1 Gesetzesänderung ab 2015
2 Allgemeine Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG
2.1 Quantitative Abzugsbegrenzung
2.2 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Stpfl. für den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten
2.3 Qualitative Abzugsbegrenzung
2.4 Wirkungsweise des begrenzten Realsplittings
3 Antrag und Zustimmung
3.1 Im Erstjahr
3.2 Der Antrag in den Folgejahren
3.3 Begrenzung des Antrages
3.4 Die Zustimmung des Unterhaltsempfängers
3.4.1 Ertragsteuerrechtliche Wirkung
3.4.2 Zivilrechtlicher Nachteilsausgleich
3.5 Die Bindungswirkung von Antrag und Zustimmung
3.6 Betragsmäßige Erweiterung der Zustimmung bzw. des Antrags
3.7 Antrag und Zustimmung nach Bestandskraft des Steuerbescheids
4 Korrespondenz zwischen Sonderausgaben beim Empfänger und steuerpflichtigen Einnahmen beim Empfänger
4.1 Unbeschränkte Steuerpflicht des Gebers sowie des Empfängers
4.2 Lediglich unbeschränkte Steuerpflicht des Empfängers
4.3 Empfänger ist nicht unbeschränkt steuerpflichtig, Geber ist unbeschränkt steuerpflichtig
5 Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen
6 Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit Realsplitting
7 Wohnungsüberlassung
8 Beerdigungskosten für den geschiedenen Ehegatten
9 Unterhaltszahlungen an die Mutter des nichtehelichen Kindes gem. § 1615l BGB
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel
Durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417) wurde u.a. § 10 EStG neu gefasst. In § 10 Abs. 1a EStG werden die Sonderausgabentatbestände zusammengefasst, bei denen der Abzugstatbestand des Leistenden mit einer Besteuerung beim Leistungsempfänger korrespondiert. Die bisher in § 10 Abs. 1 Nr. 1 enthaltene Regelung zur Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen wird ab 1.1.2015 unverändert in § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG übernommen. § 22 Nr. 1a EStG regelt ab 1.1.2015 einheitlich die steuerliche Behandlung der in § 10 Abs. 1a EStG genannten Einkünftetransfers beim Empfänger. § 22 Nr. 1b und 1c EStG entfallen, da sie mit ihren korrespondierenden Normen nun einheitlich in § 10 Abs. 1a EStG geregelt sind. Ziel der zusammenfassenden Neuregelung war laut Entwurfsbegründung eine übersichtlichere Darstellung, die für mehr Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit sorgen soll. Die Neuregelung gilt erstmals für im Veranlagungszeitraum 2015 geleistete Aufwendungen.
Nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG sind → Unterhaltsaufwendungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13 805 € im Kj. als → Sonderausgaben abzugsfähig, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Bei einem Unterhalt an mehrere Empfänger sind jeweils bis zu 13 805 € abziehbar (R 10.2 Abs. 3 EStR).
Der Höchstbetrag erhöht sich um den Betrag, der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten aufgewandten Beiträge (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 2 EStG).
Ist in der Basis-Kranken- oder Pflegepflichtversicherung des Stpfl. auch ein geschiedener oder dauernd getrennt lebender unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Ehegatte mit abgesichert, sieht das Gesetz eine Sonderregelung vor (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG).
Hinweis:
Die Sonderregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG ist nur dann anzuwenden, wenn in der Basisversicherung des Stpfl. der geschiedene Ehegatte mit abgesichert ist.
Mit dieser Sonderregelung wird sichergestellt, dass die Aufwendungen für eine Kranken- und Pflege-Pflichtversicherung auf sozialhilferechtlich gewährleistetem Leistungsniveau einmal bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt werden. Die von der steuerpflichtigen Person geleisteten Beiträge werden in diesem Fall als eigene Beiträge des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten behandelt. Eine Doppelberücksichtigung ist ausgeschlossen, da § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG nur zur Anwendung kommt, wenn der geschiedene oder dauernd getrennt lebende unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ehegatte zuvor einer Versteuerung der Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1a EStG i.R.d. Realsplittings zugestimmt hat. Andernfalls liegen bei ihm steuerfreie Einnahmen vor und ein Abzug wäre nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht möglich.
Nach dem Beschluss des BVerfG vom 13.2.2008 (2 BvL 1/06, DStR 2008, 604) müssen auch Beiträge für eine Kranken- und Pflegepflichtversicherung abziehbar sein, soweit sie für die Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind. Um dies adäquat i.R.d. sog. begrenzten Realsplittings zu berücksichtigen, wird der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG um denjenigen Betrag erhöht, der tatsächlich für eine entsprechende Absicherung des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten aufgewandt wird. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob der Unterhaltsberechtigte oder der Unterhaltsverpflichtete Versicherungsnehmer ist. Der Erhöhungsbetrag wirkt sich allerdings nur dann aus, wenn der Unterhaltsverpflichtete entsprechende Unterhaltsaufwendungen über den Betrag nach Satz 1 hinaus auch tatsächlich leistet. Die auch i.R.d. Erhöhungsbetrags als Sonderausgaben beim Unterhaltsberechtigten berücksichtigten Unterhaltsleistungen unterliegen beim Unterhaltsberechtigten der Besteuerung nach § 22 Nr. 1a EStG (Korrespondenzprinzip). Dem Unterhaltsberechtigten steht gleichzeitig im Rahmen seiner Steuerveranlagung der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 bzw. Nr. 3 Satz 3 EStG zu.
Nicht unter den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG fallen hingegen Zahlungen der steuerpflichtigen Person unmittelbar an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ehegatten oder im Rahmen eines abgekürzten Zahlungsweges an eine Versicherung für eine von dem geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten abgeschlossene Versicherung i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a oder Buchst. b EStG. In diesem Fall handelt es sich um Beiträge des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten, die dieser im Rahmen seiner eigenen ESt-Erklärung geltend machen kann.
Zur Beitragsbemessung freiwillig Versicherter in der Krankenversicherung gilt nach der Entscheidung des BSG vom 28.6.2022, BS 12 KR 11/20 R Folgendes: Unterhaltsleistungen sind bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung grds. als Einnahme zu berücksichtigen. Auf die Steuerpflicht von Unterhaltsleistungen im Rahmen des begrenzten Realsplittings kommt es für die beitragsrechtliche Qualifizierung als Einnahme nicht an.
Die folgenden Fälle verdeutlichen die Problematik des Zusammenspiels zwischen § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 sowie § 10 Abs. 1a Nr. 1 und § 33a Abs. 1 EStG. Damit wird auch deutlich, dass die Aufwendungen für eine Kranken- und Pflege-Pflichtversicherung auf sozialhilferechtlich gewährleistetem Leistungsniveau einmal bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt wird. S.a. die Erläuterungen unter → Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen.
Hinweis:
Der Sonderausgabenabzug setzt grundsätzlich voraus, dass der Stpfl. mit den Aufwendungen wirtschaftlich belastet ist (Rz. 81 des BMF-Schreibens vom 24.5.2017, BStBl I 2017, 820). Unerheblich ist, wer nach dem Versicherungsvertrag versicherte Person oder Bezugsberechtigter ist. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für mitversicherte Angehörige (z.B. den Ehegatten, den eingetragenen Lebenspartner oder Kinder) kann der Stpfl. daher als eigene Beiträge geltend machen. In den Fällen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG können sie abweichend aber auch vom Unterhaltsverpflichteten geltend gemacht werden, wenn dieser die eigenen Beiträge eines Kindes, für das ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld besteht, wirtschaftlich getragen hat. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Beiträge in Form von Bar- oder Sachunterhaltsleistungen getragen wurden. Die Beiträge können zwischen den Eltern und dem Kind aufgeteilt, im Ergebnis aber nur einmal – entweder bei den Eltern oder beim Kind – als Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt werden (Grundsatz der Einmalberücksichtigung).
Wie bereits oben erläutert, sind unter bestimmten Voraussetzungen Basisversicherungsbeiträge des Stpfl. für den geschiedenen Ehegatten dem geschiedenen Ehegatten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG zuzurechnen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Übernahme der Basisversicherungsbeiträge durch den Stpfl. für den geschiedenen Ehegatten sich auch auf die Höhe des begrenzten Realsplittings i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG sowie auch auf die Höhe der maximal nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Unterhaltsaufwendungen auswirken kann.
