1 Der klassische Fall
2 Besondere Formen der Finanzierung (I): Das Disagio
3 Das Mehrkontenmodell
3.1 Die aktuelle Lösung
3.1.1 Das steuerschädliche Zweikontenmodell
3.1.2 Das anerkannte Zweikontenmodell
3.2 Die »überlagernde« Regelung des § 4 Abs. 4a EStG
4 Die Mischverwendung
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Die Anschaffung bzw. die Herstellung eines Mietwohnhauses haben nicht nur wegen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage eine gravierende Bedeutung für die spätere Mietphase. Auch der optimale Einsatz des sofort abziehbaren Erwerbsaufwands (Schuldzinsen etc.) wird ein wichtiger Baustein in der Gesamtfinanzierung des Objekts sein.
Daneben steht beim Kauf von gebrauchten Immobilien die Aufteilung der Anschaffungskosten (AK) des (im Regelfall) einheitlichen Kaufpreises im Vordergrund. S. hierzu → Gebäudeabschreibung. Nur auf diese Weise kann die zutreffende Bemessungsgrundlage für die Abschreibung (anteilige Gebäude-AK) gem. § 7 Abs. 4 EStG ermittelt werden.
Beispiel 1:
Das Ehepaar W und R verwirklicht im VZ 01 seine Baupläne. Am 1.2.01 wird ein im Bau befindliches Zweifamilienhaus für 250 T€ erworben (GruBo-Anteil: 50 T€; Nutzen- und Gefahrübergang: 1.4.01).
Die Fertigstellung erfolgt zum 30.11.01; die fremdfinanzierten Baukosten betragen 200 T€. Im Dezember 01 wird bereits die erste Wohnung für 500 € vermietet. Das Baukostenbuch von W und R weist folgende Eintragungen auf:
Bezahlte Ausgaben bis 30.11.01 (in €):
Schuldzinsen für ein Darlehen (zzgl. Bearbeitungsgebühr): 3 250 € (+ 600 €),
Grunderwerbsteuer (§ 11 Abs. 1 GrEStG mit 5 %): 12 500 €,
Notargebühr für die Beurkundung des Kaufvertrages: 1 250 €,
Notargebühr für die Beurkundung der Grundschuld: 500 €.
Bezahlte Ausgaben im Dezember 01 (in €):
Schuldzinsen für das Darlehen (nachträglich belastet): 4 250 €,
Bauversicherung: 150 €,
Grundsteuer: 60 €,
erstmalige Heizöllieferung: 3 600 €.
Bei der Ermittlung der Einkünfte stehen die Finanzierungsaufwendungen ebenso im Vordergrund wie die Ermittlung der AfA- Bemessungsgrundlage:
Sofort abzugsfähiger Erwerbsaufwand
An laufenden abzugsfähigen WK fallen im VZ 01 zunächst an:
Grundsteuer (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG) |
./. 60 € |
Schuldzinsen inkl. Bearbeitungsgebühr (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) |
./. 8 100 € |
Bestellung der Grundschuld (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) |
./. 500 € |
Heizöltankfüllung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) |
./. 3 600 € |
Zwischensumme (abzugsfähige WK): |
./. 12 260 € |
Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage (BMG)
Die AfA (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG) von 2 % (ab VZ 2023: 3 %) bemisst sich nach der AfA-BMG für das Gebäude, die sich wie folgt zusammensetzt:
Anteilige Gebäude-AK |
200 000 € |
Anteilige Anschaffungsnebenkosten: |
|
(GrESt und Notargebühren für Kaufvertrag) 4/5 von 13 750 € |
11 000 € |
Gebäude-Herstellungskosten (HK) |
200 000 € |
AfA-BMG |
411 000 € |
Im Jahr der Fertigstellung kann die AfA gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG nur zeitanteilig gewährt werden. Dies ergibt einen AfA-Abzug von ./. 685 € (411 000 × 2 % = 8 220 × 1/12 = 685 €).
