Dienstleistungskommission

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Die Dienstleistungskommission im Überblick
2 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Leistungskommission
3 »Vermietung« von virtuellem Land und Umtausch einer Spielwährung in ein gesetzliches Zahlungsmittel
4 Gesetzlich normierte Telekommunikations-Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG
4.1 Sinn und Zweck der Regelung
4.2 Geltungsbereich des § 3 Abs. 11a UStG
4.3 Ausnahme von der Anwendung der Branchenlösung
4.4 Rückausnahme zur Anwendung der Branchenlösung
4.5 Genereller Ausschluss von der Branchenregelung nach § 3 Abs. 11a Satz 5 UStG
5 Einziehung urheberrechtlicher Vergütungen durch Verwertungsgesellschaften
6 Beispiele
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel

1. Die Dienstleistungskommission im Überblick

Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht (§ 3 Abs. 11 UStG). Für die Frage, ob jemand im eigenen Namen handelt, kommt es maßgeblich darauf an, wie der Unternehmer nach außen auftritt. Wenn der eingeschaltete Unternehmer im fremden Namen auftritt und damit als Vermittler oder als Vertreter seines Auftraggebers handelt, kommt die Leistungsbeziehung allein zwischen seinem Auftraggeber und dem Dritten zustande.

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Vom Eigenhändler unterscheidet sich der Dienstleistungskommissionär durch sein Handeln für fremde Rechnung. Dies ist nach dem Innenverhältnis zwischen dem Auftraggeber und der Zwischenperson zu beurteilen. Der Geschäftsbesorger ist in fremdem Interesse tätig. Dabei ist unerheblich, dass er zugleich auch eigene Zwecke mitverfolgt. Er muss sich gem. § 667 BGB bzw. § 384 Abs. 2 HGB verpflichten, seinem Auftraggeber das infolge seines ausgeführten Auftrags Erlangte herauszugeben. Die wirtschaftlichen Folgen der besorgten Leistung sollen bei einem Handeln des Auftragnehmers für fremde Rechnung entsprechend den zivilrechtlichen Vereinbarungen nur den Auftraggeber treffen. So trägt der Auftragnehmer (im Innenverhältnis) das Risiko des Geschäfts nicht, weil er z.B. einen Provisions- und einen Aufwendungsersatzanspruch für seine Ausgaben (im Außenverhältnis) hat (BFH vom 12.2.2020, XI R 24/18, BStBl II 2022, 191, Rz. 39).

Bei einer Dienstleistungskommission ist es ohne Bedeutung, ob das Erbringen oder das Beschaffen einer sonstigen Leistung in Auftrag gegeben wird (s.a. BFH Urteil vom 31.1.2002, V R 40, 41/00, BStBl II 2004, 315; BFH Beschluss vom 16.5.2002, V B 89/01, BStBl II 2004, 319). In den Fällen der Dienstleistungskommission wird eine Leistungskette fingiert (Abschn. 3.15 Abs. 1 UStAE). Die Dienstleistungskommission erfasst die Fälle des sog. Leistungseinkaufs und des sog. Leistungsverkaufs (s.a. → Agenturgeschäfte).

2. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Leistungskommission

Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung nach § 3 Abs. 11 UStG als an ihn und von ihm erbracht. Dies beruht auf Art. 28 MwStSystRL, wonach Stpfl., die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, behandelt werden, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten (s.a. BFH vom 18.11.2021, V R 38/19, BFH/NV 2022, 548, LEXinform 0952583, s.u. den nachfolgenden Gliederungspunkt).

Dies begründet die juristische Fiktion zweier gleichartiger Dienstleistungen, die nacheinander erbracht werden. Gem. dieser Fiktion wird der Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erbringung von Dienstleistungen hinzutritt und Kommissionär ist, so behandelt, als ob er zunächst die fraglichen Dienstleistungen von dem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Rechnung er tätig wird und der Kommittent ist, erhalten hätte und anschließend diese Dienstleistungen dem Kunden selbst erbrächte. Der Auftragnehmer ist somit Leistungsempfänger und zugleich Leistender.

Für die Anwendung dieser Regelung müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss einen Auftrag geben, zu dessen Ausführung der Kommissionär für Rechnung des Kommittenten hinsichtlich der Erbringung von Dienstleistungen tätig wird.

  2. Es muss zwischen den Dienstleistungen, die der Kommissionär erbringt, auf der einen sowie den Dienstleistungen, die der Kommittent tätigt, auf der anderen Seite »Gleichartigkeit« bestehen (vgl. BFH vom 18.11.2021, V R 38/19, BFH/NV 2022, 548, Rz 48).

Die beiden Leistungen, d.h. die an den Auftragnehmer erbrachte und die von ihm ausgeführte Leistung, werden bezüglich ihres Leistungsinhalts gleich behandelt. Die Leistungen werden zum selben Zeitpunkt erbracht. Im Übrigen ist aber jede der beiden Leistungen für sich zu betrachten (s.a. BFH Urteil vom 7.10.1999, V R 79/ 80/98, BStBl II 2004, 308 sowie Abschn. 3.15 Abs. 2 UStAE). Danach ist auch ein Unternehmer, der Reiseleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten erbringt, so zu behandeln, als ob er die von dem Dritten bezogenen Reisevorleistungen selbst erhalten hätte (→ Reiseleistungen nach § 25 UStG).

Personenbezogene Merkmale der an der Leistungskette Beteiligten sind für jede Leistung innerhalb einer Dienstleistungskommission gesondert in die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung einzubeziehen. Dies ist z.B. von Bedeutung für

  • die Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften,

  • die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung, wenn er davon abhängig ist, ob die Leistung an einen Unternehmer oder an einen Nichtunternehmer erbracht wird,

  • die Entstehung der USt, wenn z.B. der Auftraggeber der Leistung die Steuer nach vereinbarten und der Auftragnehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet,

  • die Ermittlung der USt, je nachdem, ob an der Leistungskette Nichtunternehmer, Kleinunternehmer oder Land- und Forstwirte beteiligt sind (Abschn. 3.15 Abs. 3 UStAE).

Die zivilrechtlich vom Auftragnehmer an den Auftraggeber erbrachte Besorgungsleistung bleibt umsatzsteuerrechtlich ebenso wie beim Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 3 UStG unberücksichtigt. Der Auftragnehmer erbringt im Rahmen einer Dienstleistungskommission nicht noch eine (andere) Leistung (Vermittlungsleistung, → Agenturgeschäfte; Abschn. 3.15 Abs. 4 UStAE).

