1 Grundsätzliches
2 Voraussetzungen der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung
2.1 Veräußerer
2.2 Wesentliche Grundlagen
2.3 Übertragung
2.4 Übereignung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen
2.4.1 Einmaliger Übertragungsvorgang
2.4.2 Kettengeschäfte
2.5 Einbringung
2.6 Gesondert geführter Betrieb
2.7 Unentgeltliche Geschäftsveräußerung
3 Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen
4 Grundstücksveräußerungen
4.1 Grundstück als Teilbetrieb
4.2 Bauträgerfälle
4.3 Das verkaufte Grundstück bildet das gesamte Unternehmen
4.3.1 Übergang der Mietverträge
4.3.2 Kein Übergang der Mietverträge
4.3.3 Teilweiser Übergang der Mietverträge
4.3.4 Zwischenmietverhältnisse
4.3.5 Übertragung eines unvermieteten Grundstücks
4.3.6 Besonderheiten bei Organschaften
4.4 Das verkaufte Grundstück umfasst nur einen Teil des Unternehmens
4.5 Anteilsübertragung an einem vermieteten Grundstück
4.5.1 Bisherige Rechtsprechung und Verwaltungsregelung in Abschn. 1.5 Abs. 2b UStAE
4.5.2 Änderung der Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft einer Bruchteilsgemeinschaft
4.6 Beispiele
4.7 Vorsorgliche Option zur Umsatzsteuerpflicht bei angenommener Geschäftsveräußerung im Ganzen
4.8 Prüfungsschema der Geschäftsveräußerung im Ganzen bei der Übertragung von Grundstücken
5 Verkauf von Taxikonzessionen
6 Vorsteuerabzug
7 Verfahrensrechtliche Folgen der Nachfolgeregelung
7.1 Grundsätzliches zur Rechtsnachfolge
7.2 Fortführung von Wahlrechten
7.2.1 Grundsätzliches zu Wahlrechtsausübungen
7.2.2 Wahlrechtsausübung bis zur Unanfechtbarkeit
7.2.3 Wahlrechte nach dem UStG
7.2.4 Geschäftsveräußerung zwischen Kleinunternehmern
8 Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG
9 Literaturhinweise
10 Verwandte Lexikonartikel
Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der USt. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn
ein Unternehmen oder
ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb
im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder
in eine Gesellschaft eingebracht wird.
Dem Erwerber muss die Fortführung des Betriebs oder Teilbetriebs ohne großen finanziellen Aufwand möglich sein.
Näheres regelt Abschn. 1.5 UStAE. Danach ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung grundsätzlich erforderlich, dass der Veräußerer dem Erwerber die wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder seines gesondert geführten Betriebs übereignet (s.a. BFH Urteil vom 1.8.2002, V R 17/01, BStBl II 2004, 626; Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Entscheidend ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Erwerber dies auch beabsichtigt (vgl. BFH vom 18.9.2008, V R 21/07, BStBl II 2009, 254; Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht erforderlich (BFH vom 26.6.2019, XI R 3/17, BStBl II 2021, 953, Rz. 52 sowie vom 24.2.2021, XI R 8/19, BStBl II 2022, 34, Rz. 25). Nur wenn es an einer Übereignung oder Einbringung von Gegenständen des Unternehmens gänzlich fehlt, scheidet eine Geschäftsveräußerung aus (BFH vom 21.5.2014, V R 20/13, BStBl II 2014, 1029, Rz. 21).
Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben; nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (BFH vom 18.9.2019, XI R 33/18, BStBl II 2021, 243, Rz. 30). Der Erwerber darf aber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändern oder modernisieren (Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 1 UStAE).
Der Begriff der Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG ist ein autonomer Begriff und einheitlich i.S.d. MwStSystRL auszulegen; ertragsteuerliche Überlegungen sind nicht maßgeblich. Zu berücksichtigen sind aber Gesichtspunkte der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Vereinfachung gewichtiger Übertragungsvorgänge bei Unternehmensveräußerungen (FG Nürnberg Urteil vom 1.3.2010, 2 K 1592/2009, LEXinform 5010130, rkr.). Nach der Rechtsprechung des EuGH bezweckt die Vorschrift, dass die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen erleichtert und vereinfacht wird. Erfasst wird die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständig wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH Urteil vom 27.11.2003, C-497/01, UR 2004, 19, LEXinform 0175008; s.u. den Gliederungspunkt 2.2 »Wesentliche Grundlagen«). Die Übertragung eines Warenbestandes oder einzelner Gegenstände führt begrifflich nicht zur Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens (Rz. 40 des EuGH-Urteils vom 27.11.2003, C-497/01). Auch der bloße Kundenstamm ist kein hinreichendes Ganzes, das die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, so dass seine Übertragung für eine nach § 1 Abs. 1a UStG nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nicht ausreicht (BFH Beschluss vom 11.11.2009, V B 46/09, BFH/NV 2010, 479, LEXinform 5905296; BFH vom 24.2.2021, XI R 8/19, BStBl II 2022, 34, Rz. 25). Nach Auffassung von Liebgott (Geschäftsveräußerung im Ganzen, UR 10/2015, 379) sprechen gewichtige Gründe dafür, dass die Übertragung eines bloßen Kunden- oder Mandantenstamms eines nicht auf ein bestimmtes Geschäftslokal angewiesenen Dienstleistungsunternehmens ohne die Geschäftsräume des Veräußerers und ohne dessen – im Regelfall nicht als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehende – Betriebs- und Geschäftsausstattung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt.
Auch nach dem BFH Urteil vom 29.8.2012 (XI R 1/11, BStBl II 2013, 301) ist entscheidend für die Frage, ob dem immateriellen Wirtschaftsgut (im Urteilsfall einem vereinbarten Konkurrenzverbot) eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ob dieses dem Übernehmer die Fortführung des Betriebs ermöglicht. Dabei ist die Art des übertragenen Unternehmens nach Auffassung des BFH von entscheidender Bedeutung. Bei einem Dienstleistungsunternehmen (im Urteilsfall ein ambulanter Pflegedienst), kommt den immateriellen Wirtschaftsgütern eine wesentliche Bedeutung zu. Die übertragenen Betriebsmittel sind im Verhältnis dazu in der Regel eher von untergeordneter Bedeutung.
Maßgeblich ist, ob das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht. Dabei sind die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu beachten (Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kann eine Geschäftsveräußerung auch bei Übereignung nur eines Gegenstandes erfüllt sein, wenn dieser Gegenstand die unternehmerische Tätigkeit ausmacht (BFH Urteil vom 4.9.2008, V R 23/06, BFH/NV 2009, 426, LEXinform 0587361; BFH vom 24.2.2021, XI R 8/19, BStBl II 2022, 34, Rz. 25). Daher scheidet eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nicht bereits deshalb aus, weil nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden (BFH Beschluss vom 18.8.2008, XI B 192/07, BFH/NV 2008, 2065, LEXinform 5904647).
Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind unmaßgeblich (vgl. BFH vom 4.2.2015, XI R 42/13, BStBl II 2015, 616, Rz. 20 sowie vom 24.2.2021, XI R 8/19, BStBl II 2022, 34, Rz. 24). Beim Veräußerer notwendige Gegenstände, über die der Erwerber bereits selbst verfügt, müssen deshalb z.B. nicht übertragen werden (vgl. BFH vom 18.9.2019, XI R 33/18, BStBl II 2021, 243, Rz. 29).
Bei der Auslegung der Vorschrift in § 1 Abs. 1a UStG ist insbesondere der vom EuGH betonte Vereinfachungszweck zu beachten. Die Begünstigung greift daher auch dann ein, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert. In diesem Zusammenhang stellen die Wesentlichkeit einzelner Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand keine eigenständigen Voraussetzungen für die Nichtsteuerbarkeit dar. Vielmehr sind diese Umstände im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, aus der sich dann ergibt, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (BFH Urteile vom 23.8.2007, V R 14/05, BStBl II 2008, 165 und vom 19.12.2012, XI R 38/10, BStBl II 2013, 1053; Abschn. 1.5 Abs. 1a UStAE).
Der erwerbende Unternehmer tritt nach § 1 Abs. la Satz 3 UStG an die Stelle des Veräußerers (s.u. den Gliederungspunkt 7.1 »Grundsätzliches zur Rechtsnachfolge«). Dies hat insbes. Bedeutung für die Anwendung der Vorsteuerberichtigungsvorschrift des § 15a UStG. Die Geschäftsveräußerung löst keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG aus. Der Berichtigungszeitraum wird nicht unterbrochen, sondern beim Erwerber fortgeführt (§ 15a Abs. 10 UStG; s.u. den Gliederungspunkt 8 »Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG«).
Beispiel 1:
V vermietet ein Bürogebäude an M, ein Handelsunternehmen. V veräußert das Gebäude an M, der das Gebäude weiterhin für sein Handelsunternehmen nutzt.
Lösung 1:
Es liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Die von M ausgeübte Handelstätigkeit ist keine Fortführung der Vermietungstätigkeit des V (s.a. BFH Urteil vom 24.2.2005, V R 45/02, BStBl II 2007, 61). Ist der Gegenstand der Geschäftsveräußerung ein Vermietungsunternehmen, muss der Erwerber umsatzsteuerrechtlich die Fortsetzung der Vermietungstätigkeit beabsichtigen (BFH Urteil vom 6.5.2010, V R 26/09, BStBl II 2010, 1114). Bei der Veräußerung eines vermieteten Objekts an den bisherigen Mieter zu dessen eigenen wirtschaftlichen Zwecken ohne Fortführung des Vermietungsunternehmens liegt daher keine Geschäftsveräußerung vor (BFH Urteil vom 24.9.2009, V R 6/08, BStBl II 2010, 315; Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 2 und 3 UStAE).
Beispiel 2:
V vermietet seit Jahren ein Grundstück. Er veräußert es an E. E beabsichtigt, die Vermietungstätigkeit dauerhaft fortzuführen. Um einer drohenden Enteignung zu entgehen, veräußert er das Grundstück drei Jahre nach Erwerb.
Lösung 2:
Es liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. E führt die Vermietungstätigkeit fort (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Die spätere Veräußerung war ursprünglich nicht beabsichtigt und ist deshalb unbeachtlich. Zur Prüfung der Geschäftsveräußerung ist auf die bei der Übereignung bestehende Absicht abzustellen (s.a. OFD Niedersachsen vom 19.9.2017, S 7100 b – 1 – St 171, UR 2018, 178, Beispiel 2).
Der veräußernde Unternehmer kann weiterhin – auf andere Weise – Unternehmer sein. Hinsichtlich des veräußerten Unternehmens (Teilbetriebs) tritt jedoch der Erwerber die Nachfolge des Veräußerers an (s. Wortlaut des § 15a Abs. 10 UStG). Werden z.B. unwesentliche WG zurückbehalten und später veräußert oder entnommen, geschieht dies noch im Rahmen des Unternehmens. Die Unternehmereigenschaft endet mit dem letzten Tätigwerden (Abschn. 2.6 Abs. 6 Satz 1 UStAE). Die spätere Veräußerung von Gegenständen des Betriebsvermögens oder die nachträgliche Vereinnahmung von Entgelten gehören noch zur Unternehmertätigkeit (Abschn. 2.6 Abs. 6 Satz 4 UStAE). Werden unwesentliche Wirtschaftsgüter von der Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgenommen, so ist das für die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG unschädlich (Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
Nach dem BFH-Urteil vom 29.8.2012 (XI R 10/12, BStBl II 2012, 221) steht es einer Geschäftsveräußerung nicht entgegen, wenn der Verkäufer das Unternehmen nach dem Verkauf in bisherigem Umfang fortführt. Danach liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor, wenn der Unternehmer Unternehmensteile veräußert, die für den Erwerber als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen, der Veräußerer aber ununterbrochen mit zurückbehaltenen oder hinzuerworbenen Vermögensgegenständen seinen Geschäftsbetrieb unverändert auf dem bisherigen Tätigkeitsgebiet fortführt (Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 4 UStAE).
Allerdings liegt keine Geschäftsveräußerung vor, wenn der Veräußerer eines vermieteten Grundstücks das Grundstück auch nach der Übertragung weiterhin vermietet, wenn auch nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter (BFH vom 3.7.2014, V R 12/13, BFH/NV 2014, 1603, LEXinform 0929662). Die Vermietungstätigkeit hinsichtlich des vermieteten Grundstücks ist in diesem Fall auch nach der Veräußerung umsatzsteuerrechtlich weiterhin dem Veräußerer zuzurechnen, weil er seine Vermietungstätigkeit im Außenverhältnis gegenüber den Mietern auch nach dem Besitzübergang als Zwischenmieter fortgeführt hatte. Für die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit im Verhältnis zu den Mietern war ohne Bedeutung, dass der Verkäufer nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter vermietet hatte. Somit hatte der Erwerber des Grundstücks nicht die Vermietungstätigkeit des Veräußerers fortgeführt, sondern ein eigenes Vermietungsunternehmen begründet, während daneben das Vermietungsunternehmen der übertragenden Person unverändert fortbestand. Die für die Annahme einer Geschäftsveräußerung erforderliche Unternehmensübertragung war danach nicht gegeben (s.a. BFH vom 24.2.2021, XI R 8/19, BStBl II 2022, 34, Rz. 40; s.u. den Gliederungspunkt 4.3.4 »Zwischenmietverhältnisse«).
Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, wenn die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden. Dies gilt auch, wenn der Erwerber mit dem Erwerb des Unternehmens seine unternehmerische Tätigkeit beginnt (Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Welches die wesentlichen Grundlagen sind, richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Übertragung. Wesentliche Grundlagen können sein (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 4 UStAE):
ein einzelnes Grundstück,
Betriebsgrundstücke mit den Maschinen und sonstigen der Fertigung dienenden Anlagen eines Herstellungsunternehmers,
verpachtete Gegenstände nach Beendigung der Pacht,
die Geschäftsausstattung, der Warenbestand, die Geschäftsräume bei einem Handelsbetrieb,
die Betriebsräume, das Pachtrecht für gepachtete Räume und das zur Betriebsführung notwendige Inventar einer Gastwirtschaft (s.a. BFH Urteil vom 4.2.2015, XI R 42/13, BStBl II 2015, 616). Die zur Fortführung der Tätigkeit erforderliche Immobilie kann auch von einem Dritten gepachtet sein (s.u. BFH vom 29.8.2018, XI R 37/17, BStBl II 2019, 378 in Abgrenzung zu BFH vom 4.2.2015, XI R 42/13, BStBl II 2015, 616),
die Busse und das Betriebsgrundstück eines Personenbeförderungsunternehmens.
Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG liegt auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind, sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebes durch den Übernehmer gewährleistet ist (BFH Urteile vom 4.7.2002, V R 10/01, BStBl II 2004, 662; vom 1.8.2002, V R 17/01, BStBl II 2004, 626; vom 28.11.2002, V R 3/01, BStBl II 2004, 665; Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 sowie Abschn. 24.1 Abs. 5 UStAE). Hierfür reicht eine langfristige Vermietung oder Verpachtung für z.B. acht Jahre aus (vgl. BFH Urteil vom 23.8.2007, V R 14/05, BStBl II 2008, 165). Ebenfalls ausreichend ist eine Vermietung oder Verpachtung auf unbestimmte Zeit (vgl. EuGH Urteil vom 10.11.2011, C-444/10, BStBl II 2012, 848 und BFH Urteil vom 18.1.2012, XI R 27/08, BStBl II 2012, 842); die Möglichkeit, den Miet- oder Pachtvertrag kurzfristig zu kündigen, ist hierbei unschädlich (Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 3 und 4 UStAE).
Nach dem BFH Urteil vom 1.8.2002 (V R 17/01, BStBl II 2004, 626) kann eine Geschäftsveräußerung auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit – insbesondere auch für den Erwerber – offensichtlich ist (Abschn. 1.5 Abs. 5 UStAE).
Die Veräußerung eines mit Hallen bebauten Grundstücks, das (im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft) vom Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen vermietet war und durch ein anderes Betriebsgrundstück ersetzt wurde, ist Veräußerung eines einzelnen Anlagegegenstands und keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. Das Hallengrundstück für sich ist kein fortführbarer Betrieb (BFH Urteil vom 18.1.2005, V R 53/02, BStBl II 2007, 730).
