1 Die Rechtsfigur des beherrschenden Gesellschafters
2 Der Tatbestand des beherrschenden Gesellschafters
3 Auswirkungen im Recht der vGA
3.1 Allgemeine Bedeutung
3.2 Die klare (Vorab-)Vereinbarung
3.3 Einzelfälle aus der Rechtsprechung zu den vGA
3.3.1 Anwendungsbereich der Dauerschuldverhältnisse
3.3.2 Tantiemeregelungen
3.3.3 Krisensituationen
3.3.4 Pensionsvereinbarungen
3.3.4.1 Grundsätze
3.3.4.2 Weitere Entscheidungen zu Pensionsvereinbarungen
3.3.5 Verdeckte Gewinnausschüttung durch Gesellschafterdarlehen
3.3.6 Wettbewerbsverbot
3.3.7 Private Pkw-Nutzung als vGA
3.3.8 Zu den Voraussetzungen einer mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung
4 Sonstiger Anwendungsbereich
4.1 Atypisch stille Gesellschaft, insbesondere atypische GmbH & still
4.2 Betriebsaufspaltung
5 Einzelfälle aus der Rechtsprechung zu beherrschenden Gesellschaftern
5.1 Zuflussfiktion für beschlossene Gewinnausschüttung einer ausländischen Kapitalgesellschaft an einen inländischen beherrschenden Gesellschafter
5.2 Lohnsteuerabzug beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer als Minijobber
5.3 Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) nicht ausgezahlter Tantiemen beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer
6 Literaturhinweise
7 Verwandte Lexikonartikel
Neben der Steuerrechtsfigur des beherrschenden Gesellschafters bei der verdeckten Gewinnausschüttung (→ Verdeckte Gewinnausschüttung) kommt dem beherrschenden Gesellschafter in anderem Zusammenhang (→ Betriebsaufspaltung, → Atypische stille Gesellschaft, → Wettbewerbsverbot) eine besondere Rolle zu.
Von einer beherrschenden Stellung ist nach der Rechtsprechung des BFH im Regelfall auszugehen, wenn der Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben kann. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn er über mehr als 50 % der Stimmrechte verfügt. Ein Verwandtschaftsverhältnis zu anderen Beteiligten bedingt als solches keine Beherrschung einer Kapitalgesellschaft durch gleich gelagerte Interessen (BFH vom 15.3.2000, I R 40/99, BStBl II 2000, 504). Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist (BFH vom 14.4.2021, X R 5/19, BStBl II 2021, 851).
Verfügt ein Gesellschafter über lediglich 50 % oder weniger der Gesellschaftsanteile, kann er aber dennoch einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, wenn er mit anderen gleichgerichtete Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen (BFH Beschluss vom 29.7.2009, I B 12/09, BFH/NV 2010, 66; BFH vom 9.4.1997, I R 52/96, BFH/NV 1997, 808; BFH vom 13.12.1989, I R 99/87, BStBl II 1990, 454).
Der von der Finanzverwaltung früher vertretenen Ansicht, allein persönliche Beziehungen zwischen Gesellschaftern würden für gleichgerichtetes Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung sprechen, wodurch sich eine beherrschende Stellung ergeben könne (Cliquentheorie), hat das BVerfG eine Absage erteilt (BVerfG vom 1.2.1989, BStBl II 1989, 522 ff. und H 8.5 III. [Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis] (Beherrschender Gesellschafter) KStH 2015). Der Gesellschafter muss die Stimmabgabe des anderen Gesellschafters dauernd und schrankenlos beeinflussen können (vgl. auch § 8a Abs. 3 Satz 3 KStG).
Ein beherrschender Einfluss liegt dann vor, wenn der betreffende Gesellschafter den Abschluss und den Inhalt erzwingen und bestimmen kann. Es wird also darauf ankommen, ob der Gesellschafter aufgrund der ihm zukommenden Stimmrechte (unmittelbare oder mittelbare Mehrheitsbeteiligungen oder über entsprechende Stimmbindungsverträge) in der Gesellschaft langfristig seinen Willen durchsetzen kann. Es kann hierfür ausreichen, dass bei Fehlen der Beherrschung durch einen einzelnen Gesellschafter mehrere Gesellschafter ihren Willen in der Gesellschaft bündeln und für ihre Zwecke gleichgerichtet durchsetzen. Es sollten allerdings eindeutige Indizien vorhanden sein (z.B. Pool-Verträge), da einmaliges gleichgerichtetes Abstimmungsverhalten oder verwandtschaftliche Nähe der Gesellschafter allein nicht ausreichen.
Der BFH erstreckt schließlich die Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter auch auf nahe stehende Personen, außer in den Fällen, in denen die nahe stehenden Personen selbst Gesellschafter der betreffenden Kapitalgesellschaft sind (BFH vom 29.9.1981, VIII R 8/77, BStBl II 1982, 248; BFH Beschluss vom 22.4.2009, I B 162/08, BFH/NV 2009, 1458).
Vgl. hierzu auch H 8.5 III. [Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis] KStH 2015.
Im Bereich der vGA (→ Verdeckte Gewinnausschüttung) führt das »Vorliegen« eines beherrschenden Gesellschafters zu einem eigenen Rechtsinstitut, zu einem Sonderrecht der vGA. Ungeachtet der Angemessenheit bedarf es bei Transaktionen zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter des Transparenzgebotes und der Beachtung einer zivilrechtlichen Formstrenge, weil es sonst möglich wäre, Ergebnisse der Kapitalgesellschaft steuerlich im Nachhinein zu verfälschen. Die Möglichkeit der Manipulation aufgrund nicht festgelegter bzw. unklarer Vereinbarungen spricht für die gesellschaftliche Veranlassung, weil sie dem Regelverhalten eines gewinnorientierten Steuersubjektes nicht entspricht. Zu betonen ist, dass es insoweit allein auf die Möglichkeit der Manipulation des Ergebnisses durch den beherrschenden Gesellschafter, nicht aber auf die tatsächlich erfolgte Manipulation ankommt (H 8.5 III. [Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis] KStH 2015).
