1 Zivilrechtlicher Überblick
1.1 Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ab dem 1.1.2023
1.2 Voraussetzungen der Betreuerbestellung
1.2.1 Überblick über die Voraussetzungen des § 1814 BGB
1.2.2 Ursachen für den Unterstützungsbedarf
1.2.2.1 Krankheit
1.2.2.2 Behinderungen
1.2.2.3 Unterstützungsbedarf
1.3 Umfang der Betreuung (§ 1815 BGB)
1.4 Eignung und Auswahl des Betreuers (§ 1816 ff. BGB)
1.5 Ehrenamtliche Betreuer
1.5.1 Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung
1.5.2 Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers
1.6 Berufsbetreuer
1.6.1 Definition des Berufsbetreuers
1.6.2 Bestellung eines Berufsbetreuers
1.6.3 Registrierungsvoraussetzungen
1.6.4 Vergütung als Berufsbetreuer
1.6.4.1 Fallpauschalen
1.6.4.2 Gesonderte Pauschalen
1.6.4.3 Aufwendungsersatz
1.6.4.4 Inflationsausgleichs-Sonderzahlung
1.7 Betreuungsvereine
2 Ertragsteuerrechtliche Behandlung
2.1 Sachliche Steuerpflicht
2.2 Steuerfreiheit für Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer
2.3 Betriebsausgabenabzug
2.4 Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG
3 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der rechtlichen Betreuungsleistungen i.S.d. § 1814 BGB.
3.1 Voraussetzungen der rechtlichen Betreuung
3.2 Steuerbefreiung der rechtlichen Betreuungsleistungen ab 1.7.2013
3.3 Anwendungsregelungen
3.3.1 Nicht berufsmäßig tätiger Einzelbetreuer
3.3.2 Berufsbetreuer
3.3.3 Betreuungsverein bzw. Vereinsbetreuer
3.3.4 Betreuungsumsätze von Behörden
4 Betreuungsleistungen als Vormünder bzw. Ergänzungspfleger
4.1 Die Grundsätze der EuGH- und BFH-Rechtsprechung
4.2 Ergänzung des § 4 Nr. 25 UStG um die Leistungen der Verfahrensbeistände
4.3 Neufassung des Abschn. 4.25.2 Abs. 9 UStAE
4.4 Berücksichtigung der Leistungen der Verfahrenspfleger bei der Steuerbefreiung
4.4.1 Nichtberücksichtigung bei der Neufassung des § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG
4.4.2 Berufung auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL
4.4.3 Steuerbefreiung der Leistungen der Verfahrenspfleger nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. m UStG i.d.F. des Wachstumschancengesetzes
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel
Mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 (BGBl I 2021, 882) wird ab 1.1.2023 in Abschn. 3 des BGB (§§ 1773 ff. BGB) das seit dem 1.1.1992 geltende Vormundschafts- und Betreuungsrecht neu geregelt. Die Neuregelung der rechtlichen Betreuung erfolgt in Titel 3 (§§ 1814 ff. BGB).
Mit der Reform wird der Gesetzesaufbau sowohl im Vormundschaftsrecht als auch im Betreuungs- und Pflegschaftsrecht insgesamt neu strukturiert (BT-Drs. 19/24445, 123). Ein Kernstück der Reform besteht aus einer grundlegenden Überarbeitung der zentralen Normen des materiellen Betreuungsrechts zu den Voraussetzungen der Bestellung eines Betreuers, zu den Aufgaben und Pflichten des Betreuers im Verhältnis zum Betreuten und zu dessen Befugnissen im Außenverhältnis. Insbes. wird klarer geregelt, dass die rechtliche Betreuung in erster Linie eine Unterstützung der betroffenen Person zur Ausübung der rechtlichen Handlungsfähigkeit durch eigenes selbstbestimmtes Handeln gewährleistet und das Mittel der Stellvertretung nur dann zum Einsatz kommen darf, wenn es zum Schutz der betroffenen Person erforderlich ist. Auch der Vorrang der Wünsche des Betreuten als Maßstab für das Betreuerhandeln wird deutlicher normiert. Gleichzeitig wird gesetzlich klargestellt, dass die Orientierung an diesen Vorgaben auch der zentrale Maßstab für die Eignung des Betreuers zur Ausübung der Betreuung ebenso wie für die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht, vor allem im Rahmen von Genehmigungsverfahren, darstellt. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Qualität der beruflichen Betreuung soll ein formales niedrigschwelliges Registrierungsverfahren für berufliche Betreuer eingeführt werden, das bei der Betreuungsbehörde als Stammbehörde angesiedelt ist und in dem persönliche und fachliche Mindesteignungsvoraussetzungen nachgewiesen werden müssen. Geregelt wird dies in einem neuen Betreuungsorganisationsgesetz, das das bestehende Betreuungsbehördengesetz ablöst und sämtliche öffentlich-rechtlich geprägten Vorschriften zu den Betreuungsbehörden, den Betreuungsvereinen und den ehrenamtlichen und beruflichen Betreuern enthält. Dieses Gesetz enthält zudem neue Regelungen zu den öffentlichen Aufgaben und zur Finanzierung der Betreuungsvereine sowie zur verstärkten Anbindung von ehrenamtlichen Betreuern an Betreuungsvereine, durch die eine Verbesserung der Qualität der ehrenamtlichen Betreuung sowie eine Stärkung der unverzichtbaren Arbeit der Betreuungsvereine erreicht werden soll (BT-Drs. 19/24445, 125).
Merke:
Ein Betreuer kann nur für Erwachsene bestellt werden, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können (§ 1814 BGB; s.u. den Gliederungspunkt 1.2 »Voraussetzungen der Betreuerbestellung«).
Mit Art. 9 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 (BGBl I 2021, 882) wird ab 1.1.2023 das mit dem Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) geschaffene Betreuungsbehördengesetz (BtBG), in dem Zuständigkeit und Aufgaben der Betreuungsbehörde geregelt sind, durch ein Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) ersetzt. In dieses Gesetz sollen all diejenigen Regelungen Eingang finden, die die Rechtsstellung und Aufgaben der Betreuungsbehörden, der Betreuungsvereine und der rechtlichen Betreuer als wesentliche im Betreuungsrecht tätige Akteure näher ausgestalten, aber strukturell nicht dem Zivilrecht zugehörig sind, weil sie nicht die Regelung der Rechtsverhältnisse Privater untereinander, insbes. das Rechtsverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem, zum Gegenstand haben (BT-Drs. 19/24445, 341).
Das BtOG untergliedert sich in die folgenden fünf Abschnitte:
Abschnitt 1: Betreuungsbehörde;
Abschnitt 2: Anerkannte Betreuungsvereine;
Abschnitt 3: Rechtliche Betreuer;
Abschnitt 4: Offenbarungsbefugnisse für Geheimnisträger;
Abschnitt 5: Übergangsvorschriften.
Hinweis:
Einen Überblick über das neue Vormundschafts- und Betreuungsrecht ab 1.1.2023 gibt das Bundesministerium der Justiz in einer Pressemitteilung vom 29.12.2022 (LEXinform 0463254).
Auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz (www.bmj.de) finden Sie unter »Thema« und dort »Vorsorge- und Betreuungsrecht« und dort »Vorsorgevollmacht« einen Link auf die Broschüre »Betreuungsrecht« zum Herunterladen als pdf-Datei (Stand März 2023).
In § 1814 BGB als der zentralen Norm für die Voraussetzungen der Bestellung eines Betreuers wird der objektive Betreuungs- und Unterstützungsbedarf, also die Feststellung, dass der Volljährige nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen, als erste Voraussetzung genannt (BT-Drs. 19/24445, 134). Die Ursachen des Unvermögens müssen auf einer Krankheit oder Behinderung beruhen (§ 1814 Abs. 1 BGB).
Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1814 Abs. 2 BGB).
Die Bestellung eines Betreuers erfolgt auf Antrag des Volljährigen oder von Amts wegen (§ 1814 Abs. 4 Satz 1 BGB). Soweit der Volljährige seine Angelegenheiten lediglich aufgrund einer körperlichen Krankheit oder Behinderung nicht besorgen kann, darf ein Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann (§ 1814 Abs. 4 Satz 2 BGB).
Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers ist insbes. nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen (§ 1814 Abs. 3 BGB)
durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1816 Abs. 6 BGB bezeichneten Personen gehört, gleichermaßen besorgt werden können oder
durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, erledigt werden können, insbes. durch solche Unterstützung, die auf sozialen Rechten oder anderen Vorschriften beruht.
Sowohl körperliche als auch psychische Krankheiten sind von diesem Begriff umfasst. Hierzu gehören u.a. körperlich begründbare psychische Erkrankungen, insbes. infolge von degenerativen Hirnprozessen (Demenzerkrankungen) oder als Folge von Krankheiten (z.B. einer Hirnhautentzündung) oder von Verletzungen des Gehirns. Auch Abhängigkeitserkrankungen (z.B. durch Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholmissbrauch) können bei entsprechendem Schweregrad Krankheiten sein, die Anlass für eine Betreuerbestellung geben. Dasselbe gilt schließlich für Neurosen oder Persönlichkeitsstörungen (Psychopathien; s. Broschüre des BMJ unter 1.1, Seite 9).
Hierunter fallen u.a. angeborene sowie während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigungen erlittene Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade.
Auch körperliche Behinderungen können Anlass für die Bestellung eines Betreuers sein, allerdings nur, soweit sie die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten wenigstens teilweise aufheben oder wesentlich behindern. Dies kann etwa bei dauernder Bewegungsunfähigkeit der Fall sein.
