Bauleistungen in der Umsatzsteuer

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeiner Überblick
2 Werklieferungen
2.1 Definition
2.2 Bauleistungen in Bauträgerfällen
2.3 Fertigstellung
2.4 Keine Fertigstellung
3 Werkleistungen
3.1 Definition
3.2 Fertigstellung
4 Teilleistungen
5 Bauleistung in Verbindung mit einer Kreditgewährung
6 Entstehung der Umsatzsteuer
6.1 Versteuerung nach vereinbarten Entgelten
6.1.1 Grundsätzliches zur Steuerentstehung
6.1.2 Teilleistungen
6.2 Voraus- und Abschlagszahlungen
6.3 Istversteuerung
7 Voranmeldung und Vorauszahlung der Umsatzsteuer
8 Ermittlung des Entgelts
9 Rechnungserteilung
9.1 Rechnungslegungspflicht
9.2 Vorauszahlungen
9.3 Endrechnungen
10 Vorsteuerabzug
10.1 Vorauszahlungen
10.2 Leistungsausführung
11 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Umsatzsteuer
11.1 Bauleistungen ausländischer Unternehmer
11.2 Bauleistungen inländischer Unternehmer
12 Auswirkung der Abzugssteuer auf die Umsatzsteuer
13 Zuständigkeit bei Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 EStG von im Ausland ansässigen Unternehmern
14 Sicherheitsleistungen
15 Literaturhinweise
16 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeiner Überblick

Zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft siehe das Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft nach dem Stand Januar 2023 (BMF vom 27.1.2023, BStBl I 2023, 305). Das BMF-Schreiben vom 12.10.2009 (BStBl I 2009, 1292) wird aufgehoben. S.a. die Abschn. 13.1. bis 13.6. UStAE.

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Den in der Bauwirtschaft erbrachten Bauleistungen liegen in der Regel Werkverträge oder Werklieferungsverträge i.S.d. bürgerlichen Rechts zugrunde, die auf dem Grund und Boden der Auftraggeber ausgeführt werden. Auch das Umsatzsteuerrecht unterscheidet zwischen → Werklieferung und → Werkleistung.

2. Werklieferungen

2.1. Definition

Eine → Werklieferung liegt vor, wenn der Unternehmer

  • die Be- oder Verarbeitung von fremden Gegenständen übernommen hat und

  • hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder Nebensachen handelt (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG).

Der Werkunternehmer muss also Hauptstoffe verwenden, die er zumindest teilweise selbst beschafft hat (§ 3 Abs. 4 UStG, Abschn. 3.8. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Beistellungen des Auftraggebers (z.B. Baustrom und Bauwasser, nicht dagegen die Bauwesenversicherung, vgl. Abschn. 3.8. Abs. 2 Satz 3 UStAE) scheiden aus dem Leistungsaustausch aus (s.a. Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft nach dem Stand Januar 2023, BMF vom 27.1.2023, BStBl I 2023, 305 unter Abschn. II.1).

Hinweis:

Bei den durch eine Bauwesenversicherung, die auch als Bauleistungsversicherung oder Bauversicherung bezeichnet wird, versicherten Risiken handelt es sich beispielsweise um Ereignisse höherer Gewalt, wie Sturm oder Hochwasser. Weiterhin sind auch Vandalismus-Schäden, Material- oder Konstruktionsfehler, unbekannte Eigenschaften des Grundstücks, sowie Fahrlässigkeit versichert. Schäden, die durch Feuer entstehen, sind durch die Bauwesenversicherung jedoch nicht abgesichert und müssen gesondert vertraglich geregelt werden.

Die Bauwesenversicherung haftet lediglich während der Bauzeit für eintretende Schäden, nicht aber darüber hinaus.

Mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) hat der BFH anlässlich eines Verfahrens, das in der Hauptsache die Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger bei Bauleistungen betraf, zum Begriff der Werklieferung Stellung genommen. Nach Rz. 35 des BFH-Urteils V R 37/10 liegen Werklieferungen vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist dagegen die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden.

Mit BMF-Schreiben vom 1.10.2020 (BStBl I 2020, 983) hat die Finanzverwaltung die vom BFH im o.a. Urteil aufgestellten Grundsätze übernommen und Abschn. 3.8. Abs. 1 Satz 1 UStAE entsprechend geändert.

Beispiel 1:

Ein Unternehmer erstellt ein schlüsselfertiges Wohnhaus für den Auftraggeber zu einem Pauschalfestpreis von 300 000 € brutto. Der Auftraggeber kürzt den Rechnungsbetrag um 3 000 € für beigestellten Baustrom und beigestelltes Bauwasser sowie um weitere 1 000 € für eine abgeschlossene Bauwesenversicherung.

Lösung 1:

Der Unternehmer hat insgesamt 297 000 € (als Bruttobetrag) der USt zu unterwerfen. Nur der Baustrom und das Bauwasser (3 000 €) nehmen nicht am Leistungsaustausch teil.

Eine → Werkleistung liegt vor, wenn der Unternehmer bei seiner Leistung keinerlei selbst beschaffte Stoffe oder nur Stoffe, die als Zutaten oder sonstige Nebensachen anzusehen sind, verwendet (z.B. Aushub einer Baugrube, Erdbewegungen; Abschn. 3.8. Abs. 1 Satz 3 UStAE). Zur Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkleistung bei Reparaturen beweglicher Gegenstände s. Abschn. 3.8. Abs. 6 UStAE.

2.2. Bauleistungen in Bauträgerfällen

Mit Schreiben vom 26.7.2017 (BStBl I 2017, 1001) nimmt das BMF Stellung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG sowie zur Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG.

Beachte:

Die Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG gilt nur für vor dem 15.2.2014 ausgeführte Bauleistungen.

Sind der Leistungsempfänger (Bauträger) und der leistende Bauunternehmer nach diesem Stichtag übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Reverse-Charge-Verfahrens vorliegen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Auslegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, so tritt die Fiktion des § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG ein, wonach der Leistungsempfänger gleichwohl als Steuerschuldner zu behandeln ist, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen (s. Abschn. 13b.8. Abs. 1 UStAE; s.a. → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unter dem Gliederungspunkt »Fehlerhafte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens«).

In seinem Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) verweist der BFH in Rz. 37 ausdrücklich auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach der Unternehmer dadurch eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG bewirkt, dass er auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt. Im Rahmen des § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Danach ist der Generalunternehmer vom Bauträger zu unterscheiden. Während der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut, bebaut der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke. Dementsprechend erbringt im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung. Bauträger erbringen keine Bauleistungen, sondern liefern bebaute Grundstücke mit der Folge, dass sie für an sie erbrachte, in § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG genannte Leistungen grundsätzlich nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG sind.

Wie der BFH ausdrücklich hervorhebt, ist es für die Entscheidung, ob der Unternehmer selbst eine Bauleistung ausführt, ohne Bedeutung, ob die Erwerber der vom Unternehmer veräußerten Wohnungen »Einfluss auf Bauausführung und Baugestaltung« genommen haben, da eine derartige Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt, dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde Gegenstände – als Voraussetzung der Werklieferung gem. § 3 Abs. 4 UStG – bearbeitet (Abschn. 13b.3. Abs. 8 UStAE).

Fazit:

In dem vom BFH entschiedenen vorgenannten Streitfall V R 37/10 versteuerte das Bauträgerunternehmen als Leistungsempfänger zunächst die von ihm bezogenen Leistungen der Subunternehmer als Steuerschuldner, machte aber später geltend, dass die Voraussetzungen des § 13b UStG nicht vorgelegen hätten und forderte die von ihm gezahlte USt vom FA zurück. Der vom Leistungsempfänger an den bauleistenden Unternehmer gezahlte Betrag war ein Nettobetrag (ohne USt), die darauf entfallende USt führte der Leistungsempfänger (Bauträger) nach § 13b UStG an das FA ab. Der BFH entschied wie folgt:

  1. Der Leistungsempfänger von Bauleistungen ist nur dann Steuerschuldner für die an ihn erbrachte Leistung, wenn er diese Leistung seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet.

