1 Definition der Betriebsaufgabe im Ganzen
2 Unterscheidung zur Betriebsunterbrechung
3 Parallelität zur Betriebsveräußerung
4 Fiktive Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3a EStG durch Entzug des Besteuerungsrechts
5 Keine begünstigte Betriebsaufgabe
6 Gesamtrechtsnachfolge
7 Die steuerbegünstigte Betriebsaufgabe
7.1 Die Voraussetzungen im Überblick
7.2 Ende der Nutzung eines fremden Wirtschaftsguts
7.3 Teilbetriebsaufgabe
8 Zwangsweise Beendigung einer Betriebsaufspaltung
9 Rechtsfolgen der Betriebsaufgabe
9.1 Wechsel der Gewinnermittlungsart
9.2 Ermittlung des Aufgabegewinns
9.3 Abgrenzung zwischen »laufender Gewinn« und »Aufgabegewinn«
9.4 Aufgabebilanz
9.5 Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags gem. § 7g Abs. 3 EStG
10 Steuerrechtliche Vergünstigungen
10.1 Freibetrag und Tarifbegünstigung bei der Einkommensteuer
10.1.1 Allgemeiner Überblick über den Freibetrag und die Tarifermäßigung
10.1.2 Aufteilung des Freibetrags und Gewährung der Tarifermäßigung bei Betriebsaufgaben über zwei Kalenderjahre
10.1.3 Aufteilung des Freibetrages bei Gewinnen, die dem Teileinkünfteverfahren unterliegen
10.1.4 Freibetrag bei teilentgeltlicher Veräußerung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
10.1.5 Vollendung der Altersgrenze
10.1.6 Ausländischer Veräußerungsverlust und Tarifermäßigung
10.2 Gewerbesteuerrechtliche Folgen
10.3 Umsatzsteuerrechtliche Folgen
11 Gewinnermittlungsmethode bezüglich nachträglicher Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben
12 Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben
13 Verwirklichung eines privaten Veräußerungsgeschäftes
14 Literaturhinweise
15 Verwandte Lexikonartikel
Eine Betriebsaufgabe im Ganzen ist anzunehmen, wenn
alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (→ Wesentliche Betriebsgrundlage)
innerhalb einer kurzen Zeit und damit in einem einheitlichen Vorgang, und nicht nach und nach,
entweder in das Privatvermögen überführt oder
an verschiedene Erwerber veräußert oder
teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden
und damit der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens aufhört zu bestehen (R 16 Abs. 2 EStR 2012; H 16 Abs. 2 [Allgemeines] und [Zeitraum für die Betriebsaufgabe] EStH 2022). Die Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG ist zu unterscheiden von der – nicht begünstigten – Betriebsabwicklung und der Betriebsverkleinerung (s.a. BFH Urteil vom 30.8.2007, IV R 5/06, BStBl II 2008, 113). Die Vorschrift des § 16 EStG, der an sich nur für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gilt, ist sinngemäß anzuwenden für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (vgl. § 14 EStG) und Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (§ 18 Abs. 3 EStG).
Hinweis:
Der BFH hatte in seinem Urteil vom 17.5.2018 (VI R 73/15, BFH/NV 2018, 1249 Nr. 12) entschieden, dass die Verkleinerung eines verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu einer Betriebsaufgabe führt, wenn die verbleibende Fläche – bei Wiederaufnahme der Bewirtschaftung – nicht mehr ertragreich bewirtschaftet werden kann. Durch das JStG 2020 (BGBl I 2020 Nr. 65, 3096) wird in § 14 Abs. 2 Satz 1 EStG die unterschiedliche Behandlung von aktiv bewirtschafteten und verpachteten Betrieben nunmehr in der Art vereinheitlicht, dass die Verkleinerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs allein nicht zur Betriebsaufgabe führt, wenn in diesem (Rest-)Betriebsvermögen land- und forst-wirtschaftliche Flächen verbleiben, die zur Erzeugung von Pflanzen oder Tieren i.S.d. § 13 Abs. 1 EStG zu dienen bestimmt sind. Eine bestimmte Mindestgröße land- und forstwirtschaftlicher Flächen ist nicht erforderlich, nur die Existenz mindestens einer diesbezüglichen Fläche. Verbleibt im Rahmen der Betriebsverkleinerung jedoch keine land- und forstwirtschaftliche Fläche, sondern lediglich z.B. ein Mietwohngrundstück, so führt diese Betriebsverkleinerung zwingend zu einer Betriebsaufgabe. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 EStG kann bei verkleinerten verpachteten Betrieben weiterhin die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3b Satz 1 Nr. 1 EStG erklärt werden. Bei einem aktiv bewirtschafteten Restbetrieb besteht diese Möglichkeit jedoch nur, wenn dieser Betrieb als sog. Liebhaberei einzustufen ist.
Stellt der Unternehmer seine werbende gewerbliche Tätigkeit ein, so liegt darin nicht notwendigerweise eine Betriebsaufgabe. Die Einstellung kann auch nur als → Betriebsunterbrechung zu beurteilen sein, die den Fortbestand des Betriebs unberührt lässt (BFH Urteil vom 27.2.1985, I R 235/80, BStBl II 1985, 456 und H 16 Abs. 2 [Betriebsunterbrechung] EStH 2022). Die Betriebsunterbrechung kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die wesentlichen Betriebsgrundlagen – in der Regel einheitlich an einen anderen Unternehmer – verpachtet, oder darin, dass er die gewerbliche Tätigkeit ruhen lässt. Wird keine Aufgabeerklärung abgegeben, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Absicht besteht, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die zurückbehaltenen WG dies ermöglichen (BFH Beschluss vom 13.11.1963, GrS 1/63, BStBl III 1964, 124). Die → Betriebsverpachtung führt danach nicht zwangsläufig zu einer Betriebsaufgabe und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Auch ein außergewöhnlich langer Zeitraum steht der Annahme einer Betriebsunterbrechung nicht entgegen. Ebenso wenig steht es der Annahme einer Betriebsunterbrechung entgegen, dass der bisherige Betriebsinhaber verstorben ist, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen von einer (Erbes-)Erbengemeinschaft gehalten werden, vgl. BFH vom 21.12.2021, IV R 13/19, LEXinform 0952361. Im Urteilsfall war zu klären, welche Wirtschaftsgüter eines Großhandelsbetriebs als wesentliche Betriebsgrundlagen zu klassifizieren sind und ob im Falle eines ruhenden Betriebs bei einem Zeitraum von 61 Jahren noch von einem »überschaubaren Zeitraum« ausgegangen werden kann.
Die Betriebsaufgabe unterscheidet sich demnach von der Betriebsunterbrechung dadurch, dass bei der Betriebsaufgabe die gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird.
Nur im Fall einer Betriebsunterbrechung und einer Betriebsverpachtung kann eine Betriebsaufgabe durch eine Erklärung herbeigeführt werden (BFH Urteil vom 30.8.2007, IV R 5/06, BStBl II 2008, 113). Die Betriebsaufgabe durch Aufgabeerklärung erfordert in den Fällen der Betriebsverpachtung grundsätzlich die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung gegenüber dem FA (R 16 Abs. 5 EStR 2012; H 16 Abs. 5 [Betriebsaufgabeerklärung] EStH 2022).
Für Betriebsunterbrechungen und Betriebsverpachtungen gilt hinsichtlich der Betriebsaufgabe nach dem 4.11.2011 (§ 52 Abs. 34 Satz 9 EStG) die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 3b EStG (Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011, BGBl I 2011, 2131). S. dazu die Erläuterungen unter → Betriebsunterbrechung und → Betriebsverpachtung.
Betriebsaufgabe und → Betriebsveräußerung werden weitgehend gleich behandelt. Die Aufgabe des Betriebs gilt als Veräußerung des Betriebs (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Betriebsaufgabe unterscheidet sich von der Betriebsveräußerung dadurch, dass bei der Betriebsveräußerung alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Erwerber veräußert werden. Die in den WG des Betriebs ruhenden stillen Reserven müssen aufgedeckt und als Betriebsaufgabegewinn versteuert werden. Die Aufdeckung der stillen Reserven bedeutet für den Stpfl. eine erhebliche Härte. Die §§ 16 Abs. 4, 14 Satz 2 und 18 Abs. 3 EStG sehen deshalb bestimmte Freibeträge vor. Nach § 34 EStG können Tarifvergünstigungen in Anspruch genommen werden (→ Veräußerungsgewinn). Der Aufgabegewinn unterliegt nicht der GewSt.