Fall 1:
Fall 2:
a) |
§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG ist erfüllt. In den Fällen des Realsplittings überträgt § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG den Sonderausgabenabzug der Basisversicherungsaufwendungen des Stpfl. (Unterhaltsverpflichteter) auf den begünstigten Ehegatten (Unterhaltsempfänger); dieser hat die Unterhaltsleistungen des Stpfl. nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern. Die Unterhaltsleistungen des Stpfl. (Unterhaltsverpflichteter) fallen unter § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG, wobei der Höchstbetrag des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG um die geleisteten Basis-Kranken- und Pflegeversicherungsbasisbeiträge erhöht wird. |
|
Die Basis-Versicherungsbeiträge für den getrennt lebenden Ehegatten sind als Unterhaltsleistungen Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG beim Stpfl. (Unterhaltsverpflichteten). |
Die Basis-Versicherungsleistungen des Stpfl. werden zu eigenen Basis-Versicherungsbeiträgen des getrennt lebenden Ehegatten (Unterhaltsempfänger) nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG. Gleichzeitig sind die Basis-Versicherungsbeiträge als Einnahmen i.S.d. § 22 Nr. 1a EStG zu erfassen. |
|
b) |
§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG ist nicht erfüllt. Der getrennt lebende Ehegatte (Unterhaltsempfänger) hat dem Sonderausgabenabzug des Stpfl. (Unterhaltsverpflichteten) nicht zugestimmt. Die Umqualifizierung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG findet keine Anwendung. Bei den Basis-Versicherungsaufwendungen für den getrennt lebenden Ehegatten handelt es sich um eigene Beiträge des Stpfl. als Versicherungsnehmer, die dieser als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG abziehen kann. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für mitversicherte Angehörige (z.B. den Ehegatten) kann der Stpfl. (Unterhaltsverpflichteter) als eigene Beiträge i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG geltend machen. |
|
Unterhaltsleistungen: Ohne Antrag und/oder Zustimmung sind die im betreffenden Veranlagungszeitraum geleisteten Unterhaltszahlungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen (H 33a.1 [Geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatten] EStH). Dabei erhöht sich der Höchstbetrag von 9 408 € im Kj. 2020 um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für den Ehegatten aufgewendeten Basis-Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge; dies gilt nicht für Basisbeiträge, die bereits nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind. Die Erhöhung tritt somit nicht ein, da die Beiträge bereits nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG beim Stpfl. selbst anzusetzen sind (§ 33a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG). Für die Erhöhung ist es nicht notwendig, dass die Beiträge tatsächlich von dem Unterhaltsverpflichteten gezahlt oder erstattet wurden. Für die Erhöhung des Höchstbetrags genügt es, wenn der Unterhaltsverpflichtete seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommt. Die Gewährung von Sachunterhalt (z.B. Unterkunft und Verpflegung) ist ausreichend (R 33a.1 Abs. 5 EStR sowie OFD Nordrhein-Westfalen vom 17.9.2015, Kurzinfo ESt 5/2013, DStR 2015, 2332). |
Fall 3:
Fall 4:
Fall 5:
Beispiel 1:
Der dauernd getrennt lebende Stpfl. A leistet Unterhalt an den Ehegatten E i.H.v. 13 000 € im Kj. Zusätzlich zu diesen Unterhaltsleistungen übernimmt A als Versicherungsnehmer für E auch die Basis-Krankenversicherungsleistungen i.H.v. 2 500 € und Basis-Pflegeversicherungsleistungen i.H.v. 500 € im Kj. Aus den Krankenversicherungsbeiträgen ergibt sich ein Anspruch auf Krankengeld.
Zusätzlich tätigt A eigene Basisvorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b EStG i.H.v. 800 €. Weiterhin hat A Aufwendungen für sonstige Vorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.H.v. 1 400 €. A hat ausschließlich Einkünfte aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Der Ehegatte E (Unterhaltsempfänger) hat die Zustimmung zum Sonderausgabenabzug des A auf der Anlage U auf einen Betrag von 14 200 € begrenzt.
Lösung 1:
Da A die Basis-Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Versicherungsnehmer leistet, handelt es sich um eigene Beiträge des A. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Satz 4 EStG ist der Basis-Krankenversicherungsbeitrag von 2 500 € um 4 % (100 €) auf 2 400 € zu kürzen, da ein Anspruch auf Krankengeld besteht. Der Kürzungsbetrag von 100 € fällt als Vorsorgeaufwand unter § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Erfasst werden danach u.a. Beiträge, soweit diese nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a oder b EStG zu berücksichtigen sind.
Eigene Basis-Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Stpfl., die dieser für seinen dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten leistet, werden nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG als eigene Beiträge des Unterhaltsempfängers behandelt. Dies gilt allerdings nur in den Fällen des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG.
Unterhaltsleistungen |
13 000 € |
||
Basisversicherungsleistungen für den Ehegatten |
3 000 € |
||
Kürzung um 4 % von 2 500 € |
./. 100 € |
||
verbleiben Basisversicherungsleistungen für den Ehegatten |
2 900 € |
||
Zustimmung des Ehegatten § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG |
14 200 € |
13 000 € |
|
./. 1 200 € |
|||
verbleiben Basis-Versicherungsbeiträge |
1 700 € |
1 200 € |
|
Begrenztes Realsplitting (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG, § 22 Nr. 1a EStG) |
14 200 € |
||
eigene Basisversicherungsbeiträge des A |
800 € |
||
zzgl. Basisversicherungsleistungen für den Ehegatten |
1 700 € |
||
Summe Basisvorsorgeaufwendungen |
2 500 € |
||
Höchstbetrag (§ 10 Abs. 4 Satz 1 EStG) |
2 800 € |
2 800 € |
|
noch zu berücksichtigen |
300 € |
||
sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG |
|||
Kürzungsbetrag beim Ehegatten |
100 € |
||
Eigene Versicherungsbeiträge |
1 400 € |
||
Summe |
1 500 € |
||
davon zu berücksichtigen |
300 € |
300 € |
Eine einheitlich geleistete Unterhaltszahlung des Unterhaltsverpflichteten an seine ehemalige Ehefrau und seine Kinder ist für Zwecke des Realsplittings nicht nach Köpfen, sondern nach zivilrechtlichen Grundsätzen aufzuteilen. Dabei kann auf zivilrechtliche Unterhaltstitel oder übereinstimmende Berechnungen der Beteiligten zurückgegriffen werden, sofern nicht einer der Beteiligten die Berechnungen in substantiiert nachvollziehbarer Weise bestreitet (BFH vom 12.12.2007, XI R 36/05, BFH/NV 2008, 792, LEXinform 0586891). Die im Jahr 1995 erteilte Zustimmung ist nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten weder widerrufen noch in späteren Jahren der Höhe nach beschränkt worden; es ist auch nicht ersichtlich, dass sie durch eine auf einen niedrigeren Betrag beschränkte Zustimmung ersetzt worden wäre.
Soweit die Unterhaltsleistungen vom Geber abgezogen werden können, hat der Empfänger sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG. Zwischen dem Sonderausgabenabzug des Zahlenden und der Erfassung der Zahlungen beim Empfänger besteht eine gesetzlich vorgegebene Korrespondenz. Die Verteilung der Besteuerungsgrundlage auf zwei Stpfl. mildert bei einer Gesamtbetrachtung regelmäßig die Auswirkungen des steigenden Grenzsteuersatzes nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 EStG. Wirtschaftlich betrachtet wird das Ehegattensplitting nach § 32a Abs. 5 EStG, das die Unterhaltsbeteiligten bis zum Kj. der Trennung in Anspruch nehmen konnten, in begrenztem Umfang fortgesetzt (begrenztes Realsplitting; vgl. BFH vom 25.3.1986, IX R 4/83, BStBl II 1986, 603 und vom 9.12.2009, X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, LEXinform 0588656).
