1 Allgemeines/Aktuelles
1.1 Grundsätze
1.2 Aktuelle Entscheidungen
2 Begründung einer doppelten Haushaltsführung
2.1 Ausschluss einer Auswärtstätigkeit
2.2 Eigener Hausstand
2.3 Berufliche Veranlassung
2.3.1 Allgemeines
2.3.2 Einzelfälle
2.4 Wohnen an der ersten Tätigkeitsstätte (Beschäftigungsort)
2.5 Beispiele
2.6 Schaubild zur Prüfung dem Grunde nach
3 Beendigung einer doppelten Haushaltsführung
4 Höhe der Aufwendungen
4.1 Allgemeines
4.2 Fahrtkosten
4.3 Verpflegungsmehraufwendungen
4.4 Unterkunftskosten/Aufwendungen für die Zweitwohnung
4.5 Umzugskosten/Sonstige Mehraufwendungen
4.6 Erstattung durch den Arbeitgeber
4.7 Schaubild zur Prüfung der Höhe der Kosten
5 Doppelte Haushaltsführung im Rahmen der Gewinneinkünfte
6 Arbeitszimmer im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung
7 Werbungskostenabzug bei steuerfreiem Forschungsstipendium
8 Umsatzsteuer im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung
9 Literaturhinweise
10 Verwandte Lexikonartikel
Arbeitnehmer können die notwendigen Mehraufwendungen, die aufgrund einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten ansetzen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.
Demnach können Kosten der Lebensführung – wie beispielsweise für Wohnen und Verpflegung – steuerrechtlich geltend gemacht werden, dies unterstützt die Flexibilität der Arbeitnehmer, da es ihm nicht möglich ist, täglich zu seiner Hauptwohnung zurückzukehren. Diesen Umstand hat der Gesetzgeber wahrgenommen und ermöglicht den Abzug der Mehraufwendungen bei einer doppelten Haushaltsführung. Hauptanwendungsfälle einer doppelten Haushaltsführung bilden die Arbeitnehmer. Nicht ausgeschlossen ist aber auch eine Ausweitung auf die übrigen Überschusseinkünfte, auch wenn deren praktische Bedeutsamkeit durchaus überschaubar sein dürfte. Bedeutsamer sind die Fälle der doppelten Haushaltsführung bei den selbstständig Tätigen mit Gewinneinkünften im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs.
Unter drei Voraussetzungen können als Mehraufwand die pauschalen Verpflegungs-, die tatsächlichen Fahrt- (inkl. der pauschalen Familienheimfahrtkosten) und die (tatsächlichen) Übernachtungskosten abgezogen werden:
Unterhalt eines eigenen Hausstands am Wohnort,
berufliche Veranlassung,
zweite Wohnung an der ersten Tätigkeitsstätte.
Die beruflich begründete doppelte Haushaltsführung wird steuerlich unbefristet anerkannt mit der Folge, dass der Werbungskostenabzug nach dieser Vorschrift für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses anzuerkennen ist.
Das BMF-Schreiben vom 24.10.2014 (BStBl I 2014, 1412) enthält unter den Rz. 99 bis 109 ausführliche Regelungen zur Neufassung. Mit Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 hat das BMF das bisherige Schreiben überarbeitet und an die aktuelle BFH-Rspr. angepasst. Insbes. im Bereich der doppelten Haushaltsführung ergaben sich diverse Ergänzungen/Klarstellungen (Rz. 100 bis 114).
Nutzt der ArbN ein ihm von seinem ArbG auch zur außerdienstlichen Nutzung überlassenes Kfz für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, so scheidet ein Werbungskostenabzug auch dann aus, wenn der ArbN hierfür ein Nutzungsentgelt leisten muss oder individuelle Kfz-Kosten zu tragen hat; vgl. BFH vom 4.8.2022, VI R 35/20.
Kosten der Lebensführung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG sind die Kosten des Haushalts und die sonstigen Lebenshaltungskosten im Haupthausstand. Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung darf nicht erkennbar unzureichend sein. Ob dies der Fall ist, bedarf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Eine bestimmte betragliche Grenze sieht das Gesetz nicht vor, ebenso wenig ist eine laufende Beteiligung erforderlich; vgl. BFH vom 12.1.2023, VI R 39/19.
Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten notwendig sind (entgegen: BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 112). Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig; vgl. BFH vom 9.8.2023, VI R 20/21.
Ob das Vorhalten einer Wohnung am Arbeitsort aus ausschließlich beruflichen Gründen während der Elternzeit eine doppelte Haushaltsführung darstellt, musste das FG Berlin-Brandenburg (FG Berlin-Brandenburg vom 1.6.2017, 3 K 3278/14) entscheiden: In dem Sachverhalt war die Stpfl. Oberärztin und unterhielt eine Wohnung in Berlin (Miete). Infolge der Geburt der Tochter im Jahr 2014 befand sich die Stpfl. in Elternzeit und zog zu dem Lebensgefährten nach Hannover. Nach der Planung der Familie sollte der Familienwohnsitz mit dem Kind in Hannover bleiben und die Stpfl. sollte nach dem Ende der Elternzeit wieder ihre bisherige Vollzeitstelle in Berlin aufnehmen. Wegen des starken Wohnungsmangels in Berlin wurde die dortige Wohnung beibehalten und die Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung begehrt. Als die Stpfl. im Jahr 2016 eine Vollzeitstelle in der Nähe von Hannover fand, wurde die Wohnung in Berlin gekündigt. Das FG Berlin-Brandenburg akzeptierte die Behandlung als Werbungskosten, aber nicht im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, da in der Wohnung kein Haushalt geführt wurde. Die Kosten wurden als allgemeine Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anerkannt. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 23.10.2019, VI R 1/18 wie folgt: Aufwendungen für eine Wohnung sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nur dann als vorab entstandene Werbungskosten einer doppelten Haushaltsführung abziehbar, wenn der Stpfl. endgültig den Entschluss gefasst hat, die Wohnung zukünftig im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu nutzen. Ob dies der Fall ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Mietaufwendungen für eine ursprünglich für eine doppelte Haushaltsführung genutzte Wohnung können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer neuen Arbeitsplatzsuche als (vorweggenommene) WK abgezogen werden; vgl. FG Münster vom 12.6.2019, 7 K 57/18.
Übernachtungs- und Verpflegungsmehraufwendungen können auch bei Auswärtstätigkeiten im Rahmen der Reisekosten steuerlich geltend gemacht werden Da dafür aber hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen andere Grundsätze gelten, sind beide voneinander zu trennen. Es ist stets zu prüfen, welche Art von Unterkunftskosten geltend gemacht wird. Es ist zunächst zu hinterfragen, ob die entstandenen Aufwendungen aufgrund einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit erwachsen sind und demnach den Reisekosten zuzuordnen sind, da allgemein der Grundsatz gilt: Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, solange die auswärtige Beschäftigung als Auswärtstätigkeit anzuerkennen ist; vgl. LStR 9.11 Abs. 1 Satz 2).
Beispiel 1:
G ist Manager eines Mainzer Bundesligavereins (= erste Tätigkeitsstätte, TS) und wohnt mit seiner Familie in einem Mainzer Vorort. In der Sommerpause wird er von seinem Arbeitgeber zu einer beruflichen Fortbildung des DFB nach Frankfurt (zweite Tätigkeitsstätte) abgeordnet, die zwei Monate dauert. Für diese Zeit mietet sich G eine Mietwohnung in einem Vorort von Frankfurt.
Lösung 1:
Der Besuch der Fortbildung stellt eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit dar, die Vorrang gegenüber der doppelten Haushaltsführung hat. Die entstandenen Aufwendungen sind nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu ermitteln, sondern nach Reisekostengrundsätzen. Entscheidend für den Ausschluss der doppelten Haushaltsführung ist im vorliegenden Beispiel, dass Frankfurt nicht zur ersten Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG wird.
Allerdings ist nach § 9 Abs. 4a Satz 13 EStG für die Gewährung von Verpflegungsmehraufwendungen folgender Umstand zu beachten: Die Dauer einer Auswärtstätigkeit an dem Tätigkeitsort, an dem die doppelte Haushaltsführung begründet wurde, ist auf die Dreimonatsfrist anzurechnen, wenn sie ihr unmittelbar vorausgegangen ist.
Das Vorliegen eines eigenen Hausstands setzt zunächst das Innehaben einer Wohnung aus eigenem Recht als Eigentümer oder Mieter bzw. aus abgeleitetem Recht als Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte sowie Mitbewohner voraus. In dieser Wohnung muss der Arbeitnehmer einen Haushalt unterhalten, das heißt, er muss die Haushaltsführung bestimmen oder wesentlich mitbestimmen. Nach dem BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 101 genügt es somit nicht, wenn der Arbeitnehmer z. B. im Haushalt der Eltern lediglich ein oder mehrere Zimmer unentgeltlich bewohnt oder wenn dem Arbeitnehmer eine Wohnung im Haus der Eltern unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird. Es ist nicht erforderlich, dass in der Wohnung am Ort des eigenen Hausstands hauswirtschaftliches Leben herrscht; z.B. wenn der ArbN seinen nicht berufstätigen Ehegatten an den auswärtigen Beschäftigungsort mitnimmt oder der ArbN nicht verheiratet ist. Eine Wohnung wird auch dann aus abgeleitetem Recht genutzt, wenn diese zwar allein vom Lebenspartner des Stpfl. angemietet wurde, der Stpfl. sich aber mit Duldung seines Partners dauerhaft dort aufhält und sich finanziell in einem Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, der darauf schließen lässt, dass eine gemeinsame Haushaltsführung vorliegt (BFH vom 12.9.2000, VI R 165/97, BStBl II 2001, 29). Vgl. hierzu auch das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 9.6.2011, 2 K 4399/09: Die Nachweispflicht für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung trägt der Stpfl. Die Feststellungslast umfasst auch eine entsprechende Beweisvorsorgepflicht. Die Entgeltlichkeit der Nutzung einer Wohnung ist keine unerlässliche Voraussetzung aber ein Indiz für die Beantwortung der Frage, ob ein eigener Hausstand unterhalten wird. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ein eigener Haushalt wird nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt und die Kosten des Hausstands selbst trägt, sondern in einen fremden Haushalt eingegliedert ist, sodass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann. Verfügt der Arbeitnehmer an seinem Beschäftigungsort über eine Wohnung, die an Größe und Ausstattung die Zimmer im elterlichen Einfamilienhaus übertrifft, spricht vieles dafür, dass das Zimmer bei den Eltern lediglich für Besuchszwecke vorgehalten wird. Die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass er – abgesehen von Urlauben – sich tatsächlich jedes Wochenende an dem Hausstand am Heimatort aufgehalten hat. Bei einer mehr als fünfjährigen Auswärtstätigkeit muss substantiiert dargelegt und nachgewiesen werden, weshalb der Lebensmittelpunkt noch am Heimatort liegt.
Laut R 9.11 Abs. 3 Satz 3 LStR ist nicht erforderlich, dass in der Wohnung am Ort des eigenen Hausstands hauswirtschaftliches Leben herrscht, z.B. wenn der Arbeitnehmer seinen nicht berufstätigen Ehegatten an den auswärtigen Beschäftigungsort mitnimmt oder der Arbeitnehmer nicht verheiratet ist.
Ein eigener Hausstand wird auch anerkannt, wenn die Wohnung zwar allein vom Lebensgefährten des ArbN angemietet wurde, dieser sich aber mit Duldung seines Lebensgefährten dauerhaft dort aufhält und sich finanziell in einem Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, dass daraus auf eine gemeinsame Haushaltsführung geschlossen werden kann (BFH vom 12.9.2000, BStBl II 2001, 29).
Dass die Wohnverhältnisse vergleichsweise einfach oder beengt sind, schließt nicht aus, dass es sich um den Haupthaushalt handelt; die Voraussetzungen des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs müssen nicht erfüllt sind. Es müssen somit nicht neben einer Küche oder Kochgelegenheit auch eine eigene Sanitäreinheit mit Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sein; vgl. BFH vom 14.10.2004, VI R 82/02. Die Räumlichkeiten müssen jedoch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestatten (BFH vom 28.3.2012, VI R 87/10; vgl. auch FG Niedersachsen vom 18.9.2019, 9 K 209/18, Rz. 49 sowie die anschließende Revision vor dem BFH vom 12.1.2013, VI R 29/19, Rz. 30). Unterhält somit ein unverheirateter Arbeitnehmer am Ort des Lebensmittelpunkts seinen Haupthausstand, so kommt es für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung nicht darauf an, ob die ihm dort zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden.
Es ist im Rahmen der doppelten Haushaltsführung zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, zu unterscheiden. Auch wer die Mittel von einem Dritten erhält, kann einen eigenen Haushalt unterhalten. Vom Unterhalten eines eignen Haushalts ist regelmäßig auszugehen, wenn der Haushalt in einer in sich geschlossenen Wohnung geführt wird, die nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Erst- oder Haupthaushalt, den der Stpfl. in einer Wohnung innehat. Ob ein Stpfl. in einer Wohnung einen eigenen Hausstand führt, kann mithin nur unter Berücksichtigung insbes. der Einrichtung, der Ausstattung und der Größe eben dieser Wohnung entschieden werden. Wird der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen sein. Weiter sind aber auch die persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand des Stpfl. zu berücksichtigen. So wird regelmäßig ein junger Stpfl., der nach dem Schulabschluss gerade eine Ausbildung begonnen hat, noch eher in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert sein, wenn er im Haus der Eltern wohnt, selbst wenn er dort auch eigene Räume zur Verfügung hat. Hatte der Stpfl. dagegen schon etwa im Rahmen einer gefestigten Beziehung oder Ehe andernorts einen eigenen Hausstand geführt, ist es regelmäßig nicht fernliegend, dass er einen solchen auch dann weiter unterhalten und fortführen wird, wenn er wieder eine Wohnung im Haus seiner Eltern bezieht (BFH vom 28.3.2012, VI R 87/10, BFH/NV 2012, 1231). Vergleiche auch hierzu das FG Münster vom 7.10.2020, 13 K 1756/18 E unter Rz. 19 und 27: Bei jungen ArbN, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen, ist zu vermuten, dass sie im Haus ihrer Eltern bzw. gemeinsam mit den Eltern keinen eigenen Hausstand unterhalten. Vielmehr ist der junge ArbN in einer solchen Konstellation in den (fremden) Hausstand der Eltern eingegliedert, den er nicht wesentlich bestimmt bzw. mitbestimmt. Dieser vom BFH aufgestellten Regelvermutung ist nach Auffassung des Senats zu folgen; die ihr zugrunde liegenden Wertungen sind zutreffend und überzeugend. Es widerspräche nach Auffassung des Senats dem gesetzlichen Bild der doppelten Haushaltsführung, wenn bei jungen Stpfl., die sich zu keinem früheren Zeitpunkt vollständig aus dem elterlichen Haushalt gelöst hatten und denen – wie dies oftmals der Fall sein dürfte – bei ihren Eltern noch ihr altes Kinder-/Jugendzimmer zur Verfügung steht, im Regelfall von einer doppelten Haushaltsführung auszugehen sein sollte.
Soweit man auch bei der ab 2014 geltenden Rechtslage verlangt, dass der ArbN bei einem Zusammenleben mit den Eltern – in Abgrenzung zu einer schädlichen Eingliederung in einen fremden Haushalt – die Haushaltsführung wesentlich mitbestimmen muss, so ist dieses jedenfalls bei ArbN, die wirtschaftlich selbstständig und berufstätig sind und mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben, regelmäßig zu vermuten (sog. Regelvermutung, vgl. BFH vom 16.1.2013, VI R 46/12, BStBl II 2013, 627).
Zur Auslegung eines eigenen Hausstandes im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushaltes sind die Ausführungen des BFH vom 12.1.2023, VI R 39/19, Rz. 30 zu beachten: Allein die Mitbenutzung der Waschmaschine im Erdgeschoss vermag die von den Brüdern im Obergeschoss und von den Eltern im Erdgeschoss getrennt geführten Haushalte nicht zu einem gemeinsamen Mehrgenerationenhaushalt zu verklammern.
Das FG Baden-Württemberg (FG Baden-Württemberg Urteil vom 16.6.2016, 1 K 3229/14, EFG 2016, 1423 Nr. 17) verlangt, dass der eigene Hausstand und die Zweitwohnung an der ersten Tätigkeitsstätte auseinanderfallen müssen. Als Beschäftigungsort sei nicht die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen, sondern der Bereich, der zu der konkreten Anschrift der Arbeitsstätte noch als Einzugsgebiet anzusehen ist. Ein Arbeitnehmer wohne bereits dann am Beschäftigungsort, wenn er von seiner Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen könne. Dabei würden Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen liegen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen. Bei der Beurteilung der Gesamtumstände komme es nicht darauf an, ob eine tägliche Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde eintritt. In der anschließenden Revision gelangte der BFH mit Urteil vom 16.11.2017, VI R 31/16 zu folgendem Ergebnis: Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn die Hauptwohnung, d.h. der »eigene Hausstand« i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, ebenfalls am Beschäftigungsort belegen ist. Die Hauptwohnung ist i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG am Beschäftigungsort belegen, wenn der Stpfl. von dieser seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Die Entscheidung darüber obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Das BFH-Urteil wird im BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 in Rz. 102 umgesetzt: Eine Hauptwohnung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen, wenn der Stpfl. von dieser Wohnung seine erste Tätigkeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten kann in der Regel als zumutbar angesehen werden.
Die Lage/Entfernung der Hauptwohnung ist somit laut Rspr. und Verwaltung gewichtig für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung. Eine doppelte Haushaltsführung wird verneint, wenn die Hauptwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte oder in deren Nähe liegt. Das BMF setzt das o.g. Urteil in die Verwaltungsauffassung um und führt eine 50-km-Regelung in Rz. 102 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl I 2020,1228 ein: Aus Vereinfachungsgründen kann für die Frage, ob die Hauptwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen ist oder nicht, z.B. wenn sie innerhalb derselben politischen Gemeinde, Stadt oder in deren unmittelbaren Umkreis liegen, die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG) zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte herangezogen werden. Beträgt die Entfernung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte mehr als 50 km, ist davon auszugehen, dass sich die Hauptwohnung außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte befindet.
Beispiel 2 (vgl. Beispiel 62, BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228):
Der ArbN A hat seine Hauptwohnung in B und in C seine erste Tätigkeitsstätte. Die Entfernung von B (Hauptwohnung) nach C beträgt 100 km und die Fahrzeit mit dem ICE 50 Minuten. Der ArbN nimmt sich in Z eine Zweitwohnung. Die Entfernung von dieser Zweitwohnung in Z nach C (erste Tätigkeitsstätte) beträgt 30 km.
Lösung 2:
Aufgrund der Entfernung von mehr als 50 km zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte liegt die Hauptwohnung nicht am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (vgl. Rz. 102). Eine Prüfung der Fahrzeit zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte ist nicht erforderlich. Die Zweitwohnung in Z liegt 30 km entfernt und damit noch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte. Es liegt daher eine doppelte Haushaltsführung vor. Da die kürzeste Straßenverbindung von der Zweitwohnung zur ersten Tätigkeitsstätte (30 km) auch weniger als die Hälfte der Straßenverbindung zwischen Hauptwohnung in B und erster Tätigkeitsstätte beträgt (1/2 von 100 km = 50 km), kann auch von einer beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden.