Formale Voraussetzungen zur Vermeidung des »Manipulationsverdachtes« bei Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind insoweit
zivilrechtliche Wirksamkeit und
klare Vorabvereinbarungen (H 8.5 III. [Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis; klare und eindeutige Vereinbarung] KStH 2015).
Dies liest sich in einem hierzu ergangenen BFH-Urteil wie folgt (BFH vom 23.2.2005, I R 70/04, BStBl II 2005, 882):
»Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 17.12.1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 27.3.2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111, jeweils m.w.N.). In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters oder der diesem nahe stehenden Person die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis.«
Bei beiden Voraussetzungen handelt es sich um Prüfungstatbestände, die dem Steuerrecht der Familien-Personengesellschaften entlehnt sind. Eine Parallelität beider Rechtsinstitute in der → BFH-Rechtsprechung darf daher nicht überraschen.
Der BFH hat mit Beschluss vom 27.7.2009 entschieden, dass gegen die Annahme einer vGA ausschließlich aufgrund fehlender formaler Voraussetzungen bei beherrschenden Gesellschaftern keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die Sonderrechtsprechung des BFH sei gefestigt und bedürfe keiner weiteren Überprüfung (BFH Beschluss vom 27.7.2009, I B 45/09, BFH/NV 2009, 2005).
Bei dem Erfordernis der klaren Vorabvereinbarung (Rückwirkungs- oder Nachzahlungsverbot) kommt es sowohl auf den zeitlichen als auch auf den inhaltlichen Aspekt der Vereinbarung an. So ist eine rückwirkende Gehaltserhöhung aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 30.6.01 zum 1.1.01 unabhängig von der inhaltlichen Vereinbarung (Fremdvergleich) allein wegen des Rückwirkungsverbotes als vGA anzusehen, soweit sie die erste Jahreshälfte 01 betrifft.
Eine Tantiemevereinbarung, welche die → Bemessungsgrundlage für die Tantieme im Unklaren lässt, ist aufgrund der inhaltlichen Unbestimmtheit als gesellschaftlich veranlasst anzusehen. Ein außen stehender Dritter muss die Höhe der Tantieme errechnen können. Die Vereinbarung darf keine Ermessensentscheidung beinhalten, da sonst der Raum für eine willkürliche Einkommensverlagerung auf den Gesellschafter gegeben wäre.
Beispiel 1:
Die X-GmbH vereinbart mit den langjährigen Gesellschafter-Geschäftsführern B (42 % Geschäftsanteil) und C (48 % Geschäftsanteil) zusätzlich zum laufenden Gehalt folgende Tantieme: B und C sollen ab 1.1.04 einen Anspruch auf 10 % des Steuerbilanzgewinns erhalten. Der Anspruch wird unter dem Vorbehalt gewährt, dass
der GmbH eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals verbleibt und
die Gesellschafterversammlung keine andere Festsetzung beschließt.
Die GmbH bildete in 04 eine Tantiemerückstellung von 100 000 €. B und C erhielten den Betrag von je 50 000 € im März 05 ausbezahlt.
Lösung 1:
Losgelöst von (hier nicht beantwortbaren) Fragen zur Angemessenheit der Tantiemevereinbarung verfolgen B und C gleichgerichtete Interessen und sind damit als »beherrschende Gruppe« zu qualifizieren.
Danach muss eine eindeutige, klare und ermessensfreie Vorabvereinbarung über die Tantiemeregelung vorliegen.
Hier liegt sowohl ein Verstoß gegen das Willkürverbot (»vorbehaltlich der Gesellschafterversammlung«) wie gegen das Bestimmtheitsgebot der → Bemessungsgrundlage (»angemessene Verzinsung des Stammkapitals«) vor.
Bereits die Vereinbarung ist eine vGA, die bei der GmbH zu einer außerbilanziellen Hinzurechnung gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im VZ 04 und bei B und C zu Kapitaleinkünften im VZ 05 gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG von je 50 000 € führt (BFH vom 29.4.1992, I R 21/90, BStBl II 1992, 851). Vgl. hierzu auch H 8.5 III. [Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis] [Beherrschender Gesellschafter – Klare und eindeutige Vereinbarung] KStH 2015.
Bei Dauerschuldverhältnissen (insbes. Miet- und Dienstverträgen) sind lt. Rspr. (BFH vom 29.7.1992, I R 18/91, BStBl II 1993, 139) die tatsächliche Übung und der regelmäßige Leistungsaustausch gegenüber der vereinbarten Form vorrangig. Zudem ist es im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zulässig, einen Vertrag mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zeitweise als tatsächlich durchgeführt anzusehen (BFH vom 15.12.2004, I R 32/04, BFH/NV 2005, 1374).
Beispiel 2:
In dem Anstellungsverhältnis zwischen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und der GmbH ist vereinbart, dass Abänderungen der Leistung nur aufgrund eines schriftlichen Vertrages mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung wirksam sein sollen. Die Gesellschafterversammlung stimmt einer Gehaltserhöhung ab 1.1.01 zu, eine schriftliche Vereinbarung wird nicht geschlossen.