Zu der Krankheit oder Behinderung muss ein Unterstützungsbedarf hinzutreten, der kausal auf die Krankheit oder Behinderung zurückzuführen ist: Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn die betroffene Person aufgrund der Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht rechtlich zu besorgen vermag. Es kann sich dabei etwa um Vermögens-, Renten- oder Wohnungsprobleme, aber auch um Fragen der Gesundheitsfürsorge oder des Aufenthalts handeln (s. Broschüre des BMJ unter 1.1, Seite 9).
Während in § 1814 BGB die allgemeinen Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung genannt werden und die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Betreuung in Abgrenzung zur Vorsorgevollmacht und zu anderen Hilfen bestimmt wird, wird der Umfang der Betreuung in § 1815 BGB geregelt.
Ein Betreuer darf nur für die Aufgabenbereiche bestellt werden, in denen eine Betreuung tatsächlich erforderlich ist (§ 1815 Abs. 1 BGB). Bereiche, welche die betroffene Person eigenständig erledigen kann, dürfen dem Betreuer nicht übertragen werden. Was die betroffene Person noch selbst tun kann und wofür sie Unterstützung durch einen rechtlichen Vertreter benötigt, wird im gerichtlichen Verfahren festgestellt (s. § 1815 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BGB).
Der Betreuer wird vom Betreuungsgericht bestellt (§ 1816 Abs. 1 BGB). Wünscht der Volljährige eine Person als Betreuer, so ist diesem Wunsch zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung nicht geeignet. Lehnt der Volljährige eine bestimmte Person als Betreuer ab, so ist diesem Wunsch zu entsprechen, es sei denn, die Ablehnung bezieht sich nicht auf die Person des Betreuers, sondern auf die Bestellung eines Betreuers als solche (§ 1816 Abs. 2 BGB).
Schlägt der Volljährige niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, oder ist die gewünschte Person nicht geeignet, so sind bei der Auswahl des Betreuers die familiären Beziehungen des Volljährigen, insbes. zum Ehegatten, zu Eltern und zu Kindern, seine persönlichen Bindungen sowie die Gefahr von Interessenkonflikten zu berücksichtigen (§ 1816 Abs. 3 BGB).
Das Gericht muss demnach im Regelfall eine einzelne Person auswählen, die geeignet ist, die Betreuung zu führen. Dies kann
eine nahestehende Person,
ein selbstständiger beruflicher Betreuer,
eine bei einem Betreuungsverein angestellte Person (§ 1818 Abs. 1 und 2 BGB) oder
eine bei der zuständigen Behörde beschäftigte Person (§ 1818 Abs. 4 BGB)
sein. Das Betreuungsgericht kann mehrere Betreuer bestellen, wenn dies zur besseren Besorgung der Angelegenheiten nötig ist (§ 1817 Abs. 1 BGB).
Ein beruflicher Betreuer soll nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine geeignete Person für die ehrenamtliche Führung der Betreuung zur Verfügung steht. Bei der Entscheidung, ob ein bestimmter beruflicher Betreuer bestellt wird, sind die Anzahl und der Umfang der bereits von diesem zu führenden Betreuungen zu berücksichtigen (§ 1816 Abs. 5 BGB).
Als Betreuer ist eine Person nur dann geeignet, wenn sie in der Lage ist, die Angelegenheiten der betroffenen Person in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis entsprechend den Vorgaben des § 1821 BGB rechtlich zu besorgen und insbes. in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit der betroffenen Person zu halten.
Diejenigen, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, der in der Versorgung der betroffenen Person tätig ist, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder einer anderen engen Beziehung stehen (z.B. das Personal des Heimes, in dem eine betroffene Person lebt), scheiden wegen der Gefahr von Interessenkonflikten im Regelfall für die Aufgabe der Betreuung aus (§ 1816 Abs. 6 BGB).
Voraussetzung für die Führung einer Betreuung als ehrenamtlicher Betreuer ist die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit (§ 21 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 4 BtOG).
Zur Feststellung seiner persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit hat der ehrenamtliche Betreuer der zuständigen Behörde ein Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO, die jeweils nicht älter als drei Monate sein sollen, vorzulegen.
Der ehrenamtliche Betreuer ist nach § 22 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 3 BtOG durch einen Betreuungsverein in seine Aufgaben einzuführen, fortzubilden und bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu beraten und zu unterstützen.
Ehrenamtliche Betreuer sind natürliche Personen, die außerhalb einer beruflichen Tätigkeit rechtliche Betreuungen führen. Ehrenamtliche Betreuer können sowohl Personen, die familiäre Beziehungen oder persönliche Bindungen zum Betroffenen haben, als auch andere Personen sein (§ 19 Abs. 1 BtOG).
§ 1816 Abs. 5 BGB regelt den gültigen Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung. Ein beruflicher Betreuer nach § 19 Abs. 2 BtOG soll nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine geeignete Person für die ehrenamtliche Führung der Betreuung zur Verfügung steht. Bei der Entscheidung, ob ein bestimmter beruflicher Betreuer bestellt wird, sind die Anzahl und der Umfang der bereits von diesem zu führenden Betreuungen zu berücksichtigen.
Mit Art. 2 des Gesetzes zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20.12.2023 (BGBl I 2023, Nr. 391) wird mit Wirkung ab 1.1.2024 in § 21 BtOG der bisherige Abs. 2 durch die neuen Abs. 2 und 3 ersetzt.
Danach hat eine Person, die erstmalig zum ehrenamtlichen Betreuer bestellt werden soll, vor ihrer Bestellung zur Feststellung ihrer persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit der zuständigen Behörde ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 des Bundeszentralregistergesetzes und eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO vorzulegen, die jeweils nicht älter als drei Monate sein sollen.
Nach § 1875 Abs. 1 BGB bestimmt sich Vergütung und Aufwendungsersatz des ehrenamtlichen Betreuers nach den §§ 1875 ff. BGB.
Dem ehrenamtlichen Betreuer steht grds. kein Anspruch auf Vergütung zu (§ 1876 Satz 1 BGB). Das Betreuungsgericht kann ihm aber eine angemessene Vergütung bewilligen, wenn
der Umfang oder die Schwierigkeit der Wahrnehmung der Angelegenheiten des Betreuten dies rechtfertigen und
der Betreute nicht mittellos ist.
Nach § 1877 BGB hat der ehrenamtliche Betreuer Anspruch auf Aufwendungsersatz.
Zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz kann der Betreuer für die Führung jeder Betreuung, für die er keine Vergütung erhält, vom Betreuten einen pauschalen Geldbetrag verlangen (Aufwandspauschale). Dieser entspricht für ein Jahr dem 17-Fachen dessen, was einem Zeugen als Höchstbetrag der Entschädigung für eine Stunde versäumter Arbeitszeit (§ 22 JVEG) gewährt werden kann (17 × 25 € = 425 €). Hat der Betreuer für solche Aufwendungen bereits Vorschuss oder Ersatz erhalten, so verringert sich die Aufwandspauschale entsprechend (§ 1878 Abs. 1 BGB).
Gilt der Betreute als mittellos i.S.v. § 1880 BGB, so kann der Betreuer den Vorschuss, den Aufwendungsersatz nach § 1877 BGB oder die Aufwandspauschale nach § 1878 BGB aus der Staatskasse verlangen (§ 1879 BGB).
Durch das Gesetz zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20.12.2023 (BGBl I 2023, Nr. 391) wird mit Wirkung ab 1.1.2024 in Art. 1 das Gesetz zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer (Betreuer-Inflationsausgleichs-Sonderzahlungsgesetz – BetrInASG) beschlossen (s.a. BMJ Pressemitteilung vom 29.12.2023, LEXinform 0464968).
Nach § 4 Abs. 1 BetrInASG kann ein ehrenamtlicher Betreuer i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 BtOG, der zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz die Aufwandspauschale nach § 1878 BGB geltend macht, vom Betreuten zusätzlich die Zahlung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung i.H.v. 24 € jährlich verlangen. Die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung ist jährlich zu leisten, erstmals ein Jahr nach Bestellung des Betreuers. Der Anspruch auf die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung besteht für die Zeit vom 1.1.2024 bis zum 31.12.2025 (§ 4 Abs. 5 BetrInASG).
Der Anspruch auf die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung kann nur gemeinsam mit der Aufwandspauschale nach § 1878 Abs. 1 Satz 1 BGB geltend gemacht werden. Gilt ein Antrag nach § 1878 Abs. 4 Satz 3 BGB als gestellt, umfasst dies auch die Beantragung der Inflationsausgleichs-Sonderzahlung (§ 5 Abs. 1 und 2 BetrInASG).
Nach § 19 Abs. 2 BtOG sind berufliche Betreuer
natürliche Personen,
die selbstständig
oder als Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins
rechtliche Betreuungen führen und
nach § 24 BtOG registriert sind
oder nach § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG als vorläufig registriert gelten.
Nach § 1816 Abs. 5 BGB soll ein beruflicher Betreuer nach § 19 Abs. 2 BtOG nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine geeignete Person für die ehrenamtliche Führung der Betreuung zur Verfügung steht. Bei der Entscheidung, ob ein bestimmter beruflicher Betreuer bestellt wird, sind die Anzahl und der Umfang der bereits von diesem zu führenden Betreuungen zu berücksichtigen (§ 1816 Abs. 5 Satz 2 BGB).