Beispiel 3 (Abwandlung zu Beispiel 2):
Die Entfernung von B (Hauptwohnung) zur ersten Tätigkeitsstätte beträgt 54 km und die Fahrzeit 70 Minuten. Die Zweitwohnung in Z ist 32 km von der ersten Tätigkeitsstätte entfernt und die tägliche Fahrzeit beträgt 26 Minuten.
Lösung 3:
Aufgrund der Entfernung von mehr als 50 km zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte liegt die Hauptwohnung nicht am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (vgl. Rz. 102). Eine weitergehende Prüfung der Fahrzeit zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte ist nicht erforderlich. Die Zweitwohnung in Z liegt 32 km entfernt und damit noch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte. Es liegt daher eine doppelte Haushaltsführung vor. Zwar beträgt die kürzeste Straßenverbindung von der Zweitwohnung zur ersten Tätigkeitsstätte (32 km) mehr als die Hälfte der kürzesten Straßenverbindung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte (27 km). Allerdings kann A darlegen, dass sich die Fahrzeit zur ersten Tätigkeitsstätte von der Zweitwohnung um mehr als die Hälfte und damit wesentlich verkürzt (Fahrzeit 26 Minuten); daher kann gleichwohl von einer beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden.
Im Übrigen verlangt der Gesetzgeber seit 1.1.2014 auch eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (laufende Kosten der Haushaltsführung; vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG). Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung ist darzulegen und kann auch bei volljährigen Kindern, die bei ihren Eltern oder einem Elternteil wohnen, nicht generell unterstellt werden. Hierdurch will der Gesetzgeber die anders lautende Rechtsprechung vom 16.1.2013, Az. VI R 46/12, umgehen: Der gemeinsame Haushalt von Eltern und Kindern war bereits Streitgegenstand des BFH-Urteils vom 26.7.2012 (BStBl II 2013, 208). Mit Urteil vom 16.1.2013 (BStBl II 2013, 627) hat der BFH die Voraussetzungen der Anerkennung des eigenen Hausstands im Rahmen eines »Mehrgenerationshaushalts« fortentwickelt. Nach der Rspr. ist bei gemeinsamem Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen und berufstätigen Kindern stets davon auszugehen, dass die Kinder – insbes., wenn die Wohnung am Beschäftigungsort lediglich als Schlafstätte dient – maßgebend zur Führung des Hausstands der Eltern beitragen. Insofern ist den Kindern ein eigener Haupthaushalt zuzurechnen. Die Entgeltlichkeit ist dabei keine unerlässliche Voraussetzung, sondern vielmehr ein gewichtiges Indiz. Indessen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der eigene Hausstand ab dem VZ 2014 eine finanzielle Beteiligung des Stpfl., mithin also auch der Kinder im gemeinsamen Haushalt, gesetzlich voraussetzt (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG i.d.F. ab VZ 2014, BStBl I 2013, 188).
Betragen die Barleistungen des Arbeitnehmers mehr als 10 % der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der Lebensführung (z. B. Miete, Mietnebenkosten, Kosten für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs), ist von einer finanziellen Beteiligung auszugehen. Bei zusammen veranlagten Ehegatten/Lebenspartnern wird im Übrigen die finanzielle Beteiligung unterstellt und ist nicht zu würdigen; vgl. hierzu Ausführungen des BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 101.
Mit Urteil vom 12.1.2023, VI R 39/19 entschied der BFH erstmals ausführlich zu der gesetzlichen Neuregelung einer finanziellen Beteiligung (im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts):
Beispiel 4:
Der ledige ArbN Ben lebt noch in seinem Elternhaus. Zusammen mit seinem Bruder bewohnt er eine nicht abgeschlossene Obergeschosswohnung. Die Eltern, mit denen kein Mietvertrag geschlossen wurde, leben im Erdgeschoss. Daneben unterhält er am Arbeitsort eine Mietwohnung. Ben beteiligt sich nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überweist jedoch im Dezember einen Betrag von 1 200 € (mtl. Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 €) sowie einen Betrag von 550 € (Beteiligung an der Fenstererneuerung). Zudem weist er nach, dass er Ausgaben für Lebensmitteleinkäufe am Ort des Haupthausstands i.H.v. 1 410 € getätigt hat.
Lösung 4:
Das FG bejahte die finanzielle Beteiligung und somit das Vorliegen eines eigenen Hausstands. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung kann eine Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushaltsführung weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden. Danach sind auch einmalige oder außergewöhnliche Kostenbeiträge zu berücksichtigen. Auf den Zahlungszeitpunkt – Anfang, Mitte oder Ende des Jahres – kommt es nach Auffassung des FG ebenfalls nicht an. Allerdings wird klargestellt, dass die erbrachten Dienstleistungen nicht das Merkmal der »finanziellen« Beteiligung erfüllen. Im Ergebnis wurde aber festgestellt, dass sich der Stpfl. oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 %, und damit erkennbar nicht unzureichend, an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten beteiligt hatte. In der anschließenden Revision stimmte der BFH der Auffassung der Vorinstanz zu und bejahte zu Recht das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung i.S.d. gesetzlichen Neuregelung. Vorliegend hatten die Eltern des Klägers diesem die Wohnung im Obergeschoss zur Nutzung überlassen. Es bestehen keine Zweifel, dass der Kläger die von den Eltern überlassene Wohnung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG im Streitjahr innehatte. Soweit das FG allerdings von einem Mehrgenerationenhaushalt im Sinne eines gemeinsamen Haushalts der Brüder und der Eltern ausgegangen ist, wird diese Würdigung von den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) der Vorinstanz nicht getragen. Denn das FG hat festgestellt, dass der Stpfl. (nur) die Wohnung im Obergeschoss bewohnte, während die Eltern die Räume im Erdgeschoss nutzten. Der Umstand, dass die bewohnte Wohnung im Obergeschoss nicht gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands unerheblich. Im Übrigen war auch zu Recht eine ausreichende finanzielle Beteiligung an der Haushaltsführung zu bejahen.
Das FG Düsseldorf nimmt in seinem Urteil vom 28.5.2020, 9 K 719/17 E ebenfalls Stellung zur finanziellen Beteiligung und gelangt zu folgendem Ergebnis: Durch die Anmietung zweier Zimmer im Obergeschoss des Elternhauses während eines Auslandsstudiums gegen eine nach den Gesamtkosten des Gebäudes bemessene anteilige Kostentragung wird keine doppelte Haushaltsführung an einem eigenen Hausstand des Kindes außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte begründet, weil eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG auch die teilweise Übernahme der Kosten für die gemeinsame Lebenshaltung einer Haushaltsgemeinschaft, insbes. in Gestalt von Lebens- und Verbrauchsmitteln für die alltägliche Durchführung der gemeinsamen Haushaltsführung, umfassen muss.
Weiterhin entschied das FG Münster mit Urteil vom 7.10.2020, 13 K 1756/18 E zum eigenen Hausstand junger ArbN im Elternhaus wie folgt: Bei jungen ArbN, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen, ist zu vermuten, dass sie im Haus ihrer Eltern bzw. gemeinsam mit ihren Eltern keinen eigenen Hausstand unterhalten. Bei älteren, wirtschaftlich selbstständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen zu vermuten, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, sodass ihnen dieser Haushalt als »eigener« zugerechnet werden kann. Die Klägerin schloss nach ihrer Berufsausbildung einen ursprünglich auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag und mietete alsbald danach am Beschäftigungsort eine 54 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung. Diese meldete sie als Zweitwohnsitz an; melderechtlicher Hauptwohnsitz blieb wie bisher das Elternhaus. Nach den Angaben der Klägerin befand sich der Lebensmittelpunkt im Streitjahr nach wie vor an dem Heimatort. Mit den Eltern wurde eine Kostenbeteiligung von 200 € monatlich vereinbart und per Dauerauftrag überwiesen.
Die Wohnung muss außerdem der auf Dauer angelegte Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers sein. Bei größerer Entfernung zwischen dieser Wohnung und der Zweitwohnung, insbes. bei einer Wohnung im Ausland, reicht bereits eine Heimfahrt im Kalenderjahr aus, um diese als Lebensmittelpunkt anzuerkennen, wenn in der Wohnung auch bei Abwesenheit des Arbeitnehmers hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl durch persönliche Mitwirkung als auch finanziell maßgeblich beteiligt. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie. Bei anderen Arbeitnehmern befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an dem Wohnort, zu dem die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Die persönlichen Beziehungen können ihren Ausdruck besonders in Bindungen an Personen, z.B. Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis finden, aber auch in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten. Als Nachweise, ob sich der Lebensmittelpunkt tatsächlich am Beschäftigungsort oder am Heimatwohnort befindet, könnte das Finanzamt z.B. auf Einkaufsbelege am Heimatwohnort zurückgreifen. Bei größerer Entfernung zwischen dieser Wohnung und der Zweitwohnung, insbes. bei einer Wohnung im Ausland, reicht bereits eine Heimfahrt im Kalenderjahr aus, um diese als Lebensmittelpunkt anzuerkennen, wenn in der Wohnung auch bei Abwesenheit des Arbeitnehmers hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl durch persönliche Mitwirkung als auch finanziell maßgeblich beteiligt. Bei Arbeitnehmern mit einer Wohnung in weit entfernt liegenden Ländern, z.B. Australien, Indien, Japan, Korea, Philippinen, gilt die Maßgabe, dass innerhalb von zwei Jahren mindestens eine Heimfahrt unternommen wird; vgl. hierzu die Ausführungen des BFH vom 2.9.1977, VI R 114/76, BStBl II 1978, 26: Eine doppelte Haushaltsführung erfordert bei inländischen Arbeitnehmern wie auch bei in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Arbeitsmigranten (BFH: Gastarbeitern) eine maßgebende persönliche und finanzielle Mitwirkung am Familienhaushalt. Sie ist bei türkischen Gastarbeitern i.d.R. zu bejahen, wenn sie einmal im Jahr ihre Familien in der Türkei besuchen, in der Zwischenzeit briefliche oder telefonische Kontakte halten und wenn die Beträge, die sie dem Familienhaushalt zuwenden, nicht erkennbar unzureichend sind.
Das Hessische FG entschied in seinem Urteil vom 8.7.2014, 11 K 1796/13, dass eine auf drei Jahre befristete ausländische Tätigkeit des Ehegatten bei dem im Inland nichtselbstständig beschäftigten Ehegatten, auch bei zeitlich längeren Aufenthalten beider Ehegatten im Ausland, nicht zu einer Verlegung des Lebensmittelpunktes führt, solange hinsichtlich des weiteren beruflichen Werdegangs der Entschluss zu einem dauerhaften Verbleiben an dem ausländischen Beschäftigungsort nicht befasst ist. Auch bei Aufrechterhaltung mehrerer Wohnungen können Ehegatten, die in einer intakten Ehe leben, nur einen Lebensmittelpunkt haben. Der BFH bejahte in der Revision (Urteil vom 7.5.2015, VI R 71/14) die Auffassung des Finanzgerichtes: Ob die außerhalb des Beschäftigungsortes belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen (Haupt-)Hausstand darstellt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthaltes am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen (z.B. Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten) bestehen. Des Weiteren spricht die vorübergehende Entsendung des verheirateten Arbeitnehmers in ein Entwicklungsland nach allgemeiner Lebenserfahrung gegen eine (sofortige) auf Dauer angelegte Wegverlegung des gemeinsamen Lebensmittelpunkts der Eheleute.
Eine doppelte Haushaltführung ist nicht gegeben, wenn am Beschäftigungsort zugleich der Lebensmittelpunkt liegt (vgl. BFH vom 8.10.2014, VI R 16/14, BStBl II 2015, 511). In der Regel verlagert sich indes der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines ArbN an den Beschäftigungsort, wenn er dort mit seinem Ehegatten/Lebenspartner/Lebensgefährten in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Wohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird.
Hat sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Ehefrau an den auswärtigen Beschäftigungsort verlagert, z.B. weil die Ehefrau ihren vermeintlichen Hauptwohnsitz am Ort des bisherigen Lebensmittelpunkts aus freier eigener Entscheidung in einem Zeitraum von mehreren Jahren nicht mehr aufgesucht hat, so unterhält die Ehefrau keine doppelte Haushaltsführung mehr. In einem solchen Fall sind auch die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführten Besuchsfahrten des anderen Ehemanns zum Beschäftigungsort der Ehefrau keine Werbungskosten; vgl. Thüringer FG vom 11.5.2017, 1 K 408/15.
Mit Urteil vom 1.10.2019, VIII R 29/16 entschied der BFH zu den Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung für beiderseits beruflich tätige Ehegatten wie folgt: Für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu bestimmen. Danach gilt die Vermutung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen unter diesen Umständen in der Regel an den Beschäftigungsort verlagert, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Der Stpfl. kann Umstände des Einzelfalls darlegen, die entgegen der Regelvermutung auf Grundlage der erforderlichen Gesamtwürdigung für einen Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsorts sprechen.
Eine doppelte Haushaltsführung kann nach Auffassung des FG Münster Urteil vom 26.9.2018, 7 K 3215/16 E bejaht werden, wenn die Ehegatten in der Woche am gemeinsamen Beschäftigungsort nebst schulpflichtigen Kindern wohnen und am Wochenende zur Wohnung in die Heimat fahren. Als Indizien gelten dann die Dauer und die Häufigkeit der Aufenthalte in den jeweiligen Wohnungen.
Beispiel 5:
P hat gerade sein Abitur gemacht. Er ist im Haushalt seiner Eltern integriert und hat dort lediglich ein kleines Schlafzimmer. Er beteiligt sich nicht an der Haushaltsführung. Nach dem Abitur beginnt P in Mannheim im Rahmen eines Vollzeitstudiums zu studieren. Zu diesem Zweck mietet er sich in einem Vorort eine Zweizimmerwohnung an. An den Wochenenden kehrt er regelmäßig nach Stuttgart zurück, da sich dort sein Freundeskreis befindet.
Lösung 5:
Sowohl die »berufliche Veranlassung« (erstmalige Aufnahme eines Studiums) sowie das »Wohnen am Beschäftigungsort« sind erfüllt, da die Universität nach § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG eine erste Tätigkeitsstätte darstellt. Fragwürdig ist vor allem, ob der elterliche Wohnsitz für P einen eigenen Hausstand darstellt. Es genügt nicht, wenn P im Haushalt seiner Eltern lediglich ein Zimmer unentgeltlich unterhält. Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung ist darzulegen und kann auch bei volljährigen Kindern, die bei ihren Eltern wohnen, ab VZ 2014 nicht generell unterstellt werden. Da die Barleistungen des Kindes weniger als 10 % der monatlich regelmäßig anfallenden Kosten der Haushaltsführung (wie z.B. Miete, Mietnebenkosten oder Lebensmittel) betragen, ist m.E. ein eigener Hausstand im vorliegenden Fall zu verneinen. Dies gilt unabhängig davon, dass P seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in seinem Elternort weiterhin hat.
Die doppelte Haushaltsführung muss aus beruflichem Anlass begründet werden. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer neben seinem Haupthaushalt einen weiteren Haushalt führt und wenn dieser Umstand beruflich veranlasst ist. Der Zweithaushalt muss konkreten beruflichen Zwecken dienen. Das ist i.d.R. der Fall, wenn der Arbeitnehmer diesen nutzt, um von dort aus seine erste Tätigkeitsstätte aufzusuchen. Ein beruflicher Anlass ist in folgenden Fällen zu bejahen (vgl. auch LStR 9.11 Abs. 2):
Versetzung durch den Arbeitgeber,
Wechsel des Arbeitgebers oder Begründung einer erstmaligen Beschäftigung,
bei einem Studenten der Antritt eines Studiums, wenn die Universität die erste Tätigkeitsstätte bildet, vgl. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG,
Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn aus beruflicher Veranlassung in einer Wohnung am Beschäftigungsort ein zweiter (doppelter) Haushalt zum Hausstand des Stpfl. hinzutritt. Der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn ihn der Stpfl. nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können; vgl. H 9.11 (1–4) [Berufliche Veranlassung] LStH,
bei einer wesentlichen Verkürzung der Fahrtstrecke oder Fahrtzeit (vgl. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 104),
beim sog. Wegverlegungsfall.
Bei dem sog. Wegverlegungsfall liegt auch eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung vor. Die Motive, warum der zweite Haushalt gegründet wird, sind für die Frage der beruflichen Veranlassung unbeachtlich. In diesem Fall verlegt ein Arbeitnehmer seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort weg und begründet darauf in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt, um von dort seiner Beschäftigung weiter nachgehen zu können. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Wegverlegung des Lebensmittelpunktes auf Dauer zu erfolgen hat.
Das BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 1228, Rz. 104 präzisiert die berufliche Veranlassung: Diese ist insbesondere dann gegeben, wenn durch das Beziehen einer Zweitwohnung die Fahrtstrecke oder Fahrzeit zur ersten Tätigkeitsstätte wesentlich verkürzt wird. Aus Vereinfachungsgründen kann von einer beruflichen Veranlassung des Beziehens der Zweitwohnung oder -unterkunft ausgegangen werden, wenn die kürzeste Straßenverbindung von der Zweitwohnung oder -unterkunft zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt oder die Fahrzeit zur ersten Tätigkeitsstätte für eine Wegstrecke halbiert wird. Sind die Voraussetzungen dieser Vereinfachungsregelung nicht erfüllt, ist das Vorliegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auf andere Weise anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles darzulegen.
Nimmt der ArbN seinen Ehegatten im Verlauf der Zeit mit zur Zweitwohnung, steht dies einer beruflichen Veranlassung nicht entgegen, da es in erster Linie auf eine berufliche Begründung der Zweitwohnung ankommt (R 9.11 Abs. 2 Satz 3 LStR). Keine Rolle spielt dabei, ob der Ehegatte selbst berufstätig ist. Vielmehr kann es durch dieselbe Zweitwohnung sogar zu zwei doppelten Haushaltsführungen kommen, wenn der Ehegatte ebenfalls an diesem Ort eine erste Tätigkeitsstätte hat (R 9.11 Abs. 2 Satz 2 LStR). Allerdings muss bei der Mitnahme des Ehegatten darauf geachtet werden, dass der Haupthausstand der Eheleute immer noch deren Lebensmittelpunkt darstellt und dieser nicht ebenfalls in die Zweitwohnung verlegt worden ist.
Das FG Köln nimmt Stellung zu einem sog. Wegverlegungsfall und entschied hierbei wie folgt: Der Lebensmittelpunkt des Stpfl. muss sich in der Wohnung befinden, in welchem der Haupthaushalt geführt wird, wobei sich der Stpfl. im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit dort aufhält. Ob die außerhalb des Beschäftigungsorts liegende Wohnung des ArbN dessen Lebensmittelpunkt bildet, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, wobei indiziell von Bedeutung ist, wie oft und wie lange sich der ArbN in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet sind und wie groß sie sind, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen und wo sich Bezugspersonen des ArbN überwiegend aufhalten. Bei einem verheirateten ArbN liegt der Lebensmittelpunkt grds. an dem Ort, an welchem auch der Ehegatte wohnt; vgl. FG Köln vom 22.6.2023, 11 K 3123/18.
