1 Einkommensteuerliche Beurteilung
1.1 Allgemeines
1.2 Unterschiedlich genutzte Gebäudeteile als eigenständige Wirtschaftsgüter
1.2.1 Allgemeiner Überblick
1.2.2 Nutzung zu eigenbetrieblichen Zwecken als notwendiges Betriebsvermögen
1.2.3 Grundstücke und Grundstücksteile als gewillkürtes Betriebsvermögen
1.2.3.1 Allgemeines
1.2.3.2 Rechtsprechung
1.2.4 Einheitliche Behandlung des Grundstücks
2 Umsatzsteuerliche Beurteilung
2.1 Überblick über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung gemischt genutzter Grundstücke
2.1.1 Zuordnung zum Unternehmensvermögen
2.1.2 Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG im Allgemeinen
2.1.3 Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG bei Gebäuden
2.1.3.1 Auffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 15.17. Abs. 7 UStAE)
2.1.3.2 Aktuelle Rechtsprechung
2.2 Privatwohnung im Unternehmensvermögen (Rechtslage vor 2011)
2.3 Privatwohnung im Unternehmensvermögen (Rechtslage ab 2011; Einführung des § 15 Abs. 1b UStG)
2.3.1 Allgemeines
2.3.1.1 Rechtslage vor § 15 Abs. 1b UStG
2.3.1.2 Rechtslage durch § 15 Abs. 1b UStG
2.3.2 Tatbestandsmerkmal »Grundstück«
2.3.2.1 Grundstücksbegriff
2.3.2.2 Grundstück muss zum Unternehmensvermögen gehören
2.3.2.3 Zuordnungsentscheidung zum Unternehmensvermögen – Auffassung der Finanzverwaltung
2.3.2.3.1 Allgemeines
2.3.2.3.2 Dokumentation der Zuordnungsentscheidung
2.3.2.4 Häusliches Arbeitszimmer
2.3.3 Vorsteueraufteilungsschlüssel
2.3.4 Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG
2.3.5 Aufstockungen und Anbauten
3 Literaturhinweise
4 Verwandte Lexikonartikel
Die richtige steuerrechtliche Beurteilung der bebauten Grundstücke ist im Rahmen der Einkommen- und Umsatzsteuer von großer Bedeutung. Die Beurteilung erfolgt nach den Regeln des jeweiligen Rechts und steht nicht in einer Wechselwirkung zueinander.
WG, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Stpfl. genutzt werden oder dazu bestimmt sind, stellen notwendiges BV dar. WG, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind, können im Rahmen der Gewinnermittlung als gewillkürtes BV behandelt werden.
Gebäudeteile, die nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stehen, weil sie besonderen Zwecken dienen, sind selbstständige WG. Ein Gebäudeteil ist dann selbstständig in diesem Sinne, wenn er besonderen Zwecken dient, mithin in einem sich von der eigentlichen Gebäudenutzung unterscheidenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang steht (R 4.2 Abs. 3 EStR 2012):
→ Betriebsvorrichtungen (dazu R 7.1 Abs. 3 EStR 2012),
→ Scheinbestandteile (dazu R 7.1 Abs. 4 EStR 2012),
→ Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten, Schalterhallen von Kreditinstituten sowie ähnliche Einbauten, die einem schnellen Wandel des modischen Geschmacks unterliegen; als Herstellungskosten dieser Einbauten kommen nur Aufwendungen für Gebäudeteile in Betracht, die statisch für das gesamte Gebäude unwesentlich sind, z.B. Aufwendungen für Trennwände, Fassaden, Passagen sowie für die Beseitigung und Neuerrichtung von nicht tragenden Wänden und Decken,
sonstige → Mietereinbauten und
sonstige → selbstständige Gebäudeteile.
Wird ein Gebäude teils eigengewerblich, teils fremdgewerblich, teils zu eigenen und teils zu fremden Wohnzwecken genutzt, so ist jeder der vier unterschiedlich genutzten Gebäudeteile ein besonderes WG, weil das Gebäude in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen steht (R 4.2 Abs. 4 Satz 1 EStR 2012):
Eigengewerbliche Nutzung = WG I;
dabei sind Wohnräume, die wegen Vermietung an ArbN des Stpfl. notwendiges Betriebsvermögen sind, dem eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteil zuzuordnen.
Vermietung zur fremdgewerblichen Nutzung = WG II.
Vermietung zu fremden Wohnzwecken = WG III.
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken = WG IV.
Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des gesamten Gebäudes sind auf die einzelnen Gebäudeteile aufzuteilen. Für die Aufteilung ist das Verhältnis der Nutzfläche eines Gebäudeteils zur Nutzfläche des gesamten Gebäudes maßgebend (R 4.2 Abs. 6 EStR 2012). Nach dem BFH-Urteil vom 27.10.1998 (BStBl II 1999, 676) können die Herstellungskosten dem ein eigenständiges WG bildenden Gebäudeteil gesondert zugeordnet werden. Dabei sind die ausschließlich auf diesen entfallenden Kosten gesondert auszuweisen.
Gehört ein Grundstück nur teilweise dem Betriebsinhaber, so kann es nur insoweit BV sein, als es dem Betriebsinhaber gehört; das gilt auch dann, wenn ein Grundstück Ehegatten gemeinsam gehört (H 4.2 Abs. 7 [Miteigentum] EStH 2021; → Gebäude auf fremdem Grund und Boden).