Wirtschaftlich betrachtet wird das Ehegattensplitting nach § 32a Abs. 5 EStG, das die Unterhaltsbeteiligten bis zum Kj. der Trennung in Anspruch nehmen konnten, in begrenztem Umfang fortgesetzt (»begrenztes Realsplitting«), da auch durch die Vorschriften des § 10 Abs. 1a Nr. 1 und § 22 Nr. 1a EStG ein Splittingeffekt erreicht wird. Diese Vorschriften gestatten es geschiedenen Ehegatten, bei Unterhaltsleistungen ein zwischen ihnen bestehendes Progressionsgefälle auszunutzen und damit – insgesamt gesehen – eine niedrigere Steuerbelastung zu erreichen; vgl. BFH vom 18.10.2023, X R 7/20, Rz. 29.
Der Antrag und die Zustimmung sind im Erstjahr auf der »Anlage U« vom Geber und Empfänger zu unterschreiben.
Der Sonderausgabenabzug ist vom Geber in jedem Kj. auf der »Anlage U« neu zu beantragen.
Nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 7 EStG ist Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b AO) der unterhaltenen Person in der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden, wenn die unterhaltene Person der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Die unterhaltene Person ist für diese Zwecke verpflichtet, dem Unterhaltsleistenden ihre erteilte Identifikationsnummer mitzuteilen. Kommt die unterhaltene Person dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Unterhaltsleistende berechtigt, bei der für ihn zuständigen Finanzbehörde die Identifikationsnummer der unterhaltenen Person zu erfragen. Diese durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 (BGBl I 2015, 1834) eingeführte Regelung ist ab dem Veranlagungszeitraum 2016 anzuwenden.
Der Antrag kann auf einen niedrigeren Betrag als 13 805 € beschränkt werden (R 10.2 Abs. 1 EStR). Stimmt die Empfängerin von Unterhaltszahlungen dem der Höhe nach beschränkten Antrag auf Abzug der Zahlungen als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG zu, so beinhaltet dies keine der Höhe nach unbeschränkte Zustimmung für die Folgejahre (BFH vom 14.4.2005, XI R 33/03, BStBl II 2005, 825).
Die zulässige Beschränkung des Antrags auf einen bestimmten Betrag soll es den Betroffenen ermöglichen, die für sie günstigste Steuerbelastung zu erreichen. Eine derartige Beschränkung muss der Antragserklärung des Gebers selbst und der Zustimmung des Empfängers zu entnehmen sein, zumal eine einmal vorgenommene Begrenzung wegen der rechtsgestaltenden Wirkung der Wahlrechtsausübung die Betroffenen bereits vor der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide bindet.
Weil die Gestaltungswirkung an den »mit Zustimmung des Empfängers« gestellten Antrag des Gebers geknüpft ist, dürfen Antrag und Zustimmung nicht voneinander losgelöst beurteilt werden; das Wahlrecht muss einvernehmlich ausgeübt werden. Rechtlich relevant nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG ist allein der durch die Zustimmungserklärung des Empfängers qualifizierte Antrag des Gebers. Die Zustimmung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, deren Voraussetzungen im Zivilrecht und deren Rechtsfolgen im Steuerrecht liegen. Zustimmung ist die Einverständniserklärung zu dem von einem anderen vorgenommenen Rechtsgeschäft; sie kann bereits im Voraus (Einwilligung i.S.d. § 183 BGB) oder nachträglich (Genehmigung i.S.d. § 184 BGB) erteilt werden.
Die zu einem bestimmten Abzugsbetrag erteilte Zustimmung gilt daher auch für zukünftige Veranlagungszeiträume nur in dieser Höhe, es sei denn, Unterhaltsleistender und Unterhaltsempfänger einigten sich einvernehmlich auf einen anderen Wert.
Änderungen der Höhe nach sind jährlich auch ohne Widerruf möglich. Eine nachträgliche Einschränkung ist nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 2 EStG zwar ausgeschlossen, nicht aber die betragsmäßige Erweiterung eines bereits vorliegenden begrenzen Antrags und dessen Zustimmung zum Realsplitting. Der Antrag auf Erweiterung kann auch noch nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellt werden (BFH vom 28.6.2006, XI R 32/05, BStBl II 2007, 5; s.a. H 10.2 [Allgemeines, 3. Spiegelstrich] EStH).
Die Zustimmung des Empfängers muss der Geber – und nicht das FA – einholen (s. H 10.2 [Zustimmung] EStH).
Die Zustimmung kann vor Beginn des Kj., für das sie erstmals nicht mehr gelten soll, sowohl gegenüber dem Wohnsitz-FA des Unterhaltsleistenden als auch des Unterhaltsempfängers widerrufen werden. Ein Widerruf gegenüber dem Wohnsitz-FA des Unterhaltsempfängers schließt den Sonderausgabenabzug des Unterhaltsleistenden aus (BFH vom 2.7.2003, XI R 8/03, BStBl II 2003, 803).
Beispiel 2:
Die geschiedene Ehefrau Selma hat ab dem Kj. 02 dem Sonderausgabenabzug der Unterhaltsleistungen i.H.v. 13 805 € ihres geschiedenen Ehemanns Seppel zugestimmt. Am 13.5.04 reicht Selma die ESt-Erklärung 03 beim FA ein und widerruft dabei die Zustimmung zum Abzug als Sonderausgaben. In ihrer ESt-Erklärung für das Kj. 03 hat sie die Unterhaltsleistungen i.H.v. 13 805 € schon nicht mehr als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG erklärt.
Lösung 2:
Der Widerruf der Zustimmung wirkt erst ab dem Kj. 05, da der Widerruf vor Beginn des Kj., für den er wirksam werden soll, erklärt werden muss.
Stimmt die Empfängerin von Unterhaltszahlungen einem nicht bezifferten Antrag auf Abzug der Zahlungen als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG (blanko) zu, so steht dies der Wirksamkeit der Zustimmung (Einwilligung) nicht entgegen. Eine blanko erteilte Zustimmung gilt auch für die Folgejahre, soweit sie nicht rechtzeitig widerrufen oder der Höhe nach beschränkt wird (BFH vom 12.12.2007, XI R 36/05, BFH/NV 2008, 792, LEXinform 0586891). Der Widerruf ist vor Beginn des Kj., für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem FA zu erklären.
Antrag und Zustimmung i.S.d. Vorschrift wirken rechtsgestaltend. Ohne Antragstellung sind die Unterhaltsleistungen nach § 12 Nr. 2 EStG ertragsteuerrechtlich – vom Ausnahmefall des § 33a Abs. 1 EStG abgesehen – unbeachtlich. Durch die Antragstellung werden sie – die Zustimmung des Empfängers vorausgesetzt – zu Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte bis zu der in § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG bestimmten Höchstgrenze abgezogen werden müssen. Ein derartiger mit Zustimmung des Empfängers gestellter Antrag ändert den Rechtscharakter der Ausgaben (BFH vom 12.7.1989, X R 8/84, BStBl II 1989, 957) und bewirkt die Steuerpflicht der Unterhaltsleistungen beim Empfänger gem. § 22 Nr. 1a EStG. Das Gleiche gilt, wenn Antrag und Zustimmung auf einen bestimmten Betrag begrenzt werden, der unterhalb des in § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrages liegt (BFH vom 22.9.1999, XI R 121/96, BStBl II 2000, 218).
Hinweis:
Mit Urteil vom 7.3.2019 (1 K 508/16, EFG 2019, 748, LEXinform 5021967, Revision eingelegt, Az. BFH: X R 15/19, LEXinform 0952476) hat das FG Sachsen-Anhalt zum Zeitpunkt des rückwirkenden Ereignisses beim Realsplitting Stellung genommen.
In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 28.7.2021, X R 15/19 wie folgt: Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist bereits das rückwirkende Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007 führt. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an. Gegenstand des Urteils war die Kernfrage, zu welchem Zeitpunkt in Verbindung mit einem Antrag auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG beim Unterhaltsgeber ein zur Änderung des Einkommensteuerbescheids beim Unterhaltsempfänger berechtigendes rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegt. Auf der einen Seite hätte dies der Zeitpunkt sein können, zu dem der Antrag vom Unterhaltsgeber bei dem für ihn zuständigen FA eingereicht wurde. Andererseits hätte der Zeitpunkt, zu dem die Unterhaltsleistungen beim Geber tatsächlich im Rahmen der Veranlagung anerkannt wurden, in Betracht kommen können.
