärtige berufliche Tätigkeit, Auswärtstätigkeit) gesetzlich geregelt. Übernachtungskosten sind die tatsächlichen Aufwendungen für die persönliche Inanspruchnahme einer Unterkunft zur Übernachtung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a Satz 2 EStG; BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 115 ff.). Sie können geschätzt werden, wenn sie dem Grunde nach zweifelsfrei entstanden sind (H 9.7 [Übernachtungskosten] LStH). So können Berufskraftfahrer, die in der Schlafkabine des Lkw übernachten, keinen pauschalen Werbungskostenabzug beanspruchen, sondern müssen Übernachtungsnebenkosten für die Benutzung von sanitären Einrichtungen glaubhaft machen. Liegen Einzelnachweise nicht vor, ist zu schätzen. Hierbei ist davon auszugehen, dass typischerweise bestimmte Kosten, wie z.B. für Dusche, Toilette, Reinigung der Schlafgelegenheit, entstehen (BFH Urteil vom 28.3.2012, VI R 48/11, BStBl II 2012, 926; Pressemitteilung des BFH Nr. 37/12 vom 30.5.2012, LEXinform 0437990). Zum Nachweis der Übernachtungsnebenkosten und zur Anwendung des BFH-Urteils vom 28.3.2012 (VI R 48/11, BStBl II 2012, 926) s.a. BMF vom 4.12.2012 (BStBl I 2012, 1249; s.u. den Gliederungspunkt »Reisenebenkosten«).
Zu den Unterkunftskosten zählen z.B. Kosten für die Nutzung eines Hotelzimmers, Mietaufwendungen für die Nutzung eines (ggf. möblierten) Zimmers oder einer Wohnung sowie Nebenleistungen (z.B. Kultur- und Tourismusförderabgabe, Kurtaxe/Fremdenverkehrsabgabe, bei Auslandsübernachtungen die besondere Kreditkartengebühr bei Zahlungen in Fremdwährungen). Als WK können lediglich die tatsächlich entstandenen Übernachtungskosten und keine Pauschalen abgezogen werden.
Kosten für Mahlzeiten gehören zu den Aufwendungen des ArbN für die Verpflegung und sind nur nach Maßgabe des § 9 Abs. 4a EStG abziehbar. Wird durch Zahlungsbelege nur ein Gesamtpreis für Unterkunft und Verpflegung nachgewiesen und lässt sich der Preis für die Verpflegung nicht feststellen (z.B. Tagungspauschale), ist der Gesamtpreis zur Ermittlung der Übernachtungskosten wie folgt zu kürzen:
für Frühstück um 20 %,
für Mittag- und Abendessen um jeweils 40 %
des für den Unterkunftsort maßgebenden Pauschbetrags für Verpflegungsmehraufwendungen bei einer Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheitsdauer von mindestens 24 Stunden (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 118).
Beispiel 48:
Eine inländische Hotelrechnung lautet:
Übernachtung mit Frühstück |
96,50 € |
Lösung 48:
Die Übernachtungskosten sind wie folgt zu ermitteln:
Übernachtung mit Frühstück |
96,50 € |
abzgl. 20 % von 28 € = |
./. 5,60 € |
Übernachtungskosten |
90,90 € |
Beispiel 49:
In einer Hoteltagungspauschale von 150 € sind das Frühstück und das Mittagessen enthalten.
Lösung 49:
Hoteltagungspauschale |
150,00 € |
abzgl. 20 % von 28 € für das Frühstück |
./. 5,60 € |
abzgl. 40 % von 28 € für das Mittagessen |
./. 11,20 € |
Übernachtungskosten |
133,20 € |
Beispiel 50:
Der ArbN übernachtet während einer zweitägigen Auswärtstätigkeit im Hotel. Die Rechnung des Hotels ist auf den Namen des ArbG ausgestellt. Das Hotel rechnet eine Übernachtung mit Frühstück wie folgt ab:
Pauschalarrangement |
70,00 € |
Lösung 50:
S.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Beispiel 65 und 66 in Rz. 118).
Der ArbG hat folgende Möglichkeiten:
Zur Ermittlung der Übernachtungskosten kann der Gesamtpreis um 5,60 € (20 % von 28 € für die auf das Frühstück entfallenden anteiligen Kosten) gekürzt werden. Der verbleibende Betrag von 64,40 € kann vom ArbG dann als Übernachtungskosten steuerfrei erstattet werden. Für den An- und Abreisetag stehen dem ArbN Verpflegungspauschalen von 28 € (je 14 € für den An- und Abreisetag) zu. Die Verpflegungspauschale für den Abreisetag ist nicht zu kürzen (um 5,60 € für das Frühstück), wenn der ArbG dem ArbN lediglich die 64,40 € als Übernachtungskosten erstattet. Insgesamt kann der ArbG somit 92,40 € steuerfrei erstatten (64,4 € Unterkunft plus 28 € Verpflegung).
Erstattet der ArbG dem ArbN hingegen den Gesamtpreis von 70 € (also einschließlich Frühstück), wären die Verpflegungspauschalen zu kürzen auf einen Betrag von 22,40 € für Verpflegung. Insgesamt könnte der ArbG somit 92,40 € steuerfrei erstatten (70 € Unterkunft und Frühstück plus 22,40 € Verpflegung). Die Berechnungen führen somit immer zum gleichen Ergebnis, egal, von welchem Betrag der pauschale Einbehalt bzw. die pauschale Kürzung erfolgt.
Abwandlung:
Die Rechnung des Hotels ist auf den Namen des ArbN ausgestellt.
Lösung:
Auch in diesem Fall kann der ArbG insgesamt höchstens 92,40 € steuerfrei erstatten (64,40 € Unterkunft plus 28 € Verpflegung).
Die tatsächlichen Übernachtungskosten können bei einer Auswärtstätigkeit als Reisekosten angesetzt und als Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie nicht vom ArbG nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG steuerfrei ersetzt werden (R 9.7 Abs. 2 LStR).
Die Anerkennung von Unterkunftskosten im Rahmen einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit erfordert, dass noch eine andere Wohnung besteht, an der der ArbN seinen Lebensmittelpunkt hat, ohne dass dort jedoch ein eigener Hausstand vorliegen muss. Für die Berücksichtigung von Unterkunftskosten anlässlich einer Auswärtstätigkeit wird somit – anders als bei der doppelten Haushaltsführung – nicht vorausgesetzt, dass der ArbN eine Wohnung aus eigenem Recht oder als Mieter innehat und eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung leistet. Es genügt, wenn der ArbN z.B. im Haushalt der Eltern ein Zimmer bewohnt.
Ist die Unterkunft am auswärtigen Tätigkeitsort die einzige Wohnung/Unterkunft des ArbN, liegt kein beruflich veranlasster Mehraufwand vor (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 120).