Nach dem EuGH-Urteil vom 10.11.2011 (C-444/10, BStBl II 2012, 848) und dem BFH-Urteil vom 18.1.2012 (XI R 27/08, BStBl II 2012, 842) ist die Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen für die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG unschädlich (s.a. Endres u.a., UR 2011, 481). Ist für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich bzw. verfügt der Erwerber selbst über eine geeignete Immobilie, in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann, kann eine Geschäftsveräußerung auch ohne Übereignung des Grundstücks vorliegen (OFD Karlsruhe vom 3.3.2021, S 7100b, UStB 2021, 113 mit Anmerkung von Wohlfart). Damit könnte auch die Veräußerung des Warenbestandes und der Ladeneinrichtung, die der Erwerber in einem anderen Ladenlokal verwendet, zu einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG führen (s.a. Anmerkung vom 15.3.2012, LEXinform 0941484 und Hättich u.a., NWB 2012, 33).
Hinweis:
Die Übertragung von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreichen, ist aus Sicht des Erwerbers zu bestimmen. Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind nicht entscheidend. Beim Veräußerer für die Tätigkeit notwendige Gegenstände, über die der Erwerber bereits selbst verfügt, müssen deshalb nicht mitübertragen werden (BFH vom 18.9.2019, XI R 33/18, BStBl II 2021, 243, Rz. 29).
Zur Übertragung des Ladenlokals äußert sich die OFD Karlsruhe unter Tz. 3 der Vfg. vom 3.3.2021 (S 7100 b – Karte 1, DStR 2021, 1821, SIS 21 03 69) u.a. wie folgt: »Muss der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, muss dieses zu den übertragenen Bestandteilen gehören. Es reicht aber auch aus, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrags zur Verfügung gestellt wird.« Der BFH bestätigt diese Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 4.2.2015 (XI R 42/13, BStBl II 2015, 616, Anmerkung von Weigel, UStB 2015, 147) indem er feststellt, dass die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorliegen, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende Teile des Inventars einer Gaststätte – hier Kücheneinrichtung nebst Geschirr und Küchenartikeln – veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren Vertrag von einem Dritten pachtet (s.a. Fuß, NWB 27/2015, 1987).
Der BFH entschied, dass Maßstab für die Beurteilung als Geschäftsveräußerung im Ganzen nur die jeweilige Vereinbarung mit dem Veräußerer sei. Dabei könnten weitere vertragliche Vereinbarungen nicht mit berücksichtigt werden. Es kommt dabei nur darauf an, ob mit dem vom Veräußerer erworbenen Inventar die Gaststätte weiter betrieben werden könnte. Dies wäre hier nicht möglich gewesen, denn nur mit der Kücheneinrichtung und dem Geschirr konnte keine Gaststätte mit weiteren Veranstaltungsräumen betrieben werden. Für den Gaststättenbetrieb bedurfte es des Pachtvertrages mit dem Eigentümer der Räume und Einrichtungsgegenstände. Dieser Vertrag wurde mit dem Eigentümer neu abgeschlossen, es ging nicht der bestehende Pachtvertrag mit dem Veräußerer über (s.a. Anmerkung vom 1.5.2015, LEXinform 0880041 sowie vom 5.5.2015, LEXinform 0652627).
Im Anschluss an das BFH-Urteil vom 18.1.2012 (XI R 27/08, BStBl II 2012, 842) und in Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 4.2.2015 (XI R 42/13, BStBl II 2015, 616) hat der BFH mit Urteil vom 29.8.2018 (XI R 37/17, BStBl II 2019, 378) entschieden, dass die Übertragung des Inventars einer Gaststätte auch dann eine nicht der USt unterliegende Geschäftsveräußerung im Ganzen ist, wenn der Erwerber mit dem übertragenen Inventar die Gaststätte fortführen kann und die zur Fortführung der Tätigkeit erforderliche Immobilie von einem Dritten gepachtet hat.
Sachverhalt der BFH-Entscheidung XI R 27/08:
Ein Gastronom G veräußerte das Inventar einer Gaststätte, die er in gemieteten Räumlichkeiten betrieben hatte. Gleichzeitig schloss der neue Gaststättenbetreiber X mit dem Eigentümer des Gebäudes einen neuen Mietvertrag über die Gaststättenräume ab, der im Wesentlichen dem Vertrag mit dem vorherigen Gastronomen entsprach. Neben dem bisherigen Inventar erwarb der neue Gaststättenbetreiber von anderen Lieferanten verschiedene Einrichtungsgegenstände und Waren.
Entscheidungsgründe:
Nach Rz. 24 des BFH-Urteils XI R 37/17 ist jeder Vorgang einzeln und selbstständig zu beurteilen; Erwerbe von mehreren Personen dürfen nicht zusammengerechnet werden (vgl. EuGH vom 30.5.2013, C-651/11, UR 2013, 618, LEXinform 5212350, Rz 47; BFH vom 4.2.2015, XI R 14/14, BStBl II 2015, 908, Rz 29 f. und XI R 42/13, BStBl II 2015, 616, Rz 25 f.). Das bedeutet, dass die Leistungsbeziehungen des neuen Gaststättenbetreibers X zur Vermieterin grundsätzlich außer Betracht bleiben müssen.
Aufgrund der Übertragung des beweglichen Inventars und der festen Ladeneinrichtung (bei gleichzeitiger Übernahme des Mietvertrages) kann der neue Gaststättenbetreiber X den Gastronomiebetrieb weiter betreiben (und hat ihn auch weiter betrieben). Die Übertragung des Warenbestandes und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts dient im Allgemeinen dazu, dem Erwerber die Fortführung dieses Geschäftes zu ermöglichen. X hat – anders als im BFH-Urteil vom 4.2.2015, XI R 42/13, BStBl II 2015, 616 – nahezu das gesamte bewegliche und unbewegliche Inventar/Ladeneinrichtung von G erworben und kann mit diesen Gegenständen das Unternehmen fortführen. Es sind die komplette Einrichtung der Gaststätte sowie sämtliche zum Betrieb erforderlichen Geräte und Einbauten/Möbel umfasst. Dem steht nicht entgegen, dass der X einzelne Gegenstände von Dritten hinzuerworben hat, da es sich hierbei nur um unwesentliche WG handelt, die zur Fortführung des Betriebs nicht zwingend erforderlich sind. Auch wenn G einzelne Gegenstände zurückbehalten haben sollte, ist dies unschädlich, solange die übertragenen Gegenstände aus Sicht des Erwerbers ein hinreichendes Ganzes bilden, das die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht.
Dass nach dem Kaufvertrag kein Warenbestand übereignet wurde, ist unschädlich, da es – anders als z.B. bei einem Einzelhandelsgeschäft – in einem Schank- und Speisebetrieb überwiegend einen schnell verderblichen und damit auch schnell verbrauchten und in kurzer Zeit erneuerten Warenbestand gibt, der vom Veräußerer ab dem Zeitpunkt, in dem der Übertragungsvertrag geschlossen wurde, naturgemäß nicht mehr als nötig aufgefüllt werde.
Hinsichtlich der Übertragung eines Ladenlokals selbst bildet der BFH zwei Fallgruppen (s.a. EuGH vom 10.11.2011, C-444/10, BStBl II 2012, 848):
Fallgruppe 1: Es ist kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich. Es kann eine Übertragung eines Gesamtvermögens i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG auch ohne Übereignung einer unbeweglichen Sache vorliegen.
Fallgruppe 2: Der Erwerber erhält keinen Besitz an dem Geschäftslokal und die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit besteht in der Nutzung einer untrennbaren Gesamtheit von beweglichen und unbeweglichen Sachen. Davon ist insbes. auszugehen, wenn das Ladenlokal mit einer festen Ladeneinrichtung ausgestattet ist, die für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig ist. In einem solchen Fall müssen die unbeweglichen Sachen zu den übertragenen Bestandteilen gehören, damit es sich um die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG handeln kann.
Vom Grundsatz der Fallgruppe 2 gibt es allerdings zwei Ausnahmen (BFH XI R 37/17, Rz. 35):
Ausnahme 1: Es kann eine Vermögensübertragung stattfinden, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrages zur Verfügung gestellt wird.
Ausnahme 2: Es kann eine Vermögensübertragung stattfinden, wenn der Erwerber selbst über eine geeignete Immobilie verfügt, in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann, weil jede andere Auslegung eine willkürliche Unterscheidung zwischen Übertragungen durch Veräußerer, die Eigentümer des Lokals sind, in dem sich der zu übertragende Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil befindet, und Übertragungen durch Veräußerer, die nur Inhaber eines Mietrechts an dem Lokal sind, andererseits zur Folge hätte.
Nach dem EuGH-Urteil C-444/10, Rz. 33 und BFH XI R 37/17, Rz. 36 dient insbes. die Übertragung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts im Allgemeinen dazu, dem Erwerber die Fortführung dieses Geschäfts zu ermöglichen. Auch wenn es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, die nicht ohne ein Geschäftslokal ausgeübt werden kann, ist es normalerweise zur Fortführung des übertragenen Einzelhandelsgeschäfts nicht notwendig, dass der Inhaber des Geschäfts auch der Eigentümer der Immobilie ist, in der dieses Geschäft geführt wird. Wenn die Übertragung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung ausreicht, um die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen, ist die Übertragung von unbeweglichen Sachen für die Einstufung des Vorgangs als Übertragung des Gesamtvermögens nicht ausschlaggebend. Es spricht grundsätzlich auch nichts dagegen, dass ihm der Besitz durch Abschluss eines Mietvertrages eingeräumt wird. Es stellt auch kein Hindernis für die Fortführung der Tätigkeit des Verkäufers durch den Erwerber dar, dass das Geschäftslokal an den Erwerber nur vermietet und nicht verkauft wird. Beachte aber auch das EuGH-Urteil vom 19.12.2018 (C-17/18, UR 3/2019, 97, LEXinform 0651605) unter dem Gliederungspunkt 2.3 »Übertragung«.
Nach der Entscheidung des BFH in Rz. 38 liegt im Streitfall die Ausnahme 2 der Fallgruppe 2 vor. Der neue Gaststättenbetreiber X verfügt selbst über das für den Betrieb notwendige Ladenlokal. Dass dies nicht deshalb der Fall ist, weil er das Eigentum an der Gaststätte von der Vermieterin erworben hat, sondern weil er die Gaststätte von der Vermieterin gepachtet hat, ist für die Frage, ob der Erwerber selbst über die erforderliche Immobilie verfügt, unerheblich; denn es kommt nur auf den Besitz an (EuGH C-444/10, Rz. 36). Die Nutzungsüberlassung der Immobilie darf auch durch einen Dritten erfolgen, ohne dass es darauf ankommt, welche Vereinbarung zuerst getroffen wurde.
Wichtig:
Eine Geschäftsveräußerung kann auch bei Übereignung nur eines Gegenstandes erfüllt sein, wenn dieser Gegenstand die unternehmerische Tätigkeit ausmacht (BFH vom 4.9.2008, V R 23/06, BFH/NV 2009, 426, unter II.1.b cc; vom 26.6.2019, XI R 3/17, BStBl II 2021, 953, Rz 52; vom 24.2.2021, XI R 8/19, BStBl II 2022, 34, Rz. 25), wobei die Übertragung einzelner Kunden, Mandanten oder Vertragspartner nicht ausreicht.
Die Geschäftsveräußerung setzt die Übereignung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebes voraus. Der veräußernde Unternehmer muss dem Erwerber die Verfügungsmacht an allen wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs verschaffen. Eine Übereignung in mehreren Akten ist dann als eine Geschäftsveräußerung anzusehen, wenn die einzelnen Teilakte in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und der Wille auf Erwerb des Unternehmens gerichtet ist (Abschn. 1.5 Abs. 5 UStAE). Eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Vollzug der Übertragung im Hinblick auf die Klärung einer steuerrechtlichen Zweifelsfrage vorübergehend ausgesetzt wird (BFH vom 30.1.2014, V R 33/13, BFH/NV 2014, 1238, LEXinform 0929968).
Die Übereignung der WG auf einen Erwerber setzt die unmittelbare Übertragung der Verfügungsmacht auf den Erwerber voraus. Entnimmt der Unternehmer sämtliche wesentlichen WG in den nichtunternehmerischen Bereich (Betriebsaufgabe), werden die einzelnen Entnahmevorgänge jeweils nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG erfasst. Werden danach die WG auf einen Erwerber übertragen, liegt umsatzsteuerrechtlich keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor, da die WG nicht aus unternehmerischen Gründen übertragen werden. Die Veräußerung selbst findet im nichtunternehmerischen Bereich statt.
Bestehen an einer wesentlichen Betriebsgrundlage Gebrauchs- und Nutzungsrechte, so liegt umsatzsteuerlich eine Geschäftsveräußerung nur dann vor, wenn der Veräußerer seine Rechtsstellung gegenüber den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens in umfassender und vollständiger Weise auf den Erwerber überträgt (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 4 UStAE).
Bei einem Nutzungsrecht an einem Betriebsgrundstück ist vor allem auf das wirtschaftliche Gewicht des Grundstücks für das Unternehmen abzustellen und von einer ausreichenden wirtschaftlichen Bedeutung bereits dann auszugehen, wenn das Unternehmen auf das Grundstück angewiesen ist, weil es ohne Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden kann (so auch BFH vom 4.2.2015, XI R 42/13, BStBl II 2015, 616).
Beachte:
In Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 4.2.2015 (XI R 42/13, BStBl II 2015, 616) hat der BFH mit Urteil vom 29.8.2018 (XI R 37/17, BStBl II 2019, 378, s.o. unter dem Gliederungspunkt 2.2) entschieden, dass die Übertragung des Inventars einer Gaststätte auch dann eine nicht der USt unterliegende Geschäftsveräußerung im Ganzen ist, wenn der Erwerber mit dem übertragenen Inventar die Gaststätte fortführen kann und die zur Fortführung der Tätigkeit erforderliche Immobilie von einem Dritten gepachtet hat (s.a. Anmerkung vom 2.11.2018, LEXinform 0880407).
Das Zurückbehalten einzelner wesentlicher Grundlagen ist unschädlich, wenn diese an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden (BFH vom 15.10.1998, V R 69/97, BStB1 II 1999, 41; vom 4.7.2002, V R 10/01, BStBl II 2004, 662; Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 2 UStAE), sodass der Erwerber das Unternehmen oder den gesondert geführten Betrieb ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortsetzen kann.
Mit Urteil vom 19.12.2018 (C-17/18, UR 3/2019, 97, LEXinform 0651605) fasst der EuGH die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 10.11.2011 (C-444/10, BStBl II 2012, 848) bezüglich der »Übertragung« eines Gesamt- oder Teilvermögens (im Folgenden Gesamtvermögen) i.S.v. Art. 19 MwStSystRL (§ 1 Abs. 1a UStG) zusammen und nimmt darüber hinaus Stellung zu der Frage, ob der Abschluss eines Vertrags, mit dem ein Gaststättenbetreiber eine Immobilie, in der er ein Restaurant betrieben hat, einschließlich aller Sachanlagen und Inventargegenstände verpachtet, wenn der Pächter das Restaurant unter demselben zuvor verwendeten Namen weiterbetreibt, eine Geschäftsveräußerung i.S.v. Art. 19 MwStSystRL darstellt.
Der Begriff der »Übertragung des Gesamt- oder Teilvermögens« lässt sich wie folgt zusammenfassen (EuGH C-17/18, Rz. 13 bis 20):
Die Übertragung eines Geschäftsbetriebs erfasst jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann, dass er aber nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestandes einschließt.
Damit eine Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils vorliegt, muss die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile ausreichen, um die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Die Frage, ob diese Gesamtheit sowohl unbewegliche als auch bewegliche Gegenstände umfassen muss, ist im Hinblick auf die Art der in Rede stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit zu beurteilen (vgl. oben im Gliederungspunkt 2.2 die Fallgruppen i.S.d. BFH-Urteils vom 29.8.2018, XI R 37/17, BStBl II 2019, 378 sowie die Ausnahmen zur Fallgruppe 2).