Weil die Gestaltungswirkung an den »mit Zustimmung des Empfängers« gestellten Antrag des Gebers geknüpft ist, dürfen Antrag und Zustimmung nicht voneinander losgelöst beurteilt werden; das Wahlrecht ist einvernehmlich auszuüben. Rechtlich relevant ist nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG allein der durch die Zustimmungserklärung des Empfängers qualifizierte Antrag des Gebers. Die Zustimmung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, deren Voraussetzungen im Zivilrecht und deren Rechtsfolgen im Steuerrecht liegen. Zustimmung ist die Einverständniserklärung zu dem von einem anderen vorgenommenen Rechtsgeschäft; sie kann bereits im Voraus als Einwilligung i.S.d. § 183 BGB oder nachträglich als Genehmigung nach § 184 BGB erteilt werden.
Stimmt die Empfängerin von Unterhaltszahlungen in den Vorjahren einem der Höhe nach beschränkten Antrag auf Abzug der Zahlungen als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG zu, so beinhaltet dies keine der Höhe nach unbeschränkte Zustimmung auch für die Folgejahre (BFH vom 14.4.2005, XI R 33/03, BStBl II 2005, 825). Die zu einem bestimmten Abzugsbetrag erteilte Zustimmung gilt auch für zukünftige Veranlagungszeiträume nur in dieser Höhe, es sei denn, Unterhaltsleistender und Unterhaltsempfänger einigten sich einvernehmlich auf einen anderen Wert.
Das Zustimmungserfordernis in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG räumt dem Empfänger (nur) die Möglichkeit ein, die Zustimmung von einem zivilrechtlichen Ausgleich abhängig zu machen. Macht der Empfänger davon keinen (zeitnahen) Gebrauch, geht das zu seinen Lasten; vgl. FG Baden-Württemberg vom 26.4.2017, 4 K 202/16.
Die Zustimmung zum Sonderausgabenabzug bewirkt auch die Steuerpflicht beim Empfänger gem. § 22 Nr. 1a EStG. Ob und in welchem Umfang Nachteile zivilrechtlich auszugleichen sind, die durch die Zustimmung des Unterhaltsempfängers entstehen, können die Ehegatten vertraglich bestimmen. Aber auch unabhängig von einer solchen Regelung steht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der aus § 1353 BGB folgenden Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, dem Antrag des Schuldners auf Durchführung des Realsplittings zuzustimmen, eine Verpflichtung des Schuldners gegenüber, die dem Unterhaltsberechtigten durch die Besteuerung der Unterhaltsleistungen gem. § 22 Nr. 1a EStG entstehende Belastung oder Mehrbelastung auszugleichen. Dieser Ausgleichsanspruch wird als Ausfluss des zwischen den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses unter Billigkeitsgesichtspunkten gewährt, um dem Unterhaltsgläubiger die Zustimmung zum Realsplitting zumutbar zu machen. Das ist nur der Fall, wenn gewährleistet wird, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Unterhalt im Ergebnis ungeschmälert verbleibt. Der Anspruch erstreckt sich auf Freistellung bzw. Ersatz von solchen Nachteilen, die sich aus der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltsleistung bei dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ergeben, sowie von sonstigen Nachteilen, etwa im Bereich von Leistungen, die nur bis zu bestimmten Einkommensgrenzen gewährt werden (BGH Urteil vom 17.2.2010, XII ZR 104/07, LEXinform 1562038).
Hat der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte dem Antrag des Unterhaltspflichtigen auf Durchführung des steuerlichen Realsplittings (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG) zugestimmt und hat er für denselben Veranlagungszeitraum mit einem neuen Ehegatten die Zusammenveranlagung (§§ 26, 26b EStG) gewählt, so kann er von dem Unterhaltspflichtigen höchstens den Ausgleich des steuerlichen Nachteils verlangen, der ihm bei getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) durch die Besteuerung der Unterhaltsbezüge (§ 22 Nr. 1a EStG) entstanden wäre. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Unterhaltszahlungen nicht zeitgerecht, sondern verspätet (hier: in dem auf die Wiederheirat folgenden Jahr) geleistet worden sind.
Ein fehlgeschlagener zivilrechtlicher Nachteilsausgleich geht zu Lasten des Empfängers, das hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 26.4.2017 (4 K 202/16, LEXinform 5020176) entschieden. Die Zustimmung des Unterhaltsempfängers zum Sonderausgabenabzug bei dem Unterhaltspflichtigen ist eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, deren Wirkung im Bereich des Abgabenrechts liegt, deren Voraussetzungen aber zivilrechtlicher Natur sind. Dem Empfänger obliegt es nicht nur, selbst seinen Ausgleichsanspruch gegen den Geber vor den Zivilgerichten durchzusetzen, sondern er trägt nach den eindeutigen gesetzlichen Regelungen und Wertungen auch das endgültige Risiko der Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Das Zustimmungserfordernis in § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG räumt dem Empfänger (nur) die Möglichkeit ein, die Zustimmung von einem zivilrechtlichen Ausgleich abhängig zu machen. Macht der Empfänger davon keinen (zeitnahen) Gebrauch, geht das zu seinen Lasten. Es ist nicht unbillig, Unterhaltsleistungen beim Empfänger zu besteuern, wenn dieser seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Unterhaltsleistenden verspätet geltend macht und infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nicht mehr durchsetzen kann. Erlassbedürftigkeit liegt nicht vor, wenn der Stpfl. unabhängig von einer Billigkeitsmaßnahme in wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, die (wegen des Pfändungsschutzes) eine Durchsetzung der infrage stehenden Steueransprüche ausschließen, ein Erlass hieran nichts ändern könnte und dies aus diesem Grunde nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den Stpfl. verbunden wäre (s.a. Pressemitteilung des FG Baden-Württemberg vom 1.6.2017, LEXinform 0446554).
Antrag und Zustimmung zum begrenzten Realsplitting können nicht – auch nicht übereinstimmend – zurückgenommen oder nachträglich beschränkt werden (BFH vom 22.9.1999, XI R 121/96, BStBl II 2000, 218). Die Wahlrechtsausübung bindet die Betroffenen bereits vor der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide. Der Antrag auf Sonderausgabenabzug für die Eintragung eines Freibetrags auf Lohnsteuerkarte bindet den Antragsteller auch bei der ESt-Veranlagung für dasselbe Kj. Das Rücknahmeverbot des Antrages gilt somit auch im Einspruchsverfahren oder bei der Veranlagung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Dies ist dann besonders ärgerlich, wenn sich nach der Antragstellung herausstellt, dass die ursprünglich angenommene günstige steuerliche Auswirkung wegen eines nunmehr höheren Einkommens des Unterhaltsempfängers nicht mehr eintreten kann.
§ 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zwar die nachträgliche Einschränkung (BFH vom 22.9.1999, XI R 121/96, BStBl II 2000, 218), nicht aber die betragsmäßige Erweiterung eines bereits vorliegenden begrenzten Antrags zum Realsplitting (BFH vom 28.6.2006, XI R 32/05, BStBl II 2007, 5). Der Antrag auf Erweiterung kann auch noch nach Bestandskraft des ESt-Bescheids gestellt werden. Der erweiterte Antrag stellt i.V.m. der erweiterten Zustimmungserklärung ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Der Antrag sowie die Zustimmung sind auch nach Bestandskraft des Steuerbescheids möglich (H 10.2 [Allgemeines] EStH). Der Steuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern (BFH vom 12.7.1989, X R 8/84, BStBl II 1989, 957), wenn erst nach Eintritt der Bestandskraft sowohl die Zustimmung zur Anwendung des Realsplittings erteilt als auch der Antrag nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG gestellt wird. Nach dem BFH-Urteil dürfen Antrag und Zustimmung nicht voneinander losgelöst beurteilt werden; d.h. man kann nicht die Zustimmung als Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ansehen, den Antrag aber nicht. Ein nach Bestandskraft des Steuerbescheids gestellter Antrag wirkt unmittelbar rechtsgestaltend und nachträglich auf die Steuerschuld des Empfängers ein. Eine Antragsfrist sieht das Gesetz nicht vor.