  2. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten Bauleistungen am Gesamtumsatz kommt es dabei nicht an.

Als Reaktion auf das BFH-Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) wurde § 27 Abs. 19 UStG neu eingefügt (Art. 7 Nr. 9 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014, BGBl I 2014, 1266, BStBl I 2014, 1126). Die Vorschrift regelt Fälle, in denen sich Bauträger (Leistungsempfänger) auf das vorgenannte BFH-Urteil berufen und die Erstattung der entrichteten USt beim FA beantragen. Gleichzeitig hat der bauleistende Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger (Bauträger) einen zivilrechtlichen Nachzahlungsanspruch der USt.

Mit Urteil vom 27.9.2018 V R 49/17, BStBl II 2019, 109) hat der BFH entschieden, dass ein Bauträger, der aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13 b UStG versteuert hat, das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung entgegen der Verwaltungsauffassung (BMF vom 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001, Tz. 15a) geltend machen kann, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht. Durch das BMF-Schreiben vom 24.1.2019 (BStBl I 2019, 117) wird Tz. 15a des BMF-Schreibens vom 26.7.2017 (BStBl I 2017, 1001) gestrichen.

Danach ist auch die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert. Nach § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG steht die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO der Änderung nicht entgegen. Nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG kann der leistende Unternehmer dem FA den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt abtreten. Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt gegen den Leistungsempfänger zusteht (BFH vom 23.2.2017, V R 16/16, V R 24/16, BStBl II 2017, 760).

Mit Urteil vom 31.1.2024 (V R 24/21, BFH/NV 2024, 742, LEXinform 0953928) hat der BFH zu den Voraussetzungen einer Änderung gem. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG entschieden, dass eine Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden kann, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt gegen den Leistungsempfänger zusteht (Bestätigung des Urteils vom 23.2.2017, V R 16, 24/16, BStBl II 2017, 760, s.o.). Zusätzlich weist der BFH darauf hin, dass es auf die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG nicht ankommt.

Im Urteilsfall hat ein Einzelunternehmer seine Bauleistungen an die Q-KG im Streitjahr 2009 und damit vor dem 15.2.2014 erbracht. Beide sind bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, dass die Q-KG als Leistungsempfängerin die Steuer nach § 13b UStG schuldete. Diese Annahme hat sich aufgrund des BFH-Urteils vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) als unrichtig herausgestellt. Nach den bindenden Feststellungen des FG hat die Q-KG die Leistungen des Einzelunternehmers (Klägers) ihrerseits nicht zur Erbringung einer Bauleistung verwandt. Die Q-KG hat schließlich die Erstattung der Steuer gefordert, die sie vorher in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldnerin zu sein.

Das FA zahlte die USt an die Q-KG aus und nahm den Kläger für die Umsatzsteuerbeträge nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG in Anspruch.

Der BFH hielt die Revision für unbegründet. Nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG schulde der Kläger die USt, wenn diese an die Q-KG zurückgezahlt worden sei, weil sie davon ausgegangen sei, Steuerschuldnerin zu sein. In weiterer Folge habe der Kläger Anspruch auf Auszahlung der USt gegen die Q-KG, um hiermit wiederum die Forderung des FA zu begleichen (vgl. auch BFH vom 24.5.2023, XI R 45/20, BStBl II 2023, 1082, Rz. 31, s.u.).

Hat der leistende Unternehmer (Bauunternehmer) seinen Anspruch gegen den Leistungsempfänger (Bauträger) auf Zahlung der USt an das FA abgetreten, dann hat der leistende Unternehmer im Rahmen der gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG obliegenden Mitwirkungspflichten alles ihm Zumutbare zu tun, um dem FA die Realisation des abzutretenden Anspruchs gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich geschuldeten USt zu ermöglichen (BFH vom 17.4.2024, XI R 16/22, DStR 2024, 1653, LEXinform 0954362).

Was im Einzelnen Inhalt der in § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG genannten Mitwirkungspflichten ist, ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung (BT-Drs 18/1995, 111) zu entnehmen. Die in § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG bezeichneten Mitwirkungspflichten beziehen sich auf § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, in dessen Rahmen der leistende Unternehmer alles ihm Zumutbare zu tun hat, um dem FA die Realisation des abgetretenen zivilrechtlichen Anspruchs zu ermöglichen. Der leistende Unternehmer muss ihnen nachgekommen sein, damit die Abtretung seiner Forderung auf USt-Nachzahlung Erfüllungswirkung entfalten kann. Dem Fiskus soll die Möglichkeit gegeben werden, die nachträgliche Steuererstattung an den Leistungsempfänger zu kompensieren, indem die Finanzbehörde der Steuererstattung in gleicher Höhe einen Gegenanspruch entgegenhalten kann. Es soll mithin die Situation herbeigeführt werden, die bestanden hätte, wenn alle Beteiligten von Anfang an von der zutreffenden materiellen Rechtslage ausgegangen wären. Dann hätte der Leistungsempfänger die USt zusätzlich zur vereinbarten Nettovergütung an den leistenden Unternehmer gezahlt und der Leistende sie an den Fiskus abgeführt. Der leistende Unternehmer hat daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten die Informationen und vertraglichen Unterlagen, insbes. die Höhe des möglichen USt-Nachforderungsanspruchs betreffend, dem FA bereitzustellen, damit es die USt vom Bauträger nachfordern kann.

Nach dem BFH-Urteil vom 24.5.2023 (XI R 45/20, BStBl II 2023, 1082) ist umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger i.S.d. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG bei bestehender Organschaft auch dann der Organträger, wenn zivilrechtlich die Organgesellschaft Vertragspartnerin des bauleistenden Unternehmers ist. Der zivilrechtliche Nachzahlungsanspruch des bauleistenden Unternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt richtet sich trotz Organschaft nicht gegen den Organträger, sondern gegen die Organgesellschaft als Leistungsempfänger (BFH XI R 45/20, Rz. 34). Umsatzsteuerrechtlich bleibt aber der Organträger Leistungsempfänger, sodass auch diesem ein Erstattungsanspruch zusteht.

Allerdings ist eine Aufrechnung des FA mit den Erstattungsansprüchen des Organträgers mangels Gegenseitigkeit unmöglich, weil sich die abgetretenen Nachzahlungsansprüche des bauleistenden Unternehmers gegen die Organgesellschaft als zivilrechtliche Vertragspartnerin und nicht gegen den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfänger (Organträger) richten. Dies führt in Organschaftskonstellationen dazu, dass anschließend gegebenenfalls ein interner Gesamtschuldnerausgleich unter den Mitgliedern des Organkreises erforderlich werden kann oder ein früherer Gesamtschuldnerausgleich rückgängig gemacht werden muss, um zwischen der Organgesellschaft und ihrem Organträger (wieder) eine zutreffende interne Lastenverteilung herzustellen (BFH XI R 45/20, Rz. 47).

Im oben dargestellten Urteilsfall XI R 45/20 war die Organgesellschaft als Bauträger Leistungsempfängerin und führte die USt nach § 13b UStG fälschlicherweise an das FA ab.

Mit Urteil vom 6.7.2023 (V R 5/21, BFH/NV 2023, 1380, LEXinform 0953588) hat der BFH die Aufrechnung in Bauträgerfällen entschieden, in denen die Organgesellschaft als bauleistender Unternehmer tätig war. Im Urteilsfall war zu entscheiden, ob die Organgesellschaft den zivilrechtlichen Nachzahlungsanspruch der USt gegen den Bauträger an das FA abtreten kann, wenn über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Mit Beschluss vom 17.2.2022 (5 V 3238/21, LEXinform 5024512) hat das FG Münster im Rahmen eines Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung zur Aufrechnung in Bauträgerfällen Stellung genommen. Danach bestehen ernstliche Zweifel von Aufrechnungen des FA mit abgetretenen Werklohnforderungen gegen Umsatzsteuernachforderungen.

