1 Allgemeines
2 Ähnliche Unrichtigkeiten
3 Rechtsanwendungsfehler und fehlerhafte bzw. fehlende Sachverhaltsaufklärung
4 Ermittlungsfehler
5 Fehler bei Erlass des Verwaltungsaktes – Fehler des Finanzamts
6 Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern des Steuerpflichtigen gem. § 173a AO
7 Nichtbeachtung eines Grundlagenbescheids
8 Elektronisch übertragene Daten als offenbare Unrichtigkeit
9 Fehlender Vorbehalt der Nachprüfung
10 Fehlerhafte Auswertung von Außenprüfungsberichten
11 Berichtigungspflicht
12 Umfang der Berichtigung
13 Beweislast für Anwendbarkeit des § 129 AO
14 Weitere Einzelfälle aus der Rechtsprechung
14.1 Rentenbescheid übersehen
14.2 Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG – Umsatzsteuer als Betriebsausgabe
14.3 Unterbliebene Berücksichtigung eines im Veranlagungsverfahren nicht erklärten und auch sonst nicht erkennbaren Übergangsverlusts
14.4 Nichtbeachtung eines automatisierten Prüfhinweises durch den Veranlagungsbeamten
14.5 Nichterfassung von Einkünften beim Einscannen der Steuererklärung
14.6 Anwendung des § 129 AO bei Einreichung elektronischer Steuererklärungen
14.7 Bewusste Nichterfassung von in der Einkommensteuererklärung angegebenen Renteneinkünften
14.8 Fehlerhafte Festsetzung eines ordnungsgemäß erklärten Veräußerungsgewinns
14.9 Kirchensteuerfestsetzung trotz fehlender Kirchenzugehörigkeit
14.10 Offenbare Unrichtigkeit bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts
14.11 Zinsberechnung bei einer Korrektur der Berechnung des Zinslaufs
14.12 Berichtigung im Zusammenhang mit der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG)
15 Verwandte Lexikonartikel
Gem. § 129 AO können Schreib- und Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. § 129 AO ist auf alle Verwaltungsakte anwendbar, also sowohl auf die Steuerbescheide und denen gleichgestellte Bescheide (Feststellungsbescheide, Messbetragsfestsetzungen und Zinsbescheide) als auch auf die sonstigen Verwaltungsakte (Anrechnungsverfügung, Abrechnungsbescheid gem. § 218 AO, Stundung, Erlass, Zwangsgeld, Verspätungszuschlag, Aussetzung der Vollziehung, Fristverlängerung).
Bei der Berichtigung eines Steuerbescheids nach § 129 AO ist die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO nicht anwendbar (AEAO zu § 176, Nr. 1).
Es sind jedoch nur bestimmte Fehler berichtigungsfähig. Offenbare Unrichtigkeiten sind stets mechanische Versehen. Es handelt sich um Fehler, die nicht die Entscheidungsbildung (Fehler in der Willensbildung) betreffen, sondern bei denen das Finanzamt objektiv etwas anderes erklärt (Fehler in der Willensäußerung) als gewollt war. Der Fehler darf also nicht im Bereich des Überlegens, Denkens, Schlussfolgerns oder Urteilens liegen. Dabei reicht die ernsthafte Möglichkeit einer solchen Fehlerursache aus, um die Anwendung des § 129 AO auszuschließen (BFH Beschluss vom 7.3.2002, IX B 111/01, BFH/NV 2002, 894).
Steht nach Aktenlage nicht fest, ob ein mechanisches Versehen oder ob ein anderer die Anwendung von § 129 Satz 1 AO ausschließender Fehler zu einer offenbaren Unrichtigkeit des Bescheids geführt hat, muss das FG den Sachverhalt insoweit aufklären und ggf. auch Beweis erheben (BFH vom 10.3.2020, IX R 29/18, BStBl II 2020, 698; LEXinform 0952125).
Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO scheidet aus, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder in einem sonstigen (sachverhaltsbezogenen) Denk- und Überlegungsfehler begründet ist oder aber auf mangelnder Aufklärung des Sachverhalts beruht (BFH Urteil vom 9.12.1998, II R 9/96, BFH/NV 99, 899).
Der Gesetzgeber unterstellt nach dem Wortlaut des § 129 Satz 1 AO, dass Schreib- und Rechenfehler stets offenbare Unrichtigkeiten sind. Als Schreibfehler i.S.d. § 129 AO gelten regelmäßig Rechtschreibungs-, Wortstellungs-, Wortverwechslungs-, Auslassungsfehler. Dabei handelt es sich beispielsweise konkret um Zahlendreher, Komma versetzt oder die Eintragung einer zusätzlichen Ziffer. Als Rechenfehler in diesem Sinne gelten Fehler bei den Grundrechenarten. Hier wird bei der Ermittlung der Summe ein mechanisches Vorgehen unterstellt.