In dem Fall, dass für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit unverzichtbaren festen Ladeneinrichtung erforderlich ist, kann eine Übertragung eines Gesamtvermögens i.S.v. Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL auch ohne Übereignung einer unbeweglichen Sache vorliegen.
Bei wirtschaftlichen Tätigkeiten, die in der Nutzung einer untrennbaren Gesamtheit von beweglichen und unbeweglichen Sachen bestehen, liegt keine Übertragung eines Gesamtvermögens i.S.v. Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL vor, wenn der Erwerber nicht den Besitz an dem Geschäftslokal erhält. Insbesondere wenn das Lokal mit einer festen Ladeneinrichtung ausgestattet ist, die für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig ist, müssen diese unbeweglichen Sachen zu den übertragenen Bestandteilen gehören, damit es sich um die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens i.S.d. MwStSystRL handeln kann.
Im Ausgangsverfahren des EuGH-Urteils vom 19.12.2018 (C-17/18, UR 3/2019, 97, LEXinform 0651605) ging es um den Betrieb eines Restaurants. Dabei handelt es sich um eine Tätigkeit, die grundsätzlich nicht ohne ein Geschäftslokal ausgeübt werden kann. Abgesehen von Imbisswagen setzt die Tätigkeit der Bewirtung nämlich voraus, dass der Betreiber über Räumlichkeiten verfügt, die als Küche genutzt werden können und in denen die Ausstattung, die Geräte und die Rohstoffe, die für die Zubereitung von Speisen benötigt werden, untergebracht werden können. Im Ausgangsverfahren geht es aber nicht um den Betrieb eines Imbisswagens, sondern um den Betrieb eines Restaurants an einer festen Adresse, das sowohl über eine Küche als auch über einen Speisesaal verfügt.
Der EuGH weist ausdrücklich darauf hin (C-17/18, Rz. 20), dass es, auch wenn es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, die nicht ohne ein Geschäftslokal ausgeübt werden kann, zur Fortführung bestimmter übertragener wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht notwendig ist, dass der Inhaber des Geschäfts auch der Eigentümer der Immobilie ist, in der dieses Geschäft geführt wird. Der EuGH hat entschieden, dass, wenn sich zeigt, dass der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen muss, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, grundsätzlich auch nichts dagegen spricht, dass ihm der Besitz durch Abschluss eines Mietvertrags eingeräumt wird.
Beachte:
Nach dem BFH-Urteil vom 29.8.2018 (XI R 37/17, BStBl II 2019, 378) kann die zur Fortführung der Tätigkeit erforderliche Immobilie auch von einem Dritten gepachtet sein (s.o.).
Die Besonderheit im Ausgangsverfahren des EuGH-Urteils vom 19.12.2018 (C-17/18, UR 3/2019, 97, LEXinform 0651605) liegt darin, dass sämtliche zur Ausübung der Gaststättentätigkeit erforderlichen Gegenstände lediglich vermietet wurden und die an ihnen bestehenden Eigentumsrechte nicht übertragen wurden.
Der EuGH hat entschieden, dass der Begriff »Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens« i.S.v. Art. 19 MwStSystRL (§ 1 Abs. 1a UStG) dahin auszulegen ist, dass er einen Umsatz nicht erfasst, mit dem eine Immobilie, die einem Geschäftsbetrieb diente, einschließlich aller Sachanlagen und Inventargegenstände verpachtet wird, selbst wenn der Pächter diesen Betrieb unter demselben Namen wie der Verpächter fortführt. Eine solche Überlassung sämtlicher zur Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen Gegenstände stellt keine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens i.S.v. Art. 19 MwStSystRL dar.
Nach der EuGH-Entscheidung C-17/18 in Rz. 25 ist der Tatbestand der Übertragung eines Gesamtvermögens i.S.d. Art. 19 MwStSystRL (§ 1 Abs. 1a UStG) nur erfüllt, wenn der Übernehmer beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht bloß die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 2 UStAE).
Voraussetzung für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist, dass der Erwerber Unternehmer ist und das erworbene Unternehmen fortführt. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Erwerber mit der Fortführung des Unternehmens erstmalig unternehmerisch tätig wird oder das Unternehmen nach dem Erwerb in veränderter Form fortführt (vgl. auch Abschn. 1.5 Abs. 1 UStAE).
Beispiel 3:
Bauunternehmer B betreibt als Einzelunternehmer ein Bauunternehmen. Ab 1.1.17 teilt er sein Einzelunternehmen in eine GmbH & Co. KG (KG) und eine GbR auf. Danach bringt B die Wirtschaftsgüter seines Einzelunternehmens mit Ausnahme des Anlagevermögens in die KG ein. Persönlich haftender Gesellschafter ist eine GmbH ohne Kapitaleinlage. Beteiligte an der KG sind B zu 20 % und seine beiden Söhne mit jeweils 40 %. Die KG setzt die bisher von B ausgeübte Tätigkeit als Bauunternehmen fort.
Das Anlagevermögen überträgt B in die GbR. Ihrem Gesellschaftsvertrag entsprechend stellt die GbR der KG das Anlagevermögen unentgeltlich zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag hat sie zudem die Aufgabe, das Anlagevermögen zu erhalten und zu pflegen. In den Folgejahren veräußert die GbR mehrfach Teile des Anlagevermögens. Beteiligte an der GbR sind B zu 20 % und seine beiden Söhne mit jeweils 40 %.
Lösung 3:
Der Sachverhalt entspricht dem des BFH-Urteils vom 3.12.2015 (V R 36/13, BStBl II 2017, 563).
§ 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 19 MwStSystRL in nationales Recht und ist entsprechend diesen Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen.
Nach ständiger Rspr. (vgl. z.B. BFH vom 30.4.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863, unter II.2.a, und vom 6.5.2010, V R 26/09, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.a) setzt die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, sodass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.
Nach ständiger Rspr. des BFH muss dem Unternehmer nicht das gesamte Unternehmensvermögen übertragen werden, sodass eine Geschäftsveräußerung auch vorliegen kann, wenn der Übertragende einzelne Wirtschaftsgüter seines Unternehmensvermögens an den Erwerber vermietet oder verpachtet. Danach steht der Geschäftsveräußerung im Urteilsfall nicht entgegen, dass B das Anlagevermögen seines Einzelunternehmens nicht auf die KG übertragen, sondern in die GbR eingebracht hat. Ebenso wie eine Geschäftsveräußerung auch dann vorliegt, wenn B das Anlagevermögen an die KG nur vermietet oder zunächst vermietet und sodann in die GbR eingebracht hätte, kann eine Geschäftsveräußerung auch gegeben sein, wenn nicht B, sondern auf seine Veranlassung eine andere Person – hier die GbR – das Anlagevermögen der KG zur Nutzung überlässt. Dabei ist ohne Belang, ob es sich um eine entgeltliche oder um eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung handelt. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn die Unentgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung durch die GbR an die KG ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit durch die KG sein könnte.
In Bezug auf das der GbR übertragene Anlagevermögen hat die GbR keine eigene unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG ausgeübt, die als Fortsetzung der durch B ausgeübten Unternehmenstätigkeit anzusehen sein könnte. So hat die GbR das Anlagevermögen – anders als vorher B – nicht für eigenunternehmerische Zwecke (als Bauunternehmung) verwendet. Es liegt auch keine Verwendung durch entgeltliche Vermietung als Unternehmenstätigkeit vor, da die Nutzungsüberlassung von der GbR an die KG unentgeltlich erfolgte. Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung begründet keine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit.
Soweit die GbR Teile des Anlagevermögens in Teilakten veräußert hat, kann offenbleiben, ob sich hieraus eine Unternehmerstellung der GbR ergab. Denn selbst wenn hierin eine unternehmerische Tätigkeit zu sehen wäre, stellt sich diese jedenfalls nicht als Fortsetzung der durch den Kläger ausgeübten Unternehmenstätigkeit dar (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 4/2016 vom 27.1.2016, LEXinform 0444031).
Schließlich ergibt sich die für eine Geschäftsveräußerung erforderliche Übertragung auf nur einen Erwerber auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Es fehlt an einer finanziellen Eingliederung, da weder die KG an der GbR noch die GbR an der KG über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt.
Nach dem BFH-Urteil vom 2.12.2015 (V R 15/14, BStBl II 2017, 553) ist eine juristische Person i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (hier GmbH & Co. KG) finanziell eingegliedert, wenn der Organträger (hier GbR) über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt. Neben einer juristischen Person kann auch eine PersGes in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, wenn Gesellschafter der PersGes neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (BFH Urteil vom 2.12.2015, V R 25/13, BStBl II 2017, 547).
Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht erforderlich (BFH vom 28.11.2002, V R 3/01, BStBl II 2004, 665, und vom 23.8.2007, V R 14/05, BStBl II 2008, 165). Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (s.a. BFH vom 18.9.2008, V R 21/07, BStBl II 2009, 254).
Überträgt ein Unternehmer seine Einzelfirma auf einen Nichtunternehmer, der das Unternehmen nicht selbst betreiben will, sondern es in eine GmbH einbringt, an der er als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer beteiligt ist, so stellt die Übertragung keine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen dar, weil das Unternehmen nicht von dem Erwerber (Nichtunternehmer), sondern von der GmbH fortgeführt wird (FG Düsseldorf vom 17.12.2003, 5 K 864/01 U, EFG 2004, 772, rkr.). Für das Vorliegen der Rechtsfolgen einer Geschäftsveräußerung auf jeder Stufe eines Kettengeschäfts ist erforderlich, dass auf jeder Stufe der Übertragung der jeweilige Erwerber Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist (Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 6 UStAE).
Beachte:
Mit Schreiben vom 16.11.2020 (BStBl I 2020, 1267) ergänzt das BMF u.a. Abschn. 1.5 Abs. 1 UStAE um die Sätze 5 und 6. Die Ergänzungen des Abschn. 1.5 UStAE erfolgen zur Anpassung an die BFH-Rspr. (s.a. Bihler, NWB 9/2021, 626).
Mit Urteilen vom 12.8.2015 (XI R 16/14, BStBl II 2020, 790) und vom 25.11.2015 (V R 66/14, BStBl II 2020, 793) hat der BFH seine Rspr. zu der Frage, wann die für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit vorliegt, weiter präzisiert und fortentwickelt.
Die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Geschäftstätigkeit muss bei einer im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden mehrstufigen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen (vgl. BFH vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl II 2020, 793; Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
Sachverhalt der BFH-Entscheidung V R 66/14:
Im Urteilsfall V R 66/14 errichtete eine GbR, deren Gesellschafter die C-GmbH und die H-GmbH waren, auf dem Grundstück ihrer Gesellschafter ein Gebäude (Gebäude auf fremdem Grund und Boden; Bauvertrag im Juli 05 mit Fertigstellung im November 05). Zur Finanzierung der Baukosten traf die GbR eine Kreditvereinbarung mit der Bank.
Im Januar 05 schloss die GbR unter Verzicht nach § 9 UStG einen Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Werkstattgebäude ab. Mietbeginn sollte im November 05 sein.
Seit März 06 bemühten sich die Gesellschafter um einen Verkauf des Grundstücks. Mit Kaufvertrag vom 7.9.06 verkauften sie das Grundstück mit dem aufstehenden Gebäude mit Lastenwechsel zum 1.4.07. Der Erwerber setzte das Mietverhältnis vom Januar 05 fort.
Nach der Auffassung von FA und FG läge keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vor, da die GbR ein Gebäude in Veräußerungsabsicht errichtet habe.
Entscheidungsgründe:
Bei der Gebäudeherstellung durch die GbR handelt es sich nicht um die Errichtung eines Gebäudes in Veräußerungsabsicht (Bauträgerfälle), da die Verkaufsbemühungen der Gesellschafter, deren Handeln der Gesellschaft zuzurechnen ist, erst im März 06 begannen. Die für eine Geschäftsveräußerung oder für eine Teilgeschäftsveräußerung in Bezug auf ein Vermietungsunternehmen erforderliche Nachhaltigkeit der Vermietung liegt bei einer Vermietung über insgesamt 17 Monate vor (November 05 bis 31.3.07, Lastenübergang war der 1.4.07).
Beachte:
Eine nachhaltige Vermietungstätigkeit ist widerlegbar anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens 6 Monate betragen hat (BFH vom 12.8.2015, XI R 16/14, BStBl II 2020, 790; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Fortsetzung der Entscheidungsgründe:
Gegen eine Teilgeschäftsveräußerung spricht auch nicht, dass die GbR das von ihr errichtete Gebäude an ihre Gesellschafter lieferte, die es als Teil eines zivilrechtlich einheitlich bebauten Grundstücks weiterlieferten (Kettengeschäft). Denn die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit muss bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen.
Im Urteilsfall beabsichtigte der Käufer des bebauten Grundstücks die Fortführung der Vermietungstätigkeit und hat diese auch fortgesetzt. Damit liegt die für die Geschäftsveräußerung erforderliche Fortführung der Unternehmenstätigkeit in der Kette vor. Es handelt sich hierbei nicht um ein höchstpersönliches Kriterium, das dergestalt in der Person des jeweiligen Leistungsempfängers vorliegen muss, dass er selbst in eigener Person die Fortführung der Unternehmenstätigkeit beabsichtigt.
Im Urteilsfall V R 66/14 handelt es sich um ein Kettengeschäft, bei dem es zu einer mehrfachen, nur durch eine juristische Sekunde getrennten Übertragung kommt.
Das FG München hat mit Urteil vom 2.2.2023 (14 K 2328/20, EFG 2023, 722, LEXinform 5025212, UStB 2023, 316 mit Kommentierung von Weigel, Rev. eingelegt, Az. BFH V R 3/23, LEXinform 0954710) entschieden, dass die Grundsätze der Kettenübertragung auch dann anzuwenden sind, wenn der Erwerber den übernommenen Betrieb unmittelbar nach dem Kauf verpachtet und nur der Pächter den Ursprungsbetrieb weiterführt.
Die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit muss bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen, denn es handelt sich bei dem Kriterium der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht um ein höchstpersönliches Kriterium (BFH vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl II 2020, 793, Rz. 29 ff., s.o.). Dementsprechend steht ein sog. Durchgangserwerb einer Person, die die unternehmerische Tätigkeit nicht selbst fortführt, einer Geschäftsveräußerung nicht entgegen (BFH Beschluss vom 27.10.2020, XI B 33/20, BFH/NV 2021, 459, Rz. 31).
Dies gilt nach Überzeugung des FG München nicht nur bei Ketten»übertragungen«, zu denen die o.g. Rspr. ergangen ist, sondern auch, wenn der Fortführung der Unternehmenstätigkeit durch einen Dritten keine Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen zugrunde liegt, sondern diese aufgrund einer vertraglichen Nutzungsüberlassung erfolgt.
Beachte:
Der EuGH hat mit Urteil vom 19.12.2018 (C-17/18, UR 2019, 97, LEXinform 0651605, Rz. 22 und 23) entschieden, dass der Begriff »Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens« i.S.v. Art. 19 MwStSystRL (§ 1 Abs. 1a UStG) dahin auszulegen ist, dass er einen Umsatz nicht erfasst, mit dem eine Immobilie, die einem Geschäftsbetrieb diente, einschließlich aller Sachanlagen und Inventargegenstände verpachtet wird, selbst wenn der Pächter diesen Betrieb unter demselben Namen wie der Verpächter fortführt. Eine solche Überlassung sämtlicher zur Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen Gegenstände stellt keine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens i.S.v. Art. 19 MwStSystRL dar (s.o. den Gliederungspunkt 2.3 »Übertragung«).
Nicht steuerbar ist die Einbringung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs im Ganzen. Dazu müssen die wesentlichen Grundlagen auf eine PersGes oder KapGes übertragen werden.
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt dann vor, wenn der Erwerber nach einem Zeitraum von eineinhalb Jahren die übernommenen Vermögensgegenstände in eine GmbH einlegt (FG Baden-Württemberg vom 10.2.2012, 12 K 3973/08, EFG 2012, 1192, LEXinform 5013411; Rechtsausführungen bestätigt durch BFH vom 29.8.2012, XI R 10/12, BStBl II 2013, 221).