Grundstücksteile, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Stpfl. genutzt werden, gehören einschließlich des anteiligen Grund und Bodens zum notwendigen → Betriebsvermögen (R 4.2 Abs. 7 EStR 2012).
Grundstücksteile von untergeordnetem Wert (§ 8 EStDV) brauchen nicht als BV behandelt zu werden (R 4.2 Abs. 8 EStR 2012), d.h., trotz eigenbetrieblicher Nutzung können diese Grundstücke dem PV zugeordnet werden. Die Prüfung erfolgt jedes Jahr neu. Die geringfügige und vorübergehende Überschreitung der Grenzen wird nicht als Einlage gewertet. Zur Ermittlung der Gebäude-AfA handelt es sich um ein Gebäude i.S.d. § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG. Ein Absinken unter die Grenzen führt nur mit einer ausdrücklichen Entnahmehandlung des Stpfl. zu einer Entnahme. Ein Grundstücksteil ist von untergeordneter Bedeutung, wenn der Wert des eigengenutzten Gebäudeteils einschließlich des zugehörigen Grund und Bodens nicht mehr als ein Fünftel des gesamten Grundstückswerts und nicht mehr als 20 500 € beträgt (§ 8 EStDV, R 4.2 Abs. 8 EStR 2012). Bei der Prüfung der 20 %-Grenze ist das Verhältnis der Nutzflächen zugrunde zu legen. Die 20 500 €-Grenze ist überschritten, wenn der Teil des gemeinen Werts des ganzen Grundstücks 20 500 € übersteigt, der nach dem Verhältnis der Grundstücksflächen zueinander auf den Grundstücksteil entfällt. Bei Unterschreitung dieser beiden Grenzen kann der Unternehmer wählen und den eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteil entweder bilanzieren oder als PV behandeln. Der untergeordnete eigenbetriebliche Grundstücksteil wird aufgrund des Wahlrechts gleichsam vom notwendigen zum gewillkürten BV. Ist auch nur eine der beiden Grenzen des § 8 EStDV überschritten, ist der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil samt Grund- und Bodenanteil notwendiges BV. Die untergeordnete Bedeutung ist auf jeden Bilanzstichtag neu zu prüfen.
Ist der Grundstücksteil nicht mehr von untergeordneter Bedeutung, ist er mit dem Einlagewert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) in das BV im Wege einer Gegenstandeinlage zu überführen (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG) und entsprechend zu aktivieren.
Nach R 4.2 Abs. 9 EStR 2012 können Grundstücke oder Grundstücksteile, die nicht eigenbetrieblich genutzt werden und weder eigenen Wohnzwecken dienen noch Dritten zu Wohnzwecken unentgeltlich überlassen sind, sondern z.B. zu fremden Wohnzwecken oder zur gewerblichen Nutzung an Dritte vermietet sind, als gewillkürtes BV behandelt werden, wenn die Grundstücke oder die Grundstücksteile in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind. Wegen dieser Voraussetzungen bestehen für den Ansatz von WG als gewillkürtes BV Einschränkungen, die sich nicht nur aus den Besonderheiten des einzelnen Betriebs, sondern auch aus der jeweiligen Einkunftsart ergeben können. Es ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Beziehung das Grundstück oder der Grundstücksteil zu einem Betrieb haben und welche vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen dazu führen, das Grundstück oder den Grundstücksteil als gewillkürtes BV behandeln zu können. Wird ein Gebäude oder ein Gebäudeteil als gewillkürtes BV behandelt, gehört auch der dazugehörende Grund und Boden zum BV.
Für die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Grundstücken und Grundstücksteilen als BV kommt es nicht darauf an, wie ein Grundstück bei der Einheitsbewertung im Rahmen der Grundsteuer (→ Einheitswertfeststellungen) oder → Bedarfsbewertung im Rahmen der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer behandelt worden ist (R 4.2 Abs. 13 EStR 2012). Zur Behandlung von Betriebsgrundstücken (→ Betriebsgrundstück) im Rahmen der Bedarfsbewertung vgl. § 99 BewG.
BFH vom 10.11.2004
Mit Urteil vom 10.11.2004 (XI R 31/03, BStBl II 2005, 334) hat der BFH zur Behandlung eines gemischt genutzten Grundstücks entschieden, dass ein bisher gewerblich genutzter Gebäudeteil allein wegen dessen Vermietung zu Wohnzwecken nicht deshalb als Zwangsentnahme behandelt werden muss, weil sich in dem Gebäude ein weiterer zu fremden Wohnzwecken vermieteter Gebäudeteil befindet, der zum PV gehört.
Auch wenn ein Grundstück zu mehr als der Hälfte die Voraussetzungen für die Behandlung als notwendiges oder gewillkürtes BV erfüllt, können weitere Grundstücksteile, bei denen die Voraussetzungen für gewillkürtes BV nicht vorliegen, nicht als BV behandelt werden.
Wird das Grundstück insgesamt zu unternehmerischen Zwecken genutzt, so gehört es in vollem Umfang zum Unternehmensvermögen (Zuordnungsgebot). Für Zwecke des Vorsteuerabzugs ist zu prüfen, inwieweit das Grundstück Umsätzen dient, die den Vorsteuerabzug ermöglichen (sog. Abzugsumsätze) oder nicht (sog. Ausschlussumsätze). Liegt eine teilweise Verwendung für Abzugs- als auch Ausschlussumsätze vor, so muss eine Aufteilung der Vorsteuer in einen abzugsfähigen und einen nichtabzugsfähigen Teil nach § 15 Abs. 4 UStG erfolgen (vgl. 2.1.2).