Lösung 2:
Wenn die Leistungen ab dem 1.1.01 regelmäßig in der abgeänderten Weise erbracht werden, kann auf das Schriftformerfordernis verzichtet werden. Eine gesellschaftliche Veranlassung liegt dann nicht vor, wenn das Rückwirkungsverbot und der Fremdvergleichsmaßstab beachtet worden sind.
Gerade bei der personenidentischen Ein-Mann-GmbH ist auf das Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB zu achten. Danach kann der Geschäftsführer nicht zivilrechtlich wirksam mit sich selbst einen Vertrag, z.B. einen Anstellungsvertrag, schließen. § 35 Abs. 4 GmbHG wiederholt das allgemeine Verbot ausdrücklich für die Ein-Mann-GmbH. Vom Verbot muss folglich eine Befreiung beantragt werden, die schließlich beim Handelsregister hinterlegt wird.
Bis zur Eintragung der Befreiung im Handelsregister (bis zur Genehmigung) ist der Anstellungsvertrag schwebend unwirksam. Damit läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vorabvereinbarung (anderer Ausdruck: Nachzahlungsverbot) vor und die erfolgten Gehaltszahlungen wären eo ipso eine vGA. Demgegenüber hat die Rspr. (BFH vom 23.10.1996, I R 71/95, BStBl II 1999, 35) eine Einzel-Ausnahme zugelassen:
Nach dieser Entscheidung kommt es nicht auf die vorzeitige Genehmigung (Handelsregister-Eintragung) vor der ersten Auszahlung an, wenn nur eine klare Vorabvereinbarung vorliegt und der zweite Schritt (Genehmigungsantrag) alsbald (d.h. ohne Verzögerung) gestellt wurde. Konform mit dem Zivilrecht, wonach die Genehmigung auch rückwirkend (ex tunc) gilt, hat der BFH in diesem Ausnahmefall keine vGA für den Zeitraum angenommen, bis zu dem noch keine Genehmigung vorlag.
Die klare Vorabvereinbarung muss auch tatsächlich durchgeführt werden. Ist eine Gehaltsvereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, ist der gesamte Gehaltsaufwand verdeckte Gewinnausschüttung. Dass dem Gesellschafter bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung kraft Gesetzes eine angemessene Vergütung zugestanden hätte, darf bei der Bemessung der vGA nicht mindernd berücksichtigt werden (BFH vom 20.10.2004, I R 4/04, BFH/NV 2005, 723).
Abkommensrechtlich entfaltet Art. 9 OECD-MA nach BFH vom 11.10.2012 (I R 75/11, BStBl II 2013, 1046) jedoch eine Sperrwirkung gegenüber den nationalen Sonderbedingungen bei beherrschenden Gesellschaftern. Demnach ist im internationalen Kontext unabhängig vom Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung und den weiteren Sonderbedingungen keine Einkommenskorrektur auf Grundlage einer vGA vorzunehmen, wenn der Fremdvergleichsgrundsatz (→ Fremdvergleich) des »dealing at arm’s length« i.S.d. Art. 9 OECD-MA eingehalten ist. Allein mit dem Verstoß gegen den nationalen formellen Fremdvergleich lässt sich die vGA in grenzüberschreitenden Konstellationen nicht begründen.
Bei Tätigkeitsvergütungen zugunsten des beherrschenden Gesellschafters sind zusätzlich zu den inhaltlichen die formellen Voraussetzungen der Klarheit und der Vorabvereinbarung (Rückwirkungsverbot) zu beachten; s.a. → Geschäftsführergehalt. Das Gebot der Klarheit bezieht sich insbes. auf die → Bemessungsgrundlage (BMG) für die Tantieme. Das Klarheitsgebot ist aber erst verletzt, wenn nach der gebotenen Auslegung immer noch Zweifel bestehen (BFH vom 11.8.2004, I R 40/03, BFH/NV 2005, 248). So ist z.B. eine Regelung schon aus formalen Erwägungen nicht marktkonform, die die Berechnungsgrundlage für die Tantieme im Unklaren lässt, so z.B. nicht regelt, ob der Jahresüberschuss vor Abzug der KSt bzw. vor Abzug der Tantieme herangezogen werden soll. Die rückwirkende Vereinbarung sowohl der Tantieme an sich als auch ihrer BMG wird von Rechtsprechung und Finanzverwaltung als marktunübliches Verhalten angesehen und somit als vGA qualifiziert.
Beispiel 3:
Die A-GmbH gewährt dem Gesellschafter-Geschäftsführer A eine Tantiemezusage, nach deren Inhalt dem A zum 31.12.01 eine Reingewinntantieme i.H.v. 60 000 € zusteht. Nach den allgemeinen Grundsätzen ist die Tantieme i.H.v. 20 000 € als vGA anzusehen. Die A-GmbH bildet zum 31.12.01 zulässigerweise eine Rückstellung i.H.v. 60 000 €. Die Tantieme wird am 30.6.02 ausbezahlt (vgl. BMF vom 28.5.2002, BStBl I 2002, 603).
Lösung 3:
Bei der A-GmbH kommt es außerhalb der → Bilanz zu einer Hinzurechnung i.H.v. 20 000 €. Diese Hinzurechnung erhöht das Einkommen in 01.
Bei A führt der Zufluss in 02 i.H.v. 40 000 € zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, i.H.v. 20 000 € zu Einkünften aus Kapitalvermögen (vGA).
Nach BMF vom 28.5.2002 (a.a.O.) ist außerhalb der Bilanz eine Nebenrechnung zu führen, in der festzuhalten ist, in welcher Höhe eine vGA anzunehmen ist (Teilbetrag I) und in welchem Umfang der Teilbetrag I dem Steuerbilanz-Gewinn hinzugerechnet worden ist (Teilbetrag II). Vorliegend entsprechen sich beide Teilbeträge, nach der Auszahlung der Tantieme sind beide Teilbeträge aufzulösen.