Mit Urteil vom 19.12.2012 (XI R 38/10, BStBl II 2013, 1053) kommt der BFH bei der Anwendung der Vorschrift des UStG unter Rückgriff auf Art. 19 MwStSystRL zu der Erkenntnis, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Abs. 1a UStG keinen Teilbetrieb beim Veräußerer voraussetzt. Es ist vielmehr entscheidend, dass das übertragene Vermögen als Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und dass diese Tätigkeiten sich vor und nach der Übertragung ähneln. Davon geht der BFH bei Grundstücksveräußerungen aus, wenn ein verpachtetes Grundstück übertragen wird und der Erwerber den Pachtvertrag fortführt. Hierbei verweist der BFH auf seine bisherige Rspr. zu dieser Frage, insbes. im Urteil vom 7.7.2005 (V R 78/03, BStBl II 2005, 849). Eine eigenständige betriebliche Organisation beim Veräußerer ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG. Dies hat auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 27.11.2003 (C-497/01, DStR 2003, 2220, LEXinform 0175008), so gesehen, in der er nur verlangt, dass ein Erwerber mit dem Unternehmensteil eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen kann. Der EuGH fordert lediglich materielle und ggf. immaterielle Bestandteile, die zusammengenommen einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann, und grenzt dies negativ gegen die bloße Übertragung eines Warenbestandes ab, der nicht ausreicht, um Unternehmensteil sein zu können (s. Abschn. 1.5 Abs. 6 UStAE).
Soweit einkommensteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung angenommen wird (R 16 Abs. 3 EStR), kann umsatzsteuerrechtlich von der Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs ausgegangen werden (Abschn. 1.5 Abs. 6 Satz 4 UStAE). Zu den Voraussetzungen für eine nicht steuerbare Veräußerung eines Teilvermögens s.a. das BFH-Urteil vom 29.8.2012 (XI R 10/12, BStBl II 2013, 221). Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich nicht auf einen oder mehrere lose Bestandteile eines Unternehmens, sondern auf eine Kombination von ihnen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde. Für die Übertragung eines Unternehmensteils ist darauf abzustellen, dass die Bestandteile erfasst werden, mit denen eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Aufgrund der unionsrechtlich (Art. 19 MwStSystRL) vorzunehmenden Abgrenzung der begünstigten Teilvermögensveräußerung in § 1 Abs. 1a UStG kommt die Heranziehung ertragsteuerrechtlicher Definitionen zum Vorliegen der Veräußerung eines Teilbetriebs i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht in Betracht (s. Abschn. 1.5 Abs. 6 Satz 4 UStAE). Deshalb ist es umsatzsteuerrechtlich unerheblich, dass ertragsteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung nur angenommen wird, wenn der veräußernde Gewerbetreibende die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt (s.a. Anmerkung vom 14.2.2013, LEXinform 0943546).
Mit Urteil vom 1.12.2020 (15 K 1494/18, EFG 2021, 589, LEXinform 5023559, rkr.) hat sich das FG Münster mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Teilgeschäftsveräußerung im Ganzen auch dann vorliegt, wenn der bisherige Unternehmer beim Übernehmer als ArbN tätig wird.
Sachverhalt des Urteils 15 K 1494/18:
Unternehmer T ist
Trainer im Bereich des Reitsports. Im Rahmen seiner Tätigkeit trainierte er Spitzensportler auf deren Hofanlagen;
Ausbilder für Jungpferde ohne fest zugeordneten Reiter. T und seine Angestellten beritten die Pferde persönlich. Für die Ausbildung nutzte T Stallungen, Reithallen und Anlagen, die er von seiner Ehefrau E angemietet hatte und die Teil einer Hofanlage sind, auf der die Eheleute auch wohnen.
Die Jungpferde stammten überwiegend aus der Zucht der Ehefrau, die auch Eigentümerin dieser Jungpferde war. Ein kleiner Teil der Pferde stand im Eigentum fremder Dritter und wurde T zu Ausbildungszwecken überlassen.
Zu diesem Zweck betrieb T auch eine Pferdepension in den von der Ehefrau angemieteten Stallungen. Für die Ausbildung zahlten die fremden Pferdeeigentümer an T monatlich Beträge für Ausbildung und Unterhalt.
Die Ehefrau ist ebenfalls Unternehmerin i.S.d. § 2 UStG und bildet selbst auch Jungpferde aus. Sie versteuert ihre Umsätze nach § 24 UStG (→ Land- und Forstwirtschaft).
Mit Wirkung zum 1.7.2014 kündigte T die zuvor bestehenden Mietverhältnisse zu seiner Ehefrau und schenkte ihr diverse Maschinen, Anlagen, Einrichtungen und Transportmittel. Bei sämtlichen Gegenständen waren am 1.7.2014 mindestens fünf Jahre seit der Anschaffung vergangen (Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG abgelaufen). Die Ehefrau trat auch in die Ausbildungs- und Versorgungsverträge fremder Pferdeeigentümer ein und übernahm die Angestellten des T. Eine Ausgleichszahlung für eine bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte Ausbildung der Jungpferde der Ehefrau erfolgte nicht. Auf der Hofstelle übte T seine Tätigkeit im Bereich der Ausbildung der Pferde, der Pferdepension und dem Pferdeverkauf ab diesem Zeitpunkt nicht mehr selbstständig, sondern fortan als Angestellter seiner Ehefrau aus. Soweit T Trainingsstunden auf der Hofstelle erteilte, tat er dies ebenfalls als Angestellter seiner Ehefrau.
Die Tätigkeit als Trainer der Spitzensportler auf deren auswärtigen Höfen setzte T hingegen unverändert als selbstständiger Unternehmer fort.
Nach Auffassung des FA liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, sondern eine unentgeltliche Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter.
Entscheidungsgründe:
Das FG Münster kommt zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der Gegenstände im Rahmen einer nicht steuerbaren Übertragung eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebs im Ganzen erfolgte.
T hat mit den später übertragenen Gegenständen Jungpferde ausgebildet und eine Pferdepension betrieben. Hierbei handelt es sich um selbstständige wirtschaftliche Tätigkeiten, die eindeutig von der anderen Tätigkeit des T – dem Training der Spitzensportler und deren Pferden auf auswärtigen Anlagen und bei Turnieren – abgegrenzt werden können.
Zur Ausübung der Ausbildungstätigkeit und der Pferdepensionshaltung nutzte T neben den übertragenen Gegenständen auch Anlagen (z.B. Stallungen, Reithallen), die bereits ohnehin im Eigentum der Ehefrau und späteren Erwerberin standen. Nach der Übertragung der Gegenstände und der Beendigung der Mietverhältnisse standen alle für die Fortsetzung der Ausbildung und der Pferdepensionshaltung erforderlichen Gegenstände und Anlagen im Eigentum und zur uneingeschränkten Verfügung der Ehefrau. Demnach reichte die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile aus, um die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit – der Ausbildung der Pferde und der Pferdepensionstierhaltung – zu ermöglichen, was auch – unstreitig – tatsächlich geschah.
Das FG hat außerdem im Rahmen der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände und insbesondere der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, dass T selbst auch seine Tätigkeit fortan als Angestellter der Ehefrau fortgesetzt hat. Demnach hat T nicht nur die Gegenstände übertragen, sondern auch seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, sodass eine nahtlose Fortsetzung des Ausbildungs- und Pferdepensionshaltungsbetriebs gewährleistet war.
Entscheidend ist, dass die vor und nach der Übertragung ausgeübten bzw. geplanten Tätigkeiten und ausgeführten Umsätze übereinstimmen oder sich zumindest hinreichend ähneln. Dies ist unstreitig der Fall. Vor und nach der Übertragung der Gegenstände wurden Pferde ausgebildet, in Pension gehalten und Erlöse aus dem Verkauf von Pferden erzielt. Wer Eigentümer der Pferde ist oder war hat keinen Einfluss auf die konkrete Tätigkeit der Pferdeausbildung.
Der BFH hat mit Urteil vom 4.2.2015 (XI R 14/14, BStBl II 2015, 908) zu der Frage Stellung genommen, ob die Voraussetzungen einer (Teil-)Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG auch dann erfüllt sind, wenn der Betrieb bzw. Teilbetrieb auf mehrere Erwerber und nicht nur auf einen Erwerber, der den Betrieb fortführt, übertragen wird.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Eine Mitunternehmerschaft vermietete verschiedene Altenheime mit Inventar an mehrere Betreibergesellschaften, die vollständig von der Mitunternehmerschaft gehalten wurden. Die Mitunternehmerschaft verkaufte alle Altenheime samt Inventar und ihre Anteile an den Betreibergesellschaften an eine schwedische Investorengruppe in einem einheitlichen Vertrag, bei dem auf Käuferseite mehrere Erwerber auftraten, die unterschiedliche Teile des gesamten Vermögens erworben hatten. So wurden z.B. Inventar und Grundstücke an unterschiedliche Unternehmen der Investorengruppe verkauft. Die veräußernde Mitunternehmerschaft behandelte den Verkauf als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, während das Finanzamt von einem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang ausging.
Einleitend geht der BFH auf die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG im Allgemeinen und auf den Begriff des Teilbetriebs im Besonderen ein. Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf einen Bestandteil oder mehrere lose Bestandteile eines Unternehmens, sondern auf eine Kombination von ihnen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht – auch wenn diese Tätigkeit nur ein Teil des größeren Unternehmens war, von dem die Bestandteile abgespalten wurden. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung daher entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und ob die ausgeübten Tätigkeiten vor und nach der Übertragung übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob beim Veräußerer eine eigenständige betriebliche Organisation vorlag, sondern vielmehr darauf, ob ein Teilvermögen übertragen wird, das vom Erwerber als selbstständiges Unternehmen fortgeführt werden kann. Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind damit unmaßgeblich (BFH Urteil vom 4.2.2015, XI R 14/14, BStBl II 2015, 908, Rz. 24, 27).
Der BFH folgt insoweit der Rechtsprechung des EuGH. Danach ist, obwohl die Regelungen in der MwStSystRL die Formulierung »Übertragender« bzw. »Erwerber« nur im Singular verwenden, bei Anwendung dieser Bestimmung und Vorliegen mehrerer Leistungsbeziehungen »jeder Vorgang einzeln und selbstständig zu beurteilen«. Daraus folgert der BFH, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen der Mitunternehmerschaft und jedem Erwerber diejenigen Leistungen unberücksichtigt bleiben müssen, die Gegenstand von weiteren und gegebenenfalls gesondert zu untersuchenden umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen zu anderen Unternehmern sind. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind bei dieser Beurteilung nicht maßgeblich.
Weil durch die bloße Veräußerung des Inventars allein keine Fortführung des Unternehmens möglich war und die Erwerber durch diese Anschaffung allein nicht einen selbstständigen Unternehmensteil erworben haben, der sie in die Lage versetzt hätte, das von der Mitunternehmerschaft vorher betriebene Vermietungs- und Verpachtungsunternehmen fortzusetzen, lag nach Ansicht des BFH in Rz. 33 keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Eine solche Fortführung hätte vielmehr noch die Übertragungen der Gesellschaftsanteile und des Grundbesitzes an den identischen Erwerber erfordert. Diese Umsätze mussten aber bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen hinsichtlich des Verkaufs des Inventars unberücksichtigt gelassen werden, weil es sich insoweit um umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen anderen Vertragspartnern handelte (s.a. Anmerkung vom 14.7.2015, LEXinform 0652687).
§ 1 Abs. la UStG erfasst auch die unentgeltlichen Geschäftsveräußerungen im Ganzen, so dass eine Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b bzw. § 3 Abs. 9a UStG entfällt.
Nach dem BFH Urteil vom 21.5.2014 (V R 20/13, BStBl II 2014, 1029) liegt keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG bei gänzlich fehlender Übereignung oder Einbringung von Gegenständen des Unternehmens vor.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Im Urteilsfall gab ein Unternehmer seine Ingenieurtätigkeit auf und überließ einer KG, deren Komplementär er war und die die Ingenieurtätigkeit fortführte, das gesamte Betriebsvermögen unentgeltlich zur Nutzung. Dieses übertrug er in das Sonderbetriebsvermögen bei der KG. Er ging von einer nicht steuerbaren Betriebsveräußerung aus, wohingegen das beklagte FA sowie das FG darin eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe bzw. Entnahme aus dem bisherigen Einzelunternehmen sahen.
Mangels Einbringung von Gegenständen des Einzelunternehmens in die KG fehlt aus Sicht des BFH die tatbestandliche Erfüllung einer Geschäftsveräußerung. Der Unternehmer muss die Entnahme dieses Gegenstands aus seinem Unternehmen nach § 3 Abs. 1b UStG versteuern. Die Entnahme ist mit dem Einkaufspreis zu bemessen; die Wertentwicklung des entnommenen Gegenstands ist dabei zu berücksichtigen (s.a. Anmerkung vom 16.9.2014, LEXinform 0652470).
Mit Urteil vom 30.5.2013 (C-651/11, LEXinform 5212350, UR 2013, 582 mit Anmerkung von Marchal und UR 2013, 618 mit Anmerkung von Monfort/Prätzler) hat der EuGH zur Übertragung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen Stellung genommen. In seiner Entscheidung führt der EuGH seine Rspr. fort und erweitert diese dahingehend, dass »die Übertragung von Gesellschaftsanteilen – unabhängig von dessen Höhe – nur dann einer Übertragung eines Teil- oder Gesamtvermögens i.S.v. Art. 19 MwStSystRL gleichgestellt werden, wenn der Gesellschaftsanteil Teil einer eigenständigen Einheit ist, die eine selbstständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, und diese Tätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird. Eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten versetzt den Erwerber nicht in die Lage, eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen« (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 9 UStAE).
Durch das EuGH-Urteil vom 30.5.2013 (C-651/11, LEXinform 5212350, UR 2013, 582) sowie die Verwaltungsregelung in Abschn. 1.5 Abs. 9 UStAE wird deutlich, dass lediglich die Übertragung der Anteile nicht zu einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung führen kann. Im Umkehrschluss liegt aber unabhängig von der Höhe der übertragenen Beteiligung dann eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor, wenn gleichzeitig Vermögenswerte übertragen werden, die den Erwerber in die Lage versetzten, die wirtschaftliche Tätigkeit des Veräußerers fortzusetzen.
Der EuGH hat den Begriff »Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens« dahingehend ausgelegt (EuGH-Urteil vom 30.5.2013 (C-651/11, LEXinform 5212350, UR 2013, 582, Rz. 32), »dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann.« Was der EuGH unter dem Begriff der »Vermögenswerte« versteht, hat er nicht erläutert. M.E. sind Vermögenswerte die materiellen und immateriellen Bestandteile, die die Tätigkeit des Veräußerers bilden und mit denen der Erwerber die Tätigkeit des Veräußerers fortsetzen kann. So stellt das Halten der Beteiligung allein keinen Vermögenswert dar, der eine unternehmerische Tätigkeit begründet.
Das Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt u.a. aber dann eine unternehmerische Tätigkeit dar (Abschn. 2.3 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 UStAE), soweit die Beteiligung, abgesehen von der Ausübung der Rechte als Gesellschafter oder Aktionär, zum Zweck des unmittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, erfolgt. Die Eingriffe müssen dabei zwingend durch unternehmerische Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 UStG erfolgen, z.B. durch das entgeltliche Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft. Ist demnach der Veräußerer z.B. mit 30 % an der Gesellschaft beteiligt und als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Gesellschaft tätig und veräußert er seine Beteiligung sowie seine Geschäftsführertätigkeit dergestalt, dass der Erwerber mit dem Beteiligungserwerb auch die Geschäftsführertätigkeit übernimmt, liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor, da der Erwerber das Unternehmen fortführt (so auch Monfort u.a., Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 30.5.2013 (C-651/11, LEXinform 5212350, UR 2013, 618).
Mit Urteil vom 18.9.2019 (XI R 33/18, BStBl II 2021, 243) sieht der XI. Senat des BFH in der ausschließlichen Übertragung einer Anteilsbeteiligung (»share deal«) von 100 % keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG, so dass die somit nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreie Anteilsübertragung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (s. Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Aktuell I/2020, Rz. 5).