Der Unternehmer hat bei einem nur zum Teil unternehmerisch genutzten Grundstück ein Zuordnungswahlrecht (Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE). Er kann das Grundstück:
insgesamt seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen (Unternehmensvermögen) oder
in vollem Umfang in seinem nichtunternehmerischen Bereich belassen oder
im Umfang der tatsächlichen (ggf. zu schätzenden) unternehmerischen Verwendung seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen (teilweise Unternehmensvermögen).
I.d.R. wird der Unternehmer das gesamte Grundstück dem Unternehmensvermögen zuordnen, da ihm dadurch der Vorsteuerabzug (§§ 15 und 15a UStG) ermöglicht werden kann.
Grundstücke, die ausschließlich nichtunternehmerisch genutzt werden, dürfen dem Unternehmensvermögen nicht zugeordnet werden (Zuordnungsverbot, Abschn. 15.2c. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Das Gleiche gilt für Grundstücke, die weniger als 10 % dem Unternehmen dienen, § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.
Wird ein vollständig dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück auch für nichtunternehmerische Zwecke des Unternehmers genutzt, so ist § 15 Abs. 1b UStG zu beachten (vgl. 2.2).
BMF vom 17.5.2024
Das BMF hat mit Schreiben vom 17.5.2024 (III C 2 – S 7300/19/10002 :001) zum Thema »Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen – Zeitpunkt und Dokumentation der Zuordnungsentscheidung« zu den Folgen aus dem EuGH-Urteil vom 14.10.2021 (C-45/20 und C-46/20) sowie den BFH-Urteilen vom 4.5.2022 (XI R 28/21/XI R 3/19 und XI R 29/21/XI R 7/19) und vom 29.9.2022 (V R 4/20) Stellung genommen.
Eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge in einen abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Anteil bezweckt eine genaue Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den Umsätzen, denen sie wirtschaftlich zuzurechnen sind. Folgende drei Gruppen von Vorsteuerbeträgen sind zu unterscheiden:
Vorsteuerbeträge, die in voller Höhe abzugsfähig sind, weil sie ausschließlich Umsätzen zuzurechnen sind, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (Abzugsumsätze). Das sind z.B. in einem Fertigungsbetrieb die Vorsteuerbeträge, die bei der Anschaffung von Material oder Anlagegütern anfallen. Bei einem Handelsbetrieb kommen vor allem die Vorsteuerbeträge aus Warenbezügen in Betracht.
Vorsteuerbeträge, die in voller Höhe vom Abzug ausgeschlossen sind, weil sie ausschließlich Umsätzen zuzurechnen sind, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen (Ausschlussumsätze). Hierzu gehören z.B. bei steuerfreien Grundstücksverkäufen die Vorsteuerbeträge für die Leistungen des Maklers und des Notars sowie für Inserate. Bei steuerfreien Vermietungen und Verpachtungen kommen vor allem die Vorsteuerbeträge in Betracht, die bei der Anschaffung oder Herstellung eines Wohngebäudes, beim Herstellungs- und Erhaltungsaufwand, bei Rechtsberatungen und der Grundstücksverwaltung anfallen.
Übrige Vorsteuerbeträge. In diese Gruppe fallen alle Vorsteuerbeträge, die sowohl mit Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (Abzugsumsätze, § 15 Abs. 2 UStG i.U.) als auch mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen (Ausschlussumsätze, z.B. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG), in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Hierzu gehören z.B. die Vorsteuerbeträge, die mit dem Bau, der Einrichtung und der Unterhaltung eines Verwaltungsgebäudes in Verbindung stehen, das auch der Ausführung steuerfreier Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 12 UStG dient.
Für eine Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG kommen nur die in Nr. 3 bezeichneten Vorsteuerbeträge in Betracht. Vgl. dazu auch die Ausführungen der FinVerw in Abschn. 15.17. Abs. 1 bis 4 UStAE.
Wird ein Gebäude angeschafft oder hergestellt und soll es sowohl für vorsteuerunschädliche als auch für vorsteuerschädliche Ausgangsumsätze verwendet werden, sind die gesamten auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG aufzuteilen. Für die Zurechnung dieser Vorsteuerbeträge ist die »prozentuale« Aufteilung der Verwendung des gesamten Gebäudes zu vorsteuerunschädlichen bzw. vorsteuerschädlichen Umsätzen maßgebend (vgl. BFH vom 28.9.2006, V R 43/03, BStBl II 2007, 417). Daraus folgt regelmäßig eine Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG im Wege einer sachgerechten Schätzung. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt bei Gebäuden in der Regel die Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen in Betracht (vgl. BFH vom 12.3.1992, V R 70/87, BStBl II 1992, 755). Der Unternehmer kann eine flächenbezogene Vorsteueraufteilung nur dann beanspruchen, wenn diese sachgerecht ist (vgl. BFH vom 7.7.2011, V R 36/10, BStBl II 2012, 77 und vom 5.9.2013, XI R 4/10, BStBl II 2014, 95, zum Fall einer Spielhalle mit Spielgeräten, die teilweise umsatzsteuerpflichtigen und teilweise umsatzsteuerfreien Zwecken dienen).