In der Rspr. des VI. Senats des BFH zu § 9 EStG kommt die doppelte Haushaltsführung nicht zur Ruhe. Dabei stehen folgende Zweifelsfragen im Vordergrund des Regelungsinteresses:
Der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ohne Kinder kann am Beschäftigungsort keinen beruflich veranlassten doppelten Haushalt durch Beibehalten begründen, wenn später ein gemeinsamer Hausstand begründet wird (BFH vom 4.4.2001, BFH/NV 2001, 1384 sowie BFH vom 28.8.2001, BFH/NV 2002, 23).
Unterhält ein Alleinstehender, der am Beschäftigungsort wohnt, an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand, besteht mit zunehmender Dauer besonderer Anlass, zu prüfen, wo sich sein Lebensmittelpunkt befindet. Eine besondere Prüfung, ob der Lebensmittelpunkt gewechselt hat, ist daher angezeigt. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der ArbN in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen; vgl. BFH vom 9.8.2007, VI R 10/06.
Wurde eine doppelte Haushaltsführung beendet, kann sie am früheren Beschäftigungsort auch in der dazu schon früher genutzten Wohnung erneut begründet werden. Eine doppelte Haushaltsführung ist regelmäßig dann beendet, wenn der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort nicht mehr geführt wird (BFH vom 8.7.2010, VI R 15/09, BStBl II 2011, 47.
Die Lebensführung des Stpfl. am Beschäftigungsort ist einkommensteuerrechtlich grundsätzlich unerheblich. Die doppelte Haushaltsführung ist deshalb auch dann beruflich veranlasst, wenn der Stpfl. den Zweithaushalt am Beschäftigungsort in einer Wohngemeinschaft einrichtet. Erst wenn sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort zum Ort der eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren berufliche Veranlassung als Wohnung am Beschäftigungsort. Angesichts dessen scheidet der Abzug der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung hier nicht schon deshalb aus, weil der Kläger den Zweithaushalt am Beschäftigungsort mit einer Berufskollegin in einer Art Wohngemeinschaft führte. Unerheblich ist dabei Umstand, dass der Kläger und Frau freundschaftlich verbunden gewesen waren, als auch, dass der Kläger der Frau finanziell unterstützt hatte, indem er teilweise die auf sie entfallenden Anteile an den Kosten der Wohnung und später an denen des Hauses getragen hatte; vgl. BFH Urteil vom 28.3.2012, VI R 25/11, BStBl II 2012, 831.
Dies steht nicht in Widerspruch zu der ständigen Rspr. des BFH, wonach Ehegatten, die vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten berufstätig waren, an ihren jeweiligen Beschäftigungsorten wohnen und nach der Eheschließung eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (das Beibehalten zweier Wohnsitze als berufliche Begründung eines zweiten Wohnsitzes als zulässige doppelte Haushaltsführung). In dieser Fallgruppe wurde in extensiver Würdigung des Begriffes »Begründen« auch das Beibehalten der zweiten Wohnung nach der Heirat der Begründung gleichgestellt.
Allein der Umstand, dass beiderseits berufstätige Ehegatten während der Woche (und damit den weitaus überwiegenden Teil des Jahres) am Beschäftigungsort zusammenleben, rechtfertigt es noch nicht, dort den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen und seiner (Haupt-)Bezugsperson zu verorten. Vielmehr sind auch in einem solchen Fall zum Auffinden des Mittelpunkts der Lebensinteressen die Gesamtumstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 9.3.2016, 7 K 7098/14.
Der berufliche Veranlassungszusammenhang einer doppelten Haushaltsführung wird nicht allein dadurch beendet, dass ein Stpfl. seinen Familienhausstand innerhalb desselben Ortes verlegt; vgl. BFH Urteil vom 4.4.2006, VI R 11/02, BStBl II 2006, 714.
Eine doppelte Haushaltsführung besteht mangels Lebensmittelpunktwohnung am Heimatort nicht weiter, wenn beiderseits berufstätige Ehegatten ihren gemeinsamen Wohnsitz am Beschäftigungsort von einem 20 qm großen Apartment in eine Wohnung von 84 qm und am Heimatort von einer 80 qm großen Wohnung in ein 35 qm großes Apartment verlegen; vgl. FG Düsseldorf vom 24.11.2006, 18 K 3223/05 E.
Bei Eheleuten, die den gleichen Beschäftigungsort haben und dort auch in einer Wohnung leben, die in ihrer Größe in etwa dem angegebenen Hauptwohnsitz entspricht, ist in aller Regel von einem Haupthausstand am Beschäftigungsort auszugehen; vgl. FG Köln vom 16.10.2008, 10 K 4005/05.
Es muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden, ob der Stpfl. einen Haushalt i.S.d. doppelten Haushaltsführung unterhält. Kann der Stpfl. nicht nachweisen, dass er überhaupt etwas zum Haushalt beiträgt und halten die Eltern des erwachsenen Stpfl., der bereits mehrere Jahre nicht mehr zu Hause gewohnt hat, die Wohnung nur vor, liegt kein eigener Hausstand des Kindes vor. Die Nichtanmeldung von Telefon, Fernsehen und Radio ist ein wesentliches Indiz gegen einen eigenen Hausstand des Kindes; vgl. FG Hamburg vom 17.4.2013, 6 K 134/11.
Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn ein alleinstehender Stpfl. außerhalb des Beschäftigungsorts einen zweiten Hausstand begründet, die beiden Hausstände aber räumlich nur etwa 30 km voneinander entfernt liegen, sodass die für die Verlagerung des Lebensmittelpunktes angeführten sozialen Kontakte und aufgesuchten Versorgungseinrichtungen ohne übermäßigen Aufwand auch vom Hausstand am Beschäftigungsort gepflegt und erreicht werden können. Die Zweitwohnung hatte im Streitfall nicht nur den Charakter eines Zweithaushalts, um den Beschäftigungsort aufzusuchen, sondern der Kläger hielt sich auch darüber hinaus regelmäßig dort auf. Dass diese Aufenthalte im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit stehen, ist dabei für die Frage des Lebensmittelpunkts unbeachtlich. Denn Unterrichtsvorbereitung oder die Korrektur von Arbeiten könnten in gleicher Weise in einem Arbeitszimmer im Haupthausstand erfolgen.; vgl. FG Hamburg vom 17.4.2013, 2 K 154/12.
Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der ArbN am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden ArbN ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der ArbN die Haushaltsführung zumindest nicht mitbestimmt, sondern nur in einen fremden Haushalt – etwa in den der Eltern oder als Gast – eingegliedert ist; vgl. BFH vom 10.4.2014, VI R 79/13.
Der BFH hat klargestellt, dass sich der Haupthausstand beiderseits berufstätiger Eheleute nicht automatisch dort befindet, wo sie sich gemeinsam überwiegend aufhalten (BFH vom 7.5.2015, VI R 71/14, NV; veröffentlicht am 29.7.2015). Streitig war die Begründung einer doppelten Haushaltsführung aus beruflichem Anlass bei einem beiderseits berufstätigen Ehepaar im Wegverlegungsfall. Konkret geht es um die Frage, ob Ehegatten nur einen gemeinsamen Ehegattenhausstand bzw. Lebensmittelpunkt (hier: Deutschland oder Mosambik) haben können. Im Streitfall war die Klägerin befristet für drei Jahre im Ausland nichtselbstständig tätig. Der Kläger – Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH in Deutschland – machte im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung i.H.v. rund 12 500 € als Werbungskosten geltend. Er gab an, seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt zu haben und die bisherige Wohnung in Deutschland nunmehr als Zweitwohnung am Beschäftigungsort zu nutzen. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Aufwendungen nicht an, die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat im Streitfall eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers im Streitjahr nicht in Mosambik, sondern in Deutschland lag. Diese Würdigung war nach Ansicht des BFH nicht nur möglich, sondern naheliegend und revisionsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.
Die Lebensführung des Stpfl. am Beschäftigungsort ist einkommensteuerrechtlich grds. unerheblich. Die doppelte Haushaltsführung ist deshalb auch dann beruflich veranlasst, wenn der Stpfl. den Zweithaushalt am Beschäftigungsort in einer Wohngemeinschaft einrichtet. Erst wenn sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort zum Ort der eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren berufliche Veranlassung als Wohnung am Beschäftigungsort; vgl. BFH vom 28.3.2012, VI R 25/11.
Das FG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 8.9.2016, 6 K 511/13) versagte im Fall eines ledigen Steuerpflichtigen die doppelte Haushaltsführung. Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern geht man allgemein davon aus, dass sich der Lebensmittelpunkt nach gewisser Dauer an den Beschäftigungsort verlagert und die Heimatwohnung nur noch für Besuchszwecke vorgehalten wird. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, wo sich Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten. Das Gericht gelangte in dem Einzelfall zu der Überzeugung, dass der Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort lag (wenige soziale Kontakte am Ort des »eigenen Hausstands«, Bezugsperson (Mutter) lebte am Ort der ersten Tätigkeitsstätte).
Für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nach den in der höchstrichterlichen Rspr. entwickelten Kriterien zu bestimmen. Danach gilt die Vermutung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen unter diesen Umständen in der Regel an den Beschäftigungsort verlagert, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Der Stpfl. kann Umstände des Einzelfalls darlegen, die entgegen der Regelvermutung auf Grundlage der erforderlichen Gesamtwürdigung für einen Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsorts sprechen, vgl. BFH vom 1.10.2019, VIII R 29/16.
Ein nicht verheirateter junger Arbeitnehmer, der nach Beendigung seiner Ausbildung – wenn auch gegen Kostenbeteiligung – im elterlichen Haushalt sein Zimmer bewohnt, ist regelmäßig als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in den Haushalt der Eltern eingegliedert. Bei älteren, wirtschaftlich selbstständigen Kindern ist davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen. Dies gilt insbes., wenn die Wohnung am Beschäftigungsort lediglich als Schlafstätte dient und die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung entspricht oder diese übertrifft. Die Feststellung, ob der eigene Hausstand gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort der »Haupthausstand« ist, erfordert eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls; die finanzielle Beteiligung stellt im Rahmen dieser Abwägung ein gewichtiges Indiz dar; daneben sind die persönlichen Lebensumstände, das Alter und der Personenstand des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Allein die Kostenbeteiligung führt nicht zur Annahme eines eigenen Hausstands.; vgl. FG Münster vom 18.10.2013, 4 K 582/10 E.
Bei einem alleinstehenden Stpfl., der am Beschäftigungsort wohnt und an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand unterhält, ist der Hausstand an dem anderen Ort der Erst- und Haupthaushalt, wenn sich der Stpfl. dort im Wesentlichen nur unterbrochen durch arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheiten aufhält; vgl. FG Hamburg vom 20.4.2015, 5 K 3/12.
Nachfolgend eine Übersicht über diverse Entscheidungen:
Fallgruppe |
Erläuterung/ ggf. Unterfall |
Besonderheiten |
Rechtsprechung |
Berufliche Begründung |
Zusammenhang zwischen Begründung des Wohnsitzes und der Annahme einer Arbeitsstelle Einsparung von Fahrtkosten Mitbenutzung durch Angehörige |
Entscheidend ist ein »kurzer zeitlicher Zusammenhang«. Im konkreten Fall: acht Monate zwischen beiden Zeitpunkten waren zu weit auseinanderliegend. U.E. ist hierbei immer eine Einzelfall-prüfung erforderlich. Wird die Wohnung durch unterhaltspflichtige Personen mitbenutzt, ist keine berufliche Veranlassung gegeben. |
BFH vom 10.7.2001, BFH/NV 2002, 17 unter Verweis auf die »Kontokorrent-Entschei-dung« vom 8.12.1997, BStBl II 1998, 193 FG Münster vom 15.11.2013, 14 K 1196/10 E |
Beibehaltung der Wohnung nach Studium |
Ein Stpfl. kann keine Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend machen, wenn er die Wohnung an seinem Beschäftigungsort bereits während seines Studiums bezogen hatte. Die doppelte Haushaltsführung ist dann nicht aus beruflichem, sondern aus privatem Anlass begründet worden. Die Aufrechterhaltung einer solchen privat veranlassten doppelten Haushaltsführung berechtigt nicht zum Werbungskostenabzug |
FG Köln vom 11.5.2000, 7 K 499/94, EFG 2000, 786, rkr. |
|
Wohngemeinschaft |
Die Lebensführung des Stpfl. am Beschäftigungsort ist einkommensteuerrechtlich grds. unerheblich. Die doppelte Haushaltsführung ist deshalb auch dann beruflich veranlasst, wenn der Stpfl. den Zweithaushalt am Beschäftigungsort in einer Wohngemeinschaft einrichtet. Erst wenn sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort zum Ort der eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren berufliche Veranlassung als Wohnung am Beschäftigungsort. |
BFH vom 28.3.2012, VI R 25/11 |
|
Eigener Hausstand/Hauptwohnung sind am Beschäftigungsort belegen |
Keine doppelte Haushaltsführung |
BFH vom 16.1.2018, VI R 2/16 |
|
Naheliegen beider Hausstände |
Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn ein alleinstehender Stpfl. außerhalb des Beschäftigungsorts einen zweiten Hausstand begründet, die beiden Hausstände aber räumlich nur etwa 30 km voneinander entfernt liegen, sodass die für die Verlagerung des Lebensmittelpunktes angeführten sozialen Kontakte und aufgesuchten Versorgungseinrichtungen ohne übermäßigen Aufwand auch vom Hausstand am Beschäftigungsort gepflegt und erreicht werden können. |
FG Hamburg vom 17.4.2013, 2 K 154/12 |
|
Mittelpunkt der Lebensinteressen |
Unterhält ein Alleinstehender, der am Beschäftigungsort wohnt, an einem anderen Ort einen eigenen Hausstand, besteht mit zunehmender Dauer besonderer Anlass zu prüfen, wo sich sein Lebensmittelpunkt befindet. |
BFH vom 9.8.2007, VI R 10/06 |
|
Mittelpunkt der Lebensinteressen |
Beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort wohnen: Regelvermutung, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich verlagert |
BFH vom 1.10.2019, VIII R 29/16 |
|
Wegverle-gungsfälle |
Wird die Hauptwohnung aus privaten Gründen vom Arbeitsplatz wegverlegt und am Beschäftigungsort dann eine zweite Wohnung zwecks Ausübung der Tätigkeit begründet, wird die doppelte Haushaltsführung nicht mehr (allein) hierdurch ausgeschlossen. |
Verlegt ein Stpfl. seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort weg und nutzt daraufhin eine bereits vorhandene Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen als Zweithaushalt (sog. Wegverlegungsfall), so wird die doppelte Haushaltsführung mit Umwidmung der bisherigen Wohnung des Stpfl. in einen Zweithaushalt begründet (Bestätigung der Senatsrechtsprechung). Mit dem Zeitpunkt der Umwidmung beginnt in sog. Wegverlegungsfällen die Dreimonatsfrist für die Abzugsfähigkeit von Verpflegungsmehraufwendungen. |
BFH Beschluss vom 8.10.2014, VI R 7/13; vgl. auch FG Köln vom 22.6.2023, 11 K 3123/18. |
Abb.: Diverse Entscheidungen
Beispiel 6:
Der niederländische Fußballstar Reiner Obben (O) spielt seit Jahren bei einem renommierten Bundesligaverein in München. Mit seiner Ehefrau lebt er in einem Einfamilienhaus in der Nähe des Trainingsgeländes. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes beschließen die Eheleute, ihren Familienwohnsitz außerhalb von München am Chiemsee zu begründen (80 km entfernt von der ersten Tätigkeitsstätte). O beschließt daraufhin, sich eine kleine Mietwohnung in München zu nehmen, um nicht täglich 80 km pendeln zu müssen.
Variante:
Die Familie O besitzt seit Längerem ein Ferienhaus am Starnberger See. Dieses bewohnen sie immer in den Sommermonaten. Ansonsten lebt die Familie in München.
Lösung 6:
Die doppelte Haushaltsführung ist nunmehr auch dann beruflich veranlasst, wenn der Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und dann die bereits vorhandene oder eine neu eingerichtete Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen als Zweitwohnung genutzt wird. Der (beibehaltene) Haushalt am Beschäftigungsort wird nun aus beruflichen Gründen unterhalten, u.a. um die erste Tätigkeitsstätte schnell und unmittelbar aufsuchen zu können, vgl. R 9.11 Abs. 2 Satz 5 LStR. Die berufliche Veranlassung ist somit zu bejahen und die Aufwendungen können nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EstG angesetzt werden.
Variante:
In Fällen, in denen bereits zum Zeitpunkt der Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Ort der ersten Tätigkeitsstätte (Beschäftigungsort) ein Rückumzug an den Beschäftigungsort geplant ist, handelt es sich nicht um eine doppelte Haushaltsführung, da die Wohnung der auf Dauer angelegte Mittelpunkt der Lebensinteressen sein muss. Somit ist in diesem Fall die doppelte Haushaltsführung zu verneinen, da der Lebensmittelpunkt nur in den Sommermonaten verlegt wird.