Lösung 1:
Bei Einnahmen von 500 € erzielen WR Verluste aus Vermietung und Verpachtung i.H.v.: ./. 12 445 €.
Nachdem für die Ermittlung der Einkünfte der Grundsatz der Individualeinkunftsermittlung gilt, bemisst sich der individuelle Anteil von W und R nach ihren Eigentumsanteilen am Zweifamilienhaus. Mangels genauer Sachverhaltsangaben ist bei einem Ehepaar vom hälftigen Eigentum auszugehen, so dass W und R jeweils Verluste aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 6 223 bzw. 6 222 € erzielen.
Schon immer problematisch war die Behandlung des Darlehensabgelts (→ Damnum/Disagio), das gerne als Finanzierungsmittel beim Immobilienerwerb eingesetzt wird.
Nicht selten werden bei langfristigen Darlehen anlässlich eines Bauvorhabens Disagien vereinbart mit der Folge, dass sie als WK abgezogen werden können. Das so vereinbarte Disagio wird dabei als Vorauszins bzw. als Bestandteil des Effektivzinses angesehen. Kommt es aber zur vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrages, so ist das anteilige erstattete oder – meist mit der Vorfälligkeitsentschädigung verrechnete – Disagio als Einnahme (konkret: als erstattete WK) zu erfassen. Dies gilt immer, wenn das besicherte Objekt weiterhin für V+V-Zwecke verwendet wird.
Um ein Überborden der Damnumsgestaltung zu verhindern, hatte das BMF folgende Regeln aufgestellt (BMF vom 20.10.2003, BStBl I 2003, 546, Rz. 15):
Ist ein Damnum nicht mehr als drei Monate vor Auszahlung der Darlehensvaluta oder einer ins Gewicht fallenden Teilauszahlung des Darlehens (mindestens 30 % der Darlehensvaluta einschließlich Damnum) geleistet worden, so kann davon ausgegangen werden, dass ein wirtschaftlich vernünftiger Grund besteht.
Bei langfristigen Nutzungsüberlassungen (> 5 Jahre) sind im Voraus geleistete Ausgaben gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG grundsätzlich auf den Nutzungszeitraum zu verteilen; umgekehrt können erhaltene Einnahmen verteilt werden. Die Regelung ist insb. gegen Steuerkonstruktionen im Bereich der Immobilien-Sparmodelle gerichtet.
Nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG ist § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG jedoch nicht auf ein marktübliches Damnum (Disagio) anzuwenden. Nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 20.10.2003 (BStBl I 2003, 546) ist von einem marktüblichen Damnum bzw. Disagio auszugehen, wenn für ein Darlehen bei einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren ein Damnum in Höhe von bis zu 5 % vereinbart wird. Der über die marktüblichen Beträge hinausgehende Teil ist auf den Zinsfestschreibungszeitraum oder mangels dessen auf die Darlehenslaufzeit zu verteilen. Zur Marktüblichkeit vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014, 4 K 1265/13, EFG 2015, 115 und nachfolgend BFH vom 8.3.2016, IX R 38/14, BStBl II 2016, 646; so auch BFH vom 16.3.2023, VIII R 10/19, BStBl II 2023, 817, Tz. 45).
Die Verwaltung differenziert nach einem geglückten und einem missglückten Modell.
Wird einem Betrieb ein Darlehen zugeführt und werden die Barmittel daraus innerhalb kurzer Zeit wieder entnommen, so findet keine zulässige Ersetzung von Eigenkapital durch Fremdkapital statt. In diesen Fällen liegt von Anfang an eine Privatverbindlichkeit vor.
Beispiel 2:
Die durchgeführten Buchungssatz lauten bei einem Darlehen von 100 T€
per Bank |
100 T€ |
an |
Darlehen |
100 T€ |
und kurze Zeit später |
||||
per Entnahme |
100 T€ |
an |
Bank |
100 T€ |
Lösung 2:
Die auf das Darlehen bezahlten Zinsen können nicht als BA abgezogen werden.
