1 Allgemeiner Überblick
2 EU-Regelungen
3 Umsatzsteuerliche Regelungen
4 Definition der Einfuhr
5 Entstehung und Schuldner der EUSt
6 Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer
6.1 Grundsätzliches zum Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer
6.2 Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer in Überlassungsfällen
6.3 Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen einer Verkaufskommission
6.4 Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG
6.5 Regelung ab 1.7.2021 zur Anwendung des § 18k und § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG
7 Nichtanwendung des IOSS (§ 18k UStG) von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €
7.1 Grundsätzliches zur vereinfachten Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer nach § 21a UStG
7.2 Anmeldung der Einfuhrumsatzsteuer durch den Beförderer
7.3 Einzelheiten zum Zahlungsaufschub
7.4 Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer und Haftung durch die gestellende Person
7.5 Anmeldung und Abführung der Einfuhrumsatzsteuer
7.6 Besonderheiten bei nicht zugestellten Sendungen
8 Aufzeichnungspflichten
8.1 Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 2 Nr. 6 UStG
8.2 Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 2 Nr. 10 UStG
9 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG
10 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b UStG
11 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4c UStG
12 Steuerbefreiungen bei der Einfuhr
13 Bemessungsgrundlage für die Einfuhr
14 Keine Verzinsung nach § 233a AO
15 Literaturhinweise
16 Verwandte Lexikonartikel
Die Einfuhr von Gegenständen in das Zollgebiet unterliegt grds. der Einfuhrumsatzsteuer. Damit soll der sog. Grenzausgleich herbeigeführt werden. Die aus dem Drittland eingeführten Gegenstände sollen ebenso mit inländischer Steuer belastet werden, wie diese bei einer entsprechenden Inlandslieferung mit USt belastet wären. Die EUSt ist eine Verbrauchsteuer i.S.d. AO (§ 21 Abs. 1 UStG). Sie wird von den Zollbehörden verwaltet und erhoben.
Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Mehrwertsteuer. Die Einfuhr ist steuerbar (Art. 30 MwStSystRL), wenn der Gegenstand
aus einem Drittlandsgebiet,
aus einem Zollgebiet der Gemeinschaft, das aber umsatzsteuerrechtlich nach Art. 6. MwStSystRL nicht Gemeinschaftsgebiet ist (s. Abschn. 1.10 UStAE, z.B. Kanarische Inseln unter Spanien oder Berg Athos und Griechenland)
in das Gemeinschaftsgebiet verbracht wird.
Beachte:
Das Drittlandsgebiet umfasst nach dem 31.12.2020 grds. auch das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (Abschn. 1.10 Abs. 2 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 10.12.2021, BStBl I 2021, 2492).
Für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs wird Nordirland auch nach dem 31.12.2020 als zum Gemeinschaftsgebiet zugehörig behandelt. Im Warenverkehr mit Nordirland finden daher auch nach diesem Zeitpunkt die für den innergemeinschaftlichen Handel geltenden Vorschriften zur Umsatzsteuer Anwendung (vgl. BMF vom 10.12.2020, BStBl I 2020, 1370; Abschn. 1.10 Abs. 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 10.12.2021, BStBl I 2021, 2492).
Für die EUSt gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß (§ 21 Abs. 2 UStG). Vorschriften für Zölle sind alle in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar anwendbaren Rechtsnormen, die Zölle betreffen (s. Klüver in Weimann / Lang, Umsatzsteuer – national und international, § 21 Rz. 21, 5. Auflage). Zu den wesentlichen Rechtsnormen des Gemeinschaftsrechts zählen insbesondere der Zollkodex (ZK) und die Kombinierte Nomenklatur.
Die Kodizes der EU werden permanent geändert und an das Gemeinschaftsrecht angepasst. Die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 (Amtsblatt Nr. L 302 vom 19.10.1992, 1) fasst erstmals die Zollvorschriften der Gemeinschaft in einem Zollkodex zusammen. Nach Art. 253 ZK 2913/92 gilt die VO ab 1.1.1994.
Nach der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 vom 24.11.2015 (Amtsblatt L 343 vom 29.12.2015, 558) gilt ab dem 1.5.2016 der UZK Nr. 952/2013 (Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union – UZK; Amtsblatt L 269 vom 10.10.2013); s.a. § 1 Abs. 2 Satz 4 UStG i.d.F. des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096).
Das UStG enthält folgende Vorschriften über die EUSt:
§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG |
Umsatzart Einfuhr |
§ 3 Abs. 6a Satz 7 UStG |
Zum Nachweis der Lieferung durch den Zwischenhändler |
§ 3 Abs. 8 UStG |
Verlagerung des Lieferorts in das Inland, wenn der Lieferer Schuldner der EUSt ist (verzollt und versteuert) |
§ 3c Abs. 3 UStG |
Ort der Lieferung beim Fernverkauf |
§ 4 Nr. 4b UStG |
Steuerbefreiung einer der Einfuhr vorangehenden Lieferung |
§ 5 UStG |
Steuerbefreiungen bei der Einfuhr |
§ 11 UStG |
Bemessungsgrundlage für die Einfuhr |
§ 13 Abs. 3 UStG |
Für die Entstehung und den Steuerschuldner der EUSt gilt § 21 Abs. 2 UStG |
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG |
Abzug der entrichteten EUSt als Vorsteuer |
§ 16 Abs. 2 Satz 3 UStG |
Absetzung der EUSt bei der Steuerberechnung |
§ 16 Abs. 7 UStG |
Geltung der besonders bezeichneten Vorschriften für die EUSt |
§ 17 Abs. 3 UStG |
Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Änderung der EUSt |
§ 21 Abs. 2 UStG |
Sinngemäße Geltung der Vorschriften für Zölle |
§ 21 Abs. 3 UStG |
Aufschub der EUSt ohne Sicherheitsleistung i.S.d. Art 110 UZK, wenn die zu entrichtende EUSt in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann. |
§ 21 Abs. 3a UStG i.d.F. des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes vom 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512) |
Fälligkeit der EUSt nach einem Zahlungsaufschub gem. Art. 110 Buchst. b oder c UZK. Der Termin, ab dem 21 Abs. 3a UStG erstmals anzuwenden ist, wird mit einem BMF-Schreiben bekanntgegeben. Mit BMF-Schreiben vom 6.10.2020 (BStBl I 2020, 984) erfolgt die Bekanntgabe des Anwendungszeitpunktes ab 1.12.2020. Dies bedeutet konkret, dass der Fälligkeitstermin für Einfuhren des Aufschubzeitraums Dezember einheitlich vom 16.1.2021 auf den 26.2.2021 verschoben wird. Die Fälligkeitstermine für anschließende Aufschubzeiträume verschieben sich entsprechend. |
§ 21a UStG i.d.F. des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096 |
Sonderregelung bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € |
§ 22 Abs. 2 Nr. 6 UStG |
Aufzeichnung der Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen |
§ 22 Abs. 2 Nr. 10 UStG i.d.F. des JStG 2020 |
Aufzeichnungen in den Fällen des § 21a UStG |
§ 22a UStG |
Anwendungsfälle der Fiskalvertretung s. Abschn. 22a.1 Abs. 6 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 9.10.2023 (BStBl I 2023, 1709) |
Abb.: Umsatzsteuerrechtliche Normen bzgl. der EUSt
Eine Einfuhr i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG liegt vor, wenn eine nicht im freien Verkehr der Gemeinschaft befindliche Ware aus einem Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG) über eine Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft hinweg in das Gemeinschaftsgebiet verbracht wird. Für den umsatzsteuerrechtlichen steuerbaren Einfuhrtatbestand ist damit nicht allein entscheidend, dass der Gegenstand aus dem Drittland in das Inland gelangt, sondern hier auch grundsätzlich der Besteuerung unterliegt, d.h. im Regelfall eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht. Entsprechend liegt z.B. keine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor, wenn sich eine Drittlandsware in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befindet (Abschn. 15.8 Abs. 2 UStAE).
Nichterhebungsverfahren sind folgende Zollverfahren (BMF vom 28.1.2004, BStBl I 2004, 242, Rz. 64 ff.):
das Versandverfahren (Rz. 65),
das Zolllagerverfahren (Rz. 66),
die aktive Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren (Rz. 67),
das Umwandlungsverfahren (Rz. 68) und
die vorübergehende Verwendung (Rz. 69 und 70).
Die Einfuhr des Gegenstandes erfolgt in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet er sich im Zeitpunkt des Verbringens befindet (Art. 60 MwStSystRL).
Mit Urteil vom 6.5.2008 (VII R 30/07, BFH/NV 2008, 1971, LEXinform 5007202) hat der BFH zur Einfuhrumsatzsteuer für vorschriftswidrig über einen anderen Mitgliedstaat nach Deutschland verbrachte Waren Folgendes entschieden: Werden Waren, die aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft vorschriftswidrig verbracht wurden, in die Bundesrepublik Deutschland weitertransportiert und hier entdeckt, gilt unter den Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 und 4 UZK nicht nur die Zollschuld, sondern auch die Einfuhrumsatzsteuerschuld als in der Bundesrepublik Deutschland entstanden.
Nach Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch bei Gegenständen, die Zöllen oder anderen gemeinschaftlichen Abgaben unterliegen, zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Tatbestand und der Anspruch dieser gemeinschaftlichen Abgaben entstehen. Da die Einfuhrzollschuld im Fall des vorschriftswidrigen Verbringens nach Art. 79 UZK in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird, entsteht in diesem Zeitpunkt auch die Umsatzsteuer bei der Einfuhr. Nach dem Urteil des FG Hamburg vom 28.9.2020 (4 K 5/18, LEXinform 5023445) setzt die Erhebung von Zoll und EUSt auf unversteuerte und unverzollte Zigaretten voraus, dass das Hauptzollamt nachweist, dass die Zigaretten aus einem Drittland ins EU-Zollgebiet verbracht worden sind. S. auch das Vorabentscheidungsersuchen des FG Düsseldorf vom 11.12.2019 (4 K 473/19, DStR 2020, 982, LEXinform 5022765) zur Anwendung des Art. 87 Abs. 4 UZK auf die EUSt (Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) sowie die Entscheidung des EuGH mit Urteil vom 3.3.2021 (C-7/20, LEXinform 0651698).
Werden verbrauchsteuerpflichtige Waren (Zigaretten) unrechtmäßig in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt, die Waren dann im Gemeinschaftsgebiet eingezogen und vernichtet, so ist die Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. e UZK erloschen. Dies hat der EuGH aufgrund der Vorlagefragen des litauischen Gerichts in seiner Vorabentscheidung vom 7.4.2022 (C-489/20, LEXinform 4250885, Leitsatz 1) entschieden. Das Erlöschen der Zollschuld aus dem in Art. 124 Abs. 1 Buchst. e UZK vorgesehenen Grund führt aber nicht zum Erlöschen der Verbrauchsteuerschuld und der EUSt (Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 70 MwStSystRL) für unrechtmäßig in das Zollgebiet der EU eingeführte Waren (Leitsatz 2 des EuGH-Urteils C-489/20).
Zollschuldner und Schuldner der EUSt sind die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war (BFH vom 22.5.2012, VII R 50/11, BFH/NV 2012, 1401, LEXinform 5013714; Rz. 7).
Nach dem EuGH-Urteil vom 3.3.2021 (C-7/20, LEXinform 0651698) entsteht die EUSt für zollpflichtige Gegenstände in dem Mitgliedstaat, in dem ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus unionsrechtlichen Zollvorschriften festgestellt wurde, sofern die fraglichen Waren in diesem Mitgliedstaat in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten sind, auch wenn sie körperlich in einem anderen Mitgliedstaat in das Zollgebiet der Union gelangt sind.
Im Urteilsfall C-7/20 hatte der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland. Er hatte im Oktober 2017 seinen Pkw mit amtlichen türkischen Kennzeichen aus der Türkei über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland überführt, ohne bei einer Einfuhrzollstelle vorstellig zu werden. Die Einfuhr des Pkw wurde im Rahmen einer Polizeikontrolle im Februar 2018 in Deutschland festgestellt. Im März 2018 überführte er den Pkw wieder in die Türkei und verkaufte ihn dort.
Für den EuGH war auschlaggebend, dass das fragliche Fahrzeug tatsächlich in Deutschland, dem Wohnsitzmitgliedstaat des Klägers, benutzt wurde, auch wenn es auf seiner Fahrt von der Türkei nach Deutschland zuerst in Bulgarien in das Zollgebiet der Union gelangt ist und nach der Durchfahrt durch das Gebiet eines Drittstaats, nämlich Serbien, anschließend erneut in Ungarn in das Zollgebiet der Union gelangt ist. Infolgedessen ist die Einfuhrmehrwertsteuer in Deutschland entstanden, da das Fahrzeug dort in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten ist (s.a. Anmerkung vom 24.3.2021, LEXinform 0887162).
Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des FG Hamburg vom 2.6.2021 (4 K 130/20, UR 2021, 560, LEXinform 5023949) hat der EuGH mit Urteil vom 8.9.2022 (C-368/21, BFH/NV 2022, 1279, UR 2022, 743) seine Entscheidung vom 3.3.2021 (C-7/20, LEXinform 0651698) bestätigt.
Im Urteilsfall C-368/21 erwarb im Januar 2019 der in Deutschland ansässige R in Georgien ein Fahrzeug und ließ es dort zu. Im März 2019 fuhr R mit diesem Fahrzeug von Georgien über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland, ohne das Fahrzeug bei einer Einfuhrzollstelle anzumelden.
Nach der Entscheidung des EuGH sind die Art. 30 und 60 MwStSystRL dahin auszulegen, dass der mehrwertsteuerrechtliche Ort der Einfuhr eines in einem Drittstaat zugelassenen Fahrzeugs, das unter Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften in die Union verbracht wird, in dem Mitgliedstaat liegt, in dem derjenige, der den zollrechtlichen Pflichtenverstoß begangen hat, ansässig ist und das Fahrzeug tatsächlich nutzt.