Als letztes Tatbestandsmerkmal sieht der Gesetzgeber vor, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte wird in § 9 Abs. 4 EStG definiert und ist seit der Reisekostenreform 2014 auch zwingend für die doppelte Haushaltsführung von enormer Bedeutung. Hierzu haben die Finanzgerichte als auch der BFH bereits mehrere Urteile ausgesprochen. In den folgenden Fällen wurde eine erste Tätigkeitsstätte bejaht bzw. verneint:
Berufszweig |
Erste Tätigkeitsstätte ist … |
Flugpersonal |
der im Arbeitsvertrag festgelegte Flughafen; vgl. BFH vom 10.4.2019, VI R 17/17 |
Streifenpolizist |
das Polizeirevier; vgl. BFH vom 4.4.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019, 536 |
Pilot |
der Heimatflughafen; BFH vom 10.4.2019, VI R 17/17 |
Lkw-Fahrer |
nicht vorhanden; jedoch gilt hier § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EstG; Fahrten zu dem festen Einsatzort zwecks Abholung des Lkw werden nach der Entfernungspauschale angesetzt; FG Nürnberg vom 13.5.2016, 4 K 1536/15 |
Zeitsoldat |
Erste Tätigkeitsstätte eines Zeitsoldaten ist dessen Bundeswehrstützpunkt (Hessisches FG vom 25.3.2021, 4 K 1788/19; Revision anhängig, BFH-Az. VI R 6/21). |
Feuerwehrmann |
Bei einem Feuerwehrmann, der arbeitsvertraglich täglich einer von vier möglichen Einsatzstellen zugeordnet werden kann, liegt – da es auf die Ex-ante-Betrachtung ankommt – keine erste Tätigkeitsstätte vor, auch wenn er tatsächlich stets nur an einem der vier möglichen Einsatzorte tätig war; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 28.11.2019, 6 K 1475/18; Rev. Anhängig beim BFH unter VI R 48/20. |
Triebwagenführer (Bahnhofsgelände) |
Ist einem Lok- bzw. Triebwagenführer von seinem ArbG dienstrechtlich ein bestimmtes Bahnhofsgelände mit Dienstgebäude dauerhaft als 1. TS zugewiesen worden, so sind die Fahrtkosten von der Wohnung zu diesem Bahnhof lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale und nicht nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten anzusetzen; vgl. FG Sachsen-Anhalt vom 26.2.2020, 1 K 629/19. |
Hafenmitarbeiter: |
Ein Gesamthafenmitarbeiter hat keine erste Tätigkeitsstätte, sondern ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EStG; vgl. BFH vom 11.4.2019, VI R 36/16, BStBl II 2019, 543. |
Studenten bei Auslandspraxissemestern |
Sieht die Studienordnung einer Universität vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer anderen (weiteren) Hochschule (hier Auslandssemester) absolvieren können bzw. müssen, wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet; vgl. BFH vom 14.5.2020, VI R 3/18. |
Rettungsassistent |
Die Rettungswache, der ein Rettungsassistent zugeordnet ist, ist dessen erste Tätigkeitsstätte, wenn er dort arbeitstäglich vor dem Einsatz auf dem Rettungsfahrzeug vorbereitende Tätigkeiten vornimmt (z.B. Überprüfung des Rettungsfahrzeugs in Bezug auf Sauberkeit und ordnungsgemäße Bestückung mit Medikamenten und sonstigem Material, im Bedarfsfall Reinigung sowie Bestückung des Fahrzeugs mit fehlenden Medikamenten und fehlendem Material), BFH vom 30.9.2020, VI R 11/19. |
Elektromonteur/Befristetes Arbeitsverhältnis |
Wird ein ArbN von seinem ArbG wiederholt befristet auf einer Baustelle des Auftraggebers eingesetzt, begründet er dort auch dann keine erste Tätigkeitsstätte, wenn der Einsatz insgesamt ununterbrochen länger als vier Jahre andauert (FG Münster Urteil vom 25.3.2019, 1 K 447/16 E; Revision nicht zugelassen). Vgl. auch BFH vom 10.4.2019, VI R 6/17, BStBl II 2019, 539. |
Müllwerker |
Ein Müllwerker hat auf dem Betriebshof des Entsorgers keine erste Tätigkeitsstätte. Bei einer Abwesenheit von der Wohnung von mehr als acht Stunden pro Arbeitstag kann er die gesetzlichen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen beanspruchen; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 16.6.2022, 16 K 4259/17. Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert; vgl. BFH vom 2.9.2021, VI R 25/19. |
Als erste Tätigkeitsstätte gilt nach § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird; die Regelungen für Arbeitnehmer nach Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 sowie Abs. 4a sind entsprechend anzuwenden.
Sieht die Studienordnung einer Universität vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer anderen (weiteren) Hochschule (hier Auslandssemester) absolvieren können bzw. müssen, wird an der anderen Hochschule keine weitere erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet. Studierende können daher Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen, die durch den Besuch der anderen Hochschule veranlasst sind, nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a und Abs. 4a EStG als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen. Entsprechendes gilt in der Regel auch für Studierende, die im Rahmen ihres Studiums ein Praxissemester oder Praktikum ableisten können bzw. müssen und dabei ein Dienstverhältnis begründen; vgl. BFH vom 14.5.2020, VI R 3/18.
Zu der Frage, wann eine Bildungseinrichtung eine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG begründet, haben auch das niedersächsische FG (Urteil vom 16.2.2022, 4 K 113/20) sowie das FG Nürnberg (Urteil vom 8.3.2023, 5 K 211/22) Stellung genommen.
Die Zweitwohnung muss für eine gewisse Dauer eine Unterkunft sein, die ständig vom Arbeitnehmer genutzt werden kann. Es kommen insbes. Miet- oder Eigentumswohnungen, Ferienwohnungen bzw. möblierte Zimmer in Betracht. Es ist unerheblich, wie oft der Arbeitnehmer tatsächlich in der Zweitwohnung übernachtet. Die doppelte Haushaltsführung ist auch beruflich veranlasst, wenn der Stpfl. den Zweithaushalt in einer Wohngemeinschaft einrichtet (BFH vom 28.3.2012, VI R 25/11, DStR 2012, 1436). Da die Zweitwohnung grundsätzlich am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen sein muss, schließen sich die Tatbestände der steuerlichen Auswärtstätigkeit und der doppelten Haushaltsführung für dieselbe Betätigung gegenseitig aus; R 9.11 Abs. 1 Satz 2 LStR.
An der Art der »Zweitwohnung« an der ersten Tätigkeitsstätte sind keine bestimmten Voraussetzungen geknüpft. Es kann sich somit um
ein Hotelzimmer,
eine Ferienwohnung,
eine Mietwohnung,
eine Eigentumswohnung,
ein möbliertes Zimmer,
eine Gemeinschaftsunterkunft oder Unterkunft eines Soldaten in einer Kaserne handeln (vgl. BFH vom 20.12.1982, VI R 123/81 sowie FG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 13.8.2009, 2 K 166/06); beachte allerdings hierzu das Urteil des BFH vom 28.4.2020, VI R 5/18: Im Streitfall lag keine doppelte Haushaltsführung vor, denn der Kläger wohnte nicht in der Kaserne; er nutzte die Gemeinschaftsunterkunft vielmehr nur zu dienstlichen Zwecken, nämlich zur Aufbewahrung der Uniform und seiner Ausrüstung sowie zum Umkleiden,
handeln.
Die Zweitwohnung am Beschäftigungsort ermöglicht dem Stpfl., die Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Entscheidung darüber, ob die Zweitwohnung so gelegen ist, dass der Stpfl. in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt der richterlichen Würdigung durch das Finanzgericht (BFH vom 19.4.2012, VI R 59/11, BFH/NV 2012, 1378).
Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn ein alleinstehender Stpfl. außerhalb des Beschäftigungsorts einen zweiten Hausstand begründet, die beiden Hausstände aber räumlich nur etwa 30 km voneinander entfernt liegen; vgl. FG Hamburg vom 17.4.2013, 2 K 154/12.
Das FG Hamburg entschied mit Urteil vom 17.12.2014, 2 K 113/14, dass unter Beschäftigungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist nicht nur die politische Gemeinde zu verstehen, dazu gehört vielmehr der gesamte Einzugsbereich. Der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort fallen dann nicht auseinander, wenn der Arbeitsplatz vom Haupthausstand innerhalb einer Stunde erreicht werden kann. Denn insbes. in Großstädten, in denen die Wohnstätten der Beschäftigten immer weiter in die Randbereiche und über die politische Grenze einer Gemeinde hinaus (»Speckgürtel«) verdrängt werden, sind Fahrtzeiten von etwa einer Stunde üblich und ohne Weiteres zumutbar. Vor diesem Hintergrund liegt das Haus des Lebensgefährten nicht außerhalb des Beschäftigungsortes der Klägerin. Denn das Haus und die Arbeitsstätte der Klägerin sind ca. 36 km voneinander entfernt und die Fahrtzeit beträgt – selbst wenn öffentliche Verkehrsmittel benutzt würden – regelmäßig nicht mehr als eine Stunde.
Beispiel 7:
Der ArbN wohnt in der Nähe von Berlin. Die Strecke zu der ersten Tätigkeitsstätte beträgt 24 km. Um die Anfahrtszeit von über einer Stunde zu verkürzen, erwirbt er eine 500 Meter von der Tätigkeitsstätte entfernte Zweitwohnung und begehrt den Abzug von Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.
Lösung 7:
Die doppelte Haushaltsführung ist zu verneinen, vgl. BFH vom 16.1.2018, VI R 2/16. Der eigene Hausstand liegt noch am Beschäftigungsort. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn die Hauptwohnung, d.h. der eigene Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, ebenfalls am Beschäftigungsort belegen ist. Die Hauptwohnung ist i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG am Beschäftigungsort belegen, wenn der Stpfl. von dieser seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Die Familienheimfahrten sind allerdings als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 EStG zu berücksichtigen.
Nach R 9.11 Abs. 1 LStR liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort übernachtet; die Anzahl der Übernachtungen ist dabei unerheblich.
Beispiel 8:
Jutta und Karl leben in einer nichtehelichen Gemeinschaft in einer Wohnung in der Gemeinde X, die den Eltern des Karl gehört. Miete ist nicht zu zahlen. Sie tragen lediglich die Nebenkosten. Jutta ist in X polizeilich gemeldet und ist auch dort beschäftigt. Im Kj. 07 nimmt sie eine Tätigkeit in B auf und mietet dort eine Einzimmerwohnung. An den Wochenenden fährt sie regelmäßig nach X. Der Sachverhalt und die Lösung entsprechen dem rkr. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12.4.2000, 5 K 486/99, EFG 2000, 784.
Lösung 8:
Das Fehlen von Mietzahlungen lässt das Erfordernis der Nutzung einer Wohnung aus eigenem Recht nicht entfallen. Die Überlassung der Wohnung an die Lebensgemeinschaft ist als ein Leihverhältnis zu qualifizieren. Die Wohnung wird von Jutta – ebenso wie bei einem Mietverhältnis – aus eigenem Recht genutzt.
Ein eigener Hausstand setzt bei einem nicht verheirateten, aber in einer nichtehelichen Gemeinschaft lebenden Arbeitnehmer nicht voraus, dass die Wohnung aus eigenem Recht genutzt wird; eine tatsächliche Verfügungsmacht über die Wohnung genügt.
Eine Zweitwohnung i.S.d. doppelten Haushaltsführung ist zu verneinen, wenn es sich um ein mitgeführtes Wohnmobil handelt; vgl. FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 23.7.2008, 2 K 1238/08: Ein auf dem Firmengelände des ArbG abgestelltes Wohnmobil, in dem der ArbN unter der Woche wohnt und mit dem er an den Wochenenden an seinen Lebensmittelpunkt zurückkehrt, ist kein weiterer Haushalt im Sinne einer doppelten Haushaltsführung. Von einem »Wohnen« bzw. einem Führen eines (zweiten) »Haushalts« am Beschäftigungsort kann beim Leben in einem Wohnmobil während der Arbeitswoche jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn das Fahrzeug – wie dies im Streitfall geschieht – nicht am auswärtigen Standort verbleibt, sondern zu Wochenendheimfahrten bzw. weiteren Dienst- oder Privatfahrten verwendet wird.
Ein Arbeitnehmer wohnt bereits dann am Beschäftigungsort, wenn er von seiner Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen kann. Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke sind hierbei zumutbar (FG Baden-Württemberg Urteil vom 16.6.2016, 1 K 3229/14). Im Streitfall fallen der Ort des eigenen Hausstandes und des Beschäftigungsortes nicht auseinander: Als Beschäftigungsort ist nicht die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen, sondern der Bereich, der zu der konkreten Anschrift der Arbeitsstätte noch als Einzugsgebiet anzusehen ist. In der anschließenden Revision (BFH Urteil vom 16.11.2017, VI R 31/16) entschied der BFH, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht vorliegt, wenn die Hauptwohnung, d.h. der »eigene Hausstand« i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, ebenfalls am Beschäftigungsort belegen ist. Die Hauptwohnung ist i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG am Beschäftigungsort belegen, wenn der Steuerpflichtige von dieser seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Aus dem Umstand, dass der Kläger die Zweitwohnung in A nach den Feststellungen des FG aus beruflichen Gründen gemietet hat, um seine Arbeitsstelle besser und schneller erreichen zu können, ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Denn die vom Kläger für die Zweitwohnung geltend gemachten Unterkunftskosten dienten jedenfalls auch dem der steuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzurechnenden Wohnen.
Das BMF setzt in seinem Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 102 und 103 die Rspr. vom 16.11.2017, VI R 31/16 mit einer Vereinfachungsregelung um. Eine Hauptwohnung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen, wenn der Stpfl. von dieser Wohnung seine erste Tätigkeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten kann in der Regel als zumutbar angesehen werden. Aus Vereinfachungsgründen kann für die Frage, ob die Hauptwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen ist oder nicht, z.B. wenn sie innerhalb derselben politischen Gemeinde, Stadt oder in deren unmittelbaren Umkreis liegen, die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG) zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte herangezogen werden. Beträgt die Entfernung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte mehr als 50 km, ist davon auszugehen, dass sich die Hauptwohnung außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte befindet. Eine Zweitwohnung oder -unterkunft in der Nähe des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte steht einer Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte gleich. Aus Vereinfachungsgründen kann davon ausgegangen werden, dass die Zweitwohnung noch am Ort der ersten Tätigkeitstätte belegen ist, wenn die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG) zwischen Zweitwohnung oder -unterkunft und erster Tätigkeitsstätte nicht mehr als 50 km beträgt.
Beispiel 9:
Ein ArbN hat seine Hauptwohnung in K und in J die erste Tätigkeitsstätte. Die Entfernung von der Hauptwohnung in K nach J beträgt 100 km und die Fahrtzeit mit dem Zug 50 Minuten. Der ArbN nimmt sich in B eine Zweitwohnung. Die Entfernung von der Zweitwohnung nach J beträgt 30 km.
Lösung 9:
Aufgrund der Entfernung von mehr als 50 km zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte liegt die Hauptwohnung nicht am Ort der ersten Tätigkeitsstätte. Eine Prüfung, der Fahrzeit zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte ist nicht erforderlich. Die Zweitwohnung liegt 30 km entfernt und damit noch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte. Es liegt daher eine doppelte Haushaltsführung vor. Da die kürzeste Straßenverbindung von der Zweitwohnung zur ersten Tätigkeitsstätte (30 km) auch weniger als die Hälfte der Straßenverbindung zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte beträgt (1/2 von 100 km = 50 km), kann auch von einer beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden
Eine Wohnung dient dem Wohnen am Beschäftigungsort, wenn sie dem ArbN ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Entscheidung darüber, ob die Wohnung so gelegen ist, dass der ArbN in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Die Antwort darauf kann nur aufgrund der Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles gegeben werden und ist von den individuellen Verkehrsverbindungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abhängig. Bei einer Entfernung von 83 km und einer Fahrzeit von weniger als einer Stunde handelt es sich um eine in der heutigen Zeit üblichen Pendelstrecke und Pendelzeit, vgl. BFH vom 26.6.2014, VI R 59/13.
Nach einem Urteil des FG Münster vom 26.9.2018, 7 K 3215/16 E, kann eine doppelte Haushaltsführung auch anzunehmen sein, wenn die Ehegatten mit einem gemeinsamen Kind am Beschäftigungsort einen Hausstand unterhalten. Die miteinander verheirateten Kläger sind seit 1998 in Westfalen berufstätig und lebten in den Streitjahren 2013 und 2014 mit ihrer 2007 geborenen Tochter hier in einer angemieteten 80 qm großen 3-Zimmer-Dachgeschosswohnung. In ihrem mehr als 300 km entfernten Heimatdorf ist die Klägerin neben ihrer Mutter und ihrer Schwester Eigentümerin eines mit einem Bungalow (120 qm Wohnfläche) bebauten Grundstücks, das nach Hinzuerwerb benachbarter Flächen durch die Klägerin insgesamt 3 000 qm umfasst. Der Bungalow wird von der Mutter sowie von der Familie der Kläger bewohnt. Jedem stehen eigene Wohn- und Schlafzimmer zur Verfügung, den Klägern zusätzlich ein Kinderzimmer. Küche, Bad und Esszimmer nutzen sie gemeinsam mit der Mutter. Die Haus- und Zahnärzte der Kläger und der Tochter befinden sich in der Umgebung des Heimatdorfes und der Kläger ist dort Mitglied im Angelverein. Der Senat gab der Klage statt. Unabhängig von dem ab dem Streitjahr 2014 geltenden neuen Reisekostenrecht hätten die Kläger in ihrem Heimatdorf einen eigenen Hausstand unterhalten und seien dort nicht als bloße Gäste der Mutter anzusehen.
Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Stpfl. in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene »eigene Hausstand« am Beschäftigungsort belegen ist. Das gilt auch dann, wenn der Stpfl. mehrfach täglich seine schwer erkrankte (Parkinson) Ehefrau pflegen und medizinisch unterstützen will und deswegen am Arbeitsort neben der bei Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ca. 35 bis 40 Fahrminuten von der Arbeitsstätte entfernten Hauptwohnung in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte eine weitere Wohnung anmietet, um bei Bedarf jederzeit kurzfristig seine Ehefrau unterstützen zu können und so die Unterbrechungen der Arbeitszeiten zeitlich deutlich reduzieren zu können. Nur wenn die Wohnung beruflichen Zwecken dient, kommt es auf die Gründe für die Beibehaltung einer doppelten Haushaltsführung nicht mehr an; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 8.11.2021, 7 K 7009/19.
Eine Wohnung dient dem Wohnen am Beschäftigungsort, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Seit 1.1.2014 kann aus Vereinfachungsgründen von einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte dann noch ausgegangen werden, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt. Befinden sich der eigene Hausstand und die Zweitwohnung innerhalb desselben Ortes (derselben Stadt oder Gemeinde) kann für die Frage der beruflichen Veranlassung ebenfalls diese Vereinfachungsregelung (Entfernung Zweitwohnung und erste Tätigkeitsstätte im Vergleich zur Entfernung zwischen Hauptwohnung und ersten Tätigkeitsstätte) herangezogen werden.
Beispiel 10:
G hat eine unstreitige doppelte Haushaltsführung. Die Hauptwohnung ist in Stuttgart; die Wohnung am Beschäftigungsort in München. Er mietet sich eine Wohnung in Augsburg an, um in Notfällen zeitnah in Stuttgart sein zu können. Die Entfernung der Hauptwohnung zu der ersten Tätigkeitsstätte beträgt 250 km. Die Entfernung von der Zweitwohnung zu der ersten Tätigkeitsstätte beträgt 65 km.
Variante:
Er mietet sich eine Wohnung in Ulm an. Die Entfernung von der Zweitwohnung zu der ersten Tätigkeitsstätte beträgt nunmehr 130 km.
Lösung 10:
Seit 1.1.2014 kann aus Vereinfachungsgründen von einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte dann noch ausgegangen werden, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt oder die Fahrzeit zur ersten Tätigkeitsstätte für eine Wegstrecke halbiert wird. Sind die Voraussetzungen dieser Vereinfachungsregelung nicht erfüllt, ist das Vorliegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auf andere Weise anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles darzulegen. Im vorliegenden Fall wohnt G unstreitig am Beschäftigungsort (65 km < (250 km/2 =) 125 km).
In der Variante 2 ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht mehr erfüllt (130 km > (250 km/2 =) 125 km). In diesem Fall kann nicht mehr ohne Weiteres von einer Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte ausgegangen werden. Die steuerliche Anerkennung richtet sich in diesem Fall nach den von der BFH-Rspr. aufgestellten Grundsätzen (vgl. hierzu grundlegend BFH vom 19.4.2012, VI R 59/11, BStBl II 2012, 833 sowie BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 103). Ob ein tägliches Aufsuchen der Tätigkeitsstätte möglich ist, richtet sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls und ist insbes. von den individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Zweitwohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abhängig.