Die Beschaffung von Theaterkarten durch Theatergemeinden und Volksbühnenvereine kann im Rahmen einer Dienstleistungskommission ausgeführt werden. Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 8.10.2008 (S 7110 A – 2/86 – St 11, UR 2009, 250, LEXinform 5231788) nimmt dazu Stellung.

Zur Steuerbefreiung i.S.v. § 4 Nr. 20 UStG im Rahmen einer Dienstleistungskommission s. Tz. 3.1 der Vfg. der OFD Frankfurt sowie das BFH-Urteil vom 25.4.2018 (XI R 16/16, BStBl II 2021, 457 und das Beispiel 8; s.a. Anmerkung vom 3.8.2018, LEXinform 0880378 sowie Hundt-Eßwein UStB 10/2018, 304).

Beachte:

Das BMF hat mit Schreiben vom 9.6.2021 (BStBl I 2021, 780) zur Anwendung des BFH-Urteils vom 25.4.2018 (XI R 16/16, BStBl I 2021, 457) Abschn. 3.15 Abs. 3 UStAE neu gefasst und dabei einen neuen Satz 3 eingefügt.

In Abschn. 3.15 Abs. 3 UStAE vertritt die Verwaltung die Auffassung, dass personenbezogene Merkmale der an der Leistungskette Beteiligten für jede Leistung innerhalb der Dienstleistungskommission gesondert in die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung einzubeziehen sind. In seinem Urteil XI R 16/16 widerspricht der BFH dieser Verwaltungsauffassung, indem er die personenbezogenen Merkmale, die für die Anwendung der Steuerbefreiung maßgeblich sind, auch auf die Besorgungsleistung zwischen Kommissionär und Kunden überträgt (s.a. Müller, NWB 27/2021, 1928).

Mit seinem Schreiben vom 9.6.2021 (BStBl I 2021, 780) überträgt das BMF das Urteil XI R 16/16 in Abschn. 3.15 Satz 3 UStAE und beschränkt die Durchbrechung der gesonderten Betrachtung der personenbezogenen Merkmale innerhalb einer Dienstleistungskommission explizit auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG.

Vorverkaufsstellen, die für Konzertveranstalter den Kartenverkauf übernehmen, treten in der Regel als Vermittler auf (BFH Urteil vom 3.11.2011, V R 16/09, BStBl II 2012, 378). Die Vorverkaufsgebühr ist dabei Teil des vom Kunden für die Konzertkarte geschuldeten Entgelts und unterliegt dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG. Die Vorverkaufsgebühr ist Teil des von den Kartenkäufern an die Konzertveranstalterin zu bezahlenden Entgelts für die Veranstaltungsleistung, die auch die damit zusammenhängende Organisation des Vorverkaufs umfasst. Diese ist auch umsatzsteuerrechtlich eine unselbstständige Nebenleistung (→ Agenturgeschäfte).

3. »Vermietung« von virtuellem Land und Umtausch einer Spielwährung in ein gesetzliches Zahlungsmittel

Der BFH hat mit Urteil vom 18.11.2021 (V R 38/19, BFH/NV 2022, 548, LEXinform 0952583) entschieden, dass die virtuelle Vermietung innerhalb eines Online-Spiels keine Leistung i.S.d. UStG darstellt. Im Gegensatz zur spielinternen »Vermietung« von virtuellem Land bei einem Online-Spiel begründet der Umtausch einer Spielwährung als vertragliches Recht in ein gesetzliches Zahlungsmittel (im Streitfall über eine von der Spielbetreiberin verwaltete Börse) eine steuerbare Leistung (hier Dienstleistungskommission).

Im Urteilsfall ist U Nutzer eines Online-Computerspiels, das B mit Sitz in den USA auf dort befindlichen Servern betreibt. Im Spiel erwirbt U virtuelles Land, parzelliert dieses und »vermietet« es an andere Nutzer gegen Zahlung eines virtuellen Währung (C-Dollar). Die erworbenen C-Dollar können über eine von B verwaltete Börse gegen US-Dollar auf andere Nutzer übertragen werden. Bei Abschluss eines Verkaufs von C-Dollar über die von der Spielbetreiberin B verwaltete Börse wird der jeweilige Geldbetrag dem Guthabenkonto gutgeschrieben, das der die C-Dollar übertragende Nutzer bei der Spielbetreiberin führt. Ein Guthaben auf diesem Konto kann mit Gebührenforderungen der Spielbetreiberin verrechnet oder auf das PayPal-Konto des jeweiligen Nutzers überwiesen werden.

Spielinterne »Umsätze« zwischen Personen, die sich auf die bloße Teilnahme an dem Spiel und damit darauf beschränken, in der Interaktion mit anderen Spielteilnehmern das Spielerlebnis zu gestalten, stellen sich in der Regel nicht als Beteiligung am – realen – Wirtschaftsleben dar. Eine wesentliche Eigenschaft des Spielens ist es gerade, in Abgrenzung zur realen Welt eine Subwelt mit eigenen Regeln, Rollen und Zielen zu schaffen. Reine Spielvorteile, die ein Spieler im Rahmen des Spielgeschehens einem anderen Spieler nach den insoweit geltenden Regeln verschafft, können daher regelmäßig keinen Kostenfaktor für dessen wirtschaftliche Tätigkeit bilden. Sie begründen dann keinen Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts, sondern stellen lediglich nicht wirtschaftliche Vorteile der Spielwelt dar (BFH V R 38/19, Rz. 30).

Mit der entgeltlichen Übertragung von C-Dollar über die von der Spielbetreiberin B angebotene Börse hat der Nutzer U sonstige Leistungen ausgeführt (BFH V R 38/19, Rz. 42 ff.). Die entgeltliche Übertragung der C-Dollar, eines vertraglichen Rechts, erfolgt im Wege der Abtretung. Bei einer solchen Rechtsübertragung gegen Entgelt handelt es sich um eine sonstige Leistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

Anders als die spielinterne »Vermietung« von virtuellem Land erfolgt die Übertragung der C-Dollar an einem realen Markt. Die Übertragung der C-Dollar über die von der Spielbetreiberin B betriebene Börse ist nicht auf die reine Teilnahme an einem Spielgeschehen beschränkt. Vielmehr verschafft der Nutzer U dem jeweiligen Empfänger mit den C-Dollar ein virtuelles Spielobjekt zur späteren Nutzung im Spiel und damit einen verbrauchsfähigen Vorteil. Der Nutzer U übernimmt mit der Übertragung der C-Dollar einen Aspekt der Spielvorbereitung, wie dies üblicherweise auch der Veranstalter eines Spiels tun würde, der die erforderlichen Spielutensilien zur Verfügung stellt.