Der Grund für diese Vorrangregelung des ehrenamtlichen Betreuers liegt u.a. auch darin, dass berufliche Betreuer für ihre Betreuertätigkeit eine Vergütung verlangen können, während ehrenamtliche Betreuer die Betreuung grds. unentgeltlich führen. Es bleibt damit auch bei der Rspr. des BGH vom 11.7.2018 (XII ZB 642/17, LEXinform 1670553), wonach dieser Vorrang zwar grds. auch gegenüber einem Wunsch des Betroffenen, einen beruflichen Betreuer zu bestellen, gilt. Die als Soll-Vorschrift ausgestaltete Norm lässt dem Betreuungsgericht im Einzelfall jedoch genügend Spielraum, ggf. doch einen geeigneten Berufsbetreuer zu bestellen und so letztlich auch dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rechnung zu tragen; in einem solchen Fall wäre der ehrenamtliche Betreuer keine geeignete Person im Sinne dieser Norm (BT-Drs. 19/24445, 239).
In § 1816 Abs. 5 Satz 2 BGB wird ab 1.1.2023 erstmals eine Pflicht des Betreuungsgerichts eingeführt, bei der Entscheidung über die Bestellung eines bestimmten beruflichen Betreuers auch Anzahl und Umfang der von diesem Betreuer bereits zu führenden Betreuungen zu berücksichtigen. Eine generelle zahlenmäßige Begrenzung der von einem beruflichen Betreuer zu führenden Betreuungen durch den Gesetzgeber erscheint hingegen nicht sinnvoll. Denn die Zahl der rechtlichen Betreuungen, die ein Betreuer ohne Qualitätseinbußen führen kann, hängt stark vom Einzelfall ab. Der Einzelfall wird zum einen vom Aufwand der jeweils geführten Betreuungen bestimmt, zum anderen auch von der Organisation des Betreuers. So kann ein selbstständiger Berufsbetreuer, der über Mitarbeiter verfügt, generell mehr Betreuungen führen als ein Berufsbetreuer ohne Mitarbeiter. Denn den Mitarbeitern können in angemessenem Umfang Aufgaben außerhalb der persönlichen Betreuung übertragen werden, so z.B. die Buchhaltung als Vorarbeit für die jährliche Rechnungslegung. Entsprechend können Vereinsbetreuer in anerkannten Betreuungsvereinen mit Mitarbeitern, die selbst keine Betreuungen führen, eine höhere Anzahl von Betreuungen führen als Vereinsbetreuer in Vereinen ohne solche Mitarbeiter. Gleichwohl soll das Gericht in Zukunft vor der Bestellung eines beruflichen Betreuers erfahren, wie viele Betreuungen dieser aktuell führt, damit es insoweit über eine gute Tatsachengrundlage für seine Entscheidung über die Eignung des Betreuers im konkreten Fall verfügt. Die Betreuungsbehörde hat dem Gericht nach § 12 Abs. 3 Satz 3 BtOG die Anzahl und den Umfang der von dem vorgeschlagenen Betreuer bereits zu führenden Betreuungen sowie den zeitlichen Gesamtumfang und die Organisationsstruktur seiner Betreuertätigkeit mitzuteilen. Bei der Auswahl des Betreuers hat das Gericht diese Informationen zu berücksichtigen. Es hat daher jeweils im Einzelfall zu entscheiden, ob der Betreuer bereits so viele andere Betreuungen führt, dass er bereits aus Zeitgründen nicht in der Lage ist, den für die persönliche Betreuung erforderlichen Kontakt zum Betroffenen zu halten oder sich in geeigneter Weise um die Wahrnehmung der Angelegenheiten des Betreuten zu kümmern. Damit wird dem Gericht der notwendige Spielraum eingeräumt, für den einzelnen Menschen, der einer Betreuung bedarf, auch den aufgrund seiner persönlichen Voraussetzungen am besten geeigneten Betreuer zu finden. Eine pauschale Beschränkung der Fallzahlen, deren Höhe angesichts der dargelegten Vielgestaltigkeit der Anwendungsfälle zudem kaum seriös bestimmt werden kann, würde den Entscheidungsspielraum des Betreuungsgerichts im Einzelfall zu sehr einschränken und es erschweren, die für den konkreten Fall am besten geeignete Lösung zu finden (BT-Drs. 19/24445, 239 f.).
Voraussetzungen für eine Registrierung als beruflicher Betreuer i.S.d. § 24 BtOG sind (§ 23 Abs. 1 BtOG)
die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit,
eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer und
eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren mit einer Mindestversicherungssumme von 250 000 € für jeden Versicherungsfall.
Nach § 1875 Abs. 2 BGB bestimmen sich Vergütung und Aufwendungsersatz des beruflichen Betreuers sowie eines Betreuungsvereins nach dem VBVG.
Mit Art. 10 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 (BGBl I 2021, 882) wird ab 1.1.2023 das Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) geändert.
Abschn. 2 des VBVG regelt die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Betreuers. § 7 VBVG stellt für berufliche Betreuer, d.h. für selbstständige wie für Vereinsbetreuer, die Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer Vergütung dar.
Die dem beruflichen Betreuer nach § 7 VBVG zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C festgelegt sind (§ 8 Abs. 1 VBVG).
Die Vergütung des beruflichen Betreuers richtet sich nach (§ 8 Abs. 2 VBVG)
Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer weder über eine abgeschlossene Lehre noch über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung verfügt;
Vergütungstabelle B, wenn der Betreuer über eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung verfügt;
Vergütungstabelle C, wenn der Betreuer über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung verfügt.
Die Höhe der Fallpauschalen nach § 8 Abs. 1 richtet sich nach (§ 9 Abs. 1 VBVG)
der Dauer der Betreuung,
dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und
dem Vermögensstatus des Betreuten.
Tabelle A
Zeitraum |
Betreute in stationärer Einrichtung oder gleichgestellter ambulant betreuter Wohnform |
monatliche Fallpauschale |
andere Wohnform |
monatliche Fallpauschale |
1. bis 3. Monat |
mittellos |
194,00 |
mittellos |
208,00 |
nicht mittellos |
200,00 |
nicht mittellos |
298,00 |
|
4. bis 6. Monat |
mittellos |
129,00 |
mittellos |
170,00 |
nicht mittellos |
158,00 |
nicht mittellos |
208,00 |
|
7. bis 12. Monat |
mittellos |
124,00 |
mittellos |
151,00 |
nicht mittellos |
140,00 |
nicht mittellos |
192,00 |
|
13. bis 24. Monat |
mittellos |
87,00 |
mittellos |
122,00 |
nicht mittellos |
91,00 |
nicht mittellos |
158,00 |
|
ab dem 25. Monat |
mittellos |
62,00 |
mittellos |
105,00 |
nicht mittellos |
78,00 |
nicht mittellos |
130,00 |
Tabelle B
Zeitraum |
Betreute in stationärer Einrichtung oder gleichgestellter ambulant betreuter Wohnform |
monatliche Fallpauschale |
andere Wohnform |
monatliche Fallpauschale |
1. bis 3. Monat |
mittellos |
241,00 |
mittellos |
258,00 |
nicht mittellos |
249,00 |
nicht mittellos |
370,00 |
|
4. bis 6. Monat |
mittellos |
158,00 |
mittellos |
211,00 |
nicht mittellos |
196,00 |
nicht mittellos |
258,00 |
|
7. bis 12. Monat |
mittellos |
154,00 |
mittellos |
188,00 |
nicht mittellos |
174,00 |
nicht mittellos |
238,00 |
|
13. bis 24. Monat |
mittellos |
107,00 |
mittellos |
151,00 |
nicht mittellos |
113,00 |
nicht mittellos |
196,00 |
|
ab dem 25. Monat |
mittellos |
78,00 |
mittellos |
130,00 |
nicht mittellos |
96,00 |
nicht mittellos |
161,00 |
Tabelle C
Zeitraum |
Betreute in stationärer Einrichtung oder gleichgestellter ambulant betreuter Wohnform |
monatliche Fallpauschale |
andere Wohnform |
monatliche Fallpauschale |
1. bis 3. Monat |
mittellos |
317,00 |
mittellos |
339,00 |
nicht mittellos |
327,00 |
nicht mittellos |
486,00 |
|
4. bis 6. Monat |
mittellos |
208,00 |
mittellos |
277,00 |
nicht mittellos |
257,00 |
nicht mittellos |
339,00 |
|
7. bis 12. Monat |
mittellos |
202,00 |
mittellos |
246,00 |
nicht mittellos |
229,00 |
nicht mittellos |
312,00 |
|
13. bis 24. Monat |
mittellos |
141,00 |
mittellos |
198,00 |
nicht mittellos |
149,00 |
nicht mittellos |
257,00 |
|
ab dem 25. Monat |
mittellos |
102,00 |
mittellos |
171,00 |
nicht mittellos |
127,00 |
nicht mittellos |
211,00 |
Ist der Betreute nicht mittellos, wird der Betreuer mit einer zusätzlichen monatlichen Pauschale i.H.v. 30 € vergütet, wenn dieser die Verwaltung
von Geldvermögen i.H.v. mindestens 150 000 €,
von Wohnraum, der nicht vom Betreuten oder seinem Ehegatten genutzt wird, oder
eines Erwerbsgeschäfts des Betreuten
zu besorgen hat. Die Pauschale kann geltend gemacht werden, wenn einer der Fälle der Nr. 1 bis 3 an mindestens einem Tag im Abrechnungsmonat vorliegt (§ 10 Abs. 1 VBVG).
Findet ein Wechsel von einem ehrenamtlichen zu einem beruflichen Betreuer statt, ist der berufliche Betreuer mit einer einmaligen Pauschale i.H.v. 200 € zu vergüten (§ 10 Abs. 2 VBVG).
Findet ein Wechsel von einem beruflichen zu einem ehrenamtlichen Betreuer statt, ist der berufliche Betreuer mit einer einmaligen Pauschale i.H.d. 1,5-Fachen der zum Zeitpunkt des Betreuerwechsels zu vergütenden Fallpauschale zu vergüten. Dies gilt auch dann, wenn zunächst neben dem beruflichen Betreuer ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt war und dieser die Betreuung allein fortführt (§ 10 Abs. 3 VBVG).
