Einkommensbesteuerung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Ehegattenveranlagung
1.1 Rechtsgültige Ehe
1.2 Voraussetzungen der Ehegattenveranlagung
1.2.1 Allgemeines
1.2.2 Einzelfälle
1.3 Wahlrechtsausübung
1.3.1 Überblick
1.3.2 Wahl der Veranlagungsart
1.3.2.1 Überblick
1.3.2.2 Zustimmung des Ehegatten zur Zusammenveranlagung
1.3.2.3 Rechtsprechung
1.3.2.4 Verwaltungsanweisungen
1.3.3 Änderung des Veranlagungswahlrechts
1.3.3.1 Allgemeines
1.3.3.2 Rechtsprechung
1.4 Ehegattenveranlagung nach Auflösung der Ehe
1.4.1 Auflösung durch Scheidung
1.4.2 Veranlagungswahlrecht nach dem Tode eines Ehegatten
1.4.3 Überblick über die Wahlrechtsausübung
2 Zusammenveranlagung von Ehegatten
2.1 Einkommensteuererklärungspflicht
2.2 Einkünfteermittlung und Veranlagungsschema
2.2.1 Allgemeines
2.2.2 Grundsatz der Individualbesteuerung
2.2.3 Freibeträge und Pauschbeträge
2.3 Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen
2.3.1 Allgemeines
2.3.2 Kosten einer Hochzeit
2.3.3 Scheidungskosten
3 Einzelveranlagung von Ehegatten
3.1 Allgemeines
3.2 Rechtsprechung
4 Tarif
4.1 Splittingtarif
4.1.1 Allgemeines
4.1.2 Berechnung
4.2 Splittingtarif bei teilweise unbeschränkter Einkommensteuerpflicht
4.3 Splittingtarif bei fiktiver unbeschränkter Einkommensteuerpflicht
4.4 Grundtarif
5 Nachehelicher Unterhalt
6 Örtliche Zuständigkeit für die Einkommensbesteuerung von Ehegatten
7 Verfahrensfragen
7.1 Einspruchsverfahren bei zusammenveranlagten Ehegatten
7.2 Klageverfahren bei zusammenveranlagten Ehegatten
7.3 Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO
7.4 Aufteilung einer Gesamtschuld nach § 268 ff. AO
8 Steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Ehegatten
8.1 Allgemeines
8.2 Anforderungen an ein Ehegattenarbeitsverhältnis
9 Einkommensbesteuerung von eingetragenen Lebenspartnerschaften
9.1 Allgemeines
9.2 Zivilrechtliche Bedeutung der eingetragenen Lebenspartnerschaft
9.3 Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartnerschaften von der Zusammenveranlagung und vom Ehegattensplitting (BVerfG)
9.4 Nachträgliche Ehegattenveranlagung für gleichgeschlechtliche Ehegatten
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel

1. Ehegattenveranlagung

Die Einkommensteuer wird nach Ablauf des Kj. (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt. Für Ehegatten kommen folgende Veranlagungsarten in Betracht:

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  • Einzelveranlagung mit Grundtarif (§ 26a EStG),

  • Einzelveranlagung mit Sondersplitting im Trennungsjahr (§ 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG),

  • Einzelveranlagung mit Witwensplitting (§ 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG) und

  • Zusammenveranlagung mit Ehegattensplitting (§ 26b EStG).

1.1. Rechtsgültige Ehe

Welche Personen Ehegatten nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG sind, bestimmt sich nach bürgerlichem Recht. Dies hat der BFH mit Urteil vom 21.6.1957 (VI 115/55 U, BStBl III 1957, 300) entschieden (s.a. H 26 [Allgemeines] EStH 2023).

Leitsatz

Hängt die Anwendung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften von dem Bestehen einer Ehe ab, so sind für die Beurteilung dieses Erfordernisses allein bürgerlich-rechtliche Grundsätze maßgebend.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt zusammen mit seiner früheren Ehefrau und einer anderen Frau ein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft. Er ist von seiner Ehefrau durch Urteil vom 10.2.1946 geschieden worden. Die Tatsache der Ehescheidung hat er dem FA mit Schreiben vom 26.9.1953 mitgeteilt. Erstmals in der Einkommensteuererklärung für 1952 bezeichnet er sich als unverheiratet.

Die zivilrechtlichen Vorschriften über die bürgerliche Ehe finden sich in den §§ 1310 ff. BGB.

Bei Ausländern sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für jeden Beteiligten nach den Gesetzen des Staates zu beurteilen, dem er angehört (Art. 13 EGBGB). Die Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht (§ 1309 Abs. 3 BGB).

Die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ist jedoch ausgeschlossen, wenn es gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Haben ausländische Staatsangehörige, von denen einer außerdem die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, im Inland eine Ehe geschlossen, die zwar nach dem gemeinsamen Heimatrecht, nicht aber nach deutschem Recht gültig ist, so handelt es sich nicht um Ehegatten i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Von Ausländern im Ausland geschlossene zweite Ehen sind für die §§ 26 ff. EStG jedenfalls dann ohne Verstoß gegen Art. 13 EGBGB anzuerkennen, wenn der erste Ehegatte nicht ebenfalls unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (BFH Urteil vom 6.12.1985, VI R 56/82, BStBl II 1986, 390).

1.2. Voraussetzungen der Ehegattenveranlagung

1.2.1. Allgemeines

Ehegatten können zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung wählen, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG zu einem beliebigen Zeitpunkt des Veranlagungszeitraums gleichzeitig vorgelegen haben:

  1. Beide müssen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 1 oder 2 oder des § 1a sein.

  2. Sie dürfen nicht dauernd getrennt leben.

  3. Bei ihnen müssen die Voraussetzungen aus den Nr. 1 und 2 zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sein.

Zu dem Tatbestandsmerkmal »nicht dauernd getrennt lebend« s. R 26 Abs. 1 EStR 2012 und H 26 [Getrenntleben] EStH 2023.

1.2.2. Einzelfälle

FG Köln vom 16.6.2011

Das FG Köln nahm mit Urteil vom 16.6.2011 (10 K 4736/07, EFG 2011, 1786, LEXinform 5012393, rkr.) zum dauernden Getrenntleben zwischen Ehegatten Stellung, von denen einer im Wachkoma liegt.

Leitsatz

Liegt ein Ehegatte im Wachkoma und wird künstlich ernährt, hört die Haushaltsgemeinschaft mit seinem Ehegatten als Voraussetzung für die Zusammenveranlagung auf zu bestehen, wenn der gesunde Ehegatte während derselben Zeit schon einen neuen Lebenspartner mit einem gemeinsamen Kind hat.

Sachverhalt

In dem Verfahren klagte ein Mann auf Zusammenveranlagung mit seiner im Wachkoma liegenden Ehefrau, die in einem Pflegeheim untergebracht war. Zur Haushaltsführung und Versorgung der beiden ehelichen Kinder nahm der Kläger gegen Kost und Logis eine Frau auf, die im Streitjahr vom Kläger ein Kind bekam. Das FA lehnte daraufhin die Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau ab.

Entscheidungsgründe

Leben Ehegatten durch zwingende äußere Umstände für unabsehbare Zeit räumlich getrennt (etwa in Fällen langer Krankheit oder bei Verbüßung lebenslanger Haftstrafen), so kann die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gleichwohl noch bestehen, wenn die Ehegatten die Absicht haben, diese Gemeinschaft im Rahmen des Möglichen aufrechtzuerhalten und nach Wegfall der Hindernisse die volle eheliche Gemeinschaft wiederherzustellen.

Niedersächsisches FG vom 23.6.2015

Das Niedersächsische FG entschied mit Urteil vom 23.6.2015 (13 K 225/14, EFG 2015, 1945, LEXinform 5018270, rkr.), dass die Zusammenveranlagung mit einem in einem Pflegeheim lebenden Ehegatten bei Vorliegen einer krankheitsbedingt eingeschränkten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auch dann möglich ist, wenn der Stpfl. mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebt (→ Heimunterbringung).

Leitsätze

  1. Zu den Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG.

  2. Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht im Allgemeinen fort, wenn sich die Ehegatten nur vorübergehend räumlich trennen.

  3. Ob eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer umfassenden persönlichen, geistigen und räumlichen Gemeinschaft noch besteht oder noch angestrebt wird, ist im Wege einer Gesamtabwägung zu prüfen.

  4. Die Zusammenveranlagung mit einem in einem Pflegeheim lebenden Ehegatten ist bei Vorliegen einer – krankheitsbedingt eingeschränkten – Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auch dann möglich, wenn der Stpfl. mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebt.

Sachverhalt

In dem Verfahren des Niedersächsischen FG erkrankte die Ehefrau des Klägers an Demenz. Sie wurde zunächst von dem Kläger zu Hause gepflegt. Als sich die Krankheit verschlimmerte, wurde die Ehefrau in das Pflegeheim O verlegt. Der Umzug erfolgt auf Anraten der Diakonie, weil es dem Kläger trotz Unterstützung durch die gemeinsamen Töchter und durch die Schwiegermutter nicht mehr möglich war, eine angemessene Pflege zu leisten. Vom damaligen Wohnort des Klägers war die Pflegeeinrichtung ca. 35 km entfernt. Die Ehefrau des Klägers erhielt während ihres Aufenthalts in der Pflegeeinrichtung Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie war zu 100 % schwerbehindert. Sie war nicht mehr in der Lage, ihre Umwelt wahrzunehmen, und konnte keine Gespräche mehr führen oder verfolgen. Der Kläger besuchte seine Ehefrau jeden Samstag für einige Stunden und beteiligte sich während der Besuche aktiv an der Pflege, z.B. durch das Anreichen von Mahlzeiten. Nach dem Essen schob er seine Frau im Rollstuhl spazieren.

Der Kläger kam für die Kosten des Pflegeheims (20 200 € bis 22 500 € im Jahr) und zusätzlich entstandenen Krankheitskosten der Ehefrau (400 € bis 500 € im Jahr) auf. Der Ehemann verwaltete die vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Ehefrau allein. Auch für ihre gesundheitliche und medizinische Betreuung war er verantwortlich.

Nach einigen Jahren hatte der Kläger eine neue Lebensgefährtin, die in die Wohnung des Klägers einzog. Der Kläger und seine neue Lebensgefährtin bauten gemeinsam im Wege des hälftigen Miteigentums ein neues Wohnhaus und zogen in das Haus ein. Das neue Haus sei fast barrierefrei errichtet worden. Es solle als Altersruhesitz für zwei Personen dienen. Der Kläger und seine Lebensgefährtin führten ein Bankkonto in Form eines Gemeinschaftskontos, von dem sie die Kosten der allgemeinen Lebensführung bestritten. Beide überwiesen auf dieses Konto regelmäßig per Dauerauftrag Beträge über jeweils 700 € mit dem Verwendungszweck »Essen, Schlafen, Leben«.

Vier Jahre nach Bezug des neuen Hauses verstarb die Ehefrau des Klägers.

Entscheidungsgründe

Das FG ließ eine Zusammenveranlagung zu. Ein dauerndes Getrenntleben ist dann gegeben, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist. Lebensgemeinschaft in diesem Sinne bedeutet die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, während unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen ist. Der Beurteilung, ob Ehegatten getrennt leben, sind in erster Linie die äußerlich erkennbaren Umstände zugrunde zu legen, wobei einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung bei der Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernden Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt.

Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht im Allgemeinen fort, wenn sich die Ehegatten nur vorübergehend räumlich trennen, z.B. aufgrund eines beruflich bedingten Auslandsaufenthalts eines Ehegatten. Sie kann sogar fortbestehen, wenn äußere Umstände die Ehegatten zwingen, für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt zu leben, sofern die Ehegatten die erkennbare Absicht haben, die eheliche Gemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrecht zu erhalten und nach dem Wegfall des Hindernisses die volle Lebensgemeinschaft wieder herzustellen. Diese Situation ergibt sich z.B. wenn ein Ehegatte für lange Zeit in einem Krankenhaus oder Pflegeheim lebt oder eine mehrjährige oder sogar lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt. In diesen Fällen kann der Wille zur Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Besuchen, Geschenken und finanzielle Unterstützungen, in Gesprächen und Briefverkehr oder in der Absprache der Erziehung der gemeinsamen Kinder seinen Ausdruck finden.