Soweit höhere Übernachtungskosten anfallen, weil der ArbN eine Unterkunft gemeinsam mit Personen nutzt, die in keinem Dienstverhältnis zum selben ArbG stehen, sind nur diejenigen Aufwendungen anzusetzen, die bei alleiniger Nutzung durch den ArbN angefallen wären. Nicht abziehbar sind somit Mehrkosten, die aufgrund der Mitnutzung der Übernachtungsmöglichkeit durch eine Begleitperson entstehen, insbes. wenn die Begleitung privat und nicht beruflich veranlasst ist. Bei Mitnutzung eines Mehrbettzimmers (z.B. Doppelzimmer) können die Aufwendungen angesetzt werden, die bei Inanspruchnahme eines Einzelzimmers im selben Haus entstanden wären (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 121).
Beruflich veranlasste Unterkunftskosten im Rahmen einer längerfristigen Auswärtstätigkeit an ein und derselben auswärtigen Tätigkeitsstätte sind im Zeitraum von 48 Monaten unbeschränkt als WK abzugsfähig. Nach diesem Zeitraum werden sie nur noch bis zur Höhe der vergleichbaren Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als WK berücksichtigt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a Satz 4 i.V.m. Nr. 5 EStG). Nach Ablauf von 48 Monaten können die tatsächlich entstandenen Übernachtungskosten nur noch bis zur Höhe von 1 000 € monatlich als WK geltend gemacht oder steuerfrei vom ArbG erstattet werden.
Eine berufliche Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte liegt nur vor, wenn der ArbN an dieser regelmäßig mindestens an drei Tagen wöchentlich tätig werden soll oder tätig wird. Die 48-Monatsfrist ist daher nicht zu prüfen, wenn die auswärtige Tätigkeitsstätte nur an zwei Tagen wöchentlich aufgesucht werden soll oder aufgesucht wird. Eine Unterbrechung von weniger als sechs Monaten, z.B. wegen Urlaubs, Krankheit, beruflicher Tätigkeit an einer anderen Tätigkeitsstätte, führt nicht zu einem Neubeginn der 48-Monatsfrist. Die Prüfung des Unterbrechungszeitraums und des Ablaufs der 48-Monatsfrist erfolgt stets im Nachhinein mit Blick auf die zurückliegende Zeit (Ex-post-Betrachtung; BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 123 ff.).
Nutzt der ArbN eine Unterkunft zusammen mit einer oder mehreren Personen, die zu seinem ArbG in keinem Dienstverhältnis stehen, ist nur der auf den ArbN entfallende Anteil beruflich veranlasst und damit als WK abziehbar. Bei Nutzung eines Mehrbettzimmers können der Einfachheit halber die Aufwendungen angesetzt werden, die bei Inanspruchnahme eines Einzelzimmers im selben Haus entstanden wären (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 121).
Im Rahmen des Werbungskostenabzugs können lediglich die tatsächlich entstandenen Übernachtungskosten und keine Pauschalen berücksichtigt werden.
Beispiel 51:
Ein ArbN ist in der sich an seinem Wohnort befindlichen ersten Tätigkeitsstätte an zwei Tagen in der Woche tätig. An den anderen drei Tagen betreut er aufgrund arbeitsrechtlicher Festlegungen eine 200 km entfernte Filiale. Dort übernachtet er regelmäßig zweimal wöchentlich.
Lösung 51:
Da der ArbN längerfristig infolge seiner beruflichen Tätigkeit an drei Tagen in der Woche an derselben Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist, tätig wird und dort übernachtet, können die ihm tatsächlich entstehenden Übernachtungskosten nach Ablauf von 48 Monaten nur noch bis zur Höhe von 1 000 € monatlich als WK geltend gemacht oder steuerfrei erstattet werden.
Maßgeblich für den Beginn der 48-Monatsfrist ist der jeweilige Beginn der längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte im Inland.
Zur Höchstbetragsbegrenzung bei den Unterkunftskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung hat der BFH mit Urteil vom 4.4.2019 (VI R 18/17, BFH/NV 2019, 870, LEXinform 0951311) gegen die Verwaltungsregelung im BMF-Schreiben vom 24.10.2014 (BStBl I 2014, 1412, Rz. 104) entschieden, dass Kosten für Einrichtungsgegenstände und Hausrat nicht zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft gehören, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG mit höchstens 1 000 € im Monat angesetzt werden können. Es handelt sich vielmehr um sonstige Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung, die unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als WK abziehbar sind. Wird die Zweitwohnung oder -unterkunft möbliert angemietet, überschreitet die Miete den Höchstbetrag und enthält der Mietvertrag keine Aufteilung der Miete für die Überlassung der Wohnung und der Einrichtung und Ausstattung, ist die Miete im Schätzwege aufzuteilen (BFH vom 4.4.2019, VI R 18/17, BStBl II 2019, 449).
Stellplatzkosten im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung gehören auch nach der gesetzlichen Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu den sonstigen (in voller Höhe abziehbaren) Mehraufwendungen; vgl. Niedersächsisches FG vom 16.3.2023, 10 K 202/22 (beachte hierzu aber FG Saarland vom 20.5.2020, 2 K 1251/17; FG Mecklenburg-Vorpommern vom 21.9.2022, 3 K 48/22).
Die Kosten für die Unterkunft können vom ArbG stets in der tatsächlichen entstandenen und nachgewiesenen Höhe oder – wie bisher – ohne Einzelnachweis mit einem Pauschbetrag von 20 € steuerfrei erstattet werden (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 128).
Beispiel 52:
Anlässlich einer zweitägigen Dienstreise im Kj. 2018 bucht der ArbN in einem Hotel ein Einzelzimmer mit Frühstück. Er erhält vom Hotel folgende Rechnung:
Übernachtung Einzelzimmer |
85,00 € |
zzgl. USt 7 % |
5,95 € |
Frühstück |
12,00 € |
zzgl. USt 19 % |
2,28 € |
Gesamtbetrag |
105,23 € |
Lösung 52:
S.a. das Beispiel 10 in dem Beitrag von Plenker u.a., DB 2008, 1822.
Der ArbG kann die Übernachtungskosten i.H.v. 90,95 € steuerfrei erstatten.
Der ArbN kann für die Auswärtstätigkeit folgende Verpflegungspauschale als WK geltend machen:
Pauschbetrag nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG: jeweils 12 € für den An- und Abreisetag |
24,00 € |
Die Verpflegungspauschale ist nicht zu kürzen. |
Ab 1.1.2014 kann der ArbG Mehraufwendungen für Verpflegung i.H.v. 24,00 € zzgl. 90,95 € Unterkunft steuerfrei erstatten.
Bei Übernachtungen im Ausland dürfen die Übernachtungskosten ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Aufwendungen mit Pauschbeträgen (Übernachtungsgelder) steuerfrei erstattet werden.
Die Pauschbeträge 2021 sind im BMF-Schreiben vom 3.12.2020, BStBl I 2020, 1256 enthalten.
Das BMF hat die Übersicht über die ab 1.1.2022 geltenden Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten im Ausland bekannt gemacht. Pandemiebedingt wurden die Auslandstage- und Auslandsübernachtungsgelder nach dem Bundesreisekostengesetz zum 1.1.2022 nicht neu festgesetzt. Die mit BMF-Schreiben v 3.12.2020 veröffentlichten Beträge gelten somit für das Kj. 2022 unverändert fort. Ein entsprechender Hinweis zu den ab 1.1.2022 geltenden Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten im Ausland wurde auch auf der Homepage des BMF veröffentlicht.