Nach den Ausführungen des FG Münster bestünden ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit der erklärten Aufrechnungen. Bislang sei rechtlich ungeklärt, ob Finanzgerichte über den Bestand und die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher und damit rechtswegfremder Forderungen, mit denen das FA aufgerechnet hat, selbst entscheiden können oder ob zuvor eine zivilgerichtliche Entscheidung eingeholt werden muss. Nach der bisherigen BFH-Rspr. sei eine Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung nur möglich, wenn diese unbestritten oder rechtskräftig festgestellt worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil die Antragstellerin die Durchsetzbarkeit der Werklohnforderungen infrage stelle. In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sei in Bauträgerfällen umstritten, ob Finanzgerichte über die an den Fiskus abgetretenen Werklohnforderungen selbst entscheiden können oder dies den Zivilgerichten überlassen müssen. Daher sei Aussetzung der Vollziehung geboten. Gegen den Beschluss ist beim BFH unter dem Az. V B 23/22 ein Beschwerdeverfahren anhängig (s. FG Münster Mitteilung vom 19.4.2022, LEXinform 0462031).

Mit Beschluss vom 26.9.2023 (V B 23/22-AdV, LEXinform 4265965) hat der BFH den Beschluss des FG Münster vom 17.2.2022 aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung an das FG Münster zurückverwiesen.

Nach dem BFH-Beschluss V B 23/22 entscheiden FG bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Abrechnungsbescheiden in sog. Bauträgerfällen auch über den Bestand und die Durchsetzbarkeit der – dem FA von Bauleistenden abgetretenen – zivilrechtlichen Werklohnforderungen.

Das FG hat rechtsfehlerhaft unbeachtet gelassen, dass es zu der – von ihm als streitig und ungewiss erachteten – Rechtsfrage zur Entscheidungskompetenz der FG über rechtswegfremde Forderungen bereits eine gefestigte Rspr. des BFH gibt. Diese Rechtsfrage ist daher nicht i.S.v. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft, sondern geklärt.

Nach dem BFH-Urteil vom 1.8.2017 (VII R 12/16, BStBl II 2018, 737) entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) den Rechtsstreit grds. unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten und damit auch über eine zur Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Gegenforderung.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG Münster mit Beschluss vom 14.3.2024 (5 V 3238/21, EFG 2024, 1001, LEXinform 5026030, rkr.) entschieden, dass an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids keine ernstlichen Zweifel bestehen. Das FA hat gegen die der Antragstellerin (Bauträger) zustehende Steuererstattung aus dem Umsatzsteuerbescheid wirksam gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB aufgerechnet und den Erstattungsanspruch der Antragstellerin wirksam zum Erlöschen gem. § 47 AO gebracht.

Weitere Erläuterungen s. → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unter dem Gliederungspunkt »Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Bauleistungen« und dort auch den Gliederungspunkt »Anwendungsregelungen«.

2.3. Fertigstellung

Eine → Werklieferung ist ausgeführt, sobald dem Auftraggeber die Verfügungsmacht am erstellten Werk verschafft worden ist. → Verschaffung der Verfügungsmacht bedeutet, den Auftraggeber zu befähigen, im eigenen Namen über das auftragsgemäß fertig gestellte Werk zu verfügen. Das gilt auch dann, wenn das Eigentum an den verwendeten Baustoffen nach §§ 946, 93, 94 BGB zur Zeit der Verbindung mit dem Grundstück auf den Auftraggeber übergeht. In der Regel setzt die Verschaffung der Verfügungsmacht die Übergabe und Abnahme des fertig gestellten Werks voraus. Auf die Form der Abnahme kommt es dabei nicht an (Abschn. 13.2. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 bis 5 UStAE sowie BMF vom 27.1.2023, BStBl I 2023, 305 unter III.1.a) .

Unter Abnahme ist die Billigung der ordnungsgemäßen vertraglichen Leistungserfüllung durch den Auftraggeber zu verstehen. Nicht maßgebend ist die baubehördliche Abnahme. Die Abnahme ist in jeder Form möglich, in welcher der Auftraggeber die Anerkennung der vertragsgemäßen Erfüllung vornimmt (§ 12 VOB/B). Bei Vereinbarung einer förmlichen Abnahme wird die Verfügungsmacht im Allgemeinen am Tag der Abnahmeverhandlung verschafft. Das gilt dann nicht, wenn eine Abnahme durch eine stillschweigende Billigung stattfindet.

Eine solche stillschweigende Billigung ist z.B. anzunehmen, wenn das Werk durch den Auftraggeber bereits bestimmungsgemäß genutzt wird. Fehlende Restarbeiten oder Nachbesserungen schließen eine wirksame Abnahme nicht aus, wenn das Werk ohne diese Arbeiten seinen bestimmungsmäßigen Zwecken dienen kann.

Beispiel 2:

Ein Bauunternehmer hat sich verpflichtet, auf dem Grundstück des Auftraggebers (Bauherrn) ein Wohngebäude schlüsselfertig zu errichten. Das Gebäude wird im Juli fertig gestellt und vom Bauherrn im August abgenommen. Die baubehördliche Abnahme erfolgt im Oktober. Die Schlussrechnung wird im Dezember erstellt. Die Abschlusszahlung wird erst im Folgejahr geleistet. Der Voranmeldungszeitraum des Bauunternehmers ist der Kalendermonat.

Lösung 2:

S. das Beispiel 3 des BMF-Schreibens vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305) unter III.1.a.

Umsatzsteuerrechtlich ist die Lieferung des Gebäudes mit der Abnahme durch den Bauherrn im August ausgeführt worden. Die Steuer ist mit Ablauf des Monats August entstanden. Hätte der Bauherr das Gebäude schon unmittelbar nach der Fertigstellung im Monat Juli in Nutzung genommen (z.B. durch Einzug), wäre die Abnahme durch die schlüssige Handlung des Bauherrn vollzogen und das Gebäude im Monat Juli geliefert worden. Entsprechend wäre die Steuer mit Ablauf des Monats Juli entstanden.

Soweit ein Vertrag nach VOB abgeschlossen wurde, hat die Abnahme nach § 12 VOB/B binnen 12 Tagen nach Fertigstellung zu erfolgen. Der Abnahmebefund ist in gemeinsamer Verhandlung schriftlich niederzulegen. Nach Abnahme des fertigen Werks beginnt die Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche gem. § 13 VOB/B.

Soweit keine besonderen Formvorschriften für die Abnahme vereinbart wurden, kann die Abnahme in jeder möglichen Form erfolgen, mit der der Auftraggeber die vertragsgemäße Erfüllung anerkennt (u.a. auch durch stillschweigendes Handeln des Auftraggebers, z.B. durch Benutzung des Werkes).

Erfolgt trotz schriftlicher Vereinbarung keine Abnahmeverhandlung durch schriftliche Niederlegung, gilt das Werk durch stillschweigende Billigung als abgenommen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn das Werk durch den Auftraggeber bereits bestimmungsgemäß genutzt wird (s.a. Abschn. 13.2. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sätze 1 bis 6 UStAE).

Nach dem EuGH-Urteil vom 2.5.2019 (C-224/18, UR 2019, 538, LEXinform 0651630, Rz. 27) werden Bau- oder Montagedienstleistungen grds. als mit dem Zeitpunkt der physischen Fertigstellung der Arbeiten als erbracht angesehen. Bei Bau- oder Montagedienstleistungen, bei denen durch die Bezugnahme auf die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen die Abnahme der Arbeiten im Vertrag vereinbart wurde, gehört die Abnahme zur Leistung, die deshalb erst mit der Abnahme erbracht ist (EuGH C-224/18, Rz. 35; BFH vom 5.9.2019, V R 38/17, BStBl II 2022, 696; Abschn. 13.2. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 20.12.2022, BStBl I 2022, 1694; s.a. Anmerkung vom 13.12.2019, LEXinform 0882015).

2.4. Keine Fertigstellung

Wird das vertraglich vereinbarte Werk nicht fertiggestellt und ist eine Vollendung des Werkes durch den Werkunternehmer nicht mehr vorgesehen, entsteht ein neuer Leistungsgegenstand. Dieser bestimmt sich im Falle eines Insolvenzverfahrens unter Ablehnung weiterer Erfüllung des Vertrages seitens des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO nach Maßgabe des bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich Geleisteten (s.a. Abschn. 3.9. Abs. 1 UStAE). In diesen Fällen ist die Lieferung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bewirkt (Abschn. 13.2. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sätze 7 bis 9 UStAE; → Insolvenzen und Steuern).