Mit den Urteilen vom 28.10.2009 (I R 28/08, BFH/NV 2010, 432 und I R 99/08, BStBl II 2011, 1019) hat der BFH seine jahrzehntelang praktizierte Rechtsprechung zur sog. Theorie der finalen Betriebsaufgabe aufgegeben. Sie besagte, dass ein Unternehmer, der seinen bisher im Inland ansässigen Betrieb vollständig in einen ausländischen Staat verlegte (Totalentnahme im Inland) und von dort aus fortführte, die im Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven – wie bei einer tatsächlichen Betriebsaufgabe – gem. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG sofort aufdecken und versteuern musste. Dies verneint der BFH nunmehr aus den gleichen Gründen, die ihn zur Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme bei der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte bewogen haben (BFH Urteil vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl II 2009, 464). Für die Annahme eines Realisationstatbestandes bei Verlegung eines Betriebs ins Ausland fehle es sowohl an einer gesetzlichen Grundlage als auch an einem Bedürfnis. Aus diesem Grund knüpft der BFH nur an den tatsächlichen Realisationsakt an. Danach sei eine Besteuerung der stillen Reserven erst bei der tatsächlichen Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs möglich. In diesen Fällen habe die Bundesrepublik Deutschland weiterhin ein Besteuerungsrecht für die entstandenen stillen Reserven, die bis zur Verlegung des Betriebs erwirtschaftet worden sind. Folge dieser Rechtsprechung ist, dass es für die deutschen Finanzbehörden oftmals schwierig bis unmöglich sein wird, den tatsächlichen Realisationsakt im Ausland nachzuverfolgen. Auf diesen Mangel weist der BFH selbst in seiner Pressemitteilung vom 13.1.2010 (Nr. 2/10, LEXinform 0434837) ausdrücklich hin (s.a. BMF vom 18.11.2011, BStBl I 2011, 1278).
§ 16 Abs. 3a EStG (JStG 2010 vom 8.12.2010, BGBl I 2010, 1768) setzt die Grundsätze der Theorie der finalen Betriebsaufgabe aus der bisherigen jahrzehntelang praktizierten BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH Urteile vom 28.4.1971, I R 55/66, BStBl II 1971, 630; vom 13.10.1976, I R 261/70, BStBl II 1977, 76; vom 28.3.1984, I R 191/79, BStBl II 1984, 664) nun gesetzlich um. Durch diese Regelung wird eine Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven sichergestellt und dem bereits erwähnten Umstand Rechnung getragen, dass es für die deutschen Finanzbehörden oftmals schwierig bis unmöglich ist, das weitere Schicksal des in das Ausland verlegten Betriebsvermögens zu überwachen und den tatsächlichen Realisationsakt im Ausland zu erkennen und zu erfassen.
Die Fälle der grenzüberschreitenden Betriebsverlegung werden durch § 16 Abs. 3a EStG i.V.m. § 16 Abs. 4 und § 34 EStG erfasst.
Eine Betriebsaufgabe liegt nicht vor, wenn die WG nach und nach – also sukzessive – im Laufe mehrerer Wj. an Dritte veräußert werden oder in das Privatvermögen überführt werden (H 16 Abs. 2 [Allgemeines] EStH 2022). Der Gewinn muss voll versteuert werden und unterliegt auch der GewSt.
Keine Betriebsaufgabe liegt vor bei
unentgeltlicher Betriebsübertragung,
Betriebsunterbrechung,
Betriebsverlegung,
Betriebsverpachtung.
Mit Urteil vom 30.8.2007 (IV R 5/06, BStBl II 2008, 113) nimmt der BFH zur Betriebsaufgabe im Zusammenhang mit der »Flucht« eines Landwirts Stellung. Die Flucht eines Landwirts unter Zurücklassung von Zetteln mit der Anweisung zur Betriebsauflösung bewirkt keine sofortige Aufgabe eines aktiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebs. Erforderlich ist darüber hinaus die Umsetzung des Entschlusses zur Betriebsaufgabe durch Veräußerung und/oder Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Bei der Betriebsaufgabe handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang, dessen steuerliche Folgen nicht durch eine Aufgabeerklärung herbeigeführt werden können, es sei denn, es liegt ausnahmsweise der Sonderfall einer Betriebsverpachtung vor. Denn eine solche Erklärung hat, solange sie nicht durch tatsächliche Maßnahmen umgesetzt wird, für sich genommen keine unmittelbare Auswirkung auf die Existenz des Betriebes. Auch der Tod des Betriebsinhabers führt nicht zu einer Betriebsaufgabe. Nichts anderes kann für das Verschwinden des Betriebsinhabers gelten. Auch in einem solchen Fall kann der Betriebsinhaber den Betrieb nicht selbst weiterführen. Eine Betriebsaufgabe tritt jedoch – nicht anders als bei dem Tod des Betriebsinhabers – weder unmittelbar und mit sofortiger steuerlicher Wirkung noch zwangsläufig ein.
Auch beim Übergang (»Strukturwandel«) von einem einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbsbetrieb zu einem Liebhabereibetrieb handelt es sich nicht um eine gewinnrealisierende Betriebsaufgabe, da der betriebliche Organismus bestehen bleibt und insbesondere die Verknüpfung der Wirtschaftsgüter mit dem Betrieb nicht gelöst wird. Nach dem BFH-Urteil vom 11.5.2016 (X R 61/14, BStBl II 2016, 939) ist in einem solchen Fall das im Zeitpunkt des Strukturwandels vorhandene Betriebsvermögen festzuschreiben, da Wertveränderungen des Betriebsvermögens, die während der Zeit der Liebhaberei eintreten, einkommensteuerrechtlich irrelevant sind. Nach Auffassung des BFH sind die in diesem Zeitpunkt existenten stillen Reserven erst dann als nachträgliche betriebliche Einkünfte zu versteuern, wenn sie durch Veräußerung oder Entnahme des betreffenden Wirtschaftsguts oder durch Veräußerung oder Aufgabe des Liebhabereibetriebs realisiert werden.
Beim Übergang eines freiberuflichen Betriebsvermögens im Erbfall kommt es auch dann nicht zu einer Betriebsaufgabe, wenn mit dem Übergang eine Umqualifizierung des bisher freiberuflichen Betriebsvermögens in gewerbliches Betriebsvermögen und eine entsprechende Umqualifizierung der aus dem Betrieb erzielten Einkünfte verbunden ist, weil der Erbe oder die Miterben nicht über die besondere freiberufliche Qualifikation verfügen. Die Erben brauchen somit nicht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen (→ Gesamtrechtsnachfolge).
Nach dem BFH-Urteil vom 15.11.2006 (XI R 6/06, BFH/NV 2007, 436) wird der Betrieb beim Tod eines selbstständigen Künstlers nicht zwangsläufig aufgegeben, sondern geht trotz der höchstpersönlichen Natur der künstlerischen Tätigkeit als freiberuflicher Betrieb auf die Erben über. Das Betriebsvermögen wird nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen der Erben. Der Betrieb des Künstlers wird mit dessen Tod endgültig eingestellt; eine Fortführung durch die Erben ist nicht möglich. Der Erbe kann zwischen einer (kurzfristigen) Betriebsaufgabe oder einer (längerfristigen) Betriebsabwicklung wählen. Die kurzfristige begünstigte Betriebsaufgabe darf sich keinesfalls über einen Zeitraum von mehr als 36 Monaten erstrecken.
Von einer Aufgabe des ererbten künstlerischen Betriebes kann ausgegangen werden, wenn Anlagevermögen eindeutig in das Privatvermögen überführt oder veräußert wird und die letzte noch verbliebene wesentliche Betriebsgrundlage (Manuskripte, Ideensammlungen u.Ä.) im Zeitpunkt der Betriebseinstellung objektiv wertlos war oder anlässlich einer Außenprüfung vom Erben und Außenprüfer übereinstimmend für wertlos gehalten wurde.
Haben die Manuskripte u.Ä. noch einen nennenswerten Wert, kann nicht ohne weiteres von einer Betriebsaufgabe ausgegangen werden. Voraussetzung dafür ist eine klare Betriebsaufgabeerklärung sowie eine klar und eindeutig nach außen erkennbare Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen. Die Überführung muss in dem Bewusstsein der Versteuerung der stillen Reserven stattfinden.
Der Betriebsinhaber muss seine
betriebliche Tätigkeit einstellen und
alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs (→ Wesentliche Betriebsgrundlage)
in einem einheitlichen Vorgang
innerhalb kurzer Zeit
entweder veräußert oder in das Privatvermögen überführt haben
und der Betrieb dadurch als »selbstständiger Organismus« zu bestehen aufhört (R 16 Abs. 2 EStR 2012).
Die Überführung eines WG in das Privatvermögen erfordert eine zielgerichtete eindeutige Handlung des Stpfl., die nach außen seinen Willen erkennen lässt, das fragliche WG fortan nicht mehr für betriebliche Zwecke einzusetzen.