Werden hingegen im Betrieb erzielte Einnahmen zur Tilgung eines privaten Darlehens entnommen und wird deshalb ein neues Darlehen zur Finanzierung von betrieblichen Aufwendungen aufgenommen, so sind die Verwendung der betrieblichen Mittel zur Tilgung der Privatschuld und die Neuaufnahme der Betriebsschuld steuerlich anzuerkennen. Voraussetzung ist die Aufnahme zweier Darlehen, von denen das eine bis zur vollständigen Tilgung Privatvermögen bleibt und das andere von Anfang an zum Betriebsvermögen gehört. Dies war die amtliche Geburtsstunde des Zweikontenmodells.
Beispiel 3:
Die hierzu gehörigen Geschäftsvorfälle sehen bei gleichen Beträgen wie folgt aus:
Im privaten Bereich wird das Darlehen i.H.v. 100 T€ aufgenommen.
im betrieblichen Bereich sind folgende Buchungen veranlasst:
per Bank |
10 T€ |
an |
G+V |
10 T€ |
per Privat |
10 T€ |
an |
Bank |
10 T€ und gleichzeitig |
per Bank |
10 T€ |
an |
Betriebsdarlehen |
Lösung 3:
Die auf das neue betriebliche Bankdarlehen (3. Buchungssatz) anfallenden Zinsen sind BA.
Nach einer längeren Pause von zehn Jahren folgte die letzte Erkenntnis des GrS des BFH am 8.12.1997 (BStBl II 1998, 193). Ausgelöst durch die Vorlagebeschlüsse des X. und XI. Senats aus dem Jahre 1995 sind drei – für die Praxis bedeutsame – Folgefragen zu den Grenzen der Finanzierungsfreiheit (und vice versa zum Auslöser von § 42 AO) beantwortet worden:
Auch dann, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Privatinvestition und der Bildung des Zweikontenmodells besteht (im konkreten Fall: drei Monate), steht dies dem BA-Abzug der betrieblich veranlassten und berechneten Zinsen nicht entgegen.
Wenn planmäßig bei zwei Konten die BE auf ein gesondertes Konto überwiesen und die BA ausschließlich von einem gemischten Kontokorrentkonto beglichen werden, und wenn sodann der erforderliche Privataufwand von beiden Konten bedient wird, so gilt: Die auf dem Kontokorrentkredit entstandenen Zinsen sind – nach der Zinsstaffelmethode berechnet – als BA abziehbar.
Auch eine Umschuldung kann zum BA-Abzug führen, wenn sie in der korrekten Form des Zweikontenmodells erfolgt.
Nach Satz 1 (im Folgenden: jeweils von § 4 Abs. 4a EStG) wird die Rspr. des BFH grundsätzlich nicht tangiert. Das Zweikontenmodell ist anerkannt. Damit ergibt sich eine zweistufige Prüfung nach privater oder betrieblicher Veranlassung mit den o.g. Lösungen. Private Schuldzinsen werden weder dem Grunde noch der Höhe nach anerkannt.
Das BMF-Schreiben vom 2.11.2018, (BStBl I 2018, 1207, Tz. 23 und 24) regelt Folgendes: § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG nimmt Zinsen für Darlehen aus der Abzugsbeschränkung aus, wenn diese zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten betrieblicher Anlagegüter verwendet werden. Die Finanzierung von Umlaufvermögen, das im Rahmen der Betriebseröffnung erworben und fremdfinanziert wurde, ist nicht begünstigt (BFH vom 23.3.2011, X R 28/09, BStBl II 2011, 753). § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG umfasst auch Zinsen für die Finanzierung von Zinsen für Investitionsdarlehen (BFH vom 7.7.2016, III R 26/15, BStBl II 2016, 837). Es ist nicht erforderlich, dass zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ein gesondertes Darlehen aufgenommen wird. Ob Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, ist ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel zu bestimmen.