Ähnliche Unrichtigkeiten sind Fehler, die einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbar sind. Darunter fallen Unrichtigkeiten, die ihren Grund lediglich in einem mechanischen Versehen haben, nicht dagegen Fehler, die auf unzutreffender Rechtsanwendung beruhen (s.a. BFH Urteil vom 29.1.2003, I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139). Typische mechanische Versehen stellen beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler dar. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Sachbearbeiter der Finanzverwaltung den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht oder falsch in ein Computerprogramm eingibt (AEAO zu § 129 Tz. 1). Die Eingabe einer falschen Schlüsselzahl bei der Datenverarbeitung kann nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 6.10.2016 (3 K 2692/15, DStRE 2018, 298) eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO sein. Hinsichtlich des Vorliegens einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit muss die Frage, ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Fehlerberichtigung ausschließender Tatsachenirrtum oder Rechtsirrtum vorliegt, nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbes. nach der Aktenlage beurteilt werden.
Der Begriff der Berichtigung einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit i.S.v. § 129 Satz 1 AO erfasst auch sprachliche Klarstellungen und Präzisierungen, mittels derer ein bisher auslegungsbedürftiger Verfügungssatz in einem nunmehr zweifelsfreien Sinne zum Ausdruck gebracht wird (BFH Urteil vom 25.2.2010, IV R 49/08, BStBl II 2010, 726).
Wird aufgrund eines offensichtlichen Schreibfehlers des Stpfl. der Ertragsanteil seiner Leibrente vom Finanzamt falsch berechnet, beruht die fehlerhafte Rentenbesteuerung auf einer offenbaren Unrichtigkeit, die nach § 129 AO zu korrigieren ist, selbst wenn das Versehen dem zuständigen Beamten in mehreren Veranlagungszeiträumen unterlaufen ist.
Eine offenbare Unrichtigkeit wird nicht dadurch zu einem Rechts- und Tatsachenirrtum, dass sie fortlaufend übernommen wird (FG Baden-Württemberg vom 30.5.2005, EFG 2006, 310).
In der Rspr. wird bei der Prüfung einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit regelmäßig auch eine negative Abgrenzung vorgenommen. Demnach liegt kein mechanisches Versehen vor, wenn der Fehler auf einer
unrichtigen Tatsachenwürdigung oder
einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts oder einem
Rechtsanwendungsfehler
beruht.
Je komplizierter die Vorschrift, umso eher besteht die Möglichkeit eines die Anwendung des § 129 AO ausschließenden Rechtsirrtums.
Bei der Nichtberücksichtigung feststehender Tatsachen stellt sich oft das Abgrenzungsproblem, ob ein mechanisches Versehen vorliegt oder der Fehler auf mangelnder Sachaufklärung beruht. Mangelnde Sachaufklärung wird angenommen, wenn die zu berücksichtigende Tatsache nicht ohne weitere Prüfung erkennbar ist, also ein Ermittlungsfehler vorliegt.
Nicht jede versehentlich nicht berücksichtigte Tatsache ist einer unvollständigen Aufklärung des Sachverhalts gleichzusetzen, die eine Berichtigung eines Verwaltungsakts nach § 129 AO ausschließt. Ist ohne weiteres erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung berichtigt werden (BFH Urteil vom 13.11.1997, V R 138/92, BFH/NV 98, 419).
Eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO ist ausgeschlossen, wenn das FA feststehenden Akteninhalt (6 Seiten Anlagen zur Anlage G) bewusst nicht zur Kenntnis nimmt und wenn sicher anzunehmen ist, dass bei gebotener Kenntnisnahme ein mechanischer Übertragungsfehler bemerkt und/oder vermieden worden wäre. Dann ist nicht allein der mechanische Übertragungsfehler für die Unrichtigkeit des Bescheids ursächlich geworden, sondern zugleich ein die Willensbildung betreffender Fehler (BFH vom 10.3.2020, IX R 29/18, BStBl II 2020, 698; LEXinform 0952125).
Hat der Sachbearbeiter bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung nachgewiesene Lohnersatzleistungen zwar in den Eingabebogen übernommen, jedoch versehentlich nicht in die EDV eingegeben, liegt eine einem Schreibfehler oder Rechenfehler ähnliche Unrichtigkeit vor. Eine auf § 129 Satz 1 AO gestützte nachträgliche Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts ist dennoch ausgeschlossen, da der Fehler bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts nicht für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar, mithin nicht »offenbar« i.S.d. Berichtigungsnorm ist. Die Prüfung der gespeicherten Daten mag bei einer »papierlosen Akte« ausreichend sein. Solange jedoch noch Akten in Papierform geführt werden und zur Feststellung eines evtl. Erfassungsfehlers ein Abgleich des Akteninhalts mit dem EDV-Speicher erforderlich wird, kann nicht von einer »offenbaren« Unrichtigkeit ausgegangen werden (BFH Urteil vom 8.12.2011, VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694).
Eine Berichtigung der Anrechnungsverfügung kann auch auf die Regelung des § 129 AO (neben §§ 130 / 131 AO, → Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO) gestützt werden, wenn eine fehlerhafte Lohnsteueranrechnung ganz zweifelsfrei auf ein mechanisches Versehen bei der Dateneingabe zurückzuführen ist (FG Saarland Urteil vom 6.8.2010, EFG 2011, 401).