Weicht die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Räume erheblich voneinander ab, ist es erforderlich, den Bauaufwand den einzelnen Verwendungsumsätzen zuzuordnen (vgl. BFH vom 20.7.1988, X R 8/80, BStBl II 1988, 1012). Entsprechendes gilt z.B. auch bei Abweichungen in der Geschosshöhe. Beim Erwerb, nicht jedoch bei der Herstellung von Gebäuden kommt auch eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Ertragswerte zur Verkehrswertermittlung in Betracht (vgl. BFH vom 5.2.1998, V R 101/96, BStBl II 1998, 492 und vom 12.3.1998, V R 50/97, BStBl II 1998, 525).
BMF vom 20.10.2022
Mit zwei aktuellen Schreiben vom 20.10.2022 (BStBl 2022 I, 1497) und vom 18.11.2022 (BStBl I 2022, 1590) hat das BMF zur Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG ausführlich Stellung genommen und den UStAE entsprechend angepasst. Das BMF hat mit Schreiben vom 20.10.2022 (BStBl I 2022, 1497) zur Umsetzung der BFH-Urteile vom 22.8.2013 (V R 19/09), vom 7.5.2014 (V R 1/10), vom 3.7.2014 (V R 2/10), vom 10.8.2016 (XI R 31/09), vom 26.4.2018 (V R 23/16) und vom 11.11.2020 (XI R 7/20) sowie der EuGH-Urteile vom 8.11.2012 (C-511/10 »BLC Baumarkt«) und vom 9.6.2016 (C-332/14 »Wolfgang und Dr. Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft«) zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG bei gemischt genutzten Grundstücken Stellung genommen.
BMF vom 18.11.2022
Mit Schreiben vom 18.11.2022 (BStBl I 2022, 1590) hat das BMF den UStAE im Hinblick auf diverse Urteile des BFH zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG angepasst.
BMF vom 13.2.2024
Das BMF hat zur Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG unter Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels Stellung genommen und den UStAE angepasst (BMF vom 13.2.2024, BStBl I 2024, 280).
Mit Urteil vom 11.11.2020 (XI R 7/20, BFH/NV 2021, 518 Nr. 4) nahm der BFH Stellung zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden; sachgerechter Schlüssel bei erheblichen Ausstattungsunterschieden.
Leitsatz
Bestehen bei gemischt genutzten Gebäuden erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume, sind Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen (Bestätigung der Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 10.8.2016, XI R 31/09, BFHE 254, 461 und BFH Beschluss vom 27.3.2019, V R 43/17, BFH/NV 2019, 719).
Sachverhalt
Die Klägerin errichtete in den Streitjahren einen gemischt genutzten Gebäudekomplex (Stadtteilzentrum mit Supermarkt etc. [umsatzsteuerpflichtig verpachtet] und Senioren-Wohnanlage [umsatzsteuerfrei vermietet]). Zur Vorsteueraufteilung wählte sie in ihren Umsatzsteuer-Jahreserklärungen den sog. Flächenschlüssel. Nach einer Außenprüfung reduzierte das FA den abziehbaren Anteil der Vorsteuer.
Die Klägerin trug vor, es handele sich um zwei getrennte Gebäude, sodass im Ausgangspunkt die Herstellungskosten der Gebäude getrennt zu ermitteln seien. Nur der Restbetrag sei zu verteilen. Dabei sei wegen der stark unterschiedlichen Ausstattung der beiden Gebäude ein Umsatzschlüssel anzuwenden.
Mit ihrer Klage beim FG Nürnberg (Urteil vom 30.7.2019, 2 K 103/17) hatte die Klägerin in erster Instanz keinen Erfolg.
EuGH-Urteil vom 8.5.2003 und BFH-Urteil vom 24.7.2003
Steuerpflichtige private Verwendung
Die mit Beschluss des BFH vom 25.5.2000 (V R 39/99, BFH/NV 2000, 1175) dem EuGH vorgelegte Frage nach der steuerbefreiten bzw. stpfl. privaten Wohnungsnutzung wurde durch das EuGH-Urteil vom 8.5.2003 (C-269/00, Seeling, BStBl II 2004, 378) wie folgt beantwortet:
Die Regelungen der 6. RLEWG stehen der deutschen Auffassung entgegen, wonach die private Verwendung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes als eine steuerfreie »Vermietung oder Verpachtung« eines Grundstücks i.S.d. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. RLEWG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL) behandelt wird. Eine »Vermietung« liegt nur dann vor, wenn der Vermieter dem Mieter gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen. Dies kann aber bei der privaten Nutzung einer Wohnung des Unternehmensvermögens mangels Zahlung eines Mietzinses nicht angenommen werden. Dies hat zur Folge, dass der auf den privat genutzten Gebäudeteil entfallende Vorsteuerabzug nicht mehr nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vom Abzug ausgeschlossen ist.
In der Nachfolgeentscheidung hatte der BFH mit Urteil vom 24.7.2003 (V R 39/99, BStBl II 2004, 371) wie folgt entschieden:
Die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers ist keine steuerfreie Grundstücksvermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG und schließt deshalb den Vorsteuerabzug nicht gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus.
Nach dem EuGH-Urteil »Seeling« ist Voraussetzung für eine stpfl. unentgeltliche Wertabgabe, dass sich die privat genutzte Wohnung in einem gemischt genutzten Betriebsgebäude befindet, das insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordnet ist. Ein ausschließlich eigenen Wohnzwecken dienendes Gebäude kann somit dem Unternehmensvermögen nicht zugeordnet werden.