Als Empfängerin dieser sonstigen Leistungen gilt die Spielbetreiberin B, weil sie als Kommissionärin in die Übertragung der C-Dollar durch den Nutzer eingeschaltet war. Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung nach § 3 Abs. 11 UStG als an ihn und von ihm erbracht (BFH V R 38/19, Rz. 46). Dies begründet die juristische Fiktion zweier gleichartiger Dienstleistungen, die nacheinander erbracht werden. Gem. dieser Fiktion wird der Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erbringung von Dienstleistungen hinzutritt und Kommissionär ist, so behandelt, als ob er zunächst die fraglichen Dienstleistungen von dem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Rechnung er tätig wird und der Kommittent ist, erhalten hätte und anschließend diese Dienstleistungen dem Kunden selbst erbrächte.

Die von der Spielbetreiberin als Kommissionärin – fiktiv – erbrachten Dienstleistungen sowie die Dienstleistungen, die der Nutzer als Kommittent getätigt hat, sind auch gleichartig. Beide Fälle betreffen mit der Veräußerung der C-Dollar die Übertragung von Lizenzrechten (→ Dienstleistungskommission).

Der Ort der – fiktiv – von dem Nutzer gegenüber der Spielbetreiberin als Unternehmer erbrachten Leistung richtet sich nach dem Ort, an dem die Spielbetreiberin ihr Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Dieser liegt hier nicht im Inland, sondern in den USA, wo die Spielbetreiberin ansässig ist und auch die Server für das Programm betreibt (s.a. Anmerkung vom 22.3.2022, LEXinform 0653927).

4. Gesetzlich normierte Telekommunikations-Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG

4.1. Sinn und Zweck der Regelung

Die Europäische Kommission hat am 3.4.2014 einen Leitfaden zu den Änderungen der EU-Mehrwertsteuervorschriften bzgl. des Ortes von Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronischen Dienstleistungen, die 2015 in Kraft treten, entwickelt (Europäische Kommission unter ec.europa.eu/taxation_customs/business/vat/commission-guidelines_de). Der Leitfaden ist nicht rechtsverbindlich (s.a. BMF vom 17.12.2014, BStBl I 2015, 43).

Bei Telekommunikations- und elektronischen Dienstleistungen an Endverbraucher ist der Dienstleistungserbringer der Steuerschuldner, der die Mehrwertsteuer an die Steuerbehörden zu entrichten hat. Daher muss eindeutig bestimmt werden, wer der Erbringer der betroffenen Dienstleistungen ist, insbesondere, wenn diese Leistungen an den Endkunden nicht direkt, sondern über Vermittler erbracht werden.

Eine ganze Reihe digitaler Dienstleistungen, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht werden, können dem Endverbraucher über einen Vermittler bereitgestellt werden. Neben der Gewährung des Zugangs zu oder dem Herunterladen von Musik oder Spielen auf Mobiltelefone können solche Dienstleistungen beispielsweise Verzeichnisauskunftsdienste, Wettervorhersagen, Gewinnspiele, Abstimmungen und alle Arten von Apps umfassen. Solche Dienstleistungen sind manchmal unter Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten verfügbar, z.B. per SMS (eine Kommunikationsform zum Versand von Kurznachrichten auf Mobiltelefonen, für die ein erhöhter Preis berechnet wird). Der Gebührenaufschlag stellt dabei die Zahlung für die digitale Dienstleistung dar. In anderen Szenarien verfügt ein Dienstleistungsempfänger über ein Konto bei einem App Store, einer Plattform oder einer ähnlichen Einrichtung und bezahlt die Dienstleistungen per Kreditkarte oder durch eine andere Zahlungsweise.

Die Zahl der an der Verbreitung dieser Dienstleistungen beteiligten Parteien kann unterschiedlich sein. In einigen Fällen kann die Dienstleistung an den Endverbraucher direkt durch den Eigentümer der elektronischen Inhalte erbracht werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Person einen Musiktitel direkt von einem unabhängigen Künstler über dessen Website erwirbt. In anderen Fällen werden dagegen Vorgänge über mehrere Vermittler durchgeführt. Zur Bereitstellung von Klingeltönen kann beispielsweise der Inhaltseigentümer eine Lizenzvereinbarung mit einem Klingelton-Aggregator abschließen, der wiederum Vereinbarungen mit Mobilfunkanbietern abschließt, die die Klingeltöne an ihre Mobilfunkkunden verkaufen. In ähnlicher Weise schließen App-Entwickler Verträge mit App Stores oder App-Plattformen, und die Dienstleistungsempfänger kaufen die heruntergeladenen Apps, indem sie Zahlungen an den Store oder die Plattform leisten, über den sie die App erwerben.

Nach § 45h Abs. 4 Telekommunikationsgesetz (TKG) wurde bei Leistungen für umsatzsteuerliche Zwecke eine Dienstleistungskommission angenommen, wenn diese Leistungen über den Anschluss eines Teilnehmernetzbetreibers durch einen Endnutzer in Anspruch genommen werden. Dies galt auch im Verhältnis der der Leistung vorgelagerten beteiligten Unternehmen. § 45h Abs. 4 TKG wurde durch das Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18.2.2007 in Anlehnung an § 45h Abs. 1 TKG als rein umsatzsteuerrechtliche Norm (sog. Branchenlösung) aus Gründen der Vereinfachung und nicht zuletzt zur Verhinderung von Steuerausfällen eingefügt, da im Regelfall nur der Teilnehmernetzbetreiber über die für die Leistungsortbestimmung sowie Rechnungslegung erforderlichen Informationen verfügt und somit ohne Anwendung der Branchenlösung eine Versteuerung des Letztverbrauches nicht sichergestellt werden konnte.

Da die Branchenlösung als rein umsatzsteuerrechtliche Regelung konzipiert war, wurde die Regelung aus gesetzsystematischen Gründen unter Beachtung der unionsrechtlichen und nationalen Umsatzsteuervorschriften durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) mit Wirkung zum 1.1.2015 in das UStG eingefügt (§ 3 Abs. 11a UStG) und dabei § 45h Abs. 4 TKG aufgehoben (s.a. BT-Drucks. 18/1529; 74 ff.).

4.2. Geltungsbereich des § 3 Abs. 11a UStG

Ziel der Regelung ist die Beibehaltung des ursprünglichen Regelungsinhaltes des § 45h Abs. 4 TKG. Dieser ist an die unionsrechtlichen Vorgaben auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer unter Beachtung des Sinns und Zwecks der Branchenlösung als Vereinfachungs- und Steuerausfallverhinderungsnorm anzupassen.