Der BFH hat mit seinem Urteil vom 3.2.2011 (VI R 66/09, BStBl II 2014, 491) entschieden, dass der Anspruch auf Tantiemen mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird, sofern nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit vertraglich vereinbart ist. Dem beherrschenden Gesellschafter fließt eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen seine Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu (vgl. BFH-Rechtsprechung vom 8.5.2007, VIII 13/06 und vom 15.6.2004, VI B 220/00). Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben (vgl. BFH vom 11.2.1965, IV 213/64 U).
Eine steuerliche Relevanz bekommt die Nebenrechnung, wenn eine Tantiemerückstellung in der Steuerbilanz z.B. wegen des Verzichtes des Gesellschafter-Geschäftsführers fortfällt. Um keine Doppelbelastung der als vGA qualifizierten Beträge zu erreichen, müssen außerbilanzielle Korrekturen vorgenommen werden.
Beispiel 4:
Dem Gesellschafter-Geschäftsführer G wurde für das → Wirtschaftsjahr 02 eine Umsatz-Tantieme i.H.v. 30 000 € zugesagt und in der Steuerbilanz eine entsprechende Rückstellung gebildet. Die Tantieme ist in voller Höhe als vGA (dem Grunde nach) zu qualifizieren und wird in der → Veranlagung entsprechend hinzugerechnet. Am 15.1.03 verzichtet G aus gesellschaftlichen Gründen auf die Auszahlung der Tantieme, der Anspruch war nur noch zu 70 % werthaltig.
Lösung 4:
Entsprechend der Grundsätze im genannten Schreiben des BMF vom 28.5.2002 betragen die Teilbeträge I und II jeweils 30 000 €. Aufgrund des Verzichtes auf die Tantieme entsteht in der Steuerbilanz ein Ertrag in Höhe des Nennwerts der Rückstellung (30 000 €), außerhalb der → Bilanz hat ein Abzug in Höhe des Teilwertes zu erfolgen (→ Verdeckte Einlagen). Der Teilwert beträgt 21 000 €. In Höhe des nicht werthaltigen Teils (9 000 €) hat eine außerbilanzielle Kürzung als sog. negative vGA zu erfolgen, da der Betrag im Zeitpunkt der Rückstellungsbildung als vGA angenommen worden ist. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Kürzung nach herrschender Auffassung nur bis zu der Höhe vorzunehmen ist, in der die vGA in solchen Konstellationen ursprünglich auch dem Einkommen hinzugerechnet worden ist (höchstens bis zum Teilbetrag II). Die herrschende Auffassung geht bei dieser außerbilanziellen Kürzung von einer Billigkeitsmaßnahme aus, die nur die ursprüngliche Hinzurechnung kompensieren soll. M.E. sollte eine Kürzung – unabhängig von der tatsächlich vorgenommenen Hinzurechnung – immer in der Höhe erfolgen, in der materiell eine vGA vorgelegen hat.
Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre (BFH vom 28.4.2020, VI R 44/17, BStBl II 2021, 392). Ein noch nicht existenter Jahresabschluss kann auch dann keine Grundlage für etwaige Ansprüche eines Gesellschafters gegen die GmbH sein, wenn es sich um den beherrschenden Gesellschafter handelt. Zum Zufluss i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG einer Tantieme s. auch unter Tz. 5.3.
Steuerliche Probleme können in Krisensituationen von → Kapitalgesellschaften (KapGes) entstehen. Vorstände bzw. Geschäftsführer von KapGes sind gesellschaftsrechtlich u.U. verpflichtet, einer Reduzierung der Bezüge zuzustimmen (vgl. § 87 Abs. 2 AktG). Dabei wird oft vereinbart, dass für die Zukunft auf Gehalt verzichtet wird, im Besserungsfall aber eine Nachzahlung erfolgt.
Die Finanzverwaltung hat in der Vergangenheit überwiegend die Auffassung vertreten, ein solcher Verzicht sei steuerlich nicht möglich und Gehaltsnachzahlungen seien deshalb als vGA mit entsprechenden Folgen auf der Einkommenserzielungs- und Einkommensverwendungsebene anzusehen. Der BFH (BFH vom 18.12.2002, BFH/NV 2003, 824) hat dieser Auffassung – zu Recht – eine eindeutige Absage erteilt. Die Gehaltsnachzahlungen stellen auf Ebene der GmbH abzugsfähige → Betriebsausgaben und beim → Gesellschafter-Geschäftsführer Einkünfte gem. § 19 EStG dar. Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ist jedoch zu beachten, dass diese Vereinbarungen nicht gegen das formale Transparenzgebot und das inhaltliche Rückwirkungsverbot verstoßen dürfen. Das setzt voraus, dass die Besserungsvereinbarung klar und eindeutig ist (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 30.5.1990, I R 41/87, BStBl II 1991, 588).
Für Pensionszusagen gilt neben den allgemeinen vGA-Kriterien (s.a. → Geschäftsführergehalt) wiederum ein Sonderrecht für beherrschende Gesellschafter.
Beispiel 5:
In den Geschäftsführer-Anstellungsverträgen vom 1.4.01 wurden beiden sechzigjährigen Gesellschaftern A und B (mit einem Geschäftsanteil von je 40 %) unmittelbar nach der Gründung der GmbH (1.2.01) eine unverfallbare, rechtsverbindliche Pensionszusage gewährt. Beide sollten danach im Falle dauernder Arbeitsunfähigkeit, spätestens jedoch mit Vollendung des 65. Lebensjahres ein Altersruhegeld von 70 % ihrer letzten Bezüge erhalten.