Das FG Berlin-Brandenburg nimmt mit seinem Urteil vom 16.12.2015 (7 K 7366/13) Stellung hierzu:
Beispiel 11:
Der Steuerpflichtige S bewohnt seit 2010 gemeinsam mit seiner Ehefrau eine in der einwohner- und flächenmäßig größten politischen Gemeinde Deutschlands belegene Wohnung, von der aus die Wegstrecke zu seiner Tätigkeitsstätte 21 Entfernungskilometer beträgt. Zusätzlich verfügte er über eine zu 2016 angemietete Wohnung, die lediglich 100 Meter von seiner Arbeitsstelle entfernt lag. S begehrt den Abzug der Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung. Er argumentiert, dass durch die Begründung des Zweitwohnsitzes eine Wegezeit von mehr als einer Stunde vermieden wird. Zudem hätten zunehmend unregelmäßige und längere Arbeitszeiten sowie Präsenzpflicht bei einer Vielzahl wichtiger dienstlicher Termine außerhalb der üblichen Arbeitszeit und darüber hinaus die gleichzeitig schlechter werdende Zuverlässigkeit der S-Bahn eine Wohnung in der Nähe der Arbeitsstätte erforderlich gemacht.
Lösung 11:
Das Gericht versagte den Abzug, da die Haupt- (bzw. Familien-)Wohnung noch am Beschäftigungsort liegend angesehen wurde. Es stellte dabei nicht auf die politische Gemeinde ab, sondern darauf, ob sich die Wohnung im Bereich des Einzugsgebiets der Arbeitsstätte (ersten Tätigkeitsstätte) befindet. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstelle in zumutbarer Weise täglich aufsuchen könne. Hierbei müsse auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls geachtet werden, also neben der Entfernung etwa auf die Verkehrsanbindung sowie die Erreichbarkeit der privaten und öffentlichen Verkehrsmittel. Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke lägen dabei noch im zumutbaren zeitlichen Rahmen. In der anschließenden Revision entschied der BFH, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht vorläge, wenn die Hauptwohnung ebenfalls am Beschäftigungsort belegen sei und stimmte somit der Auffassung des Finanzgerichtes zu; BFH Urteil vom 16.1.2018, VI R 2/16. Inzwischen kann man von einer ständigen Rspr. zur Nichtanerkennung einer doppelten Haushaltsführung mit Hauptwohnung am Beschäftigungsort ausgehen. Nachdem zwei Stunden Fahrtzeit von und zur Arbeitsstätte noch als zumutbar angesehen wurden, kann weiter vermutet werden, dass es in Deutschland wohl keine derart weitläufige Großstadt gibt, in der die Arbeitsstätte nicht in zumutbarer Weise täglich von der Wohnung aus zu erreichen ist.
Beispiel 12:
Die Ehegatten Fabian und Simone sind seit Juli 2017 als Apotheker in einer Apotheke in München tätig. Sie beziehen zusammen mit ihren schulpflichtigen, minderjährigen Kindern seit Juli 2017 eine Wohnung in München, da die Entfernung (250 km) von ihrem bisherigen Wohnort in Baden-Württemberg zu weit zum Pendeln ist. Seit Juli 2017 gehen die Kinder in München auf eine Schule. Die Wohnung in Baden-Württemberg wird weiterhin an den Wochenenden und Ferien genutzt, da die Familie weiterhin den Kontakt zu Freunden und Verwandten halten möchte sowie weiterhin in mehreren Vereinen tätig ist.
Lösung 12:
Für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nach den in der höchstrichterlichen Rspr. entwickelten Kriterien zu bestimmen. Nach Auffassung des BFH (Urteil vom 1.10.2019, VIII R 29/16) gilt die Vermutung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen unter diesen Umständen i.d.R. an den Beschäftigungsort verlagert, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Der Stpfl. kann Umstände des Einzelfalls darlegen, die entgegen der Regelvermutung auf Grundlage der erforderlichen Gesamtwürdigung für einen Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsorts sprechen.
Das FG Berlin-Brandenburg bejaht in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 9.3.2016, 7 K 7098/14) die doppelte Haushaltsführung. Allein der Umstand, dass beiderseits berufstätige Ehegatten während der Woche (und damit den weitaus überwiegenden Teil des Jahres) am Beschäftigungsort zusammenleben, rechtfertigt es noch nicht, dort den Lebensmittelpunkt des Stpfl. und seiner (Haupt-)Bezugsperson zu verorten. Der Schulbesuch der Kinder führt somit nicht zwingend zur Annahme des Lebensmittelpunktes am Beschäftigungsort. Vielmehr waren für das Bejahen der doppelten Haushaltsführung die regelmäßigen Heimfahrten, der Vergleich der Wohnqualität beider Wohnungen und die Hobbys am Heimatort ausschlaggebend. Kann sich das Gericht bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls sowie der vorgelegten Beweismittel nicht davon überzeugen, dass sich der Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsortes befunden hat, geht dies zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu bestimmen. Danach gilt die Vermutung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen unter diesen Umständen i.d.R. an den Beschäftigungsort verlagert, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Der Stpfl. kann Umstände des Einzelfalls darlegen, die entgegen der Regelvermutung auf Grundlage der erforderlichen Gesamtwürdigung für einen Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsorts sprechen; vgl. BFH vom 1.10.2019, VIII R 29/16.
Beispiel 13:
Die Ehegatten Sonja (S) und Albert (A) haben beide Informatik an der Universität in Mainz studiert. Noch während des Studiums haben die beiden geheiratet. Ihr Lebensmittelpunkt ist in Mainz, wo sie auch eine Eigentumswohnung besitzen. Nach Abschluss des Studiums bewerben sich beide um einen Arbeitsplatz. Während S in Düsseldorf Arbeit findet, wird A bei einer Informatikfirma in Karlsruhe eingestellt. Beide beschließen, an den jeweiligen Orten eine Zweitwohnung zu mieten und die Wochenenden gemeinsam in Mainz zu verbringen.
Lösung 13:
Sowohl die »berufliche Veranlassung« (erstmalige Begründung eines Dienstverhältnisses) sowie das »Wohnen am Ort der ersten Tätigkeitsstätte« sind unstreitig erfüllt. Es stellt sich die Frage, ob die Wohnung in Mainz der eigene Hausstand darstellt. Das Ehepaar hat in Mainz seine Hauptwohnung, an welchem sich der Lebensmittelpunkt befindet und die sie auch innehaben. Dass unter der Woche kein hauswirtschaftliches Leben herrscht, ist unschädlich. Deshalb ist bei Ehegatten eine doppelte Haushaltsführung durchaus erfüllt, wenn die Ehegatten außerhalb des Orts ihres gemeinsamen Hausstands an verschiedenen Orten beschäftigt sind und am jeweiligen Beschäftigungsort eine Zweitwohnung beziehen (vgl. H 9.11 Abs. 1–4 [Ehegatten/Lebenspartner] LStH).
Beispiel 14:
Der ledige Abiturient (A) wohnt im Haus seiner Eltern in Kaiserslautern in einer Einliegerwohnung, die ihm von seinen Eltern unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird. An den laufenden Haushaltskosten (Gas, Strom und Wasser) beteiligt sich A nicht, diese werden von den Eltern übernommen. Nach dem Abitur beginnt A an der Universität in Mannheim im Rahmen eines Vollzeitstudiums Zahnmedizin zu studieren. Zu diesem Zweck mietet er sich in einem Vorort eine Zweizimmerwohnung an. An den Wochenenden ist A in Kaiserslautern, da sich dort sein Freundeskreis befindet.
Lösung 14:
Die erste Tätigkeitsstätte des A ist die Universität nach § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Eindeutig ist, dass er am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Mit Aufnahme eines Vollzeitstudiums ist auch die berufliche Veranlassung erfüllt. Seit VZ 2014 verlangt das Einkommensteuergesetz eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung. A nutzt die Einliegerwohnung weder aus eigenem Recht noch als Mieter und beteiligt auch nicht an den laufenden Haushaltskosten. Somit unterhält er keinen eigenen Hausstand. Die doppelte Haushaltsführung ist nicht anzuerkennen.
Beispiel 15:
Die 55-jährige Stpfl. ist als Bankkauffrau bei einer Bank in Frankfurt tätig. Sie ist ledig und kinderlos. Sie wuchs in Pirmasens auf. Aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation verließ sie vor Jahren ihren Heimatort. Sie führt ein zurückgezogenes Leben ohne Betätigung in Vereinen oder kirchliches Engagement und ist nirgends sozial eingebunden. In größeren Abständen besuchte sie in Pirmasens und Umgebung Freundinnen aus Kindertagen und einen Onkel. Ihre mittlerweile verstorbene und davor seit mehreren Jahren pflegebedürftige Mutter, deren vormundschaftliche Betreuerin sie war, lebte überwiegend in einem Pflegeheim in Frankfurt. In Pirmasens hat die Stpfl. ein 100 Jahre altes Haus mit einer Wohnfläche von 70 qm, in Frankfurt eine Mietwohnung mit 60 qm. Arztbesuche werden in Frankfurt wahrgenommen, wo sie auch ihre Post empfängt.
Lösung 15:
Die doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben. Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern geht man allgemein davon aus, dass sich der Lebensmittelpunkt nach gewisser Dauer an den Beschäftigungsort verlagert und die Heimatwohnung nur noch für Besuchszwecke vorgehalten wird. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, wo sich Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten. Das Gericht gelangte nicht zu der Überzeugung, dass der Lebensmittelpunkt in Pirmasens lag (wenige soziale Kontakte in Pirmasens, Bezugsperson (Mutter) lebte in Frankfurt).
Mit seinem Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 nimmt das BMF unter Rz. 103 Stellung zur Zweitwohnung: Eine Zweitwohnung oder -unterkunft in der Nähe des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte steht einer Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte gleich. Aus Vereinfachungsgründen kann davon ausgegangen werden, dass die Zweitwohnung noch am Ort der ersten Tätigkeitstätte belegen ist, wenn die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG) zwischen Zweitwohnung oder -unterkunft und erster Tätigkeitsstätte nicht mehr als 50 km beträgt. Liegt die Zweitwohnung mehr als 50 km von dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte entfernt, ist zu prüfen, ob die erste Tätigkeitsstätte von der Zweitwohnung oder -unterkunft noch in zumutbarer Weise täglich erreicht werden kann. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten ist dabei als zumutbar anzusehen (BFH vom 19.4.2012, VI R 59/11, BStBl 2012 II, 833).
Eine doppelte Haushaltsführung ist nach folgenden Kriterien zu prüfen:
Abbildung: Prüfung einer doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach
Die doppelte Haushaltsführung wird insbes. aus folgenden Gründen beendet:
Verlegung des Lebensmittelpunkts: Mit der Verlegung des Lebensmittelpunkts an die Zweitwohnung wird die aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung beendet;
Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses: Mit Beendigung des Dienstverhältnisses und gleichzeitiger Aufgabe des Zweitwohnsitzes wird die aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung beendet;
Zuzug des Ehegatten in die Zweitwohnung: Die Beendigung tritt jedoch wiederum nicht ein, wenn die bisherige Familienwohnung als gemeinsamer Hausstand beibehalten wird und diese weiterhin den Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers bildet;
Veränderung der Familienverhältnisse: Der Arbeitnehmer lebt von seiner Familie in der Zweitwohnung dauernd getrennt und lebt dort mit einer anderen Frau.
Mietaufwendungen für eine ursprünglich für eine doppelte Haushaltsführung genutzte Wohnung können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer neuen Arbeitsplatzsuche als (vorweggenommene) Werbungskosten abgezogen werden; vgl. FG Münster vom 12.6.2019, 7 K 57/18 E. Das FG Münster hat die Revision zugelassen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war in Berlin berufstätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. In Berlin unterhielt der Kläger eine beruflich begründete Zweitwohnung. Der eigene Hausstand lag unstrittig am in Nordrhein-Westfalen unterhaltenen Lebensmittelpunkt. Das Beschäftigungsverhältnis in Berlin wurde durch den ArbG zum 31.8.2015 gekündigt. Der Kläger behielt seine Wohnung in Berlin nach Kündigung bei und bewarb sich bis Dezember 2015 bei insgesamt 72 potenziellen neuen ArbG im gesamten Bundesgebiet und in der Schweiz. Drei dieser potenziellen neuen ArbG hatten ihren Sitz in Berlin und Umgebung. Nachdem der Kläger im Dezember 2015 eine Zusage für eine neue Anstellung in Hessen zum 1.1.2016 erhielt, kündigte er die in Berlin belegene Mietwohnung zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum 29.2.2016.
In welcher Höhe Werbungskosten bei Beendigung einer doppelten Haushaltsführung anzuerkennen sind, hatte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.11.2016, 2 K 1701/14) zu entscheiden. Im Urteilsfall veräußerte der Kläger eine Eigentumswohnung, die als Zweitwohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wurde. Für die Ablösung der Erwerbsdarlehen wurde eine Vorfälligkeitsentschädigung von ca. 9 300 € gezahlt. Das Gericht versagte den Abzug. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist wirtschaftlich betrachtet die Folge der auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Darlehensvertrags. Daher wird die ursprüngliche berufliche Veranlassung überlagert von dem durch die Veräußerung ausgelösten Veranlassungszusammenhang. Vor dem BFH (BFH, VI R 15/17) ist die Revision anhängig. Der BFH entschied in der anschließenden Revision (Urteil vom 3.4.2019, VI R 15/17) wie folgt: Wird die Wohnung am Beschäftigungsort anlässlich der Beendigung einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung veräußert, ist eine dabei anfallende Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen. Durch die Beendigung der doppelten Haushaltsführung und die Veräußerung der Wohnung der ursprünglich in der »beruflichen« Nutzung der Immobilie wurzelnde Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit aufgelöst und ein neuer – regelmäßig nicht steuerbarer – Veranlassungszusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft begründet. Nach diesen Maßstäben ist die Vorfälligkeitsentschädigung wegen des fehlenden Veranlassungszusammenhangs mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit nicht bei diesem als Werbungskosten einkünftemindernd zu berücksichtigen; vgl. hierzu auch BMF vom 25.11.2020, BStBl I 1228 unter Rz. 109: Bei Beendigung der doppelten Haushaltsführung ist eine Vorfälligkeitsentschädigung wegen vorzeitiger Ablösung einer Grundschuld aufgrund der Veräußerung der Zweitwohnung nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Wird die der doppelten Haushaltsführung dienende Zweitwohnung an der ersten Tätigkeitsstätte innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung oder Herstellung veräußert, stellt sich die Frage, ob die Veräußerung ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt. Hierzu hat der BFH (Urteil vom 27.6.2017, IX R 37/16) klargestellt, dass ein Gebäude auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG können deshalb auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, mit dem Ergebnis fallen, dass ein privates Veräußerungsgeschäft nicht vorliegt. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken »im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren« (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alt. EStG) liegt vor, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kj. erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kj. – voll auszufüllen.
Mietaufwendungen für eine ursprünglich für eine doppelte Haushaltsführung genutzte Wohnung können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer neuen Arbeitsplatzsuche als (vorweggenommene) WK abgezogen werden; vgl. FG Münster vom 12.6.2019, 7 K 57/18.
Als notwendige Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung kommen insbes. die folgenden Kostenfaktoren in Betracht:
Fahrtkosten zu Beginn sowie zur Beendigung der doppelten Haushaltsführung sowie die wöchentlichen Familienheimfahrten;
Verpflegungsmehraufwendungen;
Unterkunftskosten/Aufwendungen für die Zweitwohnung;
Umzugskosten/Sonstige Mehraufwendungen.
Führt der Arbeitnehmer mehr als eine Heimfahrt wöchentlich durch, kann er wählen, ob er die nach Satz 1 in Betracht kommenden Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung oder die Fahrtkosten nach der Entfernungspauschale geltend machen will. Der Arbeitnehmer kann das Wahlrecht bei derselben doppelten Haushaltsführung für jedes Kalenderjahr nur einmal ausüben. Das Wahlrecht zur Entfernungspauschale ist eher sinnvoll für Stpfl., die mehrmals wöchentlich den Familienwohnsitz aufsuchen, da bei den Familienheimfahrten nur eine tatsächliche Heimfahrt zum Abzug zugelassen wird. Das bedeutet aber auch, dass der Arbeitnehmer zum einen die Kosten des Zweithaushalts nicht absetzen kann; zum anderen sind die Fahrtkosten um den Wert einer vom Arbeitgeber gestellten Unterkunft zu kürzen.
Beispiel 16:
Ein verheirateter Finanzbeamte (F) wird vom Finanzamt A an das Finanzamt B unbefristet im Kj. 19 versetzt. Ab März 19 mietet er eine Wohnung in B an, die er im Laufe des Kj. unter der Woche aufsucht; an Wochenenden fährt F zu seiner Familie nach A. Im Kj. 20 (entspricht der Rechtslage 2020) führt F wöchentlich drei Familienheimfahrten durch (150 Entfernungskilometer bei 46 Wochen). Die Unterkunftskosten betragen für das ganze Jahr 4 000 €.
Lösung 16:
Im Kj. 20 (entspricht der Rechtslage 2020) macht die Ausübung des Wahlrechts pro Entfernungspauschale Sinn:
Wahlrecht pro Entfernungspauschale: |
|
150 km × 0,3 € × 46 Wochen × 3 Fahrten pro Woche= |
6 210 € |
Wahlrecht pro doppelte Haushaltsführung: |
|
Fahrtkosten: 150 km × 0,3 € × 46 Wochen × 1 tats. Fahrt pro Woche= |
2 070 € |
Unterkunftskosten: |
4 000 € |
Verpflegungsmehraufwendungen: Kein Ansatz, da bereits im Kj. 19 Dreimonatsfrist verstrichen |
|
Summe: |
6 070 € |
Abwandlung:
Das Kj. 19 entspricht dem Kj. 2022; das Kj. 20 entspricht dem Kj. 2023:
Lösung:
Ermittlung im Kj. 2023:
Wahlrecht pro Entfernungspauschale: |
||
20 km × 0,30 € × 46 Wochen × 3 Fahrten pro Woche: |
828 € |
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130 km × 0,38 € × 46 Wochen × 3 Fahrten pro Woche= |
6 817 € |
|
EFP insgesamt: |
7 645 € |
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Wahlrecht pro doppelte Haushaltsführung: |
||
Fahrtkosten: |
||
20 km × 0,30 € × 0,30 € × 1 tats. Fahrt pro Woche: |
276 € |
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130 km × 0,38 € × 46 Wochen × 1 tats. Fahrt pro Woche= |
2 272 € |
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Fahrtkosten insg.: |
2 548 € |
2 548 € |
Unterkunftskosten: |
4 000 € |
|
Verpflegungsmehraufwendungen: kein Ansatz, da bereits im Kj. 22 Dreimonatsfrist verstrichen |
||
Summe: |
6 548 € |
Ergebnis: Der Ansatz der Entfernungspauschale wäre hier günstiger.
Hat der Arbeitgeber die Zweitwohnung unentgeltlich oder teilentgeltlich zur Verfügung gestellt, sind die abziehbaren Fahrtkosten um diesen Sachbezug mit dem nach R 8.1 Abs. 5 und 6 LStR maßgebenden Wert zu kürzen.
Allgemein gilt, dass ein Werbungskostenabzug und eine Erstattung von Fahrtkosten nicht in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber oder für dessen Rechnung ein Dritter dem Arbeitnehmer einen Kraftwagen zur Durchführung der Heimfahrten unentgeltlich überlassen hat. Wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einen Firmenwagen bzw. Dienstwagen für die wöchentlichen Heimfahrten gestellt bekommt, dann kann er für diese Fahrten keine Werbungskosten in Höhe der Entfernungspauschale zum Ansatz bringen. Denn nach Auffassung der Rspr. trägt in diesem Fall – im Ergebnis – der Arbeitgeber die Aufwendungen des Arbeitnehmers. Im Wege des Korrespondenzprinzips ist es auch systematisch richtig, dass im Gegenzug bei der Nutzung eines vom Arbeitgeber gestellten Firmenwagens kein geldwerter Vorteil für die wöchentlichen Familienheimfahrten angesetzt werden muss (vgl. auch § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG).