Teilt das Finanzamt dem Stpfl. schriftlich mit, sein Steuerfall sei abschließend geprüft (→ Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung), ist das Finanzamt deswegen nicht nach Treu und Glauben gehindert, offenkundige Fehler bei der Veranlagung auch weiterhin zu Lasten des Stpfl. zu korrigieren (BFH vom 13.12.2011, VIII B 136/11, BFH/NV 2012, 550).
Ist ohne weiteres erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung berichtigt werden (BFH Urteil vom 13.11.1997, V R 138/92, BFH/NV 1998, 419).
Lässt sich nicht abschließend klären, wie es zu der Unrichtigkeit im Bescheid gekommen ist und stehen sich zwei nicht nur theoretisch denkbare hypothetische Geschehensabläufe gegenüber, von denen einer eine Berichtigung ausschließt, darf nicht berichtigt werden (BFH vom 10.3.2020. IX R 29/18, BStBl II 2020, 698; LEXinform 0952125).
Sind vom Stpfl. in seiner Steuererklärung angegebene Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nicht berücksichtigt worden, weil die Anlage S zur Einkommensteuererklärung versehentlich nicht eingescannt und die angegebenen Einkünfte somit nicht in das elektronische System übernommen wurden, liegt ein mechanisches Versehen und somit grundsätzlich eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO vor (vgl. BFH vom 14.1.2020, VIII R 4/17, BStBl II 2020, 433). Ein mechanisches Versehen ist nicht mehr gegeben, sondern es liegt ein Fehler im Bereich der Sachverhaltsermittlung nach § 88 AO vor, wenn der Sachbearbeiter eine weitere Sachverhaltsermittlung unterlässt, obwohl sich ihm aufgrund der im Rahmen des Risikomanagementsystems ergangenen Prüf- und Risikohinweise eine weitere Prüfung des Falles hätte aufdrängen müssen.
Hat es das FA im Zeitpunkt der Auswertung eines Betriebsprüfungsberichts unterlassen, den Unterschied aus den umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlagen vor der Betriebsprüfung, den Bemessungsgrundlagen in einem zwischenzeitlich ergangenen Änderungsbescheid und den Bemessungsgrundlagen nach der Betriebsprüfung zu ermitteln, rechtfertigt dies die Änderung der rechtskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO (BFH Urteil vom 24.1.2019, V R 32/17, BFH/NV 2019, 673). Weil der Sachverhalt aufgeklärt, aktenkundig und unstreitig war, liegt lt. BFH kein Sachaufklärungsfehler, sondern eine offenbare Unrichtigkeit mit der Folge einer Berichtigungspflicht nach § 129 Satz 2 AO vor, da das Finanzamt einen Teil der Prüfungsfeststellungen schon während der Außenprüfung in einem Änderungsbescheid berücksichtigt, dann aber die Ergebnisse des abschließenden Prüfungsberichts entgegen der Aktenlage durch eine Korrektur des Änderungsbescheides noch einmal in vollem Umfang und damit doppelt umsetzt.
Ein mechanisches Versehen wird angenommen, wenn der Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen hat, die für die Veranlagung eines Jahres vorliegenden Unterlagen auszuwerten, die ihm vom Stpfl. unterjährig übersandt wurden (BFH Urteil vom 27.5.2009, X R 47/08, BStBl II 2009, 946). Gleiches gilt auch für das Übersehen einer für den Veranlagungszeitraum einschlägigen Kontrollmitteilung oder eines relevanten Grundlagenbescheids (vgl. AEAO zu § 129, Tz. 1). Gleicht das FA bei einer Papiererklärung den elektronisch übermittelten und der Steuererklärung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO (BFH Urteil vom 16.1.2018, VI R 41/16, BStBl II 2018, 378). Der Sachbearbeiter hat regelmäßig z.B. in weiteren Datenbanken zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist.
Zu beachten ist insoweit, dass es der gesicherten Rspr. des BFH entspricht, dass grundsätzlich keine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, wenn sie für den zuständigen Sachbearbeiter der Finanzverwaltung nur erkennbar gewesen wäre, wenn er die Steuererklärungen eines Vorjahres bei der Veranlagung der Streitjahre zugezogen hätte (BFH Urteil vom 14.2.1995, BFH/NV 1995, 1033). Denn soweit die Finanzbehörde auf Akten des Vorjahres zurückgreifen muss, liegt eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist. In solchen Fällen hat das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen. Sie schließt vielmehr in der Regel eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH Urteil vom 18.4.1986, BStBl II 1986, 541).
Beispiel 1:
Aufgrund eines Übertragungsfehlers bei Erstellen der Steuererklärung unterlässt es der Stpfl., die Absetzung für Abnutzung (AfA) für Arbeitsmittel als Werbungskosten geltend zu machen. Die Veranlagung wird entsprechend durchgeführt. Das Finanzamt hat zur Überwachung der Abschreibungsbeträge bzw. des Abschreibungszeitraums keine Aufzeichnungen geführt (keine Aktenführung sowie keine Vermerke in den dafür vorgesehenen EDV-Programmen). Der fehlende AfA-Betrag wäre aber ohne weiteres aus den Steuererklärungen der Vorjahre erkennbar gewesen.