Unter Berücksichtigung der umsatzsteuerrechtlichen Terminologie, welche sich auf unionsrechtliche Grundlagen stützt, sind Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 11a UStG

  • sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation (z.B. Einräumung des Zugangs zum Internet),

  • auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen (z.B. Nutzung von Onlinespielen) oder

  • sonstige Leistungen, die regelmäßig Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG darstellen dürften (z.B. Beratungsleistungen unter Nutzung einer Service-Nummer; s.a. Abschn. 3a.12 Abs. 6 Nr. 5, 6 und 7 UStAE).

Insoweit sind in Anlehnung an den Wortlaut des bisherigen § 45h Abs. 4 TKG aus Gründen der Rechtsklarheit unter § 3 Abs. 11a UStG sämtliche sonstigen Leistungen zu erfassen, die über den Anschluss eines Teilnehmernetzbetreibers in Anspruch genommen werden.

In Fällen, in denen elektronische Dienstleistungen über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal wie z.B. einen App Store erbracht werden, ist nach § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG davon auszugehen, dass ein an dieser Erbringung beteiligter Unternehmer im eigenen Namen, aber für Rechnung des leistenden Unternehmers der elektronischen Dienstleistung tätig ist. Diese Regelung dient dem Zweck, den für die Besteuerung maßgeblichen leistenden Unternehmer zu bestimmen.

Diese Vermutung bedeutet, dass für jeden Umsatz, der in der Leistungskette zwischen dem Anbieter einer elektronischen Dienstleistung (Eigentümer der Inhalte) und dem Endverbraucher bewirkt wird, jeder Vermittler (z.B. ein Aggregator von Inhalten oder ein Telekommunikationsbetreiber) als Empfänger der elektronischen Dienstleistung (oder Internet-Telefondienstleistung) gilt, der diese Dienstleistung dann wieder für einen weiteren Empfänger erbringt.

Beispiel 1:

Die A-GmbH ist eine in Deutschland ansässige Gesellschaft, die Spiele-Apps für mobile Endgeräte (Smartphone, Tablets o.Ä.) entwickelt und vermarktet. Bei dem Vertrieb an die Endnutzer C ist ein Appstore involviert, der von der in Irland ansässigen Gesellschaft B betrieben wird.

Als Appstore ist B in die Erbringung einer sonstigen Leistung (Herunterladen eines Computerspiels) über ein Telekommunikationsnetz (z.B. Mobilfunknetz) oder ein Portal (z.B. im Internet) eingeschaltet. Allein aufgrund der Einschaltung des Unternehmers B in die Erbringung der sonstigen elektronischen Leistung nimmt § 3 Abs. 11a UStG an, dass Unternehmer B im eigenen Namen jedoch für fremde Rechnung handelt.

Im Gegensatz dazu fingiert § 3 Abs. 11 UStG die Dienstleistungskommission erst dann, wenn der Unternehmer tatsächlich im eigenen Namen jedoch für fremde Rechnung handelt (s.a. Monfort in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 3 Abs. 11a UStG; Rz. 4 ff.).

Diese in § 3 Abs. 11a UStG gesetzlich verankerte Vermutung kann vom Unternehmer – hier dem Vermittler B – widerlegt werden (s.u.).

Nach § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG gilt grundsätzlich die Vermutung, dass B im eigenen Namen jedoch für Rechnung von A gehandelt hat (Dienstleistungskommission) und somit die sonstige Leistung sowohl von A an B als auch von B an C erbracht wurde.

Hinweis:

Nach der Terminologie von § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG ist A der »Anbieter« und B der »Unternehmer«. (s.a. Monfort in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 3 Abs. 11a UStG; Rz. 48).

4.3. Ausnahme von der Anwendung der Branchenlösung

Nach § 3 Abs. 11a Satz 2 UStG kann der »Unternehmer« (die Mittelsperson) die Vermutung widerlegen. Die Anwendung der Branchenlösung des § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG gilt nach den Sätzen 2 und 3 des § 3 Abs. 11a UStG nicht, wenn der Anbieter der sonstigen Leistung (Eigentümer der Inhalte) vom beteiligten Unternehmer (Mittelsperson) als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist nach Satz 3 des § 3 Abs. 11a UStG erfüllt, wenn

  1. in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung i.S.d. Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;

  2. in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung i.S.d. Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.

Wird die Vermutung wirksam widerlegt, leistet der Inhaltsanbieter direkt an den Endkunden (s.u. die Alternative 2 des Beispiels 2).

4.4. Rückausnahme zur Anwendung der Branchenlösung

Nach Satz 4 des § 3 Abs. 11a UStG findet die Ausnahme nach den Sätzen 2 und 3 keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung i.S.d. Satzes 2

  1. die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,

  2. die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder

  3. die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.

Von einer Autorisierung der Abrechnung ist auszugehen, wenn der Unternehmer (Mittelsperson) die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger entscheidend beeinflusst. Dies beinhaltet insbes. die Beeinflussung des Zeitpunktes der Zahlungen und die eigentliche Belastung des Kundenkontos. So autorisiert regelmäßig der Plattforminhaber, über die die Leistung bezogen worden ist, die Zahlung, wenn er hierfür entsprechende Zahlungsmodalitäten auf elektronischem Weg zur Verfügung stellt.

Die gleichen Schlussfolgerungen gelten hinsichtlich der Genehmigung der Erbringung der sonstigen Leistung. So gilt die Vermutung als nicht widerlegbar, wenn der Unternehmer die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder die Erbringung selbst übernimmt oder einen Dritten damit beauftragt. Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Unternehmer als Inhaber der Plattform, über die die Leistung bezogen werden kann, die Erbringung genehmigt.

Der Unternehmer (Mittelsperson) legt die allgemeinen Bedingungen hinsichtlich der Leistungserbringung fest, wenn die Erbringung der sonstigen Leistung zwischen den beteiligten Unternehmen in der Kette oder an den eigentlichen Endverbraucher auf Grundlage der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers (Mittelsperson) von seiner Entscheidung abhängig wird (s.a. BR-Drs. 184/14, 93).

4.5. Genereller Ausschluss von der Branchenregelung nach § 3 Abs. 11a Satz 5 UStG

Bei der Bestimmung des Regelungsinhaltes des § 3 Abs. 11a UStG ist auch der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 in die Verordnung (EU) Nr. 282/2011 neu eingefügte Art. 9a der MwStVO) zu beachten Nach Art. 9a Abs. 3 MwStVO finden die Dienstleistungskommissionsgrundsätze keine Anwendung, wenn der Unternehmer (Mittelsperson) lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung abwickelt (sog. Mobile Payment wie z.B. Web-Billing oder Premium-SMS) und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist. Da eine Beteiligung bzw. Einschaltung des Unternehmers bereits nach § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG notwendig ist, dient Satz 5 lediglich der Umsetzung des vollständigen Regelungsinhaltes des Art. 9a MwStVO und ist insoweit als rein klarstellend zu verstehen.