Gleichzeitig sollten mit der Pension die Tätigkeiten in einer früheren (Vorgänger-)Firma abgegolten werden.
Die GmbH bildete erstmalig in der → Bilanz zum 31.12.04 Pensionsrückstellungen in Höhe der zutreffend ermittelten Teilwerte.
A |
B |
|
Bilanzansatz 31.12.03 |
0 € |
0 € |
+ Zuführung lt. Bilanz |
+ 80 T€ |
+ 400 T€ |
Teilwert 31.12.04 |
80 T€ |
400 T€ |
Bei beherrschenden Gesellschaftern ist dabei zusätzlich zu beachten, dass aufgrund des sog. Rückwirkungsverbotes für den Erdienungszeitraum nur die Zeit als Geschäftsführer berücksichtigungsfähig ist. Der beherrschende Gesellschafter muss sich die Pensionszusage in seiner Funktion als Geschäftsführer erdienen. Der Zeitraum zwischen Erteilung der Zusage und dem Pensionierungsalter beträgt bei beherrschenden Gesellschafter-GF mindestens zehn Jahre (vgl. BFH vom 23.7.2003, I R 80/02, BStBl II 2003, 926; BFH vom 20.5.2015, I R 17/14, BStBl II 2015, 1022). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz zum zehnjährigen Erdienenszeitraum gilt sowohl für Erstzusagen einer Versorgungsanwartschaft als auch für nachträgliche Erhöhungen einer bereits erteilten Zusage (vgl. BFH vom 23.9.2008, I R 62/07, BStBl II 2013, 39). Dies gilt auch für mittelbare Erhöhungen infolge von Gehaltssteigerungen (BFH vom 20.5.2015, I R 17/14, BStBl II 2015, 1022). Neben diesem Erdienungszeitraum ist bis zur Erteilung einer Pensionszusage von dem Geschäftsführer eine Probe- bzw. Wartezeit von zwei bis drei Jahren abzuwarten. Bei einer neu gegründeten Kapitalgesellschaft kann eine Pensionszusage überdies erst dann erteilt werden, wenn die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft verlässlich abgeschätzt werden kann. Diese Voraussetzungen (Erdienungszeitraum und Wartezeit) sind zwischen Finanzverwaltung und Rspr. weitgehend unstreitig (vgl. BFH vom 23.2.2005, I R 70/04, BStBl II 2005, 882). Die Wartezeit kann im Einzelfall auch kürzer oder ganz abbedungen sein. Dies gilt z.B. dann, wenn die GmbH aus einer bereits länger existierenden Gesellschaft hervorgeht (→ Betriebsaufspaltung bzw. → Umwandlung) oder an der künftigen Ertragsfähigkeit der GmbH keine begründeten Zweifel bestehen, weil der Geschäftsführer erheblichen Umsatz (z.B. eigener Mandanten- bzw. Kundenstamm) in die Gesellschaft einbringt (BFH vom 24.4.2002, I R 18/01, BStBl II 2002, 670; vgl. auch BFH vom 20.8.2003, I R 99/02, BFH/NV 2004, 373).
Lösung 5:
Losgelöst von den materiell-rechtlichen Mängeln der Pensionszusage (keine Pensionszusage unmittelbar nach der Anstellung; Ertragsaussichten der neu gegründeten GmbH wurden nicht abgewartet; bei 60-jährigen Geschäftsführern fehlt es an der »Erdienbarkeit« der Pension), die alleine zu einer vGA führen, liegen Verstöße gegen das Sonderrecht des beherrschenden Gesellschafters vor, wenn
der Erdienungszeitraum zu kurz war und vor allem wenn
die Pensionsvereinbarung in den Jahren 01–03 nicht vollzogen wurde, da in der → Bilanz der GmbH erstmalig zum 31.12.04 die Rückstellung passiviert wurde.
Fazit: In 04 erfolgt bei der GmbH eine außerbilanzielle Hinzurechnung von 480 T€ (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Eine Einkommensverwendung der GmbH liegt ebenso wenig vor wie es – mangels Zuflusses – zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften bei A und B kommt (kein § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Vgl. hierzu auch H 8.5 III. [Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis] [Beherrschender Gesellschafter – Pensionszusagen] KStH 2015. Zur Auslegung von Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer im Zusammenhang mit einer Pensionszusage vgl. BMF vom 28.8.2001, BStBl I 2001, 594.
Ein Pensionsanspruch nach Vollendung des 60. Lebensjahres kann nicht mehr »erdient« werden. Eine Ausnahme besteht aber nach dem Urteil vom 14.7.2004 (I R 14/04, BFH/NV 2005, 245), wenn die Pensionszusage (kurz) vor Vollendung des 60. Lebensjahres gegeben wird und sich die Pension auf das 70. Lebensjahr bezieht.
Zum Verhältnis einer Überversorgung und einer vGA, insbes. zu einer Versorgungsanwartschaft aufgrund einer Barlohnumwandlung nimmt der BFH mit Urteil vom 15.9.2004 (I R 62/03, BStBl II 2005, 176) Stellung.
Des Weiteren hat sich der BFH mit Urteil vom 14.3.2006 (I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515) zur Behandlung einer Abfindung für eine Pensionszusage geäußert, obwohl im Rahmen der Erteilung der Pensionszusage ein Abfindungsverbot bei vorzeitigem Ausscheiden des (beherrschenden) Gesellschafter-Geschäftsführers vereinbart wurde. Während die Abfindung des Gesellschafter-Geschäftsführers im Urteilsfall als vGA behandelt wurde, stellte der Verzicht auf die Anwartschaftsrechte auf die Versorgung eine verdeckte Einlage dar.