Allerdings kann nach dem BFH-Urteil XI R 33/18 eine Geschäftsveräußerung vorliegen, wenn die Beteiligung der Organgesellschaft (GmbH) veräußert wird und der Erwerber der Beteiligung der GmbH seinerseits eine Organschaft mit der GmbH, deren Anteile übertragen wurden und die er erworben hat, begründet. Der neue Organträger kann dann die bisherige Tätigkeit des alten Organträgers fortsetzen (s. Anmerkung von Brill zum BFH-Urteil XI R 33/18, NWB 7/2020, 444 sowie Anmerkung vom 4.2.2020, LEXinform 0653709).
Sachverhalt und Entscheidungsgründe des BFH-Urteils vom 18.9.2019 (XI R 33/18, BStBl II 2021, 243):
Für die Beteiligungsübertragung bzw. -veräußerung hatte die KG Beratungsleistungen in Anspruch genommen und zog die für die Leistungen gezahlte USt als Vorsteuer ab. Das FA und das FG versagten den Vorsteuerabzug, da weder die Beteiligungsübertragung noch die -veräußerung im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG erfolgt seien.
Entscheidungsgründe:
Wirtschaftliche Tätigkeit der KG
Die KG ist in Bezug auf die B-GmbH als geschäftsleitende Holding wirtschaftlich tätig; denn die Vermietung eines Gebäudes durch eine Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaft stellt einen »Eingriff in die Verwaltung« der Tochtergesellschaft dar, der als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL anzusehen ist, vorausgesetzt, die Vermietung ist nachhaltig und wird entgeltlich erbracht. »Eingriffe einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft« sind alle Umsätze, die eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden. Dies wäre ohne das Vorliegen einer Organschaft der Fall (BFH XI R 33/18, Rz. 15).
Unternehmerische Tätigkeit der KG als Organträgerin
Die KG als Organträgerin der B-GmbH hat – bis zum Ende der Organschaft mit der B-GmbH durch Wegfall der finanziellen Eingliederung – zusammen mit der B-GmbH als Organgesellschaft eine eigenunternehmerische Tätigkeit (Herstellung von Waren) ausgeübt, die weder in der Vermietung des Betriebsgrundstücks noch im Halten der Beteiligung an der B-GmbH bestand (s.a. BFH vom 26.6.2019, XI R 3/17, BStBl II 2021, 953, Rz. 34 ff.; s.a. unten Beispiel 6). Die Vermietung war in Folge von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ein nicht steuerbarer Innenumsatz.
Steuerbefreiung für die Beteiligungsveräußerung an die E-GmbH bzw. -einbringung in die E-GmbH
Sowohl die Veräußerung der Anteile der B-GmbH als auch die Einbringung der Anteile in die E-GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen kommen als Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG in Betracht (s. Abschn. 4.8.10 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Da auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nicht verzichtet wurde, sind die Beteiligungsumsätze der KG steuerfrei (BFH XI R 33/18, Rz. 19 ff.).
Vorsteuerausschluss
Ein Fall, in dem die bezogenen Eingangsleistungen für die Anteilsveräußerung zu den allgemeinen Aufwendungen der KG gehören und – als solche (z.B. indem sie zu den Kostenelementen der Produktpreise der B-GmbH gehören) – Kostenelemente der von ihr mithilfe der B-GmbH ansonsten gelieferten Gegenstände (und ggf. erbrachten Dienstleistungen) sind, liegt nicht vor, so dass ein Vorsteuerabzug unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.
Beteiligungsveräußerung als Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG
Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (BFH XI R 33/18, Rz. 28). Die Übertragung bezieht sich auf eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde. Dies ist aus Sicht des Erwerbers zu bestimmen.
Wichtig:
Beim Veräußerer für die Tätigkeit notwendige Gegenstände, über die der Erwerber bereits selbst verfügt, müssen nicht mitübertragen werden (vgl. EuGH vom 10.11.2011, C-444/10, BStBl II 2012, 848, Rz. 29; BFH vom 18.1.2012, XI R 27/08, BStBl II 2012, 842; vom 29.8.2018, XI R 37/17, BStBl II 2019, 378, Rz. 35, 38 sowie BFH XI R 33/18, Rz. 29).
Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit
Die Inhaberschaft von Anteilen an einem Unternehmen (im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieses Unternehmens) reicht nicht aus, um eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen zu können. Eine Geschäftsveräußerung scheidet bei isolierter Betrachtung der Veräußerung der Anteile aus, weil eine Beteiligung an einem Unternehmen kein »hinreichendes Ganzes« i.S. eines Teilvermögens ist.
Aufgrund der Organschaft bestand die unternehmerische Tätigkeit der KG (Organträgerin) nicht im Halten der Beteiligung, sondern in einer eigenunternehmerischen Tätigkeit (Herstellung von Waren). Im Falle einer Organschaft ist eine Geschäftsveräußerung dann gegeben, wenn die Erwerberin diese Tätigkeit unverändert fortführt (BFH XI R 33/18, Rz. 44).
Hinweis:
Der BFH hat den Rechtsstreit an das FG zurückgewiesen um zu prüfen, ob zwischen der Erwerberin (E-GmbH) und der B-GmbH ein Organschaftsverhältnis vorliegt.
Neues Organschaftsverhältnis zwischen der Erwerberin und der B-GmbH
Läge eine Organschaft vor, könnte die Beteiligung an der B-GmbH ein Teilvermögen sein. Die beim Veräußerer notwendigen Gegenstände dürfen vom Erwerber angemietet und müssen deshalb nicht mitübertragen werden (s. BFH vom 29.8.2018, XI R 37/17, BStBl II 2019, 378, Rz. 35). Dies wäre hier in Bezug auf die Betriebsgrundstücke der Fall, falls auch ohne deren Übertragung eine neue Organschaft besteht, weil dann umsatzsteuerrechtlich Leistungsempfängerin der Vermietungsleistung der KG die E-GmbH (Erwerberin) wäre. Wenn die Voraussetzungen der Organschaft aufgrund der bei der Erwerberin vorhandenen und von der KG hinzu erworbenen Gegenstände (Anteile an der B-GmbH) vorhanden wären, wäre die Beteiligung an der Organgesellschaft ein hinreichendes Ganzes, mit der die Organträgerin die bisherige eigenunternehmerische Tätigkeit fortführen könnte.
Für eine Geschäftsveräußerung wird nicht verlangt, dass die bisher bestehen Rechtsverhältnisse – Vermietung der Betriebsgrundstücke – mitübertragen werden. Die (neue) wirtschaftliche Eingliederung der B-GmbH in die E-GmbH kann sich aus Leistungen des Organträgers ergeben, die im Rahmen der Veräußerung nicht auf die Erwerberin der Anteile übertragen werden können, wie z.B. Beratungsleistungen.
Fazit:
Wird seitens der Erwerberin eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet, bewirkt die erworbene Beteiligung nicht lediglich ein (nichtunternehmerisches) bloßes Halten einer Beteiligung. Die wirtschaftliche Eingliederung des ursprünglichen Organschaftsverhältnisses zwischen der KG und der B-GmbH wurde durch Vermietung der Betriebsgrundstücke begründet. Diese Mietverträge gingen jedoch nicht auf die Erwerberin (E-GmbH) über. Durch die Erbringung von Beratungsleistungen durch die Erwerberin gegenüber der B-GmbH ist die wirtschaftliche Eingliederung der B-GmbH in die Erwerberin (E-GmbH) gegeben. In diesem Fall stellt die Beteiligung an der Organgesellschaft (B-GmbH) ein hinreichendes Ganzes dar, mit der die Organträgerin (E-GmbH) die bisherige eigenunternehmerische Tätigkeit (Herstellung von Waren) fortführen kann (BFH XI R 33/18, Rz. 45). Entscheidend für das Vorliegen einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG ist, dass vor und nach der Veräußerung eine umsatzsteuerliche Organschaft im Hinblick auf den Veräußerer (vorher) und den Erwerber (nachher) vorliegt (s.a. Brill, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 18.9.2019, XI R 33/18, NWB 7/2020, 444).
Vorsteuerabzug
Mit Urteil vom 22.2.2001 (C-408/98, UR 2001, 164, LEXinform 0163949) nimmt der EuGH zum Vorsteuerabzug des Übertragenden aus den für die Zwecke einer Geschäftsveräußerung in Anspruch genommenen Dienstleistungen Stellung. Hat ein Mitgliedstaat von der in Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt (§ 1 Abs. 1a UStG), so gehören die Ausgaben des Übertragenden für die Dienstleistungen, die er zur Durchführung der Übertragung in Anspruch nimmt, zu seinen allgemeinen Kosten; sie weisen damit grds. einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf. Führt der Übertragende sowohl Umsätze aus, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, kann er deshalb gem. Art. 168 MwStSystRL nur den Teil der Mehrwertsteuer abziehen, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt (Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG). Weisen jedoch die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen hat, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem klar abgegrenzten Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf, so dass die Kosten dieser Dienstleistungen zu den allgemeinen Kosten dieses Unternehmensteils gehören, und unterliegen alle Umsätze dieses Unternehmensteils der Mehrwertsteuer, so kann der Stpfl. die gesamte Mehrwertsteuer abziehen, die seine Ausgaben für die Vergütung dieser Dienstleistungen belastet (s.u. den Gliederungspunkt 6 »Vorsteuerabzug« und dort das Beispiel 10).
Die allgemeinen Grundsätze zur Geschäftsveräußerung gelten auch für Immobilienverkäufe. Dabei ist es egal, ob die Immobilie das gesamte Unternehmen des Veräußerers darstellt oder zum Unternehmen des Veräußerers mehrere Immobilien gehören, von denen lediglich eine veräußert wird (s.a. Meyer, UStB 2/2015, 42).
Zur Frage, ob beim Verkauf eines von mehreren vermieteten Grundstücken und Fortführung des Mietvertrags durch den Erwerber eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt, nimmt die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 3.3.2021 (S 7100b, UStB 2021, 113 mit Anmerkung vom Wohlfart) Stellung.
Ein vermietetes Grundstück ist ein wirtschaftlich selbstständiger Teilbetrieb. Tritt der Erwerber in die Mietverträge ein, kann er grundsätzlich die unternehmerische Tätigkeit fortsetzen. Von der Übertragung eines gesondert geführten Betriebs ist auch dann auszugehen, wenn der Eigentümer eines Grundstücks, das nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt ist, nur ein Teileigentum veräußert (OFD Karlsruhe vom 3.3.2021, S 7100 b – Karte 1 – DStR 2021, 1821, SIS 21 03 69, Tz. 5 letzter Absatz).
Nach dem BFH-Urteil vom 22.11.2007 (V R 5/06, BStBl II 2008, 448) können auch lediglich Gebäudeteile eine partielle Geschäftsveräußerung bilden. Danach liegt eine Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG auch dann vor, wenn der bisherige Alleineigentümer eines Grundstücks, das er bisher teilweise steuerpflichtig vermietete und teilweise für eigenunternehmerische Zwecke nutzte, einen Miteigentumsanteil auf seinen Sohn überträgt. Der Gegenstand der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf den vermieteten Grundstücksteil (s.a. Kurzbeitrag vom 17.4.2008, LEXinform 0354590; Abschn. 1.5 Abs. 2b UStAE).
Beispiel 4:
Unternehmer U vermietet seit Jahren das EG eines zweigeschossigen Gebäudes an den Ehegatten G für dessen Unternehmen und das OG an B für dessen unternehmerische Zwecke. Für alle Vermietungsumsätze verzichtet U nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und nahm aus den Baukosten und weiteren Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug vor.
U veräußert das Grundstück an E. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG erfolgte dabei nicht. Lt. Kaufvertrag wird das Mietverhältnis an den Ehegatten im EG nicht übernommen. Der Verkäufer U hat für eine frist- und ordnungsmäßige Kündigung zu sorgen. Das Mietverhältnis im OG wird durch E fortgeführt. Das EG wird nach dem Erwerb für eigene unternehmerische Zwecke des E genutzt.
Lösung 4:
Die Sachverhalt und die Lösung sind dem BFH-Urteil vom 6.7.2016 (XI R 1/15, BStBl II 2016, 909) entnommen.
Art. 19 MwStSystRL erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.
Die an B vermieteten Räume sind ein selbstständiger Unternehmensteil. Der in Art. 19 MwStSystRL verwendete Begriff des Teilvermögens, das Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein kann, verlangt bei teilweiser Vermietung eines Grundstücks nicht, dass der vermietete Grundstücksteil ein »zivilrechtlich selbstständiges Wirtschaftsgut« ist. Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich vielmehr auf eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde.
Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind unmaßgeblich. Es kommt nicht darauf an, ob bereits beim Veräußerer eine eigenständige betriebliche Organisation vorlag, sondern darauf, ob ein Teilvermögen übertragen wird, das vom Erwerber selbstständig hätte übernommen werden können und für das im Falle der entgeltlichen Übertragung der Erwerber eine Gegenleistung gezahlt hätte. Ob das Grundstück vom Veräußerer vor Übertragung zivilrechtlich (z.B. durch Bildung von Teil- oder Wohnungseigentum) geteilt worden ist oder nicht, spielt daher für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung insoweit keine Rolle.
Für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ist unerheblich, ob der Veräußerer gleichzeitig mit der Übertragung eine andere wirtschaftliche Tätigkeit einstellt. Die Prüfung der Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf das jeweils übertragene Teilvermögen, ohne dass es auf daneben erfolgte, weitere Übertragungsvorgänge ankommt (Abschn. 1.5 Abs. 2a Sätze 5 und 6 UStAE; s.a. Anmerkung vom 30.9.2016, LEXinform 0880189; Greif, NWB 2/2017, 96).
Zur Vorsteuerberichtigung i.S.d. § 15a UStG s. Beispiel 12.
Bauträger bebauen i.d.R. eigene Grundstücke zum Zwecke des Verkaufs (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Satz 1 UStAE; → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
Nach dem rkr. Urteil des FG Hamburg vom 29.10.2008 (1 K 191/08, EFG 2009, 366, LEXinform 5007606) stellt die Veräußerung des einzigen Grundstücks durch einen Bauträger keine Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG dar.
Betreibt der Veräußerer ein auf ein Großprojekt beschränktes Bauträgerunternehmen und kann der Erwerber dieses Unternehmen schon deshalb nicht fortführen, weil das Unternehmen des Veräußerers mit der Errichtung, der Findung von Mietern und der möglichst lukrativen Veräußerung des Projektes seinen Abschluss gefunden hat, so ist die Veräußerung des Projekts mangels Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Veräußerers keine Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber ein anders geartetes Unternehmen betreibt (Abgrenzung Bauträgerunternehmen von Vermietungsunternehmen). Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber die Mietverträge des Veräußerers fortführt (BFH vom 24.2.2005, V R 45/02, BStBl II 2007, 61), der Lieferer des Grundstücks als Vermieter aber nicht nachhaltig – nur für einen Monat – tätig gewesen ist, sodass es an einem durch den Erwerber fortführungsfähigen Vermietungsunternehmen fehlt. Die für eine Geschäftsveräußerung oder für eine Teilgeschäftsveräußerung in Bezug auf ein Vermietungsunternehmen erforderliche Nachhaltigkeit der Vermietung liegt bei einer Vermietung über insgesamt 17 Monate vor (BFH vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl II 2020, 793; Anmerkung vom 9.2.2016, LEXinform 0947529; s.o. den Gliederungspunkt 2.4.2 »Kettengeschäfte«). S.a. OFD Niedersachsen vom 19.9.2017 (S 7100 b – 1 – St 171, UR 2018, 178) sowie BFH vom 12.8.2015 (XI R 16/14, BStBl II 2020, 790). Eine nachhaltige Vermietungstätigkeit ist widerlegbar bereits dann anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens 6 Monate betragen hat (Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Sachverhalt und Entscheidungsgründe des BFH-Urteils vom 12.8.2015 (XI R 16/14, BStBl II 2020, 790):
Im Urteil XI R 16/14 geht es um Übertragung eines vermieteten Grundstücks in Bauträgerfällen. Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung ist, dass beim Veräußerer ein hinreichend nachhaltiges Vermietungsunternehmen vorliegt. Eine anfängliche, weiter bestehende und dem Unternehmenszweck entsprechende Absicht eines Bauträgers, das Objekt wieder zu verkaufen, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht zwingend entgegen (vgl. BFH vom 12.8.2015, XI R 16/14, BStBl II 2020, 790). Eine nachhaltige Vermietungstätigkeit ist widerlegbar anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens 6 Monate betragen hat. Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt hinsichtlich eines Bauträgers als Veräußerer vor, wenn die unternehmerische Tätigkeit des veräußernden Bauträgers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter/Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd zu veräußern. Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht entscheidend ist, ob das Objekt bilanzsteuerrechtlich dem Umlaufvermögen oder Anlagevermögen zuzuordnen ist. Die vorgenannten Grundsätze gelten z.B. auch für einen in eine mehrstufige Übertragung eingebundenen Grundstückshändler (Abschn. 1.5 Abs. 2 UStAE).