Lösung 1:
Die Anwendung des § 129 AO ist nicht zulässig, da kein Übernahmefehler vorliegt. Die Erkennbarkeit muss sich aus der Steuererklärung sowie den eingereichten Unterlagen des betroffenen Veranlagungszeitraums ergeben.
Werden allerdings üblicherweise Abschreibungs-Überwachungsbögen (oder entsprechende Vermerke), wie bspw. bei Mietobjekten, vom Finanzamt geführt, kann der unterlassene Ansatz einer Abschreibung eine offenbare Unrichtigkeit darstellen. Der Fehler kann sich nicht nur aus den Steuererklärungen selbst, sondern auch aus beigefügten Unterlagen ergeben. Ein die Anwendung des § 129 AO ausschließender Ermittlungsfehler liegt insoweit nicht vor. Insoweit kann kein Unterschied darin liegen, ob die für die Besteuerung relevanten Tatsachen den Unterlagen entnommen werden können, die sich bereits in den Akten des Veranlagungsjahres befunden haben, oder den Unterlagen, die der Steuererklärung unmittelbar beigefügt worden sind (FG Baden-Württemberg Urteil vom 21.2.2006, EFG 2006, 859 sowie BFH Urteil vom 27.5.2009, X R 47/08, BStBl II 2009, 946).
Beispiel 2:
Aufgrund eines Übertragungsfehlers bei Erstellen der Steuererklärung unterlässt es der Stpfl., die Absetzung für Abnutzung (AfA) für ein vermietetes Objekt als Werbungskosten geltend zu machen. Die Veranlagung wird entsprechend durchgeführt. Das Finanzamt führt zur Überwachung der Abschreibungsbeträge bzw. des Abschreibungszeitraums einen AfA-Überwachungsbogen.
Lösung 2:
Da der Abschreibungs-Überwachungsbogen Bestandteil der Akten auch des laufenden Veranlagungszeitraums darstellt und sich daraus der jährliche Abschreibungsbetrag ergibt, ist eine Berichtigung nach § 129 AO, mit der die Abschreibung berücksichtigt wird, zulässig.
Folglich hat der BFH für die Frage des Übersehens von unterjährig eingegangenen, jedoch den Veranlagungszeitraum betreffenden Unterlagen in o.a. Urteil entschieden, dass eine die Anwendung des 129 AO ausschließende Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht gegeben sei, wenn der Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen habe, die für die Veranlagung des Streitjahres vorliegenden Unterlagen auszuwerten, indem er eine für das Streitjahr einschlägige ihm zugegangene Kontrollmitteilung übersehe.
Hier ist allerdings eine differenzierte Betrachtungsweise vorzunehmen:
Nur in dem Fall, in dem aufgrund der Kontrollmitteilung keine weiteren Sachverhaltsaufklärungen angestellt werden müssen, kann die die Anwendung des § 129 AO ausschließende Verletzung der Amtsermittlungspflicht ausgeschlossen werden. Dies mag zwar in Einzelfällen gegeben sein (BFH Urteil vom 18.4.1986, BStBl II 1986, 541), stellt aber nicht die Regel dar.
Vielmehr wird grundsätzlich aufgrund eingegangener Kontrollmitteilungen eine weitere Sachverhaltsermittlung anzustellen sein. Wird eine solche Kontrollmitteilung nicht beachtet, stellt dies in der Regel eine die Anwendung des § 129 AO ausschließende Verletzung der Amtsermittlungspflicht dar.
Im Ergebnis ist also auch in diesem Fall für die Frage, ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen-, Rechtsirrtum oder eine Ermittlungspflichtverletzung vorliegt, nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen.
Beispiel 3:
Eine Kontrollmitteilung über Provisionen aus einer gelegentlichen Vermittlungstätigkeit wurde übersehen.
Lösung 3:
Hier liegt kein Fall des § 129 AO vor, hier ist Überprüfung bzw. Sachverhaltsaufklärung erforderlich.
Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Veranlagungsbeamte einen automatisierten Prüfhinweis unbeachtet lässt (BFH Beschluss vom 28.5.2015, VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078). Das pflichtwidrige Unterlassen einer durch Prüfhinweis angeregten Plausibilitätsprüfung bedeutet nicht, dass der Veranlagungsbeamte die fehlerhafte Gewährung haushaltsnaher Dienstleistungen auch rechtlich gebilligt hätte.