Aufgrund des § 9 Abs. 4a Satz 5 ff. EStG werden im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder die in der anliegenden Übersicht ausgewiesenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten für beruflich und betrieblich veranlasste Auslandsdienstreisen ab 1.1.2021 bekannt gemacht.
Die Erstattung der Übernachtungskosten durch den ArbG ist steuerfrei (H 9.7 [Steuerfreiheit der Arbeitgebererstattungen] LStH)
aus öffentlichen Kassen in voller Höhe (§ 3 Nr. 13 EStG),
bei ArbG außerhalb des öffentlichen Dienstes nach § 3 Nr. 16 EStG bis zur Höhe der tatsächlichen Aufwendungen oder bis zur Höhe der maßgebenden Pauschbeträge.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG unterliegen die Vermietung und Verpachtung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (→ Restaurationsumsätze; → Steuersätze bei der Umsatzsteuer). Dies gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind. Die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG bezeichneten Umsätze sind nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG von der Steuerbefreiung ausgenommen.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gilt die Steuerermäßigung nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot). Der Grundsatz, dass eine (unselbstständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, wird von diesem Aufteilungsgebot verdrängt. Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gesetzlich normierte Aufteilungsgebot für einheitliche Leistungen geht den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung vor (BFH Urteil vom 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, 86; Abschn. 12.16. Abs. 8 Satz 2 und 3 UStAE). Beachte zur Problematik aber auch die EuGH-Vorlage zum Aufteilungsgebot beim ermäßigten Steuersatz bei unselbstständiger Nebenleistung zur Beherbergung (hier Parkplätze, Fitness- und Wellnesseinrichtungen, WLAN), BFH Beschluss vom 10.1.2024, XI R 14/23.
Die Beherbergungsleistungen sind aus umsatzsteuer- und lohnsteuerrechtlicher Sicht wie folgt zu behandeln:
Rechnungserteilungspflicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Aufschlüsselung der Rechnung u.a. nach Steuersätzen (Abschn. 12.16. UStAE) |
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19 % |
7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) |
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Hinweis: Die markierten Positionen können zu einem Sammelposten zusammengefasst werden (s.u. zu b). Keine Beherbergungsleistungen sind (Abschn. 12.16. Abs. 5 UStAE): |
Beherbergungsleistungen (Abschn. 12.16. Abs. 4 UStAE): |
|
Die Steuerermäßigung gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot). Hierzu zählen insbes. (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 10 und Abschn. 12.16. Abs. 8 UStAE):
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a. |
Wird für Leistungen, die nicht von der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG erfasst werden, kein gesondertes Entgelt berechnet, ist deren Entgeltanteil zu schätzen. Schätzungsmaßstab kann hierbei beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags sein (Abschn. 12.16. Abs. 11 UStAE). |
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b. |
Aus Vereinfachungsgründen kann für folgende Leistungen ein Sammelposten gebildet werden (Abschn. 12.16. Abs. 12 UStAE):
Es wird nicht beanstandet, wenn der auf diese Leistungen entfallende Entgeltanteil mit 15 % des Pauschalpreises angesetzt wird. Für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) gilt dies für den in der Rechnung anzugebenden Steuerbetrag entsprechend. Die in einem Pauschalangebot enthaltenen nicht begünstigten Leistungen werden in der Rechnung zu einem Sammelposten (z.B. Business-Package, Servicepauschale) zusammengefasst und der darauf entfallende Entgeltanteil in einem Betrag ausgewiesen. |
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Lohnsteuerrechtliche Behandlung |
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a. |
Frühstück, Mittag- und Abendessen sind grundsätzlich in der Rechnung gesondert ausgewiesen. Eine Kürzung ist nicht erforderlich. |
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b. |
Wurde ein Pauschalentgelt (z.B. Tagungspauschale) in der Rechnung ausgewiesen, ist der Rechnungsbetrag zur Ermittlung der Übernachtungskosten
der für den Unterkunftsort maßgebenden Verpflegungspauschale bei einer Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheitsdauer von mindestens 24 Stunden anzusetzen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228Rz. 118). |
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c. |
Ist in einer Rechnung neben der Beherbergungsleistung ein Sammelposten für andere, dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegende Leistungen einschließlich Frühstück ausgewiesen und liegt keine Frühstücksgestellung durch den ArbG vor, so ist die Vereinfachungsregelung (für das Frühstück 20 % des maßgebenden Pauschbetrags für Verpflegungsmehraufwendungen = 4,80 €) auf diesen Sammelposten anzuwenden. Der verbleibende Teil dieses Sammelpostens ist als Reisenebenkosten i.S.v. R 9.8 LStR zu behandeln, wenn kein Anlass für die Vermutung besteht, dass in diesem Sammelposten etwaige nicht als Reisenebenkosten anzuerkennende Nebenleistungen enthalten sind (etwa Pay-TV, private Telefonate, Massagen). Unschädlich ist insbes., wenn dieser Sammelposten auch mit Internetzugang, Zugang zu Kommunikationsnetzen, näher bezeichnet wird und der hierzu ausgewiesene Betrag nicht so hoch ist, dass er offenbar den Betrag für Frühstück und steuerlich anzuerkennende Reisenebenkosten übersteigt. Anderenfalls ist dieser Sammelposten steuerlich in voller Höhe als privat veranlasst zu behandeln (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 16). |
Abb.: Übernachtungskosten aus lohn- und umsatzsteuerlicher Sicht
Beispiel 53:
ArbN A tätigt eine Dienstreise. Für vier Übernachtungen mit Frühstück stellt das Hotel 400 € in Rechnung.
Lösung 53:
Soweit eine Rechnungserteilungspflicht besteht, muss die Rechnung u.a. das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt, den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag (§ 14 Abs. 4 Nr. 7 und 8 UStG) enthalten (Abschn. 12.16. Abs. 10 UStAE).
Wird für Leistungen, die nicht von der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG erfasst werden, kein gesondertes Entgelt berechnet, ist deren Entgeltanteil zu schätzen. Schätzungsmaßstab kann hierbei beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags sein (Abschn. 12.16. Abs. 11 UStAE).
Aus Vereinfachungsgründen wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn die in einem Pauschalangebot enthaltenen nicht begünstigten Leistungen in der Rechnung zu einem Sammelposten (z.B. »Business-Package«, »Servicepauschale«) zusammengefasst werden und der darauf entfallende Entgeltanteil in einem Betrag ausgewiesen wird (Abschn. 12.16. Abs. 12 UStAE).
Es wird ebenfalls nicht beanstandet, wenn der auf diese Leistungen entfallende Entgeltanteil mit 20 % des Pauschalpreises angesetzt wird. Für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) gilt dies für den in der Rechnung anzugebenden Steuerbetrag entsprechend. Die Vereinfachungsregelung gilt nicht für Leistungen, für die ein gesondertes Entgelt vereinbart wird (Abschn. 12.16. Abs. 12 Satz 2 ff. UStAE).
Im Beispielsfall kann somit der Sammelposten mit (20 % von 400 € =) 80 € geschätzt werden.