Bildet das verkaufte Grundstück das gesamte Unternehmen, veräußert der Unternehmer mit dem Grundstück die wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens (zur Teilbetriebsveräußerung s.u. den Gliederungspunkt 4.4 »Das verkaufte Grundstück umfasst nur einen Teil des Unternehmens«). Bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG (vgl. hierzu auch Abschn. 1.5 UStAE) liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Besteht beispielsweise das Unternehmen aus einem einzigen Mietgrundstück, so ist dessen Übertragung bei gleichzeitigem Übergang der jeweiligen Mietverträge regelmäßig eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass das verkaufte Grundstück nicht den Charakter von Vorratsvermögen haben darf (s.a. BFH Beschluss vom 1.4.2004, V B 112/03, BStBl II 2004, 802).
Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG durch Übertragung eines vermieteten oder verpachteten bebauten Grundstücks liegt auch dann vor, wenn dieses nur teilweise vermietet oder verpachtet ist, die nicht genutzten Flächen aber zur Vermietung oder Verpachtung bereitstehen, da hinsichtlich dieser Flächen auf die Fortsetzung der bisherigen Vermietungsabsicht abzustellen ist. Für die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Vermietungstätigkeit durch den erwerbenden Unternehmer reicht es aus, wenn dieser einen Mietvertrag übernimmt, der eine nicht unwesentliche Fläche der Gesamtnutzfläche des Grundstücks umfasst (BFH Urteil vom 30.4.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863). Im Urteilsfall betrug die Vermietungsquote 37 %. Ob eine Geschäftsveräußerung auch vorläge, wenn im Verhältnis zum Gesamtgebäude nur unwesentliche Flächen vermietet sind, brauchte der BFH nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu entscheiden.
Nach dem BFH-Urteil vom 11.10.2007 (V R 57/06, BStBl II 2008, 447) ist die Veräußerung eines Grundstücks ohne Übergang eines Mietvertrages keine Geschäftsveräußerung (Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Bei der Veräußerung eines vermieteten Objekts an den bisherigen Mieter zu dessen eigenen wirtschaftlichen Zwecken ohne Fortführung des Vermietungsunternehmens liegt keine Geschäftsveräußerung vor (Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 3 UStAE; BFH vom 24.9.2009, V R 6/08, BStBl II 2010, 315).
Beispiel 5:
V vermietet seit Jahren ein Grundstück an D (Diskothek). Nachdem der Mietvertrag mit D gekündigt wurde, veräußert V das unvermietete Grundstück an A, der es danach an B zum Betrieb einer Diskothek vermietet. Nach dem Kaufvertrag war der Verkauf umsatzsteuerpflichtig.
Lösung 5:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH Urteil vom 11.10.2007 (V R 57/06, BStBl II 2008, 447). Die Veräußerung eines Grundstücks ohne Übergang eines Mietvertrages ist keine Geschäftsveräußerung. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt werden kann (Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 1 UStAE; s.a. FG Köln vom 15.9.2020, 8 K 2974/18, EFG 2021, 585, LEXinform 5023503, rkr.).
Beachte:
Mit Urteil vom 24.2.2021 (XI R 8/19, BStBl II 2022, 34) hat der BFH zu den Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung eines Grundstücks entschieden, dass die Übernahme von Mietverträgen nicht in jedem Fall zwingend erforderlich ist (BFH XI R 8/19, Rz. 34). Erforderlich ist die Fortführung der Vermietungstätigkeit, nicht der Fortbestand eines konkreten Mietverhältnisses. Die bisherige und die zukünftige Tätigkeit müssen sich nur hinreichend ähneln und nicht völlig identisch sein.
Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt oder die Vermietungstätigkeit des Veräußerers durch eigene abgeschlossene Mietverträge fortführt (s. Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Nach dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.3.2024 (7 K 7083/23, LEXinform 5026069) kann auch ein Unternehmen (Grundstücksvermietung), mit dem noch keine Ausgangsumsätze erzielt worden sind, Gegenstand einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sein. Jedoch ist auch insoweit erforderlich, dass der Erwerber das übertragene Unternehmen fortführt, wobei es sich um eine innere Tatsache handelt, für die der Veräußerer die Feststellungslast trägt und für die objektive Anhaltspunkte bestehen müssen. Nachweismöglichkeiten sind z.B. entsprechende Zusicherungen oder die Übernahme von Verträgen durch den Erwerber.
Bei Grundstücken setzt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen grds. voraus, dass eine unternehmerische Tätigkeit, die in der Vermietung des Grundstücks besteht, vom Erwerber fortgeführt wird. Hieran fehlt es, wenn der Lieferer des Grundstücks als Vermieter nicht nachhaltig tätig gewesen ist, sodass es an einem durch den Erwerber fortführungsfähigen Vermietungsunternehmen fehlt (BFH vom 18.9.2008, V R 21/07, BStBl II 2009, 254 und vom 25.11.2015, V R 66/14, BStBl II 2020, 793). Soweit keine Mietverträge auf den Erwerber übergehen, kommt eine Fortführung eines Vermietungsunternehmens allenfalls in Betracht, wenn es sich um einen vorübergehenden Leerstand handelt und die bereits vom Veräußerer ergriffenen Vermarktungsbemühungen vom Erwerber fortgesetzt werden (FG Berlin-Brandenburg vom 13.3.2024 unter I.1.a.).
Zur nachhaltigen Tätigkeit s.o. die Gliederungspunkte 2.4.2 »Kettengeschäfte« sowie 4.2 »Bauträgerfälle«.
Überträgt ein Veräußerer ein verpachtetes Geschäftshaus und setzt der Erwerber die Verpachtung nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes fort, liegt hinsichtlich dieses Grundstücksteils eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor. Dies gilt unabhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil »zivilrechtlich selbstständig« ist oder nicht (Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 5 und 6 UStAE; BFH vom 6.7.2016, XI R 1/15, BStBl II 2016, 909). Danach muss die weitergeführte teilweise Vermietung getrennt von dem Teil des Gebäudes beurteilt werden, der vom Erwerber zukünftig eigengewerblich genutzt wird (s.a. Anmerkung vom 30.9.2016, LEXinform 0880189).
Nach dem BFH-Urteil vom 3.7.2014 (V R 12/13, BFH/NV 2014, 1603, LEXinform 0929662) liegt keine Geschäftsveräußerung vor, wenn der Veräußerer eines vermieteten Grundstücks das Grundstück auch nach der Übertragung weiterhin vermietet, wenn auch nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter. Im Urteilsfall hatte der Veräußerer sein Vermietungsunternehmen auch nach der Veräußerung selbst weitergeführt; die Mietverhältnisse sind nicht auf den Erwerber E übergegangen. Somit hat der Erwerber E nicht die Vermietungstätigkeit des Veräußerers fortgeführt, sondern ein eigenes Vermietungsunternehmen begründet. Dass der Veräußerer nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter vermietete, ist für die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit im Verhältnis zu den Mietern ohne Bedeutung. Damit fehlt es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung bereits am Erfordernis einer Unternehmensübertragung.
Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt werden kann (s.o. Beispiel 5 sowie Abschn. 1.5 Abs. 2a UStAE). Beachte aber die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.2.2021 (XI R 8/19, BStBl II 2022, 34) in Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE.
Allerdings kann die Lieferung einer Ferienwohnung auch dann zu einer Geschäftsveräußerung führen, wenn die Wohnung zwar im Zeitpunkt der Lieferung unvermietet, aber zur Vermietung an wechselnde Feriengäste bestimmt ist (BFH Urteil vom 5.6.2014, V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, LEXinform 0929556). Zwar hat die Lieferung des Grundstücks nicht zu einem unmittelbaren Übergang eines Mietverhältnisses geführt. Dem kommt indes bei der Frage, ob die Lieferung einer zur Vermietung bestimmten Ferienwohnung zu einer Geschäftsveräußerung führt, eine geringere Bedeutung als in anderen Fällen zu. Insoweit ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass Ferienwohnungen nicht zur langfristigen, sondern zur wiederholten kurzfristigen Vermietung bestimmt sind, so dass aus vorübergehenden Leerständen nicht auf eine Unterbrechung oder Beendigung der Vermietungstätigkeit zu schließen ist. Das Abstellen auf eine Vermietung im Zeitpunkt der Lieferung würde mithin zu Zufallsergebnissen führen.
Erwirbt ein Organträger ein an seine Organgesellschaft vermietetes Gebäude, liegt keine Geschäftsveräußerung vor, da der erwerbende Organträger das übertragene Gebäude umsatzsteuerrechtlich nicht vermietet, sondern durch die Organgesellschaft als Teil seines Unternehmens eigenunternehmerisch nutzt (BFH Urteil vom 6.5.2010, V R 26/09, BStBl II 2010, 1114).
Der BFH hat auch das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung in einem Fall verneint, in dem ein Organträger ein an die Organgesellschaft verpachtetes Grundstück an eine Dritte veräußert hat, die das Grundstück weiterhin an die Organgesellschaft verpachtet hat (BFH vom 21.10.2015, XI R 40/13, BStBl II 2017, 852, Rz. 63; s.a. L’habitant UStB 11/2019, 335).
Beispiel 6:
Organträgerin T verpachtet ein Grundstück an die Organgesellschaft O, die im Maschinen- und Anlagenbau (Produktion) tätig ist. Im Rahmen der Beendigung der Organschaft überträgt T das Grundstück auf O, die den Produktionsbetrieb, wie bisher, fortführt.
Lösung 6:
Der Sachverhalt und die Lösung sind dem BFH-Urteil vom 26.6.2019 (XI R 3/17, BStBl II 2021, 953) entnommen.
Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung mit der Begründung verneint, die T habe ein Vermietungsunternehmen gehabt, das die Erwerberin O nicht habe fortführen können.
Dies ist deshalb unzutreffend, weil die T als Organträgerin ein Produktionsunternehmen betrieben hat; die O und die T waren insoweit als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dieses Unternehmen hat die O absichtsgemäß tatsächlich völlig unverändert fortgeführt. Nach Wegfall der Organschaft tat O dies als selbstständige Unternehmerin.
Das Betriebsgrundstück bildet ein für die Fortführung der Tätigkeit ausreichendes Teilvermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die T ihre bisherige unternehmerische Tätigkeit in wesentlichen Teilen mit Hilfe der Erwerberin O ausgeübt hat. Diese verfügte während des Bestehens der Organschaft – mit Ausnahme des Betriebsgrundstücks – ohnehin schon zivilrechtlich über sämtliche für die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit erforderlichen Gegenstände. Einzig das Betriebsgrundstück wurde ihr von der T zur Nutzung überlassen und musste im Streitfall zur Fortführung von ihr hinzuerworben werden.
In einer solchen Situation (Übertragung des Betriebsgrundstücks von der bisherigen Organträgerin auf die bisherige Organgesellschaft bei Beendigung der Organschaft) bildet das Betriebsgrundstück ein hinreichendes Ganzes, mit dem die bisherige Organgesellschaft nach Beendigung der Organschaft die unternehmerische Tätigkeit als selbstständige Unternehmerin unverändert fortführen kann, wenn sie über die übrigen erforderlichen Gegenstände bereits während der Organschaft selbst verfügt hat (Anmerkung vom 16.10.2019, LEXinform 0881883).
Dass die Fortführung des Produktionsunternehmens durch die Erwerberin O vor der Übertragung des Grundstücks erfolgte, sodass bei Übertragung die Produktionstätigkeit der T schon beendet war, ist für die Fortführung unschädlich (BFH XI R 3/17, Rz. 75 ff.).
In diesem Fall verkauft der Unternehmer mit dem Grundstück allenfalls einen Teil der wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt deshalb nur dann vor, wenn das verkaufte Grundstück einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb darstellt. Die Voraussetzungen für die Annahme eines gesondert geführten Betriebs ergeben sich aus Abschn. 1.5 Abs. 6 UStAE.
Bei einem vermieteten Grundstück kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass es ein innerhalb des Unternehmens gesondert geführter Betrieb ist, wobei insoweit keine besonderen Einrichtungen einer betrieblichen Organisation vorliegen müssen. Ein solches Grundstück ist ein wirtschaftlich selbstständiger Teilbetrieb. Tritt der Erwerber in die jeweiligen Mietverträge ein, kann er grundsätzlich die unternehmerische Tätigkeit ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortsetzen (s.a. BFH Urteil vom 19.12.2012, XI R 38/10, BStBl II 2013, 1053). Von der Übertragung eines gesondert geführten Betriebs kann auch dann ausgegangen werden, wenn der Eigentümer eines Grundstücks, das nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) aufgeteilt ist, nur ein Teileigentum veräußert.
Ein Grundstück ist kein gesondert geführter Betrieb, wenn ein Unternehmer ein unbebautes Grundstück mit dem Ziel erwirbt, ein Gebäude zu errichten, Mieter zu beschaffen und anschließend das nun bebaute Grundstück zu veräußern. Für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG fehlt es in diesen Fällen an der Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen. Das Grundstück dient nicht dem Unternehmen, um als Anlagevermögen für längere Dauer zur Verfügung zu stehen, beispielsweise zur nachhaltigen Erzielung von Mieteinnahmen. Das Grundstück ist hier nur dazu notwendig, um darauf ein Gebäude errichten zu können. Geplant ist von Anfang an, das Grundstück unmittelbar nach Fertigstellung des Gebäudes zu veräußern. Das Grundstück wird also zum Zweck der alsbaldigen Veräußerung erworben und hat somit den Charakter von Vorratsvermögen. Daher ist in diesem Fall von einer umsatzsteuerbaren Lieferung auszugehen.
Mit Urteil vom 8.3.2001 (V R 24/98, BStBl II 2003, 430) nimmt der BFH zum Verkauf eines Grundstücks als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung Stellung (Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 3 UStAE). In seinem Urteil stellt der BFH fest, dass bereits dann eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt, wenn mangels konkreter Vermietungsvoraussetzungen noch kein »lebendes Unternehmen« übertragen wird.
Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks führt umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich zu einer entgeltlichen Lieferung des Grundstückseigentümers an den Ersteher. Dies gilt aber nicht, wenn eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt; diese setzt kein »lebendes Unternehmen« voraus (BFH Urteil vom 21.3.2001, V R 62/01, BStBl II 2002, 559).
Beispiel 7:
Unternehmer U betreibt seit Jahren im Erdgeschoss seines eigenen Grundstücks ein Herrenausstattungsgeschäft »Senioren-Moden«. Das 1. Obergeschoss ist stpfl. an Steuerberater S vermietet, der dort seine Kanzlei betreibt. Im 2. Obergeschoss ist die eigene Wohnung des U, die er mit seiner Familie nutzt. U hat das Gebäude im Jahr 2012 für insgesamt 800 000 € zzgl. 152 000 € USt hergestellt und zutreffend insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet. Die Fertigstellung und die entsprechende Nutzung erfolgen wie von Anfang an geplant ab 1.8.2012.