Die Betriebsaufgabe muss sich als einheitlicher Vorgang darstellen. Zwischen Beginn und Ende der Betriebsaufgabe muss ein kurzer Zeitraum liegen (H 16 Abs. 2 [Zeitraum für die Betriebsaufgabe] EStH 2022). Voraussetzung für die steuerbegünstigte Betriebsaufgabe ist, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen aus dem Betrieb ausscheiden. Dies geschieht entweder durch Veräußerung oder Überführung ins Privatvermögen. S. dazu auch H 16 Abs. 1 [Zurückbehaltene Wirtschaftsgüter] EStH 2022. Nach dem BFH-Urteil vom 2.10.1997 (BStBl II 1998, 104) gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe in der Regel auch solche WG, die funktional gesehen für den Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil nicht erforderlich sind, in denen aber erhebliche stille Reserven gebunden sind. Im Rahmen des § 16 EStG ist der Begriff quantitativ und nicht lediglich funktional zu verstehen, wie dies z.B. bei der Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG, §§ 15 und 20 des UmwStG der Fall ist (→ Wesentliche Betriebsgrundlage).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH liegt eine Betriebsaufgabe vor, wenn ein Gewerbetreibender den Entschluss gefasst hat, seine gewerbliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, sofern er alsdann in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Grundlagen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt (s. Gesamtplan-Rechtsprechung des BFH unter → Betriebsveräußerung). Dabei beginnt die Betriebsaufgabe nicht bereits mit dem inneren Entschluss des Stpfl. zur Betriebsaufgabe oder mit der Kundgabe eines solchen Beschlusses, sondern erst mit den vom Aufgabeentschluss getragenen Handlungen, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens gerichtet sind (BFH Beschluss vom 15.6.2011, IV B 143/09, BFH/NV 2011, 1694, LEXinform 5906263). Hieraus folgt, dass der Aufgabeentschluss spätestens vorliegen muss, wenn der Betriebsinhaber mit objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichteten Handlungen beginnt. Es ist im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob schon eine erste Kontaktaufnahme mit einem Erwerbsinteressenten oder erst der Abschluss des Vertrags über die erste Teilveräußerung die erste, objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtete Handlung des Betriebsinhabers darstellt. Ein landwirtschaftlicher (Eigentums-)Betrieb wird mit der Übertragung sämtlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen aufgegeben (Bestätigung des Senatsurteils vom 16.11.2017, VI R 63/15, BFHE 260, 138), BFH vom 17.5.2018, VI R 73/15, BStBl II 2022, 306.
Die Betriebsaufgabe endet mit der Veräußerung des letzten zur Veräußerung bestimmten bzw. geeigneten WG, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört (s.a. BFH Urteil vom 23.1.2003, IV R 75/00, BStBl II 2003, 467). Dabei kann der Abwicklungszeitraum nicht dadurch verkürzt werden, dass wesentliche Betriebsgrundlagen, die alsbald veräußert werden sollen, in das Privatvermögen übernommen werden (H 16 Abs. 2 [Zeitraum für die Betriebsaufgabe] EStH 2022; BFH Urteil vom 30.8.2007, IV R 5/06, BStBl II 2008, 113).
Nach dem BFH-Urteil vom 19.12.2012 (IV R 29/09, BStBl II 2013, 387) ist die Beendigung der Nutzung eines fremden Gebäudes, dessen Herstellungskosten der Unternehmer getragen hat, ohne Gewinnauswirkung.
Die Berechtigung zur Vornahme von AfA setzt nicht voraus, dass der Stpfl. Eigentümer des WG ist, für das er Aufwendungen getätigt hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob er Aufwendungen im betrieblichen Interesse trägt. Das allen Einkunftsarten zugrundeliegende Nettoprinzip, demzufolge die erwerbssichernden Aufwendungen von den steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden, gebietet grundsätzlich den Abzug der vom Stpfl. zur Einkünfteerzielung getätigten Aufwendungen auch dann, wenn und soweit diese Aufwendungen auf in fremdem Eigentum stehende WG erbracht werden. Bei einem bilanzierenden Stpfl. wird der Aufwand bilanztechnisch »wie ein materielles WG« behandelt. Das bedeutet, dass die Herstellungskosten für ein fremdes Gebäude als Posten für die Verteilung eigenen Aufwands zu aktivieren und nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abzuschreiben sind.
Die Behandlung von Aufwendungen »wie ein materielles Wirtschaftsgut« soll die typisierte Verteilung der Aufwendungen in Anlehnung an die Regeln bewirken, die für Aufwendungen für ein eigenes WG derselben Art gelten. Die Typisierung der Aufwandsverteilung bewirkt indessen nicht, dass der Aufwandsposten im Übrigen einem WG gleichgestellt wird. Danach ist es nicht möglich, dem Nutzungsbefugten, der nicht wirtschaftlicher Eigentümer ist, Wertsteigerungen des WG zuzurechnen, nur weil er Aufwendungen für das ihm nicht gehörende WG getragen hat. In der Person des Aufwendenden können auch keine stillen Reserven dadurch entstehen, dass die typisierte Aufwandsverteilung über einen kürzeren Zeitraum erfolgt als das WG von ihm genutzt werden kann oder sich der Wert der Aufwendungen wirtschaftlich verbraucht.
Die Behandlung wie ein WG kann auch nicht dazu führen, dass Gewinne aus der Realisierung von stillen Reserven in eigenen WG (z.B. bei Betriebsaufgabe) auf den Bilanzposten für den Aufwand auf ein fremdes WG übertragen werden. Eine Übertragung nach § 6b EStG kommt demzufolge nicht in Betracht. Der BFH hält an seiner im Urteil vom 10.4.1997 (IV R 12/96, BStBl II 1997, 718) vertretenen Auffassung nicht mehr fest.
Endet die Nutzung des WG zur Einkünfteerzielung des Aufwendenden, bevor die Aufwendungen vollständig von ihm abgezogen werden konnten, ist der verbleibende Betrag erfolgsneutral auszubuchen. Er geht indes nicht unter. Der verbleibende Betrag ist dem Eigentümer des WG als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des WG zuzurechnen (Anmerkung vom 25.4.2013, LEXinform 0943741).
Die Grundsätze über die Veräußerung eines Teilbetriebs gelten für die Aufgabe eines Teilbetriebs entsprechend (H 16 Abs. 3 [Teilbetriebsaufgabe] EStH 2022).
Der BFH hat seine Rechtsprechung zum »Gesamtplan« (→ Betriebsveräußerung) und zur sog. Einheitstheorie bei teilentgeltlicher Übertragung von Unternehmensteilen konkretisiert. So hat er im Urteil vom 22.10.2013 (X R 14/11, BStBl II 2014, 158) über die Beendigung einer → Betriebsaufspaltung entschieden. Die Einheitstheorie, wonach sich die steuerliche Beurteilung nach einem einheitlich zu wertenden Übertragungsvorgang richtet, ist nach BFH-Ansicht bei einer »teilentgeltlichen Betriebsaufgabe« nicht anwendbar.
Im Entscheidungsfall hatte der Unternehmer U die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die GmbH vermieteten Grundstücke an seine zwei Söhne unter den jeweiligen Verkehrswerten veräußert. Den Erlös verwendete U zur Schuldentilgung und den danach verbliebenen Betrag überwies er als Schenkung an seine Söhne zurück. Mit dieser Schenkung finanzierten die Söhne u.a. den Erwerb der GmbH-Anteile der Betriebsgesellschaft. Die Söhne überwiesen den Kaufpreis auf das betriebliche Bankkonto des Vaters, dieser überwies die Beträge wiederum als Schenkung an die Söhne zurück.
Nach der BFH-Entscheidung ist ein Gesamtplan zu verneinen, da wirtschaftliche Gründe für die einzelnen Teilschritte vorliegen und es dem Stpfl. gerade auf die Konsequenzen dieser Teilschritte ankommt. Der Gesamtplan ist somit von einem »Plan in Einzelakten« zu unterscheiden.
Im Entscheidungsfall hat die Grundstücksveräußerung zur Beendigung der bestehenden Betriebsaufspaltung und damit zu einer nach §§ 16 Abs. 3, 34 EStG begünstigten Betriebsaufgabe geführt. Zum Einzelunternehmen des U gehörten als notwendiges Betriebsvermögen sowohl die der GmbH im Rahmen der Betriebsaufspaltung überlassenen Grundstücke als auch die ihm als Besitzunternehmer gehörenden Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft.
Entfallen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung, führt dies regelmäßig zur Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG) und damit zur Versteuerung der in den WG des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven. Zu einer Betriebsaufgabe durch Beendigung der Betriebsaufspaltung kommt es bspw., wenn sämtliche vom Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft verpachteten WG veräußert und infolgedessen fortan keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr überlassen werden. Das bisherige Betriebsvermögen wird dann, soweit es sich noch im Eigentum des Besitzunternehmers befindet, aus rechtlichen Gründen zu Privatvermögen. Letzteres gilt auch für die Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft.
