1 Begriff
2 Einstellung der werbenden Tätigkeit
3 Erlöschen der Gewerbesteuerpflicht
4 Verwandte Lexikonartikel
Stellt der Unternehmer seine werbende betriebliche Tätigkeit ein (Betriebseinstellung), so liegt darin nicht notwendigerweise eine → Betriebsaufgabe. Die Einstellung kann auch nur als Betriebsunterbrechung zu beurteilen sein, die den Fortbestand des Betriebs unberührt lässt (BFH Urteil vom 27.2.1985, I R 235/80, BStBl II 1985, 456). Eine Betriebsunterbrechung ist anzunehmen, wenn die betriebliche Tätigkeit vorübergehend ruht und die wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten werden, so dass der Betrieb jederzeit wieder aufgenommen werden könnte (BMF vom 22.11.2016, BStBl I 2016, 1326). Die Betriebsunterbrechung kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die wesentlichen Betriebsgrundlagen (→ Wesentliche Betriebsgrundlage) – in der Regel einheitlich an einen anderen Unternehmer – verpachtet (Betriebsunterbrechung im weiteren Sinne) oder darin, dass er die gewerbliche Tätigkeit ruhen lässt (Betriebsunterbrechung im engeren Sinne). Voraussetzung der Betriebsunterbrechung ist weiterhin, dass keine Betriebsaufgabe erklärt wird (H 16 Abs. 2 [Betriebsunterbrechung] EStH 2022).
Die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit durch einen Stpfl. in der Weise, dass er tatsächlich nicht mehr gewerblich tätig wird, ist noch keine Betriebsaufgabe. Die Betriebseinstellung reicht – für sich genommen – noch nicht für eine Betriebsaufgabe aus. Denn dieses Vorgehen ist in steuerrechtlicher Sicht nicht eindeutig. Bei der Einstellung der bisherigen werbenden gewerblichen Tätigkeit kann es sich um den Beginn der Betriebsaufgabe, den Beginn einer allmählichen Betriebsabwicklung oder auch nur um eine Betriebsunterbrechung (ruhender Gewerbebetrieb), ggf. in Verbindung mit einer innerbetrieblichen Strukturänderung oder einer räumlichen Betriebsverlegung, handeln (Schmidt/Wacker, 40. Aufl. 2021, EStG § 16 Rn. 80–82). Diese verschiedenen Maßnahmen haben jeweils unterschiedliche steuerrechtliche Folgen insbes. im Hinblick auf die Fortführung oder Aufdeckung eventueller stiller Reserven oder die Begünstigung von Gewinnteilen zum Beispiel als Aufgabegewinn, so dass eine genaue Zuordnung erfolgen muss. Die bloße Einstellung der werbenden Tätigkeit ist in dieser Hinsicht nicht aussagekräftig, um bereits aufgrund dieses Merkmals eine Einordnung des Vorgangs treffen zu können.
Für einen ruhenden Betrieb muss neben der Einstellung der werbenden gewerblichen Tätigkeit hinzukommen, dass nach den äußerlich erkennbaren Umständen wahrscheinlich ist, dass
die werbende Tätigkeit innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, dessen Länge sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt, in gleichartiger oder ähnlicher Weise wieder aufgenommen wird, so dass der stillgelegte und der wiederaufgenommene Betrieb wirtschaftlich identisch sind oder
der Betrieb alsbald ohne Aufgabe verpachtet wird.
Zu diesen äußerlich erkennbaren Umständen gehört zum Beispiel, dass die zurückbehaltenen, nicht grundlegend umgestalteten und weiterhin gebrauchstauglichen WG jederzeit die Wiederaufnahme des Betriebs gestatten.