Leben Ehegatten zwar für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt und halten sie die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, so kann dies – ggf. zusammen mit anderen Umständen – dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist. Eine eheliche Lebensgemeinschaft erfordert wenigstens das Fortbestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft als Rest einer weitergehenden Lebensgemeinschaft, die aber weiterhin angestrebt werden muss.

Der FG Niedersachsen ist der Auffassung, dass kein dauerndes Getrenntleben vorlag, weil die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht aufgehoben worden ist. Zwar lebten der Kläger und seine Ehefrau getrennt voneinander, weil die Ehefrau in einem Pflegeheim für demenziell Erkrankte untergebracht war. Diese räumliche Trennung beruhte aber auf zwingenden äußeren Umständen, weil dem Kläger und den anderen Angehörigen (die Töchter und die Schwiegermutter) die häusliche Pflege der Ehefrau nicht mehr möglich war. Die räumliche Trennung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau beruhte somit auf der schwerwiegenden Erkrankung der Ehefrau und nicht auf der Aufnahme einer neuen Beziehung durch den Kläger.

Der Kläger hat die eheliche Lebensgemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrechterhalten, soweit dies unter diesen besonderen Umständen möglich war. Die Pflegeeinrichtung bestätigte ausdrücklich, dass sich der Kläger mit liebevoller Zuwendung und großer Geduld um seine Ehefrau gekümmert hat. Dagegen ist nicht zu erkennen, dass sich der Kläger infolge der Aufnahme der neuen Beziehung in irgendeiner Form von seiner Ehefrau abgewandt oder distanziert hat. Die neue Lebensgemeinschaft hatte keinen negativen Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau.

Das Niedersächsische FG hält die Auffassung des FG Köln (s.o.) für nicht zutreffend. Für die Frage, ob Ehegatten gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG dauernd getrennt leben, kommt es allein auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten an. Ergeben die tatsächlichen Feststellungen, dass die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten noch besteht, kann eine zweite Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen einem Ehegatten und einer dritten Person die fortbestehende eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht überlagern. Lebt der Stpfl. in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, ist dies nur im Zusammenhang mit der Frage von Bedeutung, ob die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten trotzdem weiterbesteht.

FG Münster vom 22.2.2017

Das FG Münster befasste sich mit der Zusammenveranlagung trotz langjähriger räumlicher Trennung von Ehegatten (FG Münster vom 22.2.2017,7 K 2441/15 E, EFG 2017, 573 Nr. 7, LEXinform 5020012, rkr.).

Leitsatz

Leben Ehegatten zwar für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt, halten sie aber die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, kann dies dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist.

Sachverhalt

Die Kläger sind seit 1991 verheiratet und haben einen im selben Jahr geborenen Sohn. Im Jahr 2001 zog die Klägerin mit dem Sohn aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zunächst in eine Mietwohnung und später in eine Eigentumswohnung. Für das Streitjahr 2012 führte das FA zunächst eine Zusammenveranlagung für die Kläger durch, gelangte aber nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorlägen und veranlagte die Kläger nunmehr einzeln zur Einkommensteuer.

Hiergegen trugen die Kläger vor, dass sie lediglich räumlich, nicht aber persönlich und geistig getrennt lebten. Der Auszug der als Ärztin voll berufstätigen Klägerin im Jahr 2001 sei durch die schwierige familiäre Situation mit der im selben Haus lebenden pflegebedürftigen Mutter des Klägers begründet gewesen.

Allerdings hätten sich beide Eheleute weiterhin regelmäßig abends und an Wochenenden getroffen und gemeinsame Ausflüge, Urlaube und sonntägliche Kirchenbesuche unternommen. Die Kosten hierfür sowie den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes hätten beide stets gemeinsam getragen. Andere Partner habe es niemals gegeben. Derzeit plane man, auf einem gemeinsam erworbenen Grundstück einen Bungalow zu errichten, um dort wieder zusammenzuziehen.

Entscheidungsgründe

Nach persönlicher Anhörung der Kläger und Vernehmung des Sohnes als Zeugen spricht das Gesamtbild dafür, dass die Kläger nicht dauernd getrennt leben. In der heutigen Zeit sind auch Formen des räumlich getrennten Zusammenlebens (»living apart together«) üblich, was es als glaubhaft erscheinen lässt, dass die Kläger ihre persönliche und geistige Gemeinschaft trotz der räumlichen Trennung aufrechterhalten haben. Die Schilderungen der Kläger werden auch durch den Plan untermauert, in einem gemeinsam zu errichtenden Bungalow wieder zusammenzuziehen. Schließlich haben die Kläger auch die bestehende Wirtschaftsgemeinschaft unverändert fortgeführt, da sie weiterhin beide die Kosten für den Sohn und gemeinsame Unternehmungen getragen haben.

Im Übrigen ist es unschädlich, dass die Kläger grds. getrennt wirtschaften und getrennte Konten führen. Dies ist heutzutage auch bei räumlich zusammenlebenden Eheleuten üblich.

FG Hamburg vom 12.4.2018

Mit der Frage eines inländischen Wohnsitzes eines hauptsächlich im Ausland wohnenden Ehegatten befasste sich das FG Hamburg mit Urteil vom 12.4.2018 (1 K 202/16, EFG 2018, 1079, LEXinform 5021200, rkr.). Dabei hob das FG heraus, dass das Innehaben eines Wohnsitzes voraussetzt, dass die Wohnung der Person zum jederzeitigen Wohnaufenthalt objektiv zur Verfügung steht und von ihr subjektiv dazu bestimmt ist.

1.3. Wahlrechtsausübung

1.3.1. Überblick

Sind die Voraussetzungen nach § 26 Abs. 1 EStG erfüllt, können Ehegatten zwischen der Einzelveranlagung (§ 26a) und der Zusammenveranlagung (§ 26b) wählen.

Abb.: Ehegattenveranlagung

1.3.2. Wahl der Veranlagungsart

Das Wahlrecht ist nur unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG möglich (vgl. dazu 1.2).

Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn einer der Ehegatten die Einzelveranlagung wählt (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG werden Ehegatten zusammenveranlagt, wenn beide Ehegatten dies wollen. Die Wahl wird für den betreffenden Veranlagungszeitraum durch Angabe in der Steuererklärung getroffen (§ 26 Abs. 2 Satz 3 EStG).

1.3.2.1. Überblick

Ehemann

Ehefrau

Folge

kein Antrag

kein Antrag

§ 26 Abs. 3 EStG: Zusammenveranlagung wird unterstellt

Zusammenveranlagung

Zusammenveranlagung

§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG: Zusammenveranlagung

Zusammenveranlagung

Einzelveranlagung

§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG: Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn ein Ehegatte die Einzelveranlagung wählt.

aber: Ehefrau hat

Die Ehegatten sind nach § 26 Abs. 3 EStG zusammen zu veranlagen, da der Ehemann dies beantragt hat (H 26 [Ehegatte ohne Einkünfte] EStH 2020). Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte verpflichtet ist, dem Antrag des anderen auf gemeinsame Veranlagung zur ESt zuzustimmen, wenn die Trennung der Ehegatten in den betreffenden Veranlagungszeitraum fiel und sie in die Steuerklassen III/V eingereiht waren, s. BGH Urteil vom 23.5.2007 (XII ZR 250/04, DStR 2007, 1408, LEXinform 5210461; → Scheidung).

keine positiven Einkünfte,

nur negative Einkünfte erzielt oder

zwar positive Einkünfte erzielt, eine ESt ist aber nicht festzusetzen.

kein Antrag

Einzelveranlagung

§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG: Die Einzelveranlagung ist durchzuführen, da ein Ehegatte die Einzelveranlagung wählt.

Die Einzelveranlagung ist erfolgt. Die Veranlagung des Ehemanns ist bestandskräftig.

Die Erklärung kann noch im Rechtsbehelfsverfahren (bis zur Unanfechtbarkeit) und im Rahmen der Änderung von Steuerbescheiden abgegeben oder widerrufen werden (§ 26 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 EStG). Die Änderung der Wahl der Veranlagungsart ist dem FA bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Änderungs- oder Berichtigungsbescheids zu erklären.

Ehefrau widerruft im Rechtsbehelfsverfahren die Einzelveranlagung und wählt die Zusammenveranlagung.

Die Veranlagungsart ist nach § 26 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 EStG nur dann zu ändern, wenn die ESt der Ehegatten nach Änderung der Veranlagungsart niedriger ist, als sie ohne Letzteres wäre. Die ESt der einzeln veranlagten Ehegatten ist hierbei zusammenzurechnen.

Die bestandskräftige Veranlagung des Ehemanns ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und eine Zusammenveranlagung durchzuführen, wenn der Ehemann nicht widerspricht.

Abb.: Veranlagungswahlrecht bei Eheleuten

1.3.2.2. Zustimmung des Ehegatten zur Zusammenveranlagung

Die Zustimmung des Ehegatten zur Zusammenveranlagung kann nur zivilrechtlich, nicht steuerrechtlich durchgesetzt werden, da einkommensteuerrechtlich keine Verpflichtung zur Zusammenveranlagung besteht (vgl. Wahlrecht nach § 26 Abs. 1 EStG). Die zivilrechtliche Verpflichtung ergibt sich aus der ehelichen Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen möglichst zu vermindern. Dies ergibt sich aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Der BGH nahm diesbzgl. mehrfach Stellung:

  • Mit Urteil vom 23.5.2007 (XII ZR 250/04, DStR 2007, 1408, LEXinform 521046) befasste sich der BGH mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte (zivilrechtlich) verpflichtet ist, dem Antrag des anderen auf gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn die Trennung der Ehegatten in den betreffenden Veranlagungszeitraum fiel und sie in die Steuerklassen III/V eingereiht waren.

  • So entschied der BGH bspw. mit Urteil vom 18.11.2009 (XII ZR 173/06, DStR 2010, 266, LEXinform 5211250), dass ein Ehegatte auch dann verpflichtet sein kann, dem – der steuerlichen Entlastung des anderen Ehegatten dienenden – Antrag auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn er während der Zeit des Zusammenlebens steuerliche Verluste erwirtschaftet hat, die er im Wege des Verlustvortrags in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Verminderung seiner eigenen Steuerlast einsetzen könnte. Wenn die Ehegatten die mit Rücksicht auf eine – infolge der Verluste zu erwartende – geringere Steuerbelastung zur Verfügung stehenden Mittel für ihren Lebensunterhalt oder eine Vermögensbildung, an der beide Ehegatten teilhaben, verwendet haben, ist es einem Ehegatten im Verhältnis zu dem anderen verwehrt, für sich die getrennte steuerliche Veranlagung zu wählen. Durch die Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung macht er sich schadensersatzpflichtig.

Der die Zusammenveranlagung beantragende Ehegatte hat die Möglichkeit, die Zustimmung zur Zusammenveranlagung vor einem Zivilgericht nach § 894 ZPO zu erzwingen. § 894 ZPO beinhaltet eine Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung, nach der eine Willenserklärung im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. Dabei treten die Folgen ein, die eingetreten wären, wenn der Verurteilte die Erklärung formgerecht und wirksam abgegeben hätte; dies gilt für jede beliebige sachlich-rechtlich notwendige Form der Erklärung (OFD Frankfurt vom 24.3.2003, S 2262 A – 6 – St II 25, LEXinform 0577423).

Daraus folgt, dass in den Fällen, in denen ein Ehegatte die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 894 ZPO erzwungen hat, nach Vorlage des rechtskräftigen Urteils eine Zusammenveranlagung auch dann durchzuführen ist, wenn der andere Ehegatte weiterhin die Einzelveranlagung beantragt.