Mit Urteil vom 27.10.2022 (VII R 1/20, BFH/NV 2023, 156, LEXinform 0952753) hat der BFH entschieden, dass beim Verbringen eines Fahrzeugs in das Gemeinschaftsgebiet zur Erfüllung eines Kaufvertrags keine vorübergehende Verwendung vorliegt. Wird ein Fahrzeug zur Erfüllung eines Kaufvertrags in das Gebiet der Union verbracht und an einen Beauftragten des Käufers übergeben, geht das Fahrzeug in den Wirtschaftskreislauf der Union ein mit der Folge, dass gem. § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK die EUSt entsteht.
Unter entsprechender Anwendung des Art. 77 UZK entsteht die EUSt mit Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet. Schuldner der EUSt ist der Anmelder. Der Zollanmelder muss stets im Gebiet der EU ansässig sein (Art. 170 Abs. 2 UZK).
Im Zollrecht gibt es zwei Arten der Stellvertretung: die direkte und die indirekte Vertretung. Der direkte Vertreter handelt im Namen und auf Rechnung des Vertretenen, sodass der Vertretene Anmelder und damit auch Schuldner der EUSt wird. Ist der Vertretene im Drittland ansässig, ist eine direkte Vertretung nicht möglich, da der Vertretene als Anmelder im Gebiet der EU ansässig sein muss.
In diesen Fällen kommt die indirekte Vertretung in Betracht. Der indirekte Vertreter handelt für fremde Rechnung, aber im eigenen Namen (Art. 18 Abs. 1 UZK). Dadurch wird der indirekte Vertreter selbst zum Zollanmelder und zum Zollschuldner. Bei indirekter Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, in deren Auftrag die Zollanmeldung abgegeben wird (Gesamtschuldner; Art. 77 Abs. 3 UZK). Bei der indirekten Vertretung wird im Regelfall der indirekte Vertreter vom Vertretenen ein höheres Entgelt verlangen und sich die von ihm für den Vertretenen zu entrichtenden Zollschulden sowie die EUSt im Vorfeld seiner Tätigkeit zahlen lassen (s.a. Brill, NWB 40/2023, 2722).
Mit Urteil vom 20.7.2023 (V R 13/21, BFH/NV 2023, 1383, LEXinform 0953571; zum Entscheidungssachverhalt und den weiteren Entscheidungsgründen s.u. den Gliederungspunkt »Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG«) hat der BFH zur Vorsteuerabzugsberechtigung der EUSt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG eines indirekten Vertreters entschieden (s. den nachfolgenden Gliederungspunkt). Erbringt der Unternehmer (indirekte Vertreter) in Bezug auf den eingeführten Gegenstand lediglich eine Verzollungs- oder eine Beförderungsdienstleistung, steht ihm kein Vorsteuerabzugsrecht zu. Im Urteilsfall hatte der indirekte Vertreter auf das Entgelt des Vertretenen verzichtet, da die Ware nie beim Empfänger angekommen ist. Die EUSt wurde vom indirekten Vertreter an den Zoll entrichtet, ohne diese vom Vertretenen zurückzuverlangen. Der indirekte Vertreter hatte erfolglos versucht, die EUSt als Vorsteuer abzuziehen (s.a. Brill, NWB 40/2023, 2722).
Art. 79 UZK regelt das Entstehen der EUSt, wenn die Ware der Überwachung entzogen wird. Der Begriff der Entziehung einer Ware aus der zollamtlichen Überwachung umfasst jede Handlung oder Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird. Es kommt nicht drauf an, ob die Zollbehörde tatsächlich eine solche Prüfung durchzuführen beabsichtigt und ob der Beteiligte die Waren der Zollbehörde zu einer solchen Prüfung zur Verfügung stellen könnte. Entscheidend ist allein, dass die Zollbehörde – wenn auch nur vorübergehend – objektiv nicht in der Lage ist, die zollamtliche Überwachung sicherzustellen (BFH Urteil vom 7.12.2004, VII R 21/04, BFH/NV 2005, 1166).
Nach dem EuGH-Urteil vom 18.5.2017 (C-154/16, UR 12/2017, 472) entsteht keine Einfuhrzollschuld i.S.d Art. 79 UZK, wenn ein Teil der einfuhrabgabenpflichtige Waren nachweisbar vernichtet oder zerstört wurde oder unwiederbringlich verlorengegangen ist, und hierdurch der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Beim Verschwinden einer Ware durch Vernichtung oder Zerstörung ist die Gefahr, dass die Ware unverzollt in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt, nicht begründet.
Aus diesen Erwägungen heraus stellt der EuGH fest, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. d sowie Art. 70 und 71 MwStSystRL dahin auszulegen sind, dass auf den vernichteten oder zerstörten oder unwiederbringlich verlorengegangenen Teil der Ware, die sich im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren befinden, keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
Art. 79 UZK ist ein Auffangtatbestand und es entsteht EUSt, wenn eine Pflichtverletzung vorliegt (s.o. EuGH vom 7.4.2022, C-489/20, LEXinform 4250885).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG kann ein Unternehmer die entstandene EUSt für Gegenstände, die für sein Unternehmen in das Inland eingeführt worden sind oder die er zur Ausführung der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Umsätze verwendet, als Vorsteuer abziehen (Art. 168 Buchst. e MwStSystRL; Abschn. 15.8 Abs. 1 UStAE). Der Unternehmer muss im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzen (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 2 UStAE). Mit Schreiben vom 16.7.2020 (BStBl I 2020, 645) macht das BMF deutlich, dass für Zwecke des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG (EUSt für Gegenstände, die für das Unternehmen eingeführt worden sind) sich der Zeitpunkt der Lieferung nach § 3 Abs. 6 bis 8 UStG bestimmt (s.a. Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 3 bis 7 UStAE).
Mit Urteil vom 11.11.2015 (V R 68/14, BStBl II 2016, 720) hat der BFH entschieden, dass der Betreiber eines Zolllagers im Hinblick auf die ihm gegenüber gem. Art. 203 ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG festgesetzte EUSt nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG berechtigt ist, wenn er keine Verfügungsbefugnis an den eingeführten Waren erlangt. Nach ständiger Rspr. des BFH setzt der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG voraus, dass dem Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand zusteht. Daran fehlt es z.B., wenn ein ausländischer Unternehmer einem inländischen Unternehmer einen Gegenstand zur Nutzung überlässt, ohne ihm die Verfügungsmacht an dem Gegenstand zu verschaffen (s.a. Anmerkung vom 15.12.2015, LEXinform 0947417; s.a. Abschn. 15.8 Abs. 5 UStAE).
In seinem Urteil vom 20.7.2023 (V R 13/21, BFH/NV 2023, 1383, LEXinform 0953571) präzisiert der BFH in Rz. 19 die Entscheidungsgründe seines Urteils vom 11.11.2015 (V R 68/14, BStBl II 2016, 720) dahingehend, dass der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG voraussetzt, dass dem Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand zusteht (BFH V R 13/21) und zusätzlich der Wert des eingeführten Gegenstandes zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG gehören muss, damit die auf diesen Wert bezogene EUSt zum Vorsteuerabzug berechtigt und durch diesen Abzug eine sich hieraus ergebende Kostenbelastung für den Unternehmer verhindert wird. Zum Entscheidungssachverhalt und den weiteren Entscheidungsgründen des BFH-Urteils V R 13/21 s.u. den Gliederungspunkt »Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG«.
Nicht entscheidend für den Vorsteuerabzug der EUSt ist,
wer Schuldner der entstandenen EUSt war (s.a. Art. 77 Abs. 3 UZK),
wer diese entrichtet hat (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 7 und Abs. 7 Satz 1 UStAE) und
wer den für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 7 UStAE).
Der Unternehmer kann die entstandene EUSt auch dann als Vorsteuer abziehen, wenn sein Beauftragter (z.B. der Spediteur, der Frachtführer oder der Handelsvertreter) Schuldner der EUSt ist (indirekte Vertretung). In diesen Fällen ist der Abzug davon abhängig, dass sich der Unternehmer den betreffenden zollamtlichen Beleg oder einen zollamtlich bescheinigten Ersatzbeleg für den Vorsteuerabzug aushändigen lässt (Abschn. 15.8 Abs. 7 Satz 2 und 3 UStAE).
Beachte:
Nicht erforderlich ist, dass der Unternehmer die EUSt entrichtet hat (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 7 UStAE und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG). Mit Urteil vom 29.3.2012 (C-414/10, BStBl II 2013, 941) hat der EuGH entschieden, dass Art. 168 Buchst. e MwStSystRL einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, das Recht auf Abzug der EUSt von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist (s.a. Anmerkung vom 29.3.2012, Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, LEXinform 0401811). Danach bezieht sich der in Art. 168 Buchst. e MwStSystRL genannte Begriff »geschuldet« auf eine rechtlich durchsetzbare Steuerschuld und setzt somit voraus, dass der Stpfl. zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrags, den er als Vorsteuer abziehen möchte, verpflichtet ist (s.a. BMF vom 15.11.2013, BStBl I 2013, 1475).
Das Recht auf Vorsteuerabzug der EUSt ist für den Voranmeldungszeitraum (Besteuerungszeitraum) auszuüben, in dem das Abzugsrecht entstanden ist und die Ausübungsvoraussetzungen vorliegen (BFH Urteil vom 13.2.2014, V R 8/13, BStBl II 2014, 595).
Beispiel 1:
Ein Unternehmer (U1) aus einem Drittland (Schweiz) überlässt einem inländischen Unternehmer (U2) eine Maschine (kein Beförderungsmittel) zur vorübergehenden Nutzung. Der Drittlandsunternehmer (U1) verbringt vereinbarungsgemäß die Maschine ins Inland. Der Inlandsunternehmer (U2) entrichtet vereinbarungsgemäß die EUSt.
Lösung 1:
Der inländische Unternehmer (U2) ist nicht zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt, da der inländische Unternehmer nicht die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. U2 zahlt die EUSt »im Namen und im Auftrag« für den Einführer. In diesem Fall wird der Vertretene Schuldner der EUSt. Vorsteuerabzugsberechtigt ist der Drittlandsunternehmer (U1) gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG (s.a. Abschn. 15.8 Abs. 9 UStAE). Die Vermietungsleistung des U1 wird nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland ausgeführt und ist daher im Inland steuerbar und stpfl. Die Vergütung der EUSt als Vorsteuer ist nicht im Vorsteuervergütungsverfahren möglich, da U1 nicht nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schuldet. U1 tätigt daneben noch eine Einfuhr nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG.
Es handelt sich um eine sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 UStG). Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger U2 die Steuer. U1 muss nach § 14a Abs. 5 UStG eine Rechnung erteilen und darin auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweisen. Der Leistungsempfänger kann die Steuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abziehen (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
Gelangen Gegenstände aus einem Drittland zu Reparatur- und Wartungszwecken ins Inland, stellt sich die Frage nach der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung dieser Gegenstände im Rahmen der »Einfuhr«. Die Gegenstände können zur Ausführung einer Werkleistung oder zur Ausführung einer Werklieferung beigestellt werden.
Überlässt ein ausländischer Auftraggeber einem im Inland ansässigen Unternehmer einen Gegenstand zur Ausführung einer Werkleistung (z.B. einer aktiven Lohnveredelung; s. Art 256 UZK) oder stellt der ausländische Auftraggeber einem im Inland ansässigen Unternehmer einen Gegenstand zur Ausführung einer Werklieferung bei, kann die auf die Einfuhr des Gegenstands entfallende EUSt von dem im Inland ansässigen Unternehmer abgezogen werden, wenn der Gegenstand nach Ausführung der Werkleistung oder Werklieferung in das Drittlandsgebiet zurückgelangt. Entsprechend kann verfahren werden, wenn der ausländische Auftraggeber den Gegenstand nach Ausführung der Werkleistung oder Werklieferung im Inland weiterliefert und diese Lieferung nicht nach § 4 Nr. 8 ff. UStG steuerfrei ist (Abschn. 15.8 Abs. 8 UStAE).
Die Überlassung von Gegenständen durch einen ausländischen Auftraggeber zur Ausführung einer aktiven Lohnveredelung im Inland kann zur Nichterhebung von Eingangsabgaben führen (Art. 223 i.V.m. 256 UZK). Voraussetzung dafür ist die Bewilligung der Zollbehörden für die Inanspruchnahme der aktiven Veredelung nach Art. 211 Abs. 1 Buchst. a UZK. Für die Bewilligung muss u.a. eine nachgewiesene wirtschaftliche Notwendigkeit bestehen (Art. 211 Abs. 2 Buchst. a UZK). Ohne die Bewilligung entstehen Einfuhrabgaben mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs der EUSt.
Wie bereits oben erläutert, muss der Unternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzen (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 2 UStAE), um in den Genuss des Vorsteuerabzug i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zu gelangen. Wenn der inländische Werkunternehmer selbst zum Schuldner der EUSt wird, hätte er keine Möglichkeit, die EUSt als Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in Abzug zu bringen, da er nicht die Verfügungsmacht an den eingeführten Gegenständen besitzt. Hier findet die oben beschriebene Vereinfachungsregelung des Abschn. 15.8 Abs. 8 UStAE Anwendung (s.a. die Beispiele in Abschn. 7.1 Abs. 3 UStAE).
Mit Urteilen vom 17.1.2011 (9 K 308/10, EFG 2011, 922, LEXinform 5011703, rkr.) und vom 23.9.2020 (9 K 327/17, EFG 2021, 979, LEXinform 5023825, rkr.) hat das FG Köln zur Vorsteuerabzugsfähigkeit von EUSt im Rahmen einer Verkaufskommission (→ Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen) Stellung genommen.