Zum 1.6.2018 veräußert U das Grundstück für netto 700 000 € an den Investor X, der die Wohnung im 2. Obergeschoss für Privatzwecke selbst nutzt, da U noch vor der Veräußerung an X in sein eigenes Einfamilienhaus umgezogen ist. Investor X vermietet wie bisher die Kanzleiräume im 1. Obergeschoss stpfl. an Steuerberater S und vermietet das Erdgeschoss als Herrenausstattungsgeschäft steuerpflichtig an den bisherigen Grundstückseigentümer U.
Lösung 7:
S.a. das Beispiel zu → Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG unter dem Gliederungspunkt »Keine Änderung der Verhältnisse bei einer Geschäftsveräußerung«.
Bei dem Grundstück des U handelt es sich um ein teilunternehmerisch genutztes Grundstück i.S.d. § 15 Abs. 1b UStG, da es sowohl unternehmerisch als auch unternehmensfremd (privat) genutzt wird (Abschn. 15.6a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 UStAE). § 15 Abs. 1b UStG stellt eine Vorsteuerabzugsbeschränkung dar, die nicht das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers nach § 15 Abs. 1 UStG berührt (s.a. Abschn. 15.2c Abs. 18 UStAE). Ist bei der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes ein Vorsteuerabzug u.a. nach § 15 Abs. 1b UStG (teilweise) nicht möglich, kann der Unternehmer durch eine gegenüber dem Finanzamt abgegebene schriftliche Erklärung dokumentieren, in welchem Umfang er das Gebäude dem Unternehmen zugeordnet hat, wenn sich aus dem Umfang des geltend gemachten Vorsteuerabzugs nicht ergibt, mit welchem Anteil das Gebäude dem Unternehmen zugeordnet wurde (Abschn. 15.2c Abs. 18 UStAE). Lt. Sachverhalt hat U das gesamte Grundstück seinem Unternehmen zugeordnet.
Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG ist, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG ist entsprechend Art. 19 MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH vom 6.7.2016, XI R 1/15, BStBl II 2016, 909, Rz. 29). Die Bestimmung des Art. 19 MwStSystRL erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.
Die an S vermieteten Kanzleiräume sind ein selbstständiger Unternehmensteil (BFH vom 6.7.2016, XI R 1/15, BStBl II 2016, 909, Rz. 34). Der in Art. 19 MwStSystRL verwendete Begriff des Teilvermögens, das Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein kann, verlangt bei teilweiser Vermietung eines Grundstücks nicht, dass der vermietete Grundstücksteil ein »zivilrechtlich selbstständiges Wirtschaftsgut« ist. Die Prüfung der Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf das jeweils übertragene Teilvermögen, ohne dass es auf daneben erfolgte, weitere Übertragungsvorgänge ankommt (BFH vom 6.7.2016, XI R 1/15, BStBl II 2016, 909, Rz. 42).
Für die Übertragung des Gebäudeteils 1. Obergeschoss (Kanzleiräume) fällt keine Umsatzsteuer an, da es sich um einen nichtsteuerbaren Umsatz im Rahmen einer Geschäftsveräußerung handelt.
Die Übertragung des Gebäudeteils Erdgeschoss (Geschäftsräume Herrenausstattung) stellt keine Teilgeschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG dar, da der Erwerber X nicht das Unternehmen des Veräußerers U – die Herrenausstattung – fortführt, sondern erstmals den bisher durch U eigenunternehmerisch genutzten Gebäudeteil an diesen vermietet.
Die Übertragung des Gebäudeteils 2. Obergeschoss (eigengenutzte Wohnräume) stellt ebenfalls keine Teilgeschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG dar. Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung ist u.a. dann gegeben, wenn der veräußerte Teil des Unternehmens vom Erwerber als selbstständiges Unternehmen fortgeführt werden kann. Die Nutzung der Räumlichkeiten zu eigenen privaten Wohnzwecken stellt eine nichtunternehmerische, genauer eine unternehmensfremde Tätigkeit, dar (Abschn. 2.3 Abs. 1a UStAE). Eine nichtunternehmerische Tätigkeit kann nicht als wesentliche Grundlage einer Geschäftsveräußerung im Ganzen übertragen werden (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 1 UStAE).
Überträgt ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten, liegt darin eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn das Grundstück alleiniger Vermietungsgegenstand war. Dieser Vorgang löst beim Vermietungsunternehmer keine Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG aus. Die durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück entstandene Bruchteilsgemeinschaft tritt gleichzeitig mit ihrer Entstehung gem. § 566 BGB in einen bestehenden Mietvertrag ein. Der ursprüngliche Vermieter überlässt den in seinem Eigentum verbliebenen Grundstücksanteil der Bruchteilsgemeinschaft nicht zusätzlich unentgeltlich zur Nutzung (BFH Urteil vom 6.9.2007, V R 41/05, BStBl II 2008, 65; Änderung der Rspr.). Mit Urteil vom 22.11.2007 (V R 5/06, BStBl II 2008, 448) führt der BFH diese Rechtsprechung fort. Danach liegt eine Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG auch dann vor, wenn der bisherige Alleineigentümer eines Grundstücks, das er bisher teilweise steuerpflichtig vermietete und teilweise für eigenunternehmerische Zwecke nutzte, einen Miteigentumsanteil auf seinen Sohn überträgt. Der Gegenstand der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf den vermieteten Grundstücksteil (Abschn. 1.5 Abs. 2b Satz 2 und 3 UStAE).
Ist die Bruchteilsgemeinschaft selbst nicht unternehmerisch tätig, handelt es sich um eine Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft (BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 2021, 825, Rz. 28). Das Vermögen ist dabei den jeweiligen Gesellschaftern zuzurechnen; es erfolgt kein Zwischenerwerb durch die Interessengemeinschaft (Abschn. 15.2b Abs. 1 Satz 7 UStAE).
Mit Urteil vom 22.11.2018 (V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, LEXinform 0951786) hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. entschieden, dass eine Bruchteilsgemeinschaft nicht Unternehmer sein kann. Stattdessen erbringen die Gemeinschafter als jeweilige Unternehmer anteilig von ihnen zu versteuernde Leistungen (s.a. Pressemitteilung Nr. 5/2019 vom 6.2.2019, LEXinform 0449319).
Nach der EuGH-Entscheidung vom 16.9.2020 (C-312/19, LEXinform 5217160) muss auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft geprüft werden, ob die wirtschaftliche Tätigkeit mehrwertsteuerrechtlich ihr oder den Gemeinschaftern zuzurechnen ist. Die Tätigkeit ist nicht mangels Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaft zwingend den Gemeinschaftern zuzurechnen (s.a. von Streit, EU-UStB 2020, 112).
Mit Art. 16 Nr. 2 des JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) wird § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG neu gefasst: »Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist.«
Die Regelung stellt klar, dass die Unternehmereigenschaft i.S.d. Umsatzsteuerrechts unabhängig davon bestehen kann, ob der Handelnde nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Unternehmer können daher auch nicht rechtsfähige Personengemeinschaften wie z.B. Bruchteilsgemeinschaften sein. Die Regelung dient der Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (BT-Drs. 20/4729, 166).
Die Vfg. des LfSt Niedersachsen vom 9.2.2023 (S 7109 – St 172 – 527/2023, DStR 2023, 647, SIS 23 05 30) nimmt zu Grundstücksübertragungen zwischen Angehörigen mit zahlreichen Beispielen ausführlich Stellung (s.a. Abschn. 3.3 Abs. 7 und 8 UStAE).
In den folgenden Beispielen war der Unternehmer bei Herstellung oder Erwerb des Betriebsgrundstücks zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt. S.a. die Beispiele unter → Vorweggenommene Erbfolge sowie unter → Vorsteuerberichtigung dort unter dem Gliederungspunkt »Änderung der Verhältnisse bei Einräumung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück«.
Beispiel 8:
Unternehmer U betreibt auf seinem eigenen Betriebsgrundstück eine Autoreparaturwerkstatt. U überträgt seiner Tochter unentgeltlich das Betriebsgrundstück. Aufgrund eines mit der Tochter geschlossenen Pachtvertrags verwendet der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke seines Unternehmens.
Lösung 8:
S.a. Sachverhalt 1 der Vfg. des LfSt Niedersachsen vom 9.2.2023 (S 7109 – St 172 – 527/2023, DStR 2023, 647).
Der Unternehmer entnimmt das Grundstück aus seinem Unternehmen. Mit der Übertragung auf die Tochter endet die rechtliche Bindung des Grundstücks an den Unternehmer, sodass auch die Zuordnung des Grundstücks zu seinem unternehmerischen Bereich endet. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke des Unternehmens verwendet. Denn diese Verwendung beruht nicht mehr auf der Zuordnungsentscheidung des Unternehmens, sondern auf der Entscheidung der Tochter, ihrem Vater das Grundstück zu verpachten, sowie auf der Entscheidung des Unternehmers, das Grundstück nunmehr im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses für sein Unternehmen zu verwenden. Die unentgeltliche Abgabe des Grundstücks erfolgt aus privaten Gründen und ist daher eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Umsatz ist steuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Der Unternehmer kann nicht nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten. Bei der unentgeltlichen Wertabgabe führt der Unternehmer keine Lieferung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen aus (Abschn. 3.2 Abs. 2 Satz 4 und Abschn. 9.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Damit haben sich die Verhältnisse geändert, die beim Erwerb des Grundstücks durch den Unternehmer für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Der Vorsteuerabzug ist ggf. nach § 15a UStG zu berichtigen (Abschn. 15a.2 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a UStAE).
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG kann nicht vorliegen, da die Tochter nicht das Unternehmen des Veräußerers fortführt, sondern ein neues (Vermietungs-)Unternehmen begründet.
Die Tochter erbringt mit der Verpachtung des Grundstücks eine steuerbare und nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie sonstige Leistung. Auf die Steuerfreiheit kann die Tochter unter den Voraussetzungen des § 9 UStG verzichten. Sie ist dann berechtigt, in den Pachtzinsabrechnungen USt gesondert auszuweisen und ihr in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer abzuziehen. Ggf. ist die Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG).
Beispiel 9:
Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau unentgeltlich einen 20 %igen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Grundstück. Die Ehegatten treten gemeinschaftlich in den bestehenden Mietvertrag ein, das Grundstück wird weiterhin steuerpflichtig vermietet. Die Ehegatten begründen keine gesonderte GbR.
Lösung 9:
S.a. Sachverhalt 2 der Vfg. des LfSt Niedersachsen vom 9.2.2023 (S 7109 – St 172 – 527/2023, DStR 2023, 647).
Mit Urteil vom 6.9.2007 (V R 41/05, BStBl II 2008, 65) hat der BFH Folgendes entschieden: Überträgt ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten, liegt darin eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn das Grundstück alleiniger Vermietungsgegenstand war (Abschn. 1.5 Abs. 2b Satz 2 UStAE). Dieser Vorgang löst beim Vermietungsunternehmer keine Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG aus. Die durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück entstandene Bruchteilsgemeinschaft tritt gleichzeitig mit ihrer Entstehung gem. § 566 BGB in einen bestehenden Mietvertrag ein.
Die Ehefrau wird nicht unternehmerisch tätig. Ihr steht kein Vorsteuerabzug zu. Umsatzsteuerrechtlicher Vermietungsunternehmer ist die Bruchteilsgemeinschaft. Nach Abschn. 2.1 Abs. 2 Satz 2 ff. UStAE führt die Bruchteilsgemeinschaft das Vermietungsunternehmen des Ehemanns fort und ist damit Unternehmer i.S.d. § 2 UStG (BFH vom 25.3.1993, V R 42/89, BStBl II 1993, 729).
In notariellen Grundstückskaufverträgen kann eine Klausel enthalten sein, dass der Veräußerer für den Fall, dass die Finanzverwaltung das Vorliegen der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen verneinen sollte, nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuerpflicht der Grundstücksveräußerung optiert. Nach Abschn. 9.1 Abs. 3 UStAE kommt eine Option im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen grundsätzlich nicht in Betracht. Gehen die Parteien jedoch im Rahmen des notariellen Kaufvertrags übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus und beabsichtigen sie lediglich für den Fall, dass sich ihre rechtliche Beurteilung später als unzutreffend herausstellt, eine Option zur Steuerpflicht, gilt diese vorsorglich und im Übrigen unbedingt im notariellen Kaufvertrag erklärte Option als mit Vertragsschluss wirksam (Abschn. 9.1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 UStAE). Es reicht somit aus, wenn die Optionserklärung – neben der Erklärung über die eigene Rechtsauffassung hinsichtlich des Vorliegens einer Geschäftsveräußerung – keine Bedingung enthält (BMF vom 23.10.2013, BStBl I 2013, 1304; OFD Niedersachen vom 19.12.2013, S 7198 – 117 – St 173, UR 2014, 452, LEXinform 5234825; Meyer-Burow u.a., UStB 12/2013, 362; OFD Frankfurt vom 11.3.2013, S 7198 A – 25 – St 111, UR 11/2013, 443 mit Beispiel).
Unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens vom 16.11.2020 (BStBl I 2020, 1267, s. Abschn. 1.5 Abs. 2 UStAE) ist folgendes Prüfungsschema anzuwenden (s.a. Müller, UR 2011, 7 unter V.).
Mit Vfg. vom 19.8.2016 (S 7100b.1.1 – 2/7 St 33, DB 2016, 2087, LEXinform 5236046) nimmt das Bayerische Landesamt für Steuern zur umsatzsteuerlichen Behandlung beim Verkauf von Taxikonzessionen Stellung.
Beachte:
Das BayLfSt hat mit Vfg. vom 7.8.2018 (S 7506.1.1–5/2 St 33, SIS 18 11 90) die o.g. Vfg. vom 19.8.2016 aufgehoben. Die Rechtsgrundsätze sind aber weiterhin anzuwenden. Die Aufhebung der Verfügung dient insbes. der Bereinigung der Weisungslage und dem Abbau der Normenflut.
Für die Beurteilung der Frage, ob der Verkauf einer Taxikonzession als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG oder als steuerbare Lieferung zu behandeln ist, kommt es darauf an, ob die verkaufte Konzession das gesamte Unternehmen bzw. einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb oder nur einen unselbstständigen Teil des Unternehmens bildete.
Hat der Taxiunternehmer lediglich eine Konzession inne und veräußert er diese an einen Dritten, bildet die Taxikonzession das gesamte Unternehmen. Mit der Übertragung der Konzession veräußert der Unternehmer die wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens, die ein hinreichendes Ganzes bilden und dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens ermöglichen. Bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 a UStG – insbesondere muss der Erwerber Unternehmer sein und für sein Unternehmen die Konzession erwerben – liegt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vor.
Dabei ist es in der Regel unerheblich, ob das Fahrzeug (das Taxi) zusammen mit der Taxikonzession vom veräußernden Unternehmer an den Erwerber übertragen wird. Werden Taxikonzession und Fahrzeug veräußert, bilden die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes und ermöglichen dem Erwerber, das (Taxi-)Unternehmen fortzuführen. Aber selbst in dem Fall, in dem nur die Konzession, nicht aber das Fahrzeug übertragen wird, ist grundsätzlich eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben. Die Taxikonzession ist eine wesentliche, das Fahrzeug eine unwesentliche Grundlage des Taxiunternehmens. Weitere wesentliche Grundlagen können u.U. Kundenstamm, eingeführte Telefon/Fax-Nummern, Webpräsenz, Mitgliedschaften in Taxi-Zentralen oder Flughafennutzungs-/Standplatzvertrag sein.
Hat der Taxiunternehmer eine bestimmte Anzahl von Taxikonzessionen inne und veräußert er lediglich eine oder mehrere davon an einen Dritten, liegt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nur dann vor, wenn die veräußerte(n) Konzession(en) einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb darstellen. Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn er wirtschaftlich selbstständig ist. Dies setzt voraus, dass der veräußerte Teil des Unternehmens einen für sich lebensfähigen Organismus, der unabhängig von den anderen Geschäften des Unternehmens nach Art eines selbstständigen Unternehmens betrieben worden ist und nach außen hin ein selbstständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen ist. Soweit einkommensteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung angenommen wird, kann umsatzsteuerrechtlich von der Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs ausgegangen werden (vgl. Abschn. 1.5 Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 UStAE).