Mit Urteil vom 11.9.2013 (I R 26/12, BFH/NV 2014, 728) hat der BFH entschieden, dass die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre dann keine Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung gebietet, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer, dem die Pensionszusage erteilt worden ist, vor dem 1.1.1947 geboren ist und zudem im Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage das 60. Lebensjahr bereits um mehr als zwei Jahre überschritten hat.
Werden bestehende Gehaltsansprüche des Gesellschafter-Geschäftsführers in eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umgewandelt, dann scheitert die steuerrechtliche Anerkennung der Versorgungszusage regelmäßig nicht an der fehlenden Erdienbarkeit (BFH vom 7.3.2018, I R 89/15, BStBl II 2019, 70).
Der Ansatz einer Pensionsrückstellung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG setzt eine Entgeltumwandlung i.S.v. § 1 Abs. 2 BetrAVG voraus. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine GmbH ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer eine Versorgungszusage aus Entgeltumwandlungen gewährt, da der Alleingesellschafter-Geschäftsführer der GmbH kein Arbeitnehmer i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BetrAVG ist (BFH vom 27.5.2020, XI R 9/19, BStBl II 2020, 802).
Zur Passivierung einer Pensionsrückstellung bei einem zivilrechtlich unwirksamen Vorbehalt in Pensionszusagen s. BFH vom 6.12.2022 (IV R 21/19, BStBl II 2023, 474). Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur zulässig, wenn der Vorbehalt positiv – d.h. ausdrücklich – einen nach der arbeitsgerichtlichen Rspr. anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiert, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet. Lt. BFH ist auch ein zivilrechtlich unwirksamer Widerrufsvorbehalt in einer Pensionszusage als steuerschädlich zu qualifizieren und folglich ist die Passivierung einer Pensionsrückstellung unzulässig.
Wird nach dem Eintritt des Versorgungsfalles (Auszahlungsphase) neben der Versorgungsleistung bei voller Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer für diese Tätigkeit lediglich ein reduziertes Gehalt gezahlt, liegt nach der Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs regelmäßig keine gesellschaftliche Veranlassung vor, soweit die Gehaltszahlung die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet (vgl. BFH vom 15.3.2023, I R 41/19, BFH/NV 2023, 1035; BMF vom 30.8.2024, BStBl I 2024, 1191).
Der BFH hat sich im Urteil vom 18.5.2021 (I R 62/17, BStBl II 2023, 723) mit der Frage, ob eine vGA durch ein Gesellschafterdarlehen vorliegt, befasst und neue Kriterien entwickelt. Bereits die Gewährung eines Darlehens zwischen KapGes und Gesellschafter kann eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, wenn das Darlehen von vornherein nicht ernstlich vereinbart wurde.
Auch bei einer unangemessenen Zinshöhe kann sich eine verdeckte Gewinnausschüttung ergeben. Der fremdübliche Zinssatz soll gem. Urteil des BFH vom 18.5.2022 (I R 62/17, BStBl II 2023, 723) ermittelt werden durch einen Vergleich mit Bankdarlehen oder mit den am Kreditmarkt üblichen Konditionen, jeweils unter Berücksichtigung von Risikozuschlägen oder -abschlägen für die Besicherung und für den Rang des Darlehens (Preisvergleichsmethode).
Die Feststellungslast, dass der vereinbarte Zinssatz nicht fremdüblich ist, trägt grds. das FA (vgl. BFH vom 17.10.2001, I R 103/00, BStBl II 2004, 171, m.w.N.). Hinweise zum Preisvergleich zur Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes vgl. Rn. 19 bis 21 des BFH-Urteils vom 18.5.2022 (I R 62/17, BStBl II 2023, 723).
Die Rspr. hält – offenbar – immer noch die vorherige entgeltliche Befreiung vom → Wettbewerbsverbot für erforderlich, um eine vGA zu vermeiden.
So wird z.B. bei einem beherrschenden Gesellschafter eine klare Vorabbefreiung vom Wettbewerbsverbot für notwendig erachtet. Nachdem sich eine Geschäftschance für die GmbH bereits konkretisiert hat, ist es nicht mehr möglich, diesen Vermögenswert dem Gesellschafter ohne Entgelt zu überlassen; dies wäre in der Tat kein marktübliches Regelverhalten und insoweit als vGA anzusehen.
Der BFH hat (BFH vom 7.8.2002, I R 64/01, BFH/NV 2003, 205) die Geschäftschancenlehre auch im Verhältnis von Schwestergesellschaften (zwei KapGes) angewandt und dabei ausgeführt, dass bereits bei einer »Einmal-Chance«, die ohne Entgelt der Schwester-GmbH überlassen wird, eine vGA vorliegt.
In die »Geschäftschancenlehre« des BFH ist durch zwei Urteile des I. Senats vom 9.7.2003 Bewegung geraten. Im ersten Fall (BFH vom 9.7.2003, I B 194/02, BFH/NV 2003, 1349) hat der BFH nochmals erläutert, dass sich die unentgeltliche Befreiung des beherrschenden Gesellschafter-GF einer Steuerberater-GmbH vom Wettbewerbsverbot nicht zwangsläufig auf die Überlassung der Mandantenverträge erstrecken kann. Falls dies aber so praktiziert wird, liegt im Entgeltsverzicht der GmbH eine vGA.
