Erbbaurecht

Stand: 16. Dezember 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Erbbaurecht beinhaltet das veräußerliche und vererbbare Recht  auf einem (fremden) Grundstück für eine bestimme Zeit ein Bauwerk zu haben.
  • Eigentum am Grundstück und Eigentum am Bauwerk, z.  B. Wohngebäude, fallen also auseinander. Die Gegenleistung für die Bestellung des Rechts ist der Erbbauzins.
  • Der Erbbauzins zählt beim Grundstückseigentümer regelmäßig zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und führt beim Erbbauberechtigten bei privater Vermietung zu Werbungskosten.
  • Das Erbbaurecht unterliegt nicht der Umsatzsteuer.
  • Die Bestellung bzw. die Übertragung des Erbbaurechts ist grunderwerbsteuerpflichtig.

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines zum Erbbaurecht
2 Das Erbbaurecht im Betriebsvermögen
3 Die Behandlung der Erbbauzinsen
3.1 Im betrieblichen Bereich
3.2 Im privaten Bereich
4 Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts
5 Abschreibungen
6 Aufwendungen zur Erbbaurechtsablösung als Gebäude-Herstellungskosten
7 Behandlung bei der Einheitsbewertung
8 Behandlung bei der Bedarfsbewertung
8.1 Grundbesitzbewertung ab 1.1.2009
8.1.1 Wert des Erbbaurechts
8.1.2 Wert des belasteten Grundstücks
8.1.3 Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes
8.2 Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006, aber vor dem 1.1.2009
9 Behandlung bei der Umsatzsteuer
9.1 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
9.2 Folgen des Verzichts auf die Steuerbefreiung
10 Behandlung bei der Grunderwerbsteuer
11 Literaturhinweise
12 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines zum Erbbaurecht

Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche dingliche Recht, auf fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Das Erbbaurecht wird im Grundbuch eingetragen und wie ein Grundstück behandelt (grundstücksgleiches Recht; §§ 1 und 11 ErbbauRG). Das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück verbleibt aber weiterhin im Eigentum des Erbbauverpflichteten.

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2. Das Erbbaurecht im Betriebsvermögen

Im Betriebsvermögen ist das Erbbaurecht handelsrechtlich ein Vermögensgegenstand und steuerlich ein Wirtschaftsgut. Das Erbbaurecht ist beim Anlagevermögen auszuweisen (H 5.5 [Erbbaurecht] EStH) und ist kein immaterielles Wirtschaftsgut (BFH vom 4.6.1991, X R 136/87, BStBl II 1992, 70).

Wird betrieblicher Grund und Boden mit einem entgeltlichen Erbbaurecht belastet, so liegt ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine → Entnahme des Grund und Bodens vor.

3. Die Behandlung der Erbbauzinsen

3.1. Im betrieblichen Bereich

Die Erbbauzinsen sind dabei keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des Grundstücks und stellen im betrieblichen Bereich Betriebsausgaben bzw. beim Empfänger Betriebseinnahmen dar (BFH Urteil vom 20.11.1980, IV R 126/78, BStBl II 1981, 398).

3.2. Im privaten Bereich

Im privaten Bereich stellt das Entgelt Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dar (BFH Urteil vom 20.9.2006, IX R 17/04, BStBl II 2007, 112). Es ist unerheblich, ob die Erbbauzinsen in Form regelmäßig wiederkehrender Leistungen oder als Voraus- oder Einmalzahlungen erbracht werden. Einnahmen, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus vereinnahmt wurden, können entweder sofort bei Zufluss oder gleichmäßig verteilt auf den Zeitraum, für den die Vorauszahlung vereinbart ist, versteuert werden (Wahlrecht, § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG).

Für eine Erbbauzinsvorauszahlung ist § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG zu beachten. Wird die Vorauszahlung für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren geleistet, ist – für den WK-Abzug – eine zwingende Verteilung über den Zeitraum der Vorauszahlung vorgesehen. Das für Einnahmen geltende Wahlrecht gilt hier nicht.