Die Fallpauschalen nach § 9 VBVG gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen ab. Die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen i.S.d. § 1877 Abs. 3 BGB durch Betreuer nach § 7 Abs. 1 VBVG bleibt unberührt (§ 11 VBVG).
Durch das Gesetz zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20.12.2023 (BGBl I 2023, Nr. 391) wird mit Wirkung ab 1.1.2024 in Art. 1 das Gesetz zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer (Betreuer-Inflationsausgleichs-Sonderzahlungsgesetz – BetrInASG) beschlossen (s.a. BMJ Pressemitteilung vom 29.12.2023, LEXinform 0464968).
Nach den §§ 1 bis 3 BetrInASG können berufliche Betreuer und Betreuungsvereine vom Betreuten oder, falls dieser mittellos ist, aus der Staatskasse eine Inflationsausgleichs-Sonderzahlung verlangen.
Die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung beträgt 7,50 € je geführter Betreuung und je angefangenem Monat. Der Anspruch auf die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung besteht für jeden in den Zeitraum vom 1.1.2024 bis zum 31.12.2025 fallenden Monat, in dem die Betreuung an mindestens einem Tag geführt wird (§ 2 Abs. 1 und 2 BetrInASG).
Die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung kann nur gemeinsam mit einem Vergütungsantrag nach den §§ 8 und 9 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG; s.o. unter dem Gliederungspunkt 1.6.4.1 »Fallpauschalen«) geltend gemacht werden (§ 3 Abs. 1 BetrInASG).
Nach § 14 BtOG kann ein rechtsfähiger Verein als Betreuungsverein anerkannt werden, wenn er gewährleistet, dass er
die Aufgaben nach den §§ 15 und 16 BtOG wahrnehmen wird,
eine ausreichende Zahl geeigneter Mitarbeiter hat und diese beaufsichtigen, weiterbilden und gegen Schäden, die diese anderen im Rahmen ihrer Tätigkeit zufügen können, angemessen versichern wird, und
einen Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeitern ermöglicht.
Die Anerkennung gilt für das jeweilige Land; sie kann auf einzelne Landesteile beschränkt werden. Sie kann unter Auflagen erteilt werden und ist widerruflich.
Ist ein beruflicher Betreuer nach § 19 Abs. 2 BtOG (s.o.), der als Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins rechtliche Betreuungen führt, als Vereinsbetreuer bestellt, kann der Betreuungsverein vom Betreuten Vergütung und Aufwendungsersatz nach Maßgabe der §§ 8 bis 12, 15 und 16 VBVG (s.o.) verlangen. Der Vereinsbetreuer selbst kann keine Vergütung und keinen Aufwendungsersatz geltend machen (§ 7 Abs. 2 VBVG).
Hinweis:
Das FinMin Niedersachsen hat mit Erlass vom 30.10.2018 (S 2337 – 117/7 – 34 3, SIS 19 17 03) ein Merkblatt für ehrenamtliche Betreuer, Vormünder und Pfleger sowie Berufsbetreuer herausgegeben.
Der BFH hat in der Vergangenheit mit Urteil vom 4.11.2004 (IV R 26/03, BStBl II 2005, 288) die Berufsbetreuertätigkeit unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 2.9.1988 (III R 58/85, BStBl II 1989, 24; vom 28.8.2003, IV R 1/03, BStBl II 2004, 112) als gewerbliche und nicht als sonstige selbstständige Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen, weil diese Vorschrift nur vermögensverwaltende Tätigkeiten erfasse. Diese Voraussetzung erfülle die Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers nicht, da sie nicht nur Vermögensfragen, sondern auch persönliche Angelegenheiten (z.B. Gesundheitsangelegenheiten, Wohnungsfragen, Bestimmung des Aufenthalts oder des Umgangs) umfasse.
Mit Urteilen vom 15.6.2010 (VIII R 14/09, BStBl II 2010, 909 und VIII R 10/09, BStBl II 2010, 906) gibt der BFH seine bisherige Rspr. auf und ordnet die Einnahmen eines Berufsbetreuers ihrer Art nach den Einkünften aus selbstständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu (s. Erlass FinMin Niedersachsen vom 30.10.2018 unter B.II.1).
Danach gehören zu den freiberuflichen Einkünften auch Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Die Vorschrift enthält keinen abschließenden Katalog in Betracht kommender »Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit«, sondern lediglich die Auflistung der Regelbeispiele
Testamentsvollstreckervergütung,
Vermögensverwaltung,
Aufsichtsratstätigkeit.
Weitere Tätigkeiten fallen danach in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich sind (Grundsatz der sog. Gruppenähnlichkeit; vgl. BFH Urteil vom 28.5.2001, IV R 10/00, BStBl II 2002, 338). Das ist z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbstständig ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis handelt.
Auf dieser Grundlage ist die Tätigkeit eines Berufsbetreuers den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit zuzuordnen, weil sie ebenso wie die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichneten Regelbeispiele – berufsbildtypisch – durch eine selbstständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis sowie durch Aufgaben der Vermögensverwaltung geprägt ist.
Hinzu kommt, dass bei einer umfassend angeordneten Betreuung eine Trennbarkeit der vermögensbetreuenden und sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum gegeben ist. So stellt die Entscheidung über eine mögliche Heilbehandlung zugleich – wegen der damit verbundenen Kosten für den Betreuten – stets auch eine vermögensrelevante Entscheidung dar. Im Hinblick darauf, dass vermögensrechtliche Aspekte in derartigen Fällen zumindest mittelbar mit berührt werden, steht der Zurechnung der Berufsbetreuertätigkeit zum Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts entgegen, selbst wenn im Einzelfall die Betreuung in Vermögens- und sonstige persönliche Angelegenheiten aufgeteilt worden ist.
Eine Sozietät von Rechtsanwälten, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als Berufsbetreuer tätig sind, erzielt aus der Berufsbetreuung Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Änderung der Rspr.). Die Abfärberegelung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG findet daher keine Anwendung (BFH Urteil vom 15.6.2010, VIII R 10/09, BStBl II 2010, 906).
Die Berufsbetreuung betrifft allerdings keine für einen bestimmten Katalogberuf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG berufsbildtypische oder ähnliche Tätigkeit, weil sie anders als die insoweit allenfalls in Betracht kommenden Berufe »Rechtsanwälte« und »Steuerberater« ohne entsprechende akademische Vorbildung ausgeübt werden kann und schon aufgrund ihres eigenständigen verselbstständigten Berufsbilds nicht diesen Berufen zuzurechnen oder als ihnen ähnlicher Beruf anzusehen ist.
Das Gebot, die berufsbildtypische Ausübung eines Katalogberufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG von der Ausübung anderer Berufe abzugrenzen, ist nach der Rspr. regelmäßig gegeben, soweit ein Berufsträger i.S. der Vorschrift Tätigkeiten entfaltet, die sich – wie hier die Betreuungstätigkeit – zu einem selbstständigen Berufsbild verfestigt haben. Eine Betreuertätigkeit ist aber nicht als typische anwaltliche Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 EStG anzusehen, weil sie keine spezifischen juristischen Kenntnisse und keine juristische Ausbildung voraussetzt, die Tätigkeit aufgrund gerichtlicher Bestellungen und nicht aufgrund eines anwaltlichen Mandats ausgeübt wird und sich die Vergütung dementsprechend nach Regelungen des Betreuungsrechts und nicht nach dem anwaltlichen Gebührenrecht bestimmt.
Auch ehrenamtliche Betreuer üben eine sonstige vermögensverwaltende Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus (BFH Urteil vom 17.10.2012, VIII R 57/09, BStBl II 2013, 799).
Hinweis:
Das BVerwG hat mit Urteilen vom 27.2.2013 (8 C 7/12, LEXinform 0963917 und 8 C 8/12, LEXinform 1584187) entschieden, dass Rechtsanwälte, die sich neben ihrem Anwaltsberuf als Berufsbetreuer betätigen, verpflichtet sind, die Betreuertätigkeit als Gewerbe anzumelden.
Bei der Tätigkeit des Berufsbetreuers handelt es sich um den Betrieb eines stehenden Gewerbes mit der Folge, dass die Tätigkeit gewerberechtlich angezeigt werden muss. Das gilt auch dann, wenn sie von einem Rechtsanwalt ausgeübt wird. Die Tätigkeit als Berufsbetreuer erfüllt alle Merkmale des Gewerbebegriffs, da es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, auf Dauer angelegte und selbstständige Tätigkeit handelt. Sie ist auch kein Freier Beruf, so dass die Gewerbeordnung nicht anwendbar wäre. Eine freiberufliche Tätigkeit würde jedenfalls eine höhere Bildung oder schöpferische Begabung voraussetzen. Das ist bei einem Berufsbetreuer nicht der Fall. § 1897 Abs. 1 BGB a.F. (ab 1.1.2023: § 1816 Abs. 1 BGB) verlangt lediglich, dass der Betreuer geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und diesen persönlich zu betreuen. Eine spezielle berufliche Ausbildung wird vom Gesetz nicht gefordert. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Betreuungstätigkeit vorrangig als Ehrenamt ausgestaltet ist (§ 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB a.F.; jetzt § 1816 Abs. 5 BGB). Des Weiteren fehlt es an der für einen Freien Beruf typischen fachlichen Unabhängigkeit, da der Berufsbetreuer seine Entscheidungen nicht kraft überlegenen Fachwissens trifft. Die Betreuertätigkeit ist auch nicht Bestandteil der anwaltlichen Tätigkeit. Insbesondere die Vergütungsregelung für Betreuer (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz) zeigt, dass die Übernahme von Betreuungen keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit ist. Die Vergütung richtet sich nach den Regelungen des Betreuungsrechts und gerade nicht nach dem anwaltlichen Gebührenrecht. Nur soweit der Rechtsanwalt eine originär anwaltliche Dienstleistung erbringt, kann er nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass der ordnungsrechtliche Zweck der gewerberechtlichen Anzeigepflicht, eine wirksame Gewerbeüberwachung zu ermöglichen, schon durch die Aufsicht durch das Vormundschaftsgericht oder durch die Überwachung seitens der Rechtsanwaltskammern erreicht würde.