Im wichtigeren zweiten Fall (BFH vom 9.7.2003, I R 100/02, BFH/NV 2003, 1666, BFHE 203, 77) war der Auftrag zunächst dem Gesellschafter-GF angeboten worden, den dieser sodann der GmbH überlassen hat (umgekehrte Geschäftschancenüberlassung), während er bei der Abwicklung als Subunternehmer für die GmbH tätig wurde. Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation ergibt sich für den BFH zumindest dann keine vGA, wenn zwischen GmbH und Gesellschafter-GF eine angemessene Vergütung vereinbart wird. Soweit es sich hierbei um freiberuflich zu erbringende Leistungen handelt, und dies ist die zweite wichtige Aussage, kann eine sich im üblichen Rahmen befindliche Honorarabrechnung das ansonsten erforderliche Gebot der klaren Vorabvereinbarung ersetzen.
Hinweis:
Urteil und Entscheidungsgründe dieses BFH-Urteils können als Gestaltungsanleitung in der Praxis herangezogen werden.
Ist der Gesellschafter einer KapGes als ArbN zu qualifizieren, so ist zu prüfen, ob eine private Pkw-Nutzung eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt oder als Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu qualifizieren ist. Dabei ist zu überprüfen, ob eine fremdübliche Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung vorliegt. Wird ein betrieblicher Pkw dem angestellten Gesellschafter bzw. dem Gesellschafter-Geschäftsführer, unentgeltlich auch zur privaten Nutzung überlassen, ist zu prüfen, ob innerbetrieblich auch bei fremden ArbN eine unentgeltliche Überlassung des Pkw zur privaten Nutzung ebenfalls gestattet ist. Ist ein innerbetrieblicher Vergleich nicht möglich, ist im Wege des außerbetrieblichen Fremdvergleichs zu entscheiden, ob die Nutzungs- und Überlassungsvereinbarung gesellschaftlich veranlasst ist.
Die gesellschaftlich veranlasste private Nutzung eines betrieblichen Pkw ist mit dem gemeinen Wert inkl. eines angemessenen Gewinnaufschlags zu bemessen. Die Finanzverwaltung lässt es aus Vereinfachungsgründen zu, die verhinderte Vermögensmehrung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 und 5 EStG zu berechnen.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch ohne Zufluss beim Gesellschafter anzunehmen sein, wenn die KapGes ihrem Gesellschafter den Vorteil mittelbar in der Weise zuwendet, dass eine dem Gesellschafter nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (BFH Beschluss vom 5.9.2023, VIII R 2/20, BFH/NV 2024, 9). Daran fehlt es, wenn die KapGes für den der nahestehenden Person gewährten Vermögensvorteil eine angemessene Gegenleistung erhält.
Wenn ein beherrschender Gesellschafter, der gleichzeitig deren alleiniger Geschäftsführer ist, mit der GmbH ein stilles Gesellschaftsverhältnis begründet, dann liegt bei einer erheblichen Vermögenseinlage und einem hohen Gewinnanteil grds. eine atypische stille Gesellschaft (→ Atypische stille Gesellschaft) vor.
Dies (GmbH & atypisch still) gilt selbst dann, wenn eine Verlustbeteiligung als stiller Gesellschafter ausgeschlossen und eine Abfindung zum Nennwert der → Einlage vereinbart ist (BFH vom 15.12.1992, VIII R 42/90, BStBl II 1994, 702).
Der Ausschluss des Verlustrisikos in der stillen Gesellschaft fällt nicht ins Gewicht, weil über die Stammeinlage bei der GmbH eine gewisse Beteiligung am Verlust des Unternehmens besteht (BFH vom 26.11.2003, VIII R 64/03, BFH/NV 2004, 631).
In der → Betriebsaufspaltung begegnet einem die Rechtsfigur des beherrschenden Gesellschafters mit einer etwas anderen Terminologie, wenn dort von der faktischen Beherrschung beider Gesellschaften (des Besitzunternehmens wie der Betriebsgesellschaft) gesprochen wird. Eine faktische Beherrschung wird dann angenommen, wenn ein Gesellschafter ohne entsprechenden Anteilsbesitz in der Betriebsgesellschaft eine solche Machtposition innehat, dass sich die anderen Gesellschafter seinem Willen unterwerfen (müssen) (BFH vom 27.2.1991, XI R 25/88, BFH/NV 1991, 454). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der betreffende (faktische Macht-)Gesellschafter der Betriebs-GmbH unverzichtbare WG zur Nutzung überlässt und sie ihr ohne weiteres wieder entziehen kann.
Beispiel 6:
Die aus M und F bestehende Personengesellschaft (M zu 60 %; F zu 40 %) verpachtet an die M-GmbH (M als 100 %-Gesellschafter) als wesentliche Betriebsgrundlage ein Gebäude. Folgende Stimmrechtskonstellationen sind zu beurteilen:
1. Variante: In der PersGes ist Einstimmigkeit vereinbart.
2. Variante: Für Geschäfte zwischen der PersGes und der GmbH soll M wegen Interessenskonflikts nicht stimmberechtigt sein.
3. Variante: In der GmbH ist M zusammen mit dem Dritten D Geschäftsführer. Auch hier ist vereinbart, dass D für die Geschäfte der GmbH/PersGes alleine zuständig sein soll (§ 47 Abs. 4 GmbHG).
Lösung 6:
Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise belässt es die Rspr. nicht nur bei einer numerischen Prüfung zur Frage der Mehrheitsbeteiligung, sondern unterzieht die rein nominale Beteiligungsfrage einer rechtlichen Qualitätsprüfung, um den einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen zu untermauern. In die Wertigkeit der Nominalanteile werden gesellschaftsrechtliche Stimmrechtsabreden miteinbezogen. Die Verwaltung hat sich nach langem Zögern der Rspr. wie folgt angeschlossen (BMF vom 7.10.2002, BStBl I 2002, 1028).