Auch Leistungen, die der Erbbauberechtigte beim Heimfall des Erbbaurechts erbringt, sind wirtschaftlich Gegenleistung für die vorherige Nutzung. Insbesondere dann, wenn vereinbart ist, dass das vom Erbbauberechtigten errichtete Gebäude entschädigungslos übergehen soll, erzielt der Erbbauverpflichtete eine Einnahme aus der Nutzungsüberlassung (BFH Urteil vom 11.12.2003, IV R 42/02, BStBl II 2004, 353). In diesem Fall ist der Gebäudewert als nachträgliche Einnahme zu § 21 EStG zu erfassen, es gilt hier § 8 Abs. 2 EStG. Im Falle einer Vollentschädigung entsteht hingegen kein wirtschaftlicher Vorteil, daher entfällt auch die Versteuerung einer Einnahme. Gleiches gilt bei vertraglicher Auflösung des Erbbauchrechts.

Sofern der Erbbauberechtigte Erschließungskosten geleistet hat (z.B. zur Vorbereitung der Herstellung des Gebäudes), ist der hierdurch eingetretene Wertzuwachs des Grundstücks ebenfalls als Einnahme beim Erbbauverpflichteten zu erfassen. Auch hier gilt § 8 Abs. 2 EStG, vgl. H 21.2 [Erbbaurecht] EStH. Die Einnahme ist allerdings erst bei Realisierung des Wertzuwachses zu erfassen. Aus Sicht des Erbbauberechtigten sind die Erschließungskosten verteilt über die Laufzeit des Erbbaurechts als Werbungskosten abzugsfähig. Es liegen keine Anschaffungskosten des Grundstücks vor, sondern Anschaffungskosten des Erbbaurechts (BFH vom 20.3.2002, X R 34/00, BFH/NV 2002, 914 und vom 22.1.2003, X R 45/99, s. unter 4).

4. Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts

Einmalige Aufwendungen für den Erwerb eines Erbbaurechts (→ Grunderwerbsteuer, Maklerprovision, Notar- und Gerichtskosten, Erschließungsbeiträge; s.a. BFH Urteil vom 11.12.2003, IV R 42/02, BStBl II 2004, 353) sind Anschaffungskosten des WG »Erbbaurecht«. Diese sind über die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen (BFH vom 22.2.197, VI 295/65 sowie vom 14.9.1999, IX R 31/96). Beim Erwerb eines bebauten Erbbaurechts entfallen die gesamten Anschaffungskosten auf das Gebäude, wenn der Erwerber dem bisherigen Erbbauberechtigten nachweislich ein Entgelt nur für den Gebäudeteil gezahlt hat, während er gegenüber dem Erbbauverpflichteten (Grundstückseigentümer) nur zur Zahlung des laufenden Erbbauzinses verpflichtet ist (H 6.2 [Erbbaurecht] EStH).

5. Abschreibungen

Beim Erbbaurecht wie auch bei den aufgrund des Erbbaurechts errichteten Bauwerken ist die → Abschreibung zulässig. Hinsichtlich des Erbbaurechts sind die Aufwendungen für seinen Erwerb durch Abschreibungen auf die Laufzeit des Rechts zu verteilen. Bezüglich der aufgrund des Erbbaurechts errichteten Bauwerke ist der Erbbauberechtigte AfA-Berechtigter.

6. Aufwendungen zur Erbbaurechtsablösung als Gebäude-Herstellungskosten

Aufwendungen eines erbbauverpflichteten Grundstückseigentümers zur Ablösung des Erbbaurechts zählen zu den Herstellungskosten des anschließend auf dem Grundstück nach dem Abriss der vorhandenen Bebauung neu errichteten Gebäudes (BFH Urteil vom 13.12.2005, IX R 24/03, DStR 2006, 647).