Die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterliegt als steuerbare und stpfl. unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der Umsatzbesteuerung.
Wohnung als Unternehmensvermögen
Für die Anwendung der o.g. Grundsätze ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG eine unternehmerische Nutzung von mindestens 10 % erforderlich. Für die Berechnung der 10 %-Grenze ist das Verhältnis der gesamten Wohn- und Nutzfläche zu der unternehmerisch genutzten Fläche maßgebend.
Steuerbare und steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe
Gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG ist die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes i.S.d. Vorschrift steuerbar, wenn der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist ausschließlich die unternehmerische Nutzung des Gegenstandes maßgeblich (Abschn. 24c Abs. 7 UStR und dort die Beispiele 1 bis 5).
Durch das Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wurde der Vorsteuerabzug für solche Grundstücke neu geregelt, die der Unternehmer sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, nutzt (teilunternehmerisch genutzte Grundstücke). Damit wurde das »Seeling-Modell« ausgehebelt.
§ 15 Abs. 1b UStG basiert auf Art. 168a MwStSystRL (ABl EU 2010 Nr. L 10 S. 14), der durch die Richtlinie 2009/162/EU eingefügt wurde und zum 1.1.2011 von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Die FinVerw hat § 15 Abs. 1b UStG insbes. in Abschn. 15.6a. UStAE (mit vielen Anwendungsbeispielen) erläutert.
Die Einschränkung des Vorsteuerabzugs durch die Neuregelung ist eine Reaktion auf die sog. Seeling-Rspr. des EuGH. Mit Urteil vom 8.5.2003 (C-269/00, Seeling, BStBl II 2004, 378) hatte der EuGH entschieden, dass dem Unternehmer bei einem teilweise unternehmerisch und teilweise privat genutzten Grundstück nach dem Gemeinschaftsrecht ein Zuordnungswahlrecht zu seinem unternehmerischen Bereich zustehe, welches die Möglichkeit des vollen Vorsteuerabzugs eröffne; die private Verwendung von dem Unternehmen zugeordneten Gebäudeteilen sei danach der Umsatzsteuer als unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu unterwerfen.
In der Nachfolgeentscheidung hatte sich der BFH (Urteil vom 24.7.2003) dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Demzufolge konnte ein Stpfl., der sich dafür entschieden hatte, ein Objekt insgesamt dem Unternehmensbereich zuzuordnen, sofort – bei Leistungsbezug – den Vorsteuerabzug aus den gesamten Anschaffungs-/Herstellungskosten des Objektes beanspruchen. In der Folgezeit musste er allerdings die private Nutzung als unentgeltliche Wertabgabe mit den sich ergebenden Kosten gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG versteuern.
Die Regelung stellt einen Vorsteuerausschlusstatbestand als lex specialis zu § 15 Abs. 1 UStG (lex generalis) dar und hebelt das »Seeling-Modell« aus. Die (Grund-)Voraussetzungen der Abziehbarkeit nach § 15 Abs. 1 UStG müssen erfüllt sein. Da nunmehr die Vorsteuer aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück bzgl. der nichtunternehmerischen Verwendung nach § 15 Abs. 1b Satz 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (insoweit also nicht abziehbar) ist, unterliegt folgerichtig diese nichtunternehmerische Verwendung auch nicht mehr der unentgeltlichen Wertabgabenbesteuerung (»fiktive« sonstige Leistung) nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 Halbsatz 2 UStG); es liegt demnach kein steuerbarer Umsatz mehr vor.
Die Gesetzesänderung ist nur auf Grundstücke anzuwenden, die aufgrund eines nach dem 31.12.2010 rechtwirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft worden sind oder mit deren Herstellung nach dem 31.12.2010 begonnen worden ist. Als Beginn der Herstellung gilt der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird, bzw. bei baugenehmigungsfreien Gebäuden, in dem die Bauunterlagen eingereicht worden sind (vgl. auch § 27 Abs. 16 UStG).
Durch diese zeitliche Anwendungsnorm wurde Planungssicherheit für bereits getroffene Investitionsentscheidungen geschaffen, da Unternehmer unter den genannten Voraussetzungen für »Altfälle« noch den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen konnten.
Alte Rechtslage |
Neue Rechtslage |
|
Zuordnung zum UV möglich |
x |
x |
VSt-Abzug bzgl. originärer unternehmerischer Nutzung |
x |
x |
Besteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung |
x |
– |
Vorsteuerabzugs bzgl. des gesamten Grundstücks |
x |
– |
Finanzierungsvorteil |
x |
– |
Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bzgl. nichtunternehmerischer Nutzung möglich |
x |
x |
Abb.: Darstellung alte Rechtslage – neue Rechtslage (s.a. Ramb, NWB 2012, 1450)
Unter einem Grundstück ist ein solches i.S.d. BGB zu verstehen. Dem Vorsteuerausschluss des § 15 Abs. 1b UStG unterliegen demnach auch die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks, z.B. Gebäude und Außenanlagen (Abschn. 15.6a. Abs. 3 Satz 2 UStAE). Den Grundstücken gleichgestellt sind nach § 15 Abs. 1b Satz 2 UStG Gebäude auf fremdem Grund und Boden sowie Berechtigungen, für die die Vorschriften des BGB über Grundstücke gelten (z.B. Erbbaurechte).
