Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
2 Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuerrechts
3 Allgemeiner Überblick über die Steuerpflicht
3.1 Besonderheiten bei der Schenkungsteuer
3.1.1 Allgemeines zur Schenkungsteuer
3.1.2 Einzelfälle aus der Rechtsprechung zu Schenkungstatbeständen
3.1.3 Entstehung der Schenkungsteuer
3.1.4 Sondertatbestände aus § 7 ErbStG
3.1.5 Verdeckte Gewinnausschüttungen
3.1.6 Schenkungsteuer bei disquotaler Einlage in das Gesellschaftsvermögen
3.1.7 Gemischte Schenkungen und Schenkungen unter Auflage – Rechtslage ab 1.1.2009
3.2 Übernommene Pflegeverpflichtung bei der Schenkungsteuer
3.3 Sachliche Steuerpflicht bei Erwerben von Todes wegen
3.4 Ergänzende Hinweise zur ErbSt
4 Der steuerpflichtige Erwerb
5 Freibeträge
5.1 Allgemeines
5.2 Die Steuerklassen
5.3 Die Freibeträge im Einzelnen
6 Die Steuersätze
7 Steuerbefreiung nach § 5 ErbStG
8 Berücksichtigung von Schulden
8.1 Grundsätze zum Abzug von Schulden
8.2 Einzelfälle
8.2.1 Erbschaftsteuer
8.2.2 Einkommensteuer
8.2.3 Weitergabeverpflichtung
8.2.4 Pflichtteilsansprüche
8.2.5 Schuldenkappung
8.3 Erbfallschulden und Pauschbetrag
9 Besonderheiten
10 Einzelne Verschonungsregeln
10.1 Grundvermögen
10.2 Unternehmensvermögen (inklusive Vermögen der Land- und Forstwirtschaft)
10.3 Änderungen durch die Erbschaftsteuerreform 2015
10.3.1 Grundsätzliche Anmerkungen
10.3.2 Begünstigungsfähiges und begünstigtes Vermögen
10.3.3 Altersversorgungsverpflichtungen (§ 13b Abs. 3 ErbStG)
10.3.4 Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 ErbStG)
10.3.5 Investitionsklausel
10.3.6 Gesonderte Feststellung des Verwaltungsvermögens
10.3.7 Berücksichtigung von Schulden, pauschale Umwidmung und junges Verwaltungsvermögen
10.3.8 Verschonungsregelungen
10.3.9 Lohnsummenregelung
10.3.10 Besonderer Abschlag für familiengeführte Unternehmen
10.3.11 Abschmelzung der Regel- und Optionsverschonung nach § 13c ErbStG
10.3.12 Stundungsregelung in Todesfällen
10.3.13 Verschonungsbedarfsprüfung
10.4 Besondere Hinweise
11 Änderung im Bewertungsgesetz
11.1 Allgemeines
11.2 Bewertung des Grundvermögens
11.2.1 Überblick Bewertungsverfahren
11.2.2 Ertragswertverfahren
11.2.3 Sachwertverfahren
11.2.4 Öffnungsklausel
11.3 Bewertung des Betriebsvermögens sowie der Anteile
11.4 Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen
12 Schuldenabzug
13 Literaturhinweise
14 Verwandte Lexikonartikel

1. Einleitung

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer nimmt im Bereich der steuerlichen Beratung einen erheblichen Stellenwert ein. Zuletzt wurde das ErbStG im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes geändert. Teile aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die zum 1.1.2024 in Kraft treten sollten, wurden in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz (BR-Drs. 656/23, Zustimmung durch Bundesrat am 15.12.2023) überführt. Neu eingeführt wurde § 2a ErbStG als Reaktion auf das Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1.1.2024. Rechtsfähige PersGes (z.B. Außen-GbR bzw. eGbR) gelten für das ErbStG als Gesamthand, das Gesellschaftsvermögen stellt Gesamthandsvermögen dar. Wird eine rechtsfähige GbR als Erbe eingesetzt, gelten deren Gesellschafter als Erwerber. Umgekehrt gelten die Gesellschafter als Zuwendende bei einer Schenkung durch eine rechtsfähige PersGes.

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Weitere Änderungen erfolgten durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die Änderungen sind eine Reaktion auf die BFH-Rspr:

  • § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG – Ausdehnung der beschränkten Steuerpflicht auf Vermächtnisansprüche (Reaktion auf BFH-Urteil vom 23.11.2022, II R 37/19) sowie

  • § 7 Abs. 9 ErbStG – Erweiterung der Schenkungstatbestände um disquotale Einlagen in eine KGaA; hierdurch wird die Werterhöhung der Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters der KGaA fingiert (Reaktion auf FG-Rspr., FG Hamburg vom 11.7.2023, 3 K 188/21, Revision anhängig unter II R 23/23).

2. Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuerrechts

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in seinem Urteil vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12, BGBl I 2015, 4) die Verschonungsregelungen nach §§ 13a und 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zwar grundsätzlich für notwendig gehalten. Allerdings wurde festgestellt, dass die bestehenden Verschonungsregelungen angesichts ihres Übermaßes aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Die festgestellten Gleichheitsverstöße umfassen wichtige Bausteine der Gesamtregelung und damit des gesamten Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts. Das BVerfG hat daher die §§ 13a und 13b in Verbindung mit der Steuertarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG und damit die Erhebung der derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuer insgesamt für mit der Verfassung unvereinbar erklärt.

Dem am 24.6.2016 vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundesrat am 14.10.2016 zugestimmt. Die Änderungen treten grundsätzlich rückwirkend zum 1.7.2016 in Kraft. Lediglich der neue Kapitalisierungsfaktor in der Unternehmensbewertung soll bereits ab 1.1.2016 gelten.

Es dürfte kaum verwunderlich sein, dass sich auch bei dieser Erbschaftsteuerreform erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel ergeben. Diese sind jedoch sehr differenziert zu betrachten.

Streitig war u.a., welche Rechtslage ab dem 1.7.2016 anzuwenden ist, da bis zum 30.6.2016 keine Neuregelung verabschiedet wurde.

Die Regelungen des ErbStG i.d.F. des WBG 2009 betreffend den Erwerb von Privatvermögen und den Steuersatz sind über den 30.6.2016 hinaus weiter anwendbar, dies hat der BFH mit Urteil vom 6.5.2021 entschieden (BFH vom 6.5.2021, II R 1/19, LEXinform 0952336). Bei dem Entscheidungsfall ging es um den Erwerb von Privatvermögen zum Stichtag 28.9.2016. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Erwerb unterliege nicht der ErbSt, die Rückwirkung sei unzulässig gewesen. Der BFH hingegen bestätigte die Anwendung des ErbStG über den 1.7.2016 hinaus bis zu einer gesetzlichen Neuregelung. Der Gesetzgeber habe lediglich die Besteuerung des Erwerbs von Betriebsvermögen neu geregelt. Nicht geändert hätten sich die Regelungen zum Erwerb von Privatvermögen. Deshalb konnte der BFH in seiner Entscheidung auch offenlassen, ob die 2016 geänderten Regelungen zum Erwerb von Betriebsvermögen verfassungskonform sind (vgl. auch BFH Pressemitteilung vom 11.11.2021).

Zur Frage der Steuerpause für Erwerbe nach dem 30.6.2016 ist ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (II R 7/23). Im Unterschied zum oben dargestellten Fall (BFH vom 6.5.2021 zum Übergang von Privatvermögen) ist nunmehr Gegenstand des Erwerbs begünstigungsfähiges Betriebsvermögen, sodass die Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG streitig ist. Das FG München hat hierzu entschieden, dass mit Ablauf des 30.6.2016 keine Steuerpause eingetreten sei (FG München vom 8.2.2023, 4 K 2771/21, EFG 2023, 718). Bei der durch das ErbStAnpG 2016 angeordneten Rückwirkung handele es sich um eine echte Rückwirkung, die aber zulässig sei, da zum Rückwirkungszeitpunkt, dem 1.7.2016, mit einer Änderung der Rechtslage zu rechnen war und somit kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage bestand. Da dieser Punkt bisher nicht höchstrichterlich entschieden wurde, hatte das FG München die Revision zugelassen (anhängig unter II R 7/23). Zur Besteuerung von Privatvermögen hat der BFH eine Steuerpause verneint (s.o. BFH vom 6.5.2021, LEXinform 0952336).

Die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer war erneut Gegenstand eines BFH-Verfahrens (Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung, BFH Beschluss II B 49/21 vom 17.1.2022, LEXinform 4245175). Im Entscheidungsfall wurde ausschließlich Privatvermögen vererbt. Die Kläger und Beschwerdeführer beriefen sich auf das Sozialstaatsprinzip und führten u.a. an, dass die Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13b, 13c ErbStG möglicherweise verfassungswidrig seien. Das FG hätte damit das Klagefahren dem BVerfG vorlegen müssen. Dem widersprach der BFH und sah die Beschwerde als unbegründet an. Die vom Kläger formulierte Frage, ob das Verschonungsregime des am 11.4.2018 geltenden ErbStG gegen Art. 3 GG verstößt, sei durch die Rspr. des BFH geklärt. Der BFH habe im Urteil vom 6.5.2021 (II R 1/19, Rz. 31) ausgeführt, dass er nicht von der Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen des materiellen Rechts überzeugt sei. Insbesondere sei die im Streitfall vorgenommene Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre. Auch habe der BFH entschieden, dass die vom Kläger angesprochene Verfassungswidrigkeit wegen »Hyperkomplexität« nicht vorliege, da das ErbStG nicht insgesamt gegen das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit verstoße und die einzelnen kritisierten Normen grds. nicht die Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von nicht begünstigtem (Privat-)Vermögen erfassen (Rz. 34 im o.g. Urteil vom 6.5.2021).

Einen Antrag auf ein Normenkontrollverfahren hat die Bayerische Staatsregierung am 16.6.2023 beim BVerfG gestellt (Az. 1 BvF 1/23, Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung der §§ 12 Abs. 3, 16 Abs. 1, 19 Abs. 1 ErbStG). Damit steht das ErbStG erneut auf dem Prüfstand. Bayern will die Höhe der Freibeträge und Steuersätze verfassungsrechtlich überprüfen lassen und strebt zudem die Möglichkeit einer Regionalisierung der ErbSt an. Begründet wird der Antrag u.a. damit, dass die Erben in Bayern durch die sehr hohen Immobilienpreise besonders benachteiligt seien.

3. Allgemeiner Überblick über die Steuerpflicht

Im Bereich der Erbschaftsteuer wird der Besteuerung unterworfen, was einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Gesamthandsgemeinschaft aus dem Nachlass eines Erblassers anfällt.

Die Schenkungsteuer ergänzt die Erbschaftsteuer, indem Schenkungen unter Lebenden erfasst werden. Erbschaftsteuerpflichtig ist der Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG), schenkungsteuerpflichtig ist hingegen jede freigebige Zuwendung unter Lebenden (§ 7 ErbStG). Zu unterscheiden ist im Rahmen der Beurteilung insbes. zwischen der sachlichen und der persönlichen Steuerpflicht. Während im Rahmen der sachlichen Steuerpflicht der Tatbestand der jeweiligen Vermögensübertragung zu prüfen ist (z.B. Schenkung), sind bei der persönlichen Steuerpflicht die persönlichen Voraussetzungen der am Vorgang Beteiligten zu prüfen. Ist eine der beteiligten Personen Inländer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG) und damit unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht gegeben, so hat das die folgenden Konsequenzen: Es unterliegt der gesamte Vermögensanfall der deutschen Erbschaftsbesteuerung, unabhängig davon, ob es sich um inländisches oder ausländisches Vermögen handelt. Es kommt somit das Weltvermögensprinzip zur Anwendung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. Steuerbefreiungen aufgrund bestehender DBA sind jedoch zu beachten. Eine Aufstellung der aktuellen DBA mit Regelungen zur ErbSt enthält H E 2.1 ErbStH.

Nach Abschaffung der Schenkungsteuer in Schweden kann das DBA Schweden bei einer Doppelansässigkeit des Schenkers im Inland und in Schweden kein Besteuerungsrecht in Schweden begründen. Dies hat zur Folge, dass die Schenkung eines in der Bundesrepublik Deutschland und zugleich in Schweden ansässigen Schenkers dem deutschen Schenkungssteuerrecht unterliegt (BFH vom 24.5.2023, II R 27/20, 28/20 und 29/20, LEXinform 0953305). Der BFH hat in den Entscheidungen klargestellt, dass das DBA Schweden nicht so auszulegen sei, als existiere in Schweden das ErbStG weiterhin fort.

Ist aufgrund eines DBA die Freistellungsmethode (z.T. DBA mit der Schweiz) anzuwenden, kommt es nach § 19 Abs. 2 ErbStG zu einem Progressionsvorbehalt. Besteht kein DBA oder regelt ein DBA die Anrechnungsmethode (alle übrigen DBA), erfolgt eine Anrechnung der ausländischen ErbSt nach den Grundsätzen des § 21 ErbStG. Zur Anrechnung vgl. unter 6. Beispiel 7.

Als Inländer gelten auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, § 2 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b EStG (= sog. erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht). Somit greift in diesem Fall die unbeschränkte persönliche Steuerpflicht, obwohl keine der beteiligten Personen in Deutschland einen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Umfang der Steuerpflicht erstreckt sich auch in diesen Fällen auf das gesamte Weltvermögen, § 2 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Die Regelung gilt gleichermaßen für Erbschafts- und Schenkungsfälle. Diese erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG und verstößt auch nicht gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit (BFH vom 12.10.2022, II R 5/20, LEXinform 0952749). Gegen diese Entscheidung des BFH hat der Kläger Verfassungsbeschwerde erhoben (BVB 325/25). Der BFH sah keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG. Die Vorschrift diene dazu, Steuerumgehungen durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegung ins Ausland zu vermeiden. Die Ungleichbehandlung deutscher und nichtdeutscher Staatsangehöriger sei gerechtfertigt. Diese Differenzierung kenne der Gesetzgeber etwa auch im Bundeswahlgesetz. Im Entscheidungsfall zog ein deutscher Staatsangehöriger im November 2011 von Deutschland in die Schweiz, kurze Zeit später übertrug ihm seine Mutter ein Grundstück unter Vorbehaltsnießbrauch. Das FA unterstellte eine unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG.

Die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht ist gegeben, wenn keiner der Beteiligten (Erblasser bzw. Schenker sowie Erwerber) ein Steuerinländer ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). In diesem Fall ist die Steuerpflicht auf das sog. Inlandsvermögen (§ 121 BewG) beschränkt. Das Inlandsvermögen ist in § 121 BewG abschließend aufgezählt (vergleichbar mit der Wirkung des § 49 EStG). Zum Inlandsvermögen zählen nur solche Vermögenswerte, die auch bei unbeschränkter Steuerpflicht dem Erwerb zuzurechnen sind (R E 2.2 Abs. 1 ErbStR). Zum Inlandsvermögen zählen beispielsweise

  • inländisches Grundvermögen,

  • inländisches Betriebsvermögen (Betriebsstätte nach § 12 AO im Inland bzw. ständiger Vertreter gem. § 13 AO im Inland bestellt),

  • Anteile an inländischen KapGes (Mindestbeteiligung 10 %).

Bei der Berechnung der Mindestbeteiligungshöhe von Anteilen an KapGes sind unmittelbar und mittelbar gehaltene Anteile zu berücksichtigen. Ist die Grenze von 10 % überschritten, unterliegen nur die unmittelbar gehaltenen Anteile der Besteuerung (R E 2.2 Abs. 3 Satz 5 ErbStR). Die mittelbar gehaltenen Anteile kann der Erblasser/Schenker nicht zuwenden, weil sie nicht in seinem Eigentum stehen.

Bei der Berechnung der 10 %-Grenze ist § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 und 3 ErbStG zu beachten. Durch die Regelung soll eine Steuerumgehung durch Schenkung eines Anteils in mehreren Schritten vermieden werden. Die 10 %-Grenze muss nur beim ersten Übertragungsvorgang erfüllt sein. Sinkt die Beteiligung des Schenkers nach der ersten Teilübertragung unter die 10 %-Grenze und erfolgt die nächste Übertragung innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums des § 14 ErbStG, stellt auch diese Übertragung Inlandsvermögen dar, auch wenn der Schenker nun nicht mehr entsprechend § 121 Nr. 4 BewG beteiligt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG).

Nicht erfasst werden z.B. inländische Sparguthaben, bewegliche Gegenstände im Inland (z.B. Pkw, Yacht im inländischen Hafen), Pflichtteilsansprüche oder auch Geld- bzw. Sachvermächtnisse. Zu Sachvermächtnissen hat der BFH in seiner Entscheidung vom 23.11.2022 (II R 37/19, LEXinform 0952554) klargestellt, dass diese nicht unter die beschränkte Steuerpflicht fallen, denn der sich aus dem Vermächtnis ergebende Herausgabeanspruch sei nicht in der Aufzählung des § 121 BewG enthalten. Das Vermächtnis an einem inländischen Grundstück unterliegt daher nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Zu beachten ist, dass dies nur gilt, wenn § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zur Anwendung kommt und keine der beteiligten Personen Inländer ist. Sobald entweder Erblasser oder Vermächtnisnehmer einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland innehaben, unterliegt der Vermächtnisanspruch der unbeschränkten Steuerpflicht. Als Reaktion auf diese BFH-Rspr. plant der Gesetzgeber die Ergänzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Künftig soll auch der Anspruch auf Übertragung von Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die Ergänzung ist im Rahmen des Wachstumschancengesetzes vorgesehen (Art. 34 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung) und ab der Verkündung des Gesetzes gelten.

Beispiel 1:

W mit Wohnsitz in Brasilien verstirbt am 6.9.2022 und hinterlässt seiner Tochter (Wohnsitz in Brasilien) den folgenden Nachlass:

  • Festgeldkonto bei einer Bank in München

  • Wohngrundstück in Brasilien

  • Geschäftsgrundstück in Hamburg

  • Aktiendepot bei einer in Deutschland ansässigen Bank (alle Beteiligung kleiner 1 %)

  • Beteiligung an einer GmbH mit Sitz in Berlin (Anteil 5 %). Bereits im Jahr 2016 hatte W seiner Tochter einen 15 %-Anteil an dieser GmbH im Schenkungswege übertragen.

In welchem Umfang liegt eine beschränkte Steuerpflicht vor?

Lösung 1:

Die beschränkte Steuerpflicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG umfasst nur das Inlandsvermögen aus § 121 BewG. Zum Inlandsvermögen zählt das Geschäftsgrundstück in Hamburg (§ 121 Nr. 2 BewG). Auch die Beteiligung an der GmbH zählt zum Inlandsvermögen (§ 121 Nr. 4 BewG). Der Anteil beträgt zwar nur 5 % für die beschränkte Steuerpflicht gilt jedoch § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG und die vorhergehende Schenkung ist für die Beteiligungsquote mit zu berücksichtigen. Da die Beteiligungsquote bei den Aktien kleiner als 1 % ist, liegt auch insoweit kein Inlandsvermögen vor. Das Festgeldkonto ist ebenfalls nicht in § 121 BewG aufgezählt, insbesondere ist § 121 Nr. 7 BewG nicht einschlägig.

Beispiel 2:

Die Erblasserin wohnte bis zu ihrem Tod in London, Alleinerbe wird ihr in München lebender Sohn. Zum Nachlass (gemeiner Wert 20 Mio. €) gehört u.a. auch ein in München belegenes Geschäftsgrundstück (gemeiner Wert 8 Mio. €). In ihrem Testament hat die Erblasserin ihre in Zürich lebende Enkeltochter als Vermächtnisnehmerin eingesetzt, das Vermächtnis umfasst das Geschäftsgrundstück in München.

Lösung 2:

Der Sohn als Alleinerbe unterliegt der persönlichen unbeschränkten Steuerpflicht, stpfl. ist der gesamte Vermögensanfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die Belastung aus dem Vermächtnis ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG), sodass der Sohn nur i.H.v. 12 Mio. € bereichert ist (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Da die Enkeltochter in Zürich wohnt und die Erblasserin in London, kommt insoweit nur die beschränkte Steuerpflicht in Betracht, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Voraussetzung ist, dass die Enkeltochter inländisches Vermögen (§ 121 BewG) erwirbt. Der Anspruch auf Herausgabe des Geschäftsgrundstücks (§§ 1939, 2174 BGB) ist nicht im Katalog des Inlandsvermögens aufgeführt und nicht mit dem unmittelbaren Erwerb des inländischen Grundstücks gleichzusetzen. Die Enkeltochter erwirbt kein Grundvermögen, sondern nur den Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks (BFH vom 23.11.2022, II R 37/19, LEXinform 0952554). Die Enkeltochter ist weder unbeschränkt noch beschränkt stpfl., für den Erwerb des Geschäftsgrundstücks fällt keine ErbSt an. Die Abzugsfähigkeit der Belastung beim Sohn ist hiervon nicht betroffen. Insgesamt fällt in Deutschland auf das Geschäftsgrundstück keine ErbSt an, weder beim Sohn noch bei der Enkeltochter.

Abb.: Die persönliche und sachliche Erbschaftsteuerpflicht

Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind rechtsfähige PersGes (§ 705 Abs. 2 BGB, §§ 706 ff. BGB; z.B. Außen-GbR, eGbR, OHG, KG) auch nach Einführung des MoPeG als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen zu behandeln, § 2a ErbStG. Reine Innengesellschaften sind hiervon nicht betroffen, da diese nicht rechtsfähig sind (§§ 740, 740a BGB).

Beispiel 3:

Die Geschwister Andrea und Bernd sind je zur Hälfte Gesellschafter der A&B-GbR. Viktoria, die Mutter der beiden, überträgt zum 1.2.2024 ein in Mainz belegenes Grundstück unentgeltlich auf die GbR. Die GbR wird als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Der Grundbesitzwert beträgt 800 000 €.

Lösung 3:

Ab dem Jahr 2024 liegt eine rechtsfähige GbR vor (§ 705 Abs. 2 BGB). Die GbR hat eigenes Gesellschaftsvermögen (§ 713 BGB). Zivilrechtlich wird durch die Schenkung die GbR bereichert. Das Grundstück zählt zum Gesellschaftsvermögen der GbR (nur bei reinen Innengesellschaften andere Lösung).

Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird das Vermögen der GbR (weiterhin) als Gesamthandsvermögen behandelt (§ 2a Satz 1 ErbStG). § 2a Satz 2 ErbStG stellt klar, dass die Gesellschafter A und B als Erwerber gelten. Dies bedeutet:

  • jeweils eine freigebige Zuwendung von Viktoria an A bzw. an B,

  • jeder wird um 400 000 € bereichert,

  • es gilt die Steuerklasse I und der persönliche Freibetrag von 400 000 €,

  • bei weiteren Schenkungen der Mutter ist § 14 ErbStG zu beachten!

Die GbR kann zivilrechtlich auch als Schenker auftreten und Gesellschaftsvermögen unentgeltlich übertragen. In diesen Fällen stellt § 2a Satz 3 ErbStG klar, dass für Zwecke der Schenkungsteuer die Gesellschafter der GbR als Zuwendende anzusehen sind. Auch hier hat dies Bedeutung für die Anwendung der Steuerklasse, des persönlichen Freibetrags und die Anwendung des § 14 ErbStG.

3.1. Besonderheiten bei der Schenkungsteuer

3.1.1. Allgemeines zur Schenkungsteuer

Schenkungsteuerpflichtig ist jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Schenker oder der Beschenkte Inländer ist bzw. Inlandsvermögen (§ 121 BewG) übertragen wird. Besteuerungsgrundlage ist der steuerpflichtige Erwerb. Bei einer Schenkung gelten allgemein die Vorschriften des ErbStG sofern diese nicht nur auf Erwerbe von Todes wegen anwendbar sind, § 1 Abs. 2 ErbStG (vgl. auch R E 1.1 ErbStR). So sind beispielsweise keine Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Die bei einer Schenkung anfallenden Erwerbsnebenkosten (z.B. Gebühren für den Notarvertrag, Grundbuchänderung usw.) sind jedoch bei der Ermittlung der Bereicherung abzugsfähig. Der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ist nicht anwendbar.

Als freigebige Zuwendung ist jede Bereicherung eines Erwerbers auf Kosten des Zuwendenden steuerbar, sofern eine Bereicherungsabsicht beim Zuwendenden bestand. Unter den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fallen z.B.:

  • unmittelbare Schenkungen (insbes. Geld- oder Sachschenkungen),

  • mittelbare Schenkungen (z.B. Schenkung von Geld zum Erwerb eines Grundstücks),

  • Schenkungen unter Auflage (z.B. Nutzungs- oder Leistungsauflagen),

  • gemischte Schenkungen (nicht ausgewogener Leistungsaustausch).

Für die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist somit eine objektive Bereicherung des Bedachten und damit einhergehend eine Entreicherung beim Zuwendenden sowie ein subjektiver Bereicherungswille durch den Zuwendenden notwendig. Die Kenntnis der Bereicherung beim Empfänger ist nicht zwingende Voraussetzung, ausreichend ist der Bereicherungswille beim Schenker. Deutlich wird dies bei gemischten Schenkungen, diese sind auch dann steuerbar, wenn dem Empfänger nicht klar war, dass ein nicht ausgewogener Leistungsaustausch vorliegt.