Immer dann, wenn seitens der Besitzgesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip (1. Variante) – bzw. vertragsgemäß festgeschrieben ist oder wenn es kraft Gesetzes gilt, verneint der BFH zu Recht die personelle Verflechtung, da M eben alleine seinen Geschäftswillen nicht in beiden Unternehmen durchsetzen kann (BFH vom 29.10.1987, VIII R 5/87, BStBl II 1989, 96; ebenso BFH vom 19.10.2007, IV B 163/06, BFH/NV 2008, 212).
Die Verwaltung lässt drei Ausnahmen zu:
das Einstimmigkeitsprinzip bezieht sich konkret nicht auf die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter (sog. Geschäfte des täglichen Lebens), sondern nur auf Geschäfte außerhalb des täglichen Lebens (Tz. III des BMF-Schreibens a.a.O. sowie BFH vom 23.12.2003, IV B 45/02, n. v.);
die faktische Beherrschung;
eine dritte Ausnahme hat der BFH im Urteil vom 1.7.2003 (VIII R 24/01, BStBl II 2003, 757) trotz einer Einstimmigkeitsabrede dann zugelassen, wenn die Geschäftsführung einem einzelnen beherrschenden Gesellschafter überlassen wurde.
In der 2. und 3. Variante von Beispiel 6 liegt der vom BFH mehrfach entschiedene Fall des Stimmrechtsausschlusses vor. Kann die an sich »beherrschende« Person bei Rechtsgeschäften der Besitzgesellschaft mit der Betriebsgesellschaft nicht abstimmen, so wird ebenfalls eine personelle Verflechtung verneint. Umgekehrt, bei einem Stimmrechtsausschluss bei der Betriebs-GmbH für laufende Geschäfte mit der Besitzgesellschaft, ist dies wegen dem gegenüber einer Personengesellschaft abgeschwächten Geschäftsführer-Status bei der GmbH, allerdings nicht der Fall (BFH vom 26.1.1989, IV R 151/86, BStBl II 1989, 455).
In allen Fällen, in denen es hiernach zur Ablehnung der personellen Verflechtung kommt (2. und 3. Variante, bei entsprechender Handhabung auch 1. Variante), ist als letzte Station noch zu prüfen, ob nicht der »Mehrheits-Gesellschafter ohne Stimmrecht« aufgrund faktischer Beherrschung beide Gesellschaften dominiert. Diese ursprünglich für den Fall des fehlenden Anteilsbesitzes geschaffene Rechtsfigur ist in der BFH-Rspr. zwar häufig angesprochen, aber selten erfolgreich reklamiert worden. In den meisten Entscheidungen hat sich der BFH sehr reserviert und im Ergebnis ablehnend zu dieser Rechtsfigur geäußert. Jedenfalls genügen dem BFH wirtschaftlicher Druck oder intellektuelle Kompetenzen alleine nicht, um eine tatsächliche Beherrschung zu begründen (anders aber die Verwaltung, BMF a.a.O., Tz. IV). Nur eine faktische Einwirkung auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte ist in der Lage, eine tatsächliche Beherrschung herbeizuführen (so BFH vom 29.8.2001, VIII B 15/01, BFH/NV 2002, 185 und zuletzt vom 2.3.2004, III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109).
Unter Änderung der Rspr. hat der BFH entschieden, dass bei Prüfung der personellen Verflechtung als Voraussetzung für eine steuerliche Betriebsaufspaltung die mittelbar über eine beherrschte KapGes gehaltene Beteiligung an der Besitz-PersGes zu berücksichtigen ist (Urteil vom 16.9.2021, IV R 7/18, BStBl II 2022, 767). Schon nach bisheriger Rspr., an der festzuhalten ist, kann die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine KapGes ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden. Für die von der bisherigen Rspr. vertretene Unterscheidung zwischen einer mittelbaren Beteiligung über eine KapGes am Betriebsunternehmen und einer solchen am Besitzunternehmen (hier als PersGes) sind, was die Frage einer personellen Verflechtung anbelangt, jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation keine sachlichen Gründe ersichtlich.
Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen KapGes fließt ein Gewinnanteil gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann (BFH vom 14.2.2022, VIII R 32/19, BStBl II 2023, 101).
Ein Geschäftsführer, der zugleich alleiniger Gesellschafter ist, erfüllt die in § 7 Abs. 1 SGB IV genannten Voraussetzungen grds. nicht (BFH vom 9.8.2023, VI B 1/23, BFH/NV 2023, 1189). Daher ist die Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a Abs. 2 EStG für das Arbeitsentgelt aus geringfügigen Beschäftigungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV oder des § 8a SGB IV nicht zulässig.
Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließen Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine KapGes bereits bei Fälligkeit zu (BFH vom 5.6.2024, VI R 20/22, BFH/NV 2024, 1090; Bestätigung der ständigen Rspr.). Fällig wird der Tantiemeanspruch mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben. Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, auch wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den festgestellten Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen (a.A. BMF vom 12.5.2014, BStBl I 2014, 860).
Görden, Erdienbarkeit bei Barlohnumwandlung im Fall einer betrieblichen Altersversorgung, EStB 2018, 284; Paus, Gelten künftig sachgerechtere Maßstäbe für die Abgrenzung verdeckter Gewinnausschüttungen? – Das BFH-Urteil v. 7.3.2018 – I R 89/15 weckt Hoffnungen zumindest für den Bereich der Pensionszusagen; NWB 40/2018, 2956; Cremer, Die steuerliche Behandlung der verdeckten Gewinnausschüttung, NWB 25/2022, Beilage Seite 13; Kolbe, Private Nutzung des betrieblichen Pkw durch den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung, StuB 16/2023, 653.
→ Darlehen
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