Von zwei in der Gliederung eines Taxiunternehmens gesondert geführten Betrieben kann ausgegangen werden, wenn ein Unternehmer an dem einen Ort sein Taxi selbst fährt (oder sich angestellter Fahrer bedient), er sich an einem anderen Ort angestellter Fahrer bedient, die Einnahmen und Fahrzeugkosten getrennt aufzeichnet, die Taxis jeweils eigene Konzessionen haben und ein eigener Kundenstamm am jeweiligen Ort existiert (vgl. FG München Urteil vom 25.3.2003, 13 K 1914/99, LEXinform 0814874, rkr.).
Veräußert er die Taxikonzession/en eines Ortes und somit einen gesondert geführten Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, handelt es sich um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung.
Gem. § 2 Abs. 3 PBefG können die aus der Genehmigung erwachsenden Rechte und Pflichten nur übertragen werden, wenn gleichzeitig das ganze Unternehmen oder wesentliche selbstständige und abgrenzbare Teile des Unternehmens übertragen werden. Der Verkauf einer von mehreren Taxikonzessionen (z.B. zum Zweck der Betriebsverkleinerung) ist daher nicht erlaubt. Sollte der Taxiunternehmer dennoch eine von mehreren Taxikonzessionen veräußern, handelt es sich um eine steuerbare Übertragung eines immateriellen WG und somit um eine steuerpflichtige sonstige Leistung (vgl. Abschn. 3.1 Abs. 4 UStAE, § 40 AO i.V.m. § 3a UStG).
Über die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung darf nicht mit Steuerausweis abgerechnet werden. Wird USt gleichwohl gesondert ausgewiesen, schuldet der Aussteller die ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG (Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 UStAE; → Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis). Der Erwerber kann bei richtiger Abrechnung keinen Vorsteuerabzug vornehmen, weil ihm keine USt für die Geschäftsveräußerung berechnet worden ist. Wird gleichwohl fehlerhaft USt ausgewiesen, ist der Vorsteuerabzug nicht möglich (Abschn. 15.2 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE). Hat der Unternehmer dennoch die Vorsteuer zu Unrecht geltend gemacht, ist der Vorsteuerabzug rückwirkend zu versagen.
Es ist durch die BFH-Rspr. geklärt, dass der Empfänger einer nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung aus einer hierüber mit gesondertem Steuerausweis erteilten Rechnung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und im Fall einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs der Vollverzinsung nach § 233a AO unterliegt (→ Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis unter dem Gliederungspunkt »Festsetzung von Nachzahlungszinsen«). Eine Rechnungsberichtigung durch den Leistenden ist für den in der Vergangenheit tatsächlich in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug ohne Bedeutung und vermag die Zinsfolgen nicht zu beeinflussen (BFH Beschluss vom 29.10.2010, V B 48/10, BFH/NV 2011, 856, LEXinform 5906029, Englisch, UR 2011, 648).
Der leistende Unternehmer kann den unrichtigen Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger für ungültig erklären. Diese Erklärung muss dem Leistungsempfänger auch tatsächlich zugehen. Nicht erforderlich ist es, den ursprünglichen Kaufvertrag aufzuheben und einen neuen Vertrag ohne Steuerausweis zu schließen. Die Berichtigungserklärung muss in diesem Fall auch dann nicht notariell beurkundet werden, wenn der gesonderte Steuerausweis im notariell beurkundeten Kaufvertrag enthalten ist (BFH Urteil vom 11.10.2007, V R 27/05, BStBl II 2008, 438).
Hat der Aussteller der Rechnung den unrichtigen Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger für ungültig erklärt, kann er den nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Steuerbetrag nur dann berichtigen, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist (§ 14c Abs. 1 Satz 3 UStG, Abschn. 14c.2 Abs. 3 UStAE).
Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung der Steuer vor, ist zu unterscheiden, ob die Vorsteuer zurückgezahlt oder nicht geltend gemacht wurde, da insoweit unterschiedliche Zeitpunkte für die Berichtigung in Betracht kommen:
Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG grundsätzlich für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (§ 14c Abs. 2 Satz 5 UStG, Abschn. 14c.2 Abs. 5 Satz 5 UStAE).
Wurde beim Leistungsempfänger kein Vorsteuerabzug vorgenommen, ist der wegen unrichtigen Steuerausweises geschuldete Betrag beim Aussteller der Rechnung für den Zeitraum zu berichtigen, in dem die Steuer nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG entstanden ist (Abschn. 14c.2 Abs. 5 Satz 6 UStAE).
Mit Urteil vom 8.3.2001 (V R 24/98, BStBl II 2003, 430) hat der BFH bestätigt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug mit dem jeweiligen Leistungsbezug entsteht. Der Umfang dieses entstandenen Rechts auf Vorsteuerabzug richtet sich nach der im jeweiligen Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs beabsichtigten oder – falls schon vorhanden – tatsächlichen Verwendung. Wird die steuerpflichtige Vermietung eines Grundstücks aufgegeben und die Absicht zur steuerfreien Veräußerung des Grundstücks gefasst, könnte darin eine Absichtsänderung zu erstmaliger steuerfreier Verwendung angenommen werden, die – ab diesem Zeitpunkt – zum Ausschluss der danach bezogenen Leistungen vom Vorsteuerabzug führen würde (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Verwendungsumsatz i.S.d. bezeichneten Vorschrift ist eine (beabsichtigte) Veräußerung aber nur, wenn es sich um keine Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG handelt. In seinem Urteil stellt der BFH fest, dass bereits dann eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt, wenn mangels konkreter Vermietungsvoraussetzungen noch kein »lebendes Unternehmen« übertragen wird. Als »nicht der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz« i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG ist die Geschäftsveräußerung kein Verwendungsumsatz i.S.v. § 15 Abs. 2 UStG, so dass ggf. weder die Geschäftsveräußerung noch die Absicht dazu den Vorsteuerabzug berühren (s.a. Abschn. 1.5 Abs. 7 UStAE).
Die USt aus Veräußerungskosten (z.B. Maklerkosten) beim Veräußerer ist als Vorsteuer abziehbar, wenn die Veräußerung eines gemischt genutzten Grundstücks als – nicht steuerbare – Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG anzusehen ist. Der Vorsteuerabzug aus Veräußerungskosten richtet sich im Fall einer Geschäftsveräußerung danach, in welchem Umfang das Grundstück vor der Veräußerung zur Ausführung von sog. Ausschlussumsätzen i.S.d. § 15 Abs. 2 UStG verwendet wurde (OFD Frankfurt vom 17.8.2011, S 7300 A – 116 – St 128, LEXinform 5233573). Bei Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung ist der Vorsteuerabzug hiernach z.B. ausgeschlossen, wenn der Unternehmer vor Abgabe der Praxis aus der Tätigkeit als Arzt ausschließlich steuerfreie Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG ausgeführt hat.
Mit Urteil vom 22.2.2001 (C-408/98, UR 2001, 164, LEXinform 0163949) nimmt der EuGH zum Vorsteuerabzug des Übertragenden aus den für die Zwecke einer Geschäftsveräußerung in Anspruch genommenen Dienstleistungen Stellung. Hat ein Mitgliedstaat von der in Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt (§ 1 Abs. 1a UStG), so gehören die Ausgaben des Übertragenden für die Dienstleistungen, die er zur Durchführung der Übertragung in Anspruch nimmt, zu seinen allgemeinen Kosten; sie weisen damit grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf. Führt der Übertragende sowohl Umsätze aus, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, kann er deshalb gem. Art. 168 MwStSystRL nur den Teil der Mehrwertsteuer abziehen, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt (Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG). Weisen jedoch die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen hat, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem klar abgegrenzten Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf, so dass die Kosten dieser Dienstleistungen zu den allgemeinen Kosten dieses Unternehmensteils gehören, und unterliegen alle Umsätze dieses Unternehmensteils der Mehrwertsteuer, so kann der Stpfl. die gesamte Mehrwertsteuer abziehen, die seine Ausgaben für die Vergütung dieser Dienstleistungen belastet (s.a. Zugmaier, Steuer & Studium 7/2013, 385).
Beim Erwerber ist für den Vorsteuerabzug maßgebend, welche Umsätze er mit den übernommenen WG beabsichtigt auszuführen.
Beispiel 10:
A veräußert seinem gesamten Installationsbetrieb an B für 500 000 €. Im Zusammenhang mit dem Verkauf bzw. Kauf fallen Beratungsleistungen an:
für A 3 000 € zzgl. 570 € USt bzw.
für B 3 000 € zzgl. 570 € USt.
Lösung 10:
Die Veräußerung stellt einen Geschäftsbetrieb im Ganzen dar. Die zugrunde liegenden Umsätze sind nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht steuerbar.
Da A mit dem veräußerten Installationsbetrieb ausschließlich Abzugsumsätze ausgeführt hat, kann er nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die ihm in Rechnung gestellte USt i.H.v. 570 € als Vorsteuer abziehen.
Da B mit dem erworbenen Installationsbetrieb ausschließlich Abzugsumsätze ausführen wird, kann er nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die ihm in Rechnung gestellte USt i.H.v. 570 € als Vorsteuer abziehen.
Der Erwerber muss sämtliche umsatzsteuerrechtliche Verpflichtungen des Veräußerers übernehmen, soweit sie dieser noch nicht erfüllt hat (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG). Dies bedeutet z.B., dass der Übernehmer vom Veräußerer sich die den Geschäftsbetrieb betreffenden umsatzsteuerlichen Daten übergeben lassen muss. Bei ihm können damit Berichtigungs- und Nachzahlungspflichten auftreten.
Zur Nachfolgeregelung hat das FG Rheinland-Pfalz mit rechtskräftigem Urteil vom 27.11.2008 (6 K 2159/06, EFG 2009, 295, LEXinform 5007518) entschieden, dass bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG der Erwerber nicht in dem Sinne Rechtsnachfolger des Veräußerers ist, dass er in dessen Steuerschuldverhältnis eintritt und folglich die steuerlichen Verpflichtungen auch für vor dem Übergang liegende Zeiträume erfüllen muss (s.a. Wagner, DStR 2010, 2017).
Mit Beschluss vom 7.12.2021 (XI B 11/21, BFH/NV 2022, 355, LEXinform 4242971) hat der BFH die Rechtsauffassung des FG Rheinland-Pfalz bestätigt. Der Kläger hielt es für klärungsbedürftig, ob »eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zur Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft für die Umsatzsteuer [führt] mit der Folge, dass der Erwerber die vor Erwerb im erworbenen Geschäft begründete Umsatzsteuer schuldet«. Dies hat der BFH unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften verneint. Aus der Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG ergibt sich keine Gesamtrechtsnachfolge. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG ordnet die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge an.
Diese umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge betrifft die im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragenen Gegenstände. Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als »Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile« ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Eine Übertragung bzw. ein Übergang der Steuerschuldnerschaft liegt darin nicht (s.a. Anmerkung vom 2.3.2022, LEXinform 0887980).
Allgemeines zur Ausübung von steuerlichen Wahlrechten s. AEAO vor §§ 172 bis 177 Nr. 8.
Ein steuerliches Wahlrecht liegt vor, wenn ein Steuergesetz für einen bestimmten Tatbestand – ausnahmsweise – mehr als eine Rechtsfolge vorsieht und es dem Steuerpflichtigen überlassen bleibt, sich für eine dieser Rechtsfolgen zu entscheiden. Übt der Steuerpflichtige dieses Wahlrecht nicht oder nicht wirksam aus, tritt die vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehene Rechtsfolge ein.
Die Ausübung des Wahlrechts (Antrag) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Soweit im Gesetz keine besondere Form (z.B. Schriftform oder amtlicher Vordruck) vorgeschrieben ist, kann das Wahlrecht auch durch schlüssiges Verhalten ausgeübt werden.
Soweit das Gesetz im Einzelfall keine bestimmte Frist zur Ausübung des Wahlrechts (Antragsfrist) vorsieht, kann das Wahlrecht grundsätzlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ausgeübt werden. Die Bestandskraft des Steuerbescheids, in dem sich das Wahlrecht auswirkt, schränkt allerdings die Wahlrechtsausübung ein.
Lediglich in § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG für die Option des Kleinunternehmers zur Regelbesteuerung war bis 31.12.2024 die Unanfechtbarkeit als bestimmte Frist für die Wahlrechtsausübung genannt. Durch Art. 23 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Abs. 6 des Wachstumschancengesetzes vom 27.3.2024 (BGBl I 2024, Nr. 108) wird mit Wirkung vom 1.1.2025 § 19 Abs. 2 UStG neu gefasst (s.u.).
Die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung gliedert sich wie folgt:
Da nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG der erwerbende Unternehmer an die Stelle der Veräußerers tritt, ist es fraglich, ob der Erwerber auch an die Wahlrechtsausübung des Veräußerers gebunden ist. Zur Wahlrechtsfortführung s. die Schlussfolgerung unter dem Aufzählungspunkt zu § 24 Abs. 4 UStG in der folgenden Aufzählung.
Das UStG sieht u.a. folgende Wahlrechte vor:
§ 1a Abs. 4 UStG (Abschn. 1a.1 Abs. 2 UStAE): Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle. Der Verzicht bindet den innergemeinschaftlichen Erwerber mindestens für zwei Kalenderjahre (→ Innergemeinschaftlicher Erwerb).
§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG: Verzicht auf die Anwendung der Umsatzgrenze von 10 000 €. Der Verzicht bindet den Lieferer mindestens für zwei Kalenderjahre (→ Ort der Lieferung).
§ 9 Abs. 1 UStG (Abschn. 9.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE): Verzicht auf die Anwendung von bestimmten Steuerbefreiungen. Die Erklärung zur Option nach § 9 UStG sowie die Rücknahme dieser Option sind zulässig, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist (vgl. BFH Urteile vom 19.12.2013, V R 6/12, BStBl II 2017, 837 und V R 7/12, BStBl II 2017, 841).
Soweit die bisherige BFH-Rspr. dahingehend verstanden werden konnte, dass die Rücknahme des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) der Umsatzsteuerfestsetzung des Leistenden zulässig ist, hält der BFH daran nicht fest (Klarstellung der Rspr.). Eine derartig enge Eingrenzung ist grds. nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist, wie bisher bis zum 31.12.2024 in § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG für die Option des Kleinunternehmers zur Regelbesteuerung. In diesem Fall muss bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG) und damit innerhalb der formellen Bestandskraft widerrufen werden. Da § 9 UStG eine derartige Regelung nicht enthält und der Normzweck auch keine solche Einschränkung erfordert, ist der Unternehmer nach der Rechtsprechung des BFH berechtigt, den Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG und dessen Rücknahme solange geltend zu machen, wie die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gem. § 164 AO noch änderbar ist (→ Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG).
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG (Abschn. 15.2c Abs. 4 UStAE): Zuordnung des unternehmensfremd genutzten Teils zum nichtunternehmerischen Bereich. Dadurch wird dieser Teil als separater Gegenstand angesehen. Wird dieser Gegenstand später unternehmerisch genutzt (z.B. durch Umwandlung von Wohnräumen in Büroräume), ist eine Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers nach § 15a UStG nicht zulässig (vgl. Abschnitt 15a.1 Abs. 6). Die Lieferung des zu diesem Zeitpunkt unternehmensfremd genutzten Teils erfolgt nicht im Rahmen des Unternehmens und ist somit nicht steuerbar. Ein Gesamtkaufpreis ist entsprechend aufzuteilen. Weist der Unternehmer für die Lieferung des unternehmensfremd genutzten Teils dennoch in der Rechnung Umsatzsteuer aus, schuldet er diese nach § 14c Abs. 2 UStG (→ Unternehmensvermögen, → Vorsteuerabzug).
§ 19 Abs. 2 UStG (Abschn. 19.2 Abs. 1 bis 6 UStAE): Der Unternehmer kann auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichten. Er unterliegt damit der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes. Die Erklärung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG kann der Unternehmer bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung abgeben.
Vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung kann der Unternehmer die Erklärung mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen. Nimmt der Unternehmer die Erklärung zurück, kann er die Rechnungen, in denen er die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat, nach § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG berichtigen.
Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Fünfjahresfrist ist vom Beginn des ersten Kalenderjahres an zu berechnen, für das die Erklärung gilt (→ Kleinunternehmer).