1.3.2.3. Rechtsprechung

Nach ständiger Rspr. des BFH ist der einseitige Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung dann unwirksam, wenn dieser selbst keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können.

BFH vom 10.1.1992

Im Urteil vom 10.1.1992 (III R 103/87, BStBl II 1992, 297: »Schikaneverbot«; s.a. H 26 [Ehegatte ohne Einkünfte] EStH 2022) ging der BFH der Frage nach, wie ein Antrag auf getrennte Veranlagung zu behandeln ist, wenn dem anderen Ehegatten eine Steuerstraftat zur Last gelegt wird.

Leitsatz

Der Antrag auf getrennte Veranlagung des einkunftslosen Ehegatten ist selbst dann unbeachtlich, wenn dem anderen Ehegatten eine Steuerstraftat zur Last gelegt wird.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte ist verheiratet. Er wurde mit seiner Ehefrau, die keine Einkünfte bezogen hatte, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Dabei verwertete der Beklagte und Revisionskläger (das FA) das Ergebnis einer bei dem Kläger durchgeführten Fahndungsprüfung. Die Prüfung hatte ergeben, dass der Kläger Handel betrieben und daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen hatte.

Mit seinem Einspruch gegen diesen Steuerbescheid machte der Kläger geltend, er sei nur in geringfügigem Umfang auf Provisionsbasis, im Übrigen aber als Strohmann für einen Dritten tätig gewesen. Der Einspruch wurde zurückgewiesen. Auch die Ehefrau des Klägers legte Einspruch ein und erhob nach dessen Zurückweisung Klage. Während dieses Klageverfahrens beantragte die Ehefrau des Klägers die getrennte Veranlagung mit der Begründung, mit der Angelegenheit ihres Mannes wolle sie nichts zu tun haben. Ihre Klage wurde wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.

Dagegen führte die vom Kläger erhobene Klage zur Aufhebung des Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung. Die Aufhebung wurde darauf gestützt, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht vorgelegen hätten.

BGH vom 3.11.2004

Ein Ehegatte kann auch dann verpflichtet sein, dem – der steuerlichen Entlastung des anderen Ehegatten dienenden – Antrag auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, wenn er während der Zeit des Zusammenlebens steuerliche Verluste erwirtschaftet hat, die er im Wege des Verlustvortrags in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Verminderung seiner eigenen Steuerlast einsetzen könnte. Wenn die Ehegatten die mit Rücksicht auf eine – infolge der Verluste zu erwartende – geringere Steuerbelastung zur Verfügung stehenden Mittel für ihren Lebensunterhalt oder eine Vermögensbildung, an der beide Ehegatten teilhaben, verwendet haben, ist es einem Ehegatten im Verhältnis zu dem anderen verwehrt, für sich die Einzelveranlagung zu wählen. Durch die Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung macht er sich schadensersatzpflichtig (BGH vom 18.11.2009, XII ZR 173/06, DStR 2010, 266, LEXinform 5211250). Dass der andere Ehegatte die Verlustvorträge, die der die Zusammenveranlagung verlangende Ehegatte für sich nutzbar machen möchte, in Zukunft nicht mehr gem. § 10d Abs. 2 EStG steuermindernd wird einsetzen können, ist unbeachtlich. Allerdings muss sich der die Zusammenveranlagung verlangende Ehegatte verpflichten, den anderen von etwaigen Nachteilen hieraus freizustellen (BGH vom 3.11.2004, XII ZR 128/02, LEXinform 1533925; BGH Pressemitteilung Nr. 130/2004 vom 8.11.2004, LEXinform 0171009; BGH vom 18.11.2010, IX ZR 240/07, DStR 2011, 277, LEXinform 1567705). Ggf. hat das Gericht die Verurteilung zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung nur Zug um Zug gegen Abgabe einer Erklärung zu verurteilen, mit der der Ehegatte verpflichtet wird, den Schuldner von etwa künftig eintretenden steuerlichen Nachteilen freizustellen, die aus der Zusammenveranlagung folgen. Denn dieser soll nicht das Risiko einer in Zukunft höheren Steuerlast tragen.

BFH vom 3.3.2005 und 18.11.2005

Zum Antrag auf getrennte Veranlagung als rückwirkendes Ereignis vgl. BFH vom 3.3.2005 (III R 22/02, BStBl II 2005, 690) und BFH Beschluss vom 18.11.2005 (III B 114/04, BFH/NV 2006, 548, LEXinform 5901882).

Im Urteil vom 3.3.2005 entschied der BFH: Wurden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und wählt ein Ehegatte vor Bestandskraft des ihm gegenüber ergangenen Bescheids die getrennte Veranlagung, sind die Ehegatten auch dann getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen, wenn der gegenüber dem anderen Ehegatten ergangene Zusammenveranlagungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist. Der Antrag auf getrennte Veranlagung stellt hinsichtlich des gegenüber dem anderen Ehegatten ergangenen Zusammenveranlagungsbescheids ein rückwirkendes Ereignis dar. Die dementsprechend erneut in Lauf gesetzte Festsetzungsfrist beginnt ihm gegenüber mit Ablauf des Kj., in dem der Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt wird.

Der BFH-Beschluss vom 18.11.2005 beschäftigte sich ebenfalls mit den Auswirkungen der Wahl der getrennten Veranlagung auf die bestandskräftige Zusammenveranlagung des anderen Ehegatten.

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und die Beigeladene waren in den Streitjahren 1984 bis 1988 verheiratet, seit 1991 lebten sie getrennt, im Dezember 1993 wurde die Ehe geschieden.

Das FA als Beklagter und Beschwerdegegner veranlagte den Kläger und die Beigeladene für die Streitjahre 1984 bis 1988 zusammen zur Einkommensteuer, zunächst mit Schätzungsbescheiden, nach Einspruch und Abgabe der Einkommensteuererklärungen sodann im Jahr 1991 erklärungsgemäß. Auch gegen die Änderungsbescheide erhoben die Eheleute Einsprüche, die das FA, nachdem die Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1988 während des Einspruchsverfahrens erneut geändert worden waren, durch Einspruchsentscheidung zurückwies.

Im Jahr 2001 beantragte die Beigeladene unter Hinweis darauf, dass sie die im Jahr 1996 erlassene Einspruchsentscheidung nicht erhalten habe, die Durchführung getrennter Veranlagungen. Daraufhin hob das FA im Jahr 2002 zunächst die Zusammenveranlagungen auf und führte getrennte Veranlagungen für den Kläger und die Beigeladene durch. Der Aufhebung der Zusammenveranlagungsbescheide stimmte der Kläger ausdrücklich zu. Seine Einsprüche gegen die getrennten Veranlagungen waren erfolglos.

BFH vom 15.12.2005

Zum Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung nach bestandskräftiger Zusammenveranlagung des anderen Ehegatten vgl. das Urteil des BFH vom 15.12.2005 (III R 49/05, BFH/NV 2006, 933 Nr. 5).

BFH vom 21.9.2006

Mit Urteil vom 21.9.2006 (VI R 80/04, BStBl II 2007, 11) nahm der BFH Stellung zur getrennten Veranlagung von Ehegatten. Ist ein Ehegatte gem. § 25 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen und wird auf seinen Antrag eine getrennte Veranlagung durchgeführt, ist auch der andere Ehegatte gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennt zu veranlagen, so der BFH. Für die Veranlagung des anderen Ehegatten kommt es in einem solchen Fall auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 8 EStG nicht mehr an.

BGH vom 23.5.2007

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte verpflichtet ist, dem Antrag des anderen auf gemeinsame Veranlagung zur ESt zuzustimmen, wenn die Trennung der Ehegatten in den betreffenden Veranlagungszeitraum fiel und sie in die Steuerklassen III/V eingereiht waren, s. BGH vom 23.5.2007 (XII ZR 250/04, DStR 2007, 1408, LEXinform 5210461; → Scheidung).

BGH vom 18.11.2009

Eine zusätzliche steuerliche Belastung des anderen Teils steht dem Anspruch auf Zustimmung dann nicht entgegen, wenn es sich um eine Belastung handelt, die der andere nach den gegebenen Umständen im Innenverhältnis zu tragen hat, etwa weil die Ehegatten eine entsprechende Aufteilung ihrer Steuerschulden ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben oder dies der tatsächlichen Gestaltung im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft entspricht (vgl. BGH vom 18.11.2009, XII ZR 173/06, DStR 2010, 266, LEXinform 5211250).

Der Anspruch des Ehegatten auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung richtet sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des anderen Ehegatten gegen den Insolvenzverwalter und im vereinfachten Insolvenzverfahren gegen den Treuhänder. Der Insolvenzverwalter kann die Zustimmung nicht davon abhängig machen, dass sich der Ehegatte zur Auszahlung des Wertes des durch die Zusammenveranlagung erzielten Steuervorteils verpflichtet (BGH vom 18.11.2010, IX ZR 240/07, DStR 2011, 277, LEXinform 1567705).

Die Niederlassungsfreiheit (bisher Art. 43 EGV, jetzt Art. 49 AEUV) verbietet es, die Zusammenveranlagung von Ehegatten zu versagen, die nicht dauernd getrennt leben, jedoch ihre Wohnsitze in verschiedenen EU-Staaten haben (EuGH vom 25.1.2007, C-329/05; Meindl, DStR 2007, 232, LEXinform 5210413; → Unbeschränkte und beschränkte Einkommensteuerpflicht).

1.3.2.4. Verwaltungsanweisungen

Die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids nur noch unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG geändert werden. Zur Anwendung dieser Vorschrift bei der Wahlrechtsausübung von Ehegatten/Lebenspartnern von der Einzel- zur Zusammenveranlagung nimmt die Vfg. der FinBeh Hamburg vom 24.7.2017 (S 2262 – 2016/001 – 52, DStR 2018, 304) Stellung.

Bisher war fraglich, wie vorzugehen ist, wenn ein Ehegatte/Lebenspartner antragsgemäß bereits einzeln nach § 26a EStG bestandskräftig zur ESt veranlagt wurde und die Ehegatten/Lebenspartner im Nachhinein gemeinsam eine Zusammenveranlagung bei der noch nicht bestandskräftig festgesetzten ESt des anderen Ehegatten/Lebenspartner beantragen. Die Wahlrechtsänderung von der Einzel- zur Zusammenveranlagung nach § 26 EStG kann in jedem Fall erfolgen, in dem das erstmalige Veranlagungsverfahren wenigstens eines Ehegatten/Lebenspartners noch nicht durchgeführt und ein Bescheid über die ESt noch nicht erlassen wurde.

Beispiel 1:

In der ESt-Erklärung beantragt der Ehemann die Einzelveranlagung (§§ 26, 26a EStG). Die Erklärung enthält nur die für die Einzelveranlagung notwendigen Angaben und trägt allein die Unterschrift des Ehemanns. Das FA führt aber eine Zusammenveranlagung (§§ 26, 26b EStG) durch und richtet den Steuerbescheid am 4.4.06 an die Eheleute an die ehemalige gemeinsame Adresse. Im Oktober 06 beantragt die Ehefrau die Einzelveranlagung (§§ 26, 26a EStG).

Lösung 1:

Durfte das FA, nachdem es trotz des Antrags auf Einzelveranlagung und den fehlenden Angaben zu den Einkünften der Ehefrau und der fehlenden Unterschrift die Zusammenveranlagung durchgeführt hat, den Zusammenveranlagungsbescheid aufgrund der von der Ehefrau beantragten Einzelveranlagung nach § 173 Abs. 1 AO 1977, bzw. § 175 AO 1977 ändern?

Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 15.12.2005 (III R 49/05, BFH/NV 2006, 933 Nr. 5).