Beachte:
Nach dem Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 7.3.2019 (1 K 508/16, EFG 2019, 748, LEXinform 5021967, Revision eingelegt, Az. BFH: X R 15/19, LEXinform 0952476) werden Unterhaltsleistungen erst dann zu einkommensteuerrechtlich relevanten Einnahmen beim Empfänger, wenn die Beträge beim Geber unter Vorlage der Anlage U als Sonderausgabe i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht (Antragstellung) und vom FA bei dessen ESt-Veranlagung auch einkommensteuermindernd berücksichtigt worden sind. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 28.7.2021, X R 15/19 wie folgt: Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist bereits das rückwirkende Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007 führt. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an.
Die Steuerpflicht beim Empfänger hängt aber nicht davon ab, ob der Geber eine tatsächliche Steuerminderung erlangt hat (BFH vom 9.12.2009, X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, LEXinform 0588656).
Anders ist jedoch die Rechtsfolge, wenn der Geber erst nach Bestandskraft seines Einkommensteuerbescheids den Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings stellt. Ein erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings ist kein rückwirkendes Ereignis, wenn die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers dem Geber bereits vor Eintritt der Bestandskraft vorlag. Eine solche Betrachtung würde indes dem Umstand nicht gerecht, dass die vorstehend zitierten Ausführungen in der angeführten Entscheidung auf der Einschätzung des Senats fußen, die Rückwirkung des rechtsgestaltenden Antrags ergebe sich aus der Erwägung, die erforderliche Zustimmung des Empfängers werde in typischen Fällen erst nachträglich erteilt (BFH vom 20.8.2014, X R 33/12, BStBl II 2015, 138; Abgrenzung vom BFH-Urteil vom 12.7.1989, X R 8/84, BStBl II 1989, 957; s.a. Anmerkung vom 11.12.2014, LEXinform 0946439).
Soweit die Unterhaltsleistungen vom Geber abgezogen werden können, hat der Empfänger sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG. Zwischen dem Sonderausgabenabzug des Zahlenden und der Erfassung der Zahlungen beim Empfänger besteht eine gesetzlich vorgegebene Korrespondenz. Die Abzugsfähigkeit beim Leistenden ist notwendige Voraussetzung für die Besteuerung beim Empfänger. Erst der Antrag des Gebers und die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen durch das FA bei dessen ESt-Veranlagung ist das die Besteuerung auslösende Ereignis (FG Sachsen-Anhalt vom 7.3.2019, 1 K 508/16, EFG 2019, 748, LEXinform 5021967, Revision beim BFH entschieden mit Urteil vom 28.7.2021, X R 15/19: Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist bereits das rückwirkende Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007 führt. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an. Ohne Antrag ist eine Zustimmungserklärung wirkungslos. Beantragt nach bestandskräftiger Veranlagung des Empfängers der Unterhaltsleistende die Anwendung des Realsplittings, so ist der Bescheid gegenüber dem Empfänger nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, auch wenn dieser seine Zustimmung zum Realsplitting bereits vor Erlass des ersten Bescheids erteilt hat (rechtskräftiges Urteil des FG Köln vom 27.4.1995, EFG 1995, 893). Wird der Empfänger zeitlich vor dem Geber veranlagt, haben die Unterhaltszahlungen bei ihm zunächst außer Ansatz zu bleiben, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (noch) nicht erfüllt sind. Werden aber die Unterhaltszahlungen im Wege des Realsplittings vom Geber als Sonderausgaben geltend gemacht und berücksichtigt, so wird durch die zeitlich nachfolgende ESt-Veranlagung des Gebers beim Empfänger der Tatbestand des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt (rechtskräftiges Urteil des FG Hamburg vom 13.6.1995, EFG 1995, 894).
Verweigert der Unterhaltsempfänger die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting, ist die FinVerw nicht verpflichtet zu prüfen, ob die Verweigerung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich ist. Der Anspruch des Unterhaltsleistenden gebenüber dem Unterhaltsempfänger auf Erteilung der Zustimmungserklärung ist ein zivilrechtlicher Anspruch; vgl. BFH vom 25.7.1990, X R 137/88.
Die Vfg. der OFD Koblenz vom 30.7.2007 (S 2221 a/S 2255 A – St 321, DStR 2007, 1820) nimmt zu Antrag und Zustimmung zum Realsplitting Stellung. Danach wird klargestellt, dass die Reduzierung des in der Anlage U zugestimmten Betrages durch den Unterhaltsgeber mit korrespondierender Auswirkung beim Unterhaltsempfänger für einen folgenden Veranlagungszeitraum möglich ist. Der Geber kann für jedes Kj. entscheiden, ob er die Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben abziehen möchte und wenn ja, in welcher Höhe er dies tun möchte. Der Besteuerungsgrund i.S.d. § 22 Nr. 1a EStG beim Unterhaltsempfänger wird durch den gestellten Antrag des Gebers auf Sonderausgabenabzug ausgelöst.
Beispiel 3:
Der Unterhaltsgeber füllte für den VZ 01 eine Anlage U aus, durch welche er die Anerkennung von Unterhaltsleistungen i.H.v. 10 000 € als Sonderausgaben beantragte. Tatsächlich hatte er aber 12 000 € gezahlt. Die Unterhaltsempfängerin stimmte dem Antrag des Unterhaltsgebers zu. Für den VZ 01 wurden vom FA 10 000 € als Sonderausgaben anerkannt.
Für den VZ 02 legte der Unterhaltsgeber seiner ESt-Erklärung die Anlage U bei und beantragte die Anerkennung von nur 6 000 € Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben, obwohl die Zustimmung zum Abzug von 10 000 € nicht widerrufen war und er wiederum tatsächlich 12 000 € gezahlt hatte. Im Abschnitt B »Zustimmung zum Antrag A« kreuzte er an, dass die Zustimmung des Unterhaltsempfängers vom VZ 01 dem FA bereits vorliegt.
Lösung 3:
Obwohl der Unterhaltsgeber 10 000 € Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben geltend machen könnte, muss die Empfängerin nur 6 000 € Unterhaltsleistungen versteuern, weil der Geber seinen für den VZ 02 erstmaligen Sonderausgabenabzug auf 6 000 € beschränkt hat.
Geber |
Empfänger |
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Wirkungsweise des Realsplittings: |
ohne Antrag: § 12 Nr. 2 EStG, Ausnahme: § 33a Abs. 1 EStG |
keine steuerpflichtigen Einnahmen § 22 Satz 2 EStG |
Regierungsbegründung zum Steueränderungsgesetz 1979: |
Der Gesetzgeber sieht den Empfänger als den sozial schwächeren Teil an. Er soll die Möglichkeit erhalten, sich vor steuerlichen und außersteuerlichen Nachteilen zu schützen. In diesem Zusammenhang soll er seine Zustimmung vor allem davon abhängig machen dürfen, ob der Geber etwaige durch die Unterhaltsleistung beim Empfänger anfallende Steuern übernimmt. Die erforderliche Einigung ist schwierig und langwierig, unter Umständen nur im Klageweg erzwingbar. Für den Gesetzgeber stand von Anfang an fest, dass die Zustimmung, wenn überhaupt, erst geraume Zeit nach Ablauf des Veranlagungszeitraums zu erhalten sein wird. |
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BFH vom 12.7.1989 (X R 8/84, BStBl II 1989, 957); s.a. H 10.2 [Allgemeines] EStH |
Bestandskräftiger Steuerbescheid, danach |
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Antrag und |
Zustimmung |
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Antrag und Zustimmung dürfen nicht voneinander losgelöst beurteilt werden. Antrag und Zustimmung sind als Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen. Ein solches rückwirkendes Ereignis kann auch ein Antrag nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG sein. Er ist es jedenfalls dann, wenn er deshalb nach Eintritt der Bestandskraft des ESt-Bescheides gestellt wurde, weil auch die erforderliche Zustimmung des Leistungsempfängers erst nach diesem Zeitpunkt erteilt wurde. |
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BFH vom 20.8.2014 (X R 33/12, BStBl II 2015, 138) |
Bestandskräftiger Steuerbescheid, danach |
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Antrag und |
Zustimmung |
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Die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers liegt dem Geber bereits vor Eintritt der Bestandskraft vor. |
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Ein erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings ist kein rückwirkendes Ereignis, wenn die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers dem Geber bereits vor Eintritt der Bestandskraft vorlag (Abgrenzung vom BFH vom 12.7.1989, X R 8/84, BStBl II 1989, 957). |
||
BFH vom 12.11.1997 (X R 83/94, BStBl II 1998, 148); s.a. H 10.2 [Erbe] EStH |
Erbe hat gem. § 1586b BGB Unterhaltsleistungen an |
die geschiedene Ehefrau des Erblassers zu leisten. |
Diese Unterhaltsleistungen sind nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. |
Wirkungsweise des Realsplittings: |
Geber |
Empfänger |
FG Köln Urteil vom 27.4.1995 (EFG 1995, 893); FG Hamburg vom 13.6.1995 (EFG 1995, 894); FG Münster vom 12.4.2000 (8 K 3457/96, EFG 2000, 1002) |
Zwischen den Unterhaltsleistungen und |
der Erfassung der Einkünfte |
besteht eine gesetzlich vorgeschriebene Übereinstimmung. |
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Ohne Antrag ist |
eine Zustimmungserklärung wirkungslos. |
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Antrag und tatsächliche Berücksichtigung |
ist das die Besteuerung auslösende Moment. |
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Der Antrag des Gebers, die Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben abzuziehen, kann auf einen Teil der Zahlungen beschränkt werden. |
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ESt-Veranlagung ist bestandskräftig. Danach |
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werden vom Geber Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings als Sonderausgaben geltend gemacht und berücksichtigt: |
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Der Tatbestand des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist erfüllt. |
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ESt-Veranlagung wird zeitlich vor der des Gebers durchgeführt: Die Unterhaltszahlungen bleiben zunächst außer Ansatz, da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung (noch) nicht erfüllt sind. |
Abb.: Wirkungsweise des Realsplittings
Beispiel 4:
Das Beispiel ist dem BFH-Urteil vom 9.12.2009 (X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, LEXinform 0588656) entnommen.