Nicht zum Grundstück zählen jedoch grds. Gegenstände, die umsatzsteuerrechtlich selbstständige Zuordnungsobjekte i.S.d. § 15 Abs. 1 UStG darstellen, wie z.B. eine Photovoltaikanlage oder ein Blockheizkraftwerk.
Die entscheidende Voraussetzung für die Anwendung des § 15 Abs. 1b Satz 1 UStG ist, dass das Grundstück in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen im Wege des Zuordnungswahlrechts nach Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE zugeordnet wurde (vgl. 2.1.1). Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung des § 15 Abs. 1b UStG, der gegenüber § 15 Abs. 1 UStG nachrangig ist. § 15 Abs. 1b UStG beschränkt somit nicht das Zuordnungswahlrecht eines einheitlich, gemischt genutzten Gegenstandes, sondern nur die daraus folgende Abziehbarkeit der Vorsteuer (vgl. Abschn. 15.6a. Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Zu beachten ist generell, dass für eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG eine unternehmerische Mindestnutzung von 10 % erforderlich ist. Für die Berechnung dieser 10%-Grenze ist das Verhältnis der gesamten Wohn- und Nutzfläche zu der unternehmerisch genutzten Fläche maßgebend.
Das Flächenverhältnis ist nach folgenden Grundsätzen zu ermitteln:
Es sind die Grundflächen aller Räume anzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeflächen handelt (Wohn-, Verkaufs-, Keller-, Lager- und Speicherräume).
Flächen, die gemeinsam genutzt werden (z.B. Treppenhaus, Technikräume), bleiben unberücksichtigt.
Die Regelungen der 2. Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche vom 25.11.2003 (BGBl I 2003, 2346) sind nicht anzuwenden (BFH Beschluss vom 21.5.1987, V S 11/85, BFH/NV 1987, 536).
Die Grundflächen sind auch dann im vollen Umfang anzusetzen, wenn nach den Regelungen der 2. Verordnung zur Berechnung der Wohnflächen die Flächen nur teilweise zu berücksichtigen sind (z.B. wegen Dachschrägen). Die Flächen von Terrassen oder Balkonen zählen nicht zur maßgeblichen Grundfläche (vgl. OFD Karlsruhe vom 25.8.2011, S 7300).
Sofern ausnahmsweise Teile des Grundstücks als eigenständige Zuordnungsobjekte anzusehen sind, ist für jedes Zuordnungsobjekt die unternehmerische Mindestnutzung gesondert zu ermitteln.
Nicht ausschließlich unternehmerisch genutzte Räume eines Gebäudes sind nur mit dem Anteil der tatsächlichen unternehmerischen Nutzung in die Ermittlung der 10 %-Grenze einzubeziehen.
Beispiel 1:
Unternehmer U errichtet ein Einfamilienhaus mit einem Büroraum. Die Wohnfläche beträgt 180 qm, die unternehmerisch genutzte Fläche 25 qm.
Lösung 1:
Nach der Wohn- und Nutzfläche beträgt der unternehmerisch genutzte Anteil 12,2 %. Das Gebäude kann daher dem Unternehmen zugeordnet werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Für die Berechnung der 10 %-Grenze ist das Verhältnis der gesamten Wohn- und Nutzfläche zu der unternehmerisch genutzten Fläche maßgebend.
Die allgemeinen Regelungen zur Frage, wann ein Grundstück dem Unternehmensvermögen zuzuordnen ist oder zugeordnet werden kann, enthält Abschn. 15.2c. UStAE.
Bei einem einheitlichen Gegenstand, der sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch genutzt wird (sog. teilunternehmerische Verwendung), hat der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht. Die FinVerw folgt in A. 15.2c. UStAE insoweit der Rspr. des EuGH.
Er kann z.B. einerseits ein Gebäude mit dem dazugehörenden Grund und Boden insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen, auch wenn das Gebäude teilweise unternehmerisch genutzt wird. Andererseits kann er ein Gebäude auch insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, wenn die unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG); auch eine nur partielle Zuordnung i.H.d. (originär) genutzten unternehmerischen Anteils ist möglich (A 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE).
Finanzverwaltung
Bei der Anschaffung oder Herstellung von teilunternehmerisch genutzten Grundstücken und Gebäuden ist die Zuordnung bei Leistungsbezug grds. in der erstmöglichen Voranmeldung zu dokumentieren. Im Hinblick auf die steuerliche Bedeutung dieser Gegenstände sind an die Eindeutigkeit dieser Dokumentation erhöhte Anforderungen zu stellen.
Ist bei der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1, 1b oder Abs. 2 UStG (teilweise) nicht möglich, kann der Unternehmer durch eine gegenüber dem FA abgegebene schriftliche Erklärung dokumentieren, in welchem Umfang er das Gebäude dem Unternehmen zugeordnet hat, wenn sich aus dem Umfang des geltend gemachten Vorsteuerabzugs nicht ergibt, mit welchem Anteil das Gebäude dem Unternehmen zugeordnet wurde. Gibt es in diesem Fall keine anderen Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden. Eine zeitnahe eindeutige Dokumentation der Zuordnungsentscheidung kann ebenfalls noch bis zur gesetzlichen Regelabgabefrist für Steuererklärungen (31.7. des Folgejahres, § 149 Abs. 2 Satz 1 AO) dem zuständigen FA gegenüber erfolgen; Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärung haben darauf keinen Einfluss.
Hinweis:
Im Hinblick auf die Berichtigungsmöglichkeiten nach § 15a Abs. 6a bzw. 15a Abs. 8 Satz 2 UStG aufgrund Nutzungsänderungen hinsichtlich der eigengenutzten Wohnung ist eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen anzuraten.