Der zulässige Antrag eines Ehegatten, statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine Einzelveranlagung durchzuführen, ist als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu beurteilen. Wenn ein Ehegatte die Einzelveranlagung wählt, sind zwingend für beide Ehegatten Einzelveranlagungen durchzuführen. Ist der Antrag eines Ehegatten auf Einzelveranlagung wirksam, ist für den anderen Ehegatten ebenfalls eine Einzelveranlagung durchzuführen, auch wenn dessen Zusammenveranlagungsbescheid bestandskräftig ist. Dem Ehemann gegenüber ist der Zusammenveranlagungsbescheid bestandskräftig geworden. Gegenüber der Ehefrau ist dieser Bescheid mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden. Sie konnte daher ihr Recht auf Wahl der Veranlagungsart noch ausüben und hat die Einzelveranlagung gewählt.

Die Einzelveranlagung ist entsprechend § 26a EStG auf der Grundlage der bisherigen Besteuerungsgrundlagen des Zusammenveranlagungsbescheids durchzuführen. Eine Abweichung von den Besteuerungsgrundlagen kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturnorm vorliegen.

1.3.3. Änderung des Veranlagungswahlrechts

1.3.3.1. Allgemeines

Wahlrechte, für deren Ausübung das Gesetz keine Frist vorsieht und für die es grds. auch keine Bindung an die einmal getroffene Wahl gibt, können grds. bis zur Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheids (erneut) ausgeübt werden. Dies ist aber nur im Rahmen des § 26 EStG möglich (Vor §§ 172–177 Bestandskraft AEAO, Nr. 8.5.2 und die dort genannte BFH-Rspr.). Ist die Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids eingetreten, kann die Wahl der Veranlagungsart jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG geändert werden, wenn:

  1. ein Steuerbescheid, der die Ehegatten betrifft, aufgehoben, geändert oder berichtigt wird und

  2. die Änderung der Wahl der Veranlagungsart der zuständigen Finanzbehörde bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Änderungs- oder Berichtigungsbescheids schriftlich oder elektronisch mitgeteilt oder zur Niederschrift erklärt worden ist und

  3. der Unterschiedsbetrag aus der Differenz der festgesetzten Einkommensteuer entsprechend der bisher gewählten Veranlagungsart und der festzusetzenden Einkommensteuer, die sich bei einer geänderten Ausübung der Wahl der Veranlagungsarten ergeben würde, positiv ist. Die Einkommensteuer der einzeln veranlagten Ehegatten ist hierbei zusammenzurechnen.

Die Änderung der Wahl der Veranlagungsart ist dem FA bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Änderungs- oder Berichtigungsbescheids zu erklären.

1.3.3.2. Rechtsprechung
  • Ist der ESt-Bescheid wegen Verlustrücktrags zu ändern, so können Ehegatten das Veranlagungswahlrecht grundsätzlich bis zur Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheids erneut ausüben, und zwar unabhängig von dem durch den Verlustabzug eröffneten Korrekturspielraum Dies entschied der BFH im Urteil vom 19.5.1999 (XI R 97/94, BStBl II 1999, 762).

  • Im Urteil vom 24.1.2002 (III R 49/00, BStBl II 2002, 408) befasste sich der BFH mit der Wahl der getrennten Veranlagung bis zur formellen Bestandskraft eines Änderungsbescheides. Der BFH kam zu folgendem Ergebnis: Sagt das FA in der mündlichen Verhandlung im Wege tatsächlicher Verständigung zu, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Ansatz geringerer gewerblicher Einkünfte zu ändern, und wird daraufhin übereinstimmend der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, hindert dies die Kläger nicht, bis zur formellen Bestandskraft der Änderungsbescheide statt der bisherigen Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung zu wählen.

  • Der BFH gelangt mit Urteil vom 3.3.2005 (III R 22/02, BStBl II 2005, 690) zu dem Ergebnis, dass die Veranlagungsart bei Eheleuten nur einheitlich sein kann. Daher muss sich der zulässige Antrag eines Ehegatten auf Änderung der Veranlagungsart auch auf die Veranlagung des anderen Ehegatten auswirken, selbst wenn dessen Veranlagung bereits bestandskräftig ist. Die verfahrensrechtliche Grundlage dafür ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der Antrag des einen Ehegatten stellt gegenüber dem anderen Ehegatten ein die Korrektur eröffnendes rückwirkendes Ereignis dar.

  • Der BFH bestätigte mit Urteil vom 3.3.2005 (III R 60/03, BStBl II 2005, 564) die ständige Rspr. dahingehend, dass das Veranlagungswahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit (formelle Bestandskraft) eines ESt-Bescheids ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl der Veranlagungsart widerrufen werden kann. Der Antrag auf – z.B. Einzelveranlagung nach §§ 26, 26a EStG – nach Erlass eines Zusammenveranlagungsbescheids ist weder ein Einspruch gegen den Zusammenveranlagungsbescheid noch ein Änderungsantrag, sondern ein – erstmaliger – Antrag auf Durchführung der beantragten Veranlagungsart (z.B. Einzelveranlagung). Mit der Ausübung des Veranlagungswahlrechts innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Zusammenveranlagungsbescheid ist dieser Bescheid hinsichtlich der Veranlagungsart der Zusammenveranlagung rechtswidrig geworden. Entsprechend dem Antrag sind die Stpfl. neu zu veranlagen. Nach dem Korrektursystem der §§ 172 ff. AO ist ein Bescheid nur insoweit aufzuheben oder zu ändern, als der einzelne Korrekturgrund reicht. Darüber hinaus ist das FA nur im Rahmen eines Einspruchsverfahrens zur Verböserung berechtigt (§ 367 Abs. 2 AO). Ein Wechsel der Veranlagungsart lässt im Übrigen die Besteuerungsgrundlagen unberührt.

  • Mit Urteil vom 28.7.2005 (III R 48/03, BStBl II 2005, 865) setzte der BFH seine Rspr. fort, indem er bestätigte, dass die Veranlagungsart bei Eheleuten nur einheitlich sein kann. Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung wird das FA zur Durchführung einer Einzelveranlagung eines Ehegatten verpflichtet. Der ergangene Zusammenveranlagungsbescheid des anderen Ehegatten ist somit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben und eine Einzelveranlagung ist durchzuführen.

  • Ist die Zustimmung zur Zusammenveranlagung in der Trennungszeit möglich? Diese Frage beschäftigte das FG München im Urteil vom 18.11.2009 (1 K 3580/09).

Leitsatz

Steuerrechtlich besteht keine Verpflichtung, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen.

  • Mit Urteil vom 25.9.2014 (III R 5/13, BFH/NV 2015, 811, LEXinform 0929570) setzte der BFH seine Rspr. fort, indem er feststellte, dass die Wahl einer bestimmten Veranlagungsart oder deren Änderung durch einen Ehegatten kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist, wenn beide Ehegatten für den betreffenden Veranlagungszeitraum bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt sind (s.a. Anmerkung vom 21.5.2015, LEXinform 0946877).

  • Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 20/17, BStBl II 2019, 694) hatte der BFH zur Möglichkeit der Zusammenveranlagung nach einer zuvor durchgeführten bestandskräftigen Einzelveranlagung nach § 25 EStG Stellung genommen (s.a. Anmerkung vom 30.10.218, LEXinform 0881038; s.a. → Scheidung und dort den Beschluss des OLG Celle vom 9.4.2019, 21 UF 119/18, DStR 2019, 1364, LEXinform 5216600).

Leitsätze

  1. Erfüllen Ehegatten die Voraussetzungen der Ehegattenveranlagung (§ 26 Abs. 1 EStG), können sie nach der im Jahr 2008 geltenden Rechtslage zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) sowie der besonderen Veranlagung im Jahr der Eheschließung (§ 26c EStG) wählen und die einmal getroffene Wahl bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheides frei widerrufen. Dieses Wahlrecht besteht auch dann, wenn einer der Ehegatten zuvor einzeln veranlagt wurde.

  2. Eine Zusammenveranlagung setzt in einem solchen Fall voraus, dass der Bescheid des anderen Ehegatten geändert werden kann. Falls dieser bestandskräftig ist, kommt als Rechtsgrundlage § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auch dann in Betracht, wenn der andere Ehegatte besonders veranlagt wurde.

Sachverhalt

Der Kläger hatte in seiner Einkommensteuererklärung für 2008 ein falsches Datum zum Ehestand eingegeben (verheiratet seit 20.8.2009 statt 20.9.2008). Weitere Angaben zur Ehefrau und zur Wahl der Veranlagungsart enthielt die Erklärung nicht. Die ESt wurde mit Bescheid vom 2.1.2012 gegenüber dem Kläger festgesetzt. Anfang Januar 2012 beantragten der Kläger und seine Frau für das Jahr 2008 die Zusammenveranlagung. Dem Antrag war eine gemeinsame Einkommensteuererklärung der Eheleute beigefügt, das Datum der Eheschließung war nun zutreffend mit 20.9.2008 angegeben. Beigefügt war ferner der ESt-Bescheid der Ehefrau für 2008 vom 13.4.2010. Für sie war eine besondere Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung durchgeführt worden. Das FA lehnte jedoch den Antrag auf Zusammenveranlagung dem Kläger gegenüber ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

  • Mit dem Übergang von der Zusammenveranlagung zur Einzelveranlagung während des Klageverfahrens beschäftigte sich der BFH im Beschluss vom 25.10.2023 (I R 38/20, BStBl II 2024, 474).

1.4. Ehegattenveranlagung nach Auflösung der Ehe

1.4.1. Auflösung durch Scheidung

Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind, können zwischen Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und Einzelveranlagung (§ 26a EStG) wählen.

Wird die Ehe während des Veranlagungszeitraums aufgelöst und hat einer der Ehegatten in demselben Veranlagungszeitraum wieder geheiratet und liegen bei der neuen Ehe die Voraussetzungen der Ehegattenveranlagung vor, so ist für die ursprüngliche Ehe die Ehegattenveranlagung nicht mehr anzuwenden (§ 26 Abs. 1 Satz 2 EStG). Für den geschiedenen und nicht verheirateten Ehegatten ist eine Einzelveranlagung nach § 25 EStG durchzuführen und nach § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG das Splittingverfahren anzuwenden.

1.4.2. Veranlagungswahlrecht nach dem Tode eines Ehegatten

Mit Beschluss vom 21.6.2007 (III R 59/06, BStBl II 2007, 770) nahm der BFH zur Frage nach dem Veranlagungswahlrecht nach dem Tode eines Ehegatten Stellung. Er entschied, dass das Veranlagungswahlrecht nach dem Tode eines Ehegatten dessen Erben zusteht. Das Einverständnis des Erben mit der Zusammenveranlagung kann nur dann nach § 26 Abs. 3 EStG unterstellt werden, wenn er Kenntnis von seiner Erbenstellung und den steuerlichen Vorgängen des Erblassers hat. Bis zur Ermittlung des Erben ist daher einzeln zu veranlagen (s.a. H 26 [Tod eines Ehegatten] EStH 2022).

1.4.3. Überblick über die Wahlrechtsausübung

Hat ein Ehegatte in dem Veranlagungszeitraum, in dem seine zuvor bestehende Ehe aufgelöst worden ist, eine neue Ehe geschlossen und liegen bei ihm und dem neuen Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 EStG vor, bleibt die zuvor bestehende Ehe für die Anwendung des § 26 Abs. Satzes 1 EStG unberücksichtigt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Veranlagungszeitraum 05

Bei beiden Ehen sind jeweils die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG erfüllt. – Grundsatz: Ein Veranlagungswahlrecht besteht nur für die Ehe 2 (§ 26 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Ehe zwischen Ehemann 1 und Ehefrau 1 = Ehe 1

Ehe zwischen Ehemann 2 und Ehefrau 1 = Ehe 2

Ehefrau 1 und Ehemann 2 haben Wahlrecht für die Ehe 2 zwischen:

  1. Zusammenveranlagung;

  2. Einzelveranlagung.

Eheleute (Ehe 2) wählen Zusammenveranlagung:

§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG: Die Ehegatten (Ehe 2) werden zusammenveranlagt.