7. Behandlung bei der Einheitsbewertung

Für die Einheitswertfeststellung (→ Einheitswertfeststellungen) bildet das Erbbaurecht gem. § 68 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 70 Abs. 1 BewG eine wirtschaftliche Einheit, für die nach § 92 BewG ein Einheitswert festzustellen ist. Das Erbbaurecht und das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück bilden zwei selbstständige wirtschaftliche Einheiten, für die je ein Einheitswert festzusetzen ist. Die Grundstücksart bestimmt sich nach der Nutzung des vorhandenen Gebäudes. Wurde noch kein Gebäude errichtet, so sind beide wirtschaftlichen Einheiten (belastetes Grundstück und Erbbaurecht) unbebaute Grundstücke. Beide wirtschaftlichen Einheiten sind gem. § 2 GrStG Steuergegenstand für die → Grundsteuer. Die Regelungen des BewG zur Einheitsbewertung sind nach der Entscheidung des BVerfG verfassungswidrig und nur noch für eine Übergangszeit anwendbar (BVerfG Urteil vom 10.4.2018, LEXinform 5215706). Der Gesetzgeber wurde verpflichtet bis zum 31.12.2019 eine gesetzliche Neuregelung zu treffen. Die bisherige Einheitsbewertung bleibt darüber hinaus bis längstens 31.12.2024 anwendbar.

8. Behandlung bei der Bedarfsbewertung

8.1. Grundbesitzbewertung ab 1.1.2009

Bei der Grundbesitzbewertung liegen zwei wirtschaftliche Einheiten vor, und zwar:

  • die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts, und

  • die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks.

Nach § 194 BewG sind die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht und die für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks gesondert zu ermitteln, vgl. R B 192.2 Satz 1 ErbStR.

Lasten auf einem Grundstück mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte, zerfällt die wirtschaftliche Einheit des Erbbaugrundstücks nach der Verkehrsauffassung in eine entsprechende Anzahl wirtschaftlicher Einheiten. Mit jedem Wohnungs- oder Teilerbbaurecht korrespondiert eine wirtschaftliche Einheit in Gestalt des anteiligen Erbbaugrundstücks. Das Erbbaurecht und das belastete Grundstück bilden stets selbstständige wirtschaftliche Einheiten. Dies hat der BFH mit Urteil vom 26.8.2020 klargestellt (BFH vom 26.8.2020, II R 43/18, LEXinform 0952265).

8.1.1. Wert des Erbbaurechts

Vorrangig soll der Grundbesitzwert für das Erbbaurecht (wie auch für das belastete Grundstück) nach dem Vergleichswertverfahren ermittelt werden, wenn für das zu bewertende Erbbaurecht (bzw. das Grundstück) ein Vergleichskaufpreis oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren vorliegen (vgl. §§ 193, 194 BewG). Soweit solche indes nicht vorliegen, sind die gesetzlich geregelten standardisierten Verfahren zu beschreiten. Da in der Praxis häufig keine Vergleichspreise vorliegen oder solche aus ähnlichen Faktoren abgeleitet werden können, wird das Standardverfahren häufig zum Tragen kommen.

Stehen zur Bewertung des Erbbaurechts Vergleichskaufpreise nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, ist die finanzmathematische Methode anzuwenden (vgl. § 193 Abs. 2 BewG). Offenbar aus Vereinfachungsgründen verzichtet der Verordnungsgeber auf die Regelung von Marktanpassungsfaktoren. Grob gegliedert ist folgendes Verfahren notwendig:

Abb.: Ermittlung Grundbesitzwert für Erbbaurechtsermittlung

Der Bodenwertanteil des Erbbaurechts entspricht dem wirtschaftlichen Vorteil, den der Erbbauberechtigte dadurch erlangt, dass er in vielen Fällen entsprechend den Regelungen des Erbbauvertrags über die Restlaufzeit des Erbbaurechts nicht den vollen Bodenwertverzinsungsbetrag leisten muss. Er ergibt sich gem. § 193 Abs. 3 BewG aus der Differenz zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins. Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich durch Anwendung des vom Gutachterausschuss ermittelten Liegenschaftszinssatzes auf den Bodenwert nach § 179 BewG bzw. mangels solcher aus den typisierten Zinssätzen.