Von Kettenschenkungen spricht man, wenn ein Schenkungsgegenstand dem Bedachten nicht unmittelbar zugewendet wird, sondern über eine »Mittelsperson« (z.B. Zuwendung zunächst an das Kind, dieses schenkt an den Ehegatten weiter anstelle der unmittelbaren Zuwendung an das Schwiegerkind). Die Kettenschenkung wird häufig zur Ausnutzung der persönlichen Freibeträge eingesetzt. Für die Annahme einer Kettenschenkung ist Voraussetzung, dass der Erstbeschenkte in seiner Verfügungsmöglichkeit nicht durch eine Auflage des Schenkers (Weitergabeverpflichtung) eingeschränkt ist. Der Erstbeschenkte muss eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Verwendung des Schenkungsgegenstands haben. Überträgt ein Elternteil ein Grundstück schenkweise auf ein Kind und schenkt das bedachte Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Miteigentumsanteil an dem erhaltenen Grundstück an seinen Ehegatten weiter, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein und ohne dass der übertragende Elternteil die Weitergabe des Miteigentumsanteils am Grundstück veranlasst hat, liegt schenkungsteuerrechtlich keine Zuwendung des Elternteils an das Schwiegerkind vor. Dies hat der BFH in einem AdV-Verfahren klargestellt (BFH Beschluss vom 30.11.2011, II B 60/11). Das bloße Einverständnis des Elternteils mit der Weiterübertragung durch das Kind reiche nicht aus, um eine Zuwendung des Elternteils an das Schwiegerkind zu begründen, so der BFH in der Begründung.

3.1.2. Einzelfälle aus der Rechtsprechung zu Schenkungstatbeständen

Auch eine lebenslange unverzinsliche Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung (§ 1378 BGB) kann eine freigebige Zuwendung darstellen (BFH vom 22.8.2018, II R 51/15, LEXinform 0950584). Die Grundsätze für die Gewährung eines zinslosen Darlehens gelten für die zinslose Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung entsprechend. Wird ein Geldbetrag als Darlehen auf Lebenszeit zinslos überlassen, ist der nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 14 Abs. 1 BewG zu ermittelnde Kapitalwert des Nutzungsvorteils als schenkungsteuerrechtliche Bereicherung anzusetzen. Als Jahreswert gilt gem. § 15 Abs. 1 BewG grds. ein Zinssatz von 5,5 %.

Bei Ehegatten liegt keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, wenn der Alleinverdiener-Ehegatte die Zins- und Tilgungsleistungen für ein gemeinsam aufgenommenes Darlehen übernimmt. Gleiches gilt für die Übernahme der laufenden Grundstückskosten. Der BFH hat hierzu klargestellt, dass es zu keiner Vermögensverlagerung komme. Es bestehe kein Ausgleichsanspruch, daher könne auch keine Zuwendung vorliegen. Der BFH hat im Entscheidungsfall ausgeführt, dass die Übernahme der übrigen laufenden Grundstückskosten Unterhaltsleistungen nach §§ 1360, 1360a BGB darstelle (vgl. BFH vom 19.12.2019, VII R 18/17, LEXinform 0951555). Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt eine steuerbare Schenkung nur dann vor, wenn ein Vermögensvorteil zugewendet wird (»Bereicherung«). Dieser Vorgang setzt eine Entreicherung beim Schenker und eine Bereicherung beim Erwerber voraus.

Eine Grundstücksschenkung ist i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG noch nicht ausgeführt, wenn der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt (Tod des Schenkers) Gebrauch machen darf (BFH vom 2.2.2005, II R 26/02, BStBl II 2005, 312).

Mit Urteil vom 23.11.2011 (II R 33/10, LEXinform 0927778) hat der BFH entschieden, dass die Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (sog. Oder-Konto) der Eheleute zu einer der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendung an den anderen Ehegatten führen kann. Das Finanzamt muss jedoch anhand objektiver Tatsachen nachweisen, dass der nicht einzahlende Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann. Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Es muss noch geklärt werden, ob die Klägerin im Verhältnis zu ihrem Ehemann zur Hälfte an dem Kontoguthaben beteiligt war. Maßgebend hierfür sind die Vereinbarungen der Eheleute sowie die Verwendung des Guthabens. Je häufiger der nicht einzahlende Ehegatte auf das Guthaben des Oder-Kontos zugreift, um eigenes Vermögen zu schaffen, umso stärker spricht sein Verhalten dafür, dass er wie der einzahlende Ehegatte zu gleichen Teilen Berechtigter ist. Verwendet der nicht einzahlende Ehegatte dagegen nur im Einzelfall einen Betrag zum Erwerb eigenen Vermögens, kann das darauf hindeuten, dass sich die Zuwendung des einzahlenden Ehegatten an den anderen Ehegatten auf diesen Betrag beschränkt und nicht einen hälftigen Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto betrifft.

Hat ein Erblasser einem Bedachten eine Leistung schenkweise versprochen, ohne die hierfür erforderliche Form nach § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB einzuhalten, und wird das formnichtige Schenkungsversprechen nach seinem Ableben durch Bewirkung der versprochenen Leistung aus seinem Vermögen vollzogen, ist der Erblasser Zuwendender i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (vgl. BFH vom 23.6.2015, II R 52/13, LEXinform 0934476).

Zuwendungen einer ausländischen Stiftung sind nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar, wenn diese eindeutig gegen den Satzungszweck verstoßen (BFH vom 3.7.2019, II R 6/16, LEXinform 0950754). Dabei trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast für diejenigen Umstände, die zu einer eindeutigen Überschreitung des Satzungszweckes führen. Dem Entscheidungsfall lag eine Auszahlung einer Familienstiftung an einen Angehörigen zugrunde. Stiftungszweck war insbes. die Anschubfinanzierung von Angehörigen in jugendlichen Jahren. In der Urteilsbegründung hat der BFH nochmals klargestellt, dass satzungsgemäße Zuwendungen einer inländischen Stiftung an ihre Berechtigten nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerbar sind, weil es insoweit an einer Freigebigkeit der Zuwendung im Rechtssinne fehle. Bei ausländischen Stiftungen seien dieselben Grundsätze anzuwenden, denn für die Frage der Freigebigkeit spiele der Sitz des Zuwendenden keine Rolle. Auch für die Frage, ob eine Satzungsmäßigkeit der Zuwendung vorliegt, hat der BFH klargestellt, dass es weder erforderlich noch zulässig sei, die formelle und materielle Satzungsmäßigkeit einer Zuwendung im finanzbehördlichen oder finanzgerichtlichen Verfahren einer uneingeschränkten Prüfung zu unterziehen. Für die Frage, ob eine Ausschüttung (noch) den Satzungszweck verfolgt, bestehe eine stiftungsinterne Einschätzungsprärogative, die eine Überprüfung durch das FA und FG entsprechend beschränkt, so der BFH in der weiteren Begründung.

Zur Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG im Zusammenhang mit ausländischen Stiftungen (Trusts) hat der BFH u.a. mit Urteil vom 25.6.2021 entschieden (BFH vom 25.6.2021, II R 31/19, LEXinform 0952481). Zwischenberechtigter einer ausländischen Vermögensmasse i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG ist, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über dingliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche in Bezug auf Vermögen oder Erträge der Vermögensmasse verfüge. Bei Ausschüttungen aus einer ausländischen Vermögensmasse obliege es dem Empfänger, die Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls die erforderlichen Beweismittel dafür zu beschaffen, dass ihm nach Maßgabe des einschlägigen Rechts kein Anspruch auf die Ausschüttung zugestanden habe, entschied der BFH im o.g. Urteil.

Zur Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 ErbStG vgl. Ausführungen des BFH im Urteil vom 25.6.2021 (BFH vom 25.6.2021, II R 13/19, LEXinform 0952287). Streitig war u.a. die Zurechnung des Vermögens des Trusts zum Nachlass. Aus der Urteilsbegründung: Hat der Erblasser Vermögen in eine wirksam gegründete, rechtlich selbstständige und intransparente Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.d. §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ausgegliedert, ist es ihm nicht mehr zuzurechnen und gehört folglich nicht in die Erbmasse. Kann jedoch der Erblasser aufgrund vorbehaltener Befugnisse über das Vermögen weiterhin frei verfügen, ist die Vermögensmasse rechtlich als transparent zu betrachten und das Vermögen dem Erblasser weiter zuzurechnen. Es fällt beim Tod des Erblassers in den Nachlass und ist der Gesamtrechtsnachfolge zugänglich. Das Vermögen einer intransparenten, wirksam gegründeten und rechtlich selbstständigen Stiftung ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen und unterliegt schon deshalb nach inländischem Erbrecht nicht mehr der gesetzlichen Erbfolge oder einer Verfügung von Todes wegen. Ist einer Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist es nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung (vgl. BFH vom 5.12.2018, II R 9/15). Sind jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen einer ausländischen Stiftung vorbehalten, so dass die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter gegenüber tatsächlich und frei zu verfügen, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen.

3.1.3. Entstehung der Schenkungsteuer

Die Steuer entsteht bei Schenkungen mit der Ausführung der Schenkung, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Nicht entscheidend ist der Zeitpunkt des Schenkungsversprechens, sondern die Bewirkung der versprochenen Leistung. D.h. die tatsächlich eingetretene wirtschaftliche Bereicherung des Bedachten.

Besonderheiten sind allerdings bei Grundstücksschenkungen zu beachten. Hier ist weder der Übergang des wirtschaftlichen noch des zivilrechtlichen Eigentums maßgebend. Entscheidend ist, wann die Auflassung und die Eintragungsbewilligung vorliegen (BFH vom 26.9.1990, II R 150/88). Der Schenker muss die Eintragung der Rechtsänderung bewilligt haben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen darf (vgl. hierzu BFH vom 2.2.2005, II R 26/02).

Mehrere getrennte Zuwendungen, die kurz nacheinander erfolgen, müssen grds. in getrennten Steuerbescheiden erfasst werden. Bei einer körperlichen Zusammenfassung in ein Schriftstück muss das FA die jeweilige Zuwendung und den betreffenden Lebenssachverhalt genau bezeichnen. Ist dies nicht der Fall, entspricht das Schriftstück nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO (BFH vom 19.6.2020, II R 24/18, LEXinform 0951983). Der Entscheidungsfall betraf eine mehrmonatige Reise mit zugebuchten Leistungen. Der BFH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Übernahme der Kosten für die Luxus-Kabine sowie die abgerechneten Leistungen für Ausflüge, Restaurant-, Frisör- und Spaleistungen jeweils einzelne und voneinander zu unterscheidende Leistungen seien. Nach Auffassung des BFH liegt in solchen Fällen keine einheitliche Zuwendung vor. Das FA darf keine Zusammenfassung vornehmen. Die Steuerbarkeit ist für jede einzelne Zuwendung getrennt zu beurteilen. Im Hinblick auf § 14 ErbStG ist eine genaue Bestimmung des Zeitpunkts notwendig. Bei der Beurteilung der einzelnen Zuwendungen ist auch zu prüfen, ob eine Befreiung nach § 13 ErbStG in Betracht kommt (insbes. Unterhaltsleistung oder Gelegenheitsgeschenk).

Zum schenkungsteuerrechtlichen Erwerb bei Auflösung eines anglo-amerikanischen Trusts hat der BFH mit Urteil vom 25.6.2021 entschieden (BFH vom 25.6.2021, II R 40/18, LEXinform 0952064). Der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts ist lt. BFH in dem Moment ausgeführt, in dem das gebundene Vermögen zivilrechtlich wirksam auf den Anfallsberechtigten übergeht. Bei der Entscheidung ging es um die Frage, wann die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG erfüllt sind. Für Erwerbe bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG ist Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung der Moment, in dem das gebundene Vermögen zivilrechtlich wirksam auf den Anfallsberechtigten übergeht, so der BFH unter Verweis auf die Literatur hierzu. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise erfolgt nicht, maßgebeblich ist die Zivilrechtslage. Beim Erwerb i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 1 ErbStG sei auf der Grundlage des jeweils für die ausländische Vermögensmasse maßgebenden ausländischen Rechts zu beurteilen, wann die Vermögensmasse aufgelöst worden und der Erwerb durch den Stpfl. eingetreten ist. Welcher Rechtsordnung die Rechtsverhältnisse der Vermögensmasse einschließlich ihrer Auflösung unterliegen und nach welcher Rechtsordnung sich ggf. der Übergang einzelner Vermögensgegenstände der Vermögensmasse auf den Erwerber vollzieht, richte sich nach den Regeln des Internationalen Privatrechts, so der BFH in der weiteren Urteilsbegründung.

3.1.4. Sondertatbestände aus § 7 ErbStG

§ 7 ErbStG enthält eine Reihe von besonderen Tatbeständen, die Steuerumgehungen verhindern sollen. Einzelfälle aus § 7 Abs. 1 ErbStG sind z.B.:

  • Erwerb durch Vollziehung einer Auflage,

  • Abfindung für Erbverzicht,

  • Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden.

Weitere Sondertatbestände werden in den Absätzen 5 bis 8 geregelt. So insbes. § 7 Abs. 6 ErbStG (überhöhte Gewinnbeteiligung), § 7 Abs. 7 ErbStG (Bereicherungen im Zusammenhang mit Buchwertklauseln beim Ausscheiden eines Gesellschafters), § 7 Abs. 8 ErbStG (Werterhöhungen bei Mitgesellschaftern infolge von Einlagen in eine KapGes, vgl. unten 3.1.3). Im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes soll § 7 ErbStG um einen neuen Abs. 9 ergänzt werden. Durch diesen sollen auch disquotale Einlagen in eine KGaA, die zu einer Werterhöhung des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters führen, erfasst werden. Die Behandlung eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA ist bisher nicht eindeutig geklärt. § 7 Abs. 8 ErbStG regelt nur Werterhöhung von Anteilen an KapGes und ist somit für persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA nicht anwendbar. Das FG Hamburg hat entschieden, dass die disquotale Einlage eines Kommanditaktionärs nicht nach § 7 Abs. 8 ErbStG als Schenkung zugunsten des nicht am Grundkapital beteiligten persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA gilt. Dieser hält keinen Anteil an einer KapGes i.S.d. Vorschrift, dessen Wert erhöht worden ist. Erhöht sich der Wert der Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA, der nicht am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt ist, dadurch, dass ein anderer Gesellschafter Vermögen in die KGaA einbringt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten, liegt keine freigebige Zuwendung des einbringenden Gesellschafters an den persönlich haftenden Gesellschafter vor. Wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der KGaA fehlt es unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Satzung an der Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern (vgl. FG Hamburg vom 11.7.2023, 3 K 188/21, Revision eingelegt unter II R 23/23). Es ist davon auszugehen, dass der BFH die Auffassung des FG Hamburg bestätigt. Die geplante Gesetzesänderung kommt der Entscheidung des BFH zuvor und soll die Regelungslücke zukünftig schließen.

Im Zusammenhang mit der Steuerpflicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG (Stiftungsgeschäft unter Lebenden) hat der BFH entschieden, dass die Rechtskraft eines Urteils einer erneuten Besteuerung dieses Erwerbs entgegensteht, wenn das FG den Schenkungsteuerbescheid mit der Begründung aufgehoben hatte, der vom FA besteuerte Erwerb sei weder für den im Bescheid genannten Zeitpunkt noch für einen späteren Zeitpunkt feststellbar (BFH vom 19.2.2020, II R 32/17, LEXinform 0951433). Zur Steuerklasse bei Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung vgl. unten unter 5.3 (BFH vom 28.2.2024, II R 25/21).

§ 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG erfasst die Einziehung eines Geschäftsanteils einer GmbH aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag. Wird der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den Abfindungsanspruch, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Zum Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG hat der BFH mit Urteil vom 17.11.2021 entschieden (BFH vom 17.11.2021, II R 21/20, LEXinform 0953221). Der BFH hat klargestellt, dass nicht nur Zwangseinziehungen erfasst werden. Steuerbar sei vielmehr die Werterhöhung von Anteilen der verbleibenden Gesellschafter durch jegliche Einziehung von GmbH-Anteilen nach § 34 Abs. 1, 2 GmbHG. Weiterhin hat der BFH klargestellt, dass es, anders als bei § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, nicht auf eine subjektive Bereicherungsabsicht ankomme. § 7 Abs. 7 ErbStG stelle bestimmte gesellschaftsrechtlich veranlasste Wertverschiebungen bei Ausscheiden eines Gesellschafters der Schenkung gleich, in Satz 1 solche durch Übergang dessen Anteils, in Satz 2 solche durch Werterhöhung der anderen Anteile, so der BFH in der Urteilsbegründung.

3.1.5. Verdeckte Gewinnausschüttungen

Verdeckte Gewinnausschüttungen basieren auf dem Gesellschaftsverhältnis und sind daher im Verhältnis der KapGes zu dem jeweiligen Gesellschafter nicht freigebig und können daher auch insoweit keinen Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen. Fraglich ist jedoch bisher gewesen, wie überhöhte Entgelte durch eine KapGes an eine dem Gesellschafter nahestehende Person zu würdigen sind.

In drei Entscheidungen des BFH hat dieser klargestellt, dass

  • im Verhältnis einer KapGes zu ihren Gesellschaftern keine freigebigen Zuwendungen möglich sind (nur offene bzw. verdeckte Gewinnausschüttungen, Kapitalrückzahlungen oder betrieblich veranlasste Rechtsbeziehungen),

  • ein überhöhtes Entgelt durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person nicht zu einer freigebigen Zuwendung der GmbH an die nahestehende Person vorliegt, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung mitgewirkt hat, in einem solchen Fall beruht die Vorteilsgewährung auf dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und dem Gesellschafter.

Vgl. hierzu die BFH-Urteile vom 13.9.2017 (II R 54/15, II R 32/16, II R 42/16, veröffentlicht im BStBl). Der BFH hat in der Urteilsbegründung u.a. ausgeführt, dass in diesen Fällen der jeweilige Gesellschafter selbst Schenker i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein kann. Wirkt der Gesellschafter an der Vereinbarung über eine erhöhte Vergütung der KapGes an die nahestehende Person mit, ist zu prüfen, ob im Verhältnis zwischen Gesellschafter und nahestehender Person eine freigebige Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt. Ob tatsächlich eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegt, hängt von der Ausgestaltung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung ab. Hier sind verschiedene Gestaltungen denkbar (z.B. Schenkungsabrede, Darlehen, Kaufvertrag), so in den Ausführungen in der Urteilsbegründung (BFH Urteil vom 13.9.2017, II R 54/15, Rn. 37). Die Finanzverwaltung hat ihre Verwaltungsanweisungen zu Schenkungen unter Beteiligung von KapGes überarbeitet und die Rspr. des BFH aufgenommen (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.4.2018).

Der BFH hat in der Urteilsbegründung der o.g. Entscheidungen immer wieder Bezug genommen auf die Mitwirkung des Gesellschafters und die Minderung seines künftigen Ausschüttungsvolumens zugunsten der ihm nahestehenden Person. Alle drei Urteilsfälle waren auch entsprechend gelagert. Und nur auf diese bezieht sich die Aussage, dass eine KapGes nicht Schenker sein kann.

Unklar ist, ob die Schenkung einer GmbH vorliegen kann, wenn

  • kein Gesellschafter an dem Vertrag mitgewirkt hat oder

  • der Empfänger keine dem mitwirkenden Gesellschafter nahestehende Person ist.

Weiterhin ist offengeblieben, ob eine freigebige Zuwendung auch dann vorliegt, wenn die überhöhten Entgelte das Ausschüttungsvolumen aller Gesellschafter mindern. In den oben genannten Urteilen war dies unproblematisch.

Eine freigebige Zuwendung zwischen den Gesellschaftern liegt hingegen vor, wenn ein Gesellschafter auf einen bereits entstandenen Gewinnanspruch zugunsten eines Mitgesellschafters verzichtet. In diesem Fall wird eine bereits bestehende Forderung übertragen. Diese Übertragung führt zu einer Bereicherung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Nicht geklärt ist, ob nach den neuen Rechtsansichten des BFH auch disquotale Gewinnausschüttungen zu freigebigen Zuwendungen zwischen den Gesellschaftern führen können. Im o.g. Ländererlass wird unter Abschnitt 2.6.4 ausgeführt, dass auch in Fällen einer nicht leistungsbezogen bestimmten disquotalen Gewinnausschüttung regelmäßig eine freigebige Zuwendung vorliege.

3.1.6. Schenkungsteuer bei disquotaler Einlage in das Gesellschaftsvermögen

Bei disquotalen Einlagen in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH liegt keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Für Vorgänge nach dem 13.12.2011 ist aber § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu prüfen. Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer KapGes, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürlichen Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erbringt. In diesen Fällen ist die Bereicherung wie folgt zu ermitteln:

  • Bewertung der GmbH nach den allgemeinen Grundsätzen – vor und nach der Einlage

  • Aufteilung des gemeinen Werts auf die Gesellschaft gem. § 97 Abs. 1b BewG

  • Differenz des Anteilswerts = Werterhöhung i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG

Die Werterhöhung kann sich beispielsweise im vereinfachten Ertragswertverfahren dadurch ergeben, dass junges Betriebsvermögen gem. § 200 Abs. 4 BewG gesondert anzusetzen ist. Zu beachten ist, dass die Bereicherung nach § 7 Abs. 8 ErbStG nicht nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigt ist, da keine Übertragung von Anteilen erfolgt.

Zur Steuerbarkeit einer disquotalen Einlage in das Gesellschaftsvermögen einer KG hat der BFH mit Urteil vom 5.2.2020 entschieden. Da § 7 ErbStG für disquotale Einlagen bei Mitunternehmerschaften keine spezielle Regelung enthält, muss eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geprüft werden. Fraglich ist, wer der Bedachte der disquotalen Einlage ist – der Mitgesellschafter oder die Gesamthandsgemeinschaft! Wer Bedachter in diesem Sinne ist, bestimmt sich nach der bisherigen Rspr. ausschließlich nach dem Zivilrecht (vgl. u.a. BFH vom 13.9.2017, II R 54/15, m.w.N.). Der BFH hat seine Auffassung in diesem Punkt geändert. Führt ein Gesellschafter dem Gesellschaftsvermögen einer KG im Wege einer Einlage ohne entsprechende Gegenleistung einen Vermögenswert zu, der hinsichtlich der Höhe über den aufgrund seiner Beteiligung an der KG geschuldeten Anteil hinausgeht (disquotale Einlage), kann eine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an einen anderen Gesellschafter vorliegen. Der andere Gesellschafter wird dadurch bereichert, dass sich seine Beteiligung am Gesamthandsvermögen der KG entsprechend erhöht, so der Leitsatz des BFH (BFH vom 5.2.2020, II R 9/17, LEXinform 0951218). Der BFH hat weiter ausgeführt, dass eine freigebige Zuwendung auch dann vorliege, die Einlage im Verhältnis zur KG gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, weil sie den Gemeinschaftszweck fördert. Denn bereichert wird nicht die Gesamthandsgemeinschaft (hier die KG), sondern der andere Mitgesellschafter. Insoweit entspricht der Bedachte i.S.d. Schenkungsteuerrechts (der Gesamthänder) nicht dem Beschenkten i.S.d. Zivilrechts (Gesamthandsgemeinschaft). Soweit der BFH in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, der Bedachte einer Schenkung sei ausschließlich nach Zivilrecht zu bestimmen, hält er hieran zumindest für die Beteiligung einer PersGes an einer Schenkung nicht fest.

3.1.7. Gemischte Schenkungen und Schenkungen unter Auflage – Rechtslage ab 1.1.2009

Für gemischte Schenkungen und Schenkungen unter einer Auflage (Leistungs-, Duldungs- bzw. Nutzungsauflage) wird die Bereicherung in Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ErbStG dergestalt ermittelt, dass von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Steuerwert abgezogen werden. Entsprechende Regelungen sind in R E 7.4 ErbStR zu finden.

Beispiel 4:

Vater V überträgt seiner Tochter T im Jahr 2022 ein Grundstück mit einem Verkehrswert von 1,1 Mio. €. Der Grundbesitzwert (gemeine Wert) soll 1 000 000 € betragen.

  1. T zahlt ihrem Vater 300 000 €.

  2. T zahlt ihrem Vater eine Leibrente von monatlich 2 000 €. Bei Bezug der Rente hat der Vater das 60. Lebensjahr vollendet.

  3. V behält sich ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor. Der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts entspricht dem Kapitalwert des Rentenrechts in Fall b).

Lösung 4:

Zu a): Es handelt sich um eine gemischte Schenkung. Als freigebige Zuwendung gilt der Wert, um den der gemeine Wert des Grundstücks den Wert der Gegenleistung überschreitet. Damit beträgt der Steuerwert der Bereicherung 700 000 € (1 000 000 € abzüglich 300 000 € Gegenleistung). Bei der Berechnung wird allein auf die Steuerwerte von Leistung und Gegenleistung abgestellt. Nach Abzug des persönlichen Freibetrages i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG von 400 000 € beträgt der steuerpflichtige Erwerb der Tochter 300 000 €. Zu b): Es handelt sich um eine Schenkung unter Leistungsauflage. Die Behandlung erfolgt grds. wie eine gemischte Schenkung. Vom Steuerwert der Schenkung ist der Steuerwert der Leistungsauflage abzuziehen. Der Kapitalwert der Rentenverpflichtung wird unter Berücksichtigung aktueller Sterbetafeln und einer Verzinsung von 5,5 % ermittelt (vgl. § 14 Abs. 1 BewG). Die jeweils anzuwendenden Vervielfältiger werden vom Bundesministerium der Finanzen jeweils auf den 1.1. eines Jahres veröffentlicht (für das Jahr 2022 durch BMF vom 4.10.2021). Der Vervielfältiger beträgt hiernach 12,852 (männlich, 60. Lebensjahr vollendet).

Der Kapitalwert der Leistungsauflage beträgt 308 448 € (24 000 × 12,852). Die Bereicherung der Tochter beträgt somit 691 552 €.

Zu c): Keine Änderungen im Vergleich zum Fall b). Bei der Berechnung des Jahreswertes des Nießbrauchsrechts ist § 16 BewG zu beachten. § 16 BewG begrenzt in diesem Fall den Jahreswert auf 53 763 € (1 000 000/18,6). Die Begrenzung ist hier ohne Bedeutung, der Jahreswert beträgt unverändert 24 000 €.

Für den Steuerwert der Schenkung sind die allgemeinen Steuerbefreiungen anwendbar, bei Schenkung eines vermieteten Wohnhauses gilt beispielsweise § 13d Abs. 1 ErbStG.

Ein Abzug der Gegenleistung, Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen ist nach § 10 Abs. 6 ErbStG beschränkt, wenn die Auflage bereits bei der Bewertung des Vermögens berücksichtigt wird (vgl. R E 7.4 Abs. 2 ErbStR).