Für Ehemann 1 ist eine Einzelveranlagung nach § 25 EStG durchzuführen. Er erhält den Splittingtarif nach § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG (H 32a [Auflösung der Ehe …] EStH 2022).

Eheleute (Ehe 2) wählen Einzelveranlagung nach § 26a EStG:

§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG: Die Ehegatten (Ehe 2) werden einzeln nach § 26a EStG veranlagt.

Für Ehemann 1 ist eine Einzelveranlagung nach § 25 EStG durchzuführen. Er erhält den Splittingtarif nach § 32a Abs. 6 Nr. 2 EStG (H 32a [Auflösung einer Ehe …] EStH 2022).

Besonderheit 1:

Ehemann 2 (Ehe 2) ist nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig:

Für die 2. Ehe ist § 26 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht anzuwenden. Für die Ehefrau 1 besteht ein Veranlagungswahlrecht für die aufgelöste Ehe 1.

Ehemann 1 hat ebenfalls wieder geheiratet (Ehefrau 2). Diese Ehe (Ehe 3) erfüllt die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Ehe 2 (Ehemann 2 und Ehefrau 1): Ehemann 2 ist nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig:

Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 EStG bleibt beim Ehemann 1 die erste Ehe mit Ehefrau 1 unberücksichtigt, da bei Ehemann 1 und Ehefrau 2 (Ehe 3) die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG erfüllt sind. Da Ehemann 2 nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, muss für Ehefrau 1 (Ehe 2) daher eine Einzelveranlagung nach § 25 EStG durchgeführt werden. Für Ehefrau 1 ist das Gnadensplitting nach § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG anzuwenden.

Besonderheit 2:

Ehemann 1 ist im Veranlagungszeitraum 05 verstorben; Ehefrau 1 und Ehemann 2 (Ehe 2) erfüllen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG:

Die 1. Ehe bleibt für die Ehegattenveranlagung unberücksichtigt, da für die 2. Ehe die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG erfüllt sind (§ 26 Abs. 1 Satz 2 EStG). Ein Veranlagungswahlrecht besteht für die Ehe 2 (Ehefrau 1 und Ehemann 2).

Für Ehemann 1 ist eine Einzelveranlagung nach § 25 EStG durchzuführen; er erhält das Gnadensplitting nach § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Die Eheleute Ehefrau 1 und Ehemann 2 (Ehe 2) haben das Wahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und Einzelveranlagung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Abb.: Besonderheiten zur Ehegattenveranlagung

2. Zusammenveranlagung von Ehegatten

Die Zusammenveranlagung stellt die gängigste Veranlagungsart bei Ehegatten dar. Wie sie funktioniert, klärt § 26b EStG.

2.1. Einkommensteuererklärungspflicht

Nach § 149 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmen die einzelnen Steuergesetze, wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Ehegatten haben für den Fall der Zusammenveranlagung eine gemeinsame ESt-Erklärung abzugeben, die grds. von beiden Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben ist (§ 25 Abs. 3 Satz 2 EStG). Wird die Erklärung elektronisch mit Authentifizierung übermittelt, erfolgt anstatt einer Unterschrift eine elektronische Signatur.

2.2. Einkünfteermittlung und Veranlagungsschema

2.2.1. Allgemeines

Nach § 26b EStG werden bei einer Zusammenveranlagung die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Stpfl. behandelt.

Die Behandlung der Ehegatten als »ein« Stpfl. erfolgt allerdings erst auf der Ebene des Gesamtbetrags der Einkünfte. Vorher werden also die Einkünfte jedes Ehegatten getrennt von dem anderen berechnet, ebenso wie bei einer Einzelveranlagung. Dies führt also nicht zu einer einheitlichen Ermittlung der Einkünfte der Ehegatten (vgl. R 26b Abs. 1 Satz 1 EStR 2012 und H 26b [Gesonderte Ermittlung der Einkünfte] EStH 2022).

Zum Verlustausgleich und zum Verlustabzug nach § 10d EStG siehe → Verlustabzug nach § 10d EStG. Gleiches gilt z.B. auch für die Ermittlung des Altersentlastungsbetrages nach § 24a EStG (§ 24a Satz 3 EStG).

In der Folge wird dann nur ein Gesamtbetrag der Einkünfte, nur ein Einkommen und nur ein zu versteuerndes Einkommen gebildet. Pausch-, Frei- und Höchstbeträge sind zu berücksichtigen, wenn einer der Ehegatten deren Voraussetzungen erfüllt (s.a. → Kinderfreibetrag). S.a. → Einkommensteuertarif; sie werden also insoweit als »ein« Stpfl. behandelt.

2.2.2. Grundsatz der Individualbesteuerung

Persönlich stpfl. i.S.d. § 1 EStG ist jeder Ehegatte und nicht die Ehegattengemeinschaft. Der Grundsatz der Individualbesteuerung wird durch die von den Ehegatten gewählte Veranlagungsart nicht berührt. Die Zusammenveranlagung nach § 26b EStG führt zwar zu einer Zusammenrechnung, nicht aber zu einer einheitlichen Ermittlung der Einkünfte der Ehegatten. Ihre jeweiligen Einkünfte sind demnach getrennt voneinander zu ermitteln, soweit nicht im Einzelfall neben der ehelichen Gemeinschaft ein Gemeinschafts- oder Gesellschaftsverhältnis (z.B. Grundstücksgemeinschaft, Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) vorliegt.

Die strikte Trennung der Ehegatten auf der Ebene der Einkünfteerzielung bewirkt Folgendes:

  • Bei gemeinschaftlicher Einkünfteerzielung sind in der Bilanz der Ehegatten-Mitunternehmerschaft getrennte Kapitalkonten für beide Ehegatten zu führen, und es ist eine Gewinnverteilung vorzunehmen. Die Entscheidung über die Höhe und Aufteilung der Einkünfte ist grundsätzlich im gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren zu treffen.

  • WG, die im (wirtschaftlichen) Eigentum eines Ehegatten stehen, können nicht BV im Betrieb des anderen Ehegatten sein (BFH Urteil vom 26.1.1978, IV R 160/73, BStBl II 1978, 299; BFH Urteil vom 23.11.1995, IV R 50/94, BStBl II 1996, 193). Dies hat ggf. den Verlust der AfA zur Folge, soweit nicht ein einlagefähiges Nutzungsrecht bilanzierungsfähig ist (BFH Urteil vom 20.11.1980, IV R 117/79, BStBl II 1981, 68; BFH Urteil vom 26.5.1982, I R 104/81, BStBl II 1982, 594).

  • Betriebsausgaben bzw. → Werbungskosten können grundsätzlich nur von demjenigen Ehegatten geltend gemacht werden, der Eigentümer des zur Einnahmeerzielung genutzten WG ist und die Aufwendungen hierfür auch persönlich getragen hat; zur steuerlichen Berücksichtigung des sog. Drittaufwands → Drittaufwand.

  • Verträge zwischen Ehegatten, die zumindest bei einem Ehegatten die Sphäre der Einkünfteerzielung berühren, sind – vorbehaltlich einer etwaigen Umqualifizierung – steuerlich zu berücksichtigen, wenn dabei die allgemeinen bei Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen geforderten Voraussetzungen beachtet werden:

    • klar und eindeutig getroffene vertragliche Regelungen,

    • die ernsthaft gewollt und

    • der Vereinbarung entsprechend tatsächlich durchgeführt worden sind.

    Es ergeben sich als Folgen der anzuerkennenden Vereinbarungen:

  • Es wird ggf. der Pauschbetrag für WK nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt.

  • Der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG kann abgezogen werden.

  • Der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG ist anzusetzen.

  • Die Lohnsteuer kann nach §§ 40a und 40b EStG pauschaliert werden.

2.2.3. Freibeträge und Pauschbeträge

Bestimmte Abzugsbeträge werden personenbezogen nur bei dem Ehegatten berücksichtigt, der die betreffenden Einkünfte erzielt hat, z.B.:

  • Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG i.H.v. 1 230 €,

  • Werbungskostenpauschbetrag i.H.v. 102 € nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG,

  • Freibetrag für Land- und Forstwirte nach § 13 Abs. 3 EStG. Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind alle Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor Berücksichtigung des Freibetrags nach § 13 Abs. 3 EStG zusammenzurechnen (BFH vom 25.2.1988, IV R 32/86, BStBl II 1988 II, 827).

  • Freibetrag bei Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 4 EStG; → Betriebsveräußerung).

  • Von den Einnahmen aus Kapitalvermögen (→ Einkünfte aus Kapitalvermögen) zusammenveranlagter Ehegatten ist der Sparer-Pauschbetrag von 801 €, für Ehegatten verdoppelt auf 1 602 €, abzuziehen. Soweit er bei einem Ehegatten nicht ausgeschöpft wird, kann er bei dem anderen Ehegatten abgezogen werden (§ 20 Abs. 9 Satz 3 EStG).

    Durch das JStG 2022 vom 20.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) wurde der Sparer-Pauschbetrag auf 1 000 €/2 000 € ab VZ 2023 angehoben.

  • Entlastungsbetrag für Alleinerziehende.

    Nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG können allein stehende Stpfl. einen Entlastungsbetrag von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht. § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmt, dass allein stehend i.S.v. § 24b Abs. 1 EStG solche Stpfl. sind, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1 EStG) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zu oder es handelt sich um ein Kind, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübt. § 24b Abs. 4 EStG regelt, dass sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel ermäßigt.

    Der BFH hat sich im Urteil vom 28.10.2021 (III R 57/20, BStBl II 2022, 799) mit der Frage befasst, ob der Entlastungsbetrag für zusammenveranlagte Ehegatten im Jahr der Heirat möglich ist.

Leitsatz

Stpfl., die als Ehegatten nach §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, können den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Eheschließung (zeitanteilig) in Anspruch nehmen, sofern sie die übrigen Voraussetzungen des § 24b EStG erfüllen, insbes. nicht in einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen, in § 24b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nicht genannten Person leben.

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auch im Jahr der Eheschließung zu berücksichtigen ist, wenn die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen.

Entscheidungsgründe

Der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF vom 23.10.2017, BStBl I 2017, 1432, Rz. 6) und der überwiegenden Literatur, wonach die Gewährung des Entlastungsbetrages in jedem Fall ausgeschlossen ist, wenn Ehegatten der Ehegattenveranlagung unterliegen, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Haushaltsgemeinschaft bilden oder nicht, ist nicht zu folgen.

  • Nichtanrechenbarkeit ausländischer Quellensteuerbeträge.

    Der BFH hat mit Urteil vom 23.11.2021 (VIII R 22/18, BStBl II 2023, 68) zu den Voraussetzungen der Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die inländische Einkommensteuer für Kapitaleinkünfte nach dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32d Abs. 5 EStG entschieden.

Leitsätze:

  1. Nicht ausgeglichene Verluste eines Ehegatten aus Kapitalvermögen können im Rahmen einer Veranlagung der Kapitalerträge zum gesonderten Tarif i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG nicht ehegattenübergreifend mit positiven Kapitalerträgen des anderen Ehegatten verrechnet werden.

  2. Es ist mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, dass ausländische Quellensteuerbeträge gem. § 32d Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG nicht gem. § 32d Abs. 1 Satz 2 EStG auf die Einkommensteuer zum gesonderten Tarif i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG anrechenbar sind und verfallen, wenn die zugrunde liegenden ausländischen Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG mit inländischen Verlusten aus Kapitalvermögen zu verrechnen sind.

2.3. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen

2.3.1. Allgemeines

Bei Ehegatten, die nach § 26b EStG zusammen zur ESt veranlagt werden, kommt es für den Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen nicht darauf an, ob sie der Ehemann oder die Ehefrau geleistet hat (R 10.1 EStR).