Beispiel 2:

Der Beispielsfall ist dem Sachverhalt des Urteils des Sächsischen FG vom 7.3.2013 (6 K 1450/10, UR 2013, 791, LEXinform 5014738, rkr.) nachgebildet (s.a. Anmerkung vom 30.5.2013, LEXinform 0943852).

Die Endkunden bestellen über einen russischen Unternehmer R Dienstleistungen via Internet, die ein Deutscher Unternehmer U dem R in Russland zur Verfügung stellt. Es handelt sich dabei insbesondere um diverse erotische Inhalte. Die Endkunden können die bei R »gespiegelten« Internet-Seiten über eine von R gestaltete Anmelde- und Bezahlseite in Anspruch nehmen

Alternative 1:

U stellt die Internet-Dienstleistungen im Rahmen eines Webmaster-Rahmenvertrags dem R zur Verfügung. Der Rahmenvertrag regelt u.a., dass

  • R das Zugangs- und Zahlungsverfahren bereitstellt sowie

  • den Forderungseinzug für die von den Endkunden geschuldeten Entgelte übernimmt.

Für die Endkunden ist nicht ersichtlich, dass U als Leistungserbringer auftritt.

Alternative 2:

Der russische Unternehmer R benennt den deutschen Unternehmer U ausdrücklich als Leistungserbringer. R hat Rechnungen an die Endkunden im Namen und für Rechnung des U auszustellen.

Alternative 3:

Neben der Benennung des deutschen Unternehmers U als Leistungserbringer hat der russische Unternehmer R die Abrechnung gegenüber den Leistungsempfängern entscheidend beeinflusst und die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festgelegt.

Lösung 2:

Alternative 1:

Da die Branchenlösung als rein umsatzsteuerrechtliche Regelung konzipiert war, wurde die Regelung aus gesetzsystematischen Gründen unter Beachtung der unionsrechtlichen und nationalen Umsatzsteuervorschriften durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) mit Wirkung zum 1.1.2015 in das UStG eingefügt (§ 3 Abs. 11a UStG) und dabei die bisherige Branchenlösung des § 45h Abs. 4 TKG aufgehoben (s.a. BT-Drs. 18/1529; 74 ff.).

In Fällen, in denen elektronische Dienstleistungen über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal wie z.B. einen App Store erbracht werden, ist nach § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG davon auszugehen, dass ein an dieser Erbringung beteiligter Unternehmer (TNB; R in Russland) im eigenen Namen, aber für Rechnung des leistenden Unternehmers der elektronischen Dienstleistung (U in Deutschland) tätig ist. Diese Regelung dient dem Zweck, den für die Besteuerung maßgeblichen leistenden Unternehmer zu bestimmen.

Es gilt der Grundsatz des § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG. Der russische Unternehmer R gilt i.S.v. § 3 Abs. 11 UStG als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. R ist Leistungsempfänger und zugleich Leistender. R erbringt Leistungen gleichen Inhalts wie U. Personenbezogene Merkmale sind für jede Leistung innerhalb der Dienstleistungskommission gesondert zu betrachten (Abschn. 3.15 Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE).

R erbringt B2C-Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG (s.a. Abschn. 3a.12 Abs. 3 Nr. 7 UStAE). Die Leistungen werden am Wohnsitz des Endverbrauchers ausgeführt. Unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4c UStG kann sich R in Deutschland erfassen lassen (s. Abschn. 18.7a UStAE; → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Mini-one-stop-shop für nicht im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer«). § 18 Abs. 4c UStG i.d.F. ab 1.7.2021 gilt für vor dem 1.7.2021 ausgeführte Umsätze (s.a. Abschn. 18.7a UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).

Durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wurde mit Wirkung vom 1.4.2021 u.a. § 18i UStG eingefügt (→ Voranmeldung). Ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet nach dem 30.6.2021 als Steuerschuldner sonstige Leistungen an Nichtunternehmer erbringt, kann sich unter bestimmten Bedingungen dafür entscheiden, nur in einem EU-Mitgliedstaat erfasst zu werden und an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18i UStG teilzunehmen (sog. One-Stop-Shop -Nicht-EU-Regelung; Abschn. 18i.1Abs. 1 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).

U erbringt B2B-Leistungen, die nach § 3a Abs. 2 UStG in Russland als ausgeführt gelten.

Alternative 2:

Die Anwendung der Branchenlösung des § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG gilt nach den Sätzen 2 und 3 des § 3 Abs. 11a UStG nicht, wenn der Anbieter der sonstigen Leistung (U in Deutschland) vom beteiligten Unternehmer (R in Russland) als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist nach Satz 3 des § 3 Abs. 11a UStG erfüllt, wenn

  1. in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung i.S.d. Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;

  2. in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung i.S.d. Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.

R erbringt an U Zugangs- und Inkassoleistungen (B2B-Leistungen), die nach § 3a Abs. 2 UStG in Deutschland als ausgeführt gelten. U schuldet die USt nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG.

U erbringt elektronische B2C-Dienstleistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG an die Endverbraucher. Die Leistungen werden am Wohnsitz der Endverbraucher ausgeführt. Für U ist eventuell die Regelung des § 18h UStG anwendbar (Abschn. 18h.1 UStAE; → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Mini-one-stop-shop für inländische Unternehmer«).

§ 18h UStG i.d.F. ab 1.7.2021 gilt für vor dem 1.7.2021 ausgeführte Umsätze (s.a. Abschn. 18h.1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).

Durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wurde mit Wirkung vom 1.4.2021 u.a. § 18j UStG eingefügt (→ Voranmeldung).

Ein Unternehmer, der in der EU ansässig ist und nach dem 30.6.2021 in einem anderen EU-Mitgliedstaat sonstige Leistungen an Nichtunternehmer ausführt, für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, kann sich dafür entscheiden, an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG teilzunehmen (sog. One-Stop-Shop -EU-Regelung; Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).

Alternative 3:

Es gilt die Rückausnahme des § 3 Abs. 11a Satz 4 UStG, wonach die Branchenlösung des Satzes 1 anwendbar ist (s. Lösung Alternative 1).