Ein vom Schenker vorbehaltener lebenslanger Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten auch dann, wenn an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Der Nießbrauch des Schenkers erhält einen Rang nach dem Nießbrauch des Dritten. § 6 Abs. 1 BewG gilt nicht für einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind der vorrangige und der nachrangige lebenslange Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal mit dem höheren Vervielfältiger gem. § 14 BewG zu berücksichtigen (BFH Urteil vom 6.5.2020, II R 11/19 LEXinform 5023158 sowie inhaltsgleich II R 12/19).

Bei der Ermittlung der Bereicherung bei einer Schenkung unter Auflage ist eine aufschiebende bedingte Last auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten. Dabei wird der Kapitalwert einer lebenslänglichen Leistung mit dem bei Bedingungseintritt geltenden Vervielfältiger berechnet. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt findet nicht statt, so der BFH in seiner Entscheidung vom 15.7.2021 (BFH vom 15.7.2021, II R 26/19, LEXinform 0952298).

3.2. Übernommene Pflegeverpflichtung bei der Schenkungsteuer

Zur Behandlung von übernommenen Pflegeleistungen im Rahmen von Schenkungen nimmt die Finanzverwaltung in H E 7.4 Abs. 1 ErbStH Stellung. Die im Rahmen einer Schenkung vereinbarte Pflegeleistung stellt eine Gegenleistung dar und mindert damit die Bereicherung. Da der Grundstückserwerber erst im Bedarfsfall zur Pflege des Berechtigten verpflichtet ist, liegt insoweit eine aufschiebend bedingte Last vor, die nach § 6 Abs. 1 BewG vor Eintritt der Bedingung nicht zu berücksichtigen ist. Die Pflegeverpflichtung bleibt deshalb zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung außer Ansatz (BFH vom 7.6.1989, II R 183/85).

Pflegeleistungen können erst dann berücksichtigt werden, wenn der Pflegefall tatsächlich eingetreten ist und der Erwerber die Leistungen erbringt. Bei der Schenkungsteuer liegt ab diesem Zeitpunkt eine gemischte Schenkung vor. Die Pflegeverpflichtung wird hierbei mit ihrem Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für die Zuwendung (§ 11 ErbStG) angesetzt. Der Schenkungsteuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Vom Eintritt des Pflegefalles kann grds. erst dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte pflegebedürftig i.S.d. § 15 SGB XI ist. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I müssen erfüllt sein. Liegen diese nicht vor, hat der Erwerber im Einzelfall in geeigneter Weise zu belegen, dass bereits Pflegeleistungen erforderlich sind und er seiner Verpflichtung nachkommt.

Der Nachweis kann in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen oder in anderer geeigneter Weise geführt werden. Insbesondere kann regelmäßig angenommen werden, dass mit zunehmendem Alter eines Menschen auch dessen Hilfsbedürftigkeit zunimmt. So kann, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, schon bei einem über 80 Jahre alten Menschen von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen sein, ohne dass es hierzu eines Nachweises in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen bedarf (BFH vom 11.9.2013, II R 37/12). Allein die Unterbringung und Versorgung eines Pflegeempfängers in einem Pflegeheim schließen eine Berücksichtigung von Pflegeleistungen nicht aus. Denn diese können auch gegenüber einer Person erbracht werden, die in einem Pflegeheim lebt.

Der Wert der vom Erwerber zu erbringenden Pflegeleistungen bestimmt sich nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls, insbes. den vertraglich vereinbarten Leistungen. Es bestehen keine Bedenken, wenn für erbrachte Leistungen ein pauschaler Satz von 11 € je Stunde angesetzt wird. Dieser Betrag ergibt sich aus dem Mittelwert des Verhältnisses der derzeit gesetzlich festgelegten monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) zu dem jeweiligen Zeitaufwand für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 15 Abs. 3 SGB XI), aufgerundet auf einen vollen Eurobetrag. Der pauschale Satz ist anzusetzen unabhängig davon, ob und, wenn ja, in welcher Pflegestufe die zu pflegende Person eingestuft ist.

Diese Beträge sind zu kürzen, soweit die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt. Die Weitergabe selbst ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG von der Schenkungsteuer befreit. Dem Erwerber steht es frei, einen höheren Wert seiner Leistungen nachzuweisen. Die Pflegeleistungen sind mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalles zu bewerten. Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) abzuzinsen (zur Abzinsung vgl. gleichlautende Ländererlasse vom 9.9.2022).

3.3. Sachliche Steuerpflicht bei Erwerben von Todes wegen

Die sachliche Steuerpflicht zur ErbSt wird durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 ErbStG bestimmt. Als Erwerbe von Todes wegen werden insbes. folgende Fälle erfasst:

  • der Erbanfall beim Erben (Grundfall der Erbfolge, gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge),

  • der Anspruch auf ein Vermächtnis (§ 2147 BGB),

  • der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB),

  • Erwerbe durch Schenkung auf den Todesfall (insbes. bei Gesellschaftsanteilen, z.B. im Rahmen der sog. Fortsetzungsklausel bei PersGes, wenn die Abfindung der Erben niedriger ist als der Abfindungsanspruch),

  • die Abfindung für einen Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft.

Bei einem Vermächtnis erhält der Begünstigte aus dem Testament oder Erbvertrag einen Vermögensvorteil (§§ 1939, 2147 BGB). Der Vermächtnisnehmer selbst wird hierdurch nicht Erbe, sondern erwirbt lediglich einen Herausgabeanspruch gegenüber dem Erben. Der Erbe wird durch das Vermächtnis beschwert (§ 2174 BGB). Bei einem Sachvermächtnis ist der Gegenstand zunächst Teil des Nachlasses und fällt dem Erben zu. Dieser überträgt danach das Eigentum an den Begünstigten (Vermächtnisnehmer). Aus Sicht des Vermächtnisnehmers liegt ein Erwerb von Todes wegen vor (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Aus Sicht des Erben ist der Wert (i.d.R. Steuerwert des Gegenstandes) als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Der Erbe wird insoweit nicht bereichert. Ohne besondere Bestimmungen entsteht der Anspruch beim Vermächtnisnehmer mit dem Tod des Erblassers (§ 2176 BGB). Die ErbSt entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch beim Vermächtnisnehmer bereits mit dem Tod des Erblassers und nicht erst mit der späteren Eigentumsübertragung durch den Erben.

Besonderheiten können sich ergeben, wenn das Vermächtnis erst später fällig wird, z.B. beim Tod des Beschwerten (d.h. des Erben), vgl. hierzu § 6 Abs. 4 ErbStG. In diesem Fall erwirbt der Vermächtnisnehmer nicht vom ursprünglichen Erblasser, sondern vom Beschwerten. Wichtig ist dieser Aspekt bei Berechnung der ErbSt des Beschwerten, denn in diesem Fall darf die Vermächtnislast noch nicht als Nachlassverbindlichkeit angesetzt werden.

Der BFH hat in einer aktuellen Entscheidung bestätigt, dass der überlebende Ehegatte die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeiten abziehen kann, weil das Vermächtnis noch nicht fällig ist. Dem Urteil lag ein Berliner Testament mit einer sog. Jastrow’schen Klausel zugrunde. Diejenigen Kinder, die ihren Pflichtteil nicht fordern, erhalten beim Tod des erstversterbenden Elternteils ein betagtes Vermächtnis. Dieses Vermächtnis wird erst mit dem Tod des überlebenden Ehegatten fällig. Die zweifache Entstehung von Erbschaftsteuer in Bezug auf das durch die Jastrow’sche Klausel begründete Vermächtnis zum einen mit dem Tod des zuerst verstorbenen Vaters, bei dem die Mutter als Erbin das betagte Vermächtnis mangels Fälligkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen konnte, und zum anderen mit dem Tod der zuletzt verstorbenen Mutter, bei dem die Klägerin das zu diesem Zeitpunkt fällig gewordene betagte Vermächtnis als Vermächtnisnehmerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern hat, ist systemimmanent und nicht zu beanstanden, so der BFH in der Urteilsbegründung.

Das Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des überlebenden Ehegatten als von diesem stammend zu versteuern. Ist es zugleich Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten, kann es das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen (BFH vom 11.10.2023, II R 34/20, LEXinform 0953327).

Weitere Auswirkungen können sich z.B. bei der Steuerklasse und damit auch bei den Freibeträgen ergeben. § 6 Abs. 4 ErbStG stellt eine Gleichbehandlung mit den Nacherbschaften her.

Ist ein Vermächtnis erst mit dem Tod des beschwerten Erben fällig und ein zweiter Vermächtnisnehmer für den Fall bestimmt, dass der erste Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses verstirbt, erwirbt – sollte sich dies realisieren – der zweitberufene Vermächtnisnehmer von dem beschwerten Erben, nicht aber vom erstberufenen Vermächtnisnehmer. Zeitpunkt des Erwerbs ist der Tod des Erben. Ob zivilrechtlich die beiden Vermächtnisse als Vor- und Nachvermächtnis zu qualifizieren sind, ist für Zwecke der Erbschaftsteuer nicht erheblich (BFH vom 31.8.2021, II R 2/20, LEXinform 0952716).

Hinterbliebenenbezüge des Erblassers unterliegen nicht der ErbSt, wenn diese kraft Gesetzes entstehen, z.B. Versorgungsansprüche aufgrund von Beamtengesetzen oder auch aus der Verwitwetenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Einzelheiten hierzu vgl. R E 3.5 ErbStR. Private Hinterbliebenenansprüche (z.B. aus Lebensversicherungsverträgen) sind unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Verträge zugunsten Dritter stpfl.

Zum Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG hat der BFH klargestellt, dass diese Vorschrift nur positive Erwerbe besteuert. Der Ansatz eines negativen Erwerbs ist ausgeschlossen.

§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG fingiert einen Erwerb von Todes wegen, wenn bei einer Anwachsung der Anteilswert Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. In diesen Fällen liegt ein Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall vor.

Betroffen sind insbes. die »Fortsetzungsklauseln« bei PersGes (§§ 736, 738 BGB). In diesen Fällen fällt der Gesellschaftsanteil nicht in den Nachlass, der Anteil wächst den übrigen Gesellschaftern aufgrund gesellschaftsvertraglicher Grundlage an. Den Erben steht ein Abfindungsanspruch zu, dieser gehört zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Abfindungsanspruch ist als Forderung mit dem Nennwert zu bewerten.

Da die Anwachsung nicht durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst wird, hat der Gesetzgeber einen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG fingiert. Dies gilt aber nur, soweit der gemeine Wert des Anteils höher ist als der Abfindungsanspruch. Im Entscheidungsfall war aber der Abfindungsanspruch der Erben höher als der gemeine Wert des KG-Anteils. Der Kläger begehrte einen negativen Erwerb in analoger Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. Sowohl das FG als auch der BFH bestätigten die Auffassung des FA. Ein negativer Erwerb ist nicht anzusetzen. Eine erweiternde Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG ist auch nicht in den Fällen oder mit Rücksicht auf diejenigen Fälle geboten, in denen die fortsetzenden Gesellschafter zugleich Erben des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters sind. Auch in diesen Fällen entspräche es nicht der Zielsetzung der Vorschrift, einen negativen Erwerb zu berücksichtigen, der mit anderen positiven Erwerben von Todes wegen zu verrechnen wäre und zu einer Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer der Erben führte (BFH vom 8.6.2021, II R 2/19, LEXinform 0952140).

Abfindungen für den Verzicht auf eine behauptete Erbenstellung werden von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG i.d.F. des StUmgBG erfasst, wenn der Verzicht nach dem 24.6.2017 erklärt wird (BFH Beschluss vom 1.12.2021, II B 34/21, LEXinform 4242759). Eine Rückwirkung der Neuregelung hat der BFH ausgeschlossen, da die gesetzliche Regelung eindeutig sei.

3.4. Ergänzende Hinweise zur ErbSt

Die ErbSt entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tode des Erblassers. In § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a–j ErbStG wird die Steuerentstehung für besondere Einzelfälle geregelt. So entsteht die Steuer bei Pflichtteilsansprüchen erst mit der tatsächlichen Geltendmachung. Erst zu diesem Zeitpunkt ist auch die Pflichtteilslast beim Erben als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Bei Erwerben durch Erfüllung einer Auflage erst mit dem Zeitpunkt der Erfüllung bzw. der Ausführung der Auflage.

Zum Zeitpunkt der Steuerentstehung bei Erwerb nach italienischem Erbrecht hat der BFH klargestellt, dass auch auf den Zeitpunkt des Todes abzustellen sei. Unerheblich sei die Entstehung der ErbSt nach italienischem Recht (erst mit der notwendigen Annahme der Erbschaft), vgl. BFH vom 17.11.2021 (II R 39/19, LEXinform 0952610). Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte daher keinen Erfolg, grundsätzliche Bedeutung in dieser Rechtsfrage lag aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht vor.

Schuldner der ErbSt ist gem. § 20 Abs. 1 ErbStG der Erwerber. Beim Erwerber handelt es sich um die Person, die durch den Erbanfall bereichert wurde, in der Regel der Erbe. Der ErbSt-Bescheid ist daher gegenüber dem Erben als Inhaltsadressat bekannt zu geben.

Sind die Erben noch nicht bekannt und besteht eine Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 2, § 1961, § 1962 BGB), kann ErbSt gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Mit der Rechtsfigur der unbekannten Erben i.S.d. § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB ist als zunächst abstraktes Subjekt, das sich später als eine Person oder – wenn der Nachlasspfleger nicht von vornherein als Pfleger für eine Einzelperson bestellt worden ist – als eine Mehrheit konkreter Personen erweisen kann, ein Steuerschuldner vorhanden, der Beteiligter eines Steuerschuldverhältnisses sein kann (BFH Beschluss vom 21.12.2004, II B 110/04 und BFH vom 17.6.2020, II R 40/17, LEXinform 0457391). Die Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben ist zulässig, wenn hinreichend Zeit zur Verfügung stand, die Erben zu ermitteln. Für eine Erbenermittlung, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall in der Regel angemessen. Jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren und fünf Monaten ist es auch bei besonders schwierigen Erbenermittlungen nicht zu beanstanden, Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festzusetzen, vgl. o.g. BFH vom 17.6.2020. Die Besteuerungsgrundlagen sind bei noch nicht ermittelten Erben gem. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen. In diesen Fällen ist der ErbSt Bescheid dem Nachlasspfleger bekanntzugeben.

Die Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer beginnt nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kj., in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat (Anlaufhemmung für die Festsetzungsfrist). Der Erwerber muss mit einer solchen Zuverlässigkeit und Gewissheit Kenntnis von seinem unangefochtenen Erbschaftserwerb erlangt haben, dass er in der Lage ist und von ihm deshalb auch erwartet werden kann, seine steuerlichen Anmelde- und Anzeigepflichten zu erfüllen. Ein durch letztwillige Verfügung eingesetzter Erbe erlangt Kenntnis von dem Erwerb, wenn er zuverlässig erfahren und somit Gewissheit erlangt hat, dass der Erblasser ihn durch wirksame letztwillige Verfügung zum Erben eingesetzt hat. Wird durch gerichtliche Entscheidung die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung festgestellt, liegen regelmäßig keine ernstlichen Zweifel an dem Bestand dieser Verfügung mehr vor. Mit der einmal erlangten Kenntnis ist die Wirkung des § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO verbraucht und eine Verlängerung der Anlaufhemmung nicht mehr möglich (BFH vom 27.4.2022, II R 17/20, LEXinform 0952929).

4. Der steuerpflichtige Erwerb

Besteuerungsgrundlage ist der steuerpflichtige Erwerb. Die Wertermittlung richtet sich nach den §§ 10 ff. ErbStG. Siehe dazu das Veranlagungsschema in R E 10.1 ErbStR.

Beim Erwerb durch Erbanfall sind zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs außer den Erblasserschulden (geerbte Schulden § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) weitere Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen (→ Erbrecht) vgl. unter 8.1 und 8.2. Für die Abzugsfähigkeit der geerbten Schulden ist weder die Fälligkeit noch die Entstehung der Schuld im Zeitpunkt der Steuerentstehung maßgebend. Es kommt hier allein auf die wirtschaftliche Verursachung durch den Erblasser an (»…vom Erblasser herrührende Schulden…«). Dies hat der BFH zu Steuerschulden entschieden (BFH Urteil vom 7.12.2012, II R 15/11, BStBl II 2012, 790), vgl. auch R E 10.8 Abs. 3 ErbStR.

Neben Verpflichtungen aus Pflichtteilen, Vermächtnissen und Auflagen (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) gehören dazu auch die Bestattungskosten des Erblassers sowie die Kosten der Abwicklung, Regelung, Verteilung und Erlangung des Erwerbs, für die ohne Nachweis insgesamt ein Pauschbetrag von 10 300 € abgezogen werden kann (sog. Erbfallkosten § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, R E 10.9 ErbStR, H E 10.9 [Aufteilung des Pauschbetrags] ErbStH; vgl. unter 8.3).

5. Freibeträge

5.1. Allgemeines

Die Bereicherung des Erwerbs wird um die dem Erwerber zustehenden Freibeträge gekürzt.

Welcher Freibetrag dem jeweiligen Erwerber zusteht, richtet sich nach seiner Steuerklasse (§ 15 ErbStG).

5.2. Die Steuerklassen

Da die anzuwendenden Steuersätze und persönlichen Freibeträge vorwiegend von der »Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses« abhängen, werden die jeweiligen Erwerber gesetzlich in bestimmte Steuerklassen eingeordnet. Die in § 15 ErbStG geregelte Zuordnung der Erwerber in bestimmte Steuerklassen wurde nicht geändert.

Steuerklasse I

Steuerklasse II

Steuerklasse III

  • Ehegatte, Lebenspartner

  • Kinder und Stiefkinder des Erblassers

  • Enkelkinder

  • Eltern und Voreltern bei Erwerb von Todes wegen

  • Eltern und Voreltern bei Erwerben durch Schenkung

  • Geschwister

  • Geschwisterkinder

  • Stiefeltern

  • Schwiegerkinder

  • Schwiegereltern

  • geschiedene Ehegatten

  • alle übrigen Erwerber

Abb.: Steuerklassen bei der ErbSt nach § 15 ErbStG

Für die Einordnung zur Steuerklasse I bei Kindern sind die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften maßgebend. Damit erhält ein Kind nur die Steuerklasse I, wenn der Erwerb von einem rechtlichen Elternteil erfolgt. Die biologische Abstammung ist hingegen ohne Bedeutung. Erwirbt ein Kind von seinem biologischen Vater, der nicht zugleich auch der rechtliche Vater ist, so wird dieser Erwerb nach der Steuerklasse III besteuert (BFH vom 5.12.2019, II R 5/17). Zur Steuerklasse bei Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung vgl. unten unter 5.3 (BFH vom 28.2.2024, II R 25/21).

5.3. Die Freibeträge im Einzelnen

Seit 2009 gelten folgende Freibeträge:

Persönliche Freibeträge

500 000 €

400 000 €

200 000 € bzw.

100 000 €

20 000 €

20 000 €

Ehegatte und der Lebenspartner

Kinder und Stiefkinder nach Steuerklasse I sowie Kinder verstorbener Kinder

Enkelkinder erhalten grds. einen Freibetrag von 200 000 €, die übrigen Personen der Steuerklasse I 100 000 €.

Personen der Steuerklasse II

Personen der Steuerklasse III

Daneben wird dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner und den Kindern bis zum vollendeten 27. Lebensjahr noch ein besonderer Versorgungsfreibetrag gewährt (s.a. R E 17 ErbStR). Er beträgt

  1. bis zu 256 000 € für den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner,

  2. zwischen 52 000 € und 10 300 € für Kinder.

Personen der Steuerklasse I erhalten für Hausrat einen Freibetrag von 41 000 €. Für andere körperliche Gegenstände erhalten sie einen Freibetrag von 12 000 €, § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Personen der Steuerklasse II und III erhalten für Hausrat und andere bewegliche Gegenstände einen Freibetrag von insgesamt 12 000 €, § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Abb.: Freibeträge nach §§ 16 und 17 ErbStG ab 2009

Urenkeln steht dann lediglich der Freibetrag i.H.v. 100 000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu, wenn Eltern und Großeltern noch nicht vorverstorben sind (BFH Beschluss vom 27.7.2020, II B 39/20).

Bei beschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG) ist nur Inlandsvermögen und nicht der gesamte Vermögensanfall stpfl. Der persönliche Freibetrag wird gem. § 16 Abs. 2 ErbStG um einen Teilbetrag vermindert, der dem Anteil des nicht steuerbaren Vermögens zum gesamten Vermögensanfall entspricht. Hierdurch soll eine Besserstellung der beschränkten Steuerpflicht im Vergleich zur unbeschränkten Steuerpflicht verhindert werden.

Beispiel 5:

A wird als Kind Alleinerbe von B. Der Erblasser hatte seinen Wohnsitz in Österreich, A als Erbe wohnt ebenfalls in Österreich. Der gesamte Nachlass umfasst 800 000 €, hiervon entfallen 200 000 € auf Inlandsvermögen.

Lösung 5:

Für Kinder beträgt der persönliche Freibetrag 400 000 €, § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Dieser gilt grds. auch in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht, § 16 Abs. 2 ErbStG. Der Freibetrag wird jedoch um 6/8 vermindert bzw. i.H.v. 2/8 angesetzt. A erhält somit einen persönlichen Freibetrag i.H.v. 100 000 €.

Fraglich ist, ob § 16 Abs. 2 ErbStG und § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit der jeweiligen Sonderregelung für beschränkt Steuerpflichtige gegen das Unionsrecht in Art. 63 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 65 AEUV verstoßen (FG Düsseldorf, EuGH Vorlage vom 20.7.2020, 4 K 1095/20). Bereits zu den Vorgängerregelungen (§ 16 Abs. 2 ErbStG a.F. und § 2 Abs. 3 ErbStG a.F.) hat der EuGH eindeutig geurteilt und jede Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch nationales Recht als Verstoß gegen EU-Recht angesehen.

Beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung ist für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags als »entferntest Berechtigter« zum Schenker derjenige anzusehen, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Unerheblich ist, ob die Person zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren ist, jemals geboren wird und tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird (BFH vom 28.2.2024, II R 25/21). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden der Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden. In diesem Fall ist gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet ist.

6. Die Steuersätze

Seit 2009 sind folgende Steuersätze zu beachten:

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich

Prozentsatz in der Steuerklasse

I

II

III

75 000 €

7

15

30

300 000 €

11

20

30

600 000 €

15

25

30

6 000 000 €

19

30

30

13 000 000 €

23

35

50

26 000 000 €

27

40

50

über 26 000 000 €

30

43

50

Abb.: Steuersätze gem. § 19 ErbStG ab 2009

Beispiel 6:

Der Vater wird von 2 Kindern zu je 1/2 beerbt. Der Nachlass besteht aus:

Grundstück

1 000 000 €

Kapitalvermögen

500 000 €

Hypothekenschuld

./. 80 000 €

Verkehrswert des Nachlasses

1 420 000 €

Erbanfall zu je 1/2

710 000 €

Ein Erbe übernimmt das Grundstück und die Hypothek und zahlt an den Miterben 210 000 €.

Lösung 6:

Erfasst wird der Erbfall zum Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Welche Nachlassgegenstände die Erben durch die Erbauseinandersetzung – die zeitlich nach dem Entstehungszeitpunkt erfolgt – tatsächlich erhalten, ist deshalb ohne Bedeutung, wenn sie sich wertgleich auseinandersetzen.

Grundvermögen

1 000 000 €

übriges Vermögen

500 000 €

Vermögensanfall

900 000 €

Hypothekenschuld

./. 80 000 €

Erbfallschulden (Pauschbetrag)

./. 10 300 €

Bereicherung insgesamt

809 700 €

pro Erbe

404 850 €

jeweils persönlicher Freibetrag

./. 400 000 €

steuerpflichtiger Erwerb (gerundet nach § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG)

4 800 €

Steuersatz jeweils

7 %

Erbschaftsteuer jeweils

336 €

Hinweis:

Auf eine Darstellung der möglichen Steuerbefreiung des § 13d Abs. 3 ErbStG wurde aus Vereinfachungsgründen verzichtet.

Die Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG kommt nur beim Erwerb durch eine natürliche Person der Steuerklasse II oder III in Betracht (§ 19a Abs. 1 ErbStG). Erwerbe durch juristische Personen und Vermögensmassen sind nicht begünstigt (vgl. auch § 97 Abs. 2 BewG).

Der Entlastungsbetrag wird nur für den Teil des zu einem Erwerb gehörenden begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG gewährt, das nicht unter § 13b Abs. 4 ErbStG fällt (tarifbegünstigtes Vermögen). Das sind bei der Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 ErbStG 15 % und bei der Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG 0 % des begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 1 und 2 ErbStG.

In den Fällen, in denen die Verwaltungsvermögensgrenze des § 13b Abs. 2 ErbStG überschritten wird, kann der Entlastungsbetrag nicht gewährt werden. Umfasst das auf einen Erwerber übertragene tarifbegünstigte Vermögen mehrere selbstständig zu bewertende wirtschaftliche Einheiten einer Vermögensart (z.B. mehrere Gewerbebetriebe) oder mehrere Arten begünstigten Vermögens (Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Anteile an KapGes), sind deren Werte vor der Anwendung des § 19a Abs. 3 ErbStG zusammenzurechnen. Ist der Steuerwert des gesamten tarifbegünstigten Vermögens nicht insgesamt positiv, kommt die Tarifbegrenzung nicht in Betracht.

Wenn ein Erwerber tarifbegünstigtes Vermögen aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss, kommt insoweit für ihn der Entlastungsbetrag nicht in Betracht. Der zur Weitergabe des begünstigten Vermögens verpflichtete Erwerber ist so zu besteuern, als sei das herauszugebende Vermögen auf ihn als nicht tarifbegünstigtes Vermögen übergegangen. Muss der Erwerber nicht das gesamte auf ihn übergegangene tarifbegünstigte Vermögen, sondern nur einen Teil davon weiterübertragen, ist der Entlastungsbetrag zu gewähren, soweit das ihm verbleibende tarifbegünstigte Vermögen einen insgesamt positiven Wert hat.

Nähere Ausführungen beinhaltet u.a. der koordinierte Ländererlass vom 25.6.2009 (BStBl I 2009, 713, A. 26,27).

Ausländische Steuern können nach Maßgabe des § 21 ErbStG auf die deutsche ErbSt angerechnet werden. Vorrangig gelten die in einem etwaigen DBA enthaltenen Regelungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (Liste der DBA auf dem Gebiet der ErbSt vgl. H E 2.1 ErbStH, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweiz, USA).

Beispiel 7:

Der Erblasser wohnte bis zu seinem Tod im August 2021 in München. Alleinerbin ist seine 30-jährige Tochter (Wohnsitz Brasilien). Der Nachlass umfasst:

Mietwohngrundstück

2 000 000 €

Ferienhaus Brasilien

400 000 €

In Brasilien gezahlte ErbSt

15 000 €

Geldanlage in Peru

80 000 €

In Peru gezahlte ErbSt

7 000 €

Übriges Vermögen

1 000 000 €

Verbindlichkeiten Mietwohngrundstück

50 000 €

Verbindlichkeiten Haus Brasilien

30 000 €

Wie hoch ist die festzusetzende Erbschaftsteuer?

Lösung 7:

Da der Erblasser seinen Wohnsitz im Inland hatte, liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht vor, der Wohnsitz der Erbin ist nicht entscheidend.

Mietwohngrundstück, § 13d Abs. 1 ErbStG

1 800 000 €

Ferienhaus Brasilien

400 000 €

Geldanlage in Peru

80 000 €

Übriges Vermögen

1 000 000 €

Steuerpflichtiger Vermögensanfall

3 280 000 €

Verbindlichkeiten Mietwohngrundstück,

§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 6 Satz 3 ErbStG

./. 45 000 €

Verbindlichkeiten Haus Brasilien

./. 30 000 €

Erbfallschulden § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG

./. 10.300 €

Bereicherung

3 194 700 €

Freibetrag § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

./. 400 000 €

Steuerpflichtiger Erwerb

2 794 700 €

Tarifliche ErbSt 19 %

530 993 €

Die im Ausland gezahlte ErbSt ist nach Maßgabe des § 21 ErbStG auf die deutsche ErbSt anrechenbar. Voraussetzung ist, dass Auslandsvermögen i.S.d. § 21 Abs. 2 ErbStG im Nachlass besteuert wurde. Hierzu zählt das Grundstück in Brasilien (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 BewG), nicht aber die Geldanlage in Peru (kein Fall des § 121 BewG und damit auch kein Fall des § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, vgl. auch BFH vom 19.6.2013, II R 10/12). Die in Peru gezahlte Steuer ist weder anrechenbar noch bei der Steuerermittlung abzugsfähig. Unterstellt die in Brasilien gezahlte Steuer entspricht der deutschen ErbSt und ist dort festgesetzt, gezahlt und unterliegt keinem Ermäßigungsanspruch, kann diese dem Grunde nach angerechnet werden. Der Höchstbetrag ergibt sich aus § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.

529 150 € ×

stpfl. Auslandsvermögen 370 000 €

= 61 088 €

stpfl. Gesamtvermögen 3 205 000 €

Das stpfl. Auslandsvermögen ergibt sich aus dem Wert des Grundstücks abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Schulden (400 000 € ./. 30 000 €). Das steuerpflichtige Gesamtvermögen entspricht der Bereicherung vor Abzug des Pauschbetrages für Erbfallkosten (3 194 700 € + 10 300 €). Die in Brasilien gezahlte Steuer ist in voller Höhe anrechenbar. Die festzusetzende ErbSt beträgt 514 150 €.

7. Steuerbefreiung nach § 5 ErbStG

Der ErbSt unterliegen Erwerbe von Todes wegen (insbes. durch Erbanfall) und der SchenkSt unterliegen insbes. freigebige Zuwendungen. Daher enthält § 5 ErbStG eine Steuerbefreiung für Ansprüche aus dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Erfolgt ein Zugewinnausgleich zu Lebzeiten, liegt keine freigebige Zuwendung vor, da ein gesetzlicher Anspruch nach §§ 1372 BGB ff. besteht. Der Anspruch beruht auf dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB). Die Steuerbefreiung in § 5 Abs. 2 ErbStG ist daher auch klarstellend, da bereits die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfüllt sind. Dies gilt auch für die sog. Güterstandsschaukel (vgl. H E 5.2 »Vertragliche Beendigung der Zugewinngemeinschaft mit anschließender Neugründung« ErbStH).

§ 5 ErbStG unterscheidet folgende Fälle:

  • § 5 Abs. 1 ErbStG: der überlebende Ehegatte wird Erbe und daher erfolgt kein tatsächlicher Zugewinnausgleich (= sog. erbrechtliche Lösung) und

  • § 5 Abs. 2 ErbStG: der Zugewinnausgleich in anderen Fällen (= sog. güterrechtliche Lösung).

Die erbrechtliche Regelung i.S.d. § 5 Abs. 1 ErbStG kommt zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte Erbe wird. Der Zugewinnausgleich erfolgt in diesem Fall entweder durch den Erbteil im Rahmen der gewillkürten Erbfolge oder pauschal durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um ein Viertel (§ 1371 Abs. 1 BGB). Hierbei ist es unerheblich, ob und welcher der Ehegatten tatsächlich einen Zugewinn erzielt hat. Der Zugewinn ist in diesem Fall Teil der Erbmasse und somit grds. im Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) enthalten. Für Zwecke der ErbSt sieht § 5 Abs. 1 ErbStG daher eine fiktive Ermittlung des Zugewinnausgleichs vor, dieser wird als Freibetrag gewährt und gleich somit den erhöhten Erbteil aus. Einzelheiten zur Berechnung vgl. R E 5.1 ErbStR.

Beispiel 8:

M stirbt im März 2021 und hinterlässt Ehefrau (F) und 2 Kinder. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand, ein Testament liegt nicht vor. Die Ehefrau wird Erbin. Das Anfangsvermögen von M bei Eheschließung betrug 1 Mio. € (indiziert), das Endvermögen im März 2021 8 Mio. €. Bei der überlebenden Ehefrau betrug das indizierte Anfangsvermögen 2 Mio. € und das Endvermögen beträgt 5 Mio. €. Die Verkehrswerte entsprechen den Steuerwerten.

Welche Auswirkungen ergeben sich auf die ErbSt der Ehefrau F?

Lösung 8:

Es liegt kein Testament vor, daher kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Der Zugewinnausgleich erfolgt nur pauschal nach § 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB. Der gesetzliche Erbteil (ein Viertel) erhöht sich um ein weiteres Viertel. Neben den Kindern erbt die Ehefrau zur Hälfte. Insoweit liegt ein Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall vor (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. ErbStG). Der pauschale Zugewinnausgleich ist Teil des Erbanfalls und daher zunächst steuerbar. Der Erbanfall beträgt 4 Mio. € (ein Halb des Endvermögens von M).

In diesem Fall ist nur für Zwecke der ErbSt ein Zugewinn zu ermitteln. Dieser fiktive Zugewinn ist gem. § 5 Abs. 1 ErbStG als Freibetrag zu berücksichtigen. Der Zugewinn von M beträgt 7 Mio. € und der Zugewinn von F 3 Mio. €. Die fiktive Ausgleichsforderung von F beträgt somit 2 Mio. € (ein Halb des Mehrbetrages, § 1378 Abs. 1 BGB). Der Freibetrag i.S.d. § 5 Abs. 1 ErbStG beträgt 2 Mio. €, als stpfl. bleibt ein Erwerb in Höhe von 2 Mio. € (Erbanfall 4 Mio. € abzüglich Freibetrag 2 Mio. €).

Die Berechnung des Zugewinns (Anfangs- und Endvermögen zu Verkehrswerten) erfolgt ausschließlich zur Bestimmung des Freibetrages nach § 5 Abs. 1 ErbStG. Daher enthält § 5 Abs. 1 ErbStG eine Reihe von Einschränkungen, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2–4 ErbStG sowie R E 5.1 Abs. 3 ErbStR.

Im Rahmen des JStG 2020 hat der Gesetzgeber § 5 Abs. 1 ErbStG um einen Satz 6 ergänzt. Der Freibetrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG wird zukünftig gekürzt, wenn der Nachlass steuerbefreites Vermögen enthält. Die fiktive Zugewinnausgleichsforderung wird nur noch im Verhältnis des stpfl. Nachlasses zum Nachlass insgesamt angesetzt. Dies bedeutet insbes. bei Steuerbefreiungen nach § 13a bis § 13c ErbStG sowie bei einer Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG eine deutliche Verschärfung. Zu berücksichtigen sind dabei nur Steuerbefreiungen, die sich auf die Bereicherung des überlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartners auswirken. Die Neuregelung gilt für Erwerbe nach dem 28.12.2020 (§ 37 Abs. 18 ErbStG). Zur Neuregelung vgl. auch ausführlich mit Beispielen die gleichlautenden Ländererlasse vom 13.9.2021 (LEXinform 7012932).

Beispiel 9:

A verstirbt und hinterlässt einen Nachlass i.H.v. 5 000 000 €, Alleinerbe ist Ehepartner B. Der stpfl. Wert des Nachlasses beträgt 4 000 000 €. Berücksichtigt wurde z.B. eine Steuerbefreiung für ein Familienheim, § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG.

Lösung 9:

Für die Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG ist zunächst der Zugewinn nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu berechnen. Die Berechnung erfolgt ausschließlich für erbschaftsteuerliche Zwecke, da im vorliegenden Fall § 1371 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden ist (sog. erbrechtliche Lösung). Der Zugewinn ist auf Basis der Verkehrswerte zu berechnen, beispielsweise:

A

B

Endvermögen

5 000 000 €

1 000 000 €

Anfangsvermögen

0 €

0 €

Zugewinn

5 000 000 €

1 000 000 €

Differenz

+ 4 000 000 €

Fiktiver Ausgleichsanspruch von B

./. 2 000 000 €

+ 2 000 000 €

Die fiktive Zugewinnausgleichsforderung beträgt hier 2 Mio. € und wird bei B als Freibetrag i.S.d. § 5 Abs. 1 ErbStG angesetzt:

Berechnung für Zwecke der ErbSt:

bisher

JStG 2020

stpfl. Nachlass

4 000 000 €

4 000 000 €

Abzüglich fiktiver ZGA § 5 Abs. 1 ErbStG

2.000 000 €

1 600 000 €

Bereicherung von B

2 000 000 €

2 400 000 €

Die Zugewinnausgleichsforderung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 6 ErbStG nur noch i.H.v. 4/5 (= 1 600 000 €) abzugsfähig. Zu berücksichtigen sind dabei ausschließlich die auf den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner entfallenden Steuerbefreiungen. Soweit daneben von anderen Erwerbern Steuerbefreiungen in Anspruch genommen werden, bleiben diese bei der Berechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 6 ErbStG unberücksichtigt.

Wird eine Steuerbefreiung rückwirkend gemindert oder entfällt sie, z.B. für Familienheime oder für steuerentlastetes Unternehmensvermögen, wird die Steuerfestsetzung geändert und dabei auch die abzugsfähige fiktive Zugewinnausgleichsforderung neu berechnet.

Die Berechnung des Zugewinns erfolgt nach §§ 1373–1377 BGB.

Nach § 1376 Abs. 1 BGB wird der Berechnung des Anfangsvermögens der Wert zugrunde gelegt, den das beim Eintritt des Güterstands vorhandene Vermögen in diesem Zeitpunkt, das dem Anfangsvermögen hinzuzurechnende Vermögen im Zeitpunkt des (dinglichen) Erwerbs hatte. Durch die Geldentwertung eingetretenen, nur nominellen Wertsteigerungen des Anfangsvermögens und der Vermögensgegenstände, die diesem zuzurechnen sind, führen nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Zugewinnausgleich. Der durch den Kaufpreisschwund des Geldes verursachte, unechte Zugewinn ist dadurch von der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung auszunehmen, dass die nach § 1374 Abs. 1 BGB anzusetzenden (positiven) Anfangsvermögen beider Ehegatten mit dem Preisindex für die Lebenshaltung bei Beendigung des Güterstands multipliziert und durch den Index bei Beginn des Güterstands dividiert werden. Bei den dem Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnenden Vermögensgegenständen ist statt des Preisindexes bei Beginn des Güterstands der für den Zeitpunkt des Erwerbs maßgebende zu berücksichtigen. Die Inflationsbereinigung ist auch geboten, soweit Geldforderungen oder Geldschulden betroffen sind. Der Geldwertschwund ist auch bei der Beendigung durch den Tod eines Ehegatten zu berücksichtigen. Die zivilrechtliche Rspr. zur Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich ist für die Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG maßgebend. Dies schließt die Indexierung ein (BFH vom 22.7.2020, II R 42/18, Rz. 21 LEXinform 0952102). Zur Indexierung vgl. auch H E 5.1 Abs. 2 »Wertsteigerung infolge des Kaufkraftschwundes« ErbStH sowie BMF vom 29.1.2021, BStBl I 2021, 247).

Ein nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen erworbener Pflichtteilsanspruch ist eine rechtlich geschützte Position von wirtschaftlichem Wert, die bei Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen ist (BFH vom 22.7.2020, II R 42/18, LEXinform 0952102).

Von der güterrechtlichen Lösung spricht man, wenn der Ehegatte von der Erbschaft ausgeschlossen ist, ihm auch kein Vermächtnis zugewandt wird oder die Erbschaft ausschlägt. In diesem Fall wird tatsächlich ein Zugewinn – auch außerhalb des Steuerrechts – nach den Vorschriften der §§ 1373–1390 BGB berechnet. Der tatsächlich durchgeführte Zugewinnausgleich unterliegt nicht der ErbSt, § 5 Abs. 2 ErbStG. Im Rahmen der güterrechtlichen Lösung steht dem Ehegatten neben dem tatsächlichen (güterrechtlichen) Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1378 BGB) zusätzlich der kleine Pflichtteil zu. Steuerbar ist im Ergebnis nur der kleine Pflichtteil, § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. ErbStG. Der überlebende Ehegatte wird in diesem Fall nicht Erbe und hat gegenüber den Erben einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns und auf den kleinen Pflichtteil. Aus Sicht der Erben sind beide Verpflichtungen als Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG abzugsfähig. Für den Pflichtteil gilt dies jedoch nur, wenn dieser auch tatsächlich geltend gemacht wird.

8. Berücksichtigung von Schulden

8.1. Grundsätze zum Abzug von Schulden

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 ErbStG sind vom gesamten Vermögensanfall die Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und bereits nach § 12 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt worden sind. § 10 Abs. 6 ErbStG schränkt den Schuldenabzug wie folgt ein:

  • nicht abzugsfähig sind Schulden, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen (§ 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG);

  • Schulden und Lasten, die mit teilweise befreiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht (§ 10 Abs. 6 Satz 3 und Satz 9 ErbStG);

  • Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten (vgl. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG betriebliche Schulden eines Einzelunternehmens sind vorrangig Betriebsvermögen, → Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer);

  • Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder mit den nach § 13a ErbStG befreiten Anteilen an KapGes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 Satz 10 ErbStG);

  • Schulden und Lasten, die mit keinen Nachlassgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind anteilig allen Vermögensgegenständen zuzurechnen (§ 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG, z.B. Pflichtteilslasten, Konsumentendarlehen, Zugewinnausgleichsanspruch), vgl. Berechnungsbeispiel unter 8.2.

Zur nachträglichen Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten und zur Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO hat der BFH in seinem Urteil vom 26.7.2023 Stellung genommen (BFH vom 26.7.2023, II R 5/21, LEXinform 0953487). Im Entscheidungsfall ging es um die Höhe von Nachlassverbindlichkeiten im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsergänzungsanspruch. Der Erbanfall erfolgte im Jahr 2005. Neben der Zahlung des Pflichtteilsanspruchs musste der Kläger auch Prozesszinsen und Gerichtskosten leisten. Das zugrunde liegende Gerichtsverfahren endete im Jahr 2013. Der erstmalige ErbSt-Bescheid aus dem Jahr 2010 enthielt hinsichtlich der Höhe des Pflichtteilsanspruchs einen Vorläufigkeitsvermerk. Das FA hob im Jahr 2014 den Vorläufigkeitsvermerk auf, der Kläger beantragte im Jahr 2015 die Änderung des Bescheides hinsichtlich der Höhe der Pflichtteilslast. Das FA lehnte die Änderung mit Verweis auf die eingetretene Verjährung ab. Das FG nahm für die Prozesszinsen und Gerichtskosten ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO an. Der BFH sah dies anders, weil eine Änderung wegen der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen sei und auch die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt waren. Das FA erlangte zwar erst nachträglich Kenntnis von der Höhe der Kosten. Maßgebend ist jedoch die Kenntnis im Zeitpunkt der Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks im Jahr 2014. Die Kosten waren bereits im Jahr 2013 entstanden (dem Grunde und der Höhe nach), ein rückwirkendes Ereignis liegt demnach nicht vor. Die Kläger hätten gegen die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerkes im Jahr 2014 vorgehen müssen. Die Kosten wären dann in voller Höhe berücksichtigt worden.

Im Rahmen des JStG 2024 soll die Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten komplett neu strukturiert werden. Der bisherige Abs. 6 soll dabei durch neue Abs. 6, 6a, 6b ersetzt werden. Anlass ist die Entscheidung des EuGH vom 21.12.2021 zur Nichtabzugsfähigkeit von Pflichtteilsverbindlichkeiten bei beschränkter Steuerpflicht. Nach Auffassung des EuGH verstößt dies gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Diese Rspr. soll nun umgesetzt werden. Diese Änderung wird zum Anlass genommen, im Rahmen des JStG 2024 § 10 Abs. 6 ErbStG neu zu strukturieren. Die bislang in einem Absatz enthaltenen Regelungen zur Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten sollen gegliedert werden nach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der inländischen Besteuerung unterliegenden Vermögensgegenständen, teilweise steuerbefreiten Vermögensgegenständen und nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen. Inhaltliche Änderungen werden damit nicht bezweckt.

8.2. Einzelfälle

8.2.1. Erbschaftsteuer

Die ErbSt selbst ist zwar keine Erblasserschuld, aber eine Erbanfallschuld und somit eine Nachlassverbindlichkeit. Der BFH hat hierzu entschieden, dass die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete ErbSt eine Nachlassverbindlichkeit darstellt. Eine Beschränkung der Erbenhaftung für Erbschaftsteuerverbindlichkeiten ist nach § 2059 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Bei der Inanspruchnahme des Nachlasses nach § 20 Abs. 3 ErbStG besteht ein (Entschließungs-)Ermessen, sodass grundsätzlich keine Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme besteht (BFH Urteil vom 4.6.2019, VII R 16/18, LEXinform 0951920). Bei der Ermittlung der Bereicherung ist die zu zahlende ErbSt dann aber gem. § 10 Abs. 8 ErbStG nicht abzugsfähig.

8.2.2. Einkommensteuer

Zur Abzugsfähigkeit der ESt des Erblassers als Nachlassverbindlichkeit hat der BFH bereits mehrfach entschieden (u.a. BFH vom 14.12.2004, II R 35/03; BFH vom 4.7.2012, II R 15/11). Unproblematisch ist die ESt-Schuld aus Veranlagungszeiträumen, die im Zeitpunkt des Todes bereits abgelaufen sind. Für diese ist die ESt im Zeitpunkt des Todes bereits entstanden (vgl. auch R E 10.8 Abs. 2 ErbStR). Für die ESt Todesjahres gilt dies jedoch nicht. Die Finanzverwaltung hat ihre früher ablehnende Auffassung zur ESt-Schuld aus dem Todesjahr aufgegeben. Nach R E 10.8 Abs. 3 ErbStR sind diese grds. als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Dies geht auf die Entscheidung des BFH vom 4.7.2012 (II R 15/11) zurück. Danach muss die Verbindlichkeit vom Erblasser herrühren, nicht aber bereits entstanden sein. Im Fall der ESt muss die Schuld auf die vom Erblasser verwirklichten Tatbestände (Einkünfte) begründet sein. In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH jedoch auch klargestellt, dass Steuerschulden nur dann abgezogen werden können, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Daran fehle es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse in diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet werden könne, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen werde, so der BFH (BFH vom 11.7.2019, II R 36/16, LEXinform 0951076). Ändern sich die Verhältnisse nachträglich in der Weise, dass entgegen der Erwartung zum Todeszeitpunkt mit einer Geltendmachung der Steuerforderung zu rechnen ist, ist dies ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die ESt auf einen Aufgabegewinn nach § 16 EStG ist dann keine Nachlassverbindlichkeit, wenn die Betriebsaufgabe durch den Erben erklärt wurde (BFH vom 10.5.2023, II R 3/21, LEXinform 0953484). Der BFH hat entschieden, dass die ESt und die damit in Zusammenhang stehenden Nebensteuern, welche aufgrund einer durch die Erben nach § 16 Abs. 3b Satz 2 und § 14 Abs. 1 Satz 2 EStG rückwirkend erklärten Betriebsaufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes entstehen, nicht als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug gebracht werden können. Private Steuerschulden sind abzugsfähig, wenn diese vom Erblasser herrühren (s.o. BFH vom 14.12.2004). Dies ist der Fall, wenn die Einkünfte bis zum Tod des Erblassers verwirklicht werden. Sofern der Erbe die Betriebsaufgabe erklärt und hierdurch ein Aufgabegewinn zu versteuern ist, entsteht dieser erst nach dem Erbanfall. Somit kann keine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorliegen. In Betracht kommen kann eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG. Die Steuerermäßigung im Rahmen der ESt erfasst Tatbestände, die der ErbSt unterliegen, aber erst nach dem Erbanfall zu Einkünften führen (z.B. Zufluss von nachträglichen BE oder auch Gewinne aus der Veräußerung von WG bzw. aus der Veräußerung bzw. Aufgabe eines Betriebs).

8.2.3. Weitergabeverpflichtung

Ist ein Erbe aus Gründen, die ausschließlich in seiner Person ihre Ursache haben, verpflichtet, das Erbe an einen Dritten weiterzuleiten, stellt diese Verpflichtung keine vom Erwerb abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG (BFH vom 11.7.2019, II R 4/17, LEXinform 0951260). Im Entscheidungsfall wurde der Kläger, ein Pfarrer, aufgrund eines Testamentes Alleinerbe. Er zeigte die Erbschaft dem Landeskirchenamt an und stellte das Erbe vollumfänglich seiner Kirchengemeinde zur Verfügung. Das FA setzte die ErbSt gegenüber dem Pfarrer und nicht gegenüber der Kirchengemeinde fest. Der BFH hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger und nicht die Gemeinde sei testamentarisch Erbe geworden. Die Übertragung des Erbes auf die Gemeinde befreie den Pfarrer nicht von der ErbSt. Die Weiterleitung des Erbes könne nicht als Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Das FG sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Weiterleitungsverpflichtung, die der Dienstherr des Klägers ausgesprochen hat, nicht zu einem Abzug nach § 10 Abs. 5 ErbStG führt.

8.2.4. Pflichtteilsansprüche

Für Zwecke der ErbSt stellt § 10 Abs. 3 ErbStG klar, dass infolge eines Erbanfalls vereinigte Rechte und Pflichten nicht als erloschen gelten. Hatte beispielsweise der Erblasser eine Forderung gegenüber dem Erben, so erlischt zivilrechtlich aufgrund Konfusion der bestehende Anspruch. Erbschaftsteuerlich ist gem. § 10 Abs. 3 ErbStG die Forderung aber als Teil des Vermögensanfalls zu erfassen, obwohl die Forderung gegenüber dem Erben selbst besteht. Dies gilt auch im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen. Der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten kann die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches noch nachholen. Dies gilt, solange der Pflichtteilsanspruch nicht verjährt ist. In diesem Fall kann ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit in Betracht kommen. Erbschaftsteuerlich ist die Geltendmachung entscheidend für den Ansatz der Pflichtteilsschuld als Nachlassverbindlichkeit (vgl. Formulierung in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Gleiches gilt für die Erfassung der Pflichtteilsforderung als Erwerb von Todes wegen (vgl. Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). In seiner Entscheidung vom Februar 2020 hat dies der BFH nochmals bestätigt. Im Erbschaftsteuerrecht seien die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG nicht erloschen. Diese Fiktion umfasse auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reiche jedoch nicht so weit, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden könne, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war, so der BFH in den Leitsätzen (BFH vom 5.2.2020, II R 17/16, LEXinform 0950831 und BFH Urteil 5.2.2020, II R 1/16 LEXinform 0950833).

8.2.5. Schuldenkappung

Als Reaktion auf die BFH-Rspr. zum unbegrenzten Abzug von Pflichtteilsschulden im Zusammenhang mit steuerbefreitem Vermögen hat der Gesetzgeber im Rahmen des JStG 2020 § 10 Abs. 6 ErbStG angepasst. Schulden und Lasten, die in keinem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, sind anteilig allen Vermögensgegenständen zuzurechnen. Die Neuregelung gilt für Erwerbe nach dem 28.12.2020 (§ 37 Abs. 18 ErbStG). Zur Neuregelung vgl. auch ausführlich mit Beispielen die gleichlautenden Ländererlasse vom 13.9.2021 (LEXinform 7012932).

Beispiel aus der Gesetzesbegründung zur Berechnung der abzugsfähigen Schulden nach dem JStG 2020:

Alleinerbin des Erblassers E ist Tochter T; Sohn S macht den Pflichtteil i.H.v. 822 000 € geltend.

Der Nachlass besteht aus folgendem Vermögen:

Anteile an einer GmbH (vollständig begünstigtes Vermögen)

1 500 000 €

Beteiligung an einer KG (vollständig begünstigtes Vermögen)

500 000 €

Grundbesitz

1 500 000 €

Bankguthaben

1 000 000 €

Wert der Nachlassgegenstände

4 500 000 €

Weiterhin gehören zum Nachlass folgende Schulden und Lasten:

Schuld aus Anschaffung GmbH-Anteile

600 000 €

Schuld aus Anschaffung Grundbesitz

400 000 €

Konsumentendarlehen

200 000 €

Pflichtteilslast

822 000 €

Bestattungskosten

12 000 €

Wert der Nachlassverbindlichkeiten

2 034 000 €

Wie erfolgt die Zuordnung der Schulden und Lasten zu den einzelnen Nachlassgegenständen?

Lösung:

In einem ersten Schritt erfolgt eine direkte – wirtschaftliche – Zuordnung der Nachlassverbindlichkeiten zu den entsprechenden Nachlassgegenständen. Dabei ist auch zu beachten, ob Nachlassgegenstände zusammengefasst nach § 13a ErbStG begünstigtes Vermögen darstellen:

GmbH-Anteile

1 500 000 €

KG-Anteile

500 000 €

Zwischensumme

2 000 000 €

abzüglich direkt zuzuordnender Schulden (GmbH-Anteile)

600 000 €

Nettowert des nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens

1 400 000 €

Weitere direkte Zuordnung:

Grundbesitz

1 500 000 €

Bankguthaben

1 000 000 €

Zwischensumme

2 500 000 €

abzüglich direkt zuzuordnender Schulden (GmbH-Anteile)

400 000 €

Nettowert des weiteren Nachlasses

2 100 000 €

Nettowert des gesamten Nachlasses (1 400 000 € + 2 100 000 €)

3 500 000 €

In einem zweiten Schritt erfolgt die Aufteilung i.H.v. 1 022 000 €:

Zuordnung zum begünstigen Vermögen nach § 13a ErbStG:

1 022 000 € × 1 400 000/3 500 000

ergibt anteilige Schulden in Höhe von

408 800 €

Zuordnung zum weiteren Nachlass:

1 022 000 € × 2 100 000/3 500 000

ergibt anteilige Schulden in Höhe von

613 200 €

Nach dieser Zuordnung ergibt sich folgende Verteilung der Nachlassverbindlichkeiten:

Auf das § 13a ErbStG-Vermögen entfallende Schulden insgesamt:

direkte Zuordnung

600 000 €

anteilige Zuordnung

408 800 €

Summe (nur anteilig abzugsfähig, Schuldenkappung ist zu beachten)

1 008 800 €

Auf das nicht begünstige Vermögen entfallen:

direkte Zuordnung

400 000 €

anteilige Zuordnung

613 200 €

Summe (in voller Höhe abzugsfähig, keine Kappung der Schulden)

1 013 200 €

Für die Bestattungskosten erfolgt keine Zuordnung zu einzelnen Nachlassgegenständen, diese sind in voller Höhe nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig (siehe unter 8.3).

Das Beispiel aus der Gesetzesbegründung zeigt, die nun erforderlichen – umfangreichen – Berechnungsschritte. Berechnungsschritte bei Nachlass mit § 13a Vermögen und stpfl. Nachlass:

1. Schritt

  • Nachlassgegenstände zusammenfassen, für die eine Verschonung nach § 13a ErbStG zu gewähren ist (z.B. GmbH-Anteil, KG-Anteil)

  • Schulden direkt zuordnen

  • Nettovermögen I

2. Schritt

  • weiterer voll stpfl. Nachlass zusammenstellen

  • Schulden direkt zuordnen

  • Nettovermögen II

  • Nettovermögen I + Nettovermögen II = Summe Nettovermögen

3. Schritt

  • Nachlassverbindlichkeiten zusammenfassen, die nicht direkt zuzuordnen sind.

  • Aufteilung der allgemeinen Schulden

  • insbes. Pflichtteilslasten, Zugewinnausgleich, Konsumentendarlehen

  • § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG

    allgemeine Schulden Schritt 3 ×

    Nettovermögen I

    = anteilige Schulden I

    Summe Nettovermögen

    allgemeine Schulden Schritt 3 ×

    Nettovermögen II

    = anteilige Schulden II

    Summe Nettovermögen

4. Schritt

  • Zuordnung bzw. Zusammenfassung der Nachlassverbindlichkeiten

  • Summe aller Schulden im Zusammenhang mit § 13a-Vermögen

  • Summe aller Schulden im Zusammenhang mit stpfl. Nachlass

5. Schritt

  • Schulden im Zusammenhang mit § 13a-Vermögen ist nur anteilig abzugsfähig

  • Darstellung der Bereicherung

8.3. Erbfallschulden und Pauschbetrag

Neben den vom Erblasser herrührenden Schulden (= Erblasserschulden, § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) und den Verbindlichkeiten aus Auflagen, Vermächtnissen und Pflichtteilsansprüchen (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG), sind auch die durch den Erbfall selbst entstandenen Schulden abzugsfähig (= Erbfallschulden). § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zählt hierzu insbes. die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Grabpflege und für ein angemessenes Grabdenkmal. Kosten, die nach Abschluss der Bestattung und Herrichten eines ersten Grabdenkmals entstehen, sind grds. nicht als Erbfallschulden abzugsfähig.

Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal können im Einzelfall aber auch Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte gehören, wenn die erste Grabstätte nur als vorübergehende Ruhestätte des Verstorbenen bestimmt war (BFH vom 1.9.2021, II R 8/20, LEXinform 0952812). Die Angemessenheit eines Grabdenkmals richtet sich neben dem Umfang des Nachlasses nach der Lebensstellung des Erblassers. Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört (BFH vom 1.9.2021, II R 8/20, LEXinform 0952812). Streitig war die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Mausoleum i.H.v. 420 000 €. Berücksichtigt wurden zunächst nur die Aufwendungen für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal. Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte sind nach Auffassung des BFH dann abzugsfähig, wenn die Erstgrabstätte lediglich eine provisorische Zwischenlösung dargestellt hat. Das FG muss zusätzlich über die Angemessenheit des Aufwands für die Zweitgrabstätte, ggf. über die Reduktion der Kosten auf ein angemessenes Maß entscheiden.

Unter die Erbfallschulden fallen weiterhin alle Kosten, die der Erbe zur Nachlassabwicklung tragen muss, wie z.B. Testamentseröffnung, Erteilung eines Erbscheins, Berichtigung des Grundbuchs. Auch Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, sind als Nachlassregelungskosten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig. § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug nicht entgegen (BFH vom 6.11.2019, II R 29/16 und teilweise inhaltsgleich II R 6/17).

Steuerberatungskosten des Erben für die Nacherklärung von Steuern, die der Erblasser hinterzogen hat, sind als Nachlassregelungskosten abzugsfähig (BFH vom 14.10.2020, II R 30/19, LEXinform 0952387). Zur Berücksichtigung von Steuerberatungskosten für die Steuerangelegenheiten des Erblassers hat die Finanzverwaltung in einem gleichlautenden Ländererlass Stellung genommen (Erlass vom 9.2.2022, LEXinform 7013113). Vom Erben getragene Steuerberatungskosten, die im Rahmen der Einkommensteuerpflicht des Erblassers anfallen, insbesondere Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung des Erblassers, können als Erblasserschulden abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG darstellen, soweit sie vom Erblasser herrühren. Eine solche Schuld setzt voraus, dass der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten die Steuerberatung beauftragt hat (Verursacherprinzip). Hierunter fällt auch eine über den Tod des Erblassers hinausgehende Beauftragung, solange diese nicht durch eine Kündigung seitens des Erben beendet wird. Beauftragt erst der Erbe nach dem Tod des Erblassers die Steuerberatung, liegen keine Erblasserschulden vor.

Steuerberatungskosten, die dem Erben anlässlich einer Berichtigung für ursprünglich vom Erblasser abgegebene Steuererklärungen oder für die Nacherklärung von Steuern entstehen, die der Erblasser hinterzogen hat, sind als Nachlassregelungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig (BFH vom 14.10.2020 II R 30/19, s.o.). Den Erben trifft als Gesamtrechtsnachfolger gem. § 153 Abs. 1 AO eine Berichtigungspflicht hinsichtlich der noch vom Erblasser abgegebenen Steuererklärungen, soweit er deren Unrichtigkeit erkennt. Die Abgabe von Steuererklärungen für solche Steuerverbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren und damit dem Grunde nach Nachlassverbindlichkeiten darstellen, gehört zu den vom Erblasser herrührenden steuerlichen Pflichten. Beauftragt der Erbe zur Erfüllung seiner vom Erblasser herrührenden steuerlichen Pflichten eine Steuerberatung, dienen diese Kosten dazu, den Umfang der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten zu klären. Stehen die Steuerberatungskosten im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen, gehören sie nicht zu den Kosten der Nachlassverwaltung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG. Es ist unschädlich, dass die Kosten dem Grunde und der Höhe nach durch einen eigenen Entschluss des Erben ausgelöst werden. Durch den Ländererlass sind die Ausführungen in H E 10.7 [Steuerberatungskosten] ErbStH überholt und nicht mehr anzuwenden.

Zu den Nachlassregelungskosten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG fallen auch Kosten für die Haushaltsauflösung und die Räumung der Wohnung des Erblassers. Der BFH hat klargestellt, dass diese Kosten nicht zur Nachlassverwaltung zählen. Kosten für die Nachlassverwaltung sind nicht abzugsfähig. Kosten zur Regelung des Nachlasses sind hingegen abzugsfähig, vgl. hierzu BFH vom 14.10.2020, II R 30/19, LEXinform 0952387. Als Reaktion auf dieses Urteil hat die Finanzverwaltung ihre Auffassung in einem gleichlautenden Ländererlass dargelegt (Erlass vom 9.2.2022, LEXinform 7013113). Kosten für die Räumung einer vom Erblasser selbst bewohnten Wohnung sind als Teil der Nachlassverwertung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig, soweit sie sich auf die Eigenschaft der Wohnung als Nachlassgegenstand beziehen, weil Eigentum und Besitz des Erben geklärt sind oder sie zu den Kosten für das Herrichten der Wohnung zwecks Verkaufs, Vermietung oder Selbstnutzung zur Verwertung und damit zur Verwaltung des Nachlasses gehören.

Es liegen hingegen Nachlassregelungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG vor, soweit die Auflösung des Haushalts des Erblassers darauf gerichtet ist festzustellen, inwieweit die in der Wohnung befindlichen Gegenstände zum Nachlass gehören. Während die Durchsicht des gesamten Hausrats zur Feststellung des Nachlasses gehört, gehört das Ausräumen im Regelfall bereits zur Verwertung und damit zur Verwaltung des Nachlasses.

Kosten für die Auflösung des Haushalts und Räumung der Wohnung des Erblassers, welche in den ersten sechs Monaten nach dem Erbfall entstehen, sind aus Vereinfachungsgründen der Feststellung des Nachlasses zuzurechnen. Für anschließend entstehende Kosten hat der Stpfl. darzulegen, dass die Kosten aufgrund der Umstände des Einzelfalls zur Feststellung des Nachlasses gehören.

Zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Nachlassverwaltung gehört auch eine Vorfälligkeitsentschädigung. Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählt die zugrunde liegende Darlehensverbindlichkeit. Die durch die Vorfälligkeitsentschädigung abgelösten Zinsen sind somit bereits als Teil dieser Darlehensverbindlichkeit berücksichtigt worden, dies hat der BFH klargestellt:

Wird nach Eintritt des Erbfalls ein Darlehen des Erblassers vorzeitig abgelöst, so ist die Vorfälligkeitsentschädigung mit ihrem Zinsanteil nicht gesondert als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Die Zinsen sind Teil der als Kapitalschuld zu bewertenden und als Erblasserschuld abziehbaren Darlehensverbindlichkeit (BFH vom 2.12.2020, II R 17/18, LEXinform 0951879).

Zur Abgrenzung von den Erblasserschulden ist entscheidend, dass die Erblasserschulden bereits im Zeitpunkt des Todes entstanden waren. Die Abgrenzung hat Bedeutung für den Ansatz des Pauschbetrages. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG sieht für Erbfallschulden einen Pauschbetrag von 10 300 € vor. Der Pauschbetrag gilt nur für Kosten des Erbanfalls und nicht für Schulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG. Kosten für die Pflege einer Grabstätte zählen grundsätzlich zu den Erbfallkosten i.S.d. Nr. 3, können aber auch unter die Nr. 1 fallen. So hat der BFH entschieden, dass Grabpflegekosten für eine Grabstätte, in der nicht der Erblasser, sondern eine dritte Person bestattet ist unter § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG fallen, wenn sich der Erblasser zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet hatte und diese Verpflichtung auf den Erben übergeht. In diesem Fall übernimmt der Erbe eine bereits im Zeitpunkt des Todes bestehende Verpflichtung des Erblassers. Diese Kosten können dann nur in tatsächlicher Höhe angesetzt werden, der Pauschbetrag aus § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG gilt hier nicht. Ist in der Grabstätte aber sowohl der Erblasser als auch eine dritte Person bestattet, so fallen die Grabpflegekosten wiederum unter § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (BFH vom 22.2.2020, II R 41/1/, LEXinform 0951587).

Der Pauschbetrag wird zusätzlich zu den Erblasserschulden angesetzt. Der Pauschbetrag gilt dabei für jeden Erbanfall nur einmal und muss auf die Erben aufgeteilt werden (grds. nach der Erbquote, abweichende Aufteilung zulässig, vgl. R E 10.9 Abs. 3 ErbStR). Der Pauschbetrag gilt auch bei beschränkter Steuerpflicht (R E 10.9 Abs. 4 ErbStR). Der Pauschbetrag kann auch dann vom Erben angesetzt werden, wenn dieser die Bestattungskosten nicht getragen hat. Voraussetzung ist nur, dass für den Erben Erwerbskosten angefallen sind (FG Münster vom 24.10.2019, 3 K 3549/17 Erb). Im Entscheidungsfall hatte der Nacherbe keine Bestattungskosten zu tragen, diese wurden bereits vom Vorerben übernommen. Das FG hat klargestellt, dass auch bei einer Nacherbschaft der Pauschbetrag angesetzt werden kann. Vorerbschaft und Nacherbschaft sind aus Sicht der ErbSt zwei getrennte Erwerbstatbestände (vgl. § 6 ErbStG). Im nachfolgenden Revisionsverfahren hat der BFH die Auffassung des FG Münster bestätigt (BFH vom 1.2.2023, II R 3/20, LEXinform 0952967). Unter Aufgabe der bisherigen Rspr. hat der BFH klargestellt, dass der Abzug des Pauschbetrages auch ohne Nachweis von tatsächlichen Kosten möglich ist.

9. Besonderheiten

Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag nach § 312 Abs. 2 BGB, wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrages verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Die Steuerklasse richtet sich nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum künftigen Erblasser (BFH Urteil vom 25.1.2001, II R 22/98, BStBl II 2001, 456). Zuwendungen zwischen Geschwistern im Rahmen eines solchen Vertrages sind statt nach der Steuerklasse II nach der Steuerklasse I zu besteuern.

10. Einzelne Verschonungsregeln

10.1. Grundvermögen

Die gesetzlich geregelten Verschonungsregeln für den Erwerb von Grundvermögen sind in den §§ 13 Abs. 1 Nr. 4a – 4c sowie in § 13d ErbStG enthalten. Danach sind vermietete Wohngrundstücke i.S.d. § 13d Abs. 3 ErbStG nur mit 90 % des anteiligen Grundbesitzwertes anzusetzen. Zu den begünstigten Grundstücken zählen nur solche bebauten Grundstücke oder Grundstücksteile, die

  • zu Wohnzwecken vermietet werden und

  • zum Inland oder Gebiet eines Mitgliedstaates der EU oder eines Staates des EWR gehören und

  • nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft zählen.

Zur Begrenzung der Verschonung auf Objekte im Inland bzw. in EU/EWR-Staaten hat das FG Köln den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht (FG Köln, EuGH-Vorlage vom 2.9.2021, 7 K 1333/19, Aktenzeichen des EuGH C-670/21). Fraglich ist, ob auch der Übergang eines bebauten Grundstücks in Kanada unter den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) fallen kann. Der EuGH hat sich hierzu wie folgt geäußert: »Die Art. 63 bis 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die vorsieht, dass ein zum Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück, das zu Wohnzwecken vermietet wird, bei der Berechnung der Erbschaftsteuer mit seinem vollen gemeinen Wert angesetzt wird, wenn es in einem Drittland, das nicht Partei des Abkommens über den EWR ist, belegen ist, während es lediglich mit 90 % seines gemeinen Werts angesetzt wird, wenn es im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Staat, der Partei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, belegen ist« (EuGH vom 12.10.2023, C-670/21, BStBl II 2024, 576). Die Finanzverwaltung hat zu dieser Entscheidung mit gleich lautenden Erlassen der Länder Stellung genommen (Gleich lautende Erlasse vom 19.6.2024, LEXinform 7013999). Zur unionsrechtskonformen Anwendung der § 13c ErbStG a.F. sowie §§ 13c, 28 Abs. 3 ErbStG wird der Befreiungsabschlag (10 % des begünstigten Grundbesitzwertes) gewährt, wenn das Grundstück in einem Drittstaat belegen ist, mit dem ein Informationsaustausch sichergestellt ist. Die Finanzverwaltung verlangt hier ausreichende Amtshilfemaßnahmen nach dem OECD-Standard und verweist in den Erlassen auf die Anlage 1 des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe (BMF vom 29.5.2016, BStBl II 2019, 480). Für die Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Eine Stundung lässt die Finanzverwaltung aber nur zu, wenn der Drittstaat neben der Informationsamtshilfe auch zu Beitreibungsamtshilfe verpflichtet ist.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Erwerber die Begünstigung nicht in Anspruch nehmen kann, soweit er die Immobilie aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss (z.B. aufgrund eines Vermächtnisses oder im Rahmen einer Teilungsanordnung).

Die Vererbung einer selbst genutzten Wohnimmobilie (Familienheim) an einen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner bleibt steuerfrei, wenn die Immobilie nach dem Erwerb zehn Jahre lang von dem Erwerber selbst zu Wohnzwecken genutzt wird (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). Gleiches gilt dann, wenn der Erwerb von Todes wegen an Kinder oder an Kinder von verstorbenen Kindern erfolgt, hier jedoch nur bis zu einer Fläche von 200 qm (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG).

Für beide Fälle ist jedoch zwingend zu beachten, dass die Steuerbefreiung rückwirkend (ex tunc) wegfällt, es sei denn, dass die Selbstnutzung aus einem zwingenden objektiven Grund aufgegeben wird. Obgleich diese Rückausnahme von dem Wegfall der Steuerbefreiung grundsätzlich zu begrüßen ist, birgt sie aufgrund der im Gesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe per se eine Unsicherheit, die erst im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung geklärt werden dürfte. Zur Verwaltungsauffassung vgl. R E 13.3 sowie R E 13.4 ErbStR. Der BFH hat bestätigt, dass die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner rückwirkend entfällt, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt. Nach der Entscheidung des BFH gilt dies auch dann, wenn die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs fortgesetzt gesetzt wird (BFH vom 11.7.2019, II R 38/16, LEXinform 0951078).

Unschädliche zwingende Gründung liegt vor, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen lt. BFH nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbstständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unzumutbar machen (BFH vom 1.12.2021, II R 1/21, LEXinform 0953372). Der BFH verwies den Fall an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das FG habe keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, ob diese Erkrankung tatsächlich bestand und so beschaffen war, dass sie der Klägerin unter Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs die weitere Selbstnutzung des Familienheims unzumutbar machte.

In den Fällen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG muss der Erwerber die Wohnung unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Der BFH hält einen Zeitraum von sechs Monaten für angemessen. Dies gilt auch für Fälle, in denen der Erwerber die Wohnung zunächst renoviert. Nach Ablauf von sechs Monaten muss der Erwerber darlegen, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war. Umstände im Einflussbereich des Erwerbers, wie eine Renovierung der Wohnung, sind ihm nach der BFH-Rspr. nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten (vgl. insbes. BFH Urteil vom 28.5.2019, II R 37/16, LEXinform 0630289).

Zur Frage der unverzüglichen Selbstnutzung vgl. auch Entscheidung vom 6.5.2021 (BFH vom 6.5.2021, II R 46/19, LEXinform 0952630). Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist nach der Entscheidung des BFH dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z.B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können. Hierbei ist zu beachten, dass der Erwerb die objektive Beweislast trifft. Sind Verzögerungen absehbar, sollte auf jeden Fall Beweisvorsorge getroffen werden.

Führt der Erwerber Räumungs- und Renovierungsarbeiten vor dem Bezug eines erworbenen Familienheims durch, muss er diese zeitlich so fördern, wie es seinen persönlichen Möglichkeiten entspricht. Was dem Erwerber diesbezüglich zumutbar ist, haben die Finanzbehörde bzw. das FG im Rahmen einer Würdigung des Einzelfalls zu entscheiden (BFH vom 16.3.2022, II R 6/21, LEXinform 0953453, Bestätigung des o.g. BFH-Urteils vom 6.5.2021).

Zur fehlenden Selbstnutzung aufgrund des schlechten baulichen Zustands vgl. auch BFH vom 1.12.2021 (II R 18/20, LEXinform 0952924). Der bauliche Zustand stellt für sich genommen noch keinen zwingenden Grund für die fehlende Selbstnutzung dar.

Erwirbt ein Stpfl. von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt (Hinzuerwerb), kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist. Voraussetzung ist hierbei, dass die beiden nebeneinanderliegenden Wohnungen zu einer einheitlichen Wohnung verbunden werden. Hinsichtlich der Wohnflächenbegrenzung kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche der nach Verbindung entstandenen Wohnung mehr als 200 qm beträgt, ist laut BFH nicht ausschlaggebend. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG, der allein auf die Größe des erworbenen Familienheims abstelle, so der BFH in der Urteilsbegründung (BFH vom 6.5.2021, II R 46/19, LEXinform 0952630).

Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim scheidet aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung in dem von Todes wegen erworbenen Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht (vgl. BFH Urteil vom 23.6.2015, II R 13/13, LEXinform 0929605).

Mit einem weiteren Urteil vom 23.6.2015 hat der BFH zudem entschieden, dass Kinder des Erblassers ein vom Erblasser zu Wohnzwecken genutztes Familienheim steuerfrei erwerben können, wenn sie innerhalb angemessener Zeit nach dem Erbfall die Absicht fassen, das Familienheim selbst für eigene Wohnzwecke zu nutzen, und diese Absicht durch den Einzug auch tatsächlich umsetzen. Erwirbt ein Kind als Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses über seinen Erbteil hinaus das Alleineigentum an dem Familienheim, erhöht sich sein steuerbegünstigtes Vermögen unabhängig davon, ob die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall, erfolgt (vgl. BFH Urteil vom 23.6.2015, II R 39/13, LEXinform 0934335).

Die Finanzverwaltung hat im gleichlautenden Ländererlass vom 9.2.2022 (LEXinform 7013114) zu den zwingenden Gründen geäußert, die den Erblasser an einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hindern. Der Erlass ist eine Reaktion der Verwaltung auf die gravierenden Schäden und Zerstörungen aufgrund Unwetters (Starkregen, Überflutungen u.Ä.).

An einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert zu sein setzt voraus, dass objektiv zwingende Gründe dafür vorliegen. Ein objektiv zwingender Grund liegt beispielsweise vor, wenn ein Familienheim innerhalb des Zehnjahreszeitraums aufgrund höherer Gewalt (z.B. durch Hochwasser, Starkregen, Unwetter, Sturm, Brand, Explosion) zerstört und seine tatsächliche Selbstnutzung dadurch beendet wird. In diesen Fällen entfällt die Steuerbefreiung nicht rückwirkend.

Der Erwerber ist nicht zum Wiederaufbau des Familienheims verpflichtet, da eine weitere Selbstnutzung der ursprünglich vom Erblasser bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung aufgrund der Zerstörung nicht mehr möglich ist. Die zehnjährige Selbstnutzungsfrist und die damit einhergehende Überwachung enden mit dem Zeitpunkt der Zerstörung des ursprünglichen Familienheims.

Eine zeitweise Unbewohnbarkeit aufgrund höherer Gewalt, z.B. für den Zeitraum einer Sanierung oder aufgrund eines behördlich angeordneten Nutzungsverbots, kann zu einer tatsächlichen Unterbrechung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken führen. Dies ist unschädlich, wenn der Erwerber des Familienheims unverzüglich nach der Wiederherstellung der Bewohnbarkeit des Familienheims die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken wieder aufnimmt und bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums ausübt. Es liegt dann keine Aufgabe der Selbstnutzung durch längeren Leerstand vor.

Die Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG setzt voraus, dass der verstorbene Ehegatte zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt. So lautet der Leitsatz der Entscheidung des BFH zur Frage, ob auch ein durch Auflassungsvormerkung gesicherter Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim von der Verschonung erfasst werden kann (BFH Urteil vom 29.11.2017, II R 14/16, BStBl II 2018, 362; LEXinform 0950851).

Der Umfang der wirtschaftlichen Einheit wird durch das Lagefinanzamt im Rahmen der gesonderten Feststellung bindend für das Erbschaftsteuerfinanzamt festgestellt. Diese gesonderte Feststellung beinhaltet auch die Frage, wie viele wirtschaftliche Einheiten im bewertungsrechtlichen Sinne vorliegen. Die Steuerbefreiung für ein Familienheim kann daher in der Folge vom Erbschaftsteuerfinanzamt nur für eine wirtschaftliche Einheit gewährt werden. Dabei entfaltet die gesonderte Feststellung in diesem Punkt Bindungswirkung. Sollte als Grundstück des Familienheimerwerbs die wirtschaftliche Einheit im Sinne des BewG zu verstehen sein und erlässt das Belegenheitsfinanzamt einen entsprechenden Feststellungsbescheid, ist diese Feststellung bindend und kann im Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht erfolgreich angegriffen werden, so der BFH (Urteil vom 23.2.2021, II R 29/19, LEXinform 0952747). Der BFH führt u.a. aus, dass die Feststellungsbescheide des Belegenheitsfinanzamts nicht nur hinsichtlich der Werte, sondern auch hinsichtlich des Umfangs der wirtschaftlichen Einheit Grundlagenbescheide für die Erbschaftsteuerbescheide seien. Streitig war im Entscheidungsfall die Einbeziehung eines angrenzenden unbebauten Grundstücks mit eigener Flurnummer in die wirtschaftliche Einheit »bebautes Grundstück«. Im Rahmen der Bewertung stellte das Belegenheitsfinanzamt für beide zivilrechtlichen Grundstücke auch zwei getrennte Grundbesitzwerte fest. Diese getrennte Behandlung der Grundstücke war durch die gesonderte Feststellung für das Erbschaftsteuerfinanzamt bindend. Damit konnte für das angrenzende unbebaute Grundstück keine Verschonung als »Familienheim« in Betracht kommen. In diesem Fall hätte die Grundbesitzbewertung angefochten werden müssen, der Einspruch und die Klage gegen die Erbschaftsteuerfestsetzung konnten nicht erfolgreich sein.

In § 28 Abs. 3 ErbStG ist geregelt, dass bei Erwerb von vermieteten Wohnimmobilien/eines selbst genutzten Ein- oder Zweifamilienhauses bzw. Wohnungseigentums die darauf entfallende Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahre gestundet werden kann, wenn anderenfalls zur Entrichtung der Erbschaftsteuer das Grundstück veräußert werden müsste. Bei Erwerb von Todes wegen erfolgt die Stundung zinslos. Details zum Wegfall der Stundung sind an entsprechender Stelle geregelt.

Für Baudenkmäler regelt § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG eine 85 %ige Befreiung für Grundbesitz und Teile von Grundbesitz.

Zu ausführlicheren Informationen zu diesem Thema s. → Grundbesitz und → Bedarfsbewertung.

10.2. Unternehmensvermögen (inklusive Vermögen der Land- und Forstwirtschaft)

Nach § 13a ErbStG ist (zumindest im Grundmodell bzw. der Regelverschonung) zwischen einem sog. Verschonungsabschlag und einem Abzugsbetrag zu unterscheiden. Im Optionsmodell kommt hingegen nur der Verschonungsabschlag zum Tragen.

a) Das Grundmodell (sog. Regelverschonung)

Im sog. Grundmodell ist weiterhin geregelt, dass 85 % des übertragenen Betriebsvermögens verschont bleiben. Die Behaltensfrist und die Frist, innerhalb derer die nachfolgend dargestellte Lohnsumme erreicht werden muss, liegen bei fünf Jahren.

Der gleitende Sockelbetrag (Abzugsbetrag) von 150 000 € soll verhindern, dass Kleinstbetriebe besteuert werden. Der Abzugsbetrag kann innerhalb von 10 Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe begünstigen Vermögens nur einmal berücksichtigt werden (§ 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG).

Beispiel 10:

V überträgt seiner Tochter (T) einen begünstigten Gewerbebetrieb im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Der gemeine Wert beträgt 450 000 €. Schädliches Verwaltungsvermögen ist nicht vorhanden. Angewendet werden soll die Regelverschonung.

Lösung 10:

Bei Schenkung wird ein Verschonungsabschlag von 85 % auf das begünstigte Vermögen gewährt, mithin 382 500 €. Der übersteigende Betrag (67 500 €) ist grds. steuerpflichtig (vgl. § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG).

Für die Ermittlung des Abzugsbetrages gem. § 13a Abs. 2 ErbStG muss zunächst geprüft werden, wie hoch der schädliche übersteigende Betrag ist. Der Wert des nach Anwendung des § 13a Abs. 1 ErbStG verbleibenden übertragenen Vermögens beträgt 67 500 € und übersteigt somit den Abzugsbetrag von 150 000 € nicht. Also beträgt der schädliche Betrag i.S.d. § 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG-E 0 €. Es verbleibt im Ergebnis ein Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG von insgesamt 67 500 €, sodass insgesamt kein steuerpflichtiges Betriebsvermögen anzusetzen ist.

Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG wird »berücksichtigt«, auch wenn er infolge Abschmelzung 0 € betragen hat (BFH vom 23.2.2021, II R 34/19, LEXinform 0952402). Ein Antrags- oder Verzichtsrecht des Stpfl. der Art, dass optional bei einem ersten Erwerb von der Berücksichtigung des Abzugsbetrags abgesehen werden könnte, damit kein Verbrauch eintritt, sieht die Vorschrift nicht vor und kann nicht im Wege der Auslegung begründet werden, so der BFH in der Urteilsbegründung.

b) Optionsmodell

Optional kann gem. § 13a Abs. 10 ErbStG eine andere Art der Besteuerung des Unternehmensvermögens gewählt werden, die daher als Optionsmodell bezeichnet wird. Zur Anwendung des Optionsmodells muss der Erwerber diesbezüglich eine unwiderrufliche Erklärung abgeben (§ 13a Abs. 10 Satz 1 ErbStG).

Das Optionsmodell sieht einen 100 %ige Verschonungsabschlag vor. Bemessungsgrundlage ist das begünstige Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG. D.h. auch beim Optionsmodell kann stpfl. Unternehmensvermögen verbleiben, da schädliches Verwaltungsvermögen auch hier immer stpfl. bleibt. Im Falle der Option beträgt die Behaltensfrist und die auch Lohnsummenfrist sieben Jahre. Ferner liegt der für die Lohnsumme maßgebliche Prozentsatz kumuliert zwischen 565 und 700 %, sodass im Ergebnis die ermittelte durchschnittliche Lohnsumme vor der Übertragung für sieben Jahre fortgeführt werden muss. Zusätzlich darf das Verwaltungsvermögen im Optionsmodell 20 % nicht überschreiten, § 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG.

Bei Verstoß gegen die Behaltensfrist (z.B. durch Veräußerung oder Aufgabe) kommt es nur zu einem zeitanteiligen rückwirkenden Wegfall der Verschonung.

Eine Nichteinhaltung der Lohnsumme hat eine Nachversteuerung zur Folge, jedoch nur in dem Verhältnis, in dem die Gesamtlohnsumme tatsächlich unterschritten wurde.

10.3. Änderungen durch die Erbschaftsteuerreform 2015

10.3.1. Grundsätzliche Anmerkungen

Obgleich es zwischenzeitlich im Gesetzgebungsverfahren anders aussah, bleibt die aktuell geltende Grundsystematik erhalten. Dies bedeutet, dass bei der Beurteilung des Betriebsvermögens zunächst das sog. begünstigte Vermögen vom unbegünstigten Vermögen getrennt werden muss. Hierbei sind nunmehr jedoch einige spezielle Änderungen zu beachten. In weiteren erfolgen dann etwaige Vergünstigungen, insbes. nach den bisher schon bekannten Regel- oder Optionsverschonungen. In der Ausgestaltung dieser haben sich jedoch nennenswerte Änderungen ergeben, ferner wurden neue Tatbestände geschaffen.

10.3.2. Begünstigungsfähiges und begünstigtes Vermögen

Ein zentraler Punkt der Erbschaftsteuerreform ist die Neuregelung des begünstigten Vermögens. Hierdurch soll gewährleistet sein, dass künftig die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen nur noch auf das begünstigte Unternehmensvermögen gewährt werden. Die Ermittlung des begünstigten Vermögens erfolgt in mehreren Schritten. Wie bisher ist das dem Grunde nach begünstigte Vermögen abschließend in § 13b Abs. 1 ErbStG aufgezählt (= begünstigungsfähiges Vermögen). Hierzu zählen Einzelunternehmen und Beteiligungen an Mitunternehmerschaften in der EU oder des EWR unabhängig von einer Beteiligungshöhe (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Voraussetzung für die Gewährung der Verschonung ist, dass das begünstigte Vermögen (z.B. das Einzelunternehmen, der Anteil an einem Betriebsvermögen) vom Erblasser bzw. Schenker auf den Erwerber übergeht. Im Unterschied zum Grundvermögen ist eine mittelbare Schenkung von Betriebsvermögen nicht nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG begünstigt. D.h. bei der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Gewerbebetriebes kann keine Verschonung nach § 13a ErbStG in Anspruch genommen werden. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich nur die Fortführung von Betriebsvermögen durch den Erwerber begünstigt. Dies hat der BFH in seinem Urteil vom 8.5.2019 (II R 18/16, LEXinform 0950944) bestätigt. Die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind nach der BFH-Rechtsprechung nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG ist. Dies ergibt sich nach der Begründung des BFH für die Erwerberseite bereits aus dem Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen der Vorschrift und für die Seite des Erblassers oder Schenkers aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Zu beachten ist, dass bei Schenkung von Anteilen an PersGes das Sonderbetriebsvermögen nicht begünstigt ist, wenn dieses nicht zusammen mit dem Gesellschaftsanteil übertragen wird. Der BFH hat mit dem Urteil vom 17.6.2020 klargestellt, dass für WG des Sonderbetriebsvermögens die Steuerbefreiung nach §§ 13a ff. ErbStG nur gewährt werden kann, wenn die WG gleichzeitig mit dem Anteil an der PersGes übertragen werden. Im Urteilsfall wurde das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Grundstück mit Wirkung zum 1.1. auf den Sohn übertragen. Zeitpunkt der Grundstücksschenkung war jedoch bereits der 30.12. (Auflassung und Eintragungsbewilligung). Der Zeitpunkt der Grundstücksschenkung lag somit vor der Übertragung der KG-Anteile. Bei Schenkungen kann es aufgrund von unterschiedlichen Zuwendungszeitpunkten vorkommen, dass für den betrieblichen Grundbesitz ein anderer Steuerentstehungszeitpunkt vorliegt als für das restliche BV. Folge daraus ist, dass für den betrieblichen Grundbesitz bei auseinanderfallenden Stichtagen nicht von der Verschonungsmöglichkeit nach §§ 13a ff. ErbStG Gebrauch gemacht werden kann, da gleichzeitig keine (Mit-)Unternehmerstellung vom Schenker auf den Erwerber übergeht bzw. nur ein einzelnes WG des Einzelunternehmens übertragen wird. Der betriebliche Grundbesitz ist damit vorbehaltlich des Abzugs von Schulden und Lasten sowie des persönlichen Freibetrags voll steuerpflichtig. Liegen im Schenkungsfall für das Betriebsgrundstück und das Rest-BV auseinanderfallende Stichtage vor, ist das Betriebsgrundstück mit dem Grundbesitzwert auf den für dieses maßgebenden Schenkungsstichtag durch das Lagefinanzamt zu bewerten (§ 12 Abs. 3 ErbStG, Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG). Zudem ist das Rest-BV zu dessen Schenkungsstichtag von der Zentralstelle Feststellungsverfahren nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 BewG zu bewerten (Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG). Hierbei ist das bereits vorher geschenkte Betriebsgrundstück nicht einzubeziehen. Weitere Details zu dieser Problematik vgl. Bayerisches Landesamt für Steuern (S-3230 .1.1-4/1 St34 vom 7.3.2024 (LEXinform 7013927).

Bei Anteilen an KapGes ist weiterhin die Mindestbeteiligung beim Schenker/Erblasser von mehr als 25 % Voraussetzung für die Begünstigung (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG enthält – wie bisher – Regelungen zu sog. Poolvereinbarungen. Für die Prüfung der Mindestbeteiligung können unter den dort genannten Voraussetzungen Anteile zusammengerechnet werden. Zu den Voraussetzungen einer Poolvereinbarung hat der BFH mit Urteil vom 20.2.2019 entschieden (II R 25/16, LEXinform 0950951). Die für eine Poolvereinbarung erforderlichen Verpflichtungen der Gesellschafter zur einheitlichen Verfügung über die Anteile an einer KapGes und zur einheitlichen Stimmrechtsausübung können sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder einer gesonderten Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ergeben. Die Verpflichtung zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung der hinsichtlich der Verfügung gebundenen Gesellschafter kann bei einer GmbH schriftlich oder mündlich vereinbart werden. Nicht ausreichend für eine wirksame Poolvereinbarung ist eine einheitliche Stimmrechtsausübung aufgrund eines faktischen Zwangs, einer moralischen Verpflichtung oder einer langjährigen tatsächlichen Handhabung.

Liegt nach der grundsätzlichen Abgrenzung sog. begünstigungsfähiges Unternehmensvermögen vor, ist in einem weiteren Schritt das Unternehmensvermögen in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen aufzuteilen (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Das begünstigungsfähige Vermögen ist immer dann im Grundsatz begünstigt, wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens nicht über 90 % liegt (Verwaltungsvermögensquote). Andernfalls scheidet eine Begünstigung bereits an dieser Stelle vollständig aus. Die Prüfung der 90 %-Grenze erfolgt gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG unter Beachtung diverser Modifikationen, u.a. der Umwidmung von Finanzmitteln in begünstigtes Vermögen, welche zur Bestreitung von Altersvorsorgeverpflichtungen notwendig sind. Besteht betriebliches Vermögen oder das Vermögen einer Gesellschaft zu mindestens 90 % aus Verwaltungsvermögen wird – ausweislich der Gesetzesbegründung – davon ausgegangen, dass das gesamte betriebliche Vermögen nicht schutzwürdig ist. Mit der Ausnahme solcher Gesellschaften von der Verschonung sollen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeräumt werden, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 – verfassungswidrig sein könnten.

Vom grundsätzlich nach den obigen Kriterien festgestellten begünstigungsfähigen Vermögen ist jedoch wiederum nur das sog. begünstigte Vermögen nach § 13a ErbStG begünstigt. Insofern ist eine Trennung vom nicht begünstigen Verwaltungsvermögen nötig.

10.3.3. Altersversorgungsverpflichtungen (§ 13b Abs. 3 ErbStG)

Entsprechend der Regelung in § 13b Abs. 3 ErbStG werden Altersversorgungsverpflichtungen und zur Erfüllung dieser angeschaffte Vermögensgegenstände entsprechend ihres vorgegebenen Verwendungszwecks aus dem Verwaltungsvermögenskatalog ausgenommen. Die Regelung lehnt sich an § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB an. Damit sollen insbes. CTA-Strukturen (Contractual Trust Arrangement) von der einer Qualifizierung als Verwaltungsvermögen folgenden Besteuerung ausgenommen werden. Bei den CTA-Strukturen handelt es sich um Modelle der betrieblichen Altersvorsorge, bei denen das Unternehmen die Pensionszahlungen und -forderungen aus der eigenen Bilanz wirtschaftlich ausgliedert, indem es diese auf eine Treuhandgesellschaft überträgt. Das für die Altersversorgungsverpflichtungen vorgesehene Vermögen ist dem Zugriff des Erwerbers und anderer Gläubiger entzogen. Es ist daher gerechtfertigt dieses Vermögen aus der Besteuerung vollständig auszunehmen.

10.3.4. Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 ErbStG)

Das nach Anwendung des § 13b Abs. 3 ErbStG aus dem begünstigten Vermögen auszuscheidende Verwaltungsvermögen entspricht nach der Definition in § 13b Abs. 4 ErbStG nahezu dem bisher geltenden Recht. Der Katalog des Verwaltungsvermögens umfasst:

Hinzuweisen ist an dieser Stelle insbes. auf vier wesentliche Änderungen zum bisherigen Recht:

  • Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Mit vielfältigen Ausnahmen in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 4 ErbStG (z.B. bei Betriebsaufspaltung).

  • Anteile an KapGes bei unmittelbarer Beteiligung bis 25 % (§ 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG).

  • Kunstgegenstände, Sammlungen, Oldtimer, Yachten u.Ä. (§ 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG).

  • Wertpapiere und vergleichbare Forderungen (§ 13b Abs. 4 Nr. 4 ErbStG).

  • Saldo der Finanzmittel nach Abzug eines Sockelbetrags. Der gemeine Wert der Finanzmittel ist um den positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel zu verringern, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (junge Finanzmittel); junge Finanzmittel sind Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG).

Geleistete Anzahlungen für WG, die kein Verwaltungsvermögen sind, stellen keine Finanzmittel dar (BFH vom 1.2.2023, II R 36/20; vgl. auch Ländererlasse vom 6.3.2024 zur Anwendung des BFH-Urteils). Nach der Rspr. des BFH handelt es sich um Sachleistungsansprüche. Die Verwaltung hatte Anzahlungen bisher den Finanzmitteln zugeordnet. Die entsprechende Regelung in R E 13b.23 Abs. 2 ErbStR wird nicht mehr angewendet (gleich lautende Erlasse der Länder vom 6.3.2024). Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind geleistete Anzahlungen auf WG des Verwaltungsvermögens Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG. Sachleistungsansprüche, die dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer weniger als zwei Jahre zuzurechnen sind, sind junges Verwaltungsvermögen.

Beispiel 11:

Die Muster GmbH erwirbt mit Vertrag vom 1.12.2023 eine Maschine. Aus dem Vertrag ist die GmbH zur Leistung einer Anzahlung zum 1.1.2024 i.H.v. 30 000 € verpflichtet. Die Auslieferung der Maschine erfolgt am 1.4.2024. Bewertungsstichtag ist der 1.3.2024.

Lösung 11:

Am Bewertungsstichtag hat die Muster GmbH einen Anspruch auf Auslieferung der Maschine bzw. bei Nichterfüllung des Vertrages einen Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung. Der Anspruch auf Lieferung der Maschine stellt einen Sachleistungsanspruch dar, der mit dem gemeinen Wert (= 30 000 €) zu bewerten ist. Da die Maschine kein Verwaltungsvermögen darstellt, ist der Sachleistungsanspruch ebenfalls kein Verwaltungsvermögen.

Variante zu Beispiel 11:

Die Muster GmbH erwirbt mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1.12.2023 ein vermietetes Grundstück. Aus dem Vertrag ist die GmbH zur Leistung einer ersten Rate zum 1.1.2024 i.H.v. 100 000 € verpflichtet. Die Eigentumsübertragung des Grundstücks erfolgt zum 1.4.2024. Bewertungsstichtag ist der 1.3.2024.

Lösung zur Variante:

Der Sachleistungsanspruch aus dem Kaufvertrag bezieht sich auf ein vermietetes Grundstück, folglich auf Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Der Sachleistungsanspruch ist am Bewertungsstichtag (1.3.2024) dem Vermögen der Muster GmbH weniger als zwei Jahre zuzurechnen (1.1.2024) und stellt daher junges Verwaltungsvermögen dar. Junges Verwaltungsvermögen zählt stets zum schädlichen Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG).

Beispiel 12:

V überlässt der VX-GmbH, an der er zu 55 % beteiligt ist, ein Grundstück.

Lösung 12:

Da V sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebs-KapGes beherrscht und somit seinen Betätigungswillen durchsetzen kann, liegt kein sog. Verwaltungsvermögen vor, obwohl es sich um eine Nutzungsüberlassung handelt, § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG.

Zur Auslegung der Rückausnahmen bei Nutzungsüberlassungen an Dritte ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig (1 BvR 1493/21). Die Verfassungsbeschwerde betrifft § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. Eine teleologische Reduktion oder Erweiterung der Tatbestandsmerkmale der §§ 13a, 13b ErbStG i.d.F. des ErbStRG könne nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Vorschriften ansonsten verfassungswidrig wären. Die Wirkung der durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12 angeordneten Weitergeltung dürfe nicht unterlaufen werden, so der BFH im vorhergehenden Verfahrensgang (BFH vom 2.12.2020, II R 22/18).

Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung eines Grundstücks an Dritte ist lt. BFH auch anzunehmen, wenn das Grundstück einer PersGes nicht von dem Erblasser oder Schenker, sondern von einer anderen PersGes überlassen wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser Gesellschafter dieser PersGes ist (Schwesterpersonengesellschaft). Da im Streitfall das Grundstück zum Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG zählte, hatten sowohl Finanzamt als auch Finanzgericht das Grundstück als Verwaltungsvermögen der GmbH & Co. KG behandelt. Eine Rückausnahme kam daher nicht in Betracht. Dies hat der BFH mit o.g. Entscheidung bestätigt. Der BFH konnte dabei offenlassen, welche Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung auch für die ErbSt zu übernehmen sind (BFH vom 16.3.2021, II R 3/19).

Wird ein Grundstück der überlassenden Gesellschaft von der nutzenden Gesellschaft an einen weiteren Dritten zur Nutzung überlassen, liegt eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Halbsatz 3 ErbStG a.F. vor. Dies gilt unabhängig davon, dass parallel zu dem Mietvertrag zwischen der nutzenden Gesellschaft und dem Dritten ein Lagerbewirtschaftungsvertrag geschlossen worden ist. Der BFH hat entsprechend der klaren gesetzlichen Formulierung entschieden und einen Fall der Rückausnahme gesehen (BFH vom 10.5.2023, II R 21/21, LEXinform 0953652). Die Fassung des Streitjahres (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG a.F.) entspricht in diesem Punkt der aktuellen Gesetzesfassung.

Im Rahmen eines Parkhausbetriebs Dritten zur Nutzung überlassene Parkplätze stellen erbschaftsteuerrechtlich nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen dar. Eine einschränkende Auslegung der entsprechenden Normen ist weder aus systematischen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten (BFH vom 28.2.2024, II R 27/21, LEXinform 0953731). Streitig war u.a. die Behandlung eines Parkhauses, welches der Erblasser unbefristet an den Kläger verpachtet hatte. Den auf das Parkhaus entfallenden Wert des BV ordnete das FA dem Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG zu. Der Kläger führte an, § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa und Buchst. b Satz 2 ErbStG seien teleologisch und verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass es sich bei einem Parkhausbetrieb nicht um steuerschädliches Verwaltungsvermögen handle. Sollte der BFH eine solche Auslegung nicht durchführen, sei hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG vorliege, wenn ein gewerblicher Parkhausbetrieb im Unterschied zu anderen gewerblichen Betrieben als steuerschädliches Verwaltungsvermögen einzustufen sei. Der BFH folgte dem Antrag nicht und setzte das Verfahren auch nicht aus. Entscheidend war, dass bei dem Parkhaus bereits vor der langfristigen Verpachtung Verwaltungsvermögen vorlag (§ 13 Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG). Die Parkflächen werden Dritten (Kunden des Parkhauses) zur Nutzung überlassen. Sowohl eine langfristige als auch die kurzfristige Überlassung von Parkplätzen führt zu Verwaltungsvermögen. Der Kläger hat Verfassungsbeschwerde einlegt (Az. BVerfG 1 BvR 1761/24).

Bei Beteiligungen an PersGes oder Beteiligungen an KapGes, die nicht unter § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG fallen (> 25 %), ist gem. § 13b Abs. 9 ErbStG ein Verbundvermögensaufstellung vorzunehmen. D.h. das Verwaltungsvermögen von Beteiligungen wirkt sich entsprechend der Beteiligungshöhe ebenfalls aus.

10.3.5. Investitionsklausel

§ 13b Abs. 5 ErbStG enthält eine Investitionsklausel für das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen bei Erwerben von Todes wegen, um Härtefälle im Zusammenhang mit der Stichtagsbesteuerung abzumildern. Beim Erwerb von Todes wegen entfällt die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 rückwirkend zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG), wenn der Erwerber innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) diese Vermögensgegenstände in Vermögensgegenstände innerhalb des vom Erblasser erworbenen, begünstigungsfähigen Vermögens i.S.d. Abs. 1 investiert hat, die unmittelbar einer Tätigkeit i.S.v. § 13 Abs. 1 EStG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dienen und kein Verwaltungsvermögen darstellen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Umwidmungsklausel ist, dass die Investition aufgrund eines bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) vorgefassten Plans des Erblassers erfolgt und keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen wird oder wurde.

10.3.6. Gesonderte Feststellung des Verwaltungsvermögens

Für Verwaltungsvermögen sieht § 13b Abs. 10 ErbStG gesonderte Feststellungen durch das für die Bewertung zuständige FA vor. Dies betrifft nicht nur das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 Nr. 1–5 ErbStG, sondern auch die gemeinen Werte der jungen Finanzmittel, der Schulden und des jungen Verwaltungsvermögens.

Beteiligter am Verfahren der gesonderten Feststellung der Summen der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens ist der Erwerber, der die Steuerbegünstigung für das Betriebsvermögen in Anspruch nehmen könnte. Dies kann auch ein Vermächtnisnehmer sein, wenn der Erbe aufgrund einer letztwilligen Verfügung verpflichtet ist, das dem Grunde nach steuerbegünstigte Vermögen vollständig auf ihn zu übertragen (BFH vom 16.3.2021, II R 3/19, LEXinform 0952103).

10.3.7. Berücksichtigung von Schulden, pauschale Umwidmung und junges Verwaltungsvermögen

Soweit die zum Betrieb gehörenden Schulden nicht bereits mit den zur Erfüllung von Altersversorgungsverpflichtungen dienenden Vermögensgegenständen verrechnet wurden (§ 13b Abs. 3 ErbStG) oder bei der Ermittlung der begünstigten Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) berücksichtigt worden sind, sieht Abs. 6 einen anteiligen Schuldenabzug vor. Hierbei sind die verbleibenden Schulden anteilig vom gemeinen Wert des nicht begünstigten Vermögens abzuziehen (Nettowert des Verwaltungsvermögens). Für Zwecke der anteiligen Schuldenermittlung ist ein Zuordnungsschlüssel maßgebend, der sich aus einer Berechnung auf Grundlage des gemeinen Werts des erworbenen betrieblichen Vermögens ergibt.

Da ein Betrieb zur Gewährleistung seiner unternehmerischen Unabhängigkeit und seines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einen gewissen Umfang an Vermögen benötigt, wird nach Abs. 7 typisierend und pauschalierend ein Teil des Nettowerts des Verwaltungsvermögens wie begünstigtes Vermögen behandelt und auch verschont (unschädliches Verwaltungsvermögen). Die Wertgrenze wurde nunmehr auf 10 % des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Werts des Betriebsvermögens festgelegt. Diese Wertgrenze (10 %-Quote) hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 – nicht beanstandet.

Der gemeine Wert der Finanzmittel ist um den positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel zu verringern, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (junge Finanzmittel); junge Finanzmittel sind somit gem. Abs. 9 immer unbegünstigtes Verwaltungsvermögen.

Junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen sind generell schädliches Vermögen und somit stpfl. Weder der Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) noch der gleitende Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) kann hierauf angewendet werden. Bemessungsgrundlage ist ausschließlich das begünstigte Vermögen (vgl. § 13b Abs. 2 ErbStG). Junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel sind hiernach auszuscheiden und nicht begünstigt. Zum nicht begünstigten jungen Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG i.d.F. des ErbStRG gehört jedes einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens, das sich weniger als zwei Jahre vor dem Stichtag durchgehend im Betriebsvermögen befand. Es ist keine gruppenbezogene Betrachtung vorzunehmen. Auf die Herkunft des Vermögensgegenstandes oder der zu seiner Finanzierung verwendeten Mittel kommt es nicht an (BFH vom 22.1.2020, II R 8/18, LEXinform 0951730, Parallelentscheidung: II R 41/18, LEXinform 0952188 sowie die zur Schenkungsteuer ergangenen Urteile II R 13/18, LEXinform 0951878, II R 18/18, LEXinform 0951880 und II R 21/18, LEXinform 0951881). Der Umfang des jungen Verwaltungsvermögens ist nach der Entscheidung des BFH nicht auf Einlagefälle beschränkt. Auch Umschichtungen innerhalb des Verwaltungsvermögens können zu jungem Verwaltungsvermögen führen. Der BFH bestätigte in den o.g. Entscheidungen die Urteile der Finanzgerichte. Er hat ebenfalls im Hinblick auf die gesetzliche Typisierung eine Missbrauchsprüfung im Einzelfall nicht zugelassen. Maßgebend ist deshalb allein, ob das einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens, so auch das einzelne Wertpapier, tatsächlich innerhalb der Frist dem Betriebsvermögen zugeführt wurde. Es kommt nicht darauf an, ob dies ein Einlage- oder Anschaffungsvorgang war, wie die Anschaffung finanziert wurde und welche Zielsetzung dem Vorgang zugrunde lag. Die Entscheidungen sind zu Rechtsvorschriften ergangen, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) mit der Verfassung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz unvereinbar, aber bis zum 30.6.2016 weiter anzuwenden waren. Die Definition des jungen Verwaltungsvermögen in der aktuellen Fassung (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG) entspricht der Definition in der vorhergehenden Fassung (§ 13b Abs. 2 ErbStG a.F.). Daher können die Grundsätze der BFH-Entscheidung zur Umschichtung von Verwaltungsvermögen auch auf die aktuelle Rechtslage übertragen werden.

10.3.8. Verschonungsregelungen

Regelverschonung

Entsprechend dem geltenden Recht beträgt die grundsätzliche Regelverschonung weiterhin 85 % (Verschonungsabschlag) und erlaubt zusätzlich über § 13a Abs. 10 ErbStG einen Abzugsbetrag von 150 000 €. Voraussetzung ist wie bisher, dass die Lohnsummenregelung (in der nunmehr modifizierten Form) eingehalten wird und die Höchstgrenzen nicht überschritten werden. Bei Überschreitung der Höchstgrenze von 26 Mio. € kommt die Abschmelzung der Verschonung zur Anwendung. Außerdem ist zu beachten, dass für bestimmte Familienunternehmen vor der Anwendung des Abschlages nach § 13a Abs. 1 ErbStG ein weiterer »Wertminderungsabschlag« gewährt wird, welcher in § 13a Abs. 9 ErbStG geregelt ist.

Optionsverschonung

Entsprechend dem geltenden Recht beträgt die Optionsverschonung des Abs. 10 weiterhin 85 % (Verschonungsabschlag). Voraussetzung ist wie bisher, dass die Lohnsummenregelung (in der nunmehr modifizierten Form) eingehalten wird und die Höchstgrenzen nicht überschritten werden. Bei Überschreitung der Höchstgrenze von 26 Mio. € kommt die Abschmelzung der Verschonung zur Anwendung. Neu ist auch, dass die Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung ferner ist, dass das begünstigungsfähige Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG besteht. Sollten diese Grenzen überschritten werden, scheidet eine Optionsverschonung vollständig aus.

10.3.9. Lohnsummenregelung

Die Steuerbefreiungen des Betriebsvermögens werden u. a. nur dann vollumfänglich gewährt, wenn die sog. Mindestlohnsumme innerhalb der Behaltensfrist erreicht wird. Die Anzahl der Arbeitnehmer, bei der Betriebe von der Einhaltung der Lohnsummenregelung ausgenommen werden, wird durch das geplante Gesetz auf fünf abgesenkt. Weiterhin findet die Lohnsummenregelung keine Anwendung, wenn die Ausgangslohnsumme 0 € beträgt.

Bei Betrieben mit sechs bis zehn Arbeitnehmern soll dem besonderen Bedürfnis für eine Flexibilisierung der Lohnsummenregelung Rechnung getragen werden. Dazu wird die Mindestlohnsumme bei einer Lohnsummenfrist von fünf Jahren auf 250 % (anstelle der regulären 400 %) bzw. bei einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren auf 500 % (anstelle der regulären 700 %, vgl. § 13a Abs. 3 ErbStG) herabgesenkt. Im Gesetz ist zudem eine weitere Erleichterung für Betriebe mit elf bis fünfzehn Arbeitnehmern geregelt. Diese müssen innerhalb von fünf Jahren eine Mindestlohnsumme von 300 % und bei der für die Optionsverschonung maßgeblichen Frist von sieben Jahren von 565 % einhalten. Beschäftigte in Mutterschutz oder Elternzeit, Langzeiterkrankte und Auszubildende werden nicht mitgerechnet.

Missbräuchlichen Gestaltungen soll durch Zusammenrechnung der Beschäftigtenzahl und der Lohnsummen entgegengewirkt werden. § 13a Abs. 3 ErbStG regelt daher, dass zum Betriebsvermögen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer PersGes und Anteilen an einer KapGes des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, unmittelbar oder mittelbar gehörende Beteiligungen an PersGes, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR haben, in die Lohnsummen und die Anzahl der Beschäftigten dieser Gesellschaften des Anteils einzubeziehen sind, zu dem die unmittelbare und mittelbare Beteiligung besteht. Dies gilt für Anteile an KapGes entsprechend, wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt. Im Fall einer Betriebsaufspaltung sind die Lohnsummen und die Anzahl der Beschäftigten der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft zusammenzuzählen.

Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Lohnsummenregelung werden in einem gleichlautenden Ländererlass vom 30.12.2021 dargestellt (FinMin BW, FM3 – S-4600 – 1/42 vom 30.12.2021, LEXinform 7013049). Im Einzelfall kann eine abweichende Festsetzung nach § 163 Abs. 1 AO oder ein Erlass nach § 227 AO aus sachlichen Gründen in Betracht kommen, soweit die tatsächliche Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen nach § 13a Abs. 3 Satz 6 bis 13 ErbStG, in welche Lohnsummen aus dem Zeitraum 1.3.2020 bis 30.6.2022 einbezogen wurden, die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten COVID-19-Pandemie unterschreitet und es allein deshalb zu einer Nachversteuerung nach § 13a Abs. 3 Satz 5 ErbStG kommt oder kommen würde. Führt das Unterschreiten der Mindestlohnsumme wegen § 28 Abs. 1 Satz 5 und 6 ErbStG zum vorzeitigen Ende einer Stundung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, kommt insoweit eine Weitergewährung der Stundung auf Antrag nach § 222 AO in Betracht.

Von der erforderlichen Kausalität zwischen der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten COVID-19-Pandemie und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme kann in der Regel ausgegangen werden, wenn

  1. in dem o.g. Zeitraum die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten wurde,

  2. für den o.g. Zeitraum Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und

  3. der Betrieb einer Branche angehörte, die von einer verordneten Schließung wegen der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen war.

Die vorstehende Prüfung ist einzelfallbezogen vorzunehmen. Es dürfen für das kumulative Vorliegen der vorgenannten Kriterien keine anderen Gründe für die Unterschreitung der Mindestlohnsumme (z.B. betriebsbedingte Kündigung) und für die Zahlung des Kurzarbeitergeldes an den Betrieb vorliegen. Liegen die Umstände zu 1. bis 3. nicht kumulativ vor, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dennoch von der erforderlichen Kausalität ausgegangen werden kann. Mitunter kann es beispielsweise genügen, wenn nur die Umstände zu 1. und 3. vorliegen, da einzelne Arbeitsverhältnisse pandemiebedingt bereits vor der Zahlung von Kurzarbeitergeld an den Betrieb beendet wurden (z.B. in der Gastronomie).

Auch mittelbare Auswirkungen einer verordneten Schließung wegen der COVID-19-Pandemie können im Einzelfall für die Annahme der erforderlichen Kausalität genügen und sich beispielsweise ergeben, wenn nicht der Betrieb selbst von einer verordneten Schließung betroffen war, aber sich Folgeauswirkungen auf den Betrieb ergeben haben (z.B. Textilreinigung von Hotel- und Gastronomiewäsche, Beförderungsunternehmen, Brauereien).

Eine abweichende Festsetzung bzw. ein Erlass kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn schon vor dem o.g. Pandemiezeitraum die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme nicht erreicht wurde. In diesem Fall ist das Unterschreiten der Mindestlohnsumme nicht ausschließlich auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen.

10.3.10. Besonderer Abschlag für familiengeführte Unternehmen

Die Unternehmensführung bei familiengeführten Unternehmen ist typischerweise auf die langfristige Sicherung und Fortführung des Unternehmens ausgerichtet. Aus diesem Grund wird bei Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale vor Anwendung der Regelverschonung ein weiterer Abschlag für diese Unternehmen gewährt.

Gewährt wird ein solcher Abschlag, wenn durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung folgende wertbeeinflussende Bestimmungen vorliegen:

  • die Entnahme oder Ausschüttung muss auf höchstens 37,5 % des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns beschränkt sein; Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben mithin von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt, und

  • die Verfügung über die Beteiligung an der PersGes oder den Anteil an der KapGes muss auf Mitgesellschafter, auf Angehörige i.S.d. § 15 AO oder auf eine Familienstiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) beschränkt sein, und

  • für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft muss eine Abfindung vorsehen sein, die erheblich unter dem tatsächlichen gemeinen Wert der Beteiligung an der PersGes oder des Anteils an der KapGes liegt.

Diese genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die Höhe des dann gewährten Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und darf 30 % nicht übersteigen.

Ferner ist zu beachten, dass die aufgeführten Bedingungen zwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) vorliegen müssen. Die Steuerbefreiung entfällt darüber hinaus mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht über einen Zeitraum von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) eingehalten werden; die §§ 13c und 28a ErbStG bleiben unberührt.

Im Rahmen des JStG 2020 wurde eine gesonderte Feststellung der Voraussetzungen für den Abschlag nach § 13a Abs. 9 ErbStG eingeführt, § 13a Abs. 9a ErbStG. Die Änderung gilt erstmals für Steuerentstehung nach dem Tag der Verkündung des JStG 2020.

10.3.11. Abschmelzung der Regel- und Optionsverschonung nach § 13c ErbStG

Nach den bisherigen Regelungen galten die Verschonungsregeln auch bei der Übertragung von großen Betriebsvermögen, ohne dass geprüft wurde, ob es überhaupt einer Verschonung bedarf. Dies sah das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig an.

Insofern wurde in § 13c ErbStG eine spezielle wertmäßige Begrenzung eingeführt. Sollte der Erwerb begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG zuzüglich der Erwerbe von begünstigtem Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG von derselben Person innerhalb von zehn Jahren insgesamt 26 Mio. € nicht übersteigen, werden die Abschläge ungeschmälert gewährt. Wird die Grenze von 26 Mio. € durch einen oder mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe überschritten, entfällt die Steuerbefreiung jedoch anteilig. Die im Gesetz genannte Formulierung »auf Antrag« kann nur so verstanden werden, dass ohne Antrag bei Überschreitung ein vollständiger Wegfall der Begünstigung eintritt, was in Zusammenhang mit der gesetzlichen Formulierung in § 13a Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch denklogisch erscheint.

Überschreiten die Erwerbe von begünstigtem Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG die Grenze des § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG von 26 Mio. €, verringert sich auf Antrag des Erwerbers der Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 oder Abs. 10 ErbStG um jeweils einen Prozentpunkt für jede vollen 750 000 €, die der Wert des begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG den Betrag von 26 Mio. € übersteigt. Im Fall des § 13a Abs. 10 wird ab einem Erwerb von begünstigtem Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG i.H.v. 90 Mio. € ein Verschonungsabschlag nicht mehr gewährt.

10.3.12. Stundungsregelung in Todesfällen

In § 28 Abs. 1 ErbStG ist im nunmehr verabschiedeten Gesetz geregelt, dass beim Erwerb von Todes wegen von begünstigten Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu sieben Jahre zu stunden ist. Der erste Jahresbetrag ist ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer fällig und bis dahin zinslos zu stunden. Für die weiteren zu entrichtenden Jahresbeträge sind die §§ 234 und 238 AO ab dem zweiten Jahr nach der Festsetzung der Steuer anzuwenden. § 222 AO bleibt unberührt, d. h. es erfolgt eine Verzinsung. Die Stundung endet, sobald der Erwerber, ausgehend vom Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG), den Tatbestand nach § 13a Abs. 3 ErbStG nicht einhält oder einen der Tatbestände nach § 13a Abs. 6 ErbStG erfüllt. Mit einem Verstoß gegen die Lohnsummen- oder die Behaltensregelung endet die Stundung und die Steuer wird sofort fällig. Hierbei gelten folgende Lohnsummen- und Behaltensfristen:

  • der Erwerber nimmt keine Verschonung in Anspruch: Lohnsummen- und Behaltensfrist von fünf Jahren wie bei der Regelverschonung;

  • der Erwerber nimmt die Regelverschonung in Anspruch: Lohnsummen- und Behaltensfrist von fünf Jahren;

  • der Erwerber nimmt die Abschmelzregelung nach § 13c ErbStG ausgehend von einem Verschonungsabschlag von 85 % in Anspruch: Lohnsummen- und Behaltensfrist von fünf Jahren;

  • der Erwerber nimmt die Abschmelzregelung nach § 13c ErbStG ausgehend von einem Verschonungsabschlag von 100 % in Anspruch: Lohnsummen- und Behaltensfrist von sieben Jahren;

  • der Erwerber nimmt die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG in Anspruch: Lohnsummen- und Behaltensfrist von sieben Jahren.

Hat der Erwerber die Lohnsummenregelung nicht eingehalten oder gegen die Behaltensregelung verstoßen, kann für die dafür zu entrichtende Nachsteuer die Stundung nach § 28 Abs. 2 nicht in Anspruch genommen werden.

10.3.13. Verschonungsbedarfsprüfung

Beim Erwerb großer Unternehmensvermögen mit einem begünstigen Vermögen von über 26 Mio. € wurde eine neue Verschonungsbedarfsprüfung eingeführt. Diese Prüfung ist ausschließlich für diese großen Erwerbe vorgesehen. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung (vgl. § 28a ErbStG) muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus sonstigem nichtbetrieblichem bereits vorhandenen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen nicht begünstigtem Vermögen zu begleichen. Genügt dieses Vermögen nicht, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer betragsmäßig zu begleichen, wird die Steuer insoweit erlassen.

Die Verschonungsbedarfsprüfung wird auf Antrag des Stpfl. wie folgt durchgeführt:

  1. Hat der Erwerber genügend übrige Mittel zur Verfügung, um die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerlast zu tragen, scheidet eine Verschonung aus.

  2. Soweit 50 % des mitübertragenen und des bereits vorhandenen nicht begünstigten Nettovermögens des Erwerbers nicht zur vollen Entrichtung der Steuer ausreicht, besteht ein Bedarf für eine Verschonung. Die Steuer wird in entsprechendem Umfang unter der Bedingung erlassen, dass der Erwerber die Lohnsummen- und die Behaltensregelungen einhält. Dies ist eine auflösende Bedingung für den Erlass der Steuer (vgl. § 28 Abs. 4 Nr. 1 und 2 ErbStG).

Beispiel 13:

Der Wert eines im Wege der Schenkung übertragenden begünstigungsfähigen Vermögens soll 95 Mio. € betragen. Davon gehören zum begünstigten Nettovermögen 90 Mio. €. Eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG scheidet wegen Überschreitens der Prüfschwelle aus, ein besonderes Familienunternehmen liegt nicht vor. Der Erwerber verfügt über Bargeld i.H.v. 160 000 €.

Lösung 13:

Die Schenkungsteuer würde ohne eine Begünstigung nach § 13a ErbStG bei Berücksichtigung eines persönlichen Freibetrages von 400 000 € für den Erwerb des begünstigten Vermögens i.H.v. 90 Mio. € als Erwerb der Steuerklasse I insgesamt ca. 26 880 000 €. Das verfügbare Vermögen beträgt insgesamt rund 5 160 000 €. Es setzt sich aus seinem Barvermögen sowie dem nicht begünstigten Vermögen zusammen. Dieses muss der Erwerber zu 50 % zur Begleichung der Steuer verwenden. Daher kommt ein Erlass der Steuer lediglich i.H.v. (26 880 000 € ./. (5 160 000 € × 50 %)) = 24 300 000 € in Betracht. Zu beachten ist, dass auch der Erwerb des nicht begünstigten Vermögens der Erbschaftsteuer unterliegt.

10.4. Besondere Hinweise

Erwähnenswert ist § 35b EStG, mit dem die Finanzverwaltung den geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer möglichen Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer entgegentreten will. Der Wortlaut sieht bei Vorliegen der Voraussetzungen und auf Antrag des Steuerpflichtigen eine anteilige Anrechnung der Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer vor.

Mit Beschluss vom 7.4.2015 hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde gegen die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 1432/10). Aufgrund der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers ist es mit dem Gebot der steuerlichen Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, eine später entstehende Einkommensteuer bei der Berechnung der Erbschaftsteuer in dieser Konstellation unberücksichtigt zu lassen.

Ferner beinhaltet § 14 ErbStG erstmals eine verfahrensrechtliche Regelung zum Ablauf der Festsetzungsfrist, mithin der Möglichkeit der Änderbarkeit von Bescheiden.

11. Änderung im Bewertungsgesetz

11.1. Allgemeines

Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Entscheidung des BVerfG war der Gesetzgeber gefordert, eine Bewertungsmethodik zu finden, die bei sämtlichen Wirtschaftsgütern eine Heranziehung mit dem Verkehrswert ermöglicht. Das ursprüngliche Änderungsgesetz beinhaltete an mehreren Stellen eine Ermächtigung des Gesetzgebers zum Erlass einer weitergehenden Durchführungsverordnung. Auf dieser Grundlage hatte das Bundesministerium der Finanzen am 13.2.2008 erste Entwürfe der Bewertungsordnungen für Betriebs-, Grund- sowie land- und forstwirtschaftliches Vermögen veröffentlicht. Vermutlich auch aufgrund der unterschiedlichen Verlautbarungen, wonach derartige Verordnungen möglicherweise verfassungsrechtlich bedenklich seien, wurden diese inhaltlich in den Gesetzestext und damit in das künftige Bewertungsgesetz eingearbeitet. Darüber hinaus sind die Änderungen gegenüber den bisherigen Entwürfen eher als marginal zu bezeichnen.

11.2. Bewertung des Grundvermögens

11.2.1. Überblick Bewertungsverfahren

Das Grundvermögen ist mit dem Verkehrswert in Abhängigkeit von der Grundstücksart zu bewerten. Während sich für unbebaute Grundstücke § 179 BewG die Bewertung nach dem Bodenrichtwert regelt, gibt § 182 BewG vor, welches Bewertungsverfahren für bebaute Grundstücke grundsätzlich Anwendung finden soll.

Vergleichsverfahren

Ertragswertverfahren

Sachwertverfahren

Grundstücksarten

Wohnungseigentum, Teileigentum, Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser

Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt

Wohnungseigentum, Teileigentum, Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, soweit ein Vergleichswert nicht vorliegt; Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzt Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Markt keine übliche Miete ermitteln lässt; sonstige bebaute Grundstücke

Rechtsgrundlage

§ 182 Abs. 2 BewG

§ 182 Abs. 3 BewG

§ 182 Abs. 4 BewG

Abb.: Bewertungsverfahren nach § 182 Abs. 2–4 BewG

Beim Vergleichswert i.S.d. § 183 BewG wird der gemeine Wert des Grundstücks vorrangig aus den von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreisen abgeleitet. Dieses Verfahren soll insbes. für Wohnungseigentum, Teileigentum, Ein- und Zweifamilienhäuser gelten. Damit ein Preis zum Vergleich benutzt werden kann, wird vorausgesetzt, dass es sich weitgehend um gleichartige Gebäude handelt. Die Gleichartigkeit bestimmt sich an Kriterien wie der Lage, der Nutzung, der Größe, der Ausstattung, dem Zuschnitt oder der Beschaffenheit.

Der BFH hat mit Urteil vom 24.8.2022 klargestellt, dass bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens (§ 183 BewG) vorrangig die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise heranzuziehen sind (BFH vom 24.8.2022, II R 14/20, LEXinform 0952881). Nur wenn keine vom Gutachterausschuss ermittelten Vergleichspreise vorliegen, kann sich der Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben. Der Vorrang einer Auskunft des Gutachterausschusses basiere auf dessen besonderer Sach- und Fachkenntnis, der größeren Ortsnähe sowie dessen Kompetenz bei der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung (vgl. zur Ermittlung von Bodenrichtwerten: BFH vom 25.8.2010, II R 42/09, BStBl II 2011, 205). Erst wenn der Gutachterausschuss keine Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren mitteilt, sei der Rückgriff auf andere Berechnungsgrundlagen und -methoden möglich, so der BFH in der Urteilsbegründung. Im Entscheidungsfall ging es um eine mittelbare Grundstücksschenkung. Der Kaufpreis kann allerdings nur dann herangezogen werden, wenn er unter fremden Dritten vereinbart wurde und keine Anhaltspunkte gegen marktübliche Bedingungen sprechen.

11.2.2. Ertragswertverfahren

Für Mietwohngrundstücke sowie Geschäfts- und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, soll das in § 184 BewG geregelte Ertragswertverfahren Anwendung finden. Bei diesem Verfahren sind der Wert für den Grund und Boden und der für das Gebäude getrennt zu ermitteln bzw. zu bewerten.

Vereinfacht dargestellt ergibt sich folgendes Schema:

Abb.: Ermittlung des Grundstücksertragswerts

Der Wert des Grund und Bodens basiert auf dem zuletzt vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwert und stellt – wie bisher – den Mindestwert dar (vgl. § 184 Abs. 2 BewG). Die Ermittlung des Gebäudewertes erfolgt hingegen unter der Zugrundelegung des nachhaltig erzielbaren Ertrags. Dabei ist der Gebäudereinertrag, welcher sich nach den Vorgaben der §§ 185 ff. BewG ergibt, mit einem individuellen Vervielfältiger zu multiplizieren, der sich aus der Anl. 21 zum BewG ergibt. Die Höhe des Vervielfältigers ist einerseits von der Restnutzungsdauer (vgl. Anl. 22 zum BewG) und andererseits vom sog. (Liegenschafts-)Zinssatz abhängig, welcher grundsätzlich von den Gutachterausschüssen ermittelt wird (vgl. § 188 Abs. 2 BewG). Die Liegenschaftszinssätze wurden zuletzt im Rahmen des JStG 2022 an das Marktniveau angepasst. Der Zinssatz für Mietwohngrundstücke wurde von bisher 5 % auf 3,5 % abgesenkt und damit am stärksten geändert. Die neuen Zinssätze gelten für Bewertungsstichtage ab 1.1.2023. Vorrangig ist jedoch unverändert der vom Gutachterausschuss festgestellte Zinssatz anzuwenden.

Die Summe des so ermittelten Gebäudeertragswertes und des Bodenwertes ergibt den Grundstücksertragswert. Der Wert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen ist mit dem Ertragswert des Grundstücks abgegolten. Diese Klarstellung wurde durch das JStG 2022 in § 184 Abs. 4 BewG aufgenommen.

Beispiel Rechtslage ab 2023:

Für Zwecke der ErbSt ist im Jahr 2023 ein Mietwohngrundstück zu bewerten. Das Gebäude wurde im Jahr 1998 fertiggestellt und ist in vollem Umfang zu fremden Wohnzwecken vermietet. Die vertragliche Jahresmiete beträgt für 4 Wohnungen mit jeweils 65 qm Wohnfläche 36 000 € (ohne Umlagen). Für 4 Garagen beträgt die vertragliche Jahresmiete 4 800 €. Der Grund und Boden umfasst eine Fläche von 800 qm und der maßgebende Bodenrichtwert beträgt 550 €/qm. Weitere Feststellungen des Gutachterausschusses liegen nicht vor.

Lösung:

Bodenwert und Gebäudewert sind getrennt zu ermitteln, § 184 Abs. 1 BewG. Der Bodenwert beträgt 440 000 € (§§ 184 Abs. 2, 179 BewG). Der Gebäudeertragswert ist wie folgt zu berechnen:

Wohnungen (vertragliche Sollmiete, ohne Umlagen)

36 000 €

Garagen

+ 4 800 €

Rohertrag

= 40 800 €

Bewirtschaftungskosten

Anlage 23, Indexzahlen lt. BMF v. 27.1.2023

Verwaltungskosten je Wohnung 344 € (s.o.) × 4

./. 1 376 €

Verwaltungskosten je Garage 45 € (s.o.) × 4

./. 180 €

Instandhaltungskosten je qm Wohnfläche 13,50 × 65 qm × 4

./. 3 510 €

Instandhaltungskosten je Garage 102 € × 4

./. 408 €

Mietausfallwagnis jährlicher Rohertrag 40 800 € × 2 %

./. 816 €

Reinertrag

= 34 510 €

Bodenwertverzinsung § 187 Abs. 2 i.V.m. § 188 Abs. 2 BewG

Bodenwert 440 000 € × 3,5 %

./. 15 400 €

Gebäudereinetrag

= 19 110 €

Vervielfältiger § 185 Abs. 3 i.V.m. Anlage 21

24,26

Gesamt-ND lt. Anlage 22 = 80 Jahre

Gebäudealter 25 Jahre, ergibt Rest-ND 55 Jahre

Gebäudeertragswert

463 608 €

Bodenwert

440 000 €

Ertragswert § 184 BewG

903 608 €

11.2.3. Sachwertverfahren

Für die Grundstücke, für die kein Vergleichswert ermittelt werden kann bzw. die üblicherweise nicht zur Vermietung bestimmt sind, kommt das sog. Sachwertverfahren zur Anwendung. Dieses ist in den §§ 189 ff. BewG geregelt. Ähnlich wie im Ertragswertverfahren wird auch hier gem. § 189 Abs. 1 BewG getrennt nach Bodenwert und Gebäude(sach-)wert.

Vereinfacht dargestellt ergibt sich folgendes Schema:

Abb.: Ermittlung des Grundbesitzwerts im Wege des Sachwertverfahrens

Hinsichtlich des Bodenwertes wird wiederum auf die Bodenrichtwerte zurückgegriffen, der Gebäudesachwert ergibt sich aus dem Gebäudeherstellungswert (vgl. hierzu § 190 BewG Anl. 24 zum BewG) abzüglich Alterswertminderung. Die Summe aus Gebäudesachwert und Bodenwert ergibt den vorläufigen Sachwert und ist noch mit einer vom Gutachterausschuss ermittelten Wertzahl zu multiplizieren (vgl. § 189 Abs. 3 BewG). Ist eine solche nicht vorhanden, wird gem. § 191 Abs. 1 BewG auf Anl. 25 verwiesen, welche typisierende Wertzahlen enthält. Der Wert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen ist grds. mit dem Sachwert abgegolten (§ 190 Abs. 4 BewG).

Das Sachwertverfahren wurde für Bewertungsstichtag ab 2016 geändert. Ab 1.1.2016 werden die Regelherstellungskosten aus der Anl. 24 zum BewG regelmäßig an die allgemeine Preisentwicklung der Bauwirtschaft angepasst. Das BMF veröffentlicht die maßgebenden Baupreisindizes im Bundessteuerblatt, vgl. § 190 Abs. 2 BewG (z.B. für Stichtage in 2024 vgl. BMF vom 30.1.2024, BStBl I 2024, 192). Der Baupreisindex für Wohngebäude beträgt für Stichtage in 2024 177,9 %, für 2022 141 %, für Stichtage in 2016 betrug der Index noch 116,8 %. Zum 1.1.2023 wurden durch das JStG 2022 weitere Anpassungen vorgenommen. So wurden beispielsweise die Anl. 22 (Gesamtnutzungsdauer) und 25 (Wertzahlen) angepasst. Die Gesamtnutzungsdauer wurde u.a. für EFH, ZFH, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum auf 80 Jahre erhöht. Die Wertzahlen wurden an die aktuelle Marktentwicklung angepasst. § 190 Abs. 5 BewG ermöglicht die Anpassung der Regelherstellungskosten an regionale Gegebenheiten. Neu ist in der Anlage 25 die Interpolation bei Zwischenwerten der Tabelle. Die neue Anlage 25 enthält den Hinweis »Für vorläufige Sachwerte und Bodenrichtwerte oder abgeleitete Bodenwerte zwischen den angegebenen Intervallen sind die Wertzahlen durch lineare Interpolation zu bestimmen. Über den tabellarisch aufgeführten Bereich hinaus ist keine Extrapolation durchzuführen. Für Werte außerhalb des angegebenen Bereichs gilt der nächstgelegene vorläufige Sachwert oder Bodenrichtwert oder abgeleitete Bodenwert«.

Die Gutachterausschüsse können Regionalfaktoren feststellen. Liegen keine Regionalfaktoren vor, werden die Regelherstellungskosten mit dem Faktor 1,0 angesetzt.

Beispiel Rechtslage ab 2023:

Ein EFH ist zum 1.6.2023 für Zwecke der ErbSt zu bewerten. Das freistehende Gebäude wurde im Jahr 2010 fertiggestellt (Keller, EG, OG, DG nicht ausgebaut). Die Bruttogrundfläche (BGFl) beträgt 260 qm, alle Bauteile sind der Standardstufe 3 zuzuordnen. Neben dem EFH steht eine Fertiggarage aus dem Jahr 2010 mit einer BGFl von 23 qm. Der Grund und Boden umfasst eine Fläche von 650 qm, und der maßgebende Bodenrichtwert beträgt 500 €/qm. Weitere Feststellungen des Gutachterausschusses liegen nicht vor.

Lösung:

Bodenwert und Gebäudewert sind getrennt zu ermitteln, § 189 Abs. 1 BewG. Der Bodenwert beträgt 325 000 € (§§ 184 Abs. 2, 179 BewG). Der Gebäudeertragswert ist wie folgt zu berechnen:

1. Einfamilienhaus

Regel-HK aus Anl. 24

730 €

Gebäudeklasse

1.12

Standardstufe

3

Indexstufe für 2023, lt. BMF vom 30.1.2023

164,0

Regel-HK für Stichtag 1.6.2023

1 197 €

maßgebende HK für BGFl von 260 qm

311 220 €

Regionalfaktor § 190 Abs. 5 Satz 3 BewG (liegt hier nicht vor)

1,0

Alterswertminderungsfaktor § 190 Abs. 6 Satz 1 BewG

Gesamt-ND lt. Anl. 22

80 Jahre

Gebäudealter (2023–2010)

13 Jahre

Rest-ND

67 Jahre

Alterswertminderungsfaktor

67/80

Gebäudesachwert EFH

260 646 €

2. Garage

Regel-HK aus Anl. 24

245 €

Gebäudeklasse

14.1

Fertiggarage = Standardstufe

3

Indexstufe für 2023 (Gebäudeklasse 14.1, nicht EFH)

166,9

Regel-HK für Stichtag 1.6.2023

408 €

maßgebende HK für BGFl von 23 qm

9 384 €

Regionalfaktor § 190 Abs. 5 Satz 3 BewG (liegt hier nicht vor)

1,0

Alterswertminderungsfaktor § 190 Abs. 6 Satz 1 BewG

Gesamt-ND lt. Anl. 22

60 Jahre

Gebäudealter (2023–2010)

13 Jahre

Rest-ND

47 Jahre

Alterswertminderungsfaktor

47/80

Gebäudesachwert EFH

7 350 €

vorläufiger Sachwert

592 996 €

Bodenwert

325 000 €

Sachwert EFH

260 646 €

Sachwert Garage

7 350 €

Wertzahl aus Anl. 25

1,3

vorläufiger Sachwert

592 996 €

Bodenrichtwert

500 €/qm

Anl. 25 enthält Wert bis 500 000 €, eine Extrapolation ist lt. Zusatz in Anl. 25 nicht vorzunehmen, eine Interpolation auch nicht, da der Bodenrichtwert von 500 € enthalten ist.

Sachwert bebautes Grundstück § 189 BewG

770 894 €

11.2.4. Öffnungsklausel

Ferner ist die Möglichkeit eines Nachweises eines niedrigeren Verkehrswertes gegeben (vgl. § 198 BewG). Weitere Sondervorschriften und besondere Bewertungsmethoden sind – wie im bisherigen Recht – u.a. für Erbbaurechte (§§ 192 ff. BewG) und Gebäude auf fremden Grund und Boden (§ 195 BewG) festgelegt. Gem. § 198 Abs. 1 BewG kann der niedrigere gemeine Wert eines Grundstücks nachgewiesen werden. Gem. § 198 Abs. 2 BewG kommen hierfür in Betracht:

  • der Gutachterausschuss (§ 192 ff. BauGB),

  • öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Bewertung von Grundstücken oder

  • Sachverständige, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige für Immobilienbewertung zertifiziert sind.

§ 198 Abs. 3 BewG ermöglicht als Nachweis einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommenen Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.

Der BFH hat entschieden, dass die Nachweislast des § 198 BewG über die Darlegungs- und Feststellungslast hinausgeht. Soll der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch Vorlage eines Gutachtens erbracht werden, muss das Gutachten entweder durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt sein, so ein Leitsatz aus der BFH-Entscheidung. Ob das Gutachten den Nachweis erbringt, unterliege der freien Beweiswürdigung des FA und des FG. Der Nachweis sei erbracht, wenn dem Gutachten ohne weitere Beweiserhebung, insbes. Einschaltung weiterer Sachverständiger, gefolgt werden könne (BFH vom 5.12.2019, II R 9/18, LEXinform 0951813).

Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die WertV i.V.m. den Wertermittlungsrichtlinien i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.3.2006 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 108a, berichtigt durch Nr. 121) und die ImmoWertV, die die WertV ab dem 1.7.2010 abgelöst hat, zu beachten. Die zeitliche Anwendbarkeit der auf § 199 Abs. 1 BauGB beruhenden Rechtsverordnungen richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Die WertV war bis zum 30.6.2010 in Kraft und wurde am 1.7.2010 durch die ImmoWertV abgelöst (vgl. § 24 ImmoWertV). Deshalb sind für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar (vgl. BFH vom 24.10.2017, II R 40/15 unter Rz. 14). Die in der ImmoWertV klar geregelten Zeitpunkte des Außer-Kraft-Tretens der WertV und des In-Kraft-Tretens der ImmoWertV sind für die Beteiligten eindeutig und machen den zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Rechtsverordnung vorhersehbar und bestimmbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung (a.A. Mannek in Stenger/Loose, § 198 BewG Rz. 60 f.). Würde man auf Letzteren abstellen, könnten bei einer Gutachtenerstellung für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 entweder die WertV – solange das Gutachten bis zu diesem Datum erstellt wurde – oder alternativ die ImmoWertV – falls das Gutachten ab dem 1.7.2010 erstellt wurde –, und somit unterschiedliche Regelungen zu beachten sein. Dies würde einer vorhersehbaren und rechtssicheren Wertermittlung widersprechen (BFH vom 16.9.2020, II R 1/18).

Möglich ist der Nachweis auch anhand eines im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kurz vor dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommenen Kaufvertrages. Die Finanzverwaltung lässt einen Zeitraum von einem Jahr vor und einem Jahr nach dem Bewertungsstichtag zu (R B 198 Abs. 4 BewG). Diese Regelung aus den ErbStR wurde gesetzlich verankert und für Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021 in § 198 Abs. 3 BewG aufgenommen. Gem. R B 198 Abs. 4 Satz 2 ErbStR kann auch ein außerhalb der Jahresfrist zustande gekommener Kaufpreis in Betracht kommen, wenn die Verhältnisse hierfür unverändert geblieben sind.

Der Nachweis kann jedoch nicht durch die Ableitung aus dem Bilanzansatz des Grundstücks oder durch einen Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil erfolgen (BFH vom 25.4.2018, II R 47/15, LEXinform 0950486). Der BFH führte in der Urteilsbegründung u.a. aus, dass der erforderliche Nachweis des gemeinen Werts eines Grundstücks nicht gegeben sei, wenn beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen der gemeine Wert eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks aus dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile abgeleitet wird. Dies gelte insbes., wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht nur aus dem zu bewertenden Grundstück bestehe, sondern weitere Gegenstände (ggf. auch mit stillen Reserven) umfasse. Der BFH hat offengelassen, ob der Nachweis durch den Kaufpreis dann möglich ist, wenn das Gesellschaftsvermögen ausschließlich aus dem Grundstück bestehen würde.

11.3. Bewertung des Betriebsvermögens sowie der Anteile

Für das Betriebsvermögen von Gewerbebetrieben und von freiberuflich Tätigen erfolgt der Wertansatz grundsätzlich mit dem gemeinen Wert (vgl. §§ 109 Abs. 1 Satz 1, 96 BewG). Auch Anteile am Betriebsvermögen einer in § 97 BewG genannten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse werden mit dem gemeinen Wert erfasst. Für die Ermittlung des gemeinen Wertes gilt jeweils § 11 Abs. 2 BewG. Insofern wird § 11 BewG die zentrale Bewertungsnorm, die jedoch in Abs. 2 auf die §§ 199 ff. BewG verweist.

Die Bewertungsmethodik sieht vor, dass ein Wert zunächst aus Verkäufen und fremden Dritten abgeleitet werden soll, soweit diese weniger als ein Jahr zurückliegen (vgl. § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG). Dies unterstellt, dass solche Verkäufe am objektivsten den Marktwert zum Bewertungszeitpunkt widerspiegeln. Sollten derartige stichtagsnahe Verkäufe nicht vorliegen, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten (und gerade nicht des Vermögens) oder gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nach einer anderen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr anerkannten Methode zu ermitteln (z.B. DCF-Verfahren). Sind für bestimmte Bewertungsgruppen andere spezielle Bewertungsmethoden üblich und anerkannt, werden diese auch vom Steuerrecht akzeptiert (z.B. Multiplikatormethode bei der Ermittlung des Kaufpreises von freiberuflichen Praxen und Kanzleien).

Als Mindestwert ist jedoch gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG immer der Substanzwert, also der Wert aller zum Betriebsvermögen zählenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der Schulden und sonstigen Abzüge zugrunde zu legen.

In § 199 BewG ist das vereinfachte Verfahren zur Ertragswertermittlung geregelt. Gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG kann dieses Verfahren angewendet werden (Wahlrecht). Dieses typisierende Verfahren soll die Möglichkeit bieten, ohne große Ermittlungen und kostenintensive Wertgutachten eine Bewertung des Betriebsvermögens vornehmen zu können.

Dieses Verfahren findet jedoch nur dann Anwendung, wenn für einen Gewerbebetrieb kein Verkaufspreis und für einen Anteil an einer KapGes kein Börsenkurs oder Verkaufspreis vorliegt und kein anderes anerkanntes Verfahren einschlägig ist. Im Rahmen dieses vereinfachten rechtsformneutralen Verfahrens wird der Ertragswert aus der Multiplikation des nachhaltig erzielbaren Jahresertrages (typisierend Durchschnitt der Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre) mit dem Kapitalisierungsfaktor (13,75) ermittelt (vgl. § 200 Abs. 1 BewG i.V.m. § 201 Abs. 2 BewG). Das Betriebsergebnis ist wiederum umfangreichen Korrekturen zu unterwerfen (vgl. § 202 BewG). Neben dem so ermittelten Ertragswert sind nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Beteiligungen und junges Betriebsvermögen gesondert anzusetzen.

Der Kapitalisierungszins beträgt für Stichtage ab 1.1.2016 gem. § 203 Abs. 1 BewG 13,75. Für Bewertungsstichtage zwischen dem 1.1.2009 und 31.12.2015 ergab sich der Kapitalisierungsfaktor aus einem variablen Basiszins und einem Zuschlag von 4,5. Dies ergab in Zeiten niedriger Zinsen einen sehr hohen Kapitalisierungsfaktor (z.B. für Stichtage in 2015 = 18,2149). Mit der Anpassung des § 203 BewG sollte eine überhöhte Bewertung in Niedrigzinsphasen verhindert werden.

Der Feststellungsbescheid nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 BewG für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2015 und vor dem 1.7.2016 ist grundsätzlich der Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zugrunde zu legen. Wenn sich der festgestellte gemeine Wert im Rahmen der Verschonung nach § 13a ErbStG a.F. bei der Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zum Nachteil des Erwerbers auswirkt, ist jedoch im Einzelfall auf Antrag beim zuständigen Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerfinanzamt eine abweichende Steuerfestsetzung vorzunehmen. Die abweichende Bewertung gilt dann nur für die Berechnung des Verwaltungsvermögenstestes. Für die Höhe des Betriebsvermögenswertes auf der Bewertungsebene bleibt es bei der Bewertung mit 13,75. Damit dürften die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt sein.

11.4. Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen

Auch für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens befinden sich die Bewertungsregeln direkt im Bewertungsgesetz, genauer in den §§ 158 ff. BewG.

Da bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen regelmäßig keine Ableitung aus Verkäufen stattfinden wird, soll die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens im Rahmen eines typisierenden Ertragswertverfahrens erfolgen. Hierbei wird auf die betriebswirtschaftliche Ausrichtung und die Betriebsgröße abgestellt, wodurch die objektive Ertragsfähigkeit der Betriebe realitätsgerecht abgebildet werden soll. Nicht geregelt wurde die Bewertung des Wohnteils und der land- und forstwirtschaftlichen Betriebswohnungen, da diese nach den eingangs dargestellten Vorschriften für die Bewertung von Grundvermögen bewertet werden sollen (vgl. § 167 Abs. 1 BewG). Nach dieser Abtrennung umfasst der Wirtschaftsteil des Betriebes der Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich folgende Nutzungen:

  • die landwirtschaftliche Nutzung,

  • die forstwirtschaftliche Nutzung,

  • die weinbauliche Nutzung,

  • die gärtnerische Nutzung und

  • die übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen.

Der nachhaltig erzielbare Reingewinn einer jeden Nutzung umfasst das ordentliche Ergebnis (Durchschnitt der letzten fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichtag gem. § 163 BewG) abzüglich eines angemessenen Lohnersatzes für die Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und der nicht entlohnten Arbeitskräfte (z.B. Angehörige). Auch in Umsetzung der Vorgaben des BVerfG finden sich in der Anlage zum Gesetz diverse Anlagen mit Bewertungszahlen zur Ermittlung des jeweiligen Reingewinns. Diese hängen neben der örtlichen Gegebenheit insbes. von der Art und dem Umfang der Nutzung ab. Durch die genaue Differenzierung soll trotz der gebotenen Typisierung möglichst der gemeine Wert ermittelt werden. Der ermittelte Reingewinn bzw. die Summe aller Reingewinne der unterschiedlichen Nutzungen ist sodann mit der Eigentumsfläche zu multiplizieren, das Ergebnis spiegelt den maßgebenden Reinertrag wider. Dieser ist gem. § 163 Abs. 11 BewG mit 5,5 % (somit mit 18,6) zu kapitalisieren. Das Ergebnis ist der Regelertragswert.

Ferner wurde in § 164 BewG eine umfangreiche Mindestwertregelung installiert, welche einzig an die Ertragsfähigkeit der Wirtschaftsgüter anknüpft. Außerdem kann über § 165 Abs. 3 BewG ein niedrigerer Verkehrswert des Wirtschaftsteils nachgewiesen werden.

Mit BMF-Schreiben vom 18.3.2009 wurden ferner die Standarddeckungsbeiträge zur Durchführung der Klassifikation der §§ 163, 164 BewG veröffentlicht.

Eine umfangreiche Darstellung der anzuwenden Rechtsvorschriften beinhaltet u.a. der Erlass des FinMin Baden-Württemberg vom 1.4.2009, BStBl I 2009, 552).

Im Zusammenhang mit der Bewertung eines zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücks hat der BFH zum Nachweis eines niedrigeren Wertes Stellung genommen. Der BFH hat entschieden, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes auch dann möglich sein muss, wenn dies durch das Gesetz nicht vorgesehen ist. Im Entscheidungsfall wurde durch das FA der gemeine Wert gem. § 166 Abs. 2 Nr. 1 BewG ermittelt. Dieser Wert lag um das 1,55-Fache über dem kurze Zeit nach dem Erbanfall tatsächlich erzielten Veräußerungserlös. Der BFH hat hier klargestellt, dass der Ansatz des niedrigeren Wertes geboten ist, auch wenn dies nach dem Wortlaut des BewG nicht vorgesehen ist. Hierdurch solle ein Verstoß gegen das Übermaßverbot verhindert werden. Dies erfordere aber eine extrem über das normale Maß hinausgehende Abweichung. Eine Abweichung von 10 % sei nicht ausreichend, diese sei noch durch die typisierenden Bewertungsmethoden hinzunehmen. Bei einem Bodenwert ist nach Auffassung des BFH das rund 1,4-Fache bzw. bei anderen Fällen das Dreifache des gemeinen Wertes eine extreme Abweichung (BFH vom 30.1.2019, II R 9/16, LEXinform 0950786).

Ist für die Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Liquidationswert maßgebend, kann ausnahmsweise der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts geführt werden, wenn der festgestellte Wert das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzt. Dies setzt aber regelmäßig voraus, dass der vom FA festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt (BFH vom 16.11.2022, II R 39/20, LEXinform 0953361). Die Finanzverwaltung hat in einem koordinierten Länderlass zur Anwendung des BFH-Urteils Stellung genommen (gleichlautende Erlasse der Länder vom 19.2.2024, LEXinform 7013904). Die o.g. Grundsätze zum Übermaßverbot sind allgemein anzuwenden (Rn. 8–10 im koordinierten Ländererlass).

Darüber hinaus hatte der BFH entschieden, dass der bewertungsrechtliche Begriff »Betrieb der Land- und Forstwirtschaft« tätigkeitsbezogen ist. Zivilrechtliches Eigentum an Grund und Boden oder am Besatz sei unerheblich. Insoweit ist das o.g. Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Entgegen der o.g. Entscheidung des BFH können land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von WG nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, auch dann einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden, wenn sie weniger als 15 Jahre lang einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind (sog. unechte Stückländereien; R B 160.1 Abs. 6 Satz 7 ErbStR). Derartige Flächen bilden nur dann eine eigene wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, wenn sie nicht als Teilfläche einem bestehenden Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Überlassenden zugeordnet werden können. Der Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und die Abgrenzung zum Betriebs- und Grundvermögen richten sich nach den §§ 158, 159 BewG und können nicht aus § 160 Abs. 7 BewG abgeleitet werden. Der Gesetzgeber hat die zeitliche Komponente des § 160 Abs. 7 BewG insbes. im Hinblick auf die Bewertungsmethode eingeführt (§ 162 Abs. 2 BewG). Darüber hinaus hat sie in der Praxis Bedeutung für die Frage einer etwaigen Steuerentlastung nach §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG.

12. Schuldenabzug

Entsprechend der bisherigen Ägide sind auch Schulden nach wie vor abzugsfähig. Während diese bei Betriebsvermögensübertragungen in die Ermittlung des Betriebsvermögens einbezogen werden, finden bei sonstigen Übertragungen wie bisher die Grundsätze der gemischten Schenkung Anwendung. Der Abzug von Schulden und Lasten ist grundsätzlich nur dann eingeschränkt, wenn diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die bei der Besteuerung nicht angesetzt werden oder voll oder teilweise befreit sind. Vermögensgegenstände, für die der Erwerber lediglich im Rahmen der Wertermittlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einen pauschalen Freibetrag erhält, unterliegen dagegen selbst uneingeschränkt der Besteuerung, sodass die Einschränkung des Schuldenabzugs nicht in Betracht kommt. Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG). Zu diesen Schulden und Lasten können nur solche gehören, die nicht bereits bei der Ermittlung des Werts des begünstigten Vermögens berücksichtigt worden sind. Bei land- und forstwirtschaftlichem begünstigten Vermögen ist § 158 BewG zu berücksichtigen. Ist das begünstigte Vermögen in vollem Umfang von der Steuer befreit, ist kein Abzug vorzunehmen. Soweit die Befreiung nach § 13a ErbStG wegen Verstoßes gegen die Behaltensvoraussetzungen oder die Lohnsummenregelung nachträglich teilweise entfällt, sind die bisher nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten anteilig zum Abzug zuzulassen.

Schulden und Lasten, die mit den nach § 13d ErbStG befreiten Grundstücken oder Grundstücksteilen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, können nur mit dem Betrag abgezogen werden, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13c ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13d ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG). Somit ergibt sich im Regelfall ein Abzug i.H.v. 90 %; das gilt nicht in den Fällen des § 13d Abs. 2 ErbStG (> Abschn. 36 Abs. 5).

Nähere Ausführungen beinhaltet R E 10.10 ErbStR.

Als Reaktion auf die BFH-Rspr. zum unbegrenzten Abzug von Pflichtteilsschulden im Zusammenhang mit steuerbefreitem Vermögen hat der Gesetzgeber im Rahmen des JStG 2020 § 10 Abs. 6 ErbStG angepasst. Künftig sind Schulden und Lasten, die in keinem Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, anteilig allen Vermögensgegenständen zuzurechnen, vgl. Berechnungsbeispiel oben unter 8.2.

13. Literaturhinweise

Radeisen, Die Erbschaftsteuerreform 2008/2009, Stuttgart 2008; Vogt, Der »maximale Erbschaftsteuerfreibetrag« nach neuem Recht, DStR 1997, 1879; Halaczinsky, Die Erbschaft- und Schenkungsteuer, NWB Fach 10, 1267; Kirschstein, Übertragung einer Immobilie mit gleichzeitigem Zuwendungsnießbrauch (§§ 23, 25 ErbStG), Steuer & Studium 2003, 281; Mayer, Erbschaftsteuersparen um jeden Preis – Testamentsklauseln auf dem Prüfstand (Teil I und II), DStR 2004, 1371 und 1409; Lang, Die Begünstigung von Produktivvermögen nach §§ 13a, 19a ErbStG, NWB Fach 10, 2004, 1475; Elicker, Gesellschafts- und erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Nachfolge in GmbH-Anteile und ihre steuerlichen Konsequenzen, Steuer & Studium 2006, 291; Götz u.a., Auslandsvermögen im Erbfall, NWB Fach 10, 2006, 1533; Eisele, Jahressteuergesetz 2007: Neuerungen im erbschaftsteuerlichen Bewertungsrecht, INF 2007, 136; Pahlke, Der Erbschaftsteuerbeschluss des BVerfG, NWB Fach 10, 2007, 1575; Becker u.a., Die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten, NWB Fach 19, 2007, 3657; Hegemann, Gesetzgebung: Erbschaftsteuerreform 2008: Referentenentwurf zeigt Handlungsbedarf auf, GStB 2007, 427; Eisele, Entwurf eines Erbschaftsteuerreformgesetzes. Novellierung des erbschaftsteuerlichen Bewertungsrechts, NWB 2007, 4581.

14. Verwandte Lexikonartikel

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Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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