Bereits mit Urteil vom 25.11.1986 (V R 102/78, BStBl II 1987, 278) kommt der BFH zu der Rechtsauffassung, dass § 3 Abs. 3 UStG lediglich bestimmt, dass im Falle der Verkaufskommission eine Lieferung zwischen Kommittent und Kommissionär vorliegt und der Verkaufskommissionär als Abnehmer gilt; eine Aussage darüber, wann diese Rechtsfolge eintritt, also über den Zeitpunkt der Lieferung, enthält § 3 Abs. 3 UStG nicht. Dabei legte der BFH aus der Perspektive der Verfügungsmacht, für die ein Übergang der Sachsubstanz erforderlich war, die Fiktion des § 3 Abs. 3 UStG so aus, dass diese erst mit dem Übergang der wirtschaftlichen Substanz des Kommissionsgutes des Verkaufskommissionärs an den Abnehmer eine Lieferung erfolgen könne (s. Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 7 UStAE).
Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die entstandene EUSt als Vorsteuer abziehen, wenn die Gegenstände für sein Unternehmen im Inland eingeführt worden sind (s. Abschn. 15.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Eine Einfuhr für das Unternehmen ist gegeben, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand im Inland zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einsetzt. Diese Voraussetzung ist bei dem Unternehmer gegeben, der im Zeitpunkt der Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE).
Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, der eine Lieferung voraussetzt, kann die Einfuhr eines Gegenstandes i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG sowohl im Rahmen eines Liefervorgangs als auch außerhalb eines solchen durch bloßes Verbringen des Gegenstandes aus dem Ausland in das Inland erfolgen. Nicht entscheidend ist, wer Schuldner der entrichteten EUSt war, wer diese entrichtet hat und wer den für den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat (vgl. BFH vom 16.3.1993, V R 65/89, BStBl II 1993, 473; Abschn. 15.8 Abs. 10 UStAE; FG Köln vom 23.9.2020 unter I.1.b.).
In beiden Urteilen gelangt das FG Köln zu der Rechtsauffassung, dass es für den Übergang der Verfügungsmacht bei der Einfuhr von Kommissionsware auf die gesetzliche Regelanordnung gem. § 3 Abs. 6 und 8 UStG ankommt. Es ist nicht erforderlich, den Regelungszusammenhang des § 3 Abs. 1, 6 und 8 UStG auszublenden oder durch eine erst spätere Fiktion der Lieferung zu überspielen.
Das Spannungsverhältnis zwischen der Entstehung der EUSt nach dem Zollrecht und ihrem Abzug als Vorsteuer nach dem Umsatzsteuerrecht gem. Art. 168 Buchst. e MwStSystRL und § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG, für die eine Verfügungsbefugnis zum Zeitpunkt der Einfuhr erforderlich ist, kann für den Vorsteuerabzug nur gelöst werden, wenn die Übergabe der Ware an den Verkaufskommissionär die Fiktion der Lieferung auslöst und damit stärker an das tatsächliche Verbringen anknüpft, wie dies für die Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG bereits in § 3 Abs. 6 und Abs. 8 UStG angeordnet ist.
Würde der Kommittent an den Verkaufskommissionär liefern können, würde der Kommittent mit der Übergabe der Kommissionsware an den Verkaufskommissionär die Lieferung verwirklichen. Einziger Unterschied zu einer Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG ist der Übergang einer Sachsubstanz neben der Übertragung der Verfügungsmacht, nicht jedoch die tatsächliche Übergabe der Ware. Systematisch fingiert § 3 Abs. 3 UStG die für eine Lieferung erforderliche Sachsubstanz, sobald der für die Einfuhr erforderliche tatsächliche, willensgetragene Vorgang erfolgt ist und der Verkaufskommissionär die Verfügungsmacht ausübt, also die Ware in die Preisgestaltung seiner Ausgangsumsätze Eingang findet. Die übrigen Voraussetzungen einer Lieferung müssen durch den Lieferanten bzw. den Empfänger vorliegen, wie z.B. die Unternehmereigenschaft oder die tatsächliche Übergabe der Ware als tatsächlicher, willensgetragene Vorgang, auch wenn keine Sachsubstanz im Sinne einer Lieferung übertragen wird.
Entscheidungssachverhalt des FG Köln vom 23.9.2020 (9 K 327/17, EFG 2021, 979):
Die Klägerin betreibt als Unternehmerin ein Kunstauktionshaus und bietet Eigentümern von Kunstwerken, Antiquitäten oder Schmuck die Möglichkeit, diese im Rahmen einer Verkaufskommission versteigern zu lassen. Eigentümer von Kunstgegenständen erteilen der Klägerin einen Versteigerungsauftrag und diese wird dann im Rahmen einer Verkaufskommission als Kommissionärin tätig. Die Objekte sind auf Rechnung und Gefahr des Kommittenten bei der Klägerin einzuliefern und ggf. wieder abzuholen, sollte es nicht zu einem Verkauf kommen.
Die Kosten des Transportes, der Transportversicherung, etwa anfallende Abfertigungskosten des Spediteurs etc. trägt der Einlieferer. Die anfallende Zollabfertigung und die EUSt übernimmt die Klägerin. Binnen 5 Wochen nach Abschluss der Versteigerung erhält der Kommittent die Abrechnung und nach seiner entsprechenden Anweisung den Versteigerungserlös abzüglich der Kommission sowie etwaiger verauslagter Kosten ausbezahlt.
In den Streitjahren wurden auch Gegenstände von Einlieferern mit Sitz im Drittland eingeliefert und durch die Klägerin versteigert. Der Transport erfolgte zum Teil durch eine persönliche Abholung der Klägerin beim Einlieferer, z.B. aus der Schweiz und zum Teil durch die Beauftragung einer Spedition durch die Klägerin oder durch den Einlieferer. Sofern die Klägerin die Speditionskosten zahlte, wurden diese später als verauslagte Kosten mit dem ausbezahlten Versteigerungserlös verrechnet. Die Zollabfertigung wurde immer durch den Spediteur übernommen. Die anfallenden Kosten der Zollabfertigung sowie die EUSt trug vereinbarungsgemäß die Klägerin.
Das FA kam zu dem Ergebnis, dass die Umsätze aus den Versteigerungen nach den Grundsätzen des Kommissionsgeschäftes rechtlich zu würdigen seien. Der Kommissionär könne die EUSt mangels tatsächlicher Verfügungsmacht über den Gegenstand der Einfuhr bei Grenzübertritt nicht als Vorsteuer abziehen, selbst wenn der Kommissionär die EUSt im Auftrag des Kommittenten angemeldet und entrichtet habe.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hatte Verfügungsbefugnis über die Kunstgegenstände. Der Wert der Kunstgegenstände findet Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze der Klägerin, die diese im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Kunstauktionshaus erbringt. Der erzielte Versteigerungspreis und damit der tatsächliche Wert der Kunstgegenstände hat unmittelbaren Einfluss auf die durch die Klägerin in Rechnung gestellten Preise. Der Wert der Ware fließt daher unmittelbar in die Preisgestaltung der Klägerin ein.
Zwischenbemerkung:
Mit Urteil vom 20.7.2023 (V R 13/21, BFH/NV 2023, 1383, LEXinform 0953571) hat der BFH entschieden, dass hinsichtlich des Vorsteuerabzugs der EUSt gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die Einfuhr für das Unternehmen eine Verwendung des eingeführten Gegenstandes für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers erfordert. Dies setzt voraus, dass der Unternehmer den Gegenstand selbst und damit dessen Wert für diese Umsätze verwendet (so auch das FG Köln in seinem Urteil vom 23.9.2020). Erbringt der Unternehmer in Bezug auf den eingeführten Gegenstand lediglich eine Verzollungs- oder eine Beförderungsdienstleistung, steht ihm daher kein Abzugsrecht zu.
Entscheidungsgründe:
Die Verfügungsbefugnis hat die Klägerin mit der Versendung gem. § 3 Abs. 6 UStG erlangt. Gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG gilt, wenn der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet wird, die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.
Dies ist der Fall, da die Klägerin entweder die Kunstgegenstände persönlich beim Einlieferer abgeholt hat oder eine Spedition durch die Klägerin oder den Einlieferer beauftragt wurde und die Einfuhr für die Klägerin als Empfängerin der Leistung ausgeführt und sie in den Einfuhrdokumenten als Empfängerin genannt wurde. Danach hat die Klägerin bereits im Drittstaat die Verfügungsmacht an den Kunstgegenständen erlangt. Daraus folgt unter Berücksichtigung des Lieferbegriffs des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 UStG sowie der einschlägigen Regelungen zum Lieferort nach § 3 Abs. 6 UStG, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Einfuhr der Kunstgegenstände nach Deutschland die insoweit nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG für die Berechtigung zum Abzug der EUSt erforderliche Verfügungsmacht über die Kunstgegenstände erlangt hatte.
Die EUSt ist zudem nur deswegen entstanden, weil die Kunstgegenstände für die Klägerin eingeführt wurden, damit diese ihrer Tätigkeit als Inhaberin eines Kunstauktionshauses nachgehen konnte. Damit ist die EUSt ausschließlich im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit entstanden, mit der sie umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erwirtschaftet.
Hinweis:
Auch bei der Binnenmarktregelung weicht die Verwaltung in Abschn. 1a.2 Abs. 7 UStAE vom Grundsatz der BFH-Rspr. ab (BFH vom 25.11.1986, V R 102/78, BStBl II 1987, 278), wonach eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär erst im Zeitpunkt der Lieferung des Kommissionärs an den Abnehmer vorliegt. Gelangt das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat, kann die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär jedoch nach dem Sinn und Zweck der Regelung bereits zu diesem Zeitpunkt als erbracht angesehen werden. Gleichzeitig ist demnach der innergemeinschaftliche Erwerb beim Kommissionär der Besteuerung zu unterwerfen (s.a. Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 8 UStAE).
Nach dem Urteil des FG Köln ist die Binnenmarktregelung des Abschn. 1a.2 Abs. 7 UStAE auch auf die Einfuhr übertragbar. »Gelangt das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär vom Drittstaat in das Inland, kann die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär jedoch nach dem Sinn und Zweck der Regelung bereits zu diesem Zeitpunkt nach § 3 Abs. 6 UStG als erbracht angesehen werden. Gleichzeitig ist demnach die Einfuhr und der Vorsteuerabzug der EUSt beim Kommissionär vorzunehmen.«
Zu beachten gilt, dass diese Ausnahmeregelung nur in den Fällen der Ortsbestimmung des § 3 Abs. 6 UStG gilt. Mit Übergabe des Gegenstands bzw. mit Beginn der Beförderung oder Versendung gilt die Verfügungsbefugnis als verschafft.
In den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG steht der Abzug der EUSt nur dem Lieferer zu, wenn er den Gegenstand zur eigenen Verfügung im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach an seinen Abnehmer liefert (Abschn. 15.8 Abs. 5 Satz 1 UStAE).
Schuldner der EUSt i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gem. § 5 UStG steuerfrei sind (BFH Urteil vom 21.3.2007 V R 32/05, BStBl II 2008, 153; s.a. BMF vom 1.2.2008, BStBl I 2008, 295). Mit Urteil vom 29.1.2015 (V R 5/14, BStBl II 2015, 567) hat der BFH die Rechtsprechung bestätigt und entschieden, dass Schuldner der EUSt i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG die Person ist, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Darauf, dass tatsächlich EUSt angefallen ist, kommt es nicht an (s.a. Abschn. 3.13 Abs. 1 UStAE).
Beispiel 2:
Ein Unternehmer aus einem Drittland (Schweiz) veräußert einem inländischen Unternehmer eine Maschine (kein Beförderungsmittel) und befördert sie vereinbarungsgemäß ins Inland. Schuldner der EUSt ist
der Inlandsunternehmer (Lieferkondition »unversteuert und unverzollt«) bzw.
der Drittlandsunternehmer (Lieferkondition »verzollt und versteuert«).
Lösung 2:
Bei Grenzübertritt gibt der Drittlandsunternehmer die Zollanmeldung in direkter (offen erklärter) Stellvertretung ab (»im Namen und im Auftrag« für den Einführer). Der Vertretene – der Inlandsunternehmer – wird Schuldner der EUSt. Der Ort der Lieferung befindet sich nach § 3 Abs. 6 UStG im Drittland. Der Inlandsunternehmer besitzt im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand (Abschn. 15.8 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 UStAE). Er kann die EUSt nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen.
Bei Grenzübertritt gibt der Drittlandsunternehmer die Zollanmeldung als Anmelder ab und wird somit Schuldner der EUSt. Der Ort der Lieferung befindet sich nach § 3 Abs. 8 UStG im Inland. In den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG steht der Abzug der EUSt nur dem Lieferer zu, wenn er den Gegenstand zur eigenen Verfügung im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach an seinen Abnehmer liefert (Abschn. 15.8 Abs. 5 Satz 1 UStAE; vgl. auch die Beispiele in Abschn. 3.13 Abs. 2). Der Lieferer kann die EUSt nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen. Da die Lieferung stpfl. ist und es sich nicht um eine Leistung i.S.d. § 13b Abs. 1 UStG handelt (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers), ist der Leistungsempfänger kein Steuerschuldner. Dem Drittlandsunternehmer kann die Vorsteuer (EUSt) nicht im Vorsteuervergütungsverfahren vergütet werden. Das allgemeine Besteuerungsverfahren ist durchzuführen (s. Abschn. 18.11 Abs. 1 Beispiel 3 UStAE).
Beachte:
Lässt der Drittlandsunternehmer die Maschine durch einen selbstständigen Spediteur ins Inland befördern und meldet dieser Spediteur die Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an und entrichtet die EUSt, wird der Anmelder gem. Art. 77 Abs. 3 UZK zum Schuldner der EUSt. Der Anmelder (Spediteur) ist aber nicht selbst als Übertragender oder Empfänger der Verfügungsmacht der Maschine beteiligt. Somit ist der Spediteur nicht zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt.