Gleiches gilt im Falle der Kündigung des Werkvertrages mit der Maßgabe, dass hier der Tag des Zugangs der Kündigung maßgebend ist. Stellt der Werkunternehmer die Arbeiten an dem vereinbarten Werk vorzeitig ein, weil der Besteller – ohne eine eindeutige Erklärung abzugeben – nicht willens oder in der Lage ist, seinerseits den Vertrag zu erfüllen, wird das bis dahin errichtete halbfertige Werk zum Gegenstand der Werklieferung; es wird in dem Zeitpunkt geliefert, in dem für den Werkunternehmer nach den gegebenen objektiven Umständen feststeht, dass er wegen fehlender Aussicht auf die Erlangung weiteren Werklohns nicht mehr leisten werde (Abschn. 13.2. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sätze 11 bis 13 UStAE; s.a. Schädlich u.a., NWB 47/2017, 3584).

3. Werkleistungen

3.1. Definition

Eine → Werkleistung liegt vor, wenn für eine Leistung kein Hauptstoff verwendet wird (z.B. Aushub einer Baugrube, Erdbewegungen) oder wenn die benötigten Hauptstoffe vom Auftraggeber gestellt werden. Die Verwendung von Nebenstoffen des Auftragnehmers hat auf die Beurteilung keinen Einfluss (BMF vom 27.1.2023, BStBl I 2023, 305 unter II.1).

3.2. Fertigstellung

Sonstige Leistungen, insbesondere Werkleistungen, sind grundsätzlich mit der Fertigstellung, d.h. mit der Vollendung des Werkes ausgeführt. Die Vollendung des Werkes wird häufig mit dem Zeitpunkt der Abnahme zusammenfallen, diese ist hier aber nicht Voraussetzung (Abschn. 13.2. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE).

4. Teilleistungen

Wie Werklieferungen bzw. Werkleistungen werden im Umsatzsteuerrecht auch Teile einer Leistung behandelt, für die das Entgelt gesondert vereinbart und abgerechnet wird (Teilleistungen; § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG und Abschn. 13.4. UStAE; → Sollversteuerung).

Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile, für die das Entgelt gesondert vereinbart wird und die demnach statt der einheitlichen Gesamtleistung geschuldet werden. Sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer müssen sich darüber einig sein, dass eine bestimmte Gesamtleistung wirtschaftlich, rechtlich und tatsächlich in Teilleistungen aufgespalten werden soll und kann; danach muss dann auch verfahren werden.

Der Begriff der Teilleistung ist an folgende vier Voraussetzungen geknüpft:

  1. Es muss sich um einen wirtschaftlich abgrenzbaren Teil einer Werklieferung oder Werkleistung handeln (wirtschaftliche Teilbarkeit).

    Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung kann eine Werklieferung bzw. eine Werkleistung nicht in Lieferelemente und in sonstige Leistungen aufgeteilt werden (vgl. Abschn. 13.4. Abs. 1 Beispiel 4 Satz 5 i.V.m. Abschn. 3.8. und Abschn. 3.10. Abs. 1 UStAE). Die wirtschaftliche Teilbarkeit einer Werklieferung bzw. Werkleistung setzt somit voraus, dass die Teilleistung selbst eine Werklieferung bzw. Werkleistung ist.

    Eine Teilung ist z.B. auch bei Erdarbeiten, Außenputzarbeiten, Zimmererarbeiten und Dachdeckerarbeiten nach Häusern oder Blöcken, bei Innenputz- und Malerarbeiten nach Geschossen oder Wohnungen und bei Tischler- und Glaserarbeiten nach einzelnen Stücken möglich. Das BMF-Schreiben vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305) enthält unter Abschnitt II.2 einen Katalog von Teilungsmaßstäben für Bauleistungen.

    _Art der Arbeit

    Teilungsmaßstäbe

    1.

    Anschlüsse an Entwässerungs- und Versorgungsanlagen

    Aufteilung erfolgt je Anlage.

    2.

    Außenputzarbeiten

    Es bestehen keine Bedenken gegen eine haus- oder blockweise Aufteilung bzw. gegen eine Aufteilung bis zur Dehnungsfuge.

    3.

    Bodenbelagarbeiten

    Im Allgemeinen bestehen gegen eine Aufteilung je Wohnung oder Geschoss keine Bedenken.

    4.

    Dachdeckerarbeiten

    Aufteilung haus- oder blockweise zulässig.

    5.

    Elektrische Anlagen

    Eine Aufteilung ist bei Gesamtanlagen im Allgemeinen blockweise vorzunehmen.

    6.

    Erdarbeiten

    Gegen eine haus- oder blockweise Aufteilung bestehen keine Bedenken.

    7.

    Fliesen- und Plattenleger-

    arbeiten

    Die Aufteilung nach Bädern oder Küchen ist im Regelfall zulässig.

    8.

    Gartenanlagen

    Aufteilung erfolgt je nach der Arbeit.

    9.

    Gas-, Wasser- und Abwasserinstallation

    Aufteilung der Installationsanlagen ist haus- oder blockweise zulässig. Bei der Installation z.B. von Waschbecken, Badewannen und WC-Becken bestehen im Allgemeinen auch gegen eine stückweise Aufteilung keine Bedenken.

    10.

    Glaserarbeiten

    Aufteilung erscheint je nach Art der Arbeit im Regelfall stückweise zulässig.

    11.

    Heizungsanlagen

    Die Aufteilung kann haus- oder blockweise je Anlage vorgenommen werden. Bei selbstständigen Etagenheizungen kann nach Wohnungen aufgeteilt werden.

    12.

    Kanalbau

    Eine abschnittsweise Aufteilung (z.B. von Schacht zu Schacht) ist zulässig.

    13.

    Klempnerarbeiten

    Aufteilung ist je nach Art der Arbeit haus- oder stückweise zulässig (z.B. Regenrinne mit Abfallrohr hausweise, Fensterabdeckungen (außen) stückweise).

    14.

    Maler- und Tapezierarbeiten

    Die Aufteilung nach Wohnungen ist im Regelfall zulässig. Eine raumweise Aufteilung erscheint nicht vertretbar, wenn die Arbeiten untrennbar ineinander fließen.

    15.

    Maurer- und Betonarbeiten

    Bei Neubauten können Teilleistungen im Allgemeinen nur haus- oder blockweise bewirkt werden. Insbesondere bei herkömmlicher Bauweise und bei Skelettbauweise kann eine geschossweise Aufteilung grundsätzlich nicht zugelassen werden.

    16.

    Naturwerkstein- und Beton-Werksteinarbeiten

    Bei Objekten, die miteinander nicht verbunden sind, kann eine stückweise Aufteilung vorgenommen werden.

    17.

    Ofen- und Herdarbeiten

    Gegen eine stück- oder wohnungsweise Aufteilung bestehen keine Bedenken.

    18.

    Putz- und Stuckarbeiten (innen)

    Gegen eine Aufteilung nach Wohnungen oder Geschossen bestehen keine Bedenken.

    19.

    Schlosserarbeiten

    Aufteilung erscheint je nach Art der Arbeit im Regelfall stückweise zulässig (z.B. je Balkongitter).

    20.

    Straßenbau

    Fertige Straßenbauabschnitte stellen Teilleistungen dar. Beim Neubau bzw. Reparatur einer Straße kann die Fertigstellung eines laufenden Meters nicht als Teilleistung angesehen werden.

    21.

    Tischlerarbeiten

    Aufteilung erscheint je nach Art der Arbeit im Regelfall stückweise zulässig (z.B. je Tür und Fenster).

    22.

    Zimmererarbeiten

    Aufteilung haus- oder blockweise zulässig.

  2. Der Leistungsteil muss, wenn er Teil einer Werklieferung ist, abgenommen worden sein (gesonderte Abnahme); ist er Teil einer Werkleistung, muss er vollendet oder beendet worden sein.