Die Rechnung könnte somit auf 320 € Übernachtungskosten, zzgl. 7 % USt = 22,40 € und 80 € Servicepauschale, zzgl. 19 % USt = 15,20 € lauten.
Ist in einer Rechnung neben der Beherbergungsleistung ein Sammelposten für andere, dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegende Leistungen einschließlich Frühstück ausgewiesen, so ist die Vereinfachungsregelung (für das Frühstück 20 % des maßgebenden Pauschbetrags für Verpflegungsmehraufwendungen = 4,80 €) auf diesen Sammelposten anzuwenden. Der verbleibende Teil dieses Sammelpostens (80 € ./. 4,80 € =) i.H.v. 75,20 € ist als Reisenebenkosten i.S.v. R 9.8 LStR zu behandeln (s.u.), wenn kein Anlass für die Vermutung besteht, dass in diesem Sammelposten etwaige nicht als Reisenebenkosten anzuerkennende Nebenleistungen enthalten sind (etwa Pay-TV, private Telefonate, Massagen; s. Abschn. 12.16. Abs. 12 Satz 1 UStAE und BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 16). Unschädlich ist insbes., wenn dieser Sammelposten auch mit Internetzugang, Zugang zu Kommunikationsnetzen, näher bezeichnet wird und der hierzu ausgewiesene Betrag nicht so hoch ist, dass er offenbar den Betrag für Frühstück und steuerlich anzuerkennende Reisenebenkosten übersteigt. Anderenfalls ist dieser Sammelposten steuerlich in voller Höhe als privat veranlasst zu behandeln (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 16).
Wenn der ArbG bei Auswärtstätigkeiten der ArbN keinen Einzelnachweis der Übernachtungsaufwendungen durch Hotelrechnungen usw. verlangt, sondern stattdessen sog. Übernachtungsgelder bis 20 € pro Nacht lohnsteuerfrei erstattet (R 9.7 Abs. 3 LStR), kann er hieraus keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
Reisenebenkosten (R 9.8 Abs. 1 LStR) sind die tatsächlichen Aufwendungen z.B. für
Beförderung und Aufbewahrung von Gepäck,
Ferngespräche und Schriftverkehr beruflichen Inhalts mit dem ArbG oder dessen Geschäftspartner,
Straßenbenutzung und Parkplatz sowie Schadensersatzleistungen infolge von Verkehrsunfällen, wenn die jeweils damit verbundenen Fahrtkosten als Reisekosten anzusetzen sind,
Verlust auf der Reise abhanden gekommener oder beschädigter Gegenstände, die der ArbN auf der Reise verwenden musste, wenn der Verlust aufgrund einer reisespezifischen Gefährdung eingetreten ist. Berücksichtigt wird der Verlust bis zur Höhe des Wertes, der dem Gegenstand zum Zeitpunkt des Verlustes beigemessen wird.
Wertverluste aufgrund eines Schadens an mitgeführten Gegenständen, die der ArbN auf seiner Reise verwenden musste, sind Reisenebenkosten, wenn der Schaden auf einer reisespezifischen Gefährdung beruht (BFH vom 30.11.1993, BStBl II 1994, 256).
Reisenebenkosten können vom ArbG in der nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Höhe steuerfrei ersetzt werden.
Reisenebenkosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als WK zu berücksichtigen (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 129 und 130).
Keine Reisenebenkosten sind die Aufwendungen z.B. für (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 132)
private Ferngespräche,
Massagen,
Minibar oder Pay-TV,
Tagezeitungen,
Ordnungs-, Verwarnungs- und Bußgelder, die auf einer Auswärtstätigkeit verhängt werden,
Verlust von Geld oder Schmuck,
Anschaffungskosten für Bekleidung, Koffer oder andere Reiseausrüstungsgegenstände, weil sie nur mittelbar mit einer Auswärtstätigkeit zusammenhängen
Essensgutscheine z.B. in Form von Raststätten- oder Autohofwertcoupons.
Zu den Reisenebenkosten s.a. oben die Erläuterungen zum Sammelposten bei der USt und das BMF-Schreiben vom 5.3.2010 (BStBl I 2010, 259, Rz. 16).
Die von der Finanzverwaltung festgesetzten Pauschalen für Auslandsübernachtungskosten können nicht als WK abgezogen werden, wenn einem ArbN die Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist und die Gewährung der Pauschalen zudem zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Kraftfahrer an Autobahnraststätten in der Schlafkabine seines Lkw übernachtet (s.o. den Gliederungspunkt »Kosten der Unterkunft«).
Ab dem Kj. 2020 gilt Folgendes:
Zur Abgeltung der notwendigen Mehraufwendungen, die einem ArbN während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kraftfahrzeug des ArbG oder eines vom ArbG beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug entstehen, kann ab 1.1.2020 einheitlich im Kj. eine Pauschale von 8 € für jeden Kalendertag berücksichtigt werden, an dem der ArbN eine Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 und 2 sowie Satz 5 zur Nr. 1 und 2 EStG beanspruchen könnte. Die Pauschale kann auch von mitfahrenden ArbN beansprucht werden, die ebenfalls im Fahrzeug übernachten, wenn der ArbG keine weiteren Erstattungen für Übernachtungskosten leistet oder der ArbN keine weiteren Übernachtungskosten als WK geltend macht. Die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG müssen erfüllt sein; vgl. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 131.
Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes erfolgt eine betragsmäßige Änderung, die erstmals für den VZ 2024 anzuwenden ist. Der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer ist von 8 € je Kalendertag auf 9 € je Kalendertag angehoben worden; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG.
Beispiel 54:
Der Lkw-Fahrer L ist im Inland eintägig mehr als acht Stunden beruflich auswärts tätig. Er nimmt ein Mittagessen im Wert von 8,50 € in einer Autobahnraststätte ein und bezahlt an der Kasse 6 € in bar und den Rest in Wertbons, die er im Zusammenhang mit der vom ArbG erstatteten Parkplatzgebühr erhalten hat.
Lösung 54:
Dem Lkw-Fahrer L steht eine ungekürzte Verpflegungspauschale von 14 € zu.
Einem Kraftfahrer, der anlässlich seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit (Fahrtätigkeit) in der Schlafkabine seines Lkw übernachtet, entstehen Aufwendungen, die bei anderen ArbN mit Übernachtung anlässlich einer beruflichen Auswärtstätigkeit typischerweise in den Übernachtungskosten enthalten sind. Derartige Aufwendungen können als Reisenebenkosten in vereinfachter Weise ermittelt und glaubhaft gemacht werden. Als Reisenebenkosten in diesem Sinne kommen z.B. in Betracht:
Gebühren für die Benutzung der sanitären Einrichtungen (Toiletten sowie Dusch- oder Waschgelegenheiten) auf Raststätten,
Aufwendungen für die Reinigung der eigenen Schlafkabine.
Aus Gründen der Vereinfachung ist es ausreichend, wenn der ArbN die ihm tatsächlich entstandenen und regelmäßig wiederkehrenden Reisenebenkosten für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten im Einzelnen durch entsprechende Aufzeichnungen glaubhaft macht. Dabei ist zu beachten, dass bei der Benutzung der sanitären Einrichtungen auf Raststätten nur die tatsächlichen Benutzungsgebühren aufzuzeichnen sind, nicht jedoch die als Wertbons ausgegebenen Beträge.