Zum Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen s. → Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen und BMF vom 24.5.2017 (BStBl I 2017, 820, Rz. 131 bis 133). Zur Zuordnung der insgesamt geleisteten Vorsorgeaufwendungen bei der Einzelveranlagung von Ehegatten s. das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29.11.2017 (2 K 1032/16, EFG 2018, 1038, LEXinform 5021090, Revision eingelegt, Az. BFH: III R 11/18, LEXinform 0951844) unter → Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen unter dem Gliederungspunkt »Abzugsbetrag bei Einzelveranlagung nach § 26a EStG« (s.a. OFD Nordrhein-Westfalen vom 3.5.2018, Kurzinformation ESt Nr. 05/2018, DB 2018, 1309).

2.3.2. Kosten einer Hochzeit

Hochzeit mit einem ausländischen Staatsbürger

Die Kosten einer Eheschließung mit einem ausländischen Staatsbürger können nicht als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden, auch wenn sie gerade wegen des Auslandsbezuges besonders hoch sind. Das entschied das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 15.8.2012 (7 K 7030/11, EFG 2012, 2287, LEXinform 5014098, rkr.).

Hochzeit eines politischen Mandatsträgers

Eine Hochzeitsfeier ist eine im Wesentlichen persönlich motivierte Veranstaltung und steht – anders als Feiern anlässlich eines betrieblichen Jubiläums oder des Ausscheidens aus einem Betrieb – mit der beruflichen Tätigkeit einer Person regelmäßig in keinem Zusammenhang. Bewirtungskosten eines politischen Mandatsträgers anlässlich seiner kirchlichen Trauung können daher nicht – auch nicht anteilig – als WK berücksichtigt werden (FG Köln, Gerichtsbescheid vom 11.11.2014, 2 K 1706/11, LEXinform 5017462).

2.3.3. Scheidungskosten

Seit der Änderung des § 33 EStG im Jahr 2013 sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das Abzugsverbot nur dann nicht ein, wenn der Stpfl. ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Mit Urteil vom 18.5.2017 (VI R 9/16, BStBl II 2017, 988) befasste sich der BFH mit den Kosten eines Scheidungsverfahrens.

Leitsatz

Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Stpfl. erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

Sachverhalt

Streitig war die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG). Die Klägerin berief sich auf die Ausnahmeregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

Entscheidungsgründe:

Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Stpfl. bedroht ist. Eine derartige existenzielle Betroffenheit liegt bei Scheidungskosten nicht vor, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Stpfl. eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt. Dies wird auch in Teilen der Literatur so gesehen, z.B. Heim, DStZ 2014, 165.

3. Einzelveranlagung von Ehegatten

3.1. Allgemeines

Bei der Einzelveranlagung von Ehegatten sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen (§ 26a Abs. 1 Satz 1 EStG).

Bei Einzelveranlagung von Ehegatten ist die Sondervorschrift des § 26a Abs. 2 EStG zu beachten (→ Getrennte Veranlagung, → Einzelveranlagung von Ehegatten nach § 26a EStG). Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden bei Einzelveranlagung zur Einkommensteuer Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§§ 33–33b EStG) und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG (→ Haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, → Haushaltsnahe Dienstleistungen, → Haushaltsnahe Handwerkerleistungen) demjenigen Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten werden sie jeweils zur Hälfte abgezogen (§ 26a Abs. 2 Satz 2 EStG).

3.2. Rechtsprechung

BFH vom 20.12.2017

Nach dem BFH-Urteil vom 20.12.2017 (III R 2/17, BStBl II 2018, 468) können auch Frei- und Pauschbeträge i.S.d. § 33 bis 33b EStG nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG zur Hälfte auf den Ehegatten übertragen werden, wenn die Spezialvorschrift keine spezielle Aufteilungsregelung enthält. So ermöglicht § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG den Ehegatten im Rahmen der Einzelveranlagung auf übereinstimmenden Antrag, den einem Ehegatten zustehenden Behinderten-Pauschbetrag (vgl. § 33b Abs. 1 bis 3 EStG) zur Hälfte bei dem anderen Ehegatten abzuziehen, da die vom Behinderten-Pauschbetrag erfassten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen sind und § 33b Abs. 1 bis 3 EStG keine gegenüber § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG spezielle Aufteilungsregelung enthält. Spezielle Aufteilungsregelungen enthalten z.B. §§ 33b Abs. 5 (Behindertenpauschbetrag) und 33a Abs. 2 EStG (Ausbildungsfreibetrag).

BFH vom 28.11.2019

§ 26a EStG regelt die Besteuerung von Ehegatten im Fall der Einzelveranlagung. Die Norm ist ausschließlich in den Fällen anwendbar, in denen die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 EStG erfüllt sind und einer oder beide Ehegatten die Einzelveranlagung wählen. Gem. § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG werden Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und die Steuerermäßigung nach §§ 35a und 35c EStG demjenigen Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Abweichend davon werden sie nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen.

Im Urteil vom 28.11.2019 (III R 11/18, BFH/NV 2020, 626 Nr. 7, LEXinform 0951844) befasste sich der BFH mit der Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung bei der Einzelveranlagung von Ehegatten.

Leitsatz

Beantragen Ehegatten die Einzelveranlagung und den hälftigen Abzug von Sonderausgaben nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG, so sind die von beiden Ehegatten getragenen Vorsorgeaufwendungen zusammenzurechnen und hälftig zu verteilen. Erst danach ist getrennt für jeden Ehegatten die Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG durchzuführen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist verheiratet. Für das Jahr 2013 (Streitjahr) beantragte sie die Einzelveranlagung nach § 26a EStG. Übereinstimmend mit ihrem Ehemann beantragte sie außerdem, die Sonderausgaben gem. § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG hälftig aufzuteilen. Das FA führte die Veranlagung durch. Hierbei wurde der Höchstbetrag der Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 4a EStG nach der für die Klägerin günstigeren Regelung des § 10 Abs. 3 in der für das Kj. 2004 geltenden Fassung des EStG zuzüglich des Erhöhungsbetrags nach Satz 3 durchgeführt (Günstigerprüfung mit Erhöhungsbetrag). Hierzu ermittelte das FA Vorwegabzug, Grundhöchstbetrag, hälftigen Höchstbetrag und Erhöhungsbetrag, indem es bei beiden Ehegatten zunächst die Vorsorgeaufwendungen ansetzte, welche die Klägerin und ihr Ehemann jeweils getragen hatten. Anschließend verteilte es die beiden Ergebnisse jeweils hälftig auf die Ehegatten. Abgezogen wurde bei der Klägerin letztlich die Hälfte aus dem Ergebnis ihrer Höchstbetragsberechnung zuzüglich der Hälfte der Höchstbetragsberechnung ihres Ehemannes.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg. Das FG gab der anschließenden Klage statt. Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

4. Tarif

Im Rahmen der Einkommensteuer gibt es zwei Tarifarten.

4.1. Splittingtarif

4.1.1. Allgemeines

Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, wird die tarifliche ESt nach dem Splittingtarif festgesetzt (§ 32a Abs. 5 EStG; → Einkommensteuertarif). Das Splittingverfahren i.S.d. § 32a Abs. 5 EStG geht von einer intakten Ehe aus (R 26 Abs. 1 EStR), in der beide Ehegatten an den Einkünften und Lasten des anderen zur Hälfte teilhaben.

Im Splittingverfahren wird zunächst das gemeinsame zu versteuernde Einkommen der Ehegatten halbiert. Sodann wird für diesen Betrag die tarifliche ESt nach Maßgabe des § 32a Abs. 1 EStG ermittelt und der sich daraus ergebende Steuerbetrag verdoppelt. Dies führt in der Regel zu einer geringeren Steuerbelastung im Vergleich zur Einzelbesteuerung der Ehegatten. Denn im Ergebnis sinkt die Steuerlast, da die Progression (der steigende Steuertarif bei steigendem Einkommen) abgemildert wird: Sie wirkt sich nur noch auf die Hälfte des gemeinsamen Einkommens der Ehegatten aus. Beziehen beide Ehepartner ein gleich hohes Einkommen, ergibt sich kein Splitting-Vorteil.

Eine Einzelveranlagung von Ehegatten nach § 26a EStG schließt den Splittingvorteil aus. Nach dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 14.10.2014 (4 K 81/14, EFG 2015, 130, LEXinform 5213154, Rechtsausführungen bestätigt durch BFH Urteil vom 17.9.2015, III R 36/14, BFH/NV 2016, 545, LEXinform 0950136). Die Anwendung des Splittingverfahrens (§ 32a Abs. 5 EStG) auf Alleinstehende ist im Gesetz grds. nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich nicht geboten. Dies hat der BFH zuletzt mit Urteil vom 29.9.2016 (III R 62/13, BStBl II 2017, 259) bestätigt.

Leitsätze

  1. Die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif anstelle einer Besteuerung nach dem Splittingtarif ist verfassungsgemäß.

  2. Krankheitskosten sind als außergewöhnliche Belastungen um die zumutbare Belastung zu mindern (Anschluss an das BFH-Urteil vom 2.9.2015, VI R 32/13, BStBl II 2016, 151).

Sachverhalt

Die seit 2006 verwitwete Klägerin erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und lebte mit ihren beiden Töchtern zusammen. Das FA setzte die ESt für das Streitjahr nach dem Grundtarif (§ 32a Abs. 1 EStG) fest.

4.1.2. Berechnung

Beispiel 2:

Der Ehemann erzielt 2019 ein Einkommen von 50 000 €, die Ehefrau ein Einkommen von 30 000 €. Die Eheleute gehören keiner hebeberechtigten Religionsgemeinschaft an.

Lösung 2:

Steuerberechnung bei Zusammenveranlagung bzw. Einzelveranlagung:

  1. Einzelveranlagung

    Die Einkommen des Ehemannes (50 000 €) und der Ehefrau (30 000 €) werden wie die von zwei Einzelpersonen behandelt.

    Ehemann

    Ehefrau

    Bruttojahreseinkommen

    50 000,00 €

    30 000,00 €

    Einkommensteuer

    12 295,00 €

    5 275,00 €

    Solidaritätszuschlag

    676,22 €

    290,12 €

    Steuer gesamt

    12 971,22 €

    5 565,12 €

    Steuerbelastung Ehegatten insgesamt

    18 536,34 €

  2. Zusammenveranlagung

    Die Einkommen des Ehemannes (50 000 €) und der Ehefrau (30 000 €) werden addiert und je zur Hälfte (40 000 €) der Veranlagung zugrunde gelegt.

    Ehemann

    Ehefrau

    Bruttojahreseinkommen

    40 000,00 €

    40 000,00 €

    Einkommensteuer

    8 569,00 €

    8 569,00 €

    Solidaritätszuschlag

    471,29 €

    471,29 €

    Steuer gesamt

    9 040,29 €

    9 040,29 €

    Steuerbelastung Ehegatten insgesamt

    18 080,58 €

4.2. Splittingtarif bei teilweise unbeschränkter Einkommensteuerpflicht

Das BFH-Urteil vom 15.5.2002 (I R 40/01, BStBl II 2002, 660) nimmt zum → Progressionsvorbehalt und Splittingtarif beim Wegzug in einen anderen EU-Staat wie folgt Stellung:

Leitsätze

  1. Verzieht ein ArbN im Verlauf eines Kj. vom Inland ins Ausland, so sind seine in diesem Kj. nach dem Wegzug erzielten Einkünfte auch dann im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen, wenn sich sein neuer Wohnsitz in einem EU-Staat befindet.

  2. Es ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, dass § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 die Zusammenveranlagung eines im Inland Ansässigen mit seinem im Ausland lebenden Ehegatten nur dann zulässt, wenn in dem betreffenden Kj. entweder die Einkünfte beider Ehegatten zu mehr als 90 % der deutschen Einkommensteuer unterlegen oder ihre nicht in Deutschland zu besteuernden Einkünfte sich auf nicht mehr als 24 000 DM belaufen haben.