    Um Teilleistungen anzunehmen, müssen die vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt werden, d.h., die Abnahme muss, wenn sie schriftlich vereinbart war, auch gesondert schriftlich vorgenommen werden (vgl. z.B. § 12 VOB/B). Darüber hinaus sind die Rechtsfolgen der Abnahme zu beachten (vgl. z.B. Beginn der Gewährleistungsfrist nach § 13 VOB/B). Eine nur aus steuerlichen Gründen vorgenommene Abnahme des Teils eines Gesamtbauwerks ist nicht als Teilleistung i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG anzuerkennen. Davon ist auszugehen, wenn die Folgen der Abnahme (Fälligkeit der Vergütung, Umkehr der Beweislast des Auftragnehmers für die Mängelfreiheit des Werks in die Beweislast des Auftraggebers für die Mangelhaftigkeit des Werks, Übergang der Gefahr des Untergangs der Teilleistung auf den Auftraggeber/Besteller des Werks) ganz oder teilweise tatsächlich ausgeschlossen werden. Das bloße Hinausschieben des Beginns der Verjährungsfrist für Mängelansprüche auf die Abnahme des Gesamtwerks zählt dagegen nicht dazu.

  3. Es muss vereinbart worden sein, dass für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung entsprechende Teilentgelte zu zahlen sind (gesonderte Vereinbarung).

    Aus dem Werkvertrag muss hervorgehen, dass für Teile der Gesamtleistung (sog. Einheitspreisvertrag nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A) ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde. Regelmäßig enthält der Werkvertrag ein Leistungsverzeichnis, das eine Leistungsbeschreibung, Mengen und Preise enthält (vgl. § 7b VOB/A). Nur wenn das Leistungsverzeichnis derartige Einzelpositionen enthält, können Teilleistungen angenommen werden. Vereinbarungen über zu zahlende Abschlagszahlungen (vgl. § 16 VOB/B) sind keine gesonderten Entgeltvereinbarungen. Wird lediglich ein Festpreis für das Gesamtwerk vereinbart (sog. Pauschalvertrag nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A), scheiden Teilleistungen aus. Teilleistungen scheiden ebenfalls aus, wenn (faktisch) Teilabnahmen erfolgen, ohne dass die zugrunde liegende Vereinbarung geändert wird.

  4. Das Teilentgelt muss gesondert abgerechnet werden (gesonderte Abrechnung).

    Die Teilleistung muss durch eine entsprechende Rechnungslegung gesondert abgerechnet werden. Die Abrechnung (vgl. § 14 VOB/B) muss dem entsprechen, was vorher vereinbart worden ist.

Beispiel 3:

Ein Unternehmer ist beauftragt worden, mehrere Wohnhäuser schlüsselfertig zu erstellen. Für die einzelnen Häuser sind Pauschalpreise vereinbart worden. Jedes einzelne Haus wird gesondert abgenommen und getrennt abgerechnet.

Lösung 3:

Die Lieferung jedes einzelnen Hauses ist eine Teilleistung i.S.d. Umsatzsteuerrechts.

5. Bauleistung in Verbindung mit einer Kreditgewährung

Der BFH hat mit Urteil vom 13.11.2013 (XI R 24/11, BStBl II 2017, 1147) entschieden, dass ein Unternehmer, der an ein Studentenwerk im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projekts eine Bauleistung (Werklieferung) ausführt, die mit einer 20-jährigen Finanzierung des Bauvorhabens durch ihn verbunden ist, neben einer umsatzsteuerpflichtigen Werklieferung eine eigenständige nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreie Kreditgewährung an das Studentenwerk erbringt.

Unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 17.1.2013 (C-224/11, UR 2013, 262) führt der BFH aus, dass eine Werklieferung und eine Finanzierung derselben grundsätzlich nicht als derart eng miteinander verbunden angesehen werden können, dass sie einen einheitlichen Umsatz bilden. Auch wenn die Finanzierung die Realisierung des angestrebten Bauvorhabens erleichtere, sei davon auszugehen, dass sie im Wesentlichen einen eigenen Zweck erfüllt und nicht nur das Mittel darstellt, um die Werklieferung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Gleichwohl bleibe nach den allgemeinen Grundsätzen im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Leistungen jeweils umsatzsteuerlich getrennt zu beurteilen oder als eine einheitliche Leistung zu betrachten sind. Eine gesonderte Rechnungsstellung und eine eigenständige Bildung des Leistungspreises sprechen dabei für das Vorliegen eigenständiger Leistungen (s. Abschn. 3.11. Abs. 1 Satz 5 UStAE).

Sei in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles die Kreditierung des Werklieferungsentgelts bereits als eigenständige Leistung zu beurteilen, könne es auf einen zahlenmäßig feststehenden Jahreszins nicht mehr ankommen.

Mit BMF-Schreiben vom 8.11.2017 (BStBl I 2017, 1517) wird unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 13.11.2013 (XI R 24/11, BStBl II 2017, 1147) Abschn. 3.11. UStAE geändert.

6. Entstehung der Umsatzsteuer

6.1. Versteuerung nach vereinbarten Entgelten

6.1.1. Grundsätzliches zur Steuerentstehung

Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG entsteht die Steuer bei Berechnung nach vereinbarten Entgelten (→ Sollversteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Werklieferung oder Werkleistung ausgeführt worden ist.

6.1.2. Teilleistungen

Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen (z.B. Werklieferungen und Werkleistungen), für die das Entgelt gesondert vereinbart wird und die demnach statt der einheitlichen Gesamtleistung geschuldet werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG). Für die Anerkennung und Abgrenzung von Teilleistungen vgl. Abschn. 13.4. UStAE.

6.2. Voraus- und Abschlagszahlungen

Die Steuer entsteht in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts (Voraus- und Abschlagszahlungen) vor Ausführung der Leistung/Teilleistung gezahlt wird, bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt/Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG; Abschn. 13.5. UStAE; → Anzahlungen). Dabei mindert ein evtl. durchzuführender Steuerabzug für Bauleistungen gem. § 48 ff. EStG das Entgelt/Teilentgelt nicht (→ Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen).

Für eine Voraus- und Abschlagszahlung entsteht die Steuer auch dann, wenn der Unternehmer keine → Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG i.V.m. Abschn. 14.8. UStAE erteilt. Bezüglich der Pflicht zur Erteilung von Rechnungen im Falle der Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts vor Ausführung der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen s.u.

Beachte:

Vorauszahlungen auf spätere Teilleistungen gehören zum Entgelt für diese Teilleistungen (BFH vom 19.5.1988, V R 102/83, BStBl II 1988, 848), die jedoch nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums ihrer Vereinnahmung zur Entstehung der Steuer führen (Abschn. 13.4. Satz 6 UStAE).

Zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs bei der Vereinnahmung einer Anzahlung vor Leistungserbringung hat der EuGH mit Urteil vom 19.12.2012 (C-549/11, UR 2013, 215, LEXinform 0589383) entschieden, dass Art. 65 MwStSystRL, wonach im Falle der Leistung von Anzahlungen der Steueranspruch schon vorher, d.h. zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsteht, insoweit eine Ausnahme zu Art. 63 MwStSystRL darstellt und daher eng ausgelegt werden muss. Die Entstehung des Steueranspruchs setzt in diesen Fällen daher voraus, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, d.h. der künftigen Lieferung oder der künftigen Dienstleistung, bereits bekannt und somit insbesondere die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der An- bzw. Vorauszahlung genau bestimmt sind. Anderenfalls unterliegen An- und Vorauszahlungen nicht der Mehrwertsteuer.