Beispiel 2:
Unternehmer U lässt zum 1.5.2019 ein Zweifamilienhaus fertigstellen (Bauantrag im Juli 2018). Die Herstellungskosten betragen insgesamt 400 000 € zzgl. 76 000 € Umsatzsteuer. U nutzt das Gebäude ab Fertigstellung planungsgemäß zu 50 % für stpfl. Ausgangsumsätze und zu 50 % für private Wohnzwecke. U macht einen Vorsteuerabzug i.H.v. 38 000 € geltend, ohne schriftlich mitzuteilen, in welchem Umfang er das Grundstück seinem Unternehmen zugeordnet hat.
Lösung 2:
Durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs i.H.v. 50 % dokumentiert U, dass er in dieser Höhe das Grundstück seinem Unternehmen zugeordnet hat (Abschn. 15.2c. Abs. 17 Satz 1 UStAE). Da er gegenüber dem FA nicht schriftlich erklärt hat (dazu: Abschn. 15.2c. Abs. 18 Satz 1 bis 4 UStAE), dass er das Grundstück insgesamt seinem Unternehmen zuordnen möchte, kann diese Zuordnung zum Unternehmen auch nicht einfach unterstellt werden (Abschn. 15.2c. Abs. 17 Satz 3 UStAE). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sind demnach lediglich 38 000 € als Vorsteuer abziehbar. § 15 Abs. 1b UStG findet keine Anwendung, da U den für die privaten Wohnzwecke genutzten Grundstücksanteil nicht seinem Unternehmen zugeordnet hat.
Hinweis:
Diese Fallgestaltung sollte in der Praxis vermieden werden, da sie U die Möglichkeit nimmt, im Falle einer Nutzungsänderung zugunsten seiner Abzugsumsätze (z.B. Erweiterung der Flächen) eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 6a UStG durchführen zu können. Auch bei einem i.H.v. 50 % steuerbaren und stpfl. Verkauf des Grundstücks kommt eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 8 Satz 2 i.V.m. Satz 1 UStG nicht zur Anwendung.
BMF vom 17.5.2024
Das BMF hat mit Schreiben vom 17.5.2024 (III C 2 – S 7300/19/10002 :001) zum Thema »Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen – Zeitpunkt und Dokumentation der Zuordnungsentscheidung« zu den Folgen aus dem EuGH-Urteil vom 14.10.2021 (C-45/20 und C-46/20) sowie den BFH-Urteilen vom 4.5.2022 (XI R 28/21/XI R 3/19 und XI R 29/21/XI R 7/19) und vom 29.9.2022 (V R 4/20) Stellung genommen.
Rechtsprechung:
BFH vom 4.5.2022
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Vorsteuerabzug, der sich aus der Zuordnung eines gemischt genutzten Gegenstands zum Unternehmensvermögen ergibt, nur dann zulässig, wenn diese Zuordnung dem zuständigen FA innerhalb der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung mitgeteilt wurde.
Mit Urteil vom 4.5.2022 (XI R 28/21) nahm der BFH in diesem Zusammenhang Stellung zur Zuordnung eines in Bauplänen mit »Arbeiten« bezeichneten Zimmers zum Unternehmen.
Leitsätze
Für die Dokumentation der Zuordnung (grundlegend BFH vom 7.7.2011, V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können sie der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.
Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. So ist es z.B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.
BFH vom 29.9.2022
Im Anschluss daran beschäftigte sich der BFH mit Urteil vom 29.9.2022 (V R 4/20) mit der zeitnahen Dokumentation der Zuordnungsentscheidung.
Leitsatz
Steht anhand objektiver Anhaltspunkte, die innerhalb der Zuordnungsfrist erkennbar geworden sind, fest, dass der Stpfl. einen Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet hat, ist es nicht zusätzlich erforderlich, dass er die erfolgte Zuordnung der FinVerw innerhalb dieser Frist mitteilt (Anschluss an BFH vom 4.5.2022, XI R 28/21/XI R 3/19, BFH/NV 2022, 878, und XI R 29/21/XI R 7/19, BFH/NV 2022, 881).
Sachverhalt
Der Kläger ist mit der Vermietung von Grundstücken unternehmerisch tätig. Seit dem Jahr 2011 vermietet der Kläger ein Grundstück im Inland umsatzsteuerfrei und gab im Streitjahr keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab.
FG Köln vom 7.11.2023
Zu der Frage der umsatzsteuerlichen Zuordnungsentscheidung für steuerlich vertretene Unternehmer nahm das FG Köln mit Urteil vom 7.11.2023 (8 K 2418/22) Stellung.
Auch ein häusliches Arbeitszimmer eines Unternehmers (z.B. Schriftsteller) kommt grundsätzlich für die unternehmerische Nutzung in Betracht (→ Häusliches Arbeitszimmer).
Maßgeblich für den Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ist allein, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegen.
Beispiel 3:
D ist als Beamter Dozent einer Hochschule für Finanzen und lehrt dort Steuerrecht. Weiterhin hat D einen USt-Kommentar veröffentlicht, der ständig ergänzt wird. Am 1.7.18 bezieht D sein Einfamilienhaus, das er für 230 000 € zzgl. 43 700 € USt herstellen ließ. In diesem Haus nutzt D einen Raum (20 % der Fläche) als häusliches Arbeitszimmer, das ausschließlich für die schriftstellerische Tätigkeit genutzt wird. D möchte den höchstmöglichen Vorsteuerabzug.