Sachverhalt

Der Stpfl. (niederländischer Staatsbürger) wohnte bis zum 16.2.07 im Inland und erzielte bis zu diesem Zeitpunkt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Ab dem 17.2.07 wohnte er in den Niederlanden, wo er ebenfalls nichtselbstständig tätig war. Die in den Niederlanden erzielten Einkünfte waren höher als diejenigen, die der Stpfl. bis zu seinem Wegzug erzielt hat.

Am 7.11.07 heiratete der Stpfl. eine niederländische Staatsangehörige, die im Kj. 07 keine Einkünfte erzielte und zu keiner Zeit einen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Entscheidungsgründe

Der Stpfl. ist vom 1.1. bis 16.2.07 unbeschränkt stpfl. (§ 1 Abs. 1 EStG).

Durch seinen Umzug in die Niederlande gibt er sowohl seinen inländischen Wohnsitz als auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auf, womit seine unbeschränkte Steuerpflicht endet. Inländische Einkünfte (§ 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG) hat er nicht erzielt. Die in den Niederlanden erzielten Einkünfte dürfen nicht in die Besteuerungsgrundlage der für das Kj. 07 festzusetzenden Steuer einbezogen werden.

Die in der Zeit vom 17.2. bis zum 31.12.07 erzielten Einkünfte des Stpfl. sind jedoch gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

Für den Stpfl. ist eine Einzelveranlagung durchzuführen und die Steuer nach dem Grundtarif zu berechnen. Voraussetzung für die Anwendung des Splittingtarifs ist u.a. die unbeschränkte Steuerpflicht beider Ehegatten i.S.d. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 oder des § 1a EStG. Der Zusammenveranlagung der Eheleute steht entgegen, dass die Ehefrau zu keinem Zeitpunkt des Kj. 07 unbeschränkt stpfl. war und auch nicht als unbeschränkt stpfl. zu behandeln ist (→ Familienbezogene Einkommensteuervergünstigungen des § 1a EStG). Die Ehefrau kann auch nicht nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG für Zwecke der Zusammenveranlagung als unbeschränkt stpfl. behandelt werden. Dies wäre nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • die Einkünfte beider Ehegatten müssen im Kj. 07 zu mehr als 90 % der deutschen ESt unterliegen oder

  • ihre nicht in Deutschland zu besteuernden Einkünfte dürfen den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (→ Einkommensteuertarif) nicht übersteigen.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

4.3. Splittingtarif bei fiktiver unbeschränkter Einkommensteuerpflicht

Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG können nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf Antrag gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG zusammen veranlagt werden (unter Anwendung des Splitting-Verfahrens), sofern die Voraussetzungen der sog. fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erfüllt sind. Voraussetzung hierfür ist, dass entweder die Einkünfte im Kj. zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (im Streitjahr 2009 = 7 834 €) nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze). Die vorgenannten Regelungen werden in § 1a EStG in der Weise ergänzt, dass für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU bei der Anwendung der relativen und absoluten Wesentlichkeitsgrenze auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln ist.

Dazu hatte der BFH mit Urteil vom 6.5.2015 (I R 16/14, BStBl II 2015, 957) Stellung genommen. Die Finanzverwaltung hat das Urteil in H 1a (Einkünfteermittlung zur Bestimmung der Einkunftsgrenzen) EStH 2023 aufgenommen.

Leitsatz

Bei der Frage, ob Ehegatten die Einkunftsgrenzen (relative oder absolute Wesentlichkeitsgrenze) für das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung in Fällen der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) wahren, ist im Rahmen einer einstufigen Prüfung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG (gegen R 1 EStR 2012) auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln.

Sachverhalt

Die Kläger sind österreichische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Österreich und beziehen Renten und Pensionen aus verschiedenen Quellen. U.a. bezog der Ehemann eine mit 58 % nachgelagert in Deutschland zu besteuernde Sozialversicherungsrente, während die Ehefrau keine deutschen Einkünfte hatte.

Im Streitfall würden die Kläger die Voraussetzungen für die (optionale) Zusammenveranlagung erfüllen, sofern in die Prüfung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze nur die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte beider Ehegatten einbezogen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG) und diese mit dem doppelten Grundfreibetrag (2 × 7 834 € = 15 668 €) verglichen werden. Die Voraussetzungen wären indessen nicht erfüllt, wenn die Wesentlichkeitsgrenzen – vor der Verdoppelung des Grundfreibetrags und unter Einbeziehung der Einkünfte beider Ehegatten – für die Eheleute zusätzlich jeweils isoliert und unter Ansatz des einfachen Grundfreibetrags geprüft werden müsste.

4.4. Grundtarif

Dieser kommt insbes. bei der Einzelveranlagung von alleinstehenden Stpfl. in Betracht, aber auch im Fall der Einzelveranlagung von Ehegatten. Er wird auf das zu versteuernde Einkommen i.S.d. § 2 Abs. 5 EStG angewendet. Die sich daraus ergebende Steuerbelastung wird nach den Tarifzonen des § 32a Abs. 1 EStG berechnet. Die Belastung mit ESt greift aber erst dann, wenn der sog. Grundfreibetrag überschritten wird. Dieser folgt dem sog. Existenzminimum, das jährlich von der Bundesregierung festgelegt wird, sodass auch der Grundfreibetrag jedes Jahr angepasst werden muss.

5. Nachehelicher Unterhalt

Nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG können Unterhaltsleistungen eines Stpfl. an den geschiedenen oder getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zur gesetzlich bestimmten Höchstgrenze (13 805 €) im Kj. als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Unterhaltspflichtige dies mit Zustimmung des Unterhaltsempfängers beantragt (→ Begrenztes Realsplitting). S.a. → Scheidung und → Unterhaltsaufwendungen.

6. Örtliche Zuständigkeit für die Einkommensbesteuerung von Ehegatten

Bei verheirateten, nicht dauernd getrennt lebenden Stpfl. ist bei Wohnsitz im Inland das FA des Familienwohnsitzes örtlich zuständig (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO).

Beantragt ein verheirateter Stpfl. die Einzelveranlagung, so ist für jeden Ehegatten das für ihn zuständige FA (nach § 19 Abs. 1 bzw. 19 Abs. 3 AO) für die Durchführung der Einzelveranlagung örtlich zuständig.

Trennen sich Ehegatten, so ist dadurch eine Zusammenveranlagung zur ESt im Jahr der Trennung nicht ausgeschlossen (§§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26b EStG). Die örtliche Zuständigkeit für die ESt richtet sich im Jahr der Trennung nach dem Wohnsitz des jeweiligen Ehegatten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO). Trotz der Zusammenveranlagung bleibt jeder Ehegatte für sich »Steuerpflichtiger« nach § 19 AO.

Wohnen die Ehegatten in den Bezirken verschiedener Finanzämter, liegt damit eine mehrfache örtliche Zuständigkeit nach § 25 AO vor. Zuständig ist danach das FA, das zuerst mit der Sache befasst war.

Zieht nach Trennung/Scheidung von Eheleuten ein Ehegatte in den Bezirk eines anderen FA und behält der andere Ehegatte den bisherigen Wohnsitz bei oder zieht nur innerhalb des bisherigen Finanzamtsbezirks um, bleibt das bisherige als das zuerst mit der Sache befasste FA für Erst- oder Berichtigungs-/Änderungsveranlagungen für Zeiträume, in denen noch eine Zusammenveranlagung in Betracht kommt, örtlich zuständig. Hat dieser Ehegatte im Veranlagungszeitraum jedoch keine oder nur geringe eigene Einkünfte erzielt, sodass künftig keine (Einzel-)Veranlagung mehr durchzuführen sein dürfte, oder ist der andere Ehegatte auch zur USt, GewSt usw. zu veranlagen, kann es sich anbieten, dass das für den verzogenen Ehegatten zuständige FA die Besteuerung übernimmt. Eine Zustimmung der Stpfl. ist hierzu nicht erforderlich (§ 25 Satz 1 AO), weil es sich nicht um eine Zuständigkeitsvereinbarung i.S.d. § 27 AO handelt (Zu § 25 AEAO; OFD Niedersachsen vom 19.1.2010, S 0122 – 10 – St 142, LEXinform 5232554).

Verlegen nach Trennung/Scheidung beide Ehegatten ihren Wohnsitz in andere Finanzamtsbezirke, ist die Personensteuerakte der Eheleute an das FA abzugeben, in dessen Bezirk der Ehegatte verzogen ist, bei dem das Schwergewicht der Besteuerungsgrundlagen (= die Summe der Betriebseinnahmen/Einnahmen vor Abzug der BA/WK) liegt.

Dieses FA ist nach § 25 AO ab dem Zeitpunkt des Eintritts des Zuständigkeitswechsels (§ 26 AO) auch für ggf. noch durchzuführende Erst- oder Berichtigungs-/Änderungsveranlagungen für Veranlagungszeiträume vor dem Jahr der Trennung örtlich zuständig, soweit in den betreffenden Zeiträumen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vorlagen und die Zusammenveranlagung gewählt wurde bzw. wird.

7. Verfahrensfragen

7.1. Einspruchsverfahren bei zusammenveranlagten Ehegatten

Das Einspruchsverfahren ist in den §§ 347 ff. AO geregelt. Dabei stellen sich mehrere Fragen im Rahmen einer Zusammenveranlagung von Ehegatten.

Einspruchsführer

Auch wenn bei Zusammenveranlagung nur ein Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG, ein Einkommen i.S.d. § 2 Abs. 4 EStG und ein zu versteuerndes Einkommen gem. § 2 Abs. 5 EStG ermittelt wird, liegen zwei selbstständige Einkommensteuersubjekte vor. Der gegen zusammenveranlagte Ehegatten ergehende Steuerbescheid erfasst zusammengefasst zwei anfechtbare Steuerbescheide. Dagegen kann jeder Ehegatte eigenständig Einspruch einlegen. Dies hat der BFH mit Beschluss vom 31.10.1986 (III R 153/86, BFH/NV 1987, 256, LEXinform 0088086) nochmals bestätigt.

Hinzuziehung zum Verfahren

Soweit nur ein Ehegatte tatsächlich Einspruch einlegt, kann der andere nach § 360 AO zum Verfahren hinzugezogen werden, ein Fall der notwendigen Hinzuziehung (§ 360 Abs. 3 AO) liegt allerdings nicht vor.

Einspruchsentscheidung

Legt nur ein Ehegatte Einspruch ein, so ergeht die Einspruchsentscheidung auch nur gegenüber dem Ehegatten, der Einspruch eingelegt hat.

Bei Bevollmächtigung nur durch einen Ehegatten reicht die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung durch Bekanntgabe an beide Ehegatten durch Übersendung einer Ausfertigung an den Bevollmächtigten aus, wenn der Ehegatte, der nicht die Bevollmächtigung vorgenommen hat, die Einspruchseinlegung duldet bzw. einen entsprechenden Rechtsschein schafft (FG Baden-Württemberg vom 8.4.2008, 4 K 1942/07, EFG 2008, 1674). Dadurch kann ein Bekanntgabemangel des Steuerbescheides geheilt werden, da der Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung entscheidend ist, wenn die Einspruchsentscheidung dem gemeinsamen Bevollmächtigten zugestellt wird (BFH Beschluss vom 27.5.2009, X R 45/08, BFH/NV 2009, 1592, LEXinform 0179331).

7.2. Klageverfahren bei zusammenveranlagten Ehegatten

Bei zusammenveranlagten Ehegatten muss jeder Ehegatte vor Klageerhebung grundsätzlich das Einspruchsverfahren (Ausnahme: Sprungklage nach § 45 FGO oder Untätigkeitsklage nach § 46 FGO) durchgeführt haben (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 44 FGO, Tz. 14; a.A. Nöcker, AO-StB 2009, 299, 301, der sich gegen diese formelle Sichtweise ausspricht und auf die Sicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit verweist). Eine notwendige Streitgenossenschaft besteht nicht (s. z.B. BFH vom 30.10.1986, III R 153/86, BFH/NV 87, 256, LEXinform 0088086).