Kurzfassung des EuGH-Urteils vom 19.12.2012:

In dem Rechtstreit aus Bulgarien bestellten vier Grundstückseigentümer ein Erbbaurecht zugunsten einer Gesellschaft (Orfey). Sie sollte auf dem Grundstück ein Gebäude errichten und Alleineigentümerin bestimmter von ihr gebauter Objekte werden. Als Gegenleistung für dieses Recht verpflichtete sich die Gesellschaft, die Planung für das Gebäude zu erstellen, eine Genehmigung zu seiner Benutzung einzuholen, es innerhalb von 21 Monaten nach Beginn der Bauarbeiten vollständig auf eigene Kosten fertigzustellen und bestimmte Objekte im Gebäude »schlüsselfertig« an die Grundeigentümer zu liefern. Dafür sollten die Eigentümer keine zusätzlichen Zahlungen leisten. Die Gesellschaft stellte jedem der vier Grundstückseigentümer eine Rechnung einschließlich gesondert ausgewiesener USt vor Fertigstellung des Objekts aus. Die Gesellschaft versteuerte die Rechnungen nicht.

Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass auch schon vor Vollendung der Leistung Steuer geschuldet wird. Der EuGH ist dieser Auffassung gefolgt.

Es handelt sich um einen tauschähnlichen Umsatz. Die Gegenleistung ist hier die Bestellung des Erbbaurechts durch die vier Eigentümer. Voraussetzung ist allerdings, dass der Wert der Lieferung in Geld ausgedrückt werden kann. Hier ist die Besteuerung im Wege der Anzahlungsbesteuerung durchzuführen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Leistung zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der Anzahlung schon bekannt und genau bestimmt ist. Diese Voraussetzungen waren gegeben. Daher muss die Gesellschaft die Bestellung des Erbbaurechts als Anzahlung versteuern. Steuerbemessungsgrundlage für die Werklieferung des Grundstücks ist nicht der Nominalwert des gelieferten Gegenstandes, sondern die vom Stpfl. dafür tatsächlich erhaltene Gegenleistung (Erbbaurecht, subjektiver Wert). Wenn dieser Wert nicht aus einem zwischen den Beteiligten vereinbarten Geldbetrag besteht, ist es derjenige Wert, den der Empfänger der Dienstleistung, die die Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen darstellt, den Dienstleistungen beimisst, die er sich verschaffen will (s.a. Anmerkungen vom 19.12.2012, LEXinform 0401839 sowie vom 21.3.2013, LEXinform 0943644).

6.3. Istversteuerung

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer bei Berechnung nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung, § 20 UStG) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.

7. Voranmeldung und Vorauszahlung der Umsatzsteuer

Die Steuer ist nach § 18 Abs. 1 UStG binnen zehn Tagen nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes (Kalendervierteljahr oder Kalendermonat) anzumelden und zu entrichten, in dem die Leistungen/Teilleistungen ausgeführt bzw. die Voraus- oder Abschlagszahlungen vereinnahmt worden sind. Im Falle der Dauerfristverlängerung (§§ 46 bis 48 UStDV) verlängert sich diese Frist um einen Monat. Die Rechnungserstellung oder – im Fall der Sollversteuerung – die vollständige Zahlung durch den Auftraggeber ist nicht maßgebend (→ Voranmeldung).

8. Ermittlung des Entgelts

Soweit die Leistungen nach den vorstehenden Grundsätzen als ausgeführt anzusehen sind, ist die Steuer aufgrund des vereinbarten Leistungsentgelts zu entrichten. Bereits entrichtete Steuerbeträge auf Voraus- und Abschlagszahlungen sind abzuziehen.

Sind für Leistungen Einheitspreise (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 der VOB/A) vereinbart worden, erteilt der Auftragnehmer die Schlussrechnung im Allgemeinen erst mehrere Monate nach Entstehung der Steuer, weil die Ermittlung des genauen Entgelts längere Zeit erfordert (fehlende/unvollständige Aufmessungen). In solchen Fällen hat der Unternehmer im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung das sich erst endgültig betragsmäßig aufgrund einer Abschlussrechnung ergebende Entgelt zu schätzen. Die Schätzung hat sich an dem erwarteten Entgelt zu orientieren (s.a. Abschn. 13.2. Abs. 2 UStAE)

Ergeben sich in der Schlussrechnung Abweichungen von der vorläufigen (geschätzten) Bemessungsgrundlage, hat der Unternehmer den Unterschiedsbetrag grundsätzlich für den Voranmeldungszeitraum zu berichtigen, in dem die Leistung ausgeführt wurde. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer die sich aus der Schlussrechnung ergebenden Mehrsteuern in der laufenden Umsatzsteuer-Voranmeldung erklärt und abführt (s. BMF vom 27.1.2023, BStBl I 2023, 305 unter IV.).

Beispiel 4:

Ein Bauunternehmer erstellt auf dem Grundstück des Auftraggebers (Bauherr) ein Hochhaus. Auf der Basis von Einheitspreisen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ergibt sich eine Vertragssumme von netto 9 Mio. €. Das vertragsgemäß fertig gestellte Werk wird im September abgenommen. An Voraus- und Abschlagszahlungen wurden bis zur Abnahme netto 8,5 Mio. € geleistet, die der Bauunternehmer bereits im Zeitpunkt der Zahlung zutreffend der Steuer unterworfen hatte (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG). Eine sachgerechte Schätzung ergibt ein voraussichtliches Entgelt von netto 9,5 Mio. €. Im Februar des Folgejahres wird auf der Grundlage des endgültigen Aufmaßes die Schlussrechnung über 10 Mio. € zzgl. USt erstellt.

Lösung 4:

S. Beispiel 4 des BMF-Schreibens vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305) unter IV.

Die Werklieferung ist mit Abnahme im September ausgeführt. Der Bauunternehmer hat die bisher erhaltenen Voraus- und Abschlagszahlungen von bisher 8,5 Mio. € versteuert. Für die Werklieferung ist in der USt-Voranmeldung für September eine Steuer auf der Grundlage des geschätzten Entgeltes für den Restbetrag von 1 Mio. € zu berechnen. Um eine Berichtigung der Voranmeldung für September zu vermeiden, kann der sich aus der Schlussrechnung ergebende Unterschiedsbetrag (0,5 Mio. €) in der USt-Voranmeldung für den Monat Februar des Folgejahres berücksichtigt werden.

Hat der Auftragnehmer weder Voraus- noch Abschlagszahlungen erhalten, ist das Entgelt ggf. auf der Grundlage des Angebots oder eines Voranschlages zu schätzen. Weicht der Rechnungsbetrag von dieser geschätzten Bemessungsgrundlage ab, ist die Versteuerung für den Zeitraum der Leistungserbringung ebenfalls zu berichtigen. Stehen bei Abnahme, d.h. bei Verschaffung der Verfügungsmacht, an dem bestellten Werk noch untergeordnete, die bestimmungsgemäße Nutzung nicht beeinträchtigende Restarbeiten aus, sind diese stets in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Wenn für die einheitliche Leistung ein Pauschalpreis (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A) vereinbart worden ist, steht das Entgelt bereits fest. Der Auftragnehmer hat unter Berücksichtigung der bereits besteuerten Voraus- und Abschlagszahlungen auf der Grundlage des vereinbarten Pauschalentgeltes die Leistung in dem Voranmeldungszeitraum zu versteuern, in dem sie ausgeführt wird.

Vertragliche Einbehalte zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen der Leistungsempfänger (z.B. sog. Sicherungseinbehalte für Baumängel) berechtigen zur Steuerberichtigung, soweit dem Unternehmer nachweislich die Absicherung dieser Gewährleistungsansprüche durch Gestellung von Bankbürgschaften im Einzelfall nicht möglich war und er dadurch das Entgelt insoweit für einen Zeitraum von über zwei bis fünf Jahren noch nicht vereinnahmen kann (vgl. Abschn. 17.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE).

9. Rechnungserteilung

9.1. Rechnungslegungspflicht

Für ausgeführte stpfl. Werklieferungen oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück ist der Auftragnehmer verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Bauleistung eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener USt auszustellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. den Abs. 1 bis 4 UStG). Dies gilt auch dann, wenn die Bauleistung an eine Privatperson ausgeführt wird. Da die Rechnung von der Privatperson zwei Jahre lang aufzubewahren ist (§ 14b Abs. 1 Satz 5 UStG), muss die Rechnung einen Hinweis auf die zweijährige Aufbewahrungspflicht enthalten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 UStG). Bei Nichteinhaltung der Rechnungsausstellungsverpflichtung kann das FA ein Bußgeld festsetzen (§ 26a Abs. 2 Nr. 1 UStG).