Der Tatbestand des § 129 AO verlangt Fehler, die »bei Erlass eines Verwaltungsaktes« unterlaufen sind. Somit sind grundsätzlich nur Fehler des Finanzamts berichtigungsfähig. Fehler des Stpfl. fallen grundsätzlich nicht unter den Anwendungsbereich des § 129 AO. Insoweit könnten aber die Voraussetzungen für eine Änderung wegen neuer Tatsachen gem. § 173 Abs. 1 AO in Betracht kommen. Bei Änderungen zugunsten des Stpfl. rechtfertigen offensichtliche Versehen und alltäglichen Irrtümer, die sich nie ganz vermeiden lassen, wie z.B. Verwechslungen, Schreib-, Rechen- oder Übertragungsfehler, nicht den Vorwurf des groben Verschuldens (→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden).
Eine Ausnahme bilden sog. (aktenkundige) Übernahmefehler. Übernahmefehler sind offenbare Unrichtigkeiten des Stpfl., die das Finanzamt unbeanstandet übernimmt und sich somit zu eigen macht. Voraussetzung ist, dass es sich zweifelsfrei auch beim Stpfl. um ein mechanisches Versehen handelt und der Fehler für das Finanzamt ohne weiteres erkennbar war.
Erkennbarkeit heißt, dass der Fehler aus der Steuererklärung oder mit eingereichten Unterlagen ersichtlich ist.
§ 129 AO ermöglicht auch dann nicht die Berichtigung vermeintlicher mechanischer Fehler des Steuerpflichtigen, welche tatsächlich auf der unzutreffenden Anwendung einer Rechtsnorm beruhen, wenn sie aus der Sicht der den Fehler übernehmenden Finanzbehörde als offenbare Unrichtigkeiten erscheinen mögen (BFH Urteil vom 16.9.2015, IX R 37/14, BStBl II 2015, 1040).
Allerdings ist eine Korrektur nach § 129 AO dann nicht möglich, wenn der mechanische Fehler des Stpfl. bei Erstellung seiner Steuererklärung nicht aktenkundig ist und das Finanzamt diesen Fehler nicht erkennen und ihn sich somit auch nicht zu eigen machen konnte.
Nach Auffassung des Gesetzgebers wird diese unbefriedigende Lösung im Rahmen des § 129 AO vermehrt auftreten, wenn eine Steuererklärung elektronisch übermittelt wird und dem Finanzamt daneben keine ergänzenden Unterlagen oder Berechnungen übersandt werden. Mit § 173a AO n.F. wird dieses Problem für Verwaltung und Steuerpflichtige zufriedenstellend gelöst.
Bei Fehlern des Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung ist zwischen der Rechtslage bis 2016 und ab 2017 zu unterscheiden (vgl. hierzu AEAO zu § 129 Nr. 4 AO).
Gem. § 173a AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten (z.B. Erfass- oder Übertragungsfehler) können über § 173a AO nicht korrigiert werden. Hier ist § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu prüfen.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 173a AO sind nur Schreib- oder Rechenfehler bei der Erstellung einer Steuererklärung erfasst. Fehler oder Unvollständigkeiten im Rahmen der Datenübertragung an das FA (z.B. bei Abbruch der Internetverbindung oder Fehlern der genutzten Software) werden von der Vorschrift nicht erfasst (BFH Beschluss vom 27.4.2022, IX B 57/21, BFH/NV 2022, 803; so auch BFH vom 18.7.2023, IX R 17/22, BStBl II 2024, 90). Werden Besteuerungsgrundlagen vom Stpfl. oder seinem Berater ermittelt, aber nicht an das FA übertragen, liegt daher kein Fall des § 173a AO vor.
Die Feststellungslast trägt die Finanzbehörde für Tatsachen, die zu einer Änderung zuungunsten des Stpfl. führen würden. Der Stpfl. trägt dagegen die Feststellungslast für solche Tatsachen, die eine Änderung zu seinen Gunsten ermöglichen. Sind die Voraussetzungen nach § 173a AO erfüllt, steht die Korrektur nicht im Ermessen der Finanzbehörde.
Das bei § 173 AO ungeschriebene, von der Rechtsprechung entwickelte Tatbestandsmerkmal der Rechtserheblichkeit ist von der Literatur und der Rechtsprechung ausführlich besprochen worden. Danach ist von der Rechtserheblichkeit der »berichtigten« Tatsache auszugehen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren oder niedrigeren Steuer gelangt wäre.
Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a AO. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 2 AO greift nur bei Verwaltungsakten, die im letzten Jahr der Festsetzungsfrist (bei Steuerbescheiden im vierten Jahr) erlassen wurden.
Beachtet das FA beim Erlass eines Steuerbescheids einen bei ihm bereits vorliegenden Grundlagenbescheid nur versehentlich nicht, so führt dies zu einer offenbaren Unrichtigkeit (BFH Urteil vom 16.7.2003, X R 37/99, BStBl II 2003, 867). Da auch eine → Änderung von Steuerbescheiden nach § 175 AO möglich wäre, hat diese Rspr. insbes. Auswirkung auf die Berechnung der Festsetzungsfrist unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 2 AO.
Die in der Rspr. des BFH zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gelten auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen (BFH Urteil vom 22.5.2019, XI R 9/18, BStBl II 2020, 37; LEXinform 0952086).