Falls der Arbeitnehmer den Firmenwagen zusätzlich zu den wöchentlichen Familienheimfahrten einmal unter der Woche nutzt, um den eigenen Hausstand der Familie aufzusuchen, ist eine Versteuerung dieser Fahrt durchzuführen.
Beispiel 17:
Bei dem Arbeitnehmer A liegt unstreitig eine doppelte Haushaltsführung vor. Die Entfernung zwischen den beiden Haushalten beträgt 150 km. Der Arbeitgeber von A hat einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt, den A für 45 Familienheimfahrten im Jahr nutzt. Im Übrigen ist er an weiteren 15 Tagen immer mittwochs nach Hause gefahren, um seine Kinder zu besuchen. Der Listenpreis des Fahrzeuges beträgt 35 000 €.
Lösung 17:
Bezüglich der 15 weiteren Fahrten muss ein geldwerter Vorteil für A nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen versteuert wie folgt versteuert werden:
0,002 % × 35 000 € x150 km × 15 Tage = 1 575 €
Klarstellend haben das FG Düsseldorf (FG Düsseldorf Urteil vom 8.4.2014, 13 K 339/12 E) und der BFH (BFH Urteil vom 28.2.2013, VI R 33/11, BStBl II 2013, 629) hierzu entschieden, dass für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung mit dem vom Arbeitgeber überlassenen Pkw, für die der Werbungskostenabzug nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ausgeschlossen ist, kein Sachbezug gem. § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG anzusetzen ist.
Nutzt der ArbN ein ihm von seinem ArbG auch zur außerdienstlichen Nutzung überlassenes Kfz für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, so scheidet ein Werbungskostenabzug auch dann aus, wenn der ArbN hierfür ein Nutzungsentgelt leisten muss oder individuelle Kfz-Kosten zu tragen hat; vgl. BFH vom 4.8.2022, VI R 35/20. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der ArbG hatte dem Kläger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – auch für die Durchführung von Privatfahrten – einen Firmenwagen überlassen. Die vertraglich vereinbarte pauschale monatliche Zuzahlung i.H.v. 0,5 % des Bruttolistenpreises und die monatlich einbehaltenen Beträge für die Nutzung der Tankkarte zu Privatfahren (0,10 € bzw. 0,09 € pro gefahrenen Kilometer) berücksichtigte der ArbG bereits bei den monatlichen Lohnabrechnungen in Form der Minderung des zu versteuernden geldwerten Vorteils bis auf max. 0 €. Zuzahlungsüberhänge in einzelnen Monaten wurden jedoch aus technischen Gründen nicht auf andere Monate des Streitjahres, in denen geldwerte Vorteile verblieben, übertragen. Der Kläger nutzte den ihm überlassenen Pkw auch für wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der vom Kläger geltend gemachte Abzug für seine Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 8 EStG ausscheidet. Vorliegend hat der ArbG des Klägers diesem ein Kfz überlassen, das dieser sowohl für private Fahrten als auch für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie für seine Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nutzen durfte. Im Gegenzug musste der Kläger eine pauschale Zuzahlung i.H.v. 0,5 % der unverbindlichen Kaufpreisempfehlung leisten und für die ihm von seinem ArbG überlassene Tankkarte pro gefahrenem Kilometer für einen der vorgenannten Zwecke 0,10 € (bis Mai 2016) bzw. 0,09 € (ab Juni 2016) entrichten.
Für die Fahrten zu Beginn und Beendigung der doppelten Haushaltsführung kann der Arbeitnehmer die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen. Für die Ermittlung der Fahrtkosten gilt deshalb § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG mit der Folge, dass die Reisekostengrundsätze zugrunde zu legen sind. Hier kann der Arbeitnehmer für den gefahrenen Kilometer seinen individuellen Kilometersatz ermitteln und ansetzen oder auf die pauschalen Kilometersätze nach dem Bundesreisekostengesetz zurückgreifen (0,30 € pro gefahrenem km).
Für die Familienheimfahrten ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5, 6 und 7 EStG für jeweils eine tatsächlich durchgeführte Heimfahrt wöchentlich maßgebend. Hierbei ist zu beachten, dass eine Familienheimfahrt nach dem Gesetzeswortlaut eine Hin- und Rückfahrt abdeckt. Der Höchstbetrag von 4 500 € nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 greift allerdings nicht.
Für die unter der Woche stattfindenden Fahrten zwischen der Zweitwohnung und der ersten Tätigkeitsstätte ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusetzen. Nach einem Urteil des BFH (BFH vom 18.4.2013, VI R 29/12, BStBl II 2013, 735) kann die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung aufwandsunabhängig in Anspruch genommen werden. Steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen. Davon profitieren auch Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft. Sämtliche Mitfahrer erhalten die Entfernungspauschale ohne jegliche Kürzung, auch wenn sie keine Kosten tragen. Für Flugstrecken und bei teilentgeltlicher Sammelbeförderung sind die tatsächlichen Kosten anzusetzen.
Bei der Streckenbestimmung kommt als Zielpunkt die Hauptwohnung (Haupthausstand) des Steuerpflichtigen zum Ansatz. Der Startpunkt der Streckenverbindung ist jedoch nicht klar definiert. Der Gesetzgeber bestimmt diesen schwammig in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 EStG als »Ort der ersten Tätigkeitsstätte«. Dieser kann sowohl als eine bestimmte geographische Position als auch als eine kommunale Verwaltungseinheit im Sinne einer »Ortschaft« interpretiert werden. Legt man den Gesetzeswortlaut eng im Sinne einer »bestimmten geographischen Position« aus, müsste der ArbN nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG direkt im bzw. unmittelbar am Arbeitsplatz wohnen, um überhaupt einen doppelten Haushalt begründen zu können. Der »Ort« kann daher nicht als eine bestimmte geographische Position interpretiert werden. Eine weite Auslegung des Wortlauts im Sinne einer Ortschaft als Verwaltungseinheit lässt hingegen offen, welche Strecke genau für die Berechnung zugrunde zu legen ist; Berger (Berger, Die Familienheimfahrt im Rahmen der doppelten Haushaltsführung, NWB 2015, 3392) führt aus, dass für die Berechnung der Entfernungskilometer bei den Familienheimfahrten die Finanzverwaltung grundsätzlich die kürzeste Wegstrecke von der Hauptwohnung zur Zweitwohnung ansetzt.
Behinderte Arbeitnehmer, deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, deren Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung anstelle der Entfernungspauschale die tatsächlichen Aufwendungen als Werbungskosten ansetzen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG).
Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallende Flug- und Fahrtkosten, die ein Ehegatte aufwendet, um den anderen Ehegatten an dessen Beschäftigungsort aufzusuchen, sind keine Aufwendungen für Familienheimfahrten i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Ein Abzug dieser Aufwendungen kommt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht, setzt aber voraus, dass der andere Ehegatte aus beruflichen Gründen an einer Familienheimfahrt gehindert ist; FG Köln Urteil vom 27.1.2010, 4 K 2882/07.
Tritt der den doppelten Haushalt führende Ehegatte die wöchentliche Familienheimfahrt aus privaten Gründen nicht an, sind die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführte Besuchsfahrt des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort keine Werbungskosten (BFH vom 2.2.2011, BStBl II 2011, 456). Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass nur die Fahrten vom Beschäftigungsort zum Lebensmittelpunkt (Familienheimfahrten) Werbungskosten sind, verletzt nicht Art. 6 GG. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG nur die Fahrten zu diesem Lebensmittelpunkt, dem gemeinsamen Familienwohnsitz, als den beiderseits berufstätigen Ehegatten notwendig entstanden beurteilt. Eine Reise an den Beschäftigungsort des Ehegatten ist ungeachtet der doppelten Haushaltsführung eine private Wochenendreise.
Ist der den doppelten Haushalt führende Ehegatte aus beruflichen Gründen an einer Familienheimfahrt gehindert, sind die Aufwendungen für die Besuchsfahrt des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort bis zur Höhe der für die unterlassene Familienheimfahrt berücksichtigungsfähigen Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar (BFH vom 21.8.1974 BStBl II 1975, 64).
Der BFH hat einen Werbungskostenabzug der Aufwendungen für Besuchsfahrten eines Ehepartners zur auswärtigen Tätigkeitsstätte des anderen Ehepartners im Rahmen einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit abgelehnt (BFH Urteil vom 22.10.2015, BStBl II 2016, 179). Die berufliche Veranlassung für solche Fahrten sei selbst dann nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine Fahrt vom auswärtigen Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz nicht durchführen kann, weil seine Anwesenheit am Beschäftigungsort aufgrund einer Weisung bzw. Empfehlung des Arbeitgebers oder aus anderen beruflichen Gründen erforderlich ist. Die berufliche Veranlassung der an sich privaten Besuchsfahrt des Ehegatten kann daraus nicht hergeleitet werden. Der Bundesfinanzhof musste nicht darüber entscheiden, ob an der Rechtsprechung weiter festzuhalten ist, wonach bei sog. umgekehrten Familienheimfahrten im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung eine steuerfreie Arbeitgebererstattung bzw. ein Werbungskostenabzug möglich ist, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen an der Familienheimfahrt gehindert ist.
Mit Urteil vom 11.5.2017 erachtet das FG Thüringen, 1 K 408/15 zweifelhaft, ob der Rspr. der »umgekehrten Familienheimfahrt« noch gefolgt werden könne.
Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2026 abweichend von Satz 6 eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der ersten 20 Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte von 0,30 € und für jeden weiteren vollen Kilometer von 0,35 € für 2021 bis 2023, von 0,38 € für 2024 bis 2026; vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 9 EStG. Das BMF hat am 2.3.2022 den Entwurf für ein Steuerentlastungsgesetz 2022 veröffentlicht. Dieser Entwurf sieht rückwirkend zum 1.1.2022 das Vorziehen der Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) auf 38 Cent vor.
Nachfolgendes Schaubild stellt die Ansätze von Fahrtkosten dar:
Steuerfrei sind nur Ersatzleistungen für tatsächlich durchgeführte Familienheimfahrten. Fährt der Arbeitnehmer am Wochenende nicht nach Hause, können ihm jedoch anstelle der Fahrtkosten die Gebühren für ein Telefongespräch bis zu einer Dauer von 15 Minuten (nach dem günstigsten Tarif), das er mit Angehörigen führt, die zum Hausstand des Arbeitnehmers gehören, steuerfrei ersetzt werden (Hinweise zu R 9.11 Abs. 5 bis 10 LStR).
Der Ansatz der Entfernungspauschale gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer für seine Heimfahrten ein Flugzeug benutzt. Sämtliche Flugkosten, die für die wöchentliche Heimfahrt im Rahmen der beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung anfallen, dürfen ausschließlich in Höhe der nachgewiesenen Kosten geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen die tatsächlichen Aufwendungen steuerfrei ersetzen.
Behinderte ArbN, deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt oder deren Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung anstelle der Entfernungspauschale die tatsächlichen Aufwendungen als Werbungskosten ansetzen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG). Bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs können die Fahrtkosten ohne Einzelnachweis mit den pauschalen km-Sätzen i.H.v. 0,30 € je gefahrenen Kilometer (Reisekostengrundsätze) angesetzt werden. Korrespondierend dazu kann natürlich der ArbG seinem ArbN die entsprechenden Beträge steuerfrei erstatten. Wird bei einem behinderten Menschen der Grad der Behinderung herabgesetzt und liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG nach der Herabsetzung nicht mehr vor, ist dies ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt zu berücksichtigen. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sowie Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung können daher nicht mehr nach § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG bemessen werden. Es bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, dass § 116 Abs. 1 SGB IX oder § 38 Abs. 1 SchwbG im Steuerrecht nicht anzuwenden ist. § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG ist keine Schutzvorschrift für Schwerbehinderte i.S.d. § 38 Abs. 1 SchwbG bzw. besondere Regelung für schwerbehinderte Menschen i.S.d. § 116 Abs. 1 SGB IX; vgl. BFH vom 11.3.2014, BStBl II 2014, 525.
Beispiel 18:
ArbN A liegt unstreitig eine doppelte Haushaltsführung vor. Er wohnt in Euskirchen und seine Arbeitsstelle ist in Hannover. Die Entfernung zwischen Hannover und Euskirchen beträgt 320 km. Er hat im Kj. 2023 44 Familienheimfahrten.
Lösung 18:
Die abzugsfähigen Werbungskosten (bzw. die steuerfreien Arbeitgeberleistungen) ermitteln sich wie folgt:
44 × 20 km × 0,30 € = 264 €
44 × 300 km × 0,38 € = 5 016 €
Summe: 5 280 €
§ 9 Abs. 4a Satz 12 EStG bestimmt, dass die Verpflegungspauschalen nach den Sätzen 3 und 5 entsprechend auch für den Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung, die bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, soweit der Arbeitnehmer vom eigenen Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG abwesend ist. Maßgebend ist somit die Abwesenheit der Hauptwohnung des Familienhausstands (des Lebensmittelpunktes).
An Verpflegungsmehraufwendungen kommen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 EStG insbes. in Betracht:
24 € für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Hierbei sind die Tage unter der Woche zu verstehen, in denen der Arbeitnehmer arbeitstäglich von seiner Zweitwohnung die erste Tätigkeitsstätte aufsucht.
Jeweils 12 € für den An- und Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet. Hierbei sind die Tage zu verstehen, in denen der Arbeitnehmer die Familienheimfahrten (und somit die Hin- und Rückfahrten) durchführt. Hier ist eine erhebliche Verbesserung durch die Reisekostenreform für den Arbeitnehmer im Vergleich zur bisherigen Rechtslage zu erkennen, da bisher für die An- und Abreisetage eine Mindestabwesenheit von acht Stunden Voraussetzung für den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen war. Aus diesem Grund reicht es nunmehr aus, wenn der Arbeitnehmer für die Rückfahrt zur Zweitwohnung (vermutlich am Sonntag) nach 16 Uhr die Abreise beginnt, um von dem Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen zu profitieren.
Ab VZ 2020 betragen die o.g. Verpflegungsmehraufwendungen an Stelle von 12 € 14 € und an Stelle von 24 € 28 €.
Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes ist für das Kj. 2024 eine Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 EStG von 28 € auf 32 € sowie nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 EStG jeweils von 14 € auf 16 € vorgesehen.
Verpflegungsmehraufwendungen für eine Abwesenheit von mehr als acht Stunden Abwesenheit kommen bei einer doppelten Haushaltsführung nicht in Betracht:
Abwesenheitsdauer |
Pauschbetrag bis VZ 2013 |
Pauschbetrag ab VZ 2014 |
Pauschbetrag ab VZ 2020 |
24 Stunden bei mehrtägiger Abwesenheit |
24 € |
24 € |
28 € |
14 bis 24 Stunden |
12 € |
– |
– |
8 bis 14 Stunden |
6 € |
– |
– |
8 bis 24 Stunden |
– |
12 € |
14 € |
An- und Abreisetage |
– |
12 € |
14 € |
Wird dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer doppelten Haushaltsführung für die ersten drei Monate vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind die ermittelten Verpflegungspauschalen zu kürzen:
für Frühstück um 20 %,
für Mittag- und Abendessen um jeweils 40 %der maßgebenden Verpflegungspauschale für einen vollen Kalendertag; die Kürzung darf die ermittelte Verpflegungspauschale nicht übersteigen.
Die Verpflegungspauschalen sind auch dann zu kürzen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung stellt, diese vom Arbeitnehmer aber nicht eingenommen werden; vgl. BFH, Urteil vom 7.7.2020, VI R 16/18. Aus welchen Gründen der ArbN eine ihm von seinem ArbG zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt, ist insoweit unerheblich. Stellt der ArbG dem ArbN Mahlzeiten zur Verfügung, konnte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass dem ArbN insoweit für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Es ist daher nur folgerichtig, in einem solchen Fall die ebenfalls im Wege der Typisierung festgelegten Verpflegungspauschalen (anteilig) zu kürzen, wie dies § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG anordnet.
§ 9 Abs. 4a Satz 12 verweist, dass die Dreimonatsfrist nach den Sätzen 6 und 7 entsprechend gilt. Die Verpflegungsmehraufwendungen können grundsätzlich nur für die ersten drei Monate beansprucht werden. Hier unterstellt der Gesetzgeber, dass der Arbeitnehmer nach den drei Monaten die Verpflegungssituation in seiner Umgebung kennt und daher keinen Mehraufwand hat. Ist der Tätigkeit am Beschäftigungsort allerdings eine Auswärtstätigkeit an diesem Beschäftigungsort unmittelbar vorausgegangen, ist deren Dauer auf die Dreimonatsfrist anzurechnen.
Bemerkenswert ist der Verweis auf Satz 7. Demnach führt eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte zu einem Neubeginn der Dreimonatsfrist, wenn sie mindestens vier Wochen andauert. Eine längerfristige, krankheitsbedingte oder sogar urlaubsbedingte Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung wirkt sich somit zugunsten des Arbeitnehmers aus, da er erneut von den Verpflegungsmehraufwendungen profitieren kann.
Wird die berufliche Tätigkeit am Ort der ersten Tätigkeitsstätte für mindestens vier Wochen coronabedingt unterbrochen, beginnt auch insoweit eine neue Dreimonatsfrist beim Mehraufwand für Verpflegung zu laufen (§ 9 Abs. 4a Satz 12 EStG). Die Beibehaltung der Zweitwohnung während der Unterbrechungszeit ist unschädlich.
Beispiel 19:
B ist Dozent an der Hochschule für Finanzen in Edenkoben (Rheinland-Pfalz) und hat eine doppelte Haushaltsführung seit Jahren (eigener Hausstand im Saarland). In den Sommerferien schließt die Hochschule stets für vier Wochen. In dieser Zeit ist B zu Hause im Saarland (oder im Urlaub). Nach den Sommerferien nimmt er seine Tätigkeit in Edenkoben wieder auf und übernachtet am Ort der ersten Tätigkeitsstätte.
Lösung 19:
B kann nunmehr regelmäßig jedes Jahr für die vier Wochen Sommerferien Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen. Dies ist möglich, weil es – aus Vereinfachungsgründen – bei der Berechnung der Dreimonatsfrist nicht mehr darauf ankommt, ob bei einer doppelten Haushaltsführung die Zweitwohnung am Beschäftigungsort im Unterbrechungszeitraum beibehalten wird oder nicht. Eine längerfristige, krankheitsbedingte oder sogar urlaubsbedingte Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung wirkt sich somit zugunsten des Arbeitnehmers aus, da er erneut von den Verpflegungsmehraufwendungen profitieren kann.