5. Einziehung urheberrechtlicher Vergütungen durch Verwertungsgesellschaften

Mit Urteil vom 21.1.2021 (C-501/19, UR 2021, 739) hat der EuGH entschieden, dass Art. 28 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass eine Verwertungsgesellschaft, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Inhaber von Urheberrechten an Musikwerken Vergütungen einzieht, die diesen als Gegenleistung für die Erlaubnis zur öffentlichen Wiedergabe ihrer geschützten Werke zustehen, als »Steuerpflichtiger« i.S.d. Vorschrift handelt und daher zu behandeln ist, als ob sie diese Dienstleistung von den Rechteinhabern erhalten und sie anschließend selbst an die Endnutzer erbracht hätte. In einem solchen Fall ist die Verwertungsgesellschaft verpflichtet, dem Endnutzer Rechnungen in ihrem Namen auszustellen, in denen die von ihm eingezogenen Vergütungen einschließlich Mehrwertsteuer ausgewiesen sind. Die Rechteinhaber sind ihrerseits verpflichtet, der Verwertungsgesellschaft Rechnungen auszustellen, die die Mehrwertsteuer für die im Rahmen der erhaltenen Vergütungen erbrachte Leistung ausweisen.

Es handelt sich um eine Dienstleistungskommission i.S.d. § 3 Abs. 11 UStG zwischen dem Urheber als Kommittent, der Verwertungsgesellschaft (GEMA) als Kommissionärin und dem Endverbraucher. S. dazu die ausführliche Kommentierung unter → Leistungsaustausch und dort unter dem Gliederungspunkt »Zahlungen an Verwertungsgesellschaften und deren Ausschüttungen«.

6. Beispiele

Beispiele zur Leistungskommission s. Abschn. 3.15 Abs. 6 und 7 UStAE. S.a. die Vfg. der OFD Magdeburg vom 26.4.2012 (S 7419 – 16 – St 245, UR 2012, 619, LEXinform 5234134).

Beispiel 3:

Der im Inland ansässige Spediteur G besorgt für den im Inland ansässigen Unternehmer B im eigenen Namen und für Rechnung des B die inländische Beförderung eines Gegenstandes von München nach Berlin. Die Beförderungsleistung bewirkt der im Inland ansässige Unternehmer C.

Lösung 3:

Da G in die Erbringung einer Beförderungsleistung eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen jedoch für fremde Rechnung handelt, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht (Leistungseinkaufskommission). Die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung ist umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich. C erbringt an G eine im Inland stpfl. Beförderungsleistung (§ 3a Abs. 2 UStG). G hat gegenüber B ebenfalls eine im Inland stpfl. Beförderungsleistung abzurechnen (§ 3a Abs. 2 UStG). G darf für die vereinbarte Geschäftsbesorgung keine Rechnung an B erstellen. Eine solche Rechnung, in der die USt offen ausgewiesen ist, führt zu einer Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG (Abschn. 3.15 Abs. 4 UStAE).

Beispiel 4:

Der im Inland ansässige Eigentümer E eines im Inland belegenen Ferienhauses beauftragt G mit Sitz im Inland im eigenen Namen und für Rechnung des E, Mieter für kurzfristige Ferienaufenthalte in seinem Ferienhaus zu besorgen.

Lösung 4:

Da G in die Erbringung sonstiger Leistungen (kurzfristige – stpfl. – Vermietungsleistungen gem. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, gelten die Leistungen als an ihn und von ihm erbracht. Die Vermietungsleistungen des E an G sind im Inland steuerbar (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG) und als kurzfristige Vermietungsleistungen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) stpfl. G erbringt an die Mieter steuerbare und stpfl. Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG. G ist nach § 25 Abs. 4 UStG nicht berechtigt, die in den Rechnungen des E ausgewiesenen Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen.

Beispiel 5:

Sachverhalt wie in Beispiel 4, jedoch befindet sich das Ferienhaus des E in Belgien.

Lösung 5:

Die Vermietungsleistungen des E an G sind im Inland nicht steuerbar (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG).

G erbringt an die Mieter Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG. Die Leistungen sind nach § 25 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG steuerbar und mangels Steuerbefreiung stpfl.

Beispiel 6:

Sachverhalt wie in Beispiel 4, jedoch befindet sich das Ferienhaus des E in der Schweiz.

Lösung 6:

Die Vermietungsleistungen des E an G sind im Inland nicht steuerbar. Die sonstigen Leistungen werden nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG in der Schweiz ausgeführt (Belegenheitsort).

G erbringt an die Mieter steuerbare Reiseleistungen, die nach § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei sind, weil die Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden.

Beispiel 7:

Privatmann P aus Belgien erwarb am 9.9.19 von Unternehmer U aus Prüm/Eifel einen größeren Gegenstand für 1 000 € zzgl. 190 € USt (Rechnung vom 11.9.19). P beauftragt den in Prüm ansässigen Spediteur S damit, für den Transport nach Belgien zu sorgen. S beauftragt mit der Durchführung des Transports den Fuhrunternehmer Leonard (L) aus Luxemburg. Dabei tritt S wie mit P abgesprochen im eigenen Namen, aber auf Rechnung des P auf. Die Rechnung des L vom 13.9.19 über genau 100 € bezahlt S umgehend. S berechnet dem P am 14.9.19 ohne Ausweis von Umsatzsteuer 150 €, die P umgehend begleicht. L holt am 13.9.19 den Gegenstand in Prüm ab und übergibt ihn am nächsten Tag (14.9.19) dem P in Belgien.

Lösung 7:

U erbringt an P eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG, indem er ihm an dem Gegenstand Verfügungsmacht verschafft. Der Ort richtet sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1, 3 und 4 UStG und ist in Prüm. Die Ortsvorschrift des § 3c UStG ist nicht anzuwenden, da nicht der Lieferer, sondern der Abnehmer den Liefergegenstand in den anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet. Die Lieferung ist somit steuerbar und steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung kommt nicht in Betracht. Insbesondere ist P als Privatperson kein Abnehmer i.S.v. § 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG, weswegen es sich hier nicht um eine nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Bemessungsgrundlage ist das Entgelt, hier 1 000 €, die Umsatzsteuer beträgt 190 €.

Da S im eigenen Namen auftritt, erbringt L an ihn eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, nämlich eine Beförderungsleistung. Da S als Leistungsempfänger Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmen bezieht, ist Ort dieser Leistung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG der Sitzort des Empfängers S, hier also Prüm. Dies ist Inland, die Leistung ist steuerbar und mangels Befreiung auch steuerpflichtig. Das Entgelt beträgt 100 €, die Steuer 19 €. Es handelt sich hierbei um einen Fall des § 13b Abs. 1 UStG. L ist nach § 13b Abs. 7 Satz 2 UStG ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Luxemburg) ansässiger Unternehmer und die von ihm erbrachte Leistung ist wegen § 3a Abs. 2 UStG im Inland erbracht. Die Steuer entsteht daher nach § 13b Abs. 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums September, da die Beförderung mit Vollendung am 14.9.19 erbracht wird. Steuerschuldner ist nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG der Leistungsempfänger S. S kann die 19 € gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abziehen.