9.2. Vorauszahlungen

Gem. § 14 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 bis 4 UStG ist der Unternehmer berechtigt und ggf. verpflichtet, über das vor der Ausführung der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen vereinnahmte Entgelt eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener USt zu erteilen. Aus der Rechnung muss hervorgehen, dass damit Voraus- oder Abschlagszahlungen abgerechnet werden, z.B. durch Angabe des voraussichtlichen Zeitpunkts der Leistung.

9.3. Endrechnungen

In den Endabrechnungen, mit denen der Unternehmer über die ausgeführten Leistungen insgesamt abrechnet, sind gem. § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG die vor der Ausführung der Leistung vereinnahmten Entgelte sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über diese Entgelte Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt worden sind. Unterlässt der Unternehmer dies, hat er den in dieser Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag an das FA abzuführen (§ 14c Abs. 1 UStG, Abschn. 14.8. Abs. 10 UStAE; → Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis).

10. Vorsteuerabzug

10.1. Vorauszahlungen

Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG kann der Unternehmer, sofern auch die übrigen Voraussetzungen für den → Vorsteuerabzug vorliegen, die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer, auch soweit sie auf eine Zahlung vor Ausführung einer Lieferung oder sonstigen Leistung entfällt, bereits für den Besteuerungszeitraum als Vorsteuer abziehen, in dem die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Zahlt der Unternehmer einen geringeren als den in der Rechnung angeforderten Betrag, kann er nur die Vorsteuer abziehen, die auf die jeweilige Zahlung entfällt.

10.2. Leistungsausführung

Ist die gesamte Leistung ausgeführt worden, kann der Unternehmer die Vorsteuer erst dann abziehen, wenn er für die Leistung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erhalten hat. Hat er bereits Anzahlungen geleistet und darüber Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erhalten, kann er aus der Endrechnung nur den Betrag als Vorsteuer abziehen, der auf das restliche zu entrichtende Entgelt entfällt. Das gilt auch dann, wenn der leistende Unternehmer in der Endrechnung die gezahlten Beträge und die darauf entfallende Steuer nicht abgesetzt hat.

Beispiel 5:

Ein Bauunternehmer erteilt seinem Auftraggeber, für den er eine Lagerhalle erstellt, im Juni eine Rechnung über eine zu leistende Anzahlung i.H.v. 100 000 € zzgl. 19 000 € USt. Der Auftraggeber entrichtet den Gesamtbetrag im August.

Lösung 5:

Der Bauunternehmer hat die Anzahlung i.H.v. 100 000 € in der USt-Voranmeldung für August der USt zu unterwerfen. Entsprechend kann der Auftraggeber für den Voranmeldungszeitraum August den darauf entfallenden Steuerbetrag i.H.v. 19 000 € als Vorsteuer abziehen.

Beispiel 6:

Sachverhalt wie zu Beispiel 5. Der Auftraggeber zahlt im August jedoch nur einen Betrag von insgesamt 90 000 €.

Lösung 6:

Beim Bauunternehmer entsteht die USt mit Ablauf des Monats August nur insoweit, als sie auf das tatsächlich vereinnahmte Teilentgelt entfällt. In der Voranmeldung für diesen Monat sind 75 630,25 € (90 000 € abzüglich USt 14 369,75 €) der Steuer zu unterwerfen. Der Auftraggeber kann für diesen Voranmeldungszeitraum auch nur einen Vorsteuerabzug i.H.v. 14 369,77 € geltend machen.

Beispiel 7:

Sachverhalt wie zu Beispiel 5. Die Halle wird im Januar des Folgejahres vom Auftraggeber abgenommen. Im selben Monat erhält er vom Bauunternehmer auch die Endrechnung über 500 000 € zzgl. 95 000 € USt. Der Bauunternehmer unterlässt es aber, die bereits erhaltene und mit gesondertem Steuerausweis in Rechnung gestellte Anzahlung i.H.v. insgesamt 100 000 € zzgl. 19 000 € USt in der Endrechnung abzusetzen.

Lösung 7:

S. die Beispiel 8 bis 10 des BMF-Schreibens vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 305) unter VII.

Der Bauunternehmer schuldet für den Voranmeldungszeitraum Januar des Folgejahres den in seiner Rechnung ausgewiesenen gesamten Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 95 000 € (19 % von 500 000 €), davon 19 000 € gem. § 14c Abs. 1 UStG. Der auf die vereinnahmte und bereits versteuerte Anzahlung von 119 000 € entfallende Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 19 000 € wird also wegen der unterlassenen Absetzung des Teilentgelts in der Endrechnung nach § 14c Abs. 1 UStG nochmals geschuldet.

Der Auftraggeber kann für den Voranmeldungszeitraum Januar des Folgejahres nur den Steuerbetrag als Vorsteuer abziehen, der auf die verbliebene Restzahlung i.H.v. 476 000 € entfällt. Für ihn ergibt sich somit unabhängig von einer eventuellen Rechnungsberichtigung durch den Bauunternehmer aufgrund der Endrechnung ein restlicher Vorsteuerabzug i.H.v. 76 000 €.

11. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Umsatzsteuer

11.1. Bauleistungen ausländischer Unternehmer

Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die von im Ausland ansässigen Unternehmen stpfl. Werklieferungen oder sonstige Leistungen empfangen, schulden die darauf entfallende USt (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG; → Steuerschuldner bei der Umsatzsteuer, → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Dies gilt auch, wenn die jeweilige Leistung nicht für das Unternehmen des Empfängers oder der juristischen Person öffentlichen Rechts bestimmt ist. Weitere Informationen enthält der Abschn. 13b.1. UStAE.

11.2. Bauleistungen inländischer Unternehmer

Werden Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen – mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen – (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG), von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger dann Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist und selbst nachhaltig Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt, unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Bauleistung verwendet (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG). Davon ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TG gem. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG vorlegt (vgl. Abschnitt 13b.3. Abs. 3 UStAE). Dies gilt ebenfalls, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird (§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG). Weitere Informationen enthält der Abschnitt 13b.3. UStAE.

Siehe dazu die Erläuterungen unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Brandis, UR 2020, 571).

Führt der Unternehmer eine Leistung aus, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« verpflichtet und darf die USt in der Rechnung nicht gesondert ausweisen (vgl. § 14a Abs. 5 UStG). Wird USt, für die der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, in einer Rechnung des Leistenden gesondert ausgewiesen, schuldet der Leistende den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG.

12. Auswirkung der Abzugssteuer auf die Umsatzsteuer

Der Steuerabzug nach § 48 ff. EStG (→ Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen) hat keine Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Behandlung. Zum umsatzsteuerlichen Entgelt gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG gehören auch Zahlungen des Leistungsempfängers an Dritte (vgl. Abschn. 10.1. Abs. 7 Satz 1 UStAE). Deshalb ist bei der Ermittlung des Entgelts auch der vom Leistungsempfänger einzubehaltende und an das für den leistenden Unternehmer zuständige FA abzuführende Betrag zu berücksichtigen.

Hinweis:

Mit Schreiben vom 19.7.2022 (BStBl I 2022, 1229) ersetzt das BMF die bisherigen Schreiben zur Bauabzugsteuer vom 27.12.2002 (BStBl I 2002, 1399), vom 4.9.2003 (BStBl I 2003, 431) und vom 20.9.2004 (BStBl I 2004, 862).

Beispiel 8:

Der Unternehmer erteilt dem Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:

Auftragssumme netto

100 000 €

Umsatzsteuer 19 %

19 000 €

Bruttobetrag

119 000 €

Lösung 8:

Der Leistungsempfänger überweist dem Unternehmer (119 000 € abzüglich 15 % Bauabzugssteuer 17 850 €) 101 150 €.

Das umsatzsteuerliche Entgelt beträgt 100 000 €, die darauf entfallende USt 19 000 €.

Versteuert der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG), ist die Versteuerung in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem das Entgelt bzw. Teilentgelt vereinnahmt wird.