Bei den sog. Wegverlegungsfällen verbieten die LStR (R 9.11 Abs. 7 Satz 3 LStR) grundsätzlich den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen. Der BFH entschied hierzu allerdings mit Urteil vom 8.10.2014, VI R 7/13, dass mit dem Zeitpunkt der Umwidmung zur doppelten Haushaltsführung die Dreimonatsfrist für den Abzug von Verpflegungspauschalen neu beginnt. Das Urteil wurde bereits im BStBl veröffentlicht und ist somit allgemein gültig. Weiterhin gilt es zu beachten, dass für jeden Kalendertag innerhalb der Dreimonatsfrist, an dem gleichzeitig (also neben einer doppelten Haushaltsführung) eine Auswärtstätigkeit stattfindet, nur der jeweils höchste in Betracht kommende Pauschbetrag abziehbar ist.
Ansonsten ist die Begrenzung des Abzugs von Mehraufwendungen für die Verpflegung auf drei Monate bei einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung verfassungsgemäß; vgl. BFH Urteil vom 8.7.2010, VI R 10/08, BStBl II 2011, 32.
Für den Betriebsausgabenabzug gelten die Regelungen des Werbungskostenabzugs entsprechend (BMF vom 23.12.2014, IV C 6 – S 2145/10/10005 :001 [MAAAE-82476], BStBl I 2015, 26). Damit hat die o.g. BFH-Rechtsprechung und die Veränderung in den LStR auch für Gewinneinkünfte Bedeutung.
Das BMF hat die für Auslandsreisen bzw. auch für eine doppelte Haushaltsführung im Ausland ab 1.1.2024 maßgebenden Pauschbeträge mit Schreiben vom 21.11.2023 bekannt gegeben.
Das BMF hat die für Auslandsreisen bzw. auch für eine doppelte Haushaltsführung im Ausland ab 1.1.2023 maßgebenden Pauschbeträge mit Schreiben vom 23.11.2022 (BStBl I 2022, 1654) bekanntgegeben. Die Pauschbeträge für 2021 sind dem BMF-Schreiben vom 3.12.2020 zu entnehmen. Die Pauschbeträge für 2020 sind dem BMF-Schreiben vom 15.11.2019 (BStBl I 2019, 1254) zu entnehmen.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG und R 9.11 Abs. 8 Satz 1 LStR können nur tatsächliche nachgewiesene Aufwendungen als Unterkunftskosten berücksichtigt werden. Zu den Aufwendungen zählen insbes.
Miete und Nebenkosten,
Absetzung für Abnutzung für Einrichtungsgegenstände, sofern es sich hierbei nicht um Arbeitsmittel handelt (diese müssten über § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 i.V.m. Nr. 7 EStG außerhalb der doppelten Haushaltsführung geltend gemacht werden),
laufende Reinigung und Pflege der Zweitwohnung/-unterkunft,
Zweitwohnungsteuer (beachte aber hierzu FG München vom 26.11.2021, 8 K 2143/21),
Rundfunkbeiträge,
Miete für Kfz-Stellplätze oder Garagenstellplätze (beachte hierzu aber FG Saarland vom 20.5.2020, 2 K 1251/17; FG Niedersachsen vom 16.3.2023, 10 K 202/22; FG Mecklenburg-Vorpommern vom 21.9.2022, 3 K 48/22,
Aufwendungen für Sondernutzungen wie z. B. die Gartennutzung.
Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1 000 € im Monat. Bisher war eine Notwendigkeits- und Angemessenheitsprüfung vorzunehmen. Nicht überhöht waren Aufwendungen, die sich für eine Wohnung von 60 qm bei einem ortsüblichen Mietzins je qm für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) ergeben würden. Allerdings gilt die 60 qm-Prüfung weiterhin für Auslandsfälle, sodass der Erklärungsvordruck bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland die Angabe der Wohnungsgröße fordert. Steht die Zweitwohnung im Ausland im Eigentum des Arbeitnehmers, sind die Aufwendungen in der Höhe als notwendig anzusehen, in der sie der Arbeitnehmer als Mieter für eine nach Größe, Ausstattung und Lage angemessene Wohnung tragen müsste.
Mietaufwendungen für eine ursprünglich für eine doppelte Haushaltsführung genutzte Wohnung können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer neuen Arbeitsplatzsuche als (vorweggenommene) Werbungskosten abgezogen werden; vgl. FG Münster vom 12.6.2019, 7 K 57/18 E. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war in Berlin berufstätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. In Berlin unterhielt der Kläger eine beruflich begründete Zweitwohnung. Der eigene Hausstand lag unstrittig am in Nordrhein-Westfalen unterhaltenen Lebensmittelpunkt. Das Beschäftigungsverhältnis in Berlin wurde durch den ArbG zum 31.8.2015 gekündigt. Der Kläger behielt seine Wohnung in Berlin nach Kündigung bei und bewarb sich bis Dezember 2015 bei insgesamt 72 potenziellen neuen ArbG im gesamten Bundesgebiet und in der Schweiz. Drei dieser potenziellen neuen ArbG hatten ihren Sitz in Berlin und Umgebung. Nachdem der Kläger im Dezember 2015 eine Zusage für eine neue Anstellung in Hessen zum 1.1.2016 erhielt, kündigte er die in Berlin belegene Mietwohnung zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum 29.2.2016.
Bei Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung entschied das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 16.12.2009, 1 K 3933/09, dass die durch den Diebstahl eines Fahrrads verursachten Kosten WK darstellen, wenn der Verlust so gut wie ausschließlich beruflich und nicht wesentlich durch den Stpfl. privat mit veranlasst ist. Erfolgt der Diebstahl des Fahrrades eines Studenten aus dem Fahrradkeller der Privatwohnung, sodass sich kein durch den Hochschulbesuch bedingtes Risiko realisiert, dürfen die Aufwendungen nicht (§ 12 Nr. 1 EStG) steuermindernd angesetzt werden.
In einem Fall zur alten Rechtslage (bis 2013, aber weiterhin zu beachten für die Auslandsfälle) entschied der BFH (BFH Urteil vom 12.7.2017, VI R 42/15) hierzu, dass der zu berücksichtigende sog. Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nach dem im fraglichen Zeitraum gültigen Mietspiegel bemessen werden kann. Der ortsübliche Durchschnittsmietzins ist, sofern vorhanden, nach dem im fraglichen Zeitraum gültigen Mietspiegel gem. § 558c, 558d BGB für das gesamte Gebiet der Stadt oder der Gemeinde (Beschäftigungsort), in der sich die betreffende Wohnung befindet, zu bemessen.
Nunmehr erkennt der Gesetzgeber für Inlandsfälle die Aufwendungen bis zu einer Höhe von 1 000 € pro Monat an. Die Festsetzung des Betrags von 1 000 € orientiert sich dabei an einer von der Rechtsprechung bisher immer herangezogenen, nach Lage und Ausstattung durchschnittlichen, ca. 60 qm großen Wohnung. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 5 Heft 1, Zusatzerhebung im Rahmen des Mikrozensus 2010) zahlen unter 6,2 % aller Hauptmieterhaushalte in Deutschland eine monatliche Bruttokaltmiete von 1 000 € und mehr. Bei weniger als 5,5 % aller Hauptmieterhaushalte liegt die monatliche Bruttokaltmiete bei 16,67 € pro qm oder mehr. Bei mehr als 98,8 % derjenigen Personen, die in einem 1-Personen-Haushalt leben, liegt die Bruttokaltmiete unter 1 000 € monatlich. Die breite Masse der in Deutschland genutzten Mietwohnungen liegt somit innerhalb der 1 000 €-Grenze.
Steht die Zweitwohnung oder -unterkunft im Eigentum des Arbeitnehmers, sind die tatsächlichen Aufwendungen bis zum Höchstbetrag von 1 000 € monatlich zu berücksichtigen. Zu den Aufwendungen gehören auch die Absetzungen für Abnutzung, Hypothekenzinsen und Reparaturkosten (BFH vom 3.12.1982, BStBl II 1983, 467).
Der Höchstbetrag umfasst sämtliche entstehenden Aufwendungen wie Miete, Betriebskosten, Kosten der laufenden Reinigung und Pflege der Zweitwohnung oder -unterkunft, AfA für notwendige Einrichtungsgegenstände (ohne Arbeitsmittel; beachte allerdings hierzu das anders lautende Urteil des FG Düsseldorf vom 14.3.2017, 13 K 1216/16 E sowie BFH vom 4.4.2019, VI R 18/17, welches keine Begrenzung der Einrichtungsgegenstände auf 1 000 € vorsieht; weitere Erläuterungen hierzu siehe unten), Zweitwohnungsteuer, Rundfunkbeitrag, Miet- oder Pachtgebühren für Kfz-Stellplätze, Aufwendungen für Sondernutzung (wie Garten), die vom Arbeitnehmer selbst getragen werden.
Das BMF übernimmt in Rz. 108 in seinem Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 108 die Rspr. des BFH vom 4.4.2019, VI R 18/17: Aufwendungen für die erforderliche Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung, soweit sie nicht überhöht sind, können als sonstige notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden. Übersteigen die Anschaffungskosten des ArbN für Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung (ohne Arbeitsmittel) insgesamt nicht den Betrag von 5 000 € einschließlich Umsatzsteuer, ist aus Vereinfachungsgründen davon auszugehen, dass es sich um notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung handelt.
Nicht zu den nur begrenzt abziehbaren Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG gehören Anschaffungskosten für die erforderliche übliche, ggf. über die AfA bzw. die GWG-Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigende Wohnungseinrichtung (im Streitfall: Aufwendungen für einen privat genutzten PC, Fernseher, Geschirr, Staubsauger, Bräter, Gläser, Spiegel, Fensterreiniger, Handtücher, Tischdecken). Nicht zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG, sondern zu den sonstigen, nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbaren Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung gehören auch die Aufwendungen für einen separat angemieteten Pkw-Stellplatz zum Parken des Dienstwagens; vgl. FG Saarland vom 20.5.2020, 2 K 1251/17.
Bei der Anwendung des Höchstbetrags ist grundsätzlich § 11 EStG zu beachten. Erhält der Arbeitnehmer Erstattungen z.B. für Nebenkosten, mindern diese Erstattungen im Zeitpunkt des Zuflusses die Unterkunftskosten der doppelten Haushaltsführung.
Hervorzuheben ist, dass ein Vortrag des nicht ausgeschöpften Volumens in andere Kalendermonate möglich ist; vgl. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 110. Maklerkosten, die für die Anmietung einer Zweitwohnung oder -unterkunft entstehen, sind als Umzugskosten zusätzlich als Werbungskosten abziehbar (R 9.9 Abs. 2 LStR 2013) oder vom Arbeitgeber steuerfrei erstattbar. Sie sind nicht in die 1 000 €-Grenze mit einzubeziehen.
Beispiel 20:
G hat eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung als Fußballtrainer eines Dortmunder Fußballvereins und hat eine Zweitwohnung in der Nähe des Trainingsgeländes. Die Aufwendungen für die Nutzung dieser Unterkunft (Miete inklusive sämtlicher berücksichtigungsfähiger Nebenkosten und evtl. Abschreibungen für notwendige Einrichtungsgegenstände) betragen bis zum 30.6. monatlich 970 €. Ab 1.7. wird die Miete um 60 € erhöht, sodass ab diesem Zeitpunkt die monatlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft 1 030 € betragen.
Lösung 20:
Ab Juli ist grundsätzlich die Beschränkung auf den Höchstbetrag von 1 000 € zu beachten. Die den Höchstbetrag übersteigenden Aufwendungen von monatlich 30 € können allerdings mit dem noch nicht aufgebrauchten Höchstbetragsvolumen der Monate Januar bis Juni (6 × 50 € = 300 €) verrechnet und als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Bei den selteneren Fällen einer doppelten Haushaltsführung im Ausland bleibt die bisherige Regelung unverändert, d.h. berücksichtigt werden die tatsächlichen Mietkosten, soweit sie notwendig und angemessen, also nicht überhöht sind (Durchschnittsmietzins für eine nach Größe, Lage und Ausstattung am Tätigkeitsort durchschnittliche Wohnung).
Beispiel 21 (Urteil FG Düsseldorf vom 14.3.2017; vgl. auch anschließende Revision BFH Urteil vom 4.4.2019, VI R 18/17):
Der Arbeitnehmer A hat ab August 2016 eine unstreitige doppelte Haushaltsführung. Für 2016 macht er in seiner Steuererklärung Unterkunftskosten i.H.v. 4 000 € (Miete plus Nebenkosten) sowie 2 500 € (Aufwendungen für Möbel und selbstständig nutzungsfähige Einrichtungsgegenstände im Rahmen der GWG-Regelung) geltend. Das Finanzamt beabsichtigt, lediglich 5 000 € (August bis Dezember: 5 × 1 000 €) anzuerkennen.
Lösung 21:
Das FG Düsseldorf vertritt die Auffassung, dass Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und notwendigen Hausrat nicht vom Höchstbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG erfasst werden. Sie gehören vielmehr zu den sonstigen notwendigen Mehraufwendungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung, die neben den Unterkunftskosten als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Die betragsmäßige Beschränkung des Abzugs von Unterkunftskosten erstreckt sich nur auf die unmittelbaren Aufwendungen für die Unterkunft (z.B. Miete und Betriebskosten). Demnach sind 6 500 € als Werbungskosten abziehbar.
Zu den abzugsfähigen Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände etc. nimmt das FG Saarland Stellung im Urteil vom 20.5.2020, 2 K 1251/17. Zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013, BGBl I 2013, 285, die nur mit dem Höchstbetrag von 1000 € pro Monat abgezogen werden können, zählen alle Aufwendungen, die der Stpfl. getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzeln zugeordnet werden können (vgl. BFH vom 4.4.2019, VI R 18/17, BStBl II 2019, 449); das sind die warmen und kalten Betriebskosten einschließlich Stromkosten sowie bei Anmietung einer Wohnung zunächst die Bruttokaltmiete, bei Nutzung einer eigenen Wohnung die AfA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die Zinsen für Fremdkapital, soweit sie auf den Zeitraum der Nutzung entfallen. Nicht zu den nur begrenzt abziehbaren Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG gehören Anschaffungskosten für die erforderliche übliche, ggf. über die AfA bzw. die GWG-Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigende Wohnungseinrichtung (im Streitfall: Aufwendungen für einen privat genutzten PC, Fernseher, Geschirr, Staubsauger, Bräter, Gläser, Spiegel, Fensterreiniger, Handtücher, Tischdecken).
Das BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, Rz. 108 enthält eine Vereinfachungsregelung hinsichtlich der Regelung der notwendigen Mehraufwendungen. Aufwendungen für die erforderliche Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung, soweit sie nicht überhöht sind, können als sonstige notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden (BFH vom 4.4.2019, VI R 18/17, BStBl II 2019, 449). Übersteigen die Anschaffungskosten des ArbN für Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung (ohne Arbeitsmittel) insgesamt nicht den Betrag von 5 000 € einschließlich Umsatzsteuer, ist aus Vereinfachungsgründen davon auszugehen, dass es sich um notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung handelt.
Bei Beendigung der doppelten Haushaltsführung ist eine Vorfälligkeitsentschädigung wegen vorzeitiger Ablösung einer Grundschuld aufgrund der Veräußerung der Zweitwohnung nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen; vgl. BFH vom 3.4.2019, VI R 15/17.
Eine Zweitwohnungssteuer (hier: der Stadt München) für das Unterhalten einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (im Streitfall: München) im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gehört nicht zu den »Unterkunftskosten« i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG und ist daher zusätzlich zu dem in der Vorschrift genannten Höchstbetrag von 1 000 € monatlich als Werbungskosten abziehbar. Zu den Unterkunftskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG gehören nicht die (gesamten) Kosten des Zweithaushalts, sondern nur die Kaltmiete zuzüglich der Betriebskosten; vgl. FG München vom 26.11.2021, 8 K 2143/21. Das Verfahren ist vor dem BFH unter dem Az. VI R 30/21 anhängig.
Beispiel 22:
A wohnt in Aachen und hat dort seine Hauptwohnung. Ab dem Kj. 2023 wird er bei einer Vertriebs-AG in München tätig. Aus diesem Grund bezog er seit diesem Zeitpunkt eine angemietete Zweitwohnung, für die er monatlich 1 000 € zzgl. Nebenkosten entrichtet. Im Übrigen zahlt er 150 € monatlich für einen separat angemieteten Pkw-Tiefgaragenstellplatz.
Lösung 22:
Das FG Saarland (Urteil vom 20.5.2020, 2 K 1251/17) ist der Auffassung, dass es sich bei den Aufwendungen für einen separat angemieteten Pkw-Stellplatz, Einrichtungsgegenständen und Hausrat um sog. Sonstige Mehraufwendungen wegen einer beruflich veranlassten, doppelten Haushaltsführung handelt, die unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als WK abziehbar sind. Sie unterliegen nicht den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft, die vom Höchstbetrag erfasst werden. Begründet wurde die Entscheidung mit dem Argument, dass ein Pkw-Stellplatz keine Unterkunft darstellt. Derartige Aufwendungen werden nicht für die Nutzung der Unterkunft getätigt, sondern für das Fahrzeug. Die Ansicht des FG Saarland teilen auch die Finanzgerichte Niedersachsen (Urteil vom 16.3.2023, 10 K 202/22) sowie Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 21.9.2022, 3 K 48/22).
Umzugskosten anlässlich der Begründung, Beendigung oder des Wechsels einer doppelten Haushaltsführung sind Werbungskosten, wenn der Umzug beruflich veranlasst ist. Der Nachweis der Umzugskosten i.S.d. § 10 BUKG ist notwendig, weil für sie keine Pauschalierung möglich ist. Dasselbe gilt für die sonstigen Umzugsauslagen i.S.d. § 18 AUV bei Beendigung einer doppelten Haushaltsführung durch den Rückumzug eines Arbeitnehmers in das Ausland. Als Umzugskosten kommen somit vor allem die Transportkosten sowie die Fahrten zur Besichtigung der Zweitwohnung vor Beginn der doppelten Haushaltsführung in Frage.
Aus steuerlicher Sicht ist ein Umzug beruflich veranlasst, wenn der Umzug das Begründen oder die Aufgabe der Zweitwohnung bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung betrifft. Bei Beendigung einer doppelten Haushaltsführung liegt z.B. ein beruflich veranlasster Umzug auch bei einer Verlegung des eigenen Hausstands an den Beschäftigungsort vor (BFH vom 21.7.1989, BStBl II 1989, 917).
Verlegt der Arbeitnehmer seinen Lebensmittelpunkt aus privaten Gründen (sog. Wegverlegungsfall) vom Beschäftigungsort weg und begründet in seiner bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt, um von dort seiner Beschäftigung weiter nachgehen zu können, sind diese Umzugskosten keine Werbungskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung; vgl. BFH Beschluss vom 9.1.2008, BFH/NV 2008, 566. Für Umzugskosten, die nach Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort für den Umzug in eine andere, ausschließlich aus beruflichen Gründen genutzte Zweitwohnung am Beschäftigungsort entstehen, ist ein Werbungskostenabzug allerdings möglich.
Wegen eines Umzugs geleistete doppelte Mietzahlungen können beruflich veranlasst und deshalb in voller Höhe als WK abziehbar sein. Die Vorschriften über den Abzug notwendiger Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung stehen dem allgemeinen Werbungskostenabzug umzugsbedingt geleisteter Mietzahlungen nicht entgegen. Diese Mietaufwendungen können jedoch nur zeitanteilig, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag, längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses, als WK abgezogen werden.