Hat der ArbN diesen Nachweis erbracht, kann der tägliche Durchschnittsbetrag, der sich aus den Rechnungsbeträgen für den repräsentativen Zeitraum ergibt, für den Ansatz von WK oder auch für die steuerfreie Erstattung durch den ArbG (nach Maßgabe der §§ 3 Nr. 13 und 16 EStG) so lange zugrunde gelegt werden, bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern (BMF vom 4.12.2012, BStBl I 2012 1249).
Gegen die im BMF-Schreiben vom 4.12.2012 (BStBl I 2012, 1249) geforderte Aufzeichnungspflicht für einen repräsentativen Zeitraum hat das Sächsische FG mit Urteil vom 20.8.2015 (1 K 216/15, LEXinform 5020487, rkr.) entschieden. Weist der Kraftfahrer die ihm an den Autobahnraststätten unstreitig tatsächlich entstandenen Übernachtungsnebenkosten z.B. für Dusche, Toilette, Reinigung der Schlafgelegenheit in der Fahrerkabine nicht nach, so ist die Höhe der Übernachtungsnebenkosten zu schätzen, wobei eine Schätzung der bei einer Übernachtung anfallenden Nebenkosten mit 5 € nicht überhöht erscheint. Auf die Vorlage von Einzelnachweisen – auch für einen repräsentativen Zeitraum – kommt es insoweit nicht an. Ebenso wenig bedarf es Aufzeichnungen der tatsächlich entstandenen Reisenebenkosten für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten (dagegen BMF vom 4.12.2012, BStBl I 2012, 1249).
Kosten für Telefongespräche, die während einer Auswärtstätigkeit von mindestens einer Woche Dauer anfallen, können als WK abzugsfähig sein. Das hat der BFH mit Urteil vom 5.7.2012 (VI R 50/10, BStBl II 2013, 282) entschieden (s.a. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 129). Das Gericht sieht es als gerechtfertigt an, auch Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts, die nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit entstehen, als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zuzuordnen. In einem solchen Fall werden die privaten Gründe der Kontaktaufnahme etwa mit Angehörigen oder Freunden typisierend betrachtet durch die beruflich/betrieblich veranlasste Auswärtstätigkeit überlagert.
Beispiel 55:
ArbN C führt im Kj. 2018 von Montag 18 Uhr bis Mittwoch 12 Uhr eine Auswärtstätigkeit durch. Er fährt dabei 500 km mit dem eigenen Pkw. An Hotelkosten inkl. Frühstück fallen 2 × 80 € an. Ein Sammelposten ist in der Rechnung nicht ausgewiesen. Die Rechnung des Hotels ist auf den Namen des ArbG ausgestellt. Der ArbG erstattet folgende Beträge:
Kilometergeld 500 km × 0,28 € |
140,00 € |
Hotelkosten inkl. Frühstück |
160,00 € |
Verpflegungsmehraufwand |
48,00 € |
Insgesamt |
348,00 € |
Lösung 55:
Der ArbG kann nach § 3 Nr. 16 EStG insgesamt folgende Beträge steuerfrei erstatten:
Kilometergeld 500 km × 0,30 € |
150,00 € |
|
Hotelkosten lt. Beleg ohne Frühstück (80 € ./. 4,80 € =) 75,20 € × 2 |
150,40 € |
|
Verpflegungsmehraufwand für |
||
Montag (Anreisetag, § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
12,00 € |
|
Dienstag für 24 Stunden (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 EStG) |
24,00 € |
|
Mittwoch (Abreisetag, § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
12,00 € |
|
Summe Verpflegungsmehraufwendungen |
48,00 € |
|
Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 Nr. 1 EStG: 2 × 4,80 € |
./. 9,60 € |
|
Verpflegungspauschale insgesamt |
38,40 € |
38,40 € |
Insgesamt |
338,80 € |
|
Tatsächlich erstattet |
348,00 € |
|
Steuerpflichtig |
9,20 € |
|
Für die Pauschalierung mit 25 % zulässiger Betrag (100 %) |
48,00 € |
|
Tatsächlich übersteigender Betrag |
9,20 € |
Der Betrag von 9,20 € überschreitet die 100 %-Grenze nicht. Er kann deshalb in voller Höhe mit 25 % pauschal versteuert werden (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG).
Abwandlung:
Der ArbG erstattet folgende Beträge:
Kilometergeld 500 km × 0,28 € |
140,00 € |
Hotelkosten ohne Frühstück |
150,40 € |
Verpflegungsmehraufwand |
48,00 € |
Insgesamt |
338,40 € |
Lösung:
Der ArbG kann nach § 3 Nr. 16 EStG insgesamt folgende Beträge steuerfrei erstatten:
Kilometergeld 500 km × 0,30 € |
150,00 € |
|
Hotelkosten lt. Beleg ohne Frühstück (80 € ./. 4,80 € =) 75,20 € × 2 |
150,40 € |
|
Verpflegungsmehraufwand für |
||
Montag (Anreisetag, § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
12,00 € |
|
Dienstag für 24 Stunden (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 EStG) |
24,00 € |
|
Mittwoch (Abreisetag, § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
12,00 € |
|
Eine Kürzung der Verpflegungspauschale ist nicht vorzunehmen |
48,00 € |
48,00 € |
Insgesamt |
338,40 € |
|
tatsächlich erstattet |
338,40 € |
Abwandlung:
Die Rechnung des Hotels ist auf den Namen des ArbN ausgestellt.
Lösung:
Der ArbG kann nach § 3 Nr. 16 EStG insgesamt folgende Beträge steuerfrei erstatten:
Kilometergeld 500 km × 0,30 € |
150,00 € |
|
Hotelkosten lt. Beleg ohne Frühstück (80 € ./. 4,80 € =) 75,20 € × 2 |
150,40 € |
|
Verpflegungsmehraufwand für |
||
Montag (Anreisetag, § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
12,00 € |
|
Dienstag für 24 Stunden (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 EStG) |
24,00 € |
|
Mittwoch (Abreisetag, § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG) |
12,00 € |
|
Eine Kürzung der Verpflegungspauschale ist nicht vorzunehmen |
48,00 € |
48,00 € |
Insgesamt |
338,40 € |
Beispiel 56:
ArbN D führt eine eintägige Auswärtstätigkeit aus und ist dabei 3 Stunden vom Betrieb abwesend. Der ArbG zahlt nach der betrieblichen Reisekostenregelung eine Vergütung für Verpflegungsmehraufwand von 5 €. Weitere Vergütungen werden nicht erstattet.
Lösung 56:
Die zulässigen steuerfreien Verpflegungsmehraufwendungen betragen |
0,00 € |
für die Pauschalierung mit 25 % zulässiger Betrag (100 %) |
0,00 € |
tatsächlich übersteigender Betrag |
5,00 € |
Der Betrag von 5,00 € überschreitet die 100 %-Grenze um 5,00 €. Eine Pauschalierung mit 25 % ist nicht möglich.