Der so ermittelte Unterschiedsbetrag ist über die Restlaufzeit des Erbbaurechts mit dem Vervielfältiger nach Anlage 21 zu kapitalisieren.

Der Gebäudewertanteil des Erbbaurechts ist bei der Bewertung des bebauten Grundstücks im Ertragswertverfahren, der Gebäudeertragswert nach § 185 BewG und bei der Bewertung im Sachwertverfahren der Gebäudesachwert nach § 190 BewG zu ermitteln. Ist der bei Ablauf des Erbbaurechts verbleibende Gebäudewert nicht oder nur teilweise zu entschädigen, ist der Gebäudewertanteil des Erbbaurechts um den Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks zu mindern, § 193 Abs. 5 Satz 2 BewG.

Beispiel 1:

An einem Grundstück ist ein Erbbaurecht bestellt worden. Der Liegenschaftszinssatz i.S.d. § 193 Abs. 4 BewG beträgt 3 %, der jährlich erzielbare Erbbauzins 750 €. Sowohl die Restlaufzeit des Erbbaurechts als auch die des Gebäudes beträgt 50 Jahre. Der Wert des unbelasteten unbebauten Grundstücks i.S.d. § 179 BewG beträgt 60 000 €, der Sachwert des Gebäudes 100 000 €.

Lösung 1:

Ermittlung Bodenwertanteil

Grundstückswert nach § 179 BewG = 60 000 €

Liegenschaftszinssatz: 3 %

angemessene Verzinsung: 3 % von 60 000 €

1 800 €

tatsächlicher Erbbauzins

750 €

Unterschiedsbetrag

1 050 €

Kapitalisierung nach Anlage 21

1 050 € × 25,73

27 017 €

Ermittlung des Gebäudewertanteils nach § 193 Abs. 5 BewG:

lt. Sachverhalt

100 000 €

somit Wert des Erbbaurechts

127 017 €

Im Rahmen des JStG 2022 wird die Bewertung des Erbbaurechts an die geänderte ImmoWertV angepasst. Das JStG 2022 sieht dabei die Anpassung der Bewertung an die §§ 48 ff. ImmoWertV vor. In § 193 Abs. 1 BewG wird in Anlehnung an § 49 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 ImmoWertV die Ermittlung des Werts des Erbbaurechts durch Multiplikation des Werts des unbelasteten Grundstücks mit einem von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB abgeleiteten Erbbaurechtskoeffizienten nach § 23 ImmoWertV geregelt. Außerdem wird ab dem 1.1.2023 auf das Vergleichswertverfahren verzichtet.

Liegen keine Erbbaurechtskoeffizienten vor, erfolgt die Bewertung des Erbbaurechts nach § 193 Abs. 3–5 BewG:

Abb.: Ermittlung Erbbaurecht nach dem JStG 2022

8.1.2. Wert des belasteten Grundstücks

Auch der Wert des Erbbaugrundstücks ist grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Kommt eine Bewertung des Erbbaugrundstücks im Vergleichswertverfahren nicht in Betracht, ist der Wert nach einem Bodenwertanteil zu bestimmen. Dieser Bodenwertanteil ist um einen Gebäudewertanteil nach §§ 185 ff. BewG zu erhöhen, wenn der verbleibende Wert des Gebäudes vom Eigentümer des Erbbaugrundstücks nicht oder nur teilweise zu entschädigen ist.