Das Finanzgericht Münster entschied mit Urteil vom 24.2.2011 (11 K 4239/07 E, EFG 2011, 1220), dass die ungeprüfte Übernahme von der Höhe nach unzutreffendem Arbeitslohn, den der oder die Arbeitgeber elektronisch an die Finanzverwaltung übersenden, eine »offenbare Unrichtigkeit« sei, die eine Berichtigung nach § 129 AO rechtfertige. Die klagenden Eheleute erstellten ihre Einkommensteuererklärung und erfassten alle ihnen vorliegenden elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen mit den korrekten Daten. Das Finanzamt übernahm jedoch nicht die Daten aus der Steuererklärung, sondern bestätigte ohne weitere Prüfung die elektronisch übermittelten Daten aus dem Datenspeicher. Diese waren jedoch fehlerhaft bzw. nicht vollständig. Dadurch kam es zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung.
Nahezu ein Jahr nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids bemerkte das Finanzamt den Fehler und berichtigte den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid nach § 129 AO. Nach Ansicht des Finanzgerichts Münster sei die Übernahme der falschen und unvollständigen Daten ein mechanisches Versehen. Ein Rechtsirrtum könne insoweit ausgeschlossen werden. Für eine Überprüfung, also eine Aufklärung des Sachverhalts, hätte kein Anlass bestanden, da auf allen Lohnsteuerbescheinigungen vermerkt war, die Daten seien maschinell übertragen worden.
Hat jedoch der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in der elektronisch per Elster an das Finanzamt übermittelten Einkommensteuererklärung zutreffend erklärt, weichen die Angaben in der von dem Arbeitgeber via Elster Lohn I übermittelten elektronischen Lohnsteuerbescheinigung zu Gunsten des Steuerpflichtigen hiervon ab und setzt das Finanzamt – trotz eines computergestützten Bearbeitungshinweises wegen dieser Divergenz – die Einkommensteuer auf der Grundlage der – unzutreffenden – Lohnangaben des Arbeitgebers fest, ist eine Berichtigung der fehlerhaften Steuerfestsetzung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO ausgeschlossen (Niedersächsisches FG Beschluss vom 28.7.2014, 3 V 226/14, EFG 2014, 1743).
Gleicht das FA bei einer Papiererklärung den elektronisch übermittelten und der Steuererklärung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO (BFH Urteil vom 16.1.2018, VI R 41/16, BStBl II 2018, 378). Der Sachbearbeiter hat regelmäßig z.B. in weiteren Datenbanken zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist.
Fehler oder Unvollständigkeiten im Rahmen der Datenübertragung an das FA (z.B. bei Abbruch der Internetverbindung oder Fehlern der genutzten Software) werden von der Vorschrift nicht erfasst (BFH Beschluss vom 27.4.2022, IX B 57/21, BFH/NV 2022, 803). Werden Besteuerungsgrundlagen vom Stpfl. oder seinem Berater ermittelt, aber nicht an das FA übertragen, liegt daher kein Fall des § 173a AO vor.
Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rspr. (BFH Urteil vom 22.8.1989, VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205 und vom 17.11.1998, III R 2/97, BStBl II 1999, 62), dass ein Verwaltungsakt, der ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, wegen offenbarer Unrichtigkeit dergestalt nach § 129 AO berichtigt werden kann, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nachgeholt und der Bescheid nach § 164 AO geändert werden kann, wenn in einem Steuerbescheid die von der Behörde beabsichtigte Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts versehentlich unterblieben ist. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein in der Aktenverfügung enthaltener Vorbehaltsvermerk nicht in den bekannt gegebenen Bescheid übernommen wurde.
Auch bei der Auswertung von Außenprüfungsberichten können offenbare Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 AO vorkommen, wenn ein
Punkt des Berichts übersehen worden ist,
die Prüfungsfeststellungen in widersprüchlicher Weise ausgewertet worden sind,
Textziffern des Außenprüfungsberichts verwechselt worden sind,
der gesamte Prüfungsbericht nicht ausgewertet worden ist.
Ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Rechtsanwendungs- bzw. Ermittlungsfehler liegt nicht vor (BFH vom 27.11.2003, BFH/NV 2004, 605; BFH vom 24.1.2019, V R 32/17, BFH/NV 2019, 673; LEXinform 0951524).
Beispiel 4:
Dem Bearbeiter des FA unterläuft ein Fehler bei der Auswertung eines Außenprüfungsberichts. Der nicht erfasste Sachverhalt ist klar und eindeutig im Prüfungsbericht dargestellt. Der Korrekturbescheid enthält die Erläuterung »Die Änderung beruht auf den Feststellungen im Prüfungsbericht vom ….«.
Lösung 4:
Die Berichtigung des auf der Grundlage der Feststellungen der Außenprüfung ergangenen Korrekturbescheids ist nach § 129 AO möglich. Insbes. lässt die Erläuterung im Korrekturbescheid den Schluss zu, dass sich die Veranlagungsstelle die Feststellungen der Außenprüfung zu eigen machen wollte.