Der Annahme, dass es sich bei der Berufsbetreuertätigkeit um die Ausübung eines Gewerbes i.S.d. § 14 GewO handelt, steht nicht entgegen, dass der BFH mit Urteilen vom 15.6.2010 (VIII R 10/09, BStBl II 2010, 906 und VIII R 14/09, BStBl II 2010, 909) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, dass die Einnahmen eines Berufsbetreuers den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzuordnen und nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren sind. Abgesehen davon, dass der Rechtsprechung des BFH zufolge die Tätigkeit eines Berufsbetreuers gerade nicht als freiberufliche Tätigkeit angesehen wird, hat diese Qualifizierung im Einkommensteuerrecht für die gewerberechtliche Bewertung einer Tätigkeit als freiberuflich oder gewerblich wegen der fehlenden Übertragbarkeit der steuerrechtlichen Regelung auf die Gewerbeordnung keine Bindungswirkung. Die Terminologie des Steuerrechts ist nicht mit derjenigen des Gewerberechts identisch. Dies folgt insbesondere daraus, dass sich die Regelungszwecke der beiden Rechtsmaterien unterscheiden. Die Gewerbeordnung ist zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Wirtschaftsleben bestimmt, während es im Steuerrecht um fiskalische Ziele geht (s.a. Pressemitteilung des BVerwG Nr. 13/2013 vom 27.2.2013, LEXinform 0439296).
Ehrenamtliche Betreuer erhalten nach § 1878 Abs. 1 BGB eine jährliche pauschale Aufwandsentschädigung i.H.v. 425 € (17 × 25 EUR; s.o. den Gliederungspunkt 1.5.2 »Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers«). Die Aufwandsentschädigung wird für jede einzelne Vormundschaft, Pflegschaft und Betreuung gewährt. Es ist deshalb in Ausnahmefällen möglich, dass eine Betreuungsperson den Betrag mehrfach bekommt. Der Betrag der pauschalen Aufwandsentschädigung wurde in Anlehnung an die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen mit einem Vielfachen der Entschädigung für eine Stunde versäumter Arbeitszeit bestimmt (§ 1878 Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. 22 JVEG).
Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach 1878 BGB sind ab 2011 nach § 3 Nr. 26b EStG begrenzt und für die Jahre davor nach § 3 Nr. 12 EStG unbegrenzt steuerfrei; das hat der BFH mit Urteil vom 17.10.2012 (VIII R 57/09, BStBl II 2013, 799) entschieden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2011 ist § 3 Nr. 26b EStG als alleinige Steuerbefreiungsvorschrift für Aufwandsentschädigungen nach § 1878 BGB anzuwenden (s. Erlass Thüringer FinMin vom 9.1.2023, 1040 – 21 – S 2121/18 – 2- 2898/2023, DStR 2023, 888, LEXinform 7013488).
Für Veranlagungszeiträume ab 2011 erfolgt eine betraglich begrenzte Steuerfreiheit. Nach der durch das Jahressteuergesetz 2010 (BGBl I 2010, 1768) eingefügten Vorschrift des § 3 Nr. 26b EStG sind Aufwandsentschädigungen steuerfrei, wenn sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen den Freibetrag von 3 000 € nicht überschreiten. § 3 Nr. 26b EStG geht als »lex specialis« § 3 Nr. 12 EStG vor (FG Baden-Württemberg vom 6.3.2019, 2 K 317/17, EFG 2019, 1262, LEXinform 5022272, rkr.).
Beachte:
Nach § 3 Nr. 26b EStG sind entsprechende Vergütungen steuerfrei, soweit sie zusammen mit steuerfreien Einnahmen i.S.d. § 3 Nr. 26 EStG den Freibetrag nach § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG i.H.v. 3 000 € nicht überschreiten. Folglich gilt für alle in § 3 Nr. 26 und Nr. 26b EStG genannten Tätigkeiten nur ein Freibetrag. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Verbrauch des Freibetrags durch eine Übungsleitertätigkeit zur Steuerpflicht der gezahlten Aufwandsentschädigung als ehrenamtlicher Betreuer führt. Des Weiteren ist der Freibetrag nach § 3 Nr. 26a EStG ausgeschlossen, wenn die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26b EStG in Anspruch genommen wurde (Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 21.11.2014, BStBl I 2014, 1581; Erlass Thüringer FinMin vom 9.1.2023, 140 – 21 – S 2121/18 – 2- 2898/2023, DStR 2023, 888, LEXinform 7013488).
Im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 17.10.2012 (VIII R 57/09, BStBl II 2013, 799) hat das FinMin Baden-Württemberg einen neuen Erlass zur steuerlichen Behandlung der Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuer herausgegeben (FinMin Baden-Württemberg vom 10.2.2016, 3 – S 233.7/38, im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder, SIS 16 03 14).
Ein Abzug der mit den steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nr. 26b EStG in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben ist abweichend von § 3c EStG nur insoweit möglich, als die Einnahmen des ehrenamtlichen Betreuers und gleichzeitig auch die berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben die steuerfreien Einnahmen übersteigen (§ 3 Nr. 26b Satz 2 i.V.m. Nr. 26 Satz 2 EStG; R 3.26 Abs. 9 LStR).
S. dazu auch die ausführlichen Berechnungen unter → Nebenberufliche Tätigkeiten.
Beispiel 1:
Ein ehrenamtlicher Betreuer erhält im Jahr 2024 für jede Betreuung eine Aufwandsentschädigung von 425 €.
Der Betreuer hat 2 Betreuungen übernommen und tatsächliche Aufwendungen von 427 € nachgewiesen.
Der Betreuer hat 8 Betreuungen übernommen und tatsächliche Aufwendungen von 3 300 € nachgewiesen.
Der Betreuer hat 42 Betreuungen übernommen und tatsächliche Aufwendungen von 13 125 € nachgewiesen.
Lösung 1:
a) Übernahme von 2 Betreuungen |
b) Übernahme von 8 Betreuungen |
c) Übernahme von 42 Betreuungen (BFH Urteil vom 17.10.2012, VIII R 57/09, BStBl II 2013, 799) |
|
Einnahmen je 425 € |
850 € |
3 400 € |
17 850 € |
./. steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 26b EStG |
850 € |
3 000 € |
3 000 € |
verbleiben |
0 € |
400 € |
14 850 € |
./. nachgewiesene Betriebsausgaben i.H.v. |
427 € |
3 300 € |
13 125 € |
abzugsfähig, soweit sie die steuerfreien Einnahmen übersteigen |
./. 0 € |
./. 300 € |
./. 10 125 € |
Einkünfte |
0 € |
100 € |
4 725 € |
Stpfl. Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG |
0 € |
100 € |
4 725 € |
Gem. § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG kann der Stpfl. wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer nicht nur vorübergehend hilflosen Person erwachsen, einen Pflegepauschbetrag geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen erhält. Die Pflege muss in der Wohnung entweder des Stpfl. oder des Pflegebedürftigen erfolgen (s.a. → Pflegekosten, → Heimunterbringung sowie → Kinderbetreuungskosten).
Zur Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung eines Pflegepauschbetrages gem. § 33b Abs. 6 EStG bei einem ehrenamtlichen Betreuer, der eine Aufwandsentschädigung nach § 1878 Abs. 1 BGB (s.o.) erhält, hat das FG Düsseldorf mit Urteil vom 13.11.2017 (15 K 3228/16, Mitteilung FG Düsseldorf vom 8.3.2018, LEXinform 0447941) entschieden, dass die Gewährung des Pflegepauschbetrags gem. § 33b Abs. 6 EStG ausgeschlossen ist, wenn der Stpfl. als Pflegeperson bereits eine Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuer nach § 1878 BGB erhält.
Im Revisionsverfahren hat der BFH mit Urteil vom 4.9.2019 (VI R 52/17, BStBl II 202, 97) aber entgegen der Rechtsauffassung des FG Düsseldorf entschieden, dass die dem Betreuer gewährte Aufwandsentschädigung gem. § 1878 BGB keine Einnahme i.S.d. Norm des § 33b Abs. 6 EStG ist, da sie nicht für die Pflege, sondern für die Betreuung i.S.d. § 1814 BGB geleistet wurde.
Im Revisionsverfahren hat der BFH mit Urteil vom 4.9.2019 (VI R 52/17, BStBl II 202, 97) zur Gewährung bzw. Nichtberücksichtigung des Pflegepauschbetrages an einen rechtlichen Betreuer Stellung genommen.
Die Gewährung des Pflegepauschbetrags setzt nach § 33b Abs. 6 EStG eine Zwangsläufigkeit voraus (BFH vom 29.8.1996, III R 4/95, BStBl II 1997, 199). Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann.