Für die sonstigen, betrieblich veranlassten Schuldzinsen gilt:
Nach Satz 1, Halbsatz 2 EStG sowie Satz 2 ist der Abzug betrieblicher Schuldzinsen eingeschränkt, wenn sog. Überentnahmen vorliegen. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die Entnahmen größer sind als der Gewinn und Einlagen des Jahres. Nach Tz. 8, a.a.O. sind bei der Gewinnermittlung die außerbilanziellen Hinzurechnungen zu addieren, ebenso wie (z.T. steuerbefreite) Veräußerungsgewinne nach Tz. 8 zu erfassen sind. In Verlustjahren liegen Überentnahmen nur in der Höhe vor, in der die Entnahmen die Einlagen übersteigen (sog. Entnahmenüberschuss nach Tz. 11 mit Beispiel). Der Verlust ist dabei zu verrechnen und formlos festzuhalten.
Nach Satz 3 und Satz 4 gelten betrieblich veranlasste Schuldzinsen pauschal i.H.v. 6 % der Überentnahmen eines Jahres (zuzüglich der Überentnahmen der Vorjahre) als steuerlich nicht abzugsfähige BA. Die so errechneten betrieblichen Schuldzinsen, die noch um 2 050 € (Sockelbetrag) gekürzt werden, stellen den Höchstbetrag der Hinzurechnung, d.h. der nicht abzugsfähigen BA, dar.
Der Anfangsbetrag der Über- bzw. Unterentnahmen müsste eigentlich ab Bestehen des Unternehmens ermittelt werden. Aus sinnvollen Praktikabilitätsüberlegungen geht die Verwaltung in Rz. 43 der Regelung davon aus, dass ein Anfangsbestand von 0 € (1.1.1999) gilt. Mit der »Bestrafung« von Überentnahmen wird letztlich die Kapitalaufnahme für private Überhänge als nicht betrieblich veranlasst angesehen.
Bei der erstmaligen Zuweisung der Darlehensmittel ist für die Einkunftsartenzuordnung (Veranlassungszusammenhang) die Verwendung des Darlehensbetrages entscheidend (Hauptfall). Ist der ursprüngliche Zweck entfallen und werden die Darlehensmittel durch eine hinreichende Dokumentation anderweitig verwendet, sind die Zinsen i.R.d. neuen Einkunftsart abziehbar. Bei gemischter Verwendung der Darlehensvaluta für betriebliche wie für private Verbindlichkeiten (§ 21 EStG) sind die jeweiligen Zinsen entsprechend dem Verhältnis der Zahlungen zu ermitteln und entsprechend abzuziehen (BFH vom 1.2.2001, IV R 80/99, BFH/NV 2001, 902). Nur soweit eine Betriebsschuld vorliegt, sind die anteiligen Schuldzinsen als BA abzugsfähig (R 4.2 Abs. 15 EStR).
Bei einer später geänderten Verwendungsabsicht liegt zwar ein neuer Veranlassungszusammenhang vor (Novation, Schuldumschaffung). Dies führt aber nur bei einer ausdrücklichen Dokumentation der geänderten Einkunftsart sowie der entsprechenden Darstellung des Darlehensschicksals (z.B. Umbuchung von betrieblichen Konten auf private Festgeldkonten und umgekehrt) zu einer Neuzuordnung des Erwerbsaufwands. Bei einem willkürlichen Austausch des Beleihungsobjekts verweigert der BFH den »Umstieg« in eine andere Einkunftsart.
Für die verbleibenden betrieblichen Verbindlichkeiten bei einer Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung gelten ebenfalls die Grundsätze über die Novation, werden aber gekoppelt mit den Erkenntnissen bei § 16 EStG über das sog. Rest-Betriebsvermögen.
→ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
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