Die zivilrechtliche Geschäftsbesorgung des S an P wird umsatzsteuerlich wegen § 3 Abs. 11 UStG umgewidmet in eine Beförderungsleistung des S an P. Denn S ist in die Erbringung einer sonstigen Leistung (Beförderung durch L) eingeschaltet und tritt im eigenen Namen, aber für Rechnung des P auf (Dienstleistungskommission). Ort der Beförderungsleistung des S ist nach § 3b Abs. 3 UStG dort, wo die Beförderung beginnt, hier Prüm. Es handelt sich hierbei um eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung, denn es wird eine Ware von einem Mitgliedstaat in einen anderen befördert (von Deutschland nach Belgien) und der Leistungsempfänger P ist kein Unternehmer. Somit ist die Leistung steuerbar und steuerpflichtig. Das Entgelt beträgt 126,05 €, die USt 23,95 €.

Beispiel 8:

Die A-GbR betreibt einen Hotelservice und besorgt auch Eintrittskarten für Veranstaltungen der Oper in Dresden. Die GbR bestellt nach Bestätigung des Kundenauftrags die gewünschten Eintrittskarten. Die Eintrittskarten werden von der GbR bezahlt und nach Aushändigung an den Auftraggeber per Post oder persönlich weitergegeben. Der Auftraggeber wiederum zahlt an die GbR. Die Vergütung umfasst den Preis der Eintrittskarten und ein variables Entgelt für den Aufwand der GbR.

Ein Recht auf Rückvergütung für den Fall, dass der Auftraggeber die von der GbR besorgten Eintrittskarten nicht mehr benötigt, besteht nicht. Bei Stornierung des Besorgungsauftrags nach Ankauf von Eintrittskarten hat der Auftraggeber die Kosten zu tragen.

Lösung 8:

Zu Sachverhalt und Lösung s. das BFH-Urteil vom 25.4.2018 (XI R 16/16, BStBl II 2021, 457; s.a. Hundt-Eßwein, UStB 10/2018, 304).

Die GbR hat mit der Beschaffung der Opern-Eintrittskarten für die Hotelgäste Besorgungsleistungen i.S.v. § 3 Abs. 11 UStG erbracht.

§ 3 Abs. 11 UStG fingiert eine Leistungskette. Die aus Sicht des Zivilrechts erbrachte Geschäftsbesorgungsleistung des eingeschalteten Unternehmers – hier der GbR – wird mithin umsatzsteuerrechtlich negiert und eine bestimmte sonstige Leistung – hier die Berechtigung zum Besuch einer Oper – zwischen dem eingeschalteten Unternehmer und seinem Auftraggeber – hier den beauftragenden Hotelgästen – fingiert (Abschn. 3.15 Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Die von der GbR besorgten Eintrittskarten berechtigten jeweils zum Besuch einer Oper. Hierbei handelt es sich um eine sonstige Leistung. Denn mit einer Eintrittskarte erwirbt der Inhaber das Recht, eine bestimmte Leistung des Verpflichteten – hier eine Opernaufführung durch deren Besuch – in Empfang zu nehmen. Der wesentliche Inhalt des Geschäfts ist der mit dem Erwerb der Eintrittskarte verbundene Anspruch auf eine Dienstleistung. Der wirtschaftliche Gehalt der Leistung ist auf den Besuch einer bestimmten Veranstaltung gerichtet. Der Verkauf einer Eintrittskarte stellt daher keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung dar (vgl. auch BFH Urteil vom 3.6.2009, XI R 34/08, BStBl II 2010, 857, Rz 14).

Die GbR ist in die Erbringung der von der Oper ausgeführten sonstigen Leistungen i.S.v. § 3 Abs. 11 UStG auch eingeschaltet. Denn die GbR hat Eintrittskarten für Veranstaltungen der Oper im Kundenauftrag besorgt. Die Eintrittskarten werden von ihr bezahlt und nach Aushändigung an den Auftraggeber, der wiederum an die GbR zahlt, per Post oder persönlich weitergegeben.

Die in den Leistungseinkauf eingeschaltete GbR hat dabei im eigenen Namen gehandelt. Für die Anwendung des § 3 Abs. 11 UStG ist allein das Auftreten nach außen entscheidend. Nur wenn der eingeschaltete Unternehmer im eigenen Namen auftritt, kann er als Kommissionär auftreten. Tritt er dagegen im fremden Namen auf, handelt er als Vermittler, die Leistungsbeziehung kommt dann allein zwischen seinem Auftraggeber und dem Dritten zustande.

Die GbR hat im Rahmen des betreffenden Leistungseinkaufs ferner auch auf fremde Rechnung gehandelt. Vom Eigenhändler unterscheidet sich der Dienstleistungskommissionär durch sein Handeln für fremde Rechnung. Im Innenverhältnis muss er für seinen Auftraggeber ein fremdes Geschäft besorgen und sich gemäß § 667 BGB, § 384 Abs. 2 HGB verpflichten, seinem Auftraggeber das infolge seines ausgeführten Auftrags Erlangte herauszugeben. Die wirtschaftlichen Folgen der besorgten Leistung sollen bei einem Handeln für fremde Rechnung des Auftragnehmers entsprechend den zivilrechtlichen Vereinbarungen nur den Auftraggeber treffen.

Die GbR hat mithin die Voraussetzungen des § 3 Abs. 11 UStG erfüllt mit der Folge, dass die Leistungen der Oper als an sie erbracht gelten und solche Leistungen von ihr an ihre Auftraggeber als erbracht fingiert werden. Diese sonstigen Leistungen der GbR i.S.v. § 3 Abs. 11 UStG unterliegen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG.

Die Leistungen der Oper unterliegen als begünstigte bestimmte kulturelle Leistungen (Theater) eines bestimmten Leistungserbringers (Land) der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG. Die Steuerbefreiung kann der Veranstalter in Anspruch nehmen.

Die Leistungen der Leistungskette, d.h. die an den Auftragnehmer erbrachte und die von ihm ausgeführte Leistung, werden bezüglich ihres Leistungsinhalts gleich behandelt (so auch Abschn. 3.15 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften sind mithin auch auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden. Da sich die Fiktion des § 3 Abs. 11 UStG auf die Leistungen selbst und deren Inhalt bezieht, nicht aber auf die leistende Person (Abschn. 3.15 Abs. 3 Satz 1 UStAE), sind die umsatzsteuerrechtlichen Merkmale der von dem Dritten besorgten Leistung in gleicher Weise für die Besorgungsleistung des vom Auftraggeber mit der Geschäftsbesorgung betrauten Unternehmers maßgeblich. Die besorgte Leistung und die Besorgungsleistung teilen deshalb umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich das gleiche Schicksal; beide sind beispielsweise steuerpflichtig oder steuerfrei.