Der Betreuer (Kläger) war zunächst weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen verpflichtet, die pflegerischen Maßnahmen gegenüber der zu betreuenden Person (H) zu erbringen. Insbesondere ergibt sich eine rechtliche Verpflichtung des Klägers nicht aus seiner Stellung als Betreuer des H. Betreuung ist nicht tatsächliche Hilfe, sondern Beistand in Form von Rechtsfürsorge. Zwar hat der Betreuer den Betreuten im Rahmen des ihm rechtlich übertragenen Aufgabenkreises in dem hierfür erforderlichen Umfang auch persönlich zu betreuen (§ 1821 BGB). Betreuung und Pflege unterscheiden sich jedoch grundlegend. Eine Verpflichtung des Klägers als Betreuer, mit H Bewegungsübungen am Bett und im Rollstuhl zu unternehmen, Lesen zu üben oder ihn mit A zusammenzuführen, bestand demnach nicht.
Der Kläger war auch aus sittlichen Gründen nicht zur Erbringung der Pflegeleistungen verpflichtet. Im Anwendungsbereich des § 33b Abs. 6 EStG stellt der BFH zwar geringere Anforderungen an eine sittliche Verpflichtung als bei § 33 Abs. 2 EStG. Für die Gewährung des Pflegepauschbetrags gem. § 33b Abs. 6 EStG erkennt er eine sittliche Verpflichtung zur Pflege bereits unter der Voraussetzung an, dass eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Stpfl. und der gepflegten Person besteht (BFH 29.8.1996, III R 4/95, BStBl II 1997, 199). Der Kläger hat für eine enge persönliche Beziehung zu H auch nichts vorgetragen (s.a. Anmerkung vom 18.12.2019, LEXinform 0889042).
Rechtliche Betreuung erhalten volljährige Personen, die ihre Angelegenheiten wegen einer Krankheit oder Behinderung ganz oder teilweise nicht besorgen können (§ 1814 Abs. 1 BGB n.F.). Das Betreuungsgericht stellt auf Antrag des Volljährigen oder von Amts wegen für den Volljährigen einen Betreuer.
Zum Betreuer kann bzw. können bestellt werden |
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eine natürliche Person (§ 1816 Abs. 1 BGB), die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. |
mehrere Betreuer (§ 1817 BGB), wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. Das Betreuungsgericht bestimmt, welcher Betreuer mit welchem Aufgabengebiet betraut wird. Mehrere Betreuer, die eine Vergütung erhalten, werden nur in den in § 1817 Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Ausnahmefällen bestellt. |
ein anerkannter Betreuungsverein (§ 1818 BGB). Zur Anerkennung als Betreuungsverein s.o. die Voraussetzungen des § 14 BtOG unter dem Gliederungspunkt »Betreuungsvereine«. Der Verein überträgt die Wahrnehmung der Betreuung einzelnen Personen. Der Verein teilt dem Gericht mit, wem er die Wahrnehmung der Betreuung übertragen hat. |
ein Mitarbeiter eines nach § 14 BtOG anerkannten Betreuungsvereins, der dort ausschließlich oder teilweise als Betreuer tätig ist (§ 1818 Abs. 2 BGB – Vereinsbetreuer –). Ein Vereinsbetreuer darf nur mit Einwilligung des Vereins bestellt werden. |
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) wurde in § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG und in § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. c UStG eine Umsatzsteuerbefreiung für rechtliche Betreuungsleistungen eingeführt. Die Änderungen sind am 1.7.2013 in Kraft getreten.
Mit der Ergänzung des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG werden ab dem 1.7.2013 Einrichtungen, denen die rechtliche Betreuung nach § 1896 BGB (§ 1814 BGB n.F.) durch Betreuungsbeschluss übertragen wurde, als umsatzsteuerbegünstigte Einrichtungen anerkannt (s.a. Abschn. 4.16.5 Abs. 20 UStAE). Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff »Einrichtungen« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, auf dessen Rechtsgrundlage § 4 Nr. 16 UStG beruht, unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen (Abschn. 4.16.5 Abs. 20 Satz 3 UStAE).
Damit erfasst die Steuerbefreiung grundsätzlich auch die nach §§ 1896 ff. BGB (§ 1814 ff. BGB n.F.) erbrachten Betreuungsleistungen, insbesondere solche, die von Vereinsbetreuern und Betreuungsvereinen sowie von Berufsbetreuern erbracht werden (s.a. Abschn. 4.16.5 Abs. 20 Satz 2 UStAE). Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen im Rahmen der rechtlichen Betreuung s. OFD Magdeburg vom 10.12.2013 (S 7175 – 23 – St 245, UR 2014, 635).
In seinen Urteilen vom 17.2.2009 (XI R 67/06, BStBl II 2013, 967) und vom 25.4.2013 (V R 7/11, BStBl II 2013, 976 führt der BFH aus, dass rechtliche Betreuungsleistungen Dienstleistungen sind, die unmittelbar Ausdruck der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL genannten Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit sind. Dem BFH zufolge sind Betreuungsvereine und Berufsbetreuer als andere in der Bundesrepublik Deutschland anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen, wenn die Betreuungsvereine bzw. die Vereins- oder Berufsbetreuer nach §§ 1896 ff. BGB (§ 1814 ff. BGB n.F.) gerichtlich bestellt und überwacht sind.
Im Übrigen bestätigt der BFH im Urteil vom 25.4.2013 (V R 7/11, BStBl II 2013, 976) die Regelung in § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG, dass Leistungen, die nach § 1908i BGB i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB a.F. (§ 11 VBVG i.V.m. § 1877 Abs. 3 BGB n.F.) vergütet werden, nicht umsatzsteuerfrei sind. Denn Leistungen, die z.B. einem als Betreuer tätigen Rechtsanwalt für eine anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Betreuung nach diesen Vorschriften des BGB vergütet werden, sind keine mit der Sozialfürsorge eng verbundenen Leistungen. Sie sind auch nicht i.S.d. Art. 134 Buchst. a MwStSystRL unerlässlich für die Ausübung der Betreuungstätigkeit, da der Schwerpunkt dieser Leistung nicht in der Betreuung der kranken oder behinderten Person liegt, sondern in der Erbringung einer allgemeinen Rechtsberatungsleistung, die nur aus Anlass der Betreuung durch die ansonsten anerkannte Einrichtung erbracht wird (Abschn. 4.16.5 Abs. 20 Satz 4 UStAE).
Nach § 1816 BGB gilt der Grundsatz der ehrenamtlichen Betreuung (s. § 1816 Abs. 5 BGB).
Einzelbetreuer, die Betreuungen nicht berufsmäßig durchführen, betreuen nur eine oder wenige Personen und üben regelmäßig neben der Betreuungstätigkeit noch einen Hauptberuf aus. Grundsätzlich erhalten derartige Einzelbetreuer lediglich Ersatz für die tatsächlich entstandenen Aufwendungen (§ 1878 Abs. 1 BGB). Zur Abgeltung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz erhalten diese Einzelbetreuer auf Verlangen als Aufwandsentschädigung für jede betreute Person einen Betrag, der für ein Jahr dem 17-Fachen dessen entspricht, was einem Zeugen als Höchstbetrag der Entschädigung für eine Stunde versäumter Arbeitszeit gewährt werden kann (§ 1878 Abs. 1 BGB; s.o. den Gliederungspunkt 1.5.2 »Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers«).
Wer Betreuungen im Rahmen seiner Berufsausübung ausführt, soll nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist (§ 1816 Abs. 5 BGB).
Ein Berufsbetreuer führt regelmäßig eine Vielzahl von Betreuungsleistungen aus. Berufliche Betreuer sind natürliche Personen, die selbstständig oder als Mitarbeiter eines Betreuungsvereins rechtliche Betreuungen führen und registriert sind oder als vorläufig registriert gelten (§ 19 Abs. 2 BtOG; s.o. die Gliederungspunkte 1.6.2 und 1.6.3 »Bestellung eines Berufsbetreuers« sowie »Registrierungsvoraussetzungen«).
Der Berufsbetreuer hat Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen den Betroffenen. Nach § 1875 Abs. 2 BGB bestimmen sich Vergütung und Aufwendungsersatz der beruflichen Betreuer bzw. der Betreuungsvereine nach dem VBVG (s.o. den Gliederungspunkt 1.6.4 »Vergütung als Berufsbetreuer«).
Ehrenamtlicher Betreuer und Berufsbetreuer |
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Leistung ausgeführt ab dem 1.7.2013: |
Mit der Ergänzung des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG werden ab dem 1.7.2013 Einrichtungen, denen die rechtliche Betreuung nach § 1814 BGB durch Betreuungsbeschluss übertragen wurde, als umsatzsteuerbegünstigte Einrichtungen anerkannt. Der Begriff »Einrichtungen« umfasst unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen (Abschn. 4.16.5 Abs. 20 UStAE). |
Beachte: Leistungen, die nach § 11 VBVG i.V.m. § 1877 Abs. 3 BGB vergütet werden (Dienste, die zum Gewerbe oder Beruf des Betreuers gehören), fallen weder nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG noch nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG und auch nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL unter die Steuerbefreiung, da es sich bei ihnen nicht um Betreuungsleistungen im eigentlichen Sinne handelt; z.B. wenn der Betreuer Rechtsanwalt ist und den Betreuten in einem Prozess vertritt oder wenn er Steuerberater ist und die Steuererklärung für den Betreuten erstellt. Denn Leistungen, die z.B. einem als Betreuer tätigen Rechtsanwalt für eine anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Betreuung nach diesen Vorschriften des BGB vergütet werden, sind keine mit der Sozialfürsorge eng verbundenen Leistungen. Sie sind auch nicht i.S.d. Art. 134 Buchst. a MwStSystRL unerlässlich für die Ausübung der Betreuungstätigkeit, da der Schwerpunkt dieser Leistung nicht in der Betreuung der kranken oder behinderten Person liegt, sondern in der Erbringung einer allgemeinen Rechtsberatungsleistung, die nur aus Anlass der Betreuung durch die ansonsten anerkannte Einrichtung erbracht wird (Abschn. 4.16.5 Abs. 20 Satz 4 UStAE; EuGH Urteil vom 15.11.2012, C-174/11, UR 2013, 35, LEXinform 0589335, Rz. 61 und 62). |
Mit Urteil vom 15.4.2021 (C-846/19, LEXinform 4228579) bestätigt der EuGH die nationale Rechtslage. Bei dem luxemburgischen Vorabentscheidungsersuchen ging es u.a. um die Frage des Umfangs der Steuerbefreiung für Leistungen der Sozialfürsorge i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.