Die Ehefrau E erzielt im Kj. 10 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Ferner erhält sie von ihrem getrennt lebenden Ehemann Unterhaltsleistungen i.H.v. mindestens 16 000 €. Am 29.9.09 stimmt sie mit der Anlage U dem Sonderausgabenabzug des Ehemannes in unbegrenzter Höhe zu. Die Zustimmung widerrief sie am 30.12.12. Der Ehemann macht im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 10 die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben geltend. Sie wirken sich jedoch auf seine Steuerlast nicht aus, da die festgesetzte ESt ohnehin Null beträgt.
Im Rahmen des Einkommensteuerbescheids 10 für die Ehefrau vom 21.2.13 berücksichtigt das FA die Unterhaltsleistungen nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags von 102 € i.H.v. 13 703 € als sonstige Einkünfte. Der auf die fehlende Auswirkung des Sonderausgabenabzugs beim Ehemann gestützte Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Die Einkünfte seien nicht nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern, da sie nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG nicht vom Geber abgezogen werden könnten. Unter Beachtung des Korrespondenzprinzips und der Gesetzesgeschichte sei das Tatbestandsmerkmal des § 22 Nr. 1a EStG »abgezogen werden können« dahin auszulegen, dass die Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen zu einer Steuerminderung beim Geber führen müsse.
Lösung 4:
§ 22 Nr. 1a EStG setzt seinem Wortlaut nach lediglich voraus, dass die Leistungen »vom Geber abgezogen werden können«. Das heißt in doppelter Hinsicht, dass es einer einkommensteuerlichen Auswirkung eines Sonderausgabenabzugs beim Geber nicht bedarf.
Zum einen bedeutet der Umstand, dass der Geber die Leistungen als Sonderausgaben abziehen kann, namentlich einen entsprechenden Antrag gestellt hat, noch nicht, dass eine entsprechende Veranlagung durchgeführt wurde und sich der Sonderausgabenabzug einkommensteuerlich auswirkt. Zum anderen muss der Sonderausgabenabzug im Rahmen der Veranlagung nicht zu einer Minderung der Einkommensteuer führen. Der Abzug von Sonderausgaben ist ein Zwischenschritt innerhalb der Berechnung des zu versteuernden Einkommens nach § 2 Abs. 2 bis 5 EStG. Die Rechenschritte sind unabhängig davon durchzuführen, wie hoch die in die Rechnung eingehenden und die aus ihr resultierenden Beträge sind. Der Sonderausgabenabzug mindert folglich auch dann das Einkommen sowie das zu versteuernde Einkommen, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte so niedrig ist, dass die festzusetzende ESt bereits ohne den Sonderausgabenabzug Null betragen hätte. Es widerspräche der Systematik des Gesetzes, die Korrespondenz zwischen dem Sonderausgabenabzug beim Geber und der Steuerpflicht des Empfängers als Korrespondenz in der steuerlichen Auswirkung zu verstehen. Die Korrespondenz betrifft die Bemessungsgrundlagen, nicht das steuerliche Ergebnis.
Die Unterhaltsleistungen gehen sowohl beim Geber über den Sonderausgabenabzug als auch beim Empfänger über die sonstigen Einkünfte in die Bemessungsgrundlagen der jeweiligen tariflichen ESt ein. Ob und in welchem Umfang sie sich auf die konkrete Steuerlast der Beteiligten auswirken, hängt von den weiteren Ausgangsgrößen zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und daher von den jeweiligen individuellen Verhältnissen ab.
Da der Steuerpflichtige frei entscheiden kann, ob und wie er sein Wahlrecht ausübt, ist er selbst dafür verantwortlich, ob er die mit seiner Wahlrechtsausübung verfolgten Zwecke erreicht. Es gibt keinen Grund, dies bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltsleistungen anders zu beurteilen als bei anderen steuerlichen Wahlrechten. Soweit sich der Steuerpflichtige bei der Entscheidung über die Ausübung seines Wahlrechts vom steuerlichen Ergebnis leiten lässt, ist dies Motiv seiner Erklärung, aber nicht Erklärungsinhalt.
Stellt der Steuerpflichtige nach Ausübung seines Wahlrechts fest, dass das Ergebnis nicht seinen Vorstellungen entspricht, sei es, weil er fehlerhaft gerechnet hat, sei es, weil spätere Ereignisse die Berechnungsgrundlagen verändern, hängt es von den entsprechenden spezialgesetzlichen Vorschriften ab, ob er dies korrigieren und seine Wahl ändern darf. Vorliegend untersagt § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 3 EStG die Rücknahme des Antrags und damit die Änderung der Wahl.
Unterhaltsleistungen, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger von seinem nicht unbeschränkt steuerpflichtigen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten erhält, sind nicht steuerbar (BFH vom 31.3.2004, X R 18/03, BStBl II 2004, 1047). Bei dem unbeschränkt steuerpflichtigen Empfänger handelt es sich nicht um wiederkehrende Bezüge i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG. Unterhaltsleistungen von dem geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten sind abschließend in § 22 Nr. 1Buchst. a EStG geregelt. Danach liegen nur dann Einkünfte beim Empfänger vor, wenn die Unterhaltsleistungen beim Geber als Sonderausgaben abgezogen werden können. Für beschränkt Steuerpflichtige ist § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG nicht anzuwenden (§ 50 Abs. 1 EStG).
Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG setzt grds. voraus, dass der Empfänger der Leistungen ebenfalls unbeschränkt stpfl. ist. Hat der Empfänger seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, ist der Sonderausgabenabzug ebenfalls möglich, vorausgesetzt, das andere EU-Land bescheinigt die Besteuerung der Leistungen beim Empfänger. Anstelle einer Papierbescheinigung des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist eine Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde im Rahmen einer Spontanauskunft nach § 9 EUAHiG (vgl. Tz. 6.2 des BMF-Schreibens vom 29.5.2019, BStBl I 2019, 480) möglich. Ist die Besteuerung der Unterhaltsleistungen im Wohnsitzland des Empfängers nicht vorgesehen (z.B. in Österreich), kommt der Sonderausgabenabzug nicht in Betracht. Ist der Empfänger nicht unbeschränkt stpfl. und hat er auch seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat der EU, kommt der Sonderausgabenabzug nur in Betracht, wenn das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen entsprechende Regelungen enthält. Das ist der Fall, wenn das Besteuerungsrecht der erhaltenen Unterhaltszahlungen dem Wohnsitzstaat des Empfängers zugewiesen wird. Ist diesbezüglich keine Regelung im DBA getroffen, ist der Sonderausgabenabzug zu versagen. Unter den Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG ist jedoch ggf. ein Abzug der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen zulässig; vgl. OFD Frankfurt vom 1.2.2022, S 2221a A-001-St 21.