Danach gilt vorliegend die Steuerbefreiung für die Leistungen der Oper gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichermaßen für die fraglichen Leistungen der GbR an ihre Auftraggeber. Die Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b UStG weisen im Verhältnis zu anderen Befreiungen jedenfalls keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, sie vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 11 UStG auszunehmen. Soweit § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 oder Buchst. b UStG nur für den Veranstalter gilt, steht dies einer Steuerbefreiung der Leistungen der GbR nicht entgegen. Denn diese Veranstaltereigenschaft wird für die Leistungen in der Leistungskette nach § 3 Abs. 11 UStG ebenso fingiert. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG findet mithin auf die i.S.v. § 3 Abs. 11 UStG weitergeleiteten Leistungen der Oper Anwendung (so auch OFD Frankfurt vom 8.10.2008, S 7110 A – 2/86 – St 110, UR 2009, 250; s.a. Anmerkung vom 3.8.2018, LEXinform 0880378 sowie BMF vom 9.6.2021, BStBl I 2021, 780 und Abschn. 3.15 Abs. 3 Satz 3 UStAE).

Beispiel 9:

E ist Eigentümer eines Ferienhauses in einer Ferienhausanlage. Die Eigentümer der Häuser schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen, deren Zweck nach dem Gesellschaftsvertrag die gemeinsame Durchführung der »Verwaltung, Bewirtschaftung und Vermietung der 15 Häuser und der Gesamtanlage …« ist. Als Geschäftsführerin bestellten die Gesellschafter eine Steuerberaterin, der die Durchführung sämtlicher kaufmännischer Arbeiten der GbR wie z.B. auch die Werbung und der Abschluss von Verträgen mit Reiseveranstaltern oblag. Die Anlage wurde von einem von der GbR angestellten Verwalter betreut.

Entsprechend dem Gesellschaftsvertrag standen sämtliche Ferienhäuser der Wohnanlage ständig zur Vermietung im Rahmen einer hotelmäßigen Organisation durch kurzfristige Überlassung an wechselnde Mieter bereit. Die GbR bot unter der Bezeichnung »X-Eigentümer GbR« die Ferienhäuser in Prospekten und über örtliche Fremdenverkehrsbüros an. Die nach Bestätigung von den Feriengästen zu bezahlenden Entgelte vereinnahmte die GbR. Entsprechend der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag rechnete die GbR gegenüber den jeweiligen Eigentümern der Häuser entsprechend den für jedes Haus geführten Belegungslisten ab.

In seinen den Umsatzsteuererklärungen machte der Eigentümer E Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Herstellung des Ferienhauses geltend und gab die Vermietungsumsätze an.

Das FA und das FG waren der Auffassung, die Vermietungsleistungen an die Feriengäste habe die GbR erbracht, während die Überlassung der Nutzungsbefugnisse an die Gesellschaft durch die Eigentümer nur ein umsatzsteuerlich nicht relevanter Gesellschafterbeitrag sei.

Nach Auffassung des E sei die GbR lediglich Treuhänderin gewesen und habe hierfür ein kostendeckendes Entgelt erhalten.

Lösung 9:

Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 25.5.2000 (V R 66/99, BStBl II 2004, 310).

Der Anspruch des E auf Abzug der ihm in Rechnung gestellten Steuern setzt u.a. voraus, dass er Unternehmer ist und die Leistungen für sein Unternehmen bezogen hat.

E war Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG), der gegenüber seiner Gesellschaft Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) erbracht hat oder der jedenfalls so zu behandeln ist, als habe er die Vermietungsleistungen der GbR an diese erbracht.

Dabei ist davon auszugehen, dass E die Unternehmereigenschaft nicht aufgrund unmittelbarer Vermietung an Feriengäste erlangte. Denn nicht der E, sondern die GbR hat an Feriengäste oder Touristikunternehmen vermietet. Für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Überlassung der Nutzungsbefugnis an die GbR umsatzsteuerrechtlich als entgeltliche Leistung oder als Gesellschafterbeitrag zu beurteilen ist.

Für die Frage der Steuerbarkeit von Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft und dementsprechend für die Berechtigung des Gesellschafters zum Abzug von Vorsteuer aus damit zusammenhängenden Vorbezügen kommt es allein darauf an, ob ein Leistungsaustausch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt.

Für die Beurteilung der Nutzungsüberlassung des Gesellschafters an die Gesellschaft als entgeltliche Leistung genügt es, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag und dessen tatsächlicher Durchführung dem Gesellschafter für die Nutzungsüberlassung der Betrag zusteht, den die Gesellschaft durch die tatsächliche Vermietung seines Hauses vereinnahmt hat. Sind die Zahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Hauses durch die Gesellschaft aufgrund der Übertragung der Nutzungsbefugnis an die Gesellschafter abhängig, stehen Nutzungsüberlassung und Entgeltsanteil in einem Leistungsaustauschverhältnis. Dass die Übertragung der Vermietungsbefugnis an die Gesellschaft auch notwendig ist, um den Gesellschaftszweck, die gemeinschaftliche Vermietung, erst zu ermöglichen, ist insoweit unerheblich.

Von Vermietungsleistungen des E an die GbR ist schon deshalb auszugehen, weil nach § 3 Abs. 11 UStG die GbR, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschafter vermietet, so zu behandeln ist, als habe sie die Vermietungsleistungen selbst erhalten. Danach sind, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung ausführt, die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistungen entsprechend anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass die Leistung des E – ebenso wie die der GbR als Vermietung von Wohnräumen, die zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten werden – nicht nach § 4 Nr. 12 UStG steuerbefreit sind.

Der Vorsteuerabzug des E ist somit nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

7. Literaturhinweise

Tiedke, Dienstleistungskommission im Umsatzsteuerrecht – Dargestellt an einem Beispiel aus dem Bereich der Telekommunikation –, UR 2003, 129; Dahlmanns, Hotelier kann Opern-Eintrittskarten umsatzsteuerfrei besorgen, NWB 46/2018, 3392; Hundt-Eßwein, Neue Erkenntnisse über die umsatzsteuerliche Besorgungsleistung nach § 3 Abs. 11 UStG (BFH v. 25.4.2018, XI R 16/16), UStB 10/2018, 304; Müller, BMF-Schreiben vom 9.6.2021 zur Steuerbefreiung der Besorgungsleistung von Kommissionären, NWB 27/2021, 1928.

8. Verwandte Lexikonartikel

Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen

Leistungsaustausch

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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