Lösung 3:
D ist neben seiner unselbstständigen Tätigkeit als Beamter (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG) auch Unternehmer, weil er sich gegen entgeltliche Ausgangsleistungen als Schriftsteller betätigt (§ 2 Abs. 1 UStG). Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG wird das Grundstück mindestens zu 10 % unternehmerisch genutzt. Das gesamte Grundstück kann als Unternehmensvermögen behandelt werden. Die Vorsteuer aus den Herstellungskosten ist i.H.v. 20 % abziehbar und abzugsfähig (8 740 €). Die Vorsteuer für die Wohnräume ist nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abziehbar. Es unterbleibt insoweit auch die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG.
Als Zuordnungsschlüssel bei teilunternehmerischer Verwendung des Zuordnungsobjekts i.S.d. § 15 Abs. 1b UStG ist nach § 15 Abs. 4 Satz 4 UStG der Aufteilungsschlüssel nach § 15 Abs. 4 Satz 2 und 3 UStG entsprechend anzuwenden (s.a. Abschn. 15.6a. Abs. 4 i.V.m. Abschn. 15.17. Abs. 7 und Abs. 8 UStAE). Der unternehmerische Nutzungsanteil ist danach grds. im Wege einer sachgerechten und von dem FA überprüfbaren Schätzung zu ermitteln. Vgl. auch die Ausführungen in 2.1.2 und 2.1.3.
Eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 UStG liegt nach § 15a Abs. 6a UStG auch dann vor, wenn eine Änderung der Verwendung eines teilunternehmerisch genutzten Grundstücks i.S.d. § 15 Abs. 1b UStG erfolgt. Kommt es also innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG) zu einem höheren oder niedrigeren Anteil der privaten bzw. unternehmerischen Verwendung, führt dies zu einer Berichtigung der Vorsteuer nach den Grundsätzen des § 15a UStG (unter Beachtung der Vereinfachungsregelungen nach § 44 UStDV), zugunsten wie zuungunsten. Dies hat jedoch als Voraussetzung, dass das Grundstück im Zeitpunkt seiner Anschaffung/Herstellung in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zugeordnet wurde. Ist dies nicht der Fall, kann auch eine zunächst wegen § 15 Abs. 1 UStG nichtabziehbare Vorsteuer nicht (anteilig) im Wege des § 15a UStG in einen Vorsteuerabzug umgewandelt werden (Abschn. 15.6a. Abs. 5 i.V.m. Abschn. 15a.1. Abs. 6 Satz 2 Nr. 2, 4 und 5 UStAE). Wird ein Grundstück mit der Anschaffung oder Fertigstellung zunächst ausschließlich eigengewerblich bzw. -beruflich (Abzugsumsätze zu 100 %) und erst in einem späteren Jahr auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt, führt die spätere Benutzung zu eigenen Wohnzwecken zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG; und zwar zuungunsten des Unternehmers (→ Vorsteuerberichtigung).
Aufstockungen oder Anbauten sind auch für Zwecke des § 15 Abs. 1b UStG als eigenständiges Zuordnungsobjekt zu beurteilen, wenn eine bautechnische Trennung möglich ist und der neue Gebäudeteil in keinem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Altgebäude steht (s.a. Abschn. 15.6a. Abs. 3 Satz 3 UStAE). I.d.R. handelt es sich insoweit um nachträgliche Herstellungskosten i.S.d. Einkommensteuer (s.a. Abschn. 15.2c. Abs. 9 UStAE).
Wird das »eigenständige Zuordnungsobjekt Aufstockung oder Anbau« ausschließlich für unternehmensfremde Zwecke genutzt, ist eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen nicht möglich (Zuordnungsverbot, A. 15.2c. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Wird das »Objekt« sowohl unternehmerisch als unternehmensfremd (teilunternehmerisch) genutzt, ist eine Zuordnung – mit den entsprechenden Folgewirkungen – nach den allgemeinen Zuordnungskriterien des A. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE zulässig.
Beispiel 4:
U ist Eigentümer einer Schreinerei, die er ausschließlich für Abzugsumsätze nutzt. Im Jahr 2023 lässt er einen Anbau fertigstellen, den er nur für eigene Wohnzwecke nutzt. Der Anbau besitzt teilweise eigene Fundamente und hat einen separaten Eingang.
Der Anbau ist ein eigenständiges Zuordnungsobjekt, da er bautechnisch getrennt ist und nicht zusammen mit der Schreinerei genutzt wird. Er dient zu 100 % den privaten Wohnzwecken und kann daher dem Unternehmensvermögen nicht zugeordnet werden.
Seeling und (k)ein Ende, NWB 2012, 1450; Ramb, Zuordnung von teilunternehmerisch genutzten Grundstücken zum Unternehmensvermögen, NWB 2014, 1308; Scholz, Flächenschlüssel als zulässiger Maßstab zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen bei einem Gebäude, NWB 2013 4096; Meurer, Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen bei gemischt genutzten Gebäuden, NWB 2014, 980; Schneider, Aufteilung der Vorsteuer bei gemischt genutzten Gegenständen, NWB 2013, 708; Seifert, Flächenschlüssel bei der Vorsteueraufteilung von gemischt genutzten Gebäuden, StuB 1/2014, 31.
→ Entnahme
→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden
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