Abb.: Bewertung belastetes Grundstück

Der Bodenwertanteil ist die Summe des über die Restlaufzeit des Erbbaurechts abgezinsten Bodenwerts nach § 179 BewG (Wert des unbebauten Grundstücks) und der über diesen Zeitraum kapitalisierten Erbbauzinsen. Der Abzinsungsfaktor für den Bodenwert wird in Abhängigkeit vom Zinssatz nach § 193 Abs. 4 BewG – dem typisierten Liegenschaftszinssatz – und der Restlaufzeit des Erbbaurechts ermittelt. Der Abzinsungsfaktor ist aus Anlage 26 zu entnehmen, § 194 Abs. 3 Satz 2 BewG. Es sind als Erbbauzinsen die im Bewertungsstichtag vereinbarten jährlichen Erbbauzinsen anzusetzen; diese sind mit dem Vervielfältiger nach Anlage 21 zu kapitalisieren.

Für den Gebäudewertanteil ist der Gebäudeertragswert oder der Gebäudesachwert auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts zu ermitteln; der dem Eigentümer entschädigungslos zufallende Wert oder Wertanteil ist auf den Bewertungsstichtag nach Anlage 26 abzuzinsen. Mithin entspricht der Gebäudewertanteil dem Wertvorteil, den der Grundstückseigentümer bei Beendigung des Erbbaurechts dadurch erlangt, dass er keinen oder nur einen Teil des bestehenden Werts des Gebäudes an den Erbbauberechtigten zu vergüten hat.

Im Rahmen des JStG 2022 wird auch die Bewertung des Erbbaugrundstücks (§ 194 BewG) angepasst. In § 194 Abs. 1 BewG wird in Anlehnung an § 51 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 ImmoWertV die Ermittlung des Werts des Erbbaugrundstücks durch Multiplikation des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks mit einem von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB abgeleiteten Erbbaugrundstückskoeffizienten nach § 23 ImmoWertV geregelt. Der Wert des Erbbaugrundstücks ist durch Multiplikation des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks mit einem Erbbaugrundstückskoeffizienten zu ermitteln (§ 194 Abs. 1 Satz 1 BewG). Wenn keine Erbbaugrundstückskoeffizienten vorliegen erfolgt die Bewertung nach § 194 Abs. 3–5 BewG. Auch bei der Bewertung des belasteten Grundstücks wird ab dem 1.1.2023 auf das Vergleichswertverfahren verzichtet.

Schematische Darstellung der Bewertung des belasteten Grundstücks (Erbbaugrundstück) nach der Gesetzesbegründung zum JStG 2022:

Abb.: Bewertung Erbbaugrundstück nach dem JStG 2022

8.1.3. Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes

Die Öffnungsklausel aus § 198 BewG ist auch bei Erbbaugrundstücken anwendbar. In formeller Hinsicht kann dieser Nachweis wie folgt erbracht werden:

  • durch den Gutachterausschuss (§ 192 ff. BauGB),

  • durch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Bewertung von Grundstücken oder

  • durch Sachverständige, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige für Immobilienbewertung zertifiziert sind.

Ob das Gutachten tatsächlich den Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung. Diese setzt voraus, dass dem Gutachten ohne weitere Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen gefolgt werden kann, insbes. ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens (vgl. BFH vom 25.4.2018, II R 47/15, BStBl II 2019, 144, Rz. 21, und vom 5.12.2019, II R 9/18, Rz. 13). Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens rechnet sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen (BFH vom 24.10.2017, II R 40/15, BStBl II 2019, 21, Rz. 13).

Materiell-rechtlich gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 Satz 2 BewG grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften. Die ImmoWertV regelt die Wertermittlung von Erbbaugrundstücken nicht ausdrücklich. Ihrer Systematik nach lässt sie die Wertermittlung über eine finanzmathematische Methode zu, so der BFH in seiner Entscheidung vom 14.10.2020 (BFH vom 14.10.2020, II R 7/18, LEXinform 0951775).