Eine Berichtigungspflicht besteht gem. § 129 Satz 2 AO nur bei berechtigtem Interesse des Stpfl. Berechtigtes Interesse liegt insbes. vor, wenn sich die Berichtigung zugunsten des Stpfl. auswirkt. Aber auch wenn der zu berichtigende Verwaltungsakt zur Vorlage bei anderen Behörden gebraucht wird.
Ansonsten liegt die Berichtigung gem. § 129 Satz 1 AO durch die Formulierung des Gesetzgebers = »kann« im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Somit kann das Finanzamt die Berichtigung von offenbaren Unrichtigkeiten, die keine steuerliche Auswirkung haben, wie z.B. unbedeutende Schreibfehler oder Ähnliches ablehnen.
Bei Berichtigungen zuungunsten des Stpfl. ist es nicht ermessensfehlerhaft, die Berichtigung durchzuführen, ohne die Ermessensausübung im Bescheid zu begründen. Es reicht i.d.R. aus, die offenbare Unrichtigkeit im Bescheid darzustellen. Eine offenbare Unrichtigkeit trägt regelmäßig den Grund zur Korrektur in sich (BFH Urteil vom 28.10.1992, BFH/NV 93, 637).
Nur die offenbare Unrichtigkeit selbst darf berichtigt werden (sog. Punktberichtigung). Andere Fehler, für die keine Korrekturvorschrift einschlägig ist, dürfen grundsätzlich nicht mit korrigiert werden.
Nach der Rspr. des BFH ist die Fehlerkompensation nach § 177 AO bei Berichtigungen nach § 129 AO nicht anwendbar. Jedoch hat der BFH eine sinngemäße Anwendung des § 177 AO im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung bei Berichtigungen nach § 129 AO für zulässig erachtet. Dies führt letztendlich zum selben steuerlichen Ergebnis (vgl. BFH Beschluss vom 30.4.1998, III B 110/97, BFH/NV 99, 1 und AEAO zu § 129, Nr. 5).
Die Berichtigung ist mit allen gesetzlichen Folgeänderungen, wie z.B. die Neuberechnung der zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG oder des Altersentlastungsbetrags nach § 24a EStG, durchzuführen.
Die Beweislast für die Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO trägt nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf ihr Vorliegen beruft (BFH Beschluss vom 26.10.2015, X B 43/15, BFH/NV 2016, 201). Die objektive Feststellungslast trifft das FA, wenn es sich auf die Berichtigungsvorschrift beruft (BFH vom 10.3.2020. IX R 29/18, BStBl II 2020, 698; LEXinform 0952125).
Hat der Finanzbehörde ein Rentenbescheid vorgelegen und ist ihr daher der Bezug der Altersrente bekannt, ist es ausgeschlossen, dass die Nichterfassung der Altersrente im Steuerbescheid auf einem Rechtsirrtum beruht (BFH Beschluss vom 27.2.2014, X B 157/13, BFH/NV 2014, 825).
Übersieht das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung, dass der Steuerpflichtige in seiner vorgelegten Gewinnermittlung die bei der Umsatzsteuererklärung für denselben Veranlagungszeitraum erklärten und im Umsatzsteuerbescheid erklärungsgemäß berücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen nicht als Betriebsausgabe erfasst hat, liegt insoweit eine von Amts wegen zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO vor (BFH Urteil vom 27.8.2013, VIII R 9/11, BStBl II 2014, 439). Hierbei liegt eine offenbare Unrichtigkeit bereits dann vor, wenn sie dem Grunde nach für das Finanzamt erkennbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass hinsichtlich der Höhe der zutreffenden Einkünfte noch Aufklärungsbedarf besteht. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt dagegen nicht vor, wenn der Stpfl. nicht sämtliche Umsatzsteuer-Vorauszahlungen bei den Betriebsausgaben außer Acht gelassen, sondern im Rahmen seiner Steuererklärung einen Gesamtbetrag eingesetzt hat, der nicht von vornherein unrealistisch war (vgl. BFH Urteile vom 3.5.2017, X R 4/16, BFH/NV 2017, 1415 und vom 17.5.2017, X R 45/16, BFH/NV 2018, 10).
Die Nichtberücksichtigung eines im Veranlagungsverfahren nicht erklärten Übergangsverlusts stellt keine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 Satz 1 AO dar, wenn dieser auch aus den der Steuererklärung beigefügten Unterlagen oder Bilanzen nicht erkennbar war, sondern erst durch weitere Aufklärungsmaßnahmen hätte ermittelt werden müssen (BFH Beschluss vom 26.10.2015, X B 43/15, BFH/NV 2016, 201; Abgrenzung zum Senatsurteil vom 27.5.2009, X R 47/08, BStBl II 2009, 946). Die Beweislast für die Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO trägt nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf ihr Vorliegen beruft.
Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Veranlagungsbeamte einen automatisierten Prüfhinweis unbeachtet lässt (BFH Beschluss vom 28.5.2015, VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078). Das pflichtwidrige Unterlassen einer durch Prüfhinweis angeregten Plausibilitätsprüfung bedeutet nicht, dass der Veranlagungsbeamte die fehlerhafte Gewährung haushaltsnaher Dienstleistungen auch rechtlich gebilligt hätte.