Der Stpfl. darf seine werbende Tätigkeit nur vorläufig einstellen. Die zurückbehaltenen WG müssen es ermöglichen, den unterbrochenen Betrieb künftig – innerhalb eines überschaubaren Zeitraums – wieder aufzunehmen. Mit Urteil vom 28.9.1995 (IV R 39/94, BStBl II 1996, 276; H 16 Abs. 2 [Betriebsunterbrechung] EStH) hat der BFH entschieden, dass bei einer GbR, die zuvor auf dem Gebiet des Bauwesens, des Grundstückshandels und der Grundstücksverwaltung tätig war, und nunmehr nur noch die Grundstücksverwaltung betreibt, selbst dann noch von einer Betriebsunterbrechung auszugehen ist, wenn diese 11 – 14 Jahre betragen hat. Selbst eine Zeitspanne von 25 Jahren steht einer Betriebsunterbrechung nicht entgegen (BFH Beschluss vom 7.10.1998, VIII B 43/97, BFH/NV 1999, 350). Ebenso wenig steht es der Annahme einer Betriebsunterbrechung entgegen, dass der bisherige Betriebsinhaber verstorben ist, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen von einer (Erbes-)Erbengemeinschaft gehalten werden, vgl. BFH vom 21.12.2021 – IV R 13/19. Der Tod eines Einzelunternehmers alleine führt weder zu einer Betriebsaufgabe, noch geht sein Betriebsvermögen durch den Erbfall in das Privatvermögen der Erben(-gemeinschaft) über (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.7.1990, GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, unter C.I.2. [Rz 60 ff.]).
Für Verpachtung und bloßes »Ruhenlassen« gelten dieselben Grenzen, weil die Verpachtung einen Unterfall der Betriebsunterbrechung darstellt. Die Rechtsprechung über Betriebsverpachtungen ist daher auf (bloß) ruhende Betriebe übertragbar, weil es sich bei dem Ruhen ebenso wie bei der Verpachtung um eine Betriebsunterbrechung aus Sicht des Stpfl. handelt (BFH Urteil vom 26.2.1997, X R 31/95, BStBl II 1997, 561). Das Übertragen der Grundsätze der Verpachtung auf eine Betriebsunterbrechung durch Ruhenlassen der gewerblichen Tätigkeit bedeutet, dass so lange von einer Betriebsunterbrechung (ruhender Betrieb) auszugehen ist, wie die Aufnahme der vormaligen gewerblichen Tätigkeit oder einer ähnlichen Tätigkeit, die als wirtschaftlich identischer gewerblicher Betrieb beurteilt werden müsste, durch den Stpfl. oder einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger noch möglich ist und zwischenzeitlich keine Betriebsaufgabe eindeutig erklärt wurde. Die Erklärung muss erkennbar von dem Bewusstsein der daraus folgenden Versteuerung der stillen Reserven getragen sein (BFH Urteil vom 22.9.2004, III R 9/03, BStBl II 2005, 160; s.a. H 16 (5) [Betriebsaufgabeerklärung] EStH 2022).
Auch ein außergewöhnlich langer Zeitraum steht der Annahme einer Betriebsunterbrechung nicht entgegen, vgl. BFH vom 21.12.2021, IV R 13/19, LEXinform 0952361. Im entschiedenen Fall ist ein Grundstück wesentliche Betriebsgrundlage gewesen und hat bis zur Neubebauung im Jahre 2014 einem identitätswahrenden Betrieb dienen können. Dass in dem Kaufvertrag des Jahres 1953 ein Wettbewerbsverbot vereinbart worden ist, ändert daran nichts, weil die Möglichkeit zur Aufnahme eines Betriebes in ähnlicher Weise bestanden hat. Auch reicht es aus, dass der Betrieb erst von der dritten Generation identitätswahrend hätte fortgeführt werden können; eine feste zeitliche Grenze besteht insoweit nicht.
Werden anlässlich der Verpachtung eines Gewerbebetriebs die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können, entfällt grundsätzlich die Möglichkeit, das Betriebsvermögen fortzuführen; damit entfällt auch die Möglichkeit der → Betriebsverpachtung (BFH Urteil vom 15.10.1987, IV R 91/85, BStBl II 1988, 257; H 16 (5) [Umgestaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen] EStH 2022).