Wegen eines Umzugs geleistete doppelte Mietzahlungen können beruflich veranlasst und deshalb in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sein. Die Vorschriften über den Abzug notwendiger Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung stehen dem allgemeinen Werbungskostenabzug umzugsbedingt geleisteter Mietzahlungen nicht entgegen. Diese Mietaufwendungen können jedoch nur zeitanteilig, und zwar für die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag, längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses, als Werbungskosten abgezogen werden. Der Abzug von Mietaufwendungen als Umzugskosten richtet sich allein nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff und nicht nach den Regelungen des Bundesumzugskostengesetzes. vgl. BFH vom 13.7.2011, VI R 2/11, BStBl II 2012, 104.
Maklerkosten, die für die Anmietung einer Zweitwohnung oder -unterkunft entstehen, sind als Umzugskosten zusätzlich als Werbungskosten abziehbar oder vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzbar. Sie sind nicht in die Höchstbetragsberechnung mit einzubeziehen; vgl. BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 108.
Die notwendigen Mehraufwendungen können als Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie nicht vom Arbeitgeber nach den folgenden Regelungen steuerfrei erstattet werden. Die Erstattung der Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung durch den Arbeitgeber ist nach § 3 Nr. 13 oder § 16 EStG steuerfrei, soweit keine höheren Beträge erstattet werden, als nach Satz 1 als Werbungskosten abgezogen werden können. Dabei kann der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern in den Steuerklassen III, IV oder V ohne Weiteres unterstellen, dass sie einen eigenen Hausstand haben, an dem sie sich auch finanziell beteiligen. Bei anderen Arbeitnehmern darf der Arbeitgeber einen eigenen Hausstand nur dann anerkennen, wenn sie schriftlich erklären, dass sie neben einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort außerhalb des Beschäftigungsorts einen eigenen Hausstand unterhalten, an dem sie sich auch finanziell beteiligen, und die Richtigkeit dieser Erklärung durch Unterschrift bestätigen. Beim Werbungskostenabzug im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung hat der Arbeitnehmer das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung und die finanzielle Beteiligung an der Haushaltsführung am Ort des eigenen Hausstands darzulegen. Kosten der Zweitwohnung oder -unterkunft sind für die Berücksichtigung als Werbungskosten grundsätzlich im Einzelnen nachzuweisen; sie können geschätzt werden, wenn sie dem Grunde nach zweifelsfrei entstanden sind (vgl. BFH vom 12.9.2001, VI R 72/97, BStBl II 2001, 775).
Wird Auslandstrennungsgeld steuerfrei ausgezahlt, so stehen sämtliche Kosten einer doppelten Haushaltsführung (einschließlich der Kosten für gelegentliche Familienheimfahrten) in unmittelbarem unwirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Auslandstrennungsgeld und können deshalb insoweit nicht als WK abgezogen werden; vgl. BFH vom 14.11.1986, VI R 226/80.
Vergleiche auch hierzu das BFH-Urteil vom 18.4.2013 (VI R 29/12, BStBl II 2013, 735): Die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann aufwandsunabhängig in Anspruch genommen werden. Steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.
Leistet der ArbN an den ArbG für die Privatnutzung eines betrieblichen Kfz ein Nutzungsentgelt (im Streitfall: pauschaler monatlicher Zuzahlungsbetrag zzgl. einer monatlichen, kilometerabhängigen Tankkostenzuzahlung), mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung (BFH vom 30.11.2016, VI R 49/14, BFHE 256, 107, BStBl II 2017, 1011). Monatliche Zuzahlungsüberhänge, die der ArbG aus technischen Gründen bei der monatlichen Lohnabrechnung steuerlich nicht berücksichtigt, sind bei der Einkommensteuerveranlagung mindernd zu berücksichtigen; vgl. FG Niedersachsen vom 8.7.2020, 9 K 78/19. Ein sich auch nach der »Jahresbetrachtung« ergebender Zuzahlungsüberhang kann weder als negative Einnahmen noch als Werbungkosten berücksichtigt werden (Anschluss an BFH Beschlüsse vom 15.1.2018 VI B 77/17, BFH/NV 2018, 521; vom 18.2.2020 VI B 20/19).
Die notwendigen Aufwendungen für die Zweitwohnung an einem Beschäftigungsort im Inland dürfen ohne Einzelnachweis für einen Zeitraum von drei Monaten mit einem Pauschbetrag von 20 € und für die Folgezeit mit einem Pauschbetrag von 5 € je Übernachtung steuerfrei erstattet werden, wenn dem Arbeitnehmer die Zweitwohnung nicht unentgeltlich oder teilentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist. Bei einer Zweitwohnung im Ausland können die notwendigen Aufwendungen ohne Einzelnachweis für einen Zeitraum von drei Monaten mit dem für eine Auswärtstätigkeit geltenden ausländischen Übernachtungspauschbetrag und für die Folgezeit mit 40 % dieses Pauschbetrags steuerfrei erstattet werden. Vergleiche hierzu auch die Ausführungen aus dem BMF-Schreiben vom 15.11.2019, BStBl I 2019, 1254 samt Übersicht der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten für Auslandsfälle.
Nach dem BFH-Urteil vom 20.9.2006, I R 59/05, BStBl II 2007, 756 ist zu beachten, dass die steuerfreien Arbeitgebererstattungen die Werbungskosten auch dann mindern, wenn sie erst im Folgejahr geleistet werden. Ein Zusammenhang mit nach deutschem Recht steuerfreien Einnahmen hindert den Werbungskostenabzug auch dann, wenn die betreffenden Aufwendungen mit erst in Zukunft zu erwartenden Einnahmen zusammenhängen.
Ermittlung der Werbungskosten (Prüfung der Höhe nach) |
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Fahrtkosten § 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 5 bis 7 EStG |
VMA § 9 Abs. 4a Satz 12 i.V.m. Satz 3 EStG |
Übernachtungskosten § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG |
Umzugskosten/Sonstige notwendige Mehraufwendugen R 9.11 Abs. 9 LStR |
Erste und letzte Fahrt zur Begründung bzw. Beendigung der doppelten Haushaltsführung: Ansatz der tatsächlichen Kosten: Gefahrene km x Fahrten x pauschaler km-Satz/ individueller km-Satz Pauschaler km-Satz = 0,30 € bei Benutzung eines Pkw; bei anderen motorbetriebenen Fahrzeugen 0,20 € Familienheimfahrten: Ansatz der EntfP nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG: Entfernungs-km x Fahrten x 0,30 € Beachte: Erhöhung ab dem 21. km ab VZ 2021 auf 0,35 € Beachte: Ansatz nur eine Fahrt wöchentlich Wahlrecht zur EntfP (bei mehreren Heimfahrten wöchentlich) |
Die Abwesenheit von der Wohnung des eigenen Hausstands ist maßgebend Nr. 1: Zwischentag 24 € / 28 € ab VZ 2020 Nr. 2: An-, Abreise 12 € / 14 € ab VZ 2020 Nr. 3: bei dopp. Haushaltsführung nicht einschlägig Beachte: Liegen gleichzeitig die Voraussetzungen einer Auswärtstätigkeit vor, gilt der höhere VMA § 9 Abs. 4a Satz 12, 6: Dreimonatsfrist § 9 Abs. 4a Satz 12, 7: Dreimonatsfrist beginnt von neuem nach vierwöchiger Unterbrechung; dies gilt auch bei coronabedingter Unterbrechung |
Ansatz der lfd. Kosten der Zweitwohnung Unterscheidung. Ob Wohnung im Eigentum (AfA etc.) oder gemietet wurde (Miete etc.) Ansatz der notwendigen Einrichtungsgegenstände Beachte: BFH vom 4.4.2019; VI R 18/17. Keine Deckelung für Einrichtungsgegenstände; vgl. hierzu BMF vom 25.11.2020, Rz. 108. Beachte: Die Unterkunftskosten sind auf 1 000 € pro Monat begrenzt Ein Übertrag des nicht ausgeschöpften Volumens ist möglich |
Transportkosten Maklergebühren Fahrtkosten zur Besichtigung der Zweitwohnung vor Beginn der dopp. Haushaltsführung Beachte: Kein Ansatz von Transportkosten in sog. Wegverlegungsfällen Aufwendungen für einen Stellplatz Zweitwohnungsteuer Aufwendungen für die erforderliche Einrichtung und Ausstattung der Zweitwohnung BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 108. |
Abbildung: Berücksichtigungsfähige Aufwendungen bei einer doppelten Haushaltsführung
Nach dem BMF-Schreiben vom 23.12.2014, BStBl I 2015, 26 sind die für den Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern geltenden Regelungen zu den Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung dem Grunde und der Höhe nach entsprechend anzuwenden. Zu den Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung zählen Fahrtkosten aus Anlass der Wohnungswechsel zu Beginn und am Ende der doppelten Haushaltsführung sowie für wöchentliche Heimfahrten an den Ort des eigenen Hausstandes oder Aufwendungen für wöchentliche Familien-Ferngespräche, Verpflegungsmehraufwendungen, Aufwendungen für die Zweitwohnung und Umzugskosten.
Wichtig ist hierbei die Bestimmung der Betriebsstätte (an Stelle der ersten Tätigkeitsstätte bei den Überschusseinkünften). Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften im Regelungsbereich beider Vorschriften weicht der Begriff der Betriebsstätte vom Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab. Unter Betriebsstätte ist die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d. h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i.S.d. Rn. 3 des BMF-Schreibens vom 24.10.2014 des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt wird. Eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist – im Unterschied zur Geschäftseinrichtung i.S.d. § 12 Satz 1 AO – nicht erforderlich (vgl. hierzu FG Rheinland-Pfalz vom 26.1.2021, 3 K 2195/18. Betrieblich genutzte Räume, die sich in der im Übrigen selbst genutzten Wohnung des Stpfl. befinden, können wegen ihrer engen Einbindung in den privaten Lebensbereich nicht als Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angesehen werden; vgl. BFH vom 22.1.2014, X R 13/13. Dauerhaftigkeit liegt vor, wenn die steuerlich erhebliche Tätigkeit an einer Tätigkeitsstätte unbefristet, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt werden soll. Für die Prognose der voraussichtlichen Dauer kann auf die Dauer des Auftragsverhältnisses abgestellt werden. Wird das Auftragsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt verlängert, ist die Prognoseentscheidung für zukünftige Zeiträume neu zu treffen; bereits vergangene Tätigkeitszeiträume sind bei der Prüfung des 48-Monatszeitraums nicht mit einzubeziehen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse, wie etwa Krankheit, politische Unruhen am Tätigkeitsort, Insolvenz des Kunden o.Ä. von der ursprünglichen Prognose ab, bleibt die zuvor getroffene Prognoseentscheidung für die Vergangenheit bezüglich des Vorliegens einer Betriebsstätte maßgebend. Ein häusliches Arbeitszimmer ist keine Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Der Steuerpflichtige kann an mehreren Betriebsstätten tätig sein; für jeden Betrieb kann jedoch höchstens eine ortsfeste betriebliche Einrichtung Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (erste Betriebsstätte) sein. Als Betriebsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die vom Steuerpflichtigen aus betrieblichem Anlass zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitlichen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.
Übt der Stpfl. seine betriebliche Tätigkeit an mehreren Betriebsstätten aus, ist die erste Betriebsstätte anhand quantitativer Merkmale zu bestimmen. Nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG ist danach erste Betriebsstätte die Tätigkeitsstätte, an der der Stpfl. dauerhaft typischerweise (im Sinne eines Vergleichs mit einem ArbN) arbeitstäglich oder je Woche an zwei vollen Arbeitstagen oder mindestens zu einem Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden will. Treffen diese Kriterien auf mehrere Tätigkeitsstätten zu, ist die der Wohnung des Stpfl. näher gelegene Tätigkeitsstätte erste Betriebsstätte (entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 7 EStG). Die Fahrten zu weiter entfernt liegenden Tätigkeitsstätten sind als Auswärtstätigkeiten zu beurteilen.
Eine Tätigkeitsstätte muss nicht Betriebsstätte sein. Wird der Stpfl. typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten, die keine Betriebsstätten sind, oder an einer nicht ortsfesten betrieblichen Einrichtung (z.B. Fahrzeug, Flugzeug, Schiff) betrieblich tätig, sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.
Mit Urteil vom 9.5.2017, VIII R 15/15, BStBl II 2017, 956 hat der BFH entschieden, dass bei Nutzung von mehreren häuslichen Arbeitszimmern in verschiedenen Haushalten (z.B. im Rahmen der doppelten Haushaltsführung) der Höchstbetrag zur einmal zu gewähren ist. Vergleiche hierzu auch die Ausführungen des BMF vom 6.10.2017, BStBl I 2017, 1320.
Der personenbezogene Höchstbetrag in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 begrenzt den Abzug von Aufwendungen eines Stpfl. auch bei der Nutzung von mehreren häuslichen Arbeitszimmern in verschiedenen Haushalten typisierend auf 1 250 €.
Ein häusliches Arbeitszimmer in der Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte ist bei der Ermittlung der anzuerkennenden Unterkunftskosten wie bisher nicht einzubeziehen; der Abzug der hierauf entfallenden Aufwendungen richtet sich weiterhin nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (vgl. BFH vom 9.8.2007, VI R 23/05, BStBl II 2009, 722).
Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6c EStG kommt der Abzug der Home-Office-Pauschale (Tagespauschale) nicht zur Anwendung, soweit die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG darstellt.
Zu entscheiden war, ob Aufwendungen, die der Klägerin durch eine Tätigkeit in den USA entstanden sind, im Rahmen der Einkommenssteuerfestsetzung 2014 als Kosten der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen und um steuerfreie Stipendienleistungen zu kürzen sind. Hierzu entschied das FG Münster mit Urteil vom 15.10.2019, 12 K 1794/16 wie folgt:
Die mit einem Forschungsaufenthalt in den USA im Zusammenhang stehenden vorweggenommenen Werbungskosten sind gem. § 3c Abs. 1 EStG um Bezüge aus einem gem. § 3 Nr. 44 EStG steuerfreien Forschungsstipendium sowie um eine gewährte Reisepauschale zu kürzen. Im Streitfall steht nach Überzeugung des Senats fest, dass die von der Klägerin im Jahr 2014 im Zusammenhang mit dem Forschungsaufenthalt in Washington D.C. getätigten Aufwendungen in entscheidendem Maße durch ihre angestrebte Habilitation veranlasst gewesen sind. Das Forschungsprojekt war inhaltlich auf ihre Habilitation abgestimmt und die Forschungsergebnisse sollten in ihre Habilitationsschrift einfließen. Zugleich hat der Forschungsaufenthalt im Ausland die Hochschulkarriere der Klägerin nachhaltig gefördert, indem er die Möglichkeiten für eine weitere wissenschaftliche Tätigkeit der Klägerin an deutschen Hochschulen verbessert hat. Bereits vor ihrem Aufenthalt in den USA hat die Klägerin als promovierte Historikerin im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Mitarbeit an der C.-Universität D. Lehrverpflichtungen wahrgenommen. Die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin, die Übernahme von Lehrverpflichtungen und das Habilitationsprojekt selbst zeigen, dass die Klägerin eine Hochschullaufbahn anstrebte. Der Forschungsaufenthalt in den USA, der ein Baustein ihrer Habilitationsschrift sein sollte, war eng mit der von der Klägerin avisierten Hochschulprofessur verbunden.
Mit Urteil vom 23.11.2000 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Einschränkung des Vorsteuerabzugs für unternehmerisch veranlasste Übernachtungskosten gegen EU-Recht verstößt. Der Bundesfinanzhof räumt dem EU-Recht insoweit Vorrang vor dem deutschen Umsatzsteuerrecht ein. Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil reagiert und im BMF-Schreiben vom 28.3.2001 (BStBl I 2001, 251) den vom Gesetzgeber zum 1.4.1999 eingeschränkten Vorsteuerabzug aus Reisekosten zumindest teilweise wieder zugelassen. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass die im BMF-Schreiben vom 28.3.2001 (BStBl I 2001, 251) festgelegte Neuregelung in allen Fällen einer unternehmerisch bedingten Auswärtstätigkeit des ArbN unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG (insbes. dem Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis auf den Namen des Unternehmens) in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung gilt also bei Auswärtstätigkeiten und doppelter Haushaltsführung. Somit kann ein Vorsteuerabzug aus Hotelrechnungen usw. auch dann gewährt werden, wenn der ArbG (= Unternehmer) seine Bau- oder Montagearbeiter oder seine Berufskraftfahrer, Fernfahrer oder Auslieferungsfahrer in einem Hotel oder einer Pension unterbringt. Selbst in den Fällen, in denen die auswärtige Tätigkeit der ArbN lohnsteuerrechtlich als doppelte Haushaltsführung zu beurteilen ist, kann der Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Hotelrechnungen usw. in Anspruch genommen werden. Durch das Steueränderungsgesetz 2003 ist das BMF-Schreiben vom 28.3.2001 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden, denn § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG in der früheren Fassung wurde gestrichen. Durch diese Streichung wird der Vorsteuerabzug auch insoweit wieder zugelassen, als es sich um Fahrtkosten für Fahrzeuge des Personals handelt und soweit der Unternehmer Leistungsempfänger ist.
Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte erfolgt nicht für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, und ist mithin nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen, vgl. BFH Urteil vom 5.6.2014, XI R 36/12.
Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie Familienheimfahrten wegen einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltführung stellen unternehmerische Fahrten dar und unterliegen keiner Vorsteuerkürzung nach § 15 Abs. 1a UStG. Ist der Unternehmer neben einer unternehmerischen Entwicklungstätigkeit als ArbN in einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis tätig und begründet er infolge der Anmietung einer Zweitwohnung in der Nähe des Arbeitsortes eine doppelte Haushaltsführung, so sind die an den Wochenenden durchgeführten Familienheimfahrten im Hinblick auf die unternehmerische Tätigkeit insgesamt privat und auch nicht teilweise unternehmerisch veranlasst. Das gilt auch dann, wenn an den Wochenenden zu Hause die unternehmerische Entwicklungstätigkeit durchgeführt wird und in der Nähe des Familienwohnortes unternehmerische Termine stattfinden; Thüringer FG vom 22.10.2019, 3 K 308/19.
Große, Einsatzwechseltätigkeit und doppelte Haushaltsführung – Verbesserung des Werbungskosten-Abzugs durch die aktuelle BFH-Rechtsprechung, DStR 2002, 577; Höck, Entlastungswirkung der Entfernungspauschale, DB 2002, 1020; Berger, Die Familienheimfahrt im Rahmen der doppelten Haushaltsführung, NWB 2015, 3392; Hillmoth, Doppelte Haushaltsführung im Fokus von Rechtsprechung und Verwaltung, NWB 2021, 54; Seifert, Doppelte Haushaltsführung: Neue Prüfungen nötig, StuB 5/2021, 217; Seifert, Doppelte Haushaltsführung: Verpflegungsmehraufwendungen und coronabedingte Unterbrechung, StuB 3/2022, 114; Seifert, Doppelte Haushaltsführung und häusliches Arbeiten in der Zweitwohnung: Wann ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig?, StuB 19/2023, 791.
→ Bewirtung und Mahlzeiten: Arbeitnehmer
→ Einkünfte und Bezüge von Kindern
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