Bei Anwendung dieser Grundsätze führte die Veräußerung der Grundstücke im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten zur Beendigung der Betriebsaufspaltung und damit zur Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG). Von diesem Zeitpunkt an wurden von U keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr an die GmbH überlassen.
Auch die beabsichtigte Übertragung der Anteile nur wenige Tage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Grundstücken führte nicht zu ihrer fortbestehenden Verhaftung als Betriebsvermögen, auch nicht unter dem Aspekt des »Zwangs-Restbetriebsvermögens«. Eine GmbH-Beteiligung ist durchaus »privatisierbar«, also außerhalb des Betriebsvermögens denkbar, wie § 17 EStG deutlich zeigt.
Kommt es, wie bei der Beendigung einer Betriebsaufspaltung, auch ohne Aufgabehandlung zu einer Aufgabe des Betriebs, geht alles, was nicht veräußert wird, in diesem Fall »automatisch« ins Privatvermögen über.
Der Aufgabegewinn ist nach § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i.V.m. Abs. 2 EStG zu ermitteln. Hiernach ist zunächst die Summe der Veräußerungserlöse der im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten WG sowie der gemeine Wert der nicht veräußerten, in das Privatvermögen überführten WG zu ermitteln; dieser Betrag ist dem Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe gegenüberzustellen. Der Unterschied zwischen diesen Werten – abzüglich etwaiger Aufgabe- und Veräußerungskosten – ergibt den Aufgabegewinn.
Werden im Rahmen der Aufgabe des Betriebs einzelne WG – wie im Entscheidungsfall die Grundstücke – teilentgeltlich veräußert, so führt dieser Vorgang insoweit zu einer vollständigen Realisierung der stillen Reserven: Soweit der Erwerber eine Gegenleistung erbracht hat, sind die stillen Reserven durch Veräußerung und im Übrigen durch Entnahme aufgedeckt worden.
Zur zwangsweisen Beendigung der Betriebsaufspaltung und zur Steuerbegünstigung des Aufgabegewinns nach § 34 Abs. 3 i.V.m. § 16 EStG hat der BFH mit Urteil vom 5.2.2014 (X R 22/12, BStBl II 2014, 388) entschieden, dass Voraussetzung für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn i.S.d. § 34 Abs. 3 i.V.m. § 16 EStG ist, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entweder veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden.
Entscheidungssachverhalt und Entscheidungsgründe:
Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietete der Stpfl. A sein Grundstück an die A-GmbH, an der er mit 51 % beteiligt war. Das vermietete Grundstück und die Anteile an der A-GmbH waren notwendiges Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens. Die ebenfalls 51 % betragende Beteiligung an der B-GmbH hatte der Stpfl. A als gewillkürtes Betriebsvermögen aktiviert.
Im Januar des Kj. 01 brachte A die Anteile an der B-GmbH zum Buchwert in das Gesamthandsvermögen der neu gegründeten C-KG ein, an der er als Mitunternehmer beteiligt war. Die Anteile an der A-GmbH veräußerte A ebenfalls im Januar an einen Dritten. Hiermit endete die Betriebsaufspaltung und das Grundstück ging zum gemeinen Wert in das Privatvermögen des A über.
Der Stpfl. A beantragte, auf den aus der Betriebsaufgabe seines Einzelunternehmens resultierenden Gewinn i.H.v. 3 286 000 € den ermäßigten Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG anzuwenden. Das FA lehnte dies ab, weil nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden seien. Die Beteiligung an der B-GmbH sei wirtschaftlich von nicht untergeordneter Bedeutung gewesen. Damit sei sie eine wesentliche Betriebsgrundlage gewesen.
Unstreitig ist, so der BFH, dass die Veräußerung der Anteile an der A-GmbH den Fortfall der persönlichen Verflechtung und damit die Beendigung der Betriebsaufspaltung zur Folge hat. Damit ergab sich unstreitig ein Gewinn i.H.v. 3 286 000 € aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH sowie der Überführung des Grundstücks zum gemeinen Wert ins Privatvermögen des A. Dieser Gewinn ist jedoch nur dann ein Betriebsaufgabegewinn i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entweder an verschiedene Erwerber veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden oder eine Kombination aus beiden Möglichkeiten vorliegt. Wird auch nur eine einzige wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen eines anderen Betriebs verwendet und zum Buchwert in das dortige Betriebsvermögen überführt, liegt im Ganzen keine begünstigte Betriebsaufgabe vor.
Da A im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH und der dadurch bewirkten Beendigung der Betriebsaufspaltung die Anteile an der B-GmbH, eine wesentliche Betriebsgrundlage, zu Buchwerten in ein anderes Betriebsvermögen überführt hat, liegen die Voraussetzungen einer begünstigten Betriebsaufgabe gem. § 16 Abs. 3 EStG nicht vor. Wegen erheblicher stiller Reserven sind die Anteile an der B-GmbH eine wesentliche Betriebsgrundlage. Der BFH betont, dass die Veräußerungen nicht stichtagsbezogen und nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern im Rahmen des Gesamtplans zu beurteilen sind.
Die Tarifvergünstigung setzt voraus, dass alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden; denn eine Zusammenballung liegt nicht vor, wenn dem Veräußerer oder Aufgebenden noch stille Reserven verbleiben, die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum aufgedeckt werden. Die Tarifvergünstigung ist dann nicht zu gewähren, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs wesentliche Betriebsgrundlagen ohne Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden sind.
Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch → Einnahmen-Überschussrechnung, so ist er bei der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe so zu behandeln, als wäre er mit der Aufgabe des Betriebs zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen (R 4.5 Abs. 6 EStR 2012). Die erforderlichen Hinzurechnungen und Abrechnungen sind nicht bei dem Veräußerungsgewinn, sondern bei dem laufenden Gewinn des Wj. vorzunehmen, in dem die Veräußerung stattfindet (R 4.6 Abs. 1 Satz 5 EStR 2012). Die Hinzurechnungsbeträge können dabei nicht auf drei Jahre verteilt werden (H 4.5 Abs. 6 [Übergangsgewinn] EStH 2022). Der Grund des Wechsels der Gewinnermittlungsart ist darin zu sehen, dass der Wert des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln ist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Im Falle der Realteilung einer – ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelnden – (freiberuflichen) Mitunternehmerschaft ohne Spitzenausgleich besteht keine Verpflichtung zur Erstellung einer Realteilungsbilanz nebst Übergangsgewinnermittlung, wenn die Buchwerte fortgeführt werden und die Mitunternehmer unter Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen weiterbetreiben (BFH Urteil vom 11.4.2013, III R 32/12, BStBl II 2014, 242; Anmerkung vom 6.9.2013, LEXinform 0879366).
Der Aufgabegewinn (→ Veräußerungsgewinn) wird wie folgt ermittelt (§ 16 Abs. 2 EStG):
Veräußerungspreise der verkauften Wirtschaftsgüter insgesamt (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) |
|
+ |
gemeine Werte der nicht veräußerten, sondern in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG) |
./. |
Aufgabe- und Veräußerungskosten |
./. |
Buchwert des Betriebsvermögens (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) |
= |
Aufgabegewinn |
Abb.: Ermittlungsschema Aufgabegewinn
Entgegen FG Schleswig-Holstein vom 24.1.2020, 4 K 28/18 hat der BFH mit Urteil vom 29.6.2022, X R 6/20 (BStBl II 2023, 112), entschieden, dass ein Stpfl., der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen kann.
Aus dem Sachverhalt und den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin führte einen handwerklichen Betrieb. Krankheitsbedingt stellte sie diesen Ende des Jahres 2013 ein. Einen Großteil der WG veräußerte die Klägerin gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und u.a. fest installierten Betriebsvorrichtungen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Sofortbesteuerung der Leibrente als Teil des Aufgabegewinns unverhältnismäßig sei. Wie im Fall der Betriebsveräußerung bestehe ansonsten die Gefahr, dass der rentenberechtigte Veräußerer bei Versterben vor dem Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung einen zu hohen Gewinn versteuere.
Der Gewinn aus der Veräußerung eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an die A GmbH gegen Leibrente kann aufgrund der mit einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen. Auch in diesem Fall steht dem Stpfl. ein Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit angefallenen Aufgabekosten übersteigen. Dieses Wahlrecht hat die Klägerin ausgeübt.
Im Wj. der Betriebsaufgabe ist neben dem (steuerbegünstigten) Aufgabegewinn (→ Außerordentliche Einkünfte) auch noch der laufende Gewinn zu ermitteln (H 16 Abs. 9 [Abwicklungsgewinn] EStH 2022). Grundlagen für die Ermittlung des laufenden Gewinns sind die »normalen« Geschäftstätigkeiten des Stpfl. (BFH-Urteile vom 2.7.1981, IV R 136/79, BStBl II 1981, 798 und vom 6.5.1982, IV R 56/79, BStBl II 1982, 691, H 16 Abs. 9 [Aufgabegewinn bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern] EStH 2022).
Besteht die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens darin, ein WG (z.B.: Flugzeug) zu kaufen, dieses für eine beschränkte und hinter der Nutzungsdauer zurückbleibende Zeit zu vermieten und anschließend wieder zu verkaufen, und kann der aufgrund des Geschäftskonzepts insgesamt erwartete Gewinn nicht allein aus dem Entgelt für die Nutzungsüberlassung, sondern nur unter Einbeziehung des Erlöses aus dem Verkauf des WG erzielt werden, ist der Verkauf als Teilakt der laufenden Geschäftstätigkeit anzusehen. Der Gewinn aus dem Verkauf des WG kann in einem solchen Fall nicht Bestandteil eines tarifbegünstigten Aufgabegewinns sein (BFH Urteil vom 1.8.2013, IV R 18/11, BStBl II 2013, 910). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Gewinne aus Geschäftsvorfällen, die auf der im Wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, im Regelfall nicht tarifbegünstigt (FG München Urteil vom 16.7.2008, 1 K 4388/06, EFG 2009, 337, LEXinform 5007502, rkr.). Der Gewinn aus einem Räumungsverkauf anlässlich einer Betriebsaufgabe zählt zum laufenden Gewinn (BFH-Urteil vom 29.11.1988, VIII R 316/82, BStBl II 1989, 602, H 16 Abs. 9 [Räumungsverkauf] EStH 2022). S.a. H 16 Abs. 9 [Versicherungsleistungen] und [Wettbewerbsverbot] EStH 2022. Einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe hat der BFH verneint, wenn WG des Umlaufvermögens an den bisherigen Kundenkreis abgesetzt werden (BFH Urteil vom 7.4.1989, III R 9/87, BStBl II 1989, 874). S.a. die Erläuterungen unter → Veräußerungsgewinn zu H 16 Abs. 9 [Einheitliches Geschäftskonzept] EStH 2022 und BMF vom 1.4.2009, IV C 6 – S 2240/08/10008, BStBl I 2009, 515.
Die Ausgrenzung von Gewinnen durch Veräußerung von WG aus dem Betriebsaufgabegewinn ist auch nicht auf Umlaufvermögen beschränkt. Auch die Veräußerung von Anlagegütern kann sich noch als Bestandteil der laufenden unternehmerischen Tätigkeit erweisen und führt dann nicht zu einem tarifbegünstigten Aufgabegewinn. Dies hat der BFH für den Verkauf eines Flugzeugs im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe angenommen, wenn der Verkauf mit dem Ankauf und einer zwischenzeitlichen Vermietung aufgrund eines einheitlichen Geschäftskonzepts verklammert war (s.o. und Anmerkung vom 17.10.2013, LEXinform 0944253).
Werden erhaltene Anzahlungen anlässlich der Insolvenz des einzigen Auftraggebers realisiert, so führt dies regelmäßig zu einem laufenden Gewinn und nicht zu einem Aufgabegewinn, auch wenn in der Folge die Gesellschaft mangels weiterer Auftraggeber beendet wird (FG München Urteil vom 16.7.2008, 1 K 4388/06, EFG 2009, 337, LEXinform 5007502, rkr.).
Der Ertrag aus der Auflösung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens, der wegen eines Zinszuschusses gebildet wurde, ist dem Betriebsaufgabegewinn zuzuordnen, wenn das dem Zinszuschuss zugrunde liegende Darlehen fortgeführt wird und aufgrund der Betriebsaufgabe zu Privatvermögen wird (BFH vom 25.4.2018, VI R 51/16, BFHE 261, 418, LEXinform 0951155). Da die für den Zinszuschuss geschuldete Gegenleistung am Bilanzstichtag noch nicht vollständig erbracht wurde, ist der passive Rechnungsabgrenzungsposten in der Schlussbilanz anzusetzen. Durch die Entnahme des Darlehens in das Privatvermögen fällt der (künftige) steuerbare Zinsaufwand weg. Der passive Rechnungsabgrenzungsposten ist mithin in der Aufgabebilanz nicht mehr auszuweisen. Nach Auffassung des BFH steht die Auflösung des passiven Rechnungsabgrenzungspostens nicht nur in einem engen zeitlichen, sondern auch in einem sachlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe. Würde der passive Rechnungsabgrenzungsposten hingegen in der letzten Schlussbilanz aufgelöst werden, unterläge eine zuvor aufgrund des Realisationsprinzips passiv abgegrenzte Einnahme (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG) entgegen der gesetzlichen Intention »zusammengeballt« der Einkommensteuer.
Bei einer Betriebsaufgabe ist der Wert des Betriebsvermögens wie bei einer Betriebsveräußerung durch eine Bilanz zu ermitteln. Diese Aufgabebilanz (zu Buchwerten) ist auch bei einer zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe (H 16 Abs. 2 [Zeitraum für die Betriebsaufgabe] EStH 2022) einheitlich und umfassend auf einen bestimmten Zeitpunkt zu erstellen. Das ist zweckmäßigerweise der Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit, zu dem die Schlussbilanz zur Ermittlung des laufenden Gewinns aufzustellen ist. Unabhängig davon bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung für die einzelnen Aufgabevorgänge (Veräußerung oder Überführung ins Privatvermögen) nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen (BFH Urteil vom 19.5.2005, IV R 17/02, BStBl II 2005, 637; H 16 Abs. 2 [Zeitlich gestreckte Betriebsaufgabe] EStH 2022). Mit Urteil vom 23.2.2012 (IV R 31/09, BFH/NV 2012, 1448, LEXinform 0927301) bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Aufgabebilanz auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung, z.B. den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung, aufzustellen ist. Nach diesem Zeitpunkt liegen nachträgliche Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 EStG vor (s.u.).
Ist im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe noch ein Abzugsbetrag für eine nicht mehr realisierbare Investition vorhanden, ist dieser Investitionsabzugsbetrag im Wirtschaftsjahr des Abzuges gem. § 7g Abs. 3 EStG rückwirkend rückgängig zu machen. Ein in Anspruch genommener Investitionsabzugsbetrag erhöht nicht den steuerbegünstigten Gewinn im Jahr der Betriebsveräußerung (s.a. Urteil FG Hamburg vom 21.5.2015, 2 K 14/15, EFG 2015, 1517, LEXinform 5017935). Investitionsabzugsbeträge, die mit einem ggf. verbleibenden »Restbetrieb« im Zusammenhang stehen, können, sofern weiterhin Investitionsabsicht besteht und die Investitionsfrist noch nicht abgelaufen ist, bestehen bleiben (BMF vom 15.6.2022, BStBl I 2022, 945, Rz. 31).
Hinweis:
Für die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen des § 7g Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG genügt es in Fällen, in denen der Betrieb im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts aufgegeben wird, wenn das Wirtschaftsgut nicht für ein volles Kj. bzw. einen vollen Zwölf-Monats-Zeitraum nach dem Wj. seiner Anschaffung oder Herstellung, sondern lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (vgl. BFH vom 28.7.2021, X R 30/19, BStBl II 2022, 439.
Über die Gewährung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG wird bei der Veranlagung zur ESt entschieden (R 16 Abs. 13 Satz 1 EStR 2012). Voraussetzung für die Gewährung des Freibetrages ist, dass
der Stpfl. im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe das 55. Lebensjahr vollendet hat oder
im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist (R 16 Abs. 14 EStR 2012, H 16 (14) [Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne] EStH 2022). Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist allein auf das Sozialversicherungsrecht abzustellen. Danach liegt Berufsunfähigkeit vor bei Betroffenen, »deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist« (§ 240 Abs. 2 SGB VI). Maßstab für die Beurteilung ist damit der bisherige Beruf des Betroffenen. Kann er diesen nicht mehr ausüben und veräußert er seinen Betrieb oder gibt ihn auf, steht ihm grundsätzlich der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu. Dabei sind mögliche sog. Verweisungsberufe i.S.d. § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nur beachtlich, wenn sie im veräußerten oder aufgegebenen Betrieb ohne größere Schwierigkeiten ausgeübt werden konnten. Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, dass der Eintritt der Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne kausal für die Veräußerung oder Aufgabe war. Vielmehr reicht es aus, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe eine Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorlag. Ergänzend zu den Nachweisregelungen in R 16 Abs. 14 EStR 2012 weist die OFD Niedersachsen mit Vfg. vom 20.12.2011 (S 2242 – 94 – St 221/St 222, LEXinform 5233692) auf Folgendes hin:
Eine Bescheinigung über eine anhaltende Arbeitsunfähigkeit ist nicht geeignet, den Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit zu ersetzen.
Durch eine nach § 69 SGB IX getroffene Feststellung einer Behinderung i.S.d. § 33b EStG kann der Nachweis der dauernden Berufsunfähigkeit nach § 16 Abs. 4 EStG nicht geführt werden;
der Stpfl. den Freibetrag beantragt.