Für Betriebsaufgaben nach dem 4.11.2011 (§ 52 Abs. 34 Satz 9 EStG) ist § 16 Abs. 3b EStG anzuwenden (→ Betriebsverpachtung). Die Vorschrift wurde durch das StVereinfG 2011 vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) eingefügt. Die Neuregelung schafft die gesetzlichen Voraussetzungen für Fälle einer allmählichen (schleichenden) Betriebsaufgabe bei verpachteten und ruhenden Gewerbebetrieben sowohl für den Stpfl. als auch die Finanzverwaltung (s. BMF vom 22.11.2016, IV C 6-S 2242/12/10001, BStBl I 2016, 1326). In § 16 Abs. 3b EStG wird eine gesetzliche Fiktion eingeführt, nach der bei einer Betriebsunterbrechung oder Betriebsverpachtung im Ganzen der Betrieb bis zu einer ausdrücklichen Betriebsaufgabeerklärung durch den Stpfl. als fortgeführt gilt (§ 16 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 EStG).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der GewSt, soweit er im Inland betrieben wird. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. EStG zu verstehen. Anders als bei der ESt, bei der es möglich ist, Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum Beispiel dadurch zu erzielen, dass ein Gewerbebetrieb verpachtet wird oder dadurch, dass ein Gewerbebetrieb ruht, fällt nach § 2 Abs. 4 GewStG die Steuerpflicht für einen Betrieb weg, wenn dieser unterbrochen ist und die Unterbrechung nicht nur vorübergehend ist und auf der Art des Betriebes beruht. Eine Unterbrechung in diesem Sinne liegt bereits dann vor, wenn der Betrieb aufgegeben wird und nicht bereits bei der Einstellung von vornherein eine nur vorübergehende Unterbrechung geplant war. Dies gilt auch dann, wenn zwar die Absicht besteht, den Betrieb künftig bei sich bietender Gelegenheit wieder aufzunehmen oder die verbliebenen WG eine jederzeitige Wiederaufnahme ermöglichen würden, der Stpfl. aber zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung keine nur vorübergehende Einstellung geplant hat. Denn auch dann wird der Betrieb auf unbestimmte Dauer unterbrochen. Es ist das »Ob« und das »Wie« der Wiederaufnahme ungewiss. Eine solche Unterbrechung ist nicht mehr vorübergehend i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG. Die Rechtsprechung zum ruhenden/unterbrochenen/verpachteten Gewerbebetrieb im Einkommensteuerrecht kann auf das Gewerbesteuerrecht nicht übertragen werden (BFH Urteil vom 9.11.2017, IV R 37/14, BStBl II 2018, 227).
Der vortragsfähige Gewerbeverlust i.S.d. § 10a GewStG geht unter, wenn zum Schluss des Erhebungszeitraums zwar eine die einkommensteuerrechtliche Existenz des Betriebs unberührt lassende Betriebsunterbrechung (»ruhender Gewerbebetrieb«) gegeben ist, gewerbesteuerrechtlich hiermit aber die werbende Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen bzw. eine andersartige werbende Tätigkeit aufgenommen wird. Es entfällt die für die Verlustfeststellung erforderliche Unternehmensidentität (BFH vom 30.10.2019, IV R 59/16, BStBl II 2020, 147). Im Urteilsfall kam eine Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass der auf den 31.12.2005 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust untergegangen sei, weil mit dem Wechsel von einem Produktions- zu einem vermögensverwaltenden Unternehmen die Unternehmensidentität als Voraussetzung für den Verlustabzug entfallen sei. Hinsichtlich eines Untergangs des Fehlbetrags im Erhebungszeitraum 2006 sei das FG von fehlerhaften Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Der Fortbestand des Fehlbetrags setze voraus, dass (auch) die Unternehmensidentität ununterbrochen gegeben ist. Für die Prüfung der Unternehmensidentität bei PersGes sei auf die ausgeübte werbende Tätigkeit abzustellen. Die Unternehmensidentität müsse ununterbrochen bis zum Schluss des Erhebungszeitraums bestanden haben, weil das Gewerbesteuerrecht keinen »ruhenden Gewerbebetrieb« kenne. Der BFH gab dem FG deshalb auf, eine Betriebsaufspaltung zu prüfen. Denn bei einer Besitzpersonengesellschaft bestehe die Unternehmensidentität jedenfalls so lange fort, als sie mit der nämlichen Betriebskapitalgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt. Sei eine Betriebsaufspaltung zu verneinen, so sei zu prüfen, ob die mit Ablauf des 30.6.2006 bei der KG eingetretenen, ihre Tätigkeit betreffenden Änderungen so wesentlich gewesen seien, dass nach dem Gesamtbild die ab dem 1.7.2006 ausgeübte werbende Tätigkeit nicht mehr mit der ab dem 1.7.2005 bis 30.6.2006 (Verpachtungsunternehmen) ausgeübten wirtschaftlich identisch gewesen sei.
→ Wesentliche Betriebsgrundlage
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden