1 Grundsatz
2 Beginn der Feststellungsfrist
3 Dauer der Feststellungsfrist
3.1 Allgemeines
3.2 Ablaufhemmung nach § 171 AO
3.3 Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 5 AO
3.4 Besonderheiten der Ablaufhemmung bei der Verlustfeststellung i.S.d. § 10d Abs. 4 EStG
3.5 Feststellungsfrist für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes
4 Wahrung der Feststellungsfrist
5 Feststellungsverjährung trotz Einspruch gegen Feststellungsbescheid
6 Abweichende Feststellung von Besteuerungsgrundlagen aus Billigkeitsgründen
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel
Für die gesonderte Feststellung gelten gem. § 181 Abs. 1 AO die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Feststellungsbescheide werden damit den Steuerbescheiden (→ Steuerbescheid) i.S.d. § 155 AO gleichgestellt und folglich als sog. gleichgestellte Bescheide bezeichnet. Insbesondere gelten damit auch die Vorschriften über die → Festsetzungsverjährung. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine gesonderte Feststellung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist.
§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO stellt klar, dass die Erklärung zur gesonderten Feststellung die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO auslöst. Eine Verpflichtung zur Abgabe der Feststellungserklärung ergibt sich aus § 181 Abs. 2 AO.
Eine Feststellungserklärung ist nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO wie eine → Steuererklärung in der von § 150 AO vorgesehenen Form abzugeben, d.h. nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck mit dem davon geforderten Inhalt. Deshalb kann bei Bestehen einer Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung deren Abgabe grundsätzlich nicht durch die Abgabe einer Einkommensteuererklärung ersetzt werden.
Folgt der Steuerpflichtige der Aufforderung des Finanzamts zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung, obwohl formal »richtige« Steuererklärung eine Feststellungserklärung gewesen wäre, und ermöglicht die abgegebene Erklärung ohne Verkürzung der Bearbeitungszeit gegenüber einer formal »richtigen« Steuererklärung eine rechtlich zutreffende Bearbeitung des Steuerfalles, so ist dies ausnahmsweise der zur Beendigung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO führenden Abgabe einer zwar den formalen Anforderungen entsprechenden, jedoch (inhaltlich) teilweise unvollständigen oder unrichtigen Feststellungserklärung gleichzustellen, die zu keiner Verkürzung der der Finanzbehörde zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit führt (BFH Urteil vom 12.12.2013, IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665).
Die Feststellungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO). Bei → Steuerhinterziehung verlängert sich die Frist auf zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung (→ Steuerordnungswidrigkeiten) auf fünf Jahre. Ausführlich hierzu → Festsetzungsverjährung unter Tz. 4.
Die Ablaufhemmung des § 171 AO schiebt das Ende der Feststellungsfrist hinaus. Die Ablaufhemmung im Einzelnen: S. auch → Festsetzungsverjährung.
Die Feststellungsfrist wird um die Dauer einer höheren Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs verlängert (§ 171 Abs. 1 AO).
Bei einer offenbaren Unrichtigkeit (→ Berichtigung von Schreib-/Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten gem. § 129 AO und § 173a AO) im Feststellungsbescheid endet die Feststellungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids (§ 171 Abs. 2 AO).
Bei einem Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheids (→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden) vor Ablauf der Feststellungsfrist läuft die Feststellungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO).
Wird ein Feststellungsbescheid mit einem Einspruch (→ Einspruchsverfahren) oder einer Klage angefochten, so läuft die Feststellungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Feststellungsfrist eingelegt wird (§ 171 Abs. 3a AO).
Der Ablauf der Feststellungsfrist wird durch den Beginn einer Außenprüfung hinausgeschoben (§ 171 Abs. 4 AO). Die Durchführung der Außenprüfung bei einer Gesellschaft als Verfahrensbeteiligte (§ 5 VO zu § 180 Abs. 2 AO), die i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VO zu § 180 Abs. 2 AO hinsichtlich des Gesamtobjekts für die Feststellungsbeteiligten im Feststellungszeitraum gehandelt hat, ist nach § 7 Abs. 1 VO zu § 180 Abs. 2 AO zulässig und führt zur Hemmung der Feststellungsfrist gem. § 171 Abs. 4 AO gegenüber allen Feststellungsbeteiligten, auch wenn diese von der Außenprüfung keine Kenntnis haben (BFH Urteil vom 16.6.2015, IX R 51/14, BFHE 251, 98, BStBl II 2016, 13). Eine Außenprüfung, die aufgrund einer gegenüber dem Stpfl. nicht wirksam gewordenen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen (vgl. BFH vom 11.11.2020, XI R 11/18, BStBl II 2021, 415; LEXinform 0952087). Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO endet nach § 171 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 AO spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kj., in dem die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde. Durch diese Beschränkung des für eine Außenprüfung und die Auswertung der Prüfungsfeststellungen zur Verfügung stehenden Zeitraums soll eine wesentliche Beschleunigung der Außenprüfung erreicht werden. Weitergehende Ablaufhemmungen der Festsetzungsfrist nach anderen Bestimmungen gelten aber unverändert weiter (§ 171 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 AO).
Bei einer vorläufigen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (→ Vorläufige Steuerfestsetzung) nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO endet die Feststellungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem das Finanzamt von der Beseitigung der Ungewissheit Kenntnis erhalten hat (§ 171 Abs. 8 Satz 1 AO). Bei einer vorläufigen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO endet die Feststellungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem das Finanzamt von der Beseitigung der Ungewissheit Kenntnis erlangt hat (§ 171 Abs. 8 AO).
Soweit für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ein Grundlagenbescheid bindend ist, endet die Feststellungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 AO).
Weitere ausführliche Erläuterungen zu den Ablaufhemmungen des § 171 AO s. → Festsetzungsverjährung.
Über die Ablaufhemmungen des § 171 AO hinaus greift für Grundlagenbescheide die besondere Ablaufhemmung des § 181 Abs. 5 AO. Eine gesonderte Feststellung (→ Gesonderte Feststellung) ist gem. § 182 AO für die Folgebescheide bindend. Ist für den Grundlagenbescheid die Verjährung eingetreten, könnte diese Besteuerungsgrundlage in keinem der Folgebescheide zugrunde gelegt werden. Dies hat der Gesetzgeber für unbillig empfunden. Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist, wobei § 171 Abs. 10 AO außer Betracht bleibt. Das Gleiche gilt, wenn die gesonderte Feststellung Grundlagenbescheid für einen weiteren Feststellungsbescheid ist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO gilt auch für die Änderung von Feststellungsbescheiden.
Ergeht jedoch eine gesonderte Feststellung (→ Gesonderte Feststellung) nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist aufgrund der Regelung des § 181 Abs. 5 AO, so muss in dem Feststellungsbescheid nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO auf die eingeschränkte Wirkung eines solchen Feststellungsbescheids besonders hingewiesen werden (BFH Urteil vom 14.6.2007, XI R 37/05, BFH/NV 2007, 2227; BFH Urteil vom 12.12.2013, IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665; AEAO zu § 181 Nr. 1; BMF vom 23.1.2023, BStBl I 2023, 188). Dieser Hinweis hat Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH Urteile vom 12.7.2005, II R 10/04, BFH/NV 2006, 228, m.w.N.; in BFH/NV 2007, 2227). Für einen Wirkhinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ist der Hinweis erforderlich und ausreichend, dass die Feststellung für noch nicht verjährte Folgebescheide von Bedeutung ist (BFH vom 15.7.2021, II R 38/19, BStBl II 2022, 226). Der Hinweis darf keine konkrete Zeitangabe zu der vermeintlichen Verjährung im Folgebescheidverfahren enthalten, da Feststellungen zur Festsetzungsverjährung nur im Folgebescheid zu treffen sind.
Ein Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs, der nach Ablauf der Feststellungsfrist ergeht, ist rechtswidrig, wenn er den nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderlichen Hinweis nicht enthält (ständige Rspr., BFH Urteile vom 17.3.1989, IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411; vom 18.3.1998, II R 45/96, BFHE 185, 348, BStBl II 1998, 426; vom 14.6.2007, XI R 37/05, BFH/NV 2007, 2227).
Fehlt in einem nach Ablauf der Feststellungsfrist erlassenen Bescheid zur Änderung der Verlustfeststellung nach § 10d EStG der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO, so ist der Bescheid rechtswidrig und auf Anfechtung hin aufzuheben (BFH vom 11.5.2010, IX R 48/09, BFH/NV 2010, 1788).
§ 181 Abs. 5 AO ist auf die Feststellung eines verbleibenden Verlustes i.S.d. § 10d EStG gem. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG nur anzuwenden, wenn das zuständige FA die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat.
Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 1 EStG endet die Verlustfeststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung abgelaufen ist. Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG wird § 181 Abs. 5 AO ausdrücklich ausgeschlossen. Damit können Verlustfeststellungsbescheide grundsätzlich nur innerhalb der auch für Einkommensteuerbescheide geltenden allgemeinen Verjährungsfrist ergehen (regelmäßig sieben Jahre, § 181 Abs. 1 i.V.m. den §§ 169, 170 AO). § 181 Abs. 5 AO bleibt allerdings anwendbar, wenn das FA keinen Verlustfeststellungsbescheid erlassen hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, weil ihm die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt waren (BFH Urteil vom 14.4.2015, IX R 17/14, BFH/NV 2015, 1089). Die Verlustfeststellung ist von Amts wegen vorzunehmen. Damit wird verhindert, dass den Stpfl. die Folgen einer pflichtwidrigen Unterlassung treffen. Das FA kann praktischen Schwierigkeiten wegen des zunehmenden Zeitablaufs jederzeit dadurch entgehen, dass es die pflichtgemäße Feststellung nachholt (BFH vom 12.6.2002, XI R 26/01, BStBl II 2002, 681).
Mit dem Jahressteuergesetz 2010 (BGBl I 2010, 1768) wurde § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG wurde wie folgt gefasst:
»Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 4 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.«
Der Feststellungsbescheid nach § 10d Abs. 4 EStG ist wie bisher gem. § 182 AO Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung des Folgejahres und für den auf den nachfolgenden Feststellungszeitpunkt zu erlassenden Feststellungsbescheid (vgl. R 10d Abs. 7 Satz 4 EStR). Daher gelten die Regelungen in § 171 Abs. 10 AO (Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist des Folgebescheids), § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (Änderung von Folgebescheiden zur Anpassung an den Grundlagenbescheid) sowie § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO (Anfechtungsbeschränkung des Folgebescheids).
Die Bezugsgrößen der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs im Rahmen der Einkommensbesteuerung sind allerdings unselbstständige Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2 AO). Von ihnen geht daher bisher keine Bindung für das Feststellungsverfahren nach § 10d Abs. 4 EStG aus. Die Neuregelung sieht dagegen eine inhaltliche Bindung der Feststellungsbescheide an die der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegten Beträge vor. Der Einkommensteuerbescheid soll wie ein Grundlagenbescheid wirken, obwohl er verfahrensrechtlich – wie bisher – kein Grundlagenbescheid ist. Durch eine entsprechende Anwendung der Regelungen in § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO soll aber eine gleichartige Wirkung erzielt werden.
In Anlehnung an das geltende Recht sieht der Satz 5 des § 10d Abs. 4 EStG eine Ausnahme von der »Bindungswirkung« des Einkommensteuerbescheids vor. Wie bisher soll der Erlass oder die Korrektur des Feststellungsbescheids auch dann möglich sein, wenn der Einkommensteuerbescheid dem Grunde nach (d.h. nach dem steuerlichen Verfahrensrecht) zwar korrigiert werden könnte, dies aber allein deshalb unterbleibt, weil sich die Höhe der festzusetzenden Steuer nicht ändert. In derartigen Fällen kann daher auf die Korrektur eines Einkommensteuerbescheids verzichtet werden; wäre die Korrektur eines Steuerbescheids dem Grunde nach möglich, kann die Verlustfeststellung ausnahmsweise unabhängig von den der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen erfolgen. Wäre aber die Korrektur des Einkommensteuerbescheids unabhängig von der betragsmäßigen Auswirkung auch verfahrensrechtlich nicht möglich (z.B. wegen groben Verschuldens des Stpfl. am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismitteln oder mangels Rechtserheblichkeit der neuen Tatsachen oder Beweismittel, vgl. § 173 AO), gilt weiterhin die »Bindungswirkung« der Einkommensteuerfestsetzung für die Verlustfeststellung.
Mit Urteil vom 13.1.2015 (IX R 22/14, BStBl II 2015, 829; so auch BFH mit Urteil vom 22.2.2018, VI R 17/16, BStBl II 2019, 496) hat der BFH entschieden, dass ein verbleibender Verlustvortrag auch dann erstmals gem. § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen ist, wenn ein Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen werden kann. Eine durch § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG angeordnete Bindungswirkung, wonach bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen sind, wie sie der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind, besteht nicht, wenn keine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt worden ist. Besteuerungsgrundlagen i.S.d. geänderten § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind neben den bei der Berechnung des Gesamtbetrages der Einkünfte zu berücksichtigenden Einkünften u.a. auch die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge.
Der BFH hat mit Urteil vom 9.5.2017 (VIII R 40/15, BStBl II 2017, 1049) entschieden, dass die Änderung eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages gem. § 20 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG ausgeschlossen ist, wenn der (nacherklärte) Verlust bei der Ermittlung der der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünfte in der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden ist, eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach Maßgabe der Änderungsvorschriften der AO ausgeschlossen ist und auch die Voraussetzungen des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nicht vorliegen. Für die der tariflichen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte wird mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheides an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist. Daraus folgt, dass im Feststellungsverfahren des verbleibenden Verlustvortrages die Einkünfte nicht eigenständig zu ermitteln bzw. zu überprüfen sind.
Die vorstehenden Aussagen gelten über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags bei der Körperschaftsteuer. Die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags ist nur möglich, wenn der Körperschaftsteuerbescheid nach der AO noch änderbar ist hinsichtlich der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte und diese bei der Steuerfestsetzung tatsächlich zugrunde gelegt worden sind.
Sind der Körperschaftsteuerbescheid und der Gewerbesteuermessbescheid des Verlustentstehungsjahres bestandskräftig (geworden) und berücksichtigen diese einen geringeren Verlust als vom Stpfl. begehrt, ist die Änderung eines Bescheides über den verbleibenden Verlustvortrag und des vortragsfähigen Gewerbeverlusts nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG nur zulässig, soweit eine Korrektur der Steuerbescheide nach den Vorschriften der AO hinsichtlich der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte (noch) möglich ist und diese der Steuerfestsetzung tatsächlich zugrunde gelegt worden sind (BFH vom 16.5.2018, XI R 50/17, BStBl II 2018, 752). Auch wenn der Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheid kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid ist, wird mit § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2010 eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheides an den Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheid erreicht.
Für nacherklärte Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften scheidet eine gesonderte Feststellung nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 aus, wenn hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzungen der Verlustentstehungsjahre (Teil-)Verjährung eingetreten ist (BFH vom 28.7.2021, IX R 29/19, BFH/NV 2022, 62. Die zehn- bzw. fünfjährige Festsetzungsfrist gilt nur, soweit eine Steuer hinterzogen bzw. leichtfertig verkürzt worden ist. Soweit die Steuer nicht hinterzogen bzw. leichtfertig verkürzt worden ist, bleibt es hingegen bei der regulären Festsetzungsfrist (hier: Verlängerung der Festsetzungsfrist nur hinsichtlich der nacherklärten Einnahmen aus Kapitalvermögen).
Die Feststellungsfrist für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10a Satz 6 GewStG) endet nicht vor der Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festzustellen ist (§ 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 GewStG). Eine Feststellung nach dem Ablauf der Feststellungsfrist ist rechtswidrig. Abweichendes gilt (unter Anwendung von § 181 Abs. 5 AO), wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung pflichtwidrig unterlassen hat (§ 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GewStG). Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn eine Verlustfeststellung bisher gänzlich fehlt; die Änderung einer bereits fristgerecht ergangenen Feststellung fällt nicht darunter (BFH Urteil vom 11.2.2015, I R 5/13, BStBl II 2016, 353).
Im Rahmen der Begründetheit der Klage gegen einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist der Gewinn/Verlust aus Gewerbebetrieb wegen der in § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG angeordneten Bindungswirkung nicht selbstständig zu ermitteln (BFH vom 10.2.2022, IV R 33/18, BFH/NV 2022, 911). Mit der Regelung des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Gewerbesteuermessbescheid erreicht, obwohl der Gewerbesteuermessbescheid kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid ist (vgl. BFH vom 16.5.2018, XI R 50/17, BStBl II 2018, 752). Der Gewerbesteuermessbescheid wird im Ergebnis wie ein Grundlagenbescheid behandelt.
Für die Fristwahrung genügt es, dass der Feststellungsbescheid
den Bereich des zuständigen Finanzamts verlassen hat (§ 169 Abs. 1 Satz 3 AO, BFH Urteil vom 28.9.2000, III R 43/97, BStBl II 2001, 211) und
dem Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugeht (BFH Beschluss vom 25.11.2002, GrS 2/01, BStBl II 2003, 548).
Wird der Feststellungsbescheid mittels einfachen Briefs zur Post gegeben und bestreitet der Empfänger den tatsächlichen Zugang, liegt die Beweislast der wirksamen Bekanntgabe bei der Finanzverwaltung. Da der Zugangsbeweis in der Regel nicht geführt werden kann, müsste eine erneute Bekanntgabe erfolgen, die nach Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ausgeschlossen ist.
Um den Nachweis des tatsächlichen Zugangs führen zu können, werden aus diesem Grund Bescheide durch die Finanzbehörden in den Fällen, in denen
die Festsetzungs-/Feststellungsfrist demnächst abläuft und
ein besonderes Gewicht auf die Nachweismöglichkeit des tatsächlichen Zugangs gelegt werden muss,
nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes förmlich zugestellt.
Feststellungsbescheide sind teilbare Verwaltungsakte, in denen mehrere selbstständige Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen enthalten sein können, die auch selbstständig anzufechten sind und daher auch eigenständig in Bestandskraft erwachsen können (vgl. BFH Urteil vom 9.2.2011, IV R 15/08, BStBl II 2011, 764). Solche selbstständigen Feststellungen sind:
die Qualifikation der Einkünfte,
die Höhe des Gesamtgewinns,
die Verteilung des Gewinns/Verlusts,
die Höhe und die Verteilung des Veräußerungsgewinns,
die Höhe des Gewinns aus Sonderbilanzen/Ergänzungsbilanzen sowie
die Qualifikation der Einkünfte.
Ein Einspruch oder eine Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid kann verschiedene Zielsetzungen haben. Welche Besteuerungsgrundlagen der Einspruchsführer/Kläger angreift und damit zum Streitgegenstand des Verfahrens gemacht hat, ist durch Auslegung des Einspruchs bzw. der Klageschrift oder der darin ausdrücklich in Bezug genommenen Schriftstücke zu ermitteln (vgl. BFH Urteil vom 20.1.1977, IV R 3/75, BStBl II 1977, 509). Insoweit unterscheiden sich die Feststellungsbescheide von Steuerbescheiden, da dort durch Einspruch die gesamte Steuer offenbleibt und Einwendungen nachgeschoben werden können.
Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Außerdem kann mit Zustimmung des Stpfl. bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist dabei ein Grundlagenbescheid für den entsprechenden Steuer- oder Feststellungsbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, der Bindungswirkung gegenüber den Folgebescheiden nach § 182 Abs. 1 AO entfaltet (→ Gesonderte Feststellung). Das bedeutet, dass die von der Billigkeitsmaßnahme betroffenen Steuern und Feststellungsbescheide der Billigkeitsmaßnahme entsprechen müssen. Ggf. muss eine Anpassung über § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen (→ Änderung von Steuerbescheiden nach § 175 AO).
Verjährungsregelungen sind auf § 163 AO nicht anzuwenden. Dennoch ist eine Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO nicht zeitlich unbegrenzt möglich. Sie löst hinsichtlich des Folgebescheids aber nur dann eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO aus, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids bei der für die Billigkeitsmaßnahme zuständigen Finanzbehörde beantragt worden ist (§ 171 Abs. 10 Satz 2 AO i.d.F. des ZollkodexAnpG vom 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417; vgl. auch AEAO zu § 171, Nr. 6.3). Wurde der Antrag erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids gestellt, ist es regelmäßig ermessensgerecht, die beantragte Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO abzulehnen, wenn sie im Folgebescheid wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht berücksichtigt werden könnte; in diesen Fällen ist ggf. zu prüfen, ob ein Erlass nach § 227 AO in Betracht kommt.
Päglow und Tetzlaff, Ablaufhemmung nach § 171 AO, Steuer und Studium 5/2015, 271; Dr. Geserich, Ablauf der Festsetzungsfrist bei der Antragsveranlagung – Kommentar, NWB 14/2016, 984; Baum, Änderungen der AO durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz, NWB 29/2017, 2189; Steinhauff, Verlängerte Festsetzungsverjährung auch bei Steuerhinterziehung eines Miterben, NWB 12/2018, 774; Tiede, Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO bei Pflichtveranlagung, NWB 24/2021; Baum, Zahlreiche Änderungen der AO im Jahr 2022, NWB 7/23, 460.
→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden
→ Verlustabzug nach § 10d EStG
→ Vorläufige Steuerfestsetzung
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