Der BFH hat mit Urteil vom 20.7.2023 (V R 13/21, BFH/NV 2023, 1383, LEXinform 0953571) Folgendes entschieden: Ein Stpfl., der als indirekter Vertreter eine Zollanmeldung abgibt und dessen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Einfuhr der Waren sich auf die Übernahme der Zollformalitäten beschränkt, kann die von ihm gezahlte EUSt allenfalls dann als Vorsteuer abziehen, wenn ein unmittelbarer und direkter Zusammenhang mit bestimmten Ausgangsumsätzen bzw. mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen wird. Ein etwaiger Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit wird jedenfalls durch den Zusammenhang der EUSt mit dem bestimmten Ausgangsumsatz des ausländischen Lieferers verdrängt.
Es ist zu prüfen, wem das Handeln des Spediteurs als Beauftragter zuzurechnen ist. Bei korrekter Abwicklung ist die Zurechnung des Handelnden ersichtlich, da beim Handeln als indirekter Vertreter der Vertretene ebenfalls im Einfuhrabgabenbescheid genannt ist.
Für die Ortsbestimmung – § 3 Abs. 6 oder Abs. 8 UStG – ist es entscheidend, ob der Vertreter für den Lieferanten oder für den Leistungsempfänger tätig wird. Diese Vertretung sollte anhand geeigneter Nachweise erfolgen (z.B. schriftliche Beauftragung).
Wird der Nachweis geführt, dass der Dritte im Auftrag
des Lieferanten gehandelt hat, ist der Lieferant zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt (Fall des § 3 Abs. 8 UStG);
des Leistungsempfängers gehandelt hat, ist der Leistungsempfänger zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt (Fall des § 3 Abs. 6 UStG).
S.a. Merkel u.a., Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer unter III., UR 20/2019, 753.
Im Urteilsfall V R 13/21 hatte der Spediteur als indirekter Vertreter des in der Türkei ansässigen T die Waren zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlichen freien Verkehr angemeldet. Die EUSt wurde gegenüber dem Spediteur – als Gesamtschuldner mit T – festgesetzt. Die Ware kam aber nicht bei dem in Deutschland ansässigen Empfänger an. Der Spediteur verzichtete darauf, das für die Abgabe der Zollanmeldung mit T vereinbarte Entgelt einzufordern, und machte die EUSt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer geltend. Das FA sowie auch das FG Hamburg versagten den Vorsteuerabzug (FG Hamburg vom 18.12.2020, 5 K 175/18, LEXinform 5023647).
In seinem Urteil V R 13/21 (Rz. 12) bestätigt der BFH die Rspr. des FG Hamburg, das zu Recht davon ausgegangen ist, dass der indirekte Vertreter (Spediteur), der in Bezug auf die eingeführten Gegenstände lediglich Verzollungs- und ggf. Beförderungsdienstleistungen erbracht hat, aus der gegen ihn festgesetzten EUSt nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL besteht das Abzugsrecht des Stpfl. (Unternehmers) für »die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist«, soweit »die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden«. Der BFH legt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG entsprechend Art. 168 Buchst. e MwStSystRL richtlinienkonform aus (BFH vom 11.11.2015, V R 68/14, BStBl II 2016, 720, Rz. 13).
Hieraus leitet der EuGH ab, dass »der Wert der beförderten Waren« – und damit der Wert des eingeführten Gegenstandes – in den Preis der vom Unternehmer erbrachten Leistung einfließen muss (EuGH vom 25.6.2015, »DSV Road«, C-187/14, UR 2015, 838, LEXinform 5213461, Rz. 50). Auf dieser Grundlage verneint der EuGH den Abzug der EUSt als Vorsteuer für den Unternehmer, der eingeführte Gegenstände lediglich befördert, ohne »deren Einführer oder Eigentümer« zu sein (EuGH DSV Road, Rz. 51).
Im Urteilsfall gehörte die EUSt nicht zu den Kosten eines konkreten Ausgangsumsatzes des Spediteurs, da es schon keinen Ausgangsumsatz gab, der mit der Entstehung der EUSt auch nur kausal zusammenhängen könnte. Der Spediteur (indirekter Vertreter) und T kamen konkludent überein, dass der Spediteur angesichts des Abhandenkommens der Ware seine Verzollungsdienstleistung nicht in Rechnung stellt.
Der Wert der eingeführten Gegenstände gehörte – auch unter Berücksichtigung der beabsichtigten, aber fehlgeschlagenen entgeltlichen Tätigkeit gegenüber dem Auftraggeber T – nicht zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit des Spediteurs. Entscheidend ist, dass der Spediteur ebenso wie ein Frachtführer oder Lagerhalter den eingeführten Gegenstand nicht zur Erbringung einer Ausgangsleistung (z.B. Beförderungs- oder Verzollungsdienstleistung) verwendet hat, sondern der eingeführte Gegenstand lediglich das Objekt war, an dem die Klägerin ihre Leistung erbracht hat (BFH V R 13,21, Rz. 22).
Eigener Hinweis:
Da der Gegenstand im Urteilsfall tatsächlich nicht eingeführt wurde (z.B. weil er gestohlen oder zerstört wurde), entsteht tatsächlich keine EUSt.
Nach dem EuGH-Urteil vom 18.5.2017 (C-154/16, UR 12/2017, 472, LEXinform 0651506) entsteht keine Einfuhrzollschuld i.S.d Art. 79 UZK, wenn ein Teil der einfuhrabgabenpflichtigen Waren nachweisbar vernichtet oder zerstört wurde oder unwiederbringlich verloren gegangen ist und hierdurch der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Beim Verschwinden einer Ware durch Vernichtung oder Zerstörung ist die Gefahr, dass die Ware unverzollt in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt, nicht begründet.
Aus diesen Erwägungen heraus stellt der EuGH fest, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. d sowie Art. 70 und 71 MwStSystRL dahin auszulegen sind, dass auf den vernichteten oder zerstörten oder unwiederbringlich verloren gegangenen Teil der Ware, der sich im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren befindet, keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
Durch Art. 13 Nr. 2 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird nach § 18h UStG u.a. § 18k UStG neu eingefügt. Für Fernverkäufe von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 € aus dem Drittlandsgebiet wird ein neuer Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt (vgl. Art. 369l bis 369w MwStSystRL in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung; → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG n.F.«). Bei Anwendung des § 18k UStG ist die Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG n.F. steuerfrei (Art. 14 Nr. 6 des JStG 2020).
Durch Art. 14 Nr. 14 des JStG 2020 wird ein neuer § 21a UStG eingefügt. Für Fälle, in denen IOSS (§ 18k UStG) nicht genutzt wird, ist die Einfuhr steuerpflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG ist nicht anwendbar). Es werden Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt, die von den Personen genutzt werden können, die Waren für Rechnung der jeweiligen Empfänger beim Zoll gestellen (i.d.R. die Beförderer, insbes. Post- bzw. Expresskurierdienstleister; vgl. Art. 369y bis 369zb MwStSystRL in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung).
Hinweis:
Zur Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets zum 1.4.2021 bzw. 1.7.2021 durch das JStG 2020 nimmt das BMF mit Schreiben vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629) Stellung.
Die folgende Übersicht zeigt einen Überblick über die Behandlung der Einfuhr an Nichtunternehmer (Fernverkäufe, s. → Ort der Lieferung) nach der Neuregelung durch das JStG 2020.
Fall 1:
Unternehmer S aus der Schweiz führt Gegenstände aus der Schweiz nach Deutschland ein und lagert diese in einem Lager von Amazon in Deutschland ein. S lässt die Gegenstände in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche EUSt. Aus diesem Lager werden die Gegenstände durch den Unternehmer S in dessen Namen und auf dessen Rechnung über die Internetseiten von Amazon an Privatkunden aus Deutschland versandt (Vertragsmodell: »Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon«).
Lösung Fall 1:
Für Umsätze, die bis zum 30.6.2021 ausgeführt werden, bewirkt Unternehmer S an die Kunden in Deutschland mit Beginn der Versendung aus dem Lager von Amazon eine in Deutschland steuerbare und stpfl. Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 und 4 UStG. Da zu Beginn der Warenbewegung von der Schweiz in das Lager nach Deutschland der oder die Abnehmer der Gegenstände noch nicht feststehen, wird erst mit Lieferung aus dem Lager die Verfügungsmacht an den Gegenständen verschafft.
Der Unternehmer S ist verpflichtet, sich für Umsatzsteuerzwecke in Deutschland registrieren zu lassen.
S tätigt eine Einfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG und wird Schuldner der EUSt und kann diese nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen.
Eine Einfuhr für das Unternehmen ist gegeben, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einsetzt. Diese Voraussetzung ist bei dem Unternehmer gegeben, der im Zeitpunkt der Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Für diese Zwecke ist der Zeitpunkt der Lieferung nach der umsatzsteuerlichen Ortsbestimmung (§ 3 Abs. 6 bis 8 UStG) zu ermitteln (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStAE).
Dem Drittlandsunternehmer S kann die Vorsteuer (EUSt) nicht im Vorsteuervergütungsverfahren vergütet werden. Das allgemeine Besteuerungsverfahren ist durchzuführen (s. Abschn. 18.11 Abs. 1 Beispiel 3 UStAE).
Für Umsätze, die bis zum 30.6.2021 ausgeführt werden, haftet der Betreiber des elektronischen Marktplatzes (Amazon) unter den weiteren Voraussetzungen des § 25e UStG für die nicht entrichtete Steuer aus den Lieferungen des Unternehmers S, die auf dem von Amazon bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden sind (→ Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel sowie BMF vom 28.1.2019, BStBl I 2019, 106).
Der Betreiber des elektronischen Marktplatzes (Amazon) erbringt eine elektronische Dienstleistung i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG. Da Empfänger der Dienstleistung ein Unternehmer ist, wird die Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Die Leistung in der Schweiz ist nicht steuerbar.
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist die Haftung i.S.d. § 25e UStG n.F. in den Fällen, in denen der Betreiber der elektronischen Schnittstelle Schuldner der Umsatzsteuer ist (§ 3 Abs. 3a UStG), ausgeschlossen (§ 25e Abs. 1 Halbsatz 2 UStG n.F.). Der Schnittstellenbetreiber ist Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 1 und 3 UStG n.F. anzuwenden. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG n.F. fingiert
eine Lieferung des liefernden Unternehmers S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle – Amazon –. Voraussetzung für die Anwendung der Lieferfiktion ist, dass der Schnittstellenbetreiber Unternehmer ist,
eine Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den nichtunternehmerischen Endverbraucher.
Voraussetzung ist, dass der Schnittstellenunternehmer (Amazon)
mittels seiner elektronischen Schnittstelle
Lieferungen von Gegenständen
durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer (der liefernde Unternehmer muss im Drittlandsgebiet ansässig sein; Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 2 UStAE)
an einen Nichtunternehmer unterstützt,
deren Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Während tatsächlich lediglich ein einziges Verkaufsgeschäft vorliegt, werden für umsatzsteuerliche Zwecke zwei Lieferungen fingiert, indem eine (erste) Lieferung von dem Unternehmer S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) sowie eine (zweite) Lieferung von dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) an den Enderwerber (Privatkunde in Deutschland) angenommen werden (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG n.F.; Art. 36b MwStSystRL; Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 6 UStAE). Mit Beginn der Versendung durch Amazon tätigt Amazon eine steuerbare und stpfl. Lieferung in Deutschland (§ 3 Abs. 6 Satz 1 und 4 UStG).
Beachte:
§ 3c Abs. 1 UStG findet keine Anwendung, weil die Ware nicht aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates gelangt (vgl. § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG; s. Beispiel 2 in Abschn. 3.18 Abs. 2 UStAE).
Fortsetzung Lösung:
Die Lieferung des schweizerischen Unternehmers S an Amazon stellt nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die ruhende Lieferung dar. Danach gilt die Lieferung des S an Amazon in Deutschland als ausgeführt, da die Versendung des Gegenstands dort beginnt. Die »fiktive« Lieferung des S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) ist nach § 4 Nr. 4c UStG n.F. steuerfrei (Art. 136a MwStSystRL; Abschn. 4.4c.1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
S tätigt eine Einfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) und wird Schuldner der EUSt und kann diese nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen. Im Zeitpunkt der Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr besitzt S noch die Verfügungsmacht über den Gegenstand.
Beachte:
Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Ausführung von nach § 4 Nr. 4c UStG steuerfreien Umsätzen sind nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Fortsetzung Lösung:
Unter den Voraussetzungen des § 59 Satz 1 Nr. 5 UStDV i.d.F. des JStG 2020 kann dem Drittlandsunternehmer S die Vorsteuer (EUSt) im Vorsteuervergütungsverfahren vergütet werden, wenn er nach dem 30.6.2021 u.a. nur Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates erbracht und von dem Wahlrecht nach § 18j UStG n.F. (→ Voranmeldung) Gebrauch gemacht hat.
Durch Art. 16 Nr. 3 des JStG 2020 werden in § 59 Satz 1 die Nr. 4 und 5 durch die Nr. 4 bis 6 UStDV ersetzt. Die Änderung in § 59 Satz 1 Nr. 4 und 5 UStDV und die Ergänzung in § 59 Satz 1 Nr. 6 UStDV regeln, dass das Vorsteuer-Vergütungsverfahren auch dann Anwendung findet, wenn die Drittlandsunternehmer im Inland nach dem 30. Juni 2021 u.a. ausschließlich Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates (Beginn und Ende der Beförderung oder Versendung im selben Mitgliedstaat) erbringen und vom besonderen Besteuerungsverfahren – im Beispielsfall – nach § 18j UStG Gebrauch machen.