Ist der Empfänger nicht unbeschränkt stpfl., kann ein Abzug der Unterhaltsleistungen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG oder aufgrund eines DBA in Betracht kommen. Entsprechende Regelungen gibt es z.B. in den DBA Kanada, Art. 18 Abs. 3 Buchst. d und Protokoll Nr. 8 (BStBl I 2002, 505, 521) und den USA, Art. 18 Abs. 3 und Protokoll Nr. 15 (BStBl I 2008, 766) sowie in der mit der Schweiz getroffenen Verständigungsvereinbarung, § 21 Abs. 2 Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung (BStBl I 2011, 146).
Wird der Empfänger nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, weil er z.B. im Inland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und diese die einzigen Einkünfte darstellen, scheidet ein Sonderausgabenabzug von Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG grundsätzlich aus. Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug ist u.a., dass die Unterhaltsleistungen an den unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten geleistet werden. Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG ist keine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht in diesem Sinne gegeben; der Stpfl. wird lediglich als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt.
Unterhaltsleistungen an einen nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Empfänger – also auch an einen nach § 1 Abs. 3 EStG so behandelten Empfänger – sind nur unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Der Empfänger muss seinen Wohnsitz in einem EU-/EWR-Staat haben und nachweisen, dass die Unterhaltsleistungen auch dort versteuert werden (§ 1a Nr. 1 Buchst. a und b EStG).
Hinweis:
§ 1a Abs. 1 EStG ist eine Folgeänderung zu § 10 Abs. 1a EStG durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417). Durch die Zusammenfassung der dem Korrespondenzprinzip folgenden Abzugstatbestände des § 10 EStG in einem neuen § 10 Abs. 1a EStG kann auch § 1a Abs. 1 EStG erheblich gestrafft werden. Der Regelungsgehalt der bisherigen Nr. 1a und 1b des § 1a Abs. 1 EStG wurde in der neuen Nr. 1 zusammengefasst, ohne dass es hierbei zu einer materiell-rechtlichen Änderung kommt.
Hat der Empfänger seinen Wohnsitz nicht in einem EU-/EWR-Staat, z.B. in der Türkei, kann der Geber die Unterhaltsleistungen nach dem Korrespondenzprinzip nur dann als Sonderausgaben geltend machen, wenn der Empfänger die Unterhaltsleistungen nach dem DBA in seinem Heimatland, z.B. der Türkei, versteuert. Sieht das DBA eine solche Versteuerung nicht vor, stellen die Unterhaltszahlungen beim Empfänger auch keine inländischen Einkünfte i.S.d. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 49 Abs. 1 EStG dar und unterliegen auch nicht der deutschen Einkommensteuer.
Der nicht als Sonderausgaben abziehbare Teil kann nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Durch die Antragstellung des Unterhaltsleistenden mit Zustimmung des Empfängers nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG werden die gesamten, in dem Kj. geleisteten Unterhaltsaufwendungen – unbeschadet einer betragsmäßigen Begrenzung durch den Antragsteller oder durch den Höchstbetrag – zu Sonderausgaben umqualifiziert. Für den Abzug ist es unerheblich, ob es sich um laufende oder einmalige Leistungen bzw. um Nachzahlungen oder Vorauszahlungen handelt. Die der Art nach den Sonderausgaben zuzuordnenden Aufwendungen können auch nicht insoweit als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wie sie den für das Realsplitting geltenden Höchstbetrag übersteigen (BFH vom 7.11.2000, III R 23/98, BStBl II 2001, 338; H 10.2 [Allgemeines] EStH).
Wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nicht vorliegen, kann der Geber unter den Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG die → Unterhaltsaufwendungen im Kj. als außergewöhnliche Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen.
Beispiel 5:
Das Ehepaar A und B lebt im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (→ Eheliches Güterrecht, → Scheidung). Ehemann A erwarb im Kj. 04 für 100 000 € ein Grundstück zum alleinigen Eigentum, das von ihm seither vermietet wurde. Die Ehe wurde im Kj. 10 geschieden. Der geschiedenen Ehefrau B stand daraufhin ein Zugewinnausgleich gegen A i.H.v. 250 000 € zu. Zur Abgeltung dieses Anspruchs übertrug ihr A das Grundstück, das im Kj. 10 einen Verkehrswert von 300 000 € hatte. A und B vereinbaren deshalb neben der Grundstücksübertragung, dass die 50 000 €, um die der Grundstückswert den Zugewinnausgleich übersteigt, mit Unterhaltsforderungen der B an A verrechnet werden.
Lösung 5:
Es werden zwei unterschiedliche Forderungen der B erfüllt: Zum einen der Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 250 000 € und zum anderen eine Unterhaltsforderung i.H.v. 50 000 €. A veräußert damit das Grundstück für 300 000 €. Der von A zu versteuernde Gewinn beträgt:
Veräußerungserlös |
300 000 € |
Anschaffungskosten |
100 000 € |
Gewinn aus § 23 EStG |
200 000 € |
Gleichzeitig kann A die durch die Grundstücksübertragung abgegoltenen Unterhaltsforderungen der B im Veranlagungszeitraum der Grundstücksübertragung grundsätzlich als Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG abziehen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Hierbei ist zu beachten, dass ein Abzug nur i.H.d. in § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrages (13 805 €) möglich ist. Dies gilt auch dann, wenn Unterhaltsforderungen mehrerer Jahre verrechnet werden. Wegen § 11 Abs. 2 EStG ist ein Sonderausgabenabzug nur im Verrechnungsjahr mit dem in § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrag möglich.
Rechtsanwaltskosten (→ Prozesskosten) in Zusammenhang mit einem Realsplitting sind keine Steuerberatungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG noch Unterhaltszahlungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG (BFH vom 10.3.1999, XI R 86/95, BStBl II 1999, 522).
Durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl I 2005, 3682) wird der Sonderausgabenabzug für Steuerberatungskosten ab dem VZ 2006 gestrichen. Der Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug ist davon nicht betroffen.
Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind privat veranlasst und stellen keine (vorweggenommenen) WK bei späteren Unterhaltseinkünften i.S.d. § 22 Nr. 1a EStG dar; vgl. BFH vom 18.10.2023, X R 7/20.
Der BFH hat mit Urteil vom 12.4.2000 (XI R 127/96, BStBl II 2002, 130) Folgendes entschieden:
Überlässt der geschiedene Ehemann seiner Ehefrau, wobei beide Miteigentümer eines Einfamilienhauses sind, aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung das Haus zur alleinigen Nutzung, so kann er den Mietwert seines Miteigentumsanteils als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG absetzen. Auch die verbrauchsunabhängigen Kosten, einschließlich der Schuldzinsen, für den Miteigentumsanteil der geschiedenen Ehefrau, welche der Ehemann nach der Unterhaltsvereinbarung trägt, sind Sonderausgaben (BFH vom 18.10.2006, XI R 42/04, LEXinform 5903515). Bei der Wohnungsüberlassung unter gleichzeitiger Verminderung des Barunterhalts handelt es sich um einen abgekürzten Zahlungsweg (s. H 10.2 [Wohnungsüberlassung] EStH). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Stpfl. mit der Überlassung der Wohnung keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (BFH vom 17.3.1992, IX R 264/87, BStBl II 1992, 1009).
Mietverträge mit Angehörigen sind nicht bereits deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Stpfl. dem Angehörigen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist und die Miete aus den geleisteten Unterhaltszahlungen erbracht wird. Nicht rechtsmissbräuchlich ist daher ein Mietverhältnis mit dem geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten, wenn die Miete mit dem Barunterhalt verrechnet wird; vgl. BFH vom 16.1.1996, IX R 13/92.