Der Kläger ist Anwalt und bei der Anwaltskammer Luxemburg zugelassen. Er übt Tätigkeiten der Vertretung Erwachsener als Beauftragter, Pfleger und Betreuer aus. Die Mandate werden von einem Vormundschaftsgericht erteilt, das für den Beauftragten auch eine Vergütung vorsehen kann.
Der EuGH stellt zunächst fest, dass Dienstleistungen, die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener bewirkt werden und zu deren Schutz bei zivilrechtlichen Handlungen dienen, unter den Begriff »eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen« i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen (EuGH C-846/19, Rz. 65).
Werden solche Dienstleistungen von einem Dienstleistungserbringer bewirkt, der auch allgemeinere Tätigkeiten des Beistands oder der Beratung rechtlicher, finanzieller oder anderer Art wahrnimmt, etwa solche, die mit den speziellen Kenntnissen eines Anwalts, eines Finanzberaters oder eines Immobilienmaklers verbunden sind, ist jedoch zu präzisieren, dass Dienstleistungen, die im Rahmen der letztgenannten Tätigkeiten bewirkt werden, grds. nicht in den Bereich der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiung fallen, selbst wenn sie im Kontext des einer nicht geschäftsfähigen Person geleisteten Beistands erbracht werden. In Anbetracht des Umstands, dass diese Steuerbefreiung eng auszulegen ist, können derartige Tätigkeiten nicht als für die Sozialfürsorge unerlässlich und eng mit dieser verbunden angesehen werden (EuGH C-846/19, Rz. 66).
Auch wenn sich die Berufsgruppe der Anwälte als solche nicht durch einen sozialen Charakter kennzeichnet, ist nicht ausgeschlossen, dass ein Anwalt, der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen erbringt, ein dauerhaftes soziales Engagement leistet. Ein solches Engagement hat der Anwalt möglicherweise geleistet. Dies hat das vorlegende Gericht unter Beachtung des Ermessensspielraums, über den der betreffende Mitgliedstaat in dieser Hinsicht verfügt, zu prüfen (s. EuGH Pressemitteilung vom 15.4.2021, LEXinform 0460458).
Vereinsbetreuer kann nur sein, wer in einem Arbeitsverhältnis zum Betreuungsverein steht (OLG Hamm vom 23.5.2000, 15 W 86/00, NJW 2001, 651). Einem Vereinsbetreuer werden berufliche Betreuungen durch das Betreuungsgericht übertragen. Der Mitarbeiter des Betreuungsvereines hat Gehaltsansprüche gegen seinen Betreuungsverein als Arbeitgeber.
Wird mit Einwilligung des Betreuungsvereins ein Vereinsbetreuer bestellt (§ 1819 Abs. 3 BGB), wird dieser hinsichtlich des Aufwendungsersatzes und der Vergütung einem Berufsbetreuer gleichgestellt. Die oben dargestellten Grundsätze für die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen von Berufsbetreuern gelten entsprechend.
Wird der Betreuungsverein selbst zum Betreuer bestellt, überträgt der Verein die Wahrnehmung der Betreuung einzelnen Personen (§ 1818 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 VBVG erhält der Betreuungsverein eine dem Berufsbetreuer gleichgestellte Vergütung, wenn der Mitarbeiter, dem die Führung der Betreuung gem. § 1818 Abs. 2 Satz 1 BGB übertragen worden ist, als beruflicher Betreuer registriert ist (§ 13 Abs. 1 VBVG). Der Betreuer selbst kann keine Vergütung geltend machen (§ 7 Abs. 2 VBVG).
Gem. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG werden ab dem 1.7.2013 Einrichtungen, denen die rechtliche Betreuung nach § § 1814 BGB durch Betreuungsbeschluss übertragen wurde, als umsatzsteuerbegünstigte Einrichtungen anerkannt. Der Begriff »Einrichtungen« umfasst unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen.
Damit erfasst die Steuerbefreiung grundsätzlich die nach §§ 1814 ff. BGB erbrachten Betreuungsleistungen, insbes. solche, die von selbstständigen Vereinsbetreuern und Betreuungsvereinen sowie von Berufsbetreuern erbracht werden (Abschn. 4.16.5 Abs. 20 UStAE).
Wird ein Mitarbeiter einer Behörde (z.B. Jugendamt) – Behördenbetreuer – bzw. die Behörde selbst zum Betreuer bestellt, liegt keine steuerbare unternehmerische Betätigung der Behörde vor, die im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art erfolgt (vgl. § 2b Abs. 1 UStG). Durch diese Tätigkeit tritt die Behörde nicht in Wettbewerb mit anderen privaten Unternehmern (s.a. § 2b Abs. 2 UStG).
Im Gleichklang mit der Einführung des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) werden auch die Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder nach § 1773 BGB oder als Ergänzungspfleger nach § 1809 BGB bestellt worden sind, nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. c UStG von der USt befreit (s.a. BMF vom 22.11.2013, BStBl I 2013, 1590).
Nach der bisherigen Verwaltungsregelung in Abschn. 4.25.2 Abs. 9 UStAE üben Verfahrenspfleger oder -beistände keine den rechtlichen Betreuern (vgl. Abschn. 4.16.5 Abs. 20 UStAE) oder Vormündern vergleichbare Tätigkeit aus, da sie lediglich in Gerichtsverfahren auftreten und dort die Interessen der betroffenen Person vertreten. Deshalb wird auch für diese Tätigkeiten keine Umsatzsteuerbefreiung gewährt. Bei den Verfahrenspflegern oder -beiständen ist der Gegenstand der Leistung begrenzt, z.B. nur auf die Stellungnahme zu der Frage, wer das Sorgerecht erhalten soll. Eine umfassende Personen- oder Vermögenssorge wird hingegen nicht wahrgenommen.
Mit Urteil vom 17.7.2019 (V R 27/17, BStBl II 2023, 591) hat der BFH entschieden, dass sich ein nach § 158 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen kann.
Mit Art. 12 Nr. 2 Buchst. d Doppelbuchst. bb i.V.m. Art. 50 Abs. 4 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird ab 1.1.2021 in § 4 Nr. 25 Satz 3 UStG eine neuer Buchst. d eingefügt. Die Vorschrift gilt für nach dem 31.12.2020 ausgeführte Umsätze.
Mit der Ergänzung werden nunmehr Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in
Kindschaftssachen (§ 158 FamFG),
Abstammungssachen (§ 174 FamFG) oder
Adoptionssachen (§ 191 FamFG)
bestellt wurden, als begünstigte Einrichtungen anerkannt. Nach gefestigter Rspr. des EuGH umfasst der Begriff »Einrichtungen« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen.
Der Gesetzgeber folgt mit der Gesetzesänderung den Grundsätzen des BFH in seinem Urteil vom 17.7.2019 (V R 27/17, BStBl II 2023, 591), wonach an der Tätigkeit eines Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen aufgrund der hier vorliegenden besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Die Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen obliege zwar primär den Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Verfolgen diese jedoch gegensätzliche Interessen, die mit denen ihrer Kinder in Konflikt geraten, muss den Kindern die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr eigenes Interesse in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) entsprechenden Eigenständigkeit im Verfahren geltend zu machen.
Die Steuerbefreiung erfasst demnach grds. die nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG erbrachten Beistandsleistungen sowohl von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen als auch von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden (BR-Drs. 503/20, 132).
Durch Art. 22 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Abs. 5 des Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) vom 27.3.2024 (BGBl I 2024, Nr. 108) wird ab 1.4.2024 § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG um § 167 FamFG ergänzt.
Damit wird die Steuerbefreiung der Vollständigkeit halber um die im Rahmen einer Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 167 Abs. 1 i.V.m. § 317 FamFG für Minderjährige tätigen Verfahrensbeistände ergänzt (BT-Drs. 20/8628, 202).
Im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 17.7.2019 (V R 27/17, BStBl II 2023, 591) und den durch das JStG 2020 an § 4 Nr. 25 Satz 3 UStG angefügten Buchst. d wird mit BMF-Schreiben vom 28.4.2023 (BStBl I 2023, 795) in Abschn. 4.25.2 UStAE Abs. 9 neu gefasst.
»Nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG sind die von Verfahrensbeiständen erbrachten Leistungen von der USt befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt worden sind (vgl. BFH vom 17.7.2019, V R 27/17, BStBl II 2023, 778). Unter die Steuerbefreiung fallen sowohl die von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen erbrachten Beistandsleistungen als auch die Leistungen von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen. Bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.«
Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 28.4.2023 auf Grundlage der Änderung in § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG i.d.F. des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 erbracht wurden bzw. erbracht werden.
Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.7.2019 (V R 27/17, BStBl II 2023, 778) sind in allen offenen Fällen für Umsätze anzuwenden, die bis zum 31.12.2020 erbracht wurden. Für Umsätze, die vor dem 1.1.2021 erbracht wurden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den Grundsätzen im BFH-Urteil vom 17.7.2019 als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat (Anwendungsregelung des BMF-Schreibens vom 28.4.2023, BStBl I 2023, 795, Rz. 4 und 5).
Von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG ausgenommen bleiben weiterhin die Leistungen der Verfahrenspfleger nach den §§ 276, 317 FamFG in Betreuungs- und Unterbringungssachen.