Beispiel 57:
Ein ArbN erhält im Kj. 2018 wegen einer Auswärtstätigkeit von Montag 11 Uhr bis Mittwoch 20 Uhr mit kostenloser Übernachtung und Bewirtung (2 × Frühstück, 2 × Mittagessen und 3 × Abendessen) im Gästehaus eines Geschäftsfreundes lediglich pauschalen Fahrtkostenersatz von 250 €, dem eine Fahrstrecke mit eigenem Pkw von 500 km zugrunde liegt.
Lösung 57:
Der ArbG kann folgende Beträge steuerfrei erstatten:
Fahrtkostenvergütung von (500 km × 0,30 € =) |
150,00 € |
|
Verpflegungspauschalen von (12 € am Anreisetag + 24 € am Dienstag + 12 € am Abreisetag) |
48,00 € |
|
Gekürzt um 2 × 20 % von 24 € für Frühstück |
./. 9,60 € |
|
Gekürzt um 5 × 40 % von 24 € für Mittag- und Abendessen |
./. 48,00 € |
|
Verbleibt als Verpflegungspauschale |
0,00 € |
0,00 € |
Insgesamt |
150,00 € |
Der Mehrbetrag von 100 € kann nicht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG pauschal, sondern muss individuell versteuert werden. Der geldwerte Vorteil der Mahlzeiten ist nicht zu versteuern, da der Vorteil durch die Kürzung der Verpflegungspauschalen abgegolten ist.
Die OFD Frankfurt hat mit Vfg. vom 5.6.2015 (S 2332 A – 59 – St 211, DStR 2015, 1978, LEXinform 5235639) zur lohnsteuerrechtlichen Behandlung von Fahrt- und Übernachtungskostenersatz an gastspielverpflichtete Künstler Stellung genommen. Hinsichtlich der Erstattungen sind dabei folgende Unterscheidungen vorzunehmen:
Gastspiel eines Ensembles:
Der Künstler ist an einer Bühne spielzeitverpflichtet, d.h. fest angestellt. Das gesamte Ensemble der Bühne begibt sich auf eine Gastspielreise. Die Reisekosten können nach Maßgabe der im Rahmen einer Auswärtstätigkeit geltenden steuerlichen Bestimmungen steuerfrei ersetzt werden.
Gastspiele eines Tourneetheaters:
Der Künstler ist bei einem Tourneetheater fest angestellt. Dieses Theater hat keine eigene Stammbühne. Ein steuerfreier Ersatz der Aufwendungen des Künstlers, die im Zusammenhang mit den Fahrten zu den einzelnen Spielorten entstehen, ist nach den Regelungen möglich, die für Auswärtstätigkeiten gelten.
Gastspielverpflichtung eines Künstlers mit festem Engagement an einem Theater:
Der Künstler ist an einer Bühne fest angestellt. Von dieser Bühne erhält er Gastierurlaub und geht eine Gastspielverpflichtung an einem anderen Theater ein, wobei er die Voraussetzungen für die Annahme einer nicht selbstständigen Tätigkeit erfüllt. Tägliche Fahrten zum Gastspielort und zurück sind Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte. Mehraufwendungen für Verpflegung sind steuerlich nicht berücksichtigungsfähig.
ausschließlich im Rahmen von Gastspielverträgen tätige Künstler.
Bei Auslandsreisen können die Fahrtkosten ebenso wie bei Inlandsreisen in der nachgewiesenen Höhe ersetzt werden. Für die Benutzung des eigenen Pkw gelten auch die gleichen Kilometersätze (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG).
Für den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeiten im Ausland gelten nach Staaten unterschiedliche Pauschbeträge (Auslandstagegelder) die vom BMF im BStBl veröffentlicht werden (§ 9 Abs. 4a Satz 5 EStG). Aufgrund des § 9 Abs. 4a Satz 5 werden im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder die in der anliegenden Übersicht ausgewiesenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten für beruflich und betrieblich veranlasste Auslandsdienstreisen ab 1.1.2024 bekannt gemacht, BMF vom 21.11.2023 (BStBl I 2023, 2076).
Nachfolgende Übersicht verschafft einen Überblick zu den ergangenen BMF-Schreiben ab 2012:
Pauschbeträge für Auslandsreisen ab |
BMF vom |
1.1.2015 |
19.12.2014 (BStBl I 2015, 34) |
1.1.2016 |
9.12.2015 (BStBl I 2015, 1058) |
1.1.2017 |
14.12.2016 (BStBl I 2016, 1438) |
1.1.2018 |
8.11.2017 (BStBl I 2017, 1457) |
1.1.2019 |
28.11.2018 (BStBl I 2018, 1354) |
1.1.2020 |
15.11.2019 (BStBl I 2019, 1254) |
1.1.2021 |
3.12.2020 (BStBl I 2020, 1256) |
1.1.2022 |
Keine Neufestsetzung; unveränderte Fortführung. Die mit BMF-Schreiben vom 3.12.2020 veröffentlichten Beträge gelten somit für das Kj. 2022 unverändert fort. |
1.1.2023 |
Keine Neufestsetzung; unveränderte Fortführung. Die mit BMF-Schreiben vom 3.12.2020 veröffentlichten Beträge gelten somit für das Kj. 2023 unverändert fort. |
1.1.2024 |
21.11.2023 (BStBl I 2023, 2076) |
Bei eintägigen Reisen in das Ausland ist der entsprechende Pauschbetrag des letzten Tätigkeitsortes im Ausland maßgebend. Bei mehrtägigen Reisen in verschiedenen Staaten gilt für die Ermittlung der Verpflegungspauschalen am An- und Abreisetag sowie an den Zwischentagen (Tage mit 24 Stunden Abwesenheit) im Hinblick auf § 9 Abs. 4a Satz 5 Halbsatz 2 EStG insbes. Folgendes:
Bei der Anreise vom Inland in das Ausland oder vom Ausland in das Inland jeweils ohne Tätigwerden ist der entsprechende Pauschbetrag des Ortes maßgebend, der vor 24 Uhr Ortszeit erreicht wird.
Bei der Abreise vom Ausland in das Inland oder vom Inland in das Ausland ist der entsprechende Pauschbetrag des letzten Tätigkeitsortes maßgebend.
Für die Zwischentage ist i.d.R. der entsprechende Pauschbetrag des Ortes maßgebend, den der ArbN vor 24 Uhr Ortszeit erreicht.
Für die in den BMF-Schreiben nicht erfassten Länder ist der für Luxemburg geltende Pauschbetrag maßgebend, für nicht erfasste Übersee- und Außengebiete eines Landes ist der für das Mutterland geltende Pauschbetrag maßgebend; für die in der Bekanntmachung nicht erfassten Übersee- und Außengebiete eines Staates ist der für das Mutterland geltende Pauschbetrag maßgebend. (s.a. R 9.6 Abs. 3 LStR).
Beispiel 58:
Handelsvertreter H aus Konstanz besucht am 15.5.17 Kunden in Österreich, der Schweiz und zum Abschluss des Tages in Deutschland. Dafür ist H mehr als 14 Stunden von zu Hause abwesend.