Die Überlassung eines Grundstücks an den früheren Ehegatten zur Abgeltung von dessen Zugewinnausgleichsanspruchs ist entgeltlich (BFH vom 8.3.2006, IX R 34/04, BFH/NV 2006, 1280). Der Fall unterscheidet sich von der Überlassung einer Wohnung aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung, wenn die geschiedenen Ehegatten insoweit eine Sachleistung vereinbaren (BFH vom 17.3.1992, BStBl II 1992, 1009). Denn dort wird die Nutzungsüberlassung selbst als Unterhalt geschuldet, während sie im Urteilsfall vom 8.3.2006 (BFH/NV 2006, 1280) geleistet wird, um eine andere Geldforderung damit zu begleichen (→ Scheidung).
Haben dauernd getrennt lebende Ehegatten einen Barunterhalt vereinbart, auf den eine unentgeltliche Wohnungsgestellung Anrechnung findet, so kommt ein Sonderausgabenabzug im Wege des Realsplitting nur in Höhe dieser Anrechnung, nicht aber in Höhe des Mietwerts der Wohnung in Betracht; vgl. Niedersächsisches FG vom 11.6.2020, 1 K 99/19. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 29.6.2022, X R 33/20 wie folgt: Die auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruhende Überlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG. Dagegen handelt es sich bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung um Naturalunterhalt, der in sinngemäßer Anwendung von § 15 Abs. 2 BewG i.H.d. ortsüblichen Miete als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG berücksichtigt werden kann.
Nach dem Urteil des BFH vom 20.8.2014 (X R 26/12, BFH/NV 2015, 14, LEXinform 0929258) stellen die Aufwendungen für die Beerdigung des geschiedenen Ehegatten keine Unterhaltsleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG dar. Die Berücksichtigungsmöglichkeit nach § 33 EStG bleibt unberührt.
Der unterhaltsverpflichtete Stpfl. hat die Beerdigungskosten nicht, wie es § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG fordert, »an den geschiedenen … Ehegatten« erbracht. Die Wendung in § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG »an den geschiedenen … Ehegatten« verlangt eine Leistung an den geschiedenen Ehegatten und setzt damit schon begrifflich Leistungen zu Lebzeiten voraus. Der Stpfl. hat die Bestattungskosten möglicherweise im weitesten Sinne gedanklich »für« die verstorbene geschiedene Ehefrau erbracht. Empfängerin der Leistung konnte sie aber nach ihrem Tode nicht mehr sein. Es besteht weder aus systematischen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen Anlass zu einer teleologischen Extension dieses Tatbestandsmerkmals.
Da tauglicher Empfänger der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG nur der geschiedene oder dauernd getrennt lebende und – vor allem – unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte sein kann, ist der Empfänger mit denjenigen Unterhaltsleistungen, die der Geber abziehen kann, seinerseits stets nach § 22 Nr. 1a EStG steuerpflichtig. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt sicher, dass das Korrespondenzprinzip gewahrt bleibt. Damit ist es systemgerecht, nicht systemfremd.
Unter verfassungsrechtlichen Aspekten hat der BFH keine Bedenken gegen dieses Ergebnis. Dem Umstand, dass die streitigen Aufwendungen zwangsläufig gewesen sein dürften, trägt das EStG mit § 33 EStG hinreichend Rechnung.
Der BFH hat durch Beschluss vom 13.3.1995 (X B 158/94, BFH/NV 1995, 777, LEXinform 0129322) einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung von Unterhaltsleistungen verneint. Mit Beschluss vom 30.4.1998 (2 BvR 1033/95) hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Bei Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten kann der Unterhaltsverpflichtete wählen, ob er die Unterhaltszahlungen unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG als Sonderausgaben oder im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung geltend macht. Unterhaltsleistungen an die ledige Mutter nach § 1615l BGB sind dagegen nur nach § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Unterhaltsleistungen verstößt weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 6 GG.
Nach der Entscheidung des Hessischen FG vom 11.9.2014 (12 K 2057/13, EFG 2015, 112, LEXinform 5017215, rkr.) kommt die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen gem. § 1615l BGB an die Mutter des gemeinsamen nichtehelichen Kindes als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG im Rahmen des Realsplittings auch nach der Reform des Unterhaltsrechts zum 1.1.2008 nicht in Betracht (Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet durch BFH Beschluss vom 16.7.2015, X B 139/14).
Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber seit der Reform des Unterhaltsrechts zum 1.1.2008 hinsichtlich der Dauer des für die Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes vorgesehenen Betreuungsunterhalts nicht verheiratete Elternteile ebenso behandelt wie geschiedene Ehegatten, kann kein Anspruch auf eine steuerrechtliche Gleichbehandlung im Rahmen des sog. Realsplittings hergeleitet werden.
Das sog. Realsplitting soll der speziellen wirtschaftlichen Lage geschiedener (bzw. dauernd getrennt lebender) Ehegatten Rechnung tragen. Diese in der Fassung des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG und im Zusammenhang mit § 22 Nr. 1a EStG deutlich ausgedrückte Zielsetzung wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Regelung: Sie wurde eingeführt mit Rücksicht auf den tiefgreifenden Wechsel der gesamten Lebensverhältnisse, den die Auflösung einer Ehe typischerweise nach sich zieht, auf die regelmäßig damit verbundene Vermögensumschichtung zwischen den Ehegatten und schließlich auch auf die zusätzliche steuerliche Belastung durch den Wegfall des Splittings (vgl. dazu BT-Drs. 8/2100, 60). Speziell durch die Verknüpfung von Abzugs- und Besteuerungstatbestand sowie durch das Erfordernis der Einigung beider Seiten bis hin zu den abgabenrechtlichen Auswirkungen sollte eine eigenverantwortliche Unterhaltsregelung ermöglicht und vor allem sichergestellt werden, dass der Unterhaltsberechtigte die Zustimmung davon abhängig machen kann, dass der Unterhaltsverpflichtete etwaige auf die Unterhaltsleistung entfallende Steuern des Unterhaltsberechtigten übernimmt (BT-Drs. 9/1772, 2, 3).
Eine derartige spezifische Ausgangssituation liegt bei nicht verheirateten Eltern eines gemeinsamen Kindes nicht vor, da nach dem Scheitern der Beziehung weder die mit der Auflösung der Ehe entsprechend den Regelungen des Zivilrechts verbundenen einschneidenden Wirkungen der Vermögensauseinandersetzung (Zugewinn- und Versorgungsausgleich) sowie die über den Betreuungsunterhalt hinausreichenden unterhaltsrechtlichen Konsequenzen (vgl. dazu §§ 1571–1573, 1575 und 1576 BGB) eintreten noch die im Wegfall der Besteuerung nach der Splitting-Tabelle liegende wirtschaftliche Sonderbelastung zu tragen ist. Demgemäß hat der BFH bekräftigt, dass eine steuerrechtliche Gleichbehandlung (hier: i.R.d. Zusammenveranlagung) nur bei Formen des Zusammenlebens (hier: Lebenspartnerschaft; vgl. dazu jetzt § 2 Abs. 8 EStG) geboten ist, wo die rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten dem Institut der Ehe weitgehend angeglichen sind (BFH vom 26.6.2014, III R 14/05, BFH/NV 2014, 1453). Da aber die Gemeinschaft eines nicht verheirateten verschiedengeschlechtlichen Paares als »ungebundene Partnerbeziehung« nicht die Voraussetzungen einer »rechtlich verbindlichen Lebensform« erfüllt, ergibt sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Verpflichtung, diesem allein wegen der vom rechtlichen Stand der Beziehung unabhängigen unterhaltsrechtlichen Gleichbehandlung des das minderjährige Kind betreuenden Elternteils nach der Trennung die Vergünstigung des sog. Realsplittings nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 zuzubilligen. Eine steuerliche Entlastung kann nur im Rahmen des Abzugs als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33a EStG erreicht werden.
Myßen, BürgEntlG KV: Änderungen mit Auswirkungen auf den privaten Bereich, NWB 2009, 3900; Reinecke, Das Familienheim bei Trennung und Scheidung, NWB 2009, 2899; Risthaus, Neuregelung zum Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge, DStZ 2009, 669; Stiller, Unterhaltsleistungen an den ehemaligen bzw. dauernd getrennt lebenden Ehegatten: Steuerliche Behandlung und Optimierung, DStZ 2011, 154; Kahsnitz, Rückwirkendes Ereignis beim Realsplitting, NWB 9/2022, 579.
→ Außergewöhnliche Belastungen
→ Familienbezogene Einkommensteuervergünstigungen des § 1a EStG
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