Im Ausland ansässige Unternehmer, die im Inland ausschließlich u.a. Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates (Beginn und Ende der Beförderung oder Versendung im selben Mitgliedstaat) erbringen, und vom besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG Gebrauch machen, können Vorsteuerbeträge grds. nur im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens geltend machen (s.a. Abschn. 18j.1 Abs. 8 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629). Nach § 18j Abs. 4 Satz 4 UStG ist § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht anzuwenden (→ Vorsteuervergütungsverfahren).
Fall 2:
Unternehmer S aus der Schweiz handelt mit Computerteilen. Er verkauft die Produkte über die Internetseiten von Amazon Services Europe s.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg entsprechend den Bedingungen »Verkauf und Versand durch den Händler S«. S bietet seine Waren auf dem Amazon-Marktplatz an und versendet sie selbst von der Schweiz aus an die Kunden in Deutschland. S lässt die Gegenstände in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche EUSt.
Der Wert der Gegenstände in den jeweiligen Sendungen beträgt höchstens 150 €.
Lösung Fall 2:
Für Umsätze, die bis zum 30.6.2021 ausgeführt werden, bewirkt S Versendungslieferungen an die Kunden in Deutschland, die nach § 3 Abs. 6 UStG grds. in der Schweiz ausgeführt werden, da die Versendungen dort beginnen. Da aber die Voraussetzungen des § 3 Abs. 8 UStG erfüllt sind, gilt der Ort der Lieferungen als im Inland gelegen und die Lieferungen sind steuerbar und stpfl.
S tätigt eine Einfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) und wird Schuldner der EUSt und kann diese nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen. In den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG steht der Abzug der EUSt nur dem Lieferer zu, wenn er den Gegenstand zur eigenen Verfügung im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach an seinen Abnehmer liefert (Abschn. 15.8 Abs. 5 Satz 1 UStAE). Der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht einer Lieferung ist nach der umsatzsteuerrechtlichen Ortsbestimmung (§ 3 Abs. 6 bis 8 UStG) zu ermitteln (Abschn. 15.8.Abs. 4 Satz 3 UStAE).
Dem Drittlandsunternehmer S kann die Vorsteuer (EUSt) nicht im Vorsteuervergütungsverfahren vergütet werden. Das allgemeine Besteuerungsverfahren ist durchzuführen (s. Abschn. 18.11 Abs. 1 Beispiel 3 UStAE).
Der Betreiber des elektronischen Marktplatzes (Amazon) erbringt eine elektronische Dienstleistung i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG. Da Empfänger der Dienstleistung ein Unternehmer ist, wird die Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Die Leistung in der Schweiz ist nicht steuerbar.
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG n.F. anzuwenden, da
Amazon mittels seiner elektronischen Schnittstelle
den Fernverkauf
von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen
in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €
unterstützt (s.a. Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE).
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a Satz 2 i.V.m. Satz 1 UStG n.F. so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG n.F.; Art. 36b MwStSystRL; Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 6 UStAE).
Die Lieferung des Unternehmers S aus der Schweiz ist somit die ruhende Lieferung. Der Ort dieser Lieferung, die der bewegten Lieferung vorangeht, bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG. Der Ort der Lieferung des S befindet sich in der Schweiz, da dort die Versendung beginnt.
Wenn S Schuldner der EUSt ist, käme es nicht zu einer Verlagerung des Lieferorts nach Deutschland, da die Ortsverlagerung des § 3 Abs. 8 UStG ein Befördern oder Versenden des Lieferers voraussetzt.
Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG würde die bewegte Lieferung des Schnittstellenbetreibers dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Da die Versendung an die Kunden des S in der Schweiz beginnt, wäre die fiktive Lieferung des Schnittstellenbetreibers in der Schweiz nicht steuerbar.
Um diese Besteuerungslücke für Umsätze ab dem 1.7.2021 zu verhindern, bestimmt sich der Ort der Lieferung in den Fällen des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG n.F. für die bewegte Lieferung nach § 3c Abs. 3 UStG n.F. Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet (Schweiz) in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet (Deutschland), eingeführt wird, in diesen Mitgliedstaat (Deutschland). Die Lieferung des Schnittstellenbetreibers (Amazon) gilt somit in Deutschland als ausgeführt und ist dort steuerbar und stpfl.
Beachte:
§ 3c Abs. 3 Satz 1 UStG verlagert den Ort der Lieferung eines Fernverkaufs eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in den EU-Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet, eingeführt wird, in diesen EU-Mitgliedstaat, sofern die Steuer auf diesen Gegenstand gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist (Abschn. 3c.1 Abs. 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Bei einem Fernverkauf nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG wird durch § 3c Abs. 3 Satz 3 UStG sichergestellt, dass die Ortsverlagerung i.S.d. § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG auch dann eintritt, wenn der Umsatz nicht in dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist sowie ein Unternehmer oder dessen Beauftragter Schuldner der EUSt sein sollte (Abschn. 3c.1 Abs. 4 Satz 2 UStAE und dort das Beispiel 5).
Fortsetzung Lösung:
Nach § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG kann Amazon an dem besonderen Besteuerungsverfahren teilnehmen. Eine Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren ist nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU und für alle Fernverkäufe möglich. Der in Luxemburg ansässige Unternehmer (Amazon) kann die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur in dem Mitgliedstaat der EU, in dem er ansässig ist, anzeigen (Luxemburg; Art. 369p MwStSystRL; § 18k Abs. 2 Satz 1 UStG).
Luxemburg erteilt dem Unternehmer (Amazon), der diese Sonderregelung in Anspruch nimmt, eine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer für die Anwendung dieser Sonderregelung, die er dem Unternehmer elektronisch übermittelt (Art. 369q MwStSystRL). Diese zugeteilte MwSt-IdNr. darf nur für die Zwecke dieser Sonderregelung verwendet werden (Art. 369q Abs. 4 MwStSystRL; → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG n.F.«).
Die Einfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) ist für das Unternehmen des Schnittstellenbetreibers (Amazon) erfolgt. Amazon erhält nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die Verfügungsmacht in der Schweiz. Eine Einfuhr für das Unternehmen Amazon ist gegeben, da Amazon den eingeführten Gegenstand im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und danach im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einsetzt. Diese Voraussetzung ist bei Amazon gegeben, da Amazon im Zeitpunkt der Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt (Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE).
Der Schweizer Unternehmer S muss bei der Anmeldung zur Überlassung in den freien Verkehr die nach Art. 369q MwStSystRL erteilte individuelle MwSt-IdNr. von Amazon angeben. In diesem Fall ist die Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG steuerfrei.
Die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG wird nicht in Anspruch genommen:
Wenn der Schnittstellenbetreiber das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht in Anspruch nimmt, ist die Lieferung des Schnittstellentreibers an die Privatpersonen im Inland nach § 3c Abs. 3 Satz 3 UStG steuerbar und steuerpflichtig.
Für Fälle, in denen IOSS nicht genutzt wird, werden Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt (§ 21a UStG), die von den Personen genutzt werden können, die Waren für Rechnung der jeweiligen Empfänger beim Zoll gestellen (i.d.R. die Beförderer, insbesondere Post- bzw. Expresskurierdienstleister; vgl. Art. 369y bis 369zb MwStSystRL).
Die damit eingeführten Sonderregelungen sollen die Erhebung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € aus dem Drittlandsgebiet in Fällen vereinfachen, in denen das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht genutzt wird und die Gegenstände im Mitgliedstaat des Verbrauchs eingeführt werden. Die Regelung gilt nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten (§ 21a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Nutzung der allgemeinen zollrechtlichen Verfahren.
S.u. den Gliederungspunkt »Nichtanwendung des IOSS (§ 18k UStG) von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €«.
Fall 3:
Unternehmer S aus der Schweiz führt Ware in Italien ein und versendet sie aus diesem Warenlager unmittelbar zu seinen Kunden in Deutschland, Frankreich und Belgien. Der Abnehmer steht bereits bei Beginn der Versendung in der Schweiz fest. Die jeweiligen Sendungen an die Kunden überschreiten jeweils den Sachwert von 150 €.
Unternehmer S ist Schuldner der EUSt in Italien.
Lösung Fall 3:
Von einem feststehenden Abnehmer ist bereits dann auszugehen, wenn der Abnehmer die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (BFH vom 16.11.2016, V R 1/16, BStBl II 2017, 1079; Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 4 UStAE). In diesem Fall steht es der Annahme einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nicht entgegen, wenn die Ware von dem mit der Versendung Beauftragten zunächst in ein inländisches Lager des Lieferanten gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Abnehmer (shipment on hold) herausgegeben wird (BFH vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552; s.a. Abschn. 3.12 Abs. 7 UStAE).
Bei den Warenlieferungen des Unternehmers S handelt es sich um Fernverkäufe i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 4 UStG n.F., da die Gegenstände durch den Lieferer aus dem Drittlandsgebiet an Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet werden. Da der Mitgliedstaat der Einfuhr (Italien) vom Mitgliedstaat der Beendigung der Warenbewegungen (Deutschland, Frankreich und Belgien) abweicht, gilt als Ort der Lieferungen der Ort, an dem sich der Gegenstand jeweils bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet (§ 3c Abs. 2 UStG). Die Lieferungen sind in Deutschland, Frankreich und Belgien steuerbar und stpfl.
Obwohl es sich um Fernverkäufe i.S.d. § 3c Abs. 2 UStG handelt, kann S das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18k nicht anwenden, da die Fernverkäufe nach § 3c Abs. 2 UStG in Sendungen mit einem Sachwert von mehr als 150 € im Gemeinschaftsgebiet erbracht werden. Die Voraussetzung des § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG ist nicht erfüllt. S muss sich in den jeweiligen Mitgliedstaat registrieren.
S tätigt in Italien eine Einfuhr (Art. 30 MwStSystRL; § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG).
Für Fälle, in denen IOSS nicht genutzt wird, werden Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt (§ 21a UStG), die von den Personen genutzt werden können, die Waren für Rechnung der jeweiligen Empfänger beim Zoll gestellen (i.d.R. die Beförderer, insbes. Post- bzw. Expresskurierdienstleister; vgl. Art. 369y bis 369zb MwStSystRL).
Die damit eingeführten Sonderregelungen sollen die Erhebung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € aus dem Drittlandsgebiet in Fällen vereinfachen, in denen das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht genutzt wird und die Gegenstände im Mitgliedstaat des Verbrauchs eingeführt werden. Die Regelung gilt nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten (§ 21a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Nutzung der allgemeinen zollrechtlichen Verfahren (s. das Beispiel in Abschn. 21a.1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Die Person, die die Gegenstände beim Zoll gestellt (gestellende Person) und von dieser Sonderregelung Gebrauch machen möchte (in der Regel der Beförderer, d.h. Post- bzw. Expresskurierdienstleister), meldet die jeweiligen Sendungen in direkter oder indirekter Stellvertretung (Art. 18 Zollkodex der Union) für Rechnung der jeweiligen Person, für die die Gegenstände bestimmt sind (Sendungsempfänger) zur Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Sonderregelungen sind als erfüllt anzusehen, wenn die gestellende Person ihre Absicht erklärt, von dieser Sonderregelung Gebrauch zu machen und die EUSt vom Sendungsempfänger zu erheben (§ 21a Abs. 2 UStG). Auf eine gesonderte Bevollmächtigung durch die Sendungsempfänger und eines Nachweises darüber kann im Interesse schneller und unbürokratischer Abläufe verzichtet werden. Dies ist vertretbar, weil die Sendungsempfänger das Handeln für ihre Rechnung durch Annahme der Sendung und Entrichtung der angefallenen Einfuhrabgaben genehmigen oder – durch Zurückweisung der Sendung – ablehnen und so für sie unerwünschte Folgen vermeiden können (BR-Drs. 503/20, 159).
§ 21a Abs. 3 UStG regelt Einzelheiten des Zahlungsaufschubs, damit die EUSt nicht sofort bezahlt werden muss, sondern entsprechend den zollrechtlichen Vorschriften über den Zahlungsaufschub gesammelt für die Einfuhren eines Monats im Folgemonat entrichtet werden kann. Die entstandene EUSt wird aufgeschoben und dem Aufschubkonto der gestellenden Person belastet (§ 21a Abs. 3 Satz 1 UStG).
Bei der Auslieferung hat der Sendungsempfänger die EUSt an die gestellende Person zu entrichten (§ 21a Abs. 4 Satz 1 UStG).
Zur Sicherung des Steueraufkommens haftet die gestellende Person und ggf. der Inhaber des Aufschubkontos, sofern sie nicht bereits weitere Schuldner der EUSt sind, für die Steuer, die auf Sendungen lastet, die ausgeliefert werden, ohne dass die EUSt vom Sendungsempfänger erhoben wurde oder deren Verbleib die gestellende Person nicht nachweisen kann.
§ 21a Abs. 5 UStG regelt die monatliche Anmeldung der im Rahmen dieser Sonderregelung erhobenen EUSt durch die gestellende Person und deren Abführung an die Zollverwaltung. Hierzu hat die gestellende Person in einer zusammenfassenden Erklärung spätestens am 10. des auf die Einfuhr folgenden Monats insbesondere folgende Informationen zu übermitteln:
Die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden,
die je Sendung vereinnahmten Beträge an EUSt,
den Gesamtbetrag der vereinnahmten EUSt.
Diese Informationen werden benötigt, um nachvollziehen zu können, welche Sendungen zugestellt wurden, in welcher Höhe EUSt hätte erhoben werden müssen und in welcher Höhe EUSt tatsächlich erhoben wurde und an den Zoll abgeführt werden soll. Des Weiteren sind Informationen zu übermitteln über
die im abgelaufenen Kalendermonat und gegebenenfalls davor eingeführten Sendungen, die bis zum Ende des abgelaufenen Kalendermonats nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden.