Der Stpfl. erhält den Freibetrag nur einmal im Leben (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EStG). Der Aufgabegewinn wird auf Antrag nur insoweit zur ESt herangezogen, als er den Freibetrag von 45 000 € übersteigt. Der Freibetrag ermäßigt sich um den Betrag, um den der Aufgabegewinn 136 000 € übersteigt.
Aufgabegewinne sind außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, die danach tarifbegünstigt zu besteuern sind. Nach § 34 Abs. 3 EStG hat der Unternehmer ein Wahlrecht; er kann für den Aufgabegewinn
entweder die Steuerermäßigung der Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG) oder
eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG) in Anspruch nehmen (→ Außerordentliche Einkünfte).
Zur Gewährung des Freibetrages und der Tarifermäßigung hat das BMF mit Schreiben vom 20.12.2005 (BStBl I 2006, 7) Stellung genommen.
Erstreckt sich eine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG, R 16 Abs. 2 EStR 2012) über zwei Kj. und fällt der Aufgabegewinn daher in zwei Veranlagungszeiträumen an, ist der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG insgesamt nur einmal zu gewähren. Er bezieht sich auf den gesamten Betriebsaufgabegewinn und ist im Verhältnis der Gewinne auf beide Veranlagungszeiträume zu verteilen. Die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG kann für diesen Gewinn auf Antrag in beiden Veranlagungszeiträumen gewährt werden. Der Höchstbetrag von 5 Mio. € ist dabei aber insgesamt nur einmal zu gewähren.
Beispiel 1:
Unternehmer A (60 Jahre alt) will seinen Gewerbebetrieb (Summe der Buchwerte des Betriebsvermögens 20 000 €) aufgeben. In der Zeit von November 2015 bis Januar 2016 werden daher alle – wesentlichen – WG des Betriebsvermögens veräußert. Die Veräußerungserlöse betragen 80 000 € 2015 (hierauf entfällt anteilig ein Buchwert von 16 000 €) und 100 000 € i 2016 (anteiliger Buchwert 4 000 €).
Lösung 1:
Der begünstigte Aufgabegewinn beträgt insgesamt 160 000 €. Davon entsteht ein Gewinn i.H.v. 64 000 € (40 %) 2015 und ein Gewinn i.H.v. 96 000 € (60 %) 2016.
Der zu gewährende Freibetrag beträgt insgesamt 21 000 € (45 000 € abzüglich (160 000 € ./. 136 000 €). Er ist i.H.v. 8 400 € (40 %) in 2015 und i.H.v. 12 600 € (60 %) in 2016 zu gewähren.
Da die Höhe des zu berücksichtigenden Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG nach dem Gesamtaufgabegewinn beider Veranlagungszeiträume zu bemessen ist, steht die Höhe des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG erst nach Abschluss der Betriebsaufgabe endgültig fest.
Ergibt sich im zweiten Veranlagungszeitraum durch den Gewinn oder Verlust eine Über- oder Unterschreitung der Kappungsgrenze oder insgesamt ein Verlust, ist der im ersten Veranlagungszeitraum berücksichtigte Freibetrag rückwirkend zu ändern. Diese Tatsache stellt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung dar (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).
Entsteht in einem Veranlagungszeitraum ein Gewinn und in dem anderen ein Verlust, ist die Tarifermäßigung des § 34 EStG nur auf den saldierten Betrag anzuwenden.
Sowohl nach § 16 Abs. 4 EStG als auch nach § 34 Abs. 3 EStG ist in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum maximal der Betrag begünstigt, der sich insgesamt aus dem einheitlich zu beurteilenden Aufgabevorgang ergibt. Zur Ermittlung des Freibetrages und der Tarifvergünstigung s. → Veräußerungsgewinn.
Gehört zu dem aufgegebenen Betrieb eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wird der auf die Beteiligung entfallende Aufgabegewinn nach dem Teileinkünfteverfahren besteuert (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b i.V.m. § 3c EStG). Der steuerpflichtige Teil dieses Aufgabegewinns gehört nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht zu den außerordentlichen Einkünften. Der Freibetrag ist vorrangig mit dem → Veräußerungsgewinn zu verrechnen, auf den das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist (BFH Urteil vom 14.7.2010, X R 61/08, BStBl II 2010, 1011). S. dazu auch das Beispiel unter H 16 Abs. 13 [Teileinkünfteverfahren] EStH 2022.
Abweichend von Tz. 36 des BMF-Schreibens vom 13.1.1993 (BStBl I 1993, 80) ist bei Übertragungen von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auch in den Fällen, in denen das Entgelt den Verkehrswert des Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nicht erreicht (teilentgeltliche Veräußerung), in voller Höhe zu gewähren (s.a. BMF vom 20.12.2005, BStBl I 2006, 7).
Vollendet der Stpfl. das 55. Lebensjahr zwar nach Beendigung der Betriebsaufgabe oder -veräußerung, aber noch vor Ablauf des Veranlagungszeitraums der Betriebsaufgabe, sind weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG noch die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG zu gewähren.
Vollendet der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr bei einer Betriebsaufgabe über mehrere Veranlagungszeiträume zwar vor Beendigung der Betriebsaufgabe, aber erst im zweiten Veranlagungsjahr, sind der (anteilige) Freibetrag und die Tarifermäßigung auch für den ersten Veranlagungszeitraum zu gewähren (BMF vom 20.12.2005, BStBl I 2006, 7).
Ein Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 und des § 18 Abs. 3 EStG unterfällt als außerordentliche Einkunft (s. insoweit § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG) der Begünstigung des § 34 Abs. 1 EStG, da es durch die Vollrealisierung der stillen Reserven in typisierter Weise zu einer Zusammenballung von Ergebnissen mehrerer Jahre kommt. Insoweit ist es sachgerecht, infolge einer progressiven Besteuerung eintretende (jedenfalls typisiert anzunehmende) Härten in dieser Situation abzumildern. Diese Sonderregelung (Tarifermäßigung) bezieht sich nach dem Regelungsgegenstand aber nur auf einen Gewinn (positive Einkünfte). Ein Veräußerungsverlust, der progressionsbedingte Steuermehrbelastungen nicht auslösen kann, ist – jedenfalls soweit nicht in demselben Veranlagungszeitraum auch ein Veräußerungsgewinn als (weitere) außerordentliche Einkunft erzielt wurde – für den Regelungsbereich einer Tarifermäßigung nicht relevant.
Diese aus § 34 EStG ableitbare Struktur hat der Gesetzgeber durch die Verwendung der entsprechenden Begrifflichkeit auf § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG übertragen. Dazu hat er aus der zur Ermittlung des sog. Steuersatzeinkommens beim Progressionsvorbehalt maßgebenden Größe »Einkünfte« die »außerordentlichen Einkünfte« separiert, um sie zur Abmilderung der Auswirkungen des progressiven Tarifs nur zu einem Bruchteil (wie ebenfalls in § 34 EStG) zu erfassen. Diese Rechtsfolge bezieht sich aber dann auch parallel zu § 34 EStG nicht auf negative Einkünfte (BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 34/11, BStBl II 2012, 405). Somit stellt der BFH fest, dass ein im Ausland realisierter Verlust aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, der abkommensrechtlich in Deutschland nur bei der Festsetzung des Steuersatzes (→ Progressionsvorbehalt) zu berücksichtigen ist, nicht der sog. Fünftel-Methode für außerordentliche Einkünfte unterfällt.
Der Aufgabegewinn gehört – ausgenommen bei Kapitalgesellschaften – nicht zum Gewerbeertrag (§ 7 GewStG, R 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. R 7.1 Abs. 4 GewStR 2009 und H 7.1 Abs. 3 [Betriebsaufgabe] GewStH 2016). Gegenstand der Besteuerung ist nur der laufende Gewinn. Gewinne aus der sukzessiven Betriebsaufgabe unterliegen dagegen der GewSt. Die Gewerbesteuerpflicht erlischt bei Einzelgewerbetreibenden und bei Personengesellschaften mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebs (R 2.6 Abs. 1 Satz 1 GewStR 2009). Die tatsächliche Einstellung des Betriebs ist anzunehmen mit der völligen Aufgabe jeder werbenden Tätigkeit. Die Versilberung der vorhandenen Betriebsgegenstände und die Einziehung einzelner rückständiger Forderungen aus der Zeit vor der Betriebseinstellung können nicht als Fortsetzung einer aufgegebenen Betriebstätigkeit angesehen werden. Ein in Form eines Ladengeschäfts ausgeübter Gewerbebetrieb wird nicht bereits dann eingestellt, wenn kein Zukauf mehr erfolgt, sondern erst dann, wenn das vorhandene Warenlager »im Ladengeschäft« veräußert ist (Abschn. 19 Abs. 1 Satz 6 ff. GewStR 1998 und H 2.6 Abs. 1 [Zeitpunkt der Einstellung des Betriebs] GewStH 2016).
Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass bei Kapitalgesellschaften auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung zum Gewerbeertrag gehört (BFH-Urteil vom 5.9.2001, I R 27/01, BStBl II 2002, 155; vgl. auch H 7.1 Abs. 4 [Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung bei Kapitalgesellschaften] GewStH 2016). Die Gewerbesteuerpflicht knüpft bei Kapitalgesellschaften allein an die Rechtsform an; die Tätigkeit einer solchen Gesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 GewStG). Sämtliche von der Kapitalgesellschaft entfalteten Aktivitäten fallen unterschiedslos in den Bereich gewerblicher Betätigung, gleichviel, ob es sich um »werbende« Tätigkeiten oder um Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder -beendigung handelt.
Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG kann eine Betriebsaufgabe zu einer begünstigten → Geschäftsveräußerung führen. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn (Abschn. 1.5 Abs. 1 UStAE 2021)
die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs
an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden.
Das Geschäft stellt eine Sachgesamtheit dar und es handelt sich demzufolge um eine einzige nicht steuerbare Lieferung. Nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers. Die Nichtsteuerbarkeit setzt voraus, dass die WG den unternehmerischen Bereich nicht verlassen. Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG liegt auch dann vor, wenn der Erwerber mit dem Erwerb des Unternehmens seine unternehmerische Tätigkeit beginnt (Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 1 UStAE 2021). Die Zurückbehaltung einzelner unwesentlicher Gegenstände schließt eine begünstigte Geschäftsveräußerung nicht aus (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 3 UStAE 2021). Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG liegt auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind, sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den Übernehmer gewährleistet ist (BFH Urteil vom 4.7.2002, V R 10/01, BStBl II 2004, 662).
Infolge der Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung darf der veräußernde Unternehmer in der Rechnung keine USt gesondert ausweisen. Ein gesondert ausgewiesener Steuerbetrag wird nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.
Mit Urteil vom 2.4.1998 (V R 34/97, BStBl II 1998, 695) hat der BFH entschieden, dass die in einer Rechnung gesondert ausgewiesene Steuer nur dann als Vorsteuer abgezogen werden kann, wenn die ausgewiesene USt für die Leistung »geschuldet« wird. Das bedeutet, dass in den Fällen des § 14c Abs. 1 und Abs. 2 UStG ein Vorsteuerabzug für den Erwerber ausnahmslos nicht möglich ist. Die Verwaltung hat dieses Urteil in Abschn. 15.2 Abs. 1 UStAE 2021 übernommen. Danach ist ein Vorsteuerabzug nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14c Abs. 1 und 2 UStG schuldet.
Beispiel 2:
Der Stpfl. U erklärt zum 1.1.16 die Betriebsaufgabe und überträgt das Anlagevermögen seines Bauunternehmens unentgeltlich auf seinen Sohn. Das Betriebsgrundstück behält er zurück und vermietet es seinem Sohn ab 1.1.16 gegen eine Monatsmiete von 1 500 € für zehn Jahre. Den Pkw und das Kopiergerät überführt der Stpfl. U in sein Privatvermögen.
Lösung 2:
Der Sachverhalt ist dem des BFH-Urteils vom 28.11.2002 (V R 3/01, BStBl II 2004, 655) nachgebildet.
Ertragsteuerrechtlich liegt eine begünstigte Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG vor, da alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit – und damit in einem einheitlichen Vorgang – entweder in das Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und damit der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (H 16 Abs. 2 [Allgemeines] EStH 2022). Die Überführung des Betriebsgrundstücks (wesentliche Betriebsgrundlage) in das Privatvermögen stellt eine Entnahme dar, die nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Die Mieteinnahmen stellen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Auch die Entnahme des Pkw sowie des Kopiergerätes (unwesentliche Betriebsgrundlagen) ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
Umsatzsteuerrechtlich liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor, da ein Unternehmen im Ganzen unentgeltlich übereignet wird. Voraussetzung dabei ist, dass eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen wird, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht (Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 2 UStAE 2021). Bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übereignung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs im Ganzen ist eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung auch dann anzunehmen, wenn einzelne unwesentliche Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden (Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 1 UStAE 2021).
Wie der BFH im Urteil vom 4.7.2002 (VR 10/01, BStBl II 2004, 662) im Anschluss an sein Urteil vom 15.10.1998 (V R 69/97, BStBl II 1999, 41) entschieden hat, liegt eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind, sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebes durch den Übernehmer gewährleistet ist.
Umsatzsteuerrechtlich hat der Stpfl. U sein bebautes Grundstück nicht aus seinem Unternehmen entnommen, sondern für seine nach der Geschäftsveräußerung begonnene Vermietertätigkeit verwendet. Diese Vermietung ist grundsätzlich steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) oder aber nach einer eventuellen Option nach § 9 UStG steuerpflichtig.
Einzelne – unwesentliche –WG hat der Stpfl. U für unternehmensfremde Zwecke entnommen. Obwohl ertragsteuerrechtlich der gemeine Wert anzusetzen ist, wird dieser Umsatz gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes bemessen.
Für die Frage, ab welchem Zeitpunkt nachträgliche Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 EStG vorliegen, kommt es auf den Zeitpunkt der Erstellung der Aufgabebilanz an. Die Aufgabebilanz ist auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung, z.B. den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung, aufzustellen (BFH Urteil vom 19.5.2005, IV R 17/02, BStBl II 2005, 637 und vom 23.2.2012, IV R 31/09, BFH/NV 2012, 1448, LEXinform 0927301; s.a. Anmerkung vom 30.8.2012 unter LEXinform 0941949).
Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gem. § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 EStG führen. Dies betrifft auch nachträgliche Verluste aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit. Die nachträglichen Einkünfte sind indes nicht mehr nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG), sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gem. § 11 EStG zu ermitteln. Die nachträglichen Einkünfte unterliegen der vollen Tarifversteuerung, sind also nicht nach § 34 EStG begünstigt (BFH Urteil vom 23.2.2012, IV R 31/09, BFH/NV 2012, 1448, LEXinform 0927301).
Der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG liegt eine Bewertung von Bilanzpositionen unter Bildung stiller Reserven zugrunde. Die in den Vermögensvergleich einzubeziehenden WG werden letztmalig im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe in der Schlussbilanz erfasst. Soweit in den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen WG stille Reserven enthalten sind, erhöhen diese den Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn. Aktive WG gelten, soweit sie nicht veräußert werden, als in das Privatvermögen überführt. Ein Betriebsvermögensvergleich i.S. einer Gegenüberstellung des Aktiv- und des Passivvermögens ist deshalb ab dem Zeitpunkt einer Betriebsveräußerung oder einer Betriebsaufgabe nicht mehr möglich. Auch sind bei einem Betriebsvermögensvergleich die Bewertungsvorschriften des EStG anzuwenden. Der danach ggf. anzusetzende Teilwert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG beruht aber z.B. auf der Annahme, dass der Betrieb unverändert fortgeführt wird. Dieser Würdigung steht auch die Rechtsprechung nicht entgegen, wonach die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform nach § 4 Abs. 1 EStG immer dann einschlägig ist, wenn der Stpfl. keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (vgl. BFH Urteil vom 19.3.2009, IV R 57/07, BStBl II 2009, 659). Denn dabei wird vorausgesetzt, dass ein Betriebsvermögensvergleich noch durchgeführt werden kann.
Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass die nach der Betriebsaufgabe noch fortbestehenden Verbindlichkeiten dem negativen Betriebsvermögen zuzuordnen sind, ein Argument für die Notwendigkeit der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich abgeleitet werden. Denn Änderungen im Bestand der Verbindlichkeit sind, soweit sie auf Tilgungsleistungen beruhen, steuerlich irrelevant. Soweit sie durch den Erlass der Verbindlichkeit bedingt sind, haben sie nur (rückwirkend) Einfluss auf die Höhe des Aufgabegewinns. Die Erfassung der für die fortbestehenden Verbindlichkeiten aufgewandten Schuldzinsen erfordert deshalb keinen »partiellen« Bestandsvergleich.
Kommt eine Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich nicht in Betracht, ist der Gewinn zwingend entsprechend den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung aus, weil die Vorschrift voraussetzt, dass eine Buchführungspflicht nicht besteht und der Stpfl. auch nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse macht. Der Grundgedanke der Vorschrift muss aber auch dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um betriebliche Einkünfte handelt, diese aber nicht nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs ermittelt werden dürfen und es demgemäß unerheblich ist, ob der Stpfl. etwa freiwillig Bücher führt. Soweit der BFH in der Entscheidung vom 6.3.1997 (IV R 47/95, BStBl II 1997, 509) für die Ermittlung nachträglicher gewerblicher Einkünfte lediglich ein Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erwogen hat, hält er daran nicht mehr fest (BFH Urteil vom 23.2.2012, IV R 31/09, BFH/NV 2012, 1448, LEXinform 0927301).