Lösung 58:
Für eintägige Reisen ins Ausland ist der Pauschbetrag des letzten Tätigkeitsortes im Ausland maßgebend. Im Beispielsfall ist der Verpflegungsmehraufwand für die Schweiz i.H.v. 41 € anzusetzen.
Wäre H zunächst in die Schweiz und dann von Österreich nach Deutschland gefahren, wäre der Pauschbetrag für Österreich i.H.v. 24 € anzusetzen.
Zur Kürzung der Verpflegungspauschale gilt Folgendes: Bei der Gestellung von Mahlzeiten durch den ArbG oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten ist die Kürzung der Verpflegungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 4a Satz 8 ff. EStG tagesbezogen vorzunehmen, d.h. von der für den jeweiligen Reisetag maßgebenden Verpflegungspauschale (s.o.) für eine 24-stündige Abwesenheit (§ 9 Abs. 4a Satz 5 EStG), unabhängig davon, in welchem Land die jeweilige Mahlzeit zur Verfügung gestellt wurde.
Zu den vom ArbG zur Verfügung gestellten Mahlzeiten gehören die z.B. im Flugzeug, im Zug oder auf einem Schiff im Zusammenhang mit der Beförderung unentgeltlich angebotenen Mahlzeiten, sofern die Rechnung für das Beförderungsticket auf den ArbG ausgestellt ist und von diesem dienst- oder arbeitsrechtlich erstattet wird. Die Verpflegung muss dabei nicht offen auf der Rechnung ausgewiesen werden. Steht anhand des gewählten Beförderungstarifs fest, dass es sich um eine reine Beförderungsleistung handelt, bei der keine Mahlzeiten unentgeltlich angeboten werden, liegt keine Mahlzeitengestellung vor.
Der ArbN kann nur die tatsächlichen Übernachtungskosten geltend machen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a EStG). Zum Ansatz der von den Pauschalen abweichenden tatsächlichen Übernachtungskosten s.a. das FG Sachsen-Anhalt Urteil vom 13.1.2012 (1 K 1386/09, LEXinform 5013416, rkr., s.a. Anmerkung vom 28.6.2012, LEXinform 0941786).
Die Pauschbeträge für Übernachtungskosten sind ausschließlich in den Fällen der Arbeitgebererstattung anwendbar (R 9.7 Abs. 3 LStR und Rz. 128 des BMF-Schreibens zur steuerlichen Behandlung der Reisekosten von ArbN vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228).
Ein ArbN kann bei Übernachtungen im Ausland den Differenzbetrag zwischen den vom ArbG vollständig erstatteten tatsächlichen Kosten und den höheren Übernachtungspauschalen nicht als WK geltend machen (BFH Urteil vom 8.7.2010, VI R 24/09, BStBl II 2011, 288; Anmerkung vom 25.11.2010, LEXinform 0940101).
Die in den o.a. BMF-Schreiben enthaltenen Pauschbeträge für Übernachtungskosten sind nur in den Fällen der ArbG-Erstattung anwendbar (R 9.7 Abs. 3 und R 9.11 Abs. 10 Satz 7 Nr. 3 LStR). Für den Werbungskostenabzug sind nur die tatsächlichen Übernachtungskosten maßgebend (R 9.7 Abs. 2 LStR und BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 115); dies gilt entsprechend für den Betriebsausgabenabzug (R 4.12 Abs. 2 und 3 EStR).
Bei Übernachtungen im Ausland ist in der Hotelrechnung in den meisten Fällen der Preis für das Frühstück nicht enthalten. Es ist daher von einer Kürzung der Übernachtungskosten um das Frühstück nach R 9.7 Abs. 1 Satz 4 LStR abzusehen, wenn der Dienstreisende auf der Hotelrechnung handschriftlich vermerkt, dass in den Übernachtungskosten das Frühstück nicht enthalten ist (OFD Erfurt vom 24.10.2001, S 2353 A – 03 – St 331, ohne Fundstelle).
Beispiel 59:
ArbN B besucht am 17.7. eine Tagung in Frankreich. Die Anreise findet am Abend zuvor statt. In einer Hoteltagungspauschale von 180 € ist das Frühstück und das Mittagessen enthalten.
Lösung 59:
Hoteltagungspauschale |
180,00 € |
abzgl. 20 % von 44 € für das Frühstück |
./. 8,80 € |
abzgl. 40 % von 44 € für das Mittagessen |
./. 17,60 € |
Übernachtungskosten |
153,60 € |
Beispiel 60:
Der Ingenieur I kehrt am Dienstag von einer mehrtägigen Auswärtstätigkeit in Straßburg (Frankreich) zu seiner Wohnung zurück. Nachdem er Unterlagen und neue Kleidung eingepackt hat, reist er zu einer weiteren mehrtägigen Auswärtstätigkeit nach Kopenhagen (Dänemark) weiter. I erreicht Kopenhagen um 23.00 Uhr. Die Übernachtungen – jeweils mit Frühstück – wurden vom ArbG im Voraus gebucht und bezahlt.
Lösung 60:
Für Dienstag ist nur die höhere Verpflegungspauschale von 39 € (Rückreisetag von Straßburg: 34 €, Anreisetag nach Kopenhagen 39 €) anzusetzen. Aufgrund der Gestellung des Frühstücks im Rahmen der Übernachtung in Straßburg ist die Verpflegungspauschale um 11,60 € (20 % der Verpflegungspauschale Kopenhagen für einen vollen Kalendertag: 58 €) auf 27,40 € zu kürzen.
Gelten für vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat der EU, in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz Beschäftigte die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 vom 30.4.2004, 1, L 200 vom 7.6.2004, 1), so hat ab 1.1.2019 der ArbG einen Antrag auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung über die Fortgeltung der deutschen Rechtsvorschriften (A1-Bescheinigung) für diesen Beschäftigten an die zuständige Stelle durch Datenübertragung aus einem systemgeprüften Programm oder mittels einer maschinell erstellten Ausfüllhilfe zu übermitteln. Die zuständige Stelle hat den Antrag elektronisch anzunehmen, zu verarbeiten und zu nutzen. Ist festgestellt, dass die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gelten, erfolgt die Übermittlung der Daten der A1-Bescheinigung innerhalb von drei Arbeitstagen durch Datenübermittlung an den ArbG, der diese Bescheinigung unverzüglich auszudrucken und seinen Beschäftigten auszuhändigen hat (§ 106 Abs. 1 SGB IV).
Das Nähere zum Verfahren und zu den Inhalten des Antrages und der zu übermittelnden Datensätze regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. in Gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vorher anzuhören (§ 106 Abs. 3 SGB IV).
Gemäß Art. 76 der Verordnung 883/2004 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einander zu unterrichten und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu erleichtern, insbes., indem sie den Erfahrungsaustausch und die Verbreitung der besten Verwaltungspraxis fördern. Dieser Grundsatz wird untermauert durch den Grundsatz eines effizienten Informationsaustausches zwischen den Trägern und die Verpflichtung von Bürgern und ArbG, sie genau und zeitnah zu informieren.
Die Grundsätze zum Bescheinigungsverfahren enthält der praktische Leitfaden der »DVKA« (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland). Im GKV-Spitzenverband ist die DVKA die zentrale Schnittstelle für internationale Partner und Träger der sozialen Sicherheit.