Diese Informationen werden benötigt, um die auf diesen Sendungen lastende EUSt in den folgenden Aufschubzeitraum vortragen zu können, da die gestellende Person nur EUSt für Sendungen abführen soll, die tatsächlich bereits erhoben wurde. Schließlich sind anzugeben:
die Sendungen, bei denen es nicht möglich war, sie dem Sendungsempfänger zu übergeben und die im abgelaufenen Kalendermonat wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden, sowie
die Sendungen, die abhandengekommen sind und die darauf lastende EUSt.
Diese Informationen werden benötigt, um die Überwachung für diese Sendungen endgültig zu beenden und die hierzu gebotenen Maßnahmen zu ergreifen.
Die Anmeldung hat hinsichtlich der im Rahmen dieser Sonderregelung von den Sendungsempfängern erhobenen EUSt die Wirkung einer Steueranmeldung gem. § 168 AO. Die von den Sendungsempfängern erhobenen Beträge sind von der gestellenden Person, die für diesen Zweck als Steuerschuldner gilt, zu dem für den Zahlungsaufschub nach Art. 110 Buchst. b des Zollkodex der Union (UZK; Verordnung EU Nr. 952/2013 vom 9.10.2013, Amtsblatt L 269 vom 10.10.2013 S. 1) geltenden Termin an die Zollverwaltung zu zahlen (§ 21a Abs. 5 Satz 2 und 3 UStG). Die von den Zollbehörden festzusetzenden Frist beträgt höchstens 31 Tage.
Um eine vollständige Steuererhebung zu ermöglichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Beförderer nicht mit EUSt für Sendungen belastet werden, die dem Sendungsempfänger noch nicht zugestellt werden konnten, wird EUSt für Sendungen, die noch nicht ausgeliefert wurden, in den jeweils folgenden Aufschubzeitraum übertragen (§ 21a Abs. 6 UStG).
EUSt auf Sendungen, die
unter zollamtlicher Überwachung zerstört wurden oder
unter zollamtlicher Überwachung anderweitig verwendet oder wieder ausgeführt wurden
und bei denen ausgeschlossen ist, dass sie ohne Steuererhebung im Inland in den Wirtschaftskreislauf eingehen, gilt als endgültig nicht entstanden und wird aus dem Aufschubkonto ausgebucht.
Die EUSt, die auf Sendungen lastet, die abhandengekommen sind oder die zugestellt wurden, ohne dass der Sendungsempfänger die entstandene EUSt an die gestellende Person entrichtet hat, wird auch aus dem Aufschubkonto ausgebucht und vom zuständigen Hauptzollamt per Haftungsbescheid gegenüber der gestellenden Person geltend gemacht. Ein Ermessen besteht insoweit nicht.
Beispiel 3:
Ein in Südkorea ansässiger Händler H veräußert über die eigene Internetseite Handyzubehör (Sachwert: 50 €) an eine im Inland ansässige Privatperson. Die Ware wird von H aus einem Lager in Südkorea an den Wohnsitz der Privatperson versendet. Die Zollanmeldung in Deutschland erfolgt durch einen Post- oder Kurierdienstleister P, welcher die Sonderregelung nach § 21a UStG in Anspruch nimmt und im Namen und für Rechnung der Privatperson handelt. H nimmt an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht teil.
Lösung 3:
S.a. das Beispiel in Abschn. 21a.1 UStAE sowie das Beispiel 3 in Abschn. 3c.1 Abs. 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629).
Es handelt sich nicht um einen Fernverkauf nach § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG, da H den IOOS nach § 18k UStG nicht nutzt. Der Ort der Lieferung des Handyzubehörs an den Privatkunden liegt nach § 6 Abs. 6 Satz 1 UStG in Südkorea. § 3 Abs. 8 UStG ist nicht anzuwenden, weil H bzw. sein beauftragter nicht Schuldner der EUSt ist. Die Einfuhr ist steuerpflichtig, da § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG nicht anzuwenden ist.
Der Postdienstleister P kann als gestellende Person die Sonderregelung nach § 21a UStG in Anspruch nehmen. Da die Zollanmeldung im Namen der Privatperson erfolgt, schuldet die Privatperson die EUSt und entrichtet diese bei Auslieferung der Ware an den Post- oder Kurierdienstleister. Bis zum 10. Tag des auf die Einfuhr folgenden Monats hat der Post- oder Kurierdienstleister die Erklärung nach § 21a Abs. 5 Satz 1 UStG abzugeben. Die Erklärung hat nach § 21a Abs. 5 Satz 3 UStG die Wirkung einer Steueranmeldung nach § 168 AO. Zu dem für den Zahlungsaufschub gem. Art. 110 Buchst. b UZK geltenden Termin entrichtet die gestellende Person die fällige EUSt an die Zollverwaltung.
Beispiel 4:
S. Sachverhalt Beispiel 3. Die Zollanmeldung in Deutschland erfolgt durch den Spediteur S in indirekter Vertretung des H. H nimmt das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG (vgl. Abschn. 18k.1 UStAE) nicht in Anspruch.
Lösung 4:
S.a. das Beispiel 1 in Abschn. 3c.1 Abs. 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629).
Da die Zollanmeldung für Rechnung des H erfolgt, schuldet H die EUSt, die er unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen kann. Die Lieferung des H an die Privatperson ist gem. § 3 Abs. 8 UStG im Inland steuerbar und stpfl. H hat den Umsatz im Inland im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) zu erklären. § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG ist nicht anzuwenden, weil H das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht in Anspruch nimmt.
Abwandlung Beispiel 4:
H nimmt jedoch durch einen im Inland ansässigen Vertreter (→ Fiskalvertreter) das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG in Anspruch.
Lösung Abwandlung:
S.a. das Beispiel 2 in Abschn. 3c.1 Abs. 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629).
Die Einfuhr der Waren ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG steuerfrei. Die Lieferung des H an die Privatperson ist im Inland nach § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG steuerbar und stpfl. H hat diesen Umsatz im besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären.
Die Aufzeichnungspflichten für die Einfuhr ergeben sich aus § 22 Abs. 2 Nr. 6 UStG i.V.m. § 64 UStDV sowie aus § 22 Abs. 2 Nr. 10 UStG i.d.F. des JStG 2020.
Wird im Zusammenhang mit einer Einfuhr eine Lieferung an den Unternehmer bewirkt, sind entweder die EUSt – insbesondere in den Fällen des § 3 Abs. 6 UStG – oder das Entgelt und die darauf entfallende Steuer – in den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG – aufzuzeichnen. Maßgebend ist, welchen Steuerbetrag der Unternehmer als Vorsteuer abziehen kann (Abschn. 22.2 Abs. 11 UStAE). Bei der Einfuhr genügt es, wenn die entrichtete oder in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 4 UStG zu entrichtende EUSt aufgezeichnet und dabei auf einen entsprechenden zollamtlichen Beleg hingewiesen wird (§ 64 UStDV).
Der Vorsteuerabzug der EUSt wegen der Einfuhr ist bei einer Option für die Differenzbesteuerung ausgeschlossen (§ 25a Abs. 5 Satz 3 UStG). Die nicht abziehbare Vorsteuer ist Teil des Einkaufspreises zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage (§ 25a Abs. 3 Satz 3 und 4 UStG).
Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ist der belegmäßige Nachweis durch einen zollamtlichen Originalbeleg oder einen zugelassenen Ersatzbeleg der Zollverwaltung (Abschn. 15.11 Abs. 1 Nr. 2 UStAE). Auf diesen Belegnachweis kann auch bei Mikroverfilmung meist nicht verzichtet werden. Zum Vorsteuerabzug von EUSt bei unrichtigen Angaben in der Zollanmeldung s. OFD Karlsruhe vom 12.12.2013 (S 7300 a, UR 2014, 242, SIS 14 04 78). Nach Abschn. 15.11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 UStAE bestehen bei Einfuhren, die über das IT-Verfahren ATLAS abgewickelt werden, keine Bedenken, für Zwecke des Vorsteuerabzugs den Nachweis bei Bedarf durch einen Ausdruck des elektronisch übermittelten Bescheids über die Einfuhrabgaben zu führen.
Die OFD Karlsruhe weist auf die Billigkeitsgründe (Abschn. 15.11 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStAE) hin, wenn ein Spediteur in der elektronischen Zollanmeldung versehentlich unrichtige Angaben über Zollanmelder und/oder Empfänger einstellt und infolgedessen der im IT-Verfahren ATLAS erstellte Steuerbescheid nicht den tatsächlichen Zollbeteiligten ausweist. Dazu entschied das FG Düsseldorf, dass die Anmeldung zum Versandverfahren voraussetzt, dass der Anmeldung die Gestellung bei der gleichen Zollstelle vorausgeht. Wird wegen eines Eingabefehlers nach automatisierter Zollgestellung im ATLAS-System bei der elektronischen Anmeldung zur Weiterbeförderung im Versandverfahren ein anderes Zollamt als Abgangszollstelle generiert, führt dies zur Nichtigkeit der Annahme der Versandanmeldung. Dies hat zur Folge, dass die Waren durch unzulässiges Entfernen vom Verwahrungsort der zollamtlichen Überwachung entzogen werden. Art. 10 des Zollkodex ist nicht dahingehend auszulegen, dass ein Verstoß gegen zollrechtliche Bestimmungen die Annahme der Unwirksamkeit der Eröffnung des Versandverfahrens aufgrund schwerwiegender und offenkundiger Fehler i.S.d. § 125 Abs. 1 AO ausschließt (BFH Beschluss vom 17.3.2009, VII R 17/07, BFH/NV 2009, 1053).
Durch Art. 14 Nr. 15 Buchst. b des JStG 2020 wird in § 22 Abs. 2 UStG eine neue Nr. 10 eingefügt. Die Vorschrift dient der Überprüfungsmöglichkeit durch die Zollverwaltung bei der Anwendung des § 21a UStG (s.o.).
Damit die Zollverwaltung prüfen kann, ob die gestellende Person ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, hat diese alle Informationen zur eindeutigen Identifizierung der Sendung (Versender, Sendungsempfänger) und die Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der EUSt vorzuhalten. Da die gestellende Person bei diesen über das Internet abgewickelten Käufen regelmäßig nicht in das der Warenlieferung zugrundeliegende Kaufgeschäft eingebunden ist und dementsprechend keine eigene Kenntnis über die Bemessungsgrundlagen der EUSt haben dürfte, sind insbesondere auch die von den Versendern bzw. den Sendungsempfängern hierzu übermittelten Informationen aufzuzeichnen. Weil die Entrichtung der EUSt nur für die bei der Auslieferung vom Sendungsempfänger erhobenen Beträge vorgesehen ist, werden die Informationen über die Auslieferung von Sendungen und die dabei erhobenen Beträge benötigt. Zu den eingeführten aber noch nicht ausgelieferten Sendungen sind die Angaben über deren Verbleib erforderlich, um die Prüfung dieser Vorgänge durchführen und ggf. die Haftung für die darauf lastende Einfuhrumsatzsteuer geltend machen zu können.
In den Fällen des § 21a UStG müssen aus den Aufzeichnungen zu ersehen sein (s.a. Abschn. 22.3a Abs. 3a und 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629):
Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger,
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11),
die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie
die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden,
die je Sendung vereinnahmten Beträge an EUSt,
die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie
die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG (Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL) kommt insbesondere für folgende sonstige Leistungen in Betracht (Abschn. 4.3.3 Abs. 1 UStAE):
für grenzüberschreitende Güterbeförderungen und Beförderungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr (vgl. Abschn. 4.3.2 UStAE) bis zum ersten Bestimmungsort in der Gemeinschaft;
für Güterbeförderungen, die nach vorangegangener Beförderung nach Nr. 1 nach einem weiteren Bestimmungsort in der Gemeinschaft durchgeführt werden, z.B. Beförderungen aufgrund einer nachträglichen Verfügung oder Beförderungen durch Rollfuhrunternehmer vom Flughafen, Binnenhafen oder Bahnhof zum Empfänger;
für den Umschlag und die Lagerung von eingeführten Gegenständen;
für handelsübliche Nebenleistungen, die bei grenzüberschreitenden Güterbeförderungen oder bei den in den Nummern 2 und 3 bezeichneten Leistungen vorkommen, z.B. Wiegen, Messen, Probeziehen oder Anmelden zur Abfertigung zum freien Verkehr;
für die Besorgung der in den Nummern 1 bis 4 bezeichneten Leistungen;
für Vermittlungsleistungen, für die die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 UStG nicht in Betracht kommt, z.B. für die Vermittlung von stpfl. Lieferungen, die von einem Importlager im Inland ausgeführt werden.
Die Steuerbefreiung setzt nicht voraus, dass die Leistungen an einen ausländischen Auftraggeber bewirkt werden. Dienstleistungen, die an einen Vertragspartner des Empfängers oder des Ausführers der betreffenden Waren erbracht werden, fallen nicht unter die Steuerbefreiung.
Beispiel 5:
Unternehmer A verpflichtet sich den Transitfrachttransport von A nach B sicherzustellen. A überträgt die tatsächliche Durchführung dieses Warentransports auf die Firma X. Der Transport wird mit Fahrzeugen durchgeführt, die der Firma A gehören und an X vermietet sind. Die Firma A tritt gegenüber den Versendern der Waren als Frachtführer auf. Die Firma X übernimmt bei der Erbringung der Transportleistungen die Lenkung, die Reparaturen und die Betankung der Fahrzeuge sowie die Zollformalitäten an den Grenzübergangsstellen, die Überwachung der Fracht, ihre Übergabe an den Empfänger und die notwendigen Be- und Entladearbeiten.
X ist der Annahme, dass die erbrachten Dienstleistungen in Zusammenhang mit dem Transit stehen und somit nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL steuerfrei sind.
Lösung 5:
Der Sachverhalt und die Lösung sind dem EuGH-Urteil vom 29.6.2017 (C–288/16, LEXinform 5215024, UR 15/2017, 599) nachgebildet.