Eine nicht ordnungsgemäße Ladung ist für das Verfahren des anderen Ehegatten unbeachtlich (BFH vom 14.6.1994, VIII R 79/93, BFH/NV 1995, 225, LEXinform 0119742).

7.3. Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO

Zum Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO i.R.d. Ehegattenveranlagung und Reihenfolge der Anrechnung in Nachzahlungsfällen hat das BMF mit Schreiben vom 14.1.2015 (BStBl I 2015, 83) ausführlich Stellung genommen. Es wird dabei auf folgende Probleme näher eingegangen:

  • Allgemeines.

    • Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch.

    • ESt-Erstattungsanspruch.

    • Annexsteuern.

    • Lebenspartner und Lebenspartnerschaften.

    • Getrennte Veranlagung nach § 26a EStG a.F.

  • Erstattungsberechtigung bei zusammen veranlagten Ehegatten.

    • Wirkung einer Erstattung nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG.

    • Ausnahmen von § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG.

  • Aufteilung eines Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs bei Ehegatten.

  • Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen in Trennungsjahren.

  • Vorläufige Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen für gemeinsame Rechnung.

  • Änderung von Anrechnungsverfügungen oder Abrechnungsbescheiden nach § 218 Abs. 3 AO.

7.4. Aufteilung einer Gesamtschuld nach § 268 ff. AO

Zur Aufteilung einer Gesamtschuld nach § 268 ff. AO nimmt das Bayerische Landesamt für Steuern mit Schreiben vom 11.3.2019 (S 0520.1.1/13 St 43) ausführlich Stellung.

8. Steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Ehegatten

8.1. Allgemeines

Verträge zwischen Stpfl. und ihrem Ehegatten (wie auch Familienangehörigen: Kinder, Eltern oder andere Verwandte) werden vom FA grds. kritisch betrachtet. Nur wenn die Verträge richtig gestaltet sind und auch durchgeführt werden, können Zahlungen als BA oder WK akzeptiert werden. Nicht selten wird vom FA unterstellt, dass das Vertragsverhältnis nur auf dem Papier besteht und die Verträge allein wegen der Steuerersparnis abgeschlossen wurden.

Im Einzelnen sind drei Voraussetzungen zu erfüllen:

  1. Das Vertragsverhältnis muss ernsthaft vereinbart und gewollt sein.

  2. Beide Vertragsparteien – der Stpfl. und sein Familienangehöriger – müssen die Vereinbarungen einhalten.

  3. Die getroffenen Vereinbarungen müssen üblichen Verträgen mit Nichtfamilienmitgliedern entsprechen (sog. Fremdvergleich, besonders beim Arbeitsvertrag wichtig).

Weitere Erläuterungen s. unter → Verträge zwischen Angehörigen.

8.2. Anforderungen an ein Ehegattenarbeitsverhältnis

Mit Urteil vom 18.11.2020 (VI R 28/18, BStBl II 2021, 450) nahm der BFH zu den Anforderungen an die steuerliche Anerkennung eines geringfügigen Ehegattenarbeitsverhältnisses Stellung.

Leitsätze

  1. Lohnzahlungen an einen im Beruf des Stpfl. mitarbeitenden Angehörigen sind als WK abziehbar, wenn der Angehörige aufgrund eines wirksamen, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechenden Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der Stpfl. seinerseits die Arbeitgeberpflichten, insbes. die der Lohnzahlung, erfüllt (Bestätigung der ständigen Rspr.).

  2. Bei der nicht vollzeitigen Beschäftigung Angehöriger sind Unklarheiten bei der Wochenarbeitszeit für die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses unschädlich, wenn die konkrete Arbeitszeit des Angehörigen von den beruflichen Erfordernissen des Stpfl. abhängt und Unklarheiten deshalb auf die Eigenart des Arbeitsverhältnisses und nicht auf eine unübliche Gestaltung zurückzuführen sind.

  3. Aufzeichnungen betreffend die Arbeitszeit, z.B. Stundenzettel, dienen lediglich Beweiszwecken. Sie sind für die steuerliche Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen nahen Angehörigen daher nicht zwingend erforderlich.

Sachverhalt

Der Kläger bezog als Obergerichtsvollzieher Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

9. Einkommensbesteuerung von eingetragenen Lebenspartnerschaften

9.1. Allgemeines

Durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl I 2017, 2787 – Eheöffnungsgesetz) wird u.a. § 1353 Abs. 1 BGB dahingehend geändert, dass ab 1.10.2017 die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen wird (s. BT-Drs. 18/6665).

Nach § 20a LPartG wird eine Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt, wenn zwei Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Ehe auf Lebenszeit führen zu wollen. Die Erklärungen werden wirksam, wenn sie vor dem Standesbeamten abgegeben werden.

Ab Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl I 2017, 2787) können Lebenspartnerschaften nicht mehr begründet werden (Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts). Da mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare der Bedarf entfällt, das Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft weiter für Neueintragungen offenzuhalten, wird die Neueintragung nicht mehr möglich sein.

Da ab 1.10.2017 die bisherige Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts mit der Ehe von zwei Personen gleichen Geschlechts gleich behandelt wird und gleichzeitig eine eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mehr neu begründet werden kann, sind die nachfolgenden Erläuterungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft nur noch für vor dem 1.10.2017 begründete Lebenspartnerschaften von Bedeutung. Ab dem 1.10.2017 sind die »normalen« Regelungen zur Ehegattenbesteuerung anzuwenden.

9.2. Zivilrechtliche Bedeutung der eingetragenen Lebenspartnerschaft

Die eingetragene Lebenspartnerschaft wird durch das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG), das am 1.8.2001 in Kraft getreten ist, geregelt. Es gilt nur für registrierte, nicht bloß faktisch gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Es wurde bereits mehrfach aufgrund von Änderungen anderer Gesetze, z.B. aufgrund der Reform zum Versorgungsausgleich, nachgebessert. Ab dem 1.10.2017 sind keine Neueintragungen von Lebenspartnerschaften mehr möglich.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft wird definiert als eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft zweier nicht verheirateter Personen gleichen Geschlechts (s. dazu § 1 LPartG). Nach den §§ 6 und 7 LPartG sind die Regelungen zum ehelichen Güterrecht entsprechend anzuwenden.

Das BVerfG hat mit Urteil vom 17.7.2002 (1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, BVerfGE 105, 313 ff.) die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestätigt. Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nichtehelichen Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen und verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften der Zugang zur Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt ist. Auch Transsexuelle können eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen (BVerfG Beschluss vom 11.1.2011, 1 BvR 3295/07, NVwZ 2011, 486).

9.3. Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartnerschaften von der Zusammenveranlagung und vom Ehegattensplitting (BVerfG)

Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 7.5.2013 (2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, DStR 2013, 1228) die Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen bei der Zusammenveranlagung und damit beim Ehegattensplitting festgestellt.

Mit dem Gesetz zur Änderung des EStG in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 7.5.2013 vom 15.7.2013 (BGBl I 2013, 2397) wurde § 2 Abs. 8 EStG eingeführt. Danach sind die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu Ehegatten und Ehen nach Maßgabe des o.g. Beschlusses des BVerfG auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden (BT-Drs. 17/13870). Die Neuregelung des § 2 Abs. 8 EStG beseitigt die vom BVerfG mit Beschluss vom 7.5.2013 festgestellte Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern in den §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG und stellt als Generalnorm die Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern für das gesamte EStG sicher.

Die Generalnorm des § 2 Abs. 8 EStG erklärt alle Normen des EStG, die für Ehegatten und auf die Ehe Anwendung finden, auch für Lebenspartner und Lebenspartnerschaften als anwendbar

Mit Beschluss vom 26.4.2017 (III B 100/16, BStBl II 2017, 903) hatte der BFH entschieden, dass § 2 Abs. 8 EStG auf verschiedengeschlechtliche Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Anwendung findet. Der BFH interpretiert die Vorschrift des § 2 Abs. 8 EStG dahingehend, dass sie nur Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft i.S.d. LPartG erfasst, weil nur derartige Partnerschaften sich hinsichtlich der durch sie erzeugten rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten herkömmlichen Ehen derart angenähert haben, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung nicht mehr zu rechtfertigen ist. Daraus folgt, dass verschiedengeschlechtliche Partner, die keine Ehe geschlossen, schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 LPartG auch keine Lebenspartnerschaft i.S.d. LPartG begründet und damit auch keine vergleichbaren rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten übernommen haben, nicht unter den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 8 EStG fallen (s.a. Anmerkung vom 27.6.2017, LEXinform 0948824).

Da ab 1.10.2017 die bisherige Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts mit der Ehe von zwei Personen gleichen Geschlechts gleich behandelt wird und gleichzeitig eine eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mehr neu begründet werden kann, sind die Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft nur noch für vor dem 1.10.2017 begründete Lebenspartnerschaften von Bedeutung. Ab dem 1.10.2017 sind die Regelungen zur Ehegattengemeinschaft anzuwenden. Die Vorschrift des § 2 Abs. 8 EStG ist ab dem 1.10.2017 insofern obsolet. Für bestehende Lebenspartnerschaften (Altfälle) ist die Vorschrift jedoch noch von Bedeutung und ist demnach weiterhin Teil des EStG.

9.4. Nachträgliche Ehegattenveranlagung für gleichgeschlechtliche Ehegatten

Wie bereits unter 9.1 erörtert, wurde durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl I 2017, 2787 – Eheöffnungsgesetz –) u.a. § 1353 Abs. 1 BGB dahingehend geändert, dass ab 1.10.2017 die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen werden kann.

Mit Urteil vom 31.7.2018 (1 K 92/18, EFG 2018, 1518, LEXinform 5021407, rkr. durch Rücknahme der Revision III R 57/18) hat das FG Hamburg die nachträgliche Zusammenveranlagung für gleichgeschlechtliche Ehegatten rückwirkend für alle Jahre seit 2001 ermöglicht (s.a. FG Hamburg Pressemitteilung vom 20.8.2018, LEXinform 0448588 sowie Anmerkung vom 28.8.2018, LEXinform 0653506; Bergan, NWB 43/2018, 3179).

Leitsätze

  1. Ehegatten, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, können die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer auch für bereits bestandskräftig einzelveranlagte Jahre verlangen.

  2. Die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft nach § 20a LPartG in eine Ehe ist ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

  3. Die Rückwirkung ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG.

  4. »Bestandskraft« ist kein in dem Sinne tragendes Prinzip des Rechts, dass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide infolge einer Gesetzesänderung immer nur mit ausdrücklicher gesetzlichen Anordnung erfolgen kann.

  5. Bei rückwirkenden Änderungen aufgrund außersteuerrechtlicher Gesetze bedarf es grds. keiner weiteren gesetzlichen Anordnung der Durchbrechung der Bestandskraft (im Anschluss an BFH XI R 98/97 und BFH X R 5/88).

Sachverhalt

Die Kläger hatten nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) am 1.8.2001 im Jahr 2001 eine Lebenspartnerschaft begründet, die sie nach Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes (EheöffnungsG) im November 2017 in eine Ehe umwandelten.

Die nachfolgende Übersicht gibt einen Überblick über die Gesetzgebung und die Rspr. zur Veranlagung gleichgeschlechtlicher Ehepartner.

10. Literaturhinweise

Heuermann, Simulation im Steuer- und Zivilrecht, DB 2007, 416; Ramb, Eingetragene Lebenspartnerschaft: Gleichbehandlung im Steuerrecht, NWB 52/2014, 3969; Bergan, Die rückwirkende »Ehe für alle« – Eine steuerliche Betrachtung, NWB 43/2018, 3179.

11. Verwandte Lexikonartikel

Altersentlastungsbetrag

Außergewöhnliche Belastungen

Bausparförderung

Begrenztes Realsplitting

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Erstattungsanspruch

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Pauschbeträge bei Kapitaleinkünften

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Steuerbescheid

Unbeschränkte und beschränkte Einkommensteuerpflicht

Verlustabzug nach § 10d EStG

Werbungskosten

Werbungskostenpauschbetrag

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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