Tipp:
Der Leitfaden zum Bescheinigungsverfahren ist im Internet unter »www.dvka.de/media/dokumente/verschiedene/Praktischer_Leitfaden.pdf« abrufbar. Der Leitfaden kann auch wie folgt aufgerufen werden: www.dvka.de/dort unter Arbeitgeber & Erwerbstätige/dort unter Merkblätter »Arbeiten in…«/dort »Praktischer Leitfaden der Europäischen Kommission«.
Manchmal möchte ein ArbG in einem Mitgliedstaat (dem »Entsendestaat«) einen Mitarbeiter in einen anderen Mitgliedstaat (den »Beschäftigungsstaat«) entsenden. Solche ArbN bezeichnet man als entsandte ArbN.
Nach den Gemeinschaftsregelungen unterliegen ArbN, die innerhalb der EU zu- und abwandern, den Sozialversicherungsbestimmungen nur eines Mitgliedstaats. Nach den Verordnungen unterliegen Personen, die sich aus arbeitsbedingten Gründen von einem Mitgliedstaat in einen anderen begeben, im Allgemeinen dem System der sozialen Sicherheit des neuen Beschäftigungsstaates.
Um die Freizügigkeit der ArbN so weit wie möglich zu fördern und kostspielige verwaltungsmäßige und anderweitige Komplikationen zu vermeiden, die nicht im Interesse der ArbN, Unternehmen und Träger liegen, sind in den geltenden EU-Rechtsvorschriften einige Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz vorgesehen.
Wichtigste Ausnahme ist die Bestimmung, dass der ArbN weiterhin dem System der sozialen Sicherheit des Staates angehören muss, in dem das Unternehmen gewöhnlich tätig ist (Entsendestaat), wenn die betreffende Person von diesem Unternehmen in einen anderen Mitgliedstaat (Beschäftigungsstaat) für einen Zeitraum entsandt wird, der von Anfang an begrenzt ist (höchstens 24 Monate), vorausgesetzt, dass bestimmte Bedingungen erfüllt sind, die im praktischen Leitfaden näher erläutert sind.
Diese Sachverhalte, die eine Befreiung von der Zahlung von Versicherungsbeiträgen im Beschäftigungsstaat bewirken, sind in Art. 12 der Verordnung 883/2004 geregelt.
Beachte:
Eine zeitliche Bagatellgrenze für sehr kurze Auslandaufenthalte gibt es nicht. Auch wenn der ArbN nur sporadisch oder nur einige Tage im Ausland tätig ist, muss immer ein neuer Antrag für den jeweiligen Zeitraum gestellt und eine A1-Bescheinigung ausgestellt werden.
Eine Änderung der Verordnung, dass bei kurzen Dienstreisen die Entsendebescheinigung A1 nicht mehr benötigt werde, wurde vom Europäischen Rat abgelehnt (s.a. Eilts, Die A1-Entsendebescheinigung – spätestens am 1.7.2019 in elektronischer Form, NWB-Panorama, NWB 19/2019, 1361).
Wenn das Bestehen einer Sozialversicherungspflicht im Einsatzland nicht nachgewiesen werden kann, unterliegen ArbN grundsätzlich den im Ausland geltenden Rechtsvorschriften. ArbG können beispielsweise zur zusätzlichen Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden.
Die A1-Bescheinigung weist nach, dass während einer Entsendung das Sozialversicherungsrecht des Entsendelandes weiter gilt. Unter Umständen führt der fehlende Nachweis dazu, dass der ArbN sofort die Arbeit niederlegen muss oder erst gar nicht Zutritt zu einem Gelände erhält. Einige Länder wie Frankreich und Österreich haben ihre Kontrollen massiv ausgeweitet.
In einzelnen Ländern wird der Nachweis als Teil der arbeitsrechtlichen Meldepflicht angesehen und es drohen zusätzlich Bußgelder.
Hinweis:
Auf der Homepage der »TK« sind einige Informationen über die A1-Bescheinigen abrufbar. So z.B. unter www.tk.de/Portale: Firmenkunden/dort unter Service/dort: Fachthemen/dort: TK-Service Ausland/dort: A1-Bescheinigungen; oder wie oben unter Service/dort: Beiträge und Meldungen/dort: Ausland/dort: A1-Bescheinigung bei Entsendung.
Weitere Information s enthält die Homepage der »GKV« unter www.gkv-datenaustausch.de/dort: Arbeitgeberverfahren/dort: Entsendung.
Zur A1-Bescheinigung – elektronisches Antrags- und Bescheinigungsverfahren s. DATEV-Serviceinformation unter LEXinform 1000423.
S.a. die Beiträge in NWB von Lievenbrück u.a., Steuerrechtliche Aspekte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung, NWB 19/2019, 1364 und 1407 sowie Eilts, Auslandsentsendungen im sozialversicherungsrechtlichen Fokus, NWB 19/2019, 1389.
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Matkovic, Reisekosten für ambulante Pflegedienste und Pflegekräfte, NWB 2013, 3526; Schramm u.a., Die »erste Tätigkeitsstätte« – Gesetzliche Definition und Sonderfälle, NWB 1-2/2014, 26; Harder-Buschner u.a., Die neuen Verpflegungspauschalen und die Behandlung vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellter Mahlzeiten, NWB 2014, 175; Harder-Buschner u.a., Fahrtkostenzuschüsse, Unterkunftskosten und doppelte Haushaltsführung ab 1.1.2014, NWB 2014, 256; Freckmann u.a., Reisekostenreform 2014 – Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitgeber, NWB 2014, 2949; Schmidt, Das neue lohnsteuerliche Reisekostenrecht – einfacher oder nur anders?, NWB 24/2015, 1758; Seifert, Mahlzeitengestellung während einer Auswärtstätigkeit bzw. einer doppelten Haushaltsführung, NWB 2/2016, 128; Seifert, Neue Entwicklungen im steuerlichen Reisekostenrecht, NWB 43/2016, 3253; Seifert, Reisekosten und Leiharbeitnehmer: Wann ist ein Einsatz »dauerhaft«?, NWB 14/2017, 996; Kröller, Werbungskostenabzug bei Benutzung von Privatflugzeugen für Dienstreisen, NWB 30/2017, 2276; Hermes, Steuerliches Reisekostenrecht: aktuelle Entwicklungen und Zweifelsfragen, NWB 17/2017, 1278; Seifert, Auslandssemester und Praxissemester: Die erste Tätigkeitsstätte wandert nicht zwingend mit, NWB 52/2020, 3862; Geserich, Erste Tätigkeitsstätte bei einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme, NWB 43/2020, 3152; Seifert, Auslandssemester und Praxissemester: Die erste Tätigkeitsstätte wandert nicht zwingend mit!, NWB 52/2020, 3862; Hilbert, Typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen, NWB 36/2021, 2641; Kanzler, Kein Ansatz pauschaler Kilometersätze bei Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel, NWB 18/2021, 1292; Seifert, Aktuelle Entwicklungen zur ersten Tätigkeitsstätte, StuB 11/2023, 463: Seifert, Auslandsreisekosten 2024, StuB 1/2024, 31.
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