Aus dem Wortlaut und dem Zweck von Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL ergibt sich, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang nicht nur voraussetzt, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrem Gegenstand nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an – je nachdem – den Ausführer, den Einführer oder den Empfänger der Gegenstände, auf die sich diese Bestimmung bezieht, erbracht werden.
Im Beispielsfall sind die von X erbrachten Dienstleistungen zwar notwendig, um die im Beispielsfall in Rede stehende Ausfuhr – es gilt aber auch bei der Einfuhr – tatsächlich durchzuführen. Diese Dienstleistungen werden jedoch nicht unmittelbar an den Empfänger oder den Ausführer der betreffenden Waren, sondern an einen Vertragspartner des X, nämlich an A, erbracht. Daher fallen die von der Firma X erbrachten Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiung.
Zum Nachweis der Steuerbefreiung für Leistungen, die sich unmittelbar auf Gegenstände der Einfuhr beziehen, nimmt das BMF-Schreiben vom 22.7.2005 (BStBl I 2005, 834) zur Nachweisführung im Speditionsgewerbe Stellung (s.a. Abschn. 4.3.3 Abs. 4 ff. UStAE sowie OFD Hannover vom 21.5.2007, S 7156b – 5 – StO 183, UR 2007, 754, SIS 07 19 71).
Zur Steuerbefreiung des § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG hat das Sächsische FG mit Urteil vom 2.7.2008 (4 K 393/06, LEXinform 5006864, rkr.) wie folgt entschieden: Werden Kraftfahrzeuge von einem Drittland in das Inland eingeführt und werden von einem Unternehmer nach Abfertigung der Kraftfahrzeuge für den freien Verkehr und nach Erreichen des ersten Bestimmungsortes i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 3 UStG Service- und Logistikleistungen (z.B. Bahnentladung, Waschen, Entkonservierung, Lagerung und Übergabeinspektion) sowie Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten (insbesondere Lackierarbeiten) durchgeführt, sind diese Leistungen nicht nach § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG umsatzsteuerfrei. Materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist, dass der leistende Unternehmer durch Belege nachweist, dass die Kosten für die Leistung in der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr enthalten sind. Als Belege für diesen Nachweis kommen die entsprechenden zollamtlichen Belege – insbesondere eine auf Antrag erteilte Bestätigung der Zollstelle nach vorgeschriebenem Muster – oder andere eindeutige Belege in Betracht.
Zur Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer nach § 11 Abs. 3 Nr. 3 UStG gehören die auf den Gegenstand entfallenden Kosten, die bis zum ersten im Einfuhrmitgliedstaat gelegenen Bestimmungsort des Gegenstandes entstanden sind. Alle nachfolgenden Leistungen sind umsatzsteuerrechtlich zu erfassen. Da die vom Stpfl. durchgeführten Service- und Logistikleistungen sowie die Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten nach der Abfertigung der Kfz für den freien Verkehr und nach Erreichen des ersten Bestimmungsortes i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 3 UStG durchgeführt wurden, war die Einfuhr zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Die Kosten stehen somit nicht im Zusammenhang mit der Einfuhr und gehören demzufolge nach den vorgenannten Normen nicht zur einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage. Die Kosten sind infolgedessen als Leistungen im Inland von der Umsatzsteuer zu erfassen.
Nach § 4 Nr. 4b UStG ist die einer Einfuhr vorangehende Lieferung (Einfuhrlieferung) von der USt befreit, wenn der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand einführt. Die Steuerbefreiung gilt darüber hinaus auch für die der Einfuhrlieferung vorangegangenen Lieferungen.
Die Steuerbefreiung gilt für alle Lieferungen von Nichtgemeinschaftswaren (vgl. BMF vom 28.1.2004, BStBl I 2004, 242, Rz. 58–63), die sich in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren (vgl. BMF vom 28.1.2004, a.a.O., Rz. 64–70) befinden (s.a. Abschn. 4.4b.1 UStAE mit Beispiel).
Die Einfuhr der sich in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befindlichen Gegenstände unterliegt der Besteuerung; damit wird eine umsatzsteuerliche Belastung derartiger Gegenstände sichergestellt. Die Einfuhrumsatzsteuer wird erhoben, wenn der Gegenstand in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt wird.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b UStG gilt für alle Lieferungen von Nichtgemeinschaftswaren, die sich in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befinden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Abnehmer der Lieferung oder ein nachfolgender Abnehmer bzw. ein Beauftragter von diesen den Liefergegenstand einführt. Dem Abnehmer muss die Überführung des Gegenstandes in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr zuzurechnen sein. Die Anwendung der Steuerbefreiung ist unabhängig davon, ob die nachfolgende Einfuhr stpfl. oder nach § 5 UStG steuerfrei ist.
Beispiel 6:
Unternehmer A befördert Drittlandsgegenstände aus der Schweiz in das Gemeinschaftsgebiet. A lagert sie unversteuert in einem Zolllager ein. Das Zolllager befindet sich in Stuttgart. A liefert diese Gegenstände an Unternehmer B aus Cottbus. Die Übergabe erfolgt durch Aushändigung eines Lagerscheines, ohne dass die Waren das Zolllager verlassen. B liefert diese Gegenstände an Unternehmer C in Berlin. C überführt die Gegenstände in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr.
Lösung 6:
Der Ort der Lieferungen von A an B und von B an C liegt in Stuttgart (§ 3 Abs. 7 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 UStG); die Lieferungen sind umsatzsteuerbar. Beide Lieferungen werden vor der Einfuhr ausgeführt und sind nach § 4 Nr. 4b UStG umsatzsteuerfrei.
Beispiel 7:
Sachverhalt wie in Beispiel 6, jedoch überführt B die Gegenstände in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr und befördert sie an C.
Lösung 7:
Die Lieferung von A an B ist als Lieferung vor der Einfuhr nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Die Lieferung von B an C ist stpfl. Die Befreiung des § 4 Nr. 4b UStG kann nicht angewendet werden, weil B als liefernder Unternehmer und nicht C als Abnehmer dieser Lieferung den Gegenstand einführt.
Die Befreiung des § 4 Nr. 4b UStG gilt unabhängig davon, wo der Abnehmer ansässig ist und ob er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Sie gilt auch, wenn der Abnehmer ein Nichtunternehmer ist.
Wird eine Nichtgemeinschaftsware, die sich zollrechtlich in einem Nichterhebungsverfahren befindet, im Zusammenhang mit einer Lieferung aus dem Inland in das Drittlandsgebiet ausgeführt, ist diese Lieferung nicht nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Die Lieferung kann unter den Voraussetzungen des § 6 UStG steuerfrei sein.
Wird eine Nichtgemeinschaftsware, die sich zollrechtlich in einem Nichterhebungsverfahren befindet, im Zusammenhang mit einer Lieferung aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, ist diese Lieferung nicht nach § 4 Nr. 4b UStG, sondern unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei (→ Innergemeinschaftliche Lieferung).
Beispiel 8:
Unternehmer A hat Drittlandswaren aus Russland importiert. Er lagert sie in einem Zolllager in Frankfurt/Oder ein. Einen Teil der Gegenstände liefert A an den Unternehmer B in Kopenhagen (Dänemark). Diese Gegenstände werden im Rahmen des zollrechtlichen »Versandverfahrens« (Nichterhebungsverfahren, BMF vom 28.1.2004, BStBl I 2004, 242, Rz. 64 und 65) aus dem Zolllager nach Kopenhagen transportiert. B überführt später dort die Liefergegenstände in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr.
Lösung 8:
Die Lieferung des A an B in Kopenhagen ist im Inland steuerbar (Ort: § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Sie ist als innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfrei.
B führt in Dänemark einen innergemeinschaftlichen Erwerb aus (Art. 3 MwStSystRL; vgl. § 1a UStG). Die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs knüpft nicht an dem zollrechtlichen Status der Waren an. Außerdem unterliegt die Einfuhr durch B in Dänemark der USt (Art. 30 MwStSystRL; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG).
Der Unternehmer hat die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b UStG nachzuweisen. Dieser Nachweis ist eindeutig und leicht nachprüfbar zu führen.
Wird eine Nichtgemeinschaftsware, die sich in einem Nichterhebungsverfahren befindet, geliefert, muss der liefernde Unternehmer im Besitz eines Belegs sein, aus dem hervorgeht, dass sich diese Ware in einem Nichterhebungsverfahren befindet. Hat z.B. der liefernde Unternehmer die Nichtgemeinschaftsware selbst in ein Zolllager eingelagert, ist hierzu eine Bescheinigung des Lagerhalters, aus der die Einlagerung hervorgeht, ausreichend (Lagerschein).
Ist der Abnehmer der von dem Unternehmer gelieferten Nichtgemeinschaftsware auch derjenige, der diese Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, kann der Abnehmer seinem Lieferanten eine entsprechende schriftliche Bestätigung erteilen.
Beispiel 9:
Unternehmer A liefert einen Gegenstand aus den USA an Unternehmer B in das Inland (Versendung durch A). Sobald der Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet gelangt, wird dieser von B in ein Zolllagerverfahren übergeführt. B lagert die Ware beim Lagerhalter L im Inland ein. Danach wird der Gegenstand von B an C, von C an D und von D an E zu der Kondition »unverzollt und unversteuert« verkauft. E bittet L, die Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen. E ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer.
Lösung 9:
Die Lieferung des A an B ist im Inland nicht steuerbar. Der Lieferort liegt in den USA.
Die Lieferungen des B an C und des C an D im Zolllager sind nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. B und C können den Nachweis für die Steuerbefreiung erbringen, indem sie belegen, dass die Ware nicht durch sie, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt worden ist. Dies kann durch Vorlage des Lagerscheins oder einer Kopie erfolgen.
Auch die Lieferung des D an E ist nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. D erhält den Nachweis über die Einfuhrbesteuerung durch eine entsprechende Bestätigung durch L.
Zum Reihengeschäft im Zusammenhang mit der Einfuhr s. → Reihengeschäft unter dem Gliederungspunkt »Warenbewegung beginnt im Drittland und endet im Inland (Einfuhr)«. S.a. die Beispiele zu Abschn. 3.14 Abs. 14 bis 17 UStAE, den Beitrag von Merkel u.a., Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer unter IV.7, UR 20/2019, 753.
Durch Art. 14 Nr. 5 des JStG 2020 wird in § 4 UStG eine neue Nr. 4c eingefügt. Nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG wird die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch nicht in der Gemeinschaft ansässige Unternehmer an Nichtunternehmer, die von einem Unternehmer durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle unterstützt wird, so behandelt, als ob er diesen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Mit der Einfügung des neuen § 4 Nr. 4c UStG wird die (fiktive) Lieferung an diesen Unternehmer von der Umsatzsteuer befreit (s. Abschn. 4.4c.1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Beispiel 10:
Unternehmer S aus der Schweiz führt Gegenstände aus der Schweiz nach Deutschland ein und lagert diese in einem Lager von Amazon in Deutschland ein. S lässt die Gegenstände in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche EUSt. Aus diesem Lager werden die Gegenstände durch den Unternehmer S in dessen Namen und auf dessen Rechnung über die Internetseiten von Amazon an Privatkunden aus Deutschland versandt (Vertragsmodell: »Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon«).
Lösung 10:
S.a. oben Fall 1.
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 1 und 3 UStG n.F. anzuwenden. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG n.F. fingiert
eine Lieferung des liefernden Unternehmers S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle – Amazon –. Voraussetzung für die Anwendung der Lieferfiktion ist, dass der Schnittstellenbetreiber Unternehmer ist,
eine Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den nichtunternehmerischen Endverbraucher.
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG n.F.; Art. 36b MwStSystRL). Mit Beginn der Versendung durch Amazon tätigt Amazon eine steuerbare und stpfl. Lieferung in Deutschland (§ 3 Abs. 6 Satz 1 und 4 UStG).
Die Lieferung des schweizerischen Unternehmers S an Amazon stellt nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die ruhende Lieferung dar. Danach gilt die Lieferung des S an Amazon in Deutschland als ausgeführt, da die Versendung des Gegenstands dort beginnt. Die »fiktive« Lieferung des S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) ist nach § 4 Nr. 4c UStG n.F. steuerfrei (Art. 136a MwStSystRL).
Steuerfrei nach § 5 Abs. 1 UStG (Art. 143 MwStSystRL) sind
die Einfuhr bestimmter Gegenstände (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG),
die Einfuhr bei anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG),
die Einfuhr im Zusammenhang mit der Einlagerung in einem Umsatzsteuerlager (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 und 5 UStG),
die Einfuhr von Gas und Elektrizität (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG),
die Einfuhr von Gegenständen, für die die Steuer im besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG i.d.F. des JStG 2020 zu erklären ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG).
Durch Art. 14 Nr. 6 des JStG 2020 wird in § 5 Abs. 1 UStG eine neue Nr. 7 eingefügt. Bei Angabe der individuellen Identifikationsnummer des Lieferers nach Art. 369q Abs. 1 MwStSystRL oder die dem in seinem Auftrag handelnden Vertreter für diesen Lieferer erteilte individuelle Identifikationsnummer nach Art. 369q Abs. 3 MwStSystRL in der Zollanmeldung und der Feststellung deren Gültigkeit durch die Zollstelle werden Fernverkäufe von eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € von der Einfuhrumsatzsteuer befreit.
Durch Art. 25 Nr. 2 des JStG 2020 wird § 1a EUStBV zum 1.7.2021 aufgehoben. Bislang waren Einfuhren mit einem Wert bis 22 € nach § 1a EUStBV von der EUSt befreit.
Durch Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der MwStSystRL (Art. 143 MwStSystRL) und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl L 348 vom 29.12.2017, S. 7), mit dem Titel IV der Richtlinie 2009/132/EG aufgehoben wurde, umgesetzt.