Negative Einkünfte können in den Jahren ihrer Entstehung mit positiven Einkünften verrechnet werden.
Zu Fällen der Betriebsaufgabe hat die Rechtsprechung entschieden, dass → Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten als nachträgliche Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG) abziehbar sein können (BFH Urteil vom 15.5.2002, X R 3/99, BStBl II 2002, 809). Voraussetzung hierfür ist, dass
die nicht getilgten Verbindlichkeiten während des Bestehens des einkommensteuerrechtlich relevanten Betriebs begründet wurden und damit als zurückbehaltenes passives Betriebsvermögen in Betracht kommen und
die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös oder durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können (→ Betriebsveräußerung).
Zum Schuldzinsenabzug als nachträgliche Betriebsausgaben s. die Erläuterungen unter → Schuldzinsen sowie das rechtskräftige Urteil des FG Niedersachsen vom 16.3.2010 (12 K 10235/07, LEXinform 5010312).
Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG gilt die Überführung eines WG in das Privatvermögen aus Anlass einer Betriebsaufgabe als Anschaffung im privaten Bereich (BMF vom 5.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz. 1). Wird dieses Grundstück nach der Überführung in den Privatbereich innerhalb der Behaltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veräußert, tätigt der Steuerpflichtige ein privates Veräußerungsgeschäft (→ Private Veräußerungsgeschäfte). Der → Veräußerungsgewinn ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 und 3 EStG wie folgt zu ermitteln:
Veräußerungserlös |
|
./. |
Wert, mit dem das Grundstück bei der Überführung angesetzt worden ist (Entnahmewert) |
./. |
Werbungskosten der Veräußerung |
= |
Veräußerungsgewinn |
Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns s.a. Rz. 33 und 34 des BMF-Schreibens vom 5.10.2000 (BStBl I 2000, 1383). Der Entnahmewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG bzw. nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG ist auch dann anzusetzen, wenn bei der Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen der Entnahmegewinn nicht zur ESt herangezogen worden ist (Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG).
Beispiel 3:
A (56 Jahre) errichtet im Kj. 09 im Betriebsvermögen ein Gebäude, das er zu eigenbetrieblichen Zwecken nutzt (Fertigstellung 12.12.09). Die Herstellungskosten betragen 500 000 €. Das Grundstück wurde mit Übergang Nutzen, Lasten und Gefahr am 11.11.07 für 100 000 € angeschafft. Datum des Kaufvertrages war der 1.3.07.
Am 30.9.17 erklärt A die Betriebsaufgabe und überführt das Grundstück (wesentliche Betriebsgrundlage) mit einem gemeinen Wert i.H.v. 850 000 € in das Privatvermögen; davon entfallen 150 000 € auf den Grund und Boden. Der Buchwert des Gebäudes bei Überführung ins Privatvermögen beträgt 382 500 € (AfA im betrieblichen Bereich 117 500 €), der Buchwert des Grund und Bodens beträgt 100 000 €. Das bewegliche Anlagevermögen (wesentliche Betriebsgrundlage) veräußert er an B. Der Kaufpreis hierfür beträgt 3,5 Mio. € zzgl. 665 000 € USt (Buchwert 750 000 €), die Veräußerungskosten dafür betragen 10 000 €.
Nach Umbau- und Renovierungsarbeiten i.H.v. insgesamt 100 000 €, die i.H.v. 60 000 € als nachträgliche Herstellungskosten zu berücksichtigen sind, wird das Grundstück noch im Kj. 17 als Mietwohngrundstück genutzt.
Mit Kaufvertrag vom 15.9.27 veräußert A das Grundstück für 900 000 € (180 000 € für Grund und Boden) an B. Übergang Nutzen und Lasten ist am 1.12.27. Am gleichen Tag wird der Kaufpreis gezahlt. Die Eintragung im Grundbuch erfolgt am 15.2.28. An Veräußerungskosten (Makler u.a.) sind 23 000 € angefallen, die am 5.1.28 gezahlt werden.
Lösung 3:
Da nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert werden, liegt keine Veräußerung des Betriebs i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Auch ohne die ausdrückliche Aufgabeerklärung führt die Entnahme des Grundstücks und die Veräußerung der beweglichen Wirtschaftsgüter (wesentliche Betriebsgrundlagen) zu einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG. Der Aufgabegewinn beläuft sich auf:
Gemeiner Wert Grundstück (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG) |
850 000 € |
Veräußerungspreis bewegliche Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) |
4 165 000 € |
Veräußerungspreis (§ 16 Abs. 2 EStG) |
5 015 000 € |
abzgl. Buchwert |
./. 1 232 500 € |
abzgl. Veräußerungskosten (USt und sonstige Kosten) |
./. 675 000 € |
Aufgabegewinn |
3 107 500 € |
Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG gilt die Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen als Abschaffung im privaten Bereich (BMF vom 5.10.2005, BStBl I 2000, 1383, Rz. 1). Das Grundstück gilt somit am 1.10.17 als angeschafft. Wird dieses Grundstück nach der Überführung in den Privatbereich innerhalb der Behaltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veräußert, tätigt der Stpfl. ein privates Veräußerungsgeschäft.
Die zehnjährige Behaltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG endet mit Ablauf des 30.9.27. Für den Beginn und das Ende der Frist ist grundsätzlich das Datum des Kaufvertrages – der obligatorische Vertrag – (H 23 [Veräußerungsfrist] EStH 2022) maßgeblich. Bei einer Überführung in das Privatvermögen ist das Entnahmedatum als Fristbeginn anzusetzen. Die Veräußerung mit Datum 15.9.27 findet noch innerhalb der Behaltefrist statt. Es handelt sich somit um ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Der Veräußerungsgewinn ist im VZ 2027 zu erfassen, da der Veräußerungspreis am 1.12.27 zufließt (§ 11 EStG). Der Veräußerungsgewinn wird wie folgt ermittelt:
Grund und Boden |
Gebäude |
Gebäude |
|
Veräußerungserlös |
180 000 € |
720 000 € |
|
./. Gemeiner Wert nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG (§ 23 Abs. 3 Satz 1 und 3 EStG) |
./. 150 000 € |
700 000 € |
|
Nachträgliche Herstellungskosten im privaten Bereich |
60 000 € |
||
Zwischensumme |
760 000 € |
||
Nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG mindern sich die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten um die Abschreibungen, soweit sie als Werbungskosten abgezogen worden sind. Die AfA im Privatvermögen bestimmt sich nach dem Entnahmewert i.H.v. 700 000 € (R 7.3 Abs. 6 Satz 4 EStR). Zusätzlich sind die nachträglichen Herstellungskosten zu berücksichtigen. Bei der Bemessung der AfA für das Jahr der Entstehung von nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind diese so zu berücksichtigen, als wären sie zu Beginn des Jahres aufgewendet worden (R 7.4 Abs. 9 Satz 3 EStR 2012). Die weitere AfA bestimmt sich nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG (R 7.4 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. R 7.3 Abs. 6 Satz 4 EStR 2012). |
|||
AfA ab 1.10.17: 2 % von 760 000 € × 3/12 |
./. 3 800 € |
||
AfA Kj. 18 bis Kj. 26: 15 200 € × 9 Jahre |
./. 136 800 € |
||
AfA bis 30.11.27: 15 200 € × 11/12 |
./. 13 933 € |
||
Verminderte Anschaffungskosten |
605 467 € |
./. 605 467 € |
|
Zwischensumme |
30 000 € |
114 533 € |
|
Insgesamt |
144 533 € |
||
Werbungskosten (Ansatz im VZ 27, s. H 23 [Werbungskosten] EStH 2022) |
./. 23 000 € |
||
Privater Veräußerungsgewinn |
121 533 € |
Doege, Abgrenzungsfragen zur Betriebsveräußerung/Betriebsverpachtung und den Steuerermäßigungen gem. §§ 16, 34 EStG, DStZ 2008, 474; Schwarz, Betriebsaufgabe – Einkommensteuer- und Umsatzsteuerrecht (Übungen), Steuer & Studium 4/2012, 230, Schoor, Praxisveräußerung oder Praxisaufgabe – Probleme und Gestaltungsmöglichkeiten, NWB 2010, 54; Kanzler, Die getreckte Betriebsaufgabe und -veräußerung im Einkommensteuerrecht – der lange Abschied vom Unternehmertum, DStR 2009, 400; Schoor, Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns, NWB 47/2015, 3493; Pagels, Betriebsaufgabe und Betriebsfortführungsfiktion nach § 16 Abs. 3 und 3b EStG – Hat der Steuerpflichtige stets das letzte Wort?, DStR 2022, 2037.
→ Einkünfte aus Gewerbebetrieb
→ Renten
→ Wesentliche Betriebsgrundlage
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