Sind vom Stpfl. in seiner Steuererklärung angegebene Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nicht berücksichtigt worden, weil die Anlage S zur Einkommensteuererklärung versehentlich nicht eingescannt und die angegebenen Einkünfte somit nicht in das elektronische System übernommen wurden, liegt ein mechanisches Versehen und somit grundsätzlich eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO vor (vgl. BFH vom 14.1.2020, VIII R 4/17, BStBl II 2020, 433). Ein mechanisches Versehen ist nicht mehr gegeben, sondern es liegt ein Fehler im Bereich der Sachverhaltsermittlung nach § 88 AO vor, wenn der Sachbearbeiter eine weitere Sachverhaltsermittlung unterlässt, obwohl sich ihm aufgrund der im Rahmen des Risikomanagementsystems ergangenen Prüf- und Risikohinweise eine weitere Prüfung des Falles hätte aufdrängen müssen.
Die in der Rspr. des BFH zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gelten auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen (BFH Urteil vom 22.5.2019, XI R 9/18, BStBl II 2020, 37; LEXinform 0952086).
Die bewusste Nichtbeachtung von Werten in einer Steuererklärung durch die Finanzbehörde stellt nicht einen mechanischen, einem Schreibfehler oder Rechenfehler ähnlichen Fehler dar. Vielmehr scheidet bei einer bewussten Inkaufnahme von Fehlern eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO aus (FG Münster vom 19.10.2017, 6 K 1358/16 E, EFG 2018, 81). Ein Einkommensteuerbescheid, in dem das Finanzamt vom Stpfl. in dessen Steuererklärung angegebene Renteneinkünfte deswegen nicht berücksichtigt, weil die elektronisch zu übermittelnde Rentenbezugsmitteilung des Rentenversicherungsträgers noch nicht vorliegt, kann daher nicht nach § 129 AO berichtigt werden.
§ 129 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rspr., z.B. BFH vom 10.5.2016, IX R 4/15, BFH/NV 2016, 1425, jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist eine Berichtigung nach § 129 AO nicht möglich, wenn das FA aufgrund einer Hinweismitteilung den Fall überprüft hat, es im Rahmen dieser Überprüfung zu einer neuen Willensbildung der zuständigen Beamten gekommen ist und mithin die Möglichkeit eines Rechtsirrtums nicht auszuschließen ist; verbleibende Unklarheiten gehen insoweit zu Lasten des FA (vgl. BFH vom 10.12.2019, IX R 23/18, BStBl II 2020, 371; LEXinform 0952004).
Eine Kirchensteuerfestsetzung, die darauf beruht, dass in der von einem Steuerberater erstellten und elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung mitgeteilt wird, der Stpfl. gehöre einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft an, obwohl der Stpfl. bereits vor dem Veranlagungszeitraum aus der Kirche ausgetreten war und dieser Umstand ordnungsgemäß i.S.d. § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG gemeldet worden ist, kann weder nach § 175b Abs. 1 oder Abs. 2 AO noch nach §§ 129, 173 AO geändert werden (FG Baden-Württemberg Gerichtsbescheid vom 5.1.2021, 10 K 1662/20, EFG 2021, 1689; Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 6/21). Der BFH hat im Revisionsurteil vom 24.11.2021 (I R 6/21, BFH/NV 2022, 728) wie folgt entschieden: »Hat der Stpfl. am 22.12.2014 seinen Kirchenaustritt erklärt und hat die Meldebehörde ihrer Übermittlungspflicht aus § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG für den Zeitraum ab 1.1.2015 endgültig und pflichtbeendend bereits am 23.12.2014 genügt, dann ist die Aufhebung einer dennoch erfolgten Kirchensteuerfestsetzung für das Jahr 2017 nicht gem. § 175b AO möglich. Die Aufhebung scheitert an der zeitlichen Anwendungsbestimmung des Art. 97 § 27 Abs. 2 AOEG.«
Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO nicht aus (BFH vom 8.12.2021, I R 47/18, BStBl II 2022, 829). Wenn die Angabe »0« in einer Steuererklärung erkennbar unzutreffend ist und somit einer Nichtangabe gleichsteht, ist § 129 AO anwendbar. Es ist unschädlich, wenn die zutreffende Angabe über die Höhe des steuerlichen Einlagekontos in einem zweiten Schritt noch ermittelt werden muss.
Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden (BFH vom 13.12.2022, VIII R 16/19, n.v., DStRE 2023, 629; BFHE 278, 414; LEXinform 0952562; s. auch → Zinsen).
Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO nicht aus (BFH vom 8.12.2021, I R 47/18, BStBl II 2022, 827). Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 Satz 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist (Anschluss an das BFH-Urteil vom 22.5.2019, XI R 9/18, BStBl II 2020, 37). Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 € erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist.
→ Änderung von Steuerbescheiden nach § 175 AO
→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden
→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO
→ Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
→ Zinsen
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