Nach der Streichung von Titel IV der Richtlinie 2009/132/EG sieht das EU-Recht keine Befreiung von der EUSt für Sendungen von geringem Wert mehr vor. Die Vorschriften über die Zollbefreiung für Sendungen von geringem Wert dürfen nicht mehr entsprechend angewendet werden. Sie werden daher aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.
Die Einfuhr von Gegenständen durch die Europäische Union, die Europäische Atomgemeinschaft, die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank sowie die von der Europäischen Union geschaffenen Einrichtungen, auf die das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügte Protokoll (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl C 202 vom 7.6.2016, S. 266) anwendbar ist, und zwar in den Grenzen und zu den Bedingungen, die in diesem Protokoll und den Übereinkünften zu seiner Umsetzung oder in den Abkommen über den Sitz festgelegt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 8 UStG),
die Einfuhr von Gegenständen durch die Europäische Kommission sowie nach dem Unionsrecht geschaffene Agenturen und Einrichtungen, sofern die Gegenstände in Wahrnehmung der ihnen durch das Unionsrecht übertragenen Aufgaben eingeführt werden, um auf die COVID-19-Pandemie zu reagieren (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 UStG).
Hinweis:
Durch das Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht vom 21.12.2021 (BGBl I 2021, 5250) wurden in § 5 Abs. 1 UStG die Nr. 8 und 9 neu angefügt.
Die Einfuhr von Gegenständen durch die Streitkräfte anderer Mitgliedstaaten für den eigenen Gebrauch oder Verbrauch oder für den ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen, wenn diese Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unternommen wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 UStG).
Hinweis:
Mit Art. 15 Nr. 3 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird mit Wirkung ab 1.7.2022 in § 5 Abs. 1 UStG die Nr. 8 neu angefügt.
Durch das Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht vom 21.12.2021 (BGBl I 2021, 5250) werden durch Art. 1 Nr. 5 in § 5 Abs. 1 UStG die Nr. 8 und 9 neu eingefügt. Mit Art. 2 des Gesetzes vom 21.12.2021 wird das JStG 2020 u.a. dahingehend geändert, dass in § 5 Abs. 1 UStG die ursprüngliche Nr. 8 dann Nr. 10 wird.
Zur Steuerbefreiung bei der Einfuhr und einer anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG bzw. Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) sowie zur Versagung der Steuerbefreiung der Einfuhr aufgrund späterer Mehrwertsteuerhinterziehung des Erwerbers bezüglich der eingeführten Gegenstände hat der EuGH mit Urteil vom 14.2.2019 (C-531/17, UR 2019, 389, LEXinform 0651582) in einem Österreichischen Vorabentscheidungsersuchen entschieden.
Entscheidungssachverhalt C-531/17:
B verkauft die Ware anschließend stpfl. weiter. B hat diesen Verkauf aber nicht erklärt, sondern vielmehr eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an den zuvor für die Zollanmeldung eingeschalteten Spediteur V deklariert. Eine solche Lieferung hat aber nie stattgefunden.
B hat insoweit eine Steuerhinterziehung in Bulgarien zu verantworten. Die Spedition V war in diesen Mehrwertsteuerbetrug in keiner Weise involviert.
Entscheidungsgründe:
Gem. Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL ist die Einfuhr von Gegenständen aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat dann steuerfrei, wenn der Gegenstand aus diesem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert wird. Die Lieferung dieses Gegenstandes in den anderen Mitgliedstaat muss durch den gem. Art. 201 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt werden und muss gem. Art. 138 MwStSystRL (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG) befreit sein.
Schuldner der EUSt ist der Anmelder. Bei indirekter Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, in deren Auftrag die Zollanmeldung abgegeben wird (Gesamtschuldner; Art. 77 Abs. 3 UZK).
Nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL steht das innergemeinschaftliche Verbringen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleich (§ 6a Abs. 2 UStG).
Das österreichische Bundesgericht möchte wissen, ob Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG) dahin auszulegen sind, dass die darin normierte Einfuhrumsatzsteuerbefreiung dem gem. Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur zu versagen ist, wenn der Empfänger der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Verbringung bei einem späteren Umsatz, der mit der Verbringung in keinem Zusammenhang steht, eine Steuerhinterziehung begeht.
Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer ist davon abhängig, dass der Importeur anschließend eine innergemeinschaftliche Lieferung durchführt, die selbst nach Art. 138 MwStSystRL (§ 6a UStG) steuerbefreit ist, und hängt demnach von der Beachtung der in diesem Artikel festgelegten materiellen Voraussetzungen ab. Dies gilt auch dann, wenn die Lieferung von Gegenständen wie im vorliegenden Fall in deren Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat besteht (EuGH C-531/17, Rz. 31, 33).
Der EuGH weist in Rz. 34 seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die innergemeinschaftliche Verbringung die Voraussetzungen nach Art. 138 MwStSystRL, auf die Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL verweisen, erfüllen. Im Ausgangsverfahrens sind die Einfuhr mit nachfolgender innergemeinschaftlicher Verbringung zum einen und die innergemeinschaftliche Lieferung, auf die sich die Steuerhinterziehung bezog, zum anderen als voneinander unabhängige Umsätze anzusehen.
Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL beinhalten zwei Befreiungen, nämlich erstens eine Befreiung von der Mehrwertsteuer, die gem. Art. 201 MwStSystRL normalerweise bei der Einfuhr geschuldet wird, und zweitens eine Befreiung aufgrund der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung oder Verbringung.
Da erwiesen ist, dass diese Steuerhinterziehung nicht die Verbringung betrifft, von der die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL abhängt, kann diese Befreiung dem gem. Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur nicht versagt werden, wenn es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur wusste oder hätte wissen müssen, dass diese im Anschluss an die Einfuhr erfolgende Lieferung in eine von den bulgarischen Empfängern begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Beachte:
Mit Urteil vom 14.11.2017 (11 K 1102/15, LEXinform 5020877) hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass bestandskräftig festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer zu erlassen ist, wenn und soweit der Stpfl. nachweist, dass er nach Deutschland eingeführte Waren im unmittelbarem Anschluss für eine innergemeinschaftliche Lieferung verwendet hat. Bezüglich des Erlasses von Einfuhrumsatzsteuer ist in Fällen, in denen von einer Einfuhr i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im Inland auszugehen ist, über § 5 Abs. 3 UStG und § 14 EUStBV die Vorschrift des Art. 116 UZK sinngemäß anzuwenden.
Das Revisionsverfahren VII R 4/18 wurde durch Rücknahme der Revision eingestellt (s. FG Baden-Württemberg 11 K 1102/15 – juris).
Beispiel 11:
Unternehmer A liefert Papierrollen aus dem Drittlandsgebiet an Unternehmer B (Versendung durch A). Sobald die Papierrollen in das Gemeinschaftsgebiet gelangen, werden sie von B im Inland am 10.1.08 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt. B beabsichtigt, die Papierrollen in ein Umsatzsteuerlager des Lagerinhabers L in Hamburg für Umsatzsteuerzwecke einzulagern. Zu einer Einlagerung kommt es aber nicht, da B noch vor der Einlagerung einen Abnehmer C findet. Die Papierrollen werden auf Wunsch des C am 16.1.08 unmittelbar zu dessen Fertigungshalle nach Düsseldorf versendet.
Lösung 11:
S.a. Beispiel 31 des BMF-Schreibens vom 28.1.2004 (BStBl I 2004, 242; s.a. Abschn. 4.4a.1 UStAE).
Die Einfuhr der Papierrollen ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerfrei, da B beabsichtigte, die Papierrollen in ein Umsatzsteuerlager einzulagern (BMF vom 28.1.2004, Rz. 78).
Die Lieferung von A an B ist im Inland nicht steuerbar. Der Lieferort liegt im Drittlandsgebiet.
Die Lieferung des B an C ist stpfl., da sich der Liefergegenstand im Zeitpunkt der Lieferung nicht in einem Umsatzsteuerlager befindet und auch keine Lieferung in ein Umsatzsteuerlager vorliegt.
Nach § 5 Abs. 2 UStG sind u.a. zu beachten
die EUSt-Befreiungsverordnung (EUStBV),
die Einreise-Freimengen-Verordnung (EF-VO) und
die Kleinsendungs-Einfuhrmengen-Verordnung (KF-VO).
Mit rechtskräftigem Urteil vom 18.3.2013 (11 K 2960/12, LEXinform 5014935) hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass die Einfuhr eines Gebrauchtwagens nicht als persönliches Gepäck im Rahmen der sog. Reisefreimenge von der Erhebung von Einfuhrabgaben (Einfuhrumsatzsteuer und Zoll) befreit ist.
Im Streitfall hatte der Kläger in der Schweiz für gut 250 € einen gebrauchten Pkw erworben und ihn danach im Inland bei den Zollbehörden zum freien Verkehr angemeldet. Dabei vertrat er die Auffassung, dass er das Fahrzeug im Rahmen des Reiseverkehrs in seinem persönlichen Gepäck eingeführt habe und dass für derartige Reisemitbringsel bis zum Wert von 300 € Einfuhrabgaben nicht erhoben werden dürften. Bei der Einreise habe er den Pkw als Reiseausrüstung mit sich geführt. Das Fahrzeug sei auch zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmt gewesen, weil er damit aus der Schweiz nach Deutschland habe gelangen können. Das Zollamt hatte den Kläger gleichwohl zu Einfuhrabgaben i.H.v. 77,94 € herangezogen.
Das FG hat dem Zollamt Recht gegeben und die Klage abgewiesen. Ein Kraftfahrzeug sei ein Transportmittel. Als solches sei es bereits aufgrund seiner Größe nicht als Gepäckstück i.S.d. Befreiungstatbestands anzusehen. Der Erwerb eines Gebrauchtwagens gebe auch keinen Anlass, zur Erleichterung der Zollabfertigung auf die Erhebung von Einfuhrabgaben zu verzichten. § 2 Abs. 1 Nr. 5 EF-VO enthält keine allgemeine Geringfügigkeitsklausel, so dass auf ein aus einem Drittstaat eingeführtes Kfz auch dann Einfuhrumsatzsteuer und Zoll zu erheben ist, wenn dessen Wert unter 300 € liegt (s.a. Mitteilung des FG Baden-Württemberg vom 31.5.2013, LEXinform 0439743).
Unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 UStG kann die EUSt erlassen oder erstattet werden.
§ 11 UStG regelt die Bemessungsgrundlage für die zu erhebende Einfuhrumsatzsteuer. Maßgeblich ist nach § 11 Abs. 1 UStG der Zollwert (Art. 69 bis 74 des UZK vom 9.10.2013).
Hinweis:
Der Zollkodex der Europäischen Union wurde am 9.10.2013 als Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates angenommen.
Seine materiell-rechtlichen Bestimmungen gelten erst ab dem 1.5.2016 (Berichtigung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union), wenn die einschlägigen Rechtsakte der Kommission (delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte) angenommen und in Kraft getreten sind (s.a. § 1 Abs. 2 Satz 4 UStG i.d.F. des JStG 2020).
Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert (Art. 70 des UZK), d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gem. den Art. 71 und 72 UZK (§ 11 Abs. 3 und 4 UStG).
Die EUSt-Bemessungsgrundlage kann wie folgt ermittelt werden (s. Klüver in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, § 11, 5. A.):
Zollwert des Liefergegenstandes |
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Einfuhrabgaben, Steuern und sonstige Abgaben, die für den Liefergegenstand im Drittausland geschuldet werden |
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auf den Liefergegenstand entfallende Zölle und Abschöpfungen sowie andere Verbrauchsteuern außer der Einfuhrumsatzsteuer, die im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer anlässlich der Einfuhr entstanden sind; die Steuern müssen, um der Bemessungsgrundlage zugerechnet werden zu können, unbedingt entstanden sein (s.a. BFH Urteil vom 22.5.2012, VII R 50/11, BFH/NV 2012, 1401, LEXinform 5013714 zur Einbeziehung der Tabaksteuer in die Bemessungsgrundlage der EUSt) |
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die auf den Liefergegenstand entfallenden Kosten für Vermittlung und Beförderung sowie andere sonstige Leistungen bis zum ersten Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet |
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die auf den Liefergegenstand entfallenden Kosten für Vermittlung und Beförderung sowie andere sonstige Leistungen bis zu einem weiteren Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet, wenn dieser weitere Bestimmungsort im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer bereits feststeht |
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Bemessungsgrundlage für die EUSt |
Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die EUSt bei der Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren über einen anderen Mitgliedstaat hat das FG München mit Urteil vom 28.5.2009 (14 K 335/07, LEXinform 5008651, rkr.) entschieden, dass bei der Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft über einen anderen Mitgliedstaat die nationale Verbrauchsteuer erst mit dem Verbringen der Ware aus diesem in das deutsche Steuergebiet entsteht. Die nationale Verbrauchsteuer darf deshalb bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die EUSt nicht berücksichtigt werden.
Als Einfuhrabgabe unterliegt die EUSt den sinngemäß geltenden Vorschriften für Zölle, weshalb ein sich bei der Festsetzung von EUSt ergebender Unterschiedsbetrag nicht nach § 233a AO zu verzinsen ist (BFH Urteil vom 23.9.2009, VII R 44/08, BStBl II 2010, 334).
Klüver in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international § 5, 5. Auflage 2018; L’habitant, Grenzüberschreitende Warenbewegung durch verschiedene Beauftragte – Fallstudie zur Einfuhrumsatzsteuer, UStB 7/2017, 202; Harksen u.a., Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer in Reparaturfällen – Die Vereinfachung des Abschn. 15.8 Abs. 8 UStAE in der Praxis, UStB 4/2016, 125; Merkel u.a., Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer, UR 20/2019, 753; Sterzinger, Einfuhrumsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer, UStB 2022, 230.
Redaktioneller Hinweis:
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