Beispiel 9:

Der Unternehmer erteilt dem Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen die im Beispiel 8 bezeichnete Rechnung. Der Leistungsempfänger überweist im März (59 500 € abzüglich 15 % Steuerabzug 8 925 €) 50 575 € und nochmals 50 575 € im Mai.

Lösung 9:

Der leistende Unternehmer hat gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG in der USt-Voranmeldung für März ein Teilentgelt von 50 000 € und in der USt-Voranmeldung für Mai den Restbetrag von 50 000 € anzumelden.

Versteuert der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten, ist die Versteuerung in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem die Bauleistung ausgeführt worden ist. Die vor Ausführung der Leistung vereinnahmten Vorauszahlungen, Abschlagszahlungen usw. führen jedoch nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG zu einer früheren Steuerentstehung (vgl. Abschn. 13.5. UStAE).

Beispiel 10:

Der Stpfl. U führt im April Bauleistungen aus. Das vereinbarte Entgelt entspricht der im Mai erteilten Rechnung (vgl. Beispiel 8). Der Leistungsempfänger überweist im März (59 500 € abzüglich 15 % Steuerabzug 8 925 €) 50 575 € als Vorauszahlung und nochmals 50 575 € im Mai.

Lösung 10:

Der leistende Unternehmer hat gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG im März ein Teilentgelt von 50 000 € und im April gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG den Restbetrag von 50 000 € zu versteuern.

13. Zuständigkeit bei Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 EStG von im Ausland ansässigen Unternehmern

Die Vorschrift des § 20a AO regelt, dass die Zuständigkeit für die Besteuerung von im Ausland ansässigen Unternehmern und Arbeitnehmerverleihern mit Bauleistungen und ihren im Ausland wohnenden ArbN einheitlich bei dem für die Umsatzsteuer zentral zuständigen FA liegt. Zuständig für die USt ist nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 der UStZustV das dort aufgeführte FA. Einzelheiten zur Zuständigkeit regelt das LfSt Niedersachsen mit Vfg. vom 23.1.2019 (S 0122 – 70 – St 145, DB 2019, 464).

14. Sicherheitsleistungen

Nach § 17 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) können Sicherheitsleistungen vereinbart werden, wobei die §§ 232 bis 240 BGB anzuwenden sind, wenn sich aus den Bestimmungen nichts anderes ergibt. Die Sicherheit dient dazu, die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Mängelansprüche sicherzustellen.

Nach der VOB kann Sicherheit durch den Auftragnehmer wie folgt geleistet werden

  1. durch Einbehalt von Geld,

  2. durch Hinterlegung von Geld oder

  3. durch Bürgschaft eines Kreditinstituts.

Der Auftragnehmer hat die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit; er kann eine Sicherheit durch eine andere ersetzen.

Gerade in der Baubranche ist es üblich, dass der Auftraggeber vereinbarungsgemäß die Sicherheit in Teilbeträgen von seinen Zahlungen einbehält. Nach § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB darf der Auftraggeber jeweils die Zahlung um höchstens 10 % kürzen, bis die vereinbarte Sicherheitssumme erreicht ist. Sofern Rechnungen ohne USt gem. § 13b UStG gestellt werden, bleibt die USt bei der Berechnung des Sicherheitseinbehalts unberücksichtigt. Der Auftraggeber (Bauherr) muss den einbehaltenen Betrag auf ein Sperrkonto bei einem vereinbarten Kreditinstitut einzahlen, über das beide – der Auftraggeber und der Auftragnehmer – nur gemeinsam verfügen können. Etwaige Zinsen stehen dem Auftragnehmer zu (§ 17 Nr. 5 VOB). Mit der Hinterlegung erwirbt der Auftraggeber ein Pfandrecht an dem hinterlegten Geld (§ 233 BGB).

Umsatzsteuerrechtlich ist es möglich, dass der Bauunternehmer trotz Sollversteuerung nicht verpflichtet ist, USt über mehrere Jahre vorzufinanzieren. Umsatzsteuerrechtlich müssen Unternehmer im Rahmen der sog. Sollbesteuerung ihre Leistungen bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung versteuern. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die ihm zustehende Vergütung – bestehend aus Entgelt und Steuerbetrag – bereits vereinnahmt hat. Die Vorfinanzierung der USt entfällt nach § 17 UStG erst dann, wenn der Unternehmer seinen Entgeltanspruch nicht durchsetzen kann. Anders ist es bei der sog. Istbesteuerung. Dort werden solche Liquiditätsnachteile von vornherein dadurch vermieden, dass der Steueranspruch erst für den Voranmeldungszeitraum der Entgeltvereinnahmung entsteht. Zur Istbesteuerung sind allerdings nur kleinere Unternehmen und nicht bilanzierende Freiberufler berechtigt.

Mit Urteil vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) hat der BFH entschieden, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer, soweit er seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt ist.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe:

Der Streitfall betraf einen Bauunternehmer, für dessen Leistungen Gewährleistungsfristen von zwei bis fünf Jahren bestanden. Die Kunden waren vertraglich bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist zu einem Sicherungseinbehalt von 5 bis 10 % der Vergütung berechtigt. Der Kläger hätte den Einbehalt nur durch Bankbürgschaft abwenden können, war aber nicht in der Lage, entsprechende Bürgschaften beizubringen. Das FA und das FG sahen den Kläger im Rahmen der Sollbesteuerung als verpflichtet an, seine Leistung auch im Umfang des Sicherungseinbehalts zu versteuern. Eine Uneinbringlichkeit liege entsprechend bisheriger Rechtsprechung nicht vor, da die Kunden keine Mängelansprüche geltend gemacht hätten.

Dem folgt der BFH nicht. Der Unternehmer soll mit der USt als indirekter Steuer nicht belastet werden. Mit diesem Charakter der USt ist eine Vorfinanzierung für einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus sieht es der BFH als erforderlich an, im Verhältnis von Soll- und Istbesteuerung den Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren. Daher ist von einer Steuerberichtigung nach § 17 UStG bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung auszugehen.

Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Kann der Unternehmer das Entgelt für seine bereits erbrachten Leistungen aus Gründen, die bereits bei Leistungserbringung vorliegen, für einen Zeitraum über zwei bis fünf Jahre nicht vereinnahmen, ist erst recht von Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auszugehen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 9/2014 vom 4.2.2014, LEXinform 0441274 sowie Anmerkung vom 14.2.2014, LEXinform 0879411).

Unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) – wonach ein Unternehmer grundsätzlich im Umfang eines Sicherungseinbehalts zur Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtigt sein kann – hat das BMF mit Schreiben vom 3.8.2015 (BStBl I 2015, 624) zur Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund eines Sicherungseinbehalts Stellung genommen (s. Abschn. 17.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 3.8.2015, BStBl I 2015, 624). Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) ist ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung nach § 17 UStG wegen Uneinbringlichkeit berechtigt, soweit er seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann.

15. Literaturhinweise

Sterzinger, Steuerschuldnerschaft von nachhaltig Bauleistungen erbringenden Leistungsempfängern, UR 2015, 569; Grebe, Abwicklung von Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 UStG Teil I und II, UStB 3/2016, 88 und UStB 5/2016, 158; Ringwald, Umsatzbesteuerung von Bauleistungen nach § 13b UStG, UR 12/2016, 461; Tehler, Vertrauensschutz für den Bauhandwerker bei Bauträgergeschäften?, UR 19/2015, 729; Schädlich u.a., Lösungsklauseln in der Insolvenz des Bauunternehmers, NWB 47/2017, 3584; Sterzinger, Aktuelle Entwicklung zur Abwicklung der sog. Bauträgerfälle, UStB 3/2019, 86; Brandis, Betriebsvorrichtung und Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG), UR 2020, 571; Lippross, Werklieferung und Bauleistung – Zur richtlinienkonformen Anwendung und Auslegung dieser umsatzsteuerrechtlichen Begriffe, UR 2020, 536; Hölscheid, Bauträger und Umsatzsteuer – angekommen im Haftungsprozess gegen den Steuerberater, NWB 8/2023, 564.

16. Verwandte Lexikonartikel

Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen

Rechnung

Steuerschuldner

Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Werkleistung

Werklieferung

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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