Hinweis:
Die Tätigkeit als Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen nach § 158 FamFG unterscheidet sich von der Tätigkeit als Verfahrenspfleger dadurch, dass der Verfahrenspfleger nicht gegenüber Kindern, sondern gegenüber solchen volljährigen Personen tätig wird, die ihre Angelegenheiten aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ganz oder teilweise nicht selbst besorgen können. Der Verfahrenspfleger wird tätig, bevor ein Gericht entscheidet, ob ein gesetzlicher Betreuer bestellt oder eine freiheitsentziehende Maßnahme genehmigt wird.
Mit Urteil vom 25.11.2021 (V R 34/19, BFH/NV 2022, 561, LEXinform 0952824) hat der BFH entschieden, dass sich auch die nach den §§ 276, 317 FamFG bestellten Verfahrenspfleger für Betreuungs- und Unterbringungssachen auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen können.
In Rz. 16 seiner Entscheidung V R 34/19 stellt der BFH fest, dass die Leistungen des Verfahrenspflegers in Betreuungs- und Unterbringungssachen weder nach § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG noch nach § 4 Nr. 25 UStG von der USt befreit sind.
§ 4 Nr. 16 Buchst. k UStG befreit u.a. Umsätze der Einrichtungen von der USt, die als Betreuer nach § 1814 BGB bestellt worden sind. Der Verfahrenspfleger wird nicht als amtlich bestellter Betreuer nach § 1814 BGB tätig, seine Tätigkeit beschränkt sich auf die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren vor der Anordnung einer Betreuung oder der Anordnung einer Unterbringung. Dabei beruht seine Bestellung auf § 276 FamFG (Betreuungssachen) oder auf § 317 FamFG (Unterbringungssachen).
Die Leistungen als Verfahrenspfleger in Betreuungs- und Unterbringungssachen sind »eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen« (BFH V R 34/19, Rz. 21). Die vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers – auch als »Pfleger für das Verfahren« bezeichnet – besteht darin, gegenüber dem Gericht den Willen des Betroffenen kundzutun und dessen aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör zu verwirklichen (Rz. 24).
»Betroffene« in diesem Sinne sind beim Verfahrenspfleger für Betreuungssachen volljährige Personen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können (§ 1814 Abs. 1 BGB). Von Unterbringungsverfahren betroffen sind insbes. Personen, bei denen aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Gefahr besteht, dass sie sich selbst gefährden oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen und daher eine – zivilrechtliche (§ 1831 BGB) oder öffentlich-rechtliche (nach den Landesgesetzen über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten) – Unterbringung erforderlich erscheint.
Im Verfahren zur Bestellung eines Betreuers nach § 1814 BGB hat das zuständige Betreuungsgericht einen geeigneten Verfahrenspfleger im Regelfall zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist erforderlich, wenn die Bestellung eines Betreuers gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll (§ 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG i.d.F. des Gesetzes vom 4.5.2021, BGBl I 2021, 882). Im Unterbringungsverfahren gelten diese Bestimmungen entsprechend.
Der Qualifikation als Sozialleistung steht nicht entgegen, dass als Verfahrenspfleger im Regelfall Anwälte bestellt werden (BFH V R 34/19, Rz. 31). Denn der Verfahrenspfleger wird mit dem Akt der Bestellung zum Beteiligten und hat damit die Aufgabe, die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen, ohne an dessen Weisungen gebunden zu sein. Der Verfahrenspfleger ist nach der gesetzlichen Ausformung ein »besonderer Pfleger«, der für seine Aufgaben anwaltliche Qualifikationen mitbringen kann, aber nicht notwendigerweise mitbringen muss. Die Verfahrenspflegschaft ist daher keine anwaltsspezifische oder dem Anwaltsberuf vorbehaltene Tätigkeit.
Der Verfahrenspfleger ist auch als soziale Einrichtung anerkannt. Einer Anerkennung steht insbes. nicht entgegen, dass es sich um eine natürliche Person mit Gewinnerzielungsabsicht handelt (Rz. 32).
Hinweis:
Nach dem EuGH-Urteil vom 15.4.2021 (C-846/19, LEXinform 4228578) kann die Tätigkeit eines Anwalts zum Schutz nicht geschäftsfähiger Erwachsener als wirtschaftliche Tätigkeit bei Anerkennung als andere Einrichtung mit sozialem Charakter mehrwertsteuerbefreit sein (s.a. EuGH Pressemitteilung vom 15.4.2021, LEXinform 0460458).
Der BFH macht in Rz. 40 seiner Entscheidung (V R 34/19) deutlich, dass die Tätigkeit des Verfahrenspflegers nicht mit der des Berufsbetreuers vergleichbar ist. Eine Ungleichbehandlung bezüglich der Steuerbefreiung des Berufsbetreuers nach § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG liegt nicht vor. Während der Verfahrenspfleger vor der Bestellung eines Betreuers und lediglich im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens tätig wird, setzt die auf Dauer angelegte Tätigkeit des Betreuers erst nach dem Tätigwerden des Verfahrenspflegers und mit seiner wirksamen Bestellung ein. Beide Tätigkeiten schließen sich gegenseitig aus, da es nicht zulässig ist, einen Verfahrenspfleger auch zum Betreuer zu bestellen. Geschieht dies gleichwohl, ist diese Bestellung zwar formell nicht unwirksam, der Betroffene hat aber dann tatsächlich keinen oder einen völlig ungeeigneten Verfahrenspfleger.
Eine Ungleichbehandlung findet jedoch hinsichtlich der Verfahrensbeistände und des Verfahrenspflegers statt. Denn der Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen nach § 158 FamFG, in Abstammungssachen nach § 174 FamFG sowie in Adoptionssachen nach § 191 FamFG wurde vom Gesetzgeber durch § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG mit Wirkung zum 1.1.2021 UStG von der USt befreit und damit (konkludent) als soziale Einrichtung i.S.d. Unionsrechts anerkannt. Der BFH und auch das FG gehen davon aus, dass zwischen beiden Berufsgruppen kein wesentlicher Unterschied besteht. Zwar werden die Verfahrensbeistände nach §§ 158, 174 und 191 FamFG in Kindschaftssachen tätig, während die Verfahrenspfleger die Interessen von kranken Volljährigen wahrnehmen, jedoch handelt es sich in beiden Fällen um besonders schutzbedürftige Personen (Rz. 41).
Nach dem Erlass des FinMin Mecklenburg-Vorpommern vom 15.3.2023 (S 7183 – 00000 – 2017/001, SIS 24 04 55) können die Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.11.2021 (V R 34/19, BFH/NV 2022, 561, LEXinform 0952824) angewandt werden und auf Antrag kann die Steuerbefreiung für die Leistungen der gerichtlich bestellten Verfahrenspfleger für Betreuungs- und Unterbringungssachen unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL gewährt werden.
Durch Art. 22 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 35 Abs. 5 des Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) vom 27.3.2024 (BGBl I 2024, Nr. 108) wird ab 1.4.2024 in § 4 Nr. 16 Satz 1 ein neuer Buchst. m eingefügt. Der bisherige Buchst. m wird Buchst. n.
Nach dem neuen Buchst. m sind Einrichtungen steuerfrei, die als Verfahrenspfleger nach den §§ 276, 297, 298, 317 und 419 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.
Mit der Ergänzung sind nunmehr alle im Rahmen eines Betreuungs-, Unterbringungs- oder Freiheitsentziehungsverfahrens nach dem 3. oder 7. Buch des FamFG zur Unterstützung einer hilfsbedürftigen Person tätigen Verfahrenspfleger als begünstigte Einrichtungen anerkannt. Dazu zählen insbes. die Verfahrenspflegerbestellungen im Vorfeld der Bestellung eines Betreuers, wie die vor Anordnung oder Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme (§ 312 FamFG), wie auch die Bestellungen nach § 298 Abs. 2 und § 297 Abs. 5 FamFG, sowie vor Anordnung einer Freiheitsentziehung. Nach gefestigter Rspr. des EuGH umfasst der Begriff »Einrichtungen« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL unabhängig von der Rechts- oder Organisationsform des Leistungserbringers sowohl natürliche als auch juristische Personen.
Die Gesetzesänderung folgt den Grundsätzen des BFH in seinem Urteil vom 25.11.2021 (V R 34/19, BFH/NV 2022, 561, LEXinform 0952824), wonach an der Tätigkeit eines Verfahrenspflegers in Betreuungs- und Unterbringungssachen ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. In diesen Verfahren geht es fast ausschließlich um intensive Grundrechtseingriffe gegenüber hilfsbedürftigen Personen; sei es, weil eine Betreuerbestellung erfolgt, eine weitergehende Betreuungsmaßnahme beschlossen wird, sei es, weil eine Maßnahme unterlassen und der Rechtsanspruch auf rechtliche Betreuung nicht erfüllt wird. Entsprechendes gilt für die Tätigkeit eines Verfahrenspflegers in Freiheitsentziehungssachen, die nicht Gegenstand des Urteils des BFH gewesen ist.
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. m UStG umfasst alle in diesem Rahmen erbrachten Pflegschaftsleistungen von den zum Verfahrenspfleger bestellten Personen (s. BT-Drs. 20/8628, 202 – Regierungsentwurf).
Birmanns, Grundsätze der Betreuervergütung, NWB Fach 19, 3449; Pfefferle u.a., Weiterhin Steuerpflicht der rechtlichen Betreuungsleistungen der Berufsbetreuer, NWB 2013, 751; Pfefferle u.a., Berufsbetreuerleistungen – Ende einer never-ending-story, NWB 52/2013, 4119.
→ Pflegegeld für Kinder in Familienpflege
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