8.2. Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006, aber vor dem 1.1.2009

Mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) wird § 148 BewG neu gefasst.

Die bisherige Regelung des § 148 BewG für die Bewertung von Erbbaurechten unter Zugrundelegung des gezahlten Erbbauzinses und eines einheitlichen Vervielfachers von 18,6 für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts führt insbesondere bei kurzen Restlaufzeiten zu nicht vertretbaren Bewertungsergebnissen. Sie wurde daher durch eine Regelung ersetzt, wonach dem Eigentümer des Grund und Bodens (Erbbauverpflichteter) grundsätzlich dessen Wert und dem Erbbauberechtigten grundsätzlich der Wert des Gebäudes zugerechnet wird. In Fällen, in denen die Laufzeit des Erbbaurechts weniger als 40 Jahre beträgt und das Gebäude nach Ablauf des Erbbaurechts entschädigungslos auf den Erbbauverpflichteten übergeht, ist der Gebäudewert dem Erbbauberechtigten nur noch anteilig zuzurechnen.

Abb.: Bewertung des Erbbaurechts nach der Bedarfsbewertung

Nach § 138 Abs. 4 BewG kann der Stpfl. einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen.

Beispiel 2:

Das belastete Grundstück ist im Besteuerungszeitpunkt noch nicht bebaut.

Grundstücksgröße: 1 000 qm

Bodenrichtwert 1.1.1996 80 €/qm

Bodenrichtwert im Besteuerungszeitpunkt 120 €/qm.

Im Besteuerungszeitpunkt 1.1.2007 betragen die monatlichen Erbbauzinsen 260 €.

Lösung 2:

Bei der Ermittlung der Grundbesitzwerte für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks und für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts ist von dem Gesamtwert auszugehen, der sich für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude vor Anwendung des § 139 BewG ergäbe, wenn die Belastung nicht bestünde (§ 148 Abs. 1 BewG).

Ohne die Belastung handelt es sich um ein unbebautes Grundstück i.S.d. § 145 Abs. 1 BewG. Die Bewertung erfolgt nach § 145 Abs. 3 BewG.

1 000 qm × 120 € =

120 000 €

davon 80 % = Wert des belasteten Grundstücks

96 000 €

Grundbesitzwert Erbbaurecht

0 €

Der Wert des Grund und Bodens entfällt auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 148 Abs. 2 BewG).

Unter den Voraussetzungen des § 148 Abs. 3 BewG würde ein vorhandener Gebäudewert allein auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts entfallen.

Beispiel 3:

Der am 1.9.2003 verstorbene Erblasser hinterlässt ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück, das mit einem eigengenutzten Einfamilienhaus bebaut ist. Das Haus war seit Mitte 1983 bezugsfertig. Die übliche monatliche Miete für die 95 qm große Wohnung beträgt 420 €. Die Grundstücksgröße beträgt 880 qm, der Bodenrichtwert zum 1.1.1996 beläuft sich auf 900 DM/qm.

Der monatlich zu entrichtende Erbbauzins beträgt 260 €.

  1. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks hat bei Erlöschen des Erbbaurechts eine dem Wert des Gebäudes entsprechende Entschädigung zu leisten.

  2. Die Dauer des Erbbaurechts beträgt im Besteuerungszeitpunkt noch 20 Jahre und eine Entschädigungszahlung ist ausgeschlossen.

Lösung 3:

Der Wert des belasteten Grundstücks beträgt das 18,6-Fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses

Wert des belasteten Grundstücks 3 120 € × 18,6

58 032 €

Für den Wert des Erbbaurechts ist zunächst das bebaute Grundstück nach § 146 BewG zu bewerten.

Übliche Jahresmiete (420 € × 12 Monate =)

5 040 €

× Vervielfältiger 12,5 (= Ausgangswert)

63 000 €

Alterswertminderung 10 % (20 Jahre × 0,5 %)

./. 6 300 €

Zwischenwert

56 700 €

Zuschlag wegen Einfamilienhaus 20 %

+ 11 340 €

vorläufiger Grundstückswert

68 040 €

Grundbesitzwert (Bedarfswert) nach Abrundung (§ 139 BewG)

68 000 €

Mindestwertprüfung: Umrechnung Bodenrichtwert 1.1.1996 in €:

900 DM/qm : 1,95583

460,16 €

880 qm × 460,16 €/qm

404 940 €

Abschlag nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG (20 %)

./. 80 988 €

Mindestwert vor Abrundung

323 952 €

Da der Mindestwert den Ertragswert (68 000 €) überschreitet, ist der Mindestwert für Zwecke der Folgebesteuerung (hier: ErbSt) anzusetzen.

abzgl. Wert für das belastete Grundstück

./. 58 032 €

Grundstückswert des Erbbaurechts

265 920 €

Der Grundbesitzwert beläuft sich somit nach Abrundung gem. § 139 BewG auf 265 920 €.

Die Restlaufzeit des Erbbaurechts sowie eine eventuell zu leistende Entschädigungszahlung bzw. keine zu leistende Entschädigungszahlung haben auf den Wert des Erbbaurechts keine Auswirkung.

9. Behandlung bei der Umsatzsteuer

9.1. Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG

Die Bestellung eines Erbbaurechts ist umsatzsteuerrechtlich eine Dauerleistung i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG (Abschn. 3.1 Abs. 4 Satz 3 UStAE). Diese sonstige Leistung fällt nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG unter die Steuerbefreiung (Abschn. 4.9.1 Abs. 2 Nr. 1 UStAE).

9.2. Folgen des Verzichts auf die Steuerbefreiung

Hat der »Besteller« des Erbbaurechts wirksam auf die Steuerbefreiung verzichtet (§ 9 Abs. 3 UStG), so wird der Erbbauberechtigte nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG zum Steuerschuldner (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers), vgl. Abschn. 13b.1 Abs. 2 Nr. 5 UStAE.

10. Behandlung bei der Grunderwerbsteuer

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt die Bestellung eines Erbbaurechts der → Grunderwerbsteuer. Nach § 8 Abs. 1 GrEStG ist Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer grundsätzlich der Kaufpreis. Ist das erworbene Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, erwirbt der Käufer mit dem Grundstück zwangsläufig auch den Anspruch auf die Erbbauzinsen. Denn nach § 96 BGB stellt der Anspruch auf die Erbbauzinsen einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks dar. Für die Grunderwerbsteuer handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Kaufgegenstände. Der Anspruch auf die Erbbauzinsen stellt einen Geldanspruch dar, der gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Soweit der Kaufpreis für den Anspruch auf die Erbbauzinsen gezahlt wird, unterliegt er deswegen nicht der Grunderwerbsteuer. Während nach der bisherigen Rechtsprechung insofern eine Verhältnisrechnung nach der sog. Boruttau’schen Formel durchzuführen war, darf nach dem Urteil des BFH vom 6.5.2015 (Az.: II R 8/14, LEXinform 0934634) der Kapitalwert der Erbbauzinsen von dem Kaufpreis abgezogen werden. Denn es ist davon auszugehen, dass der Erwerber des Grundstücks für diese Geldforderung deren Nennwert bezahlt.

11. Literaturhinweise

Radeisen, Die Erbschaftsteuerreform 2008/2009, Stuttgart 2008; Weirich, Das Erbbaurecht, NWB Fach 24, 2277; Kölpin, Bilanzierung des Erbbaurechts, BBK Fach 13, 4307; Eisele, Jahressteuergesetz 2007: Neuerungen im erbschaftsteuerlichen Bewertungsrecht, INF 2007, 136.

12. Verwandte Lexikonartikel

Bedarfsbewertung

Gebäude auf fremdem Grund und Boden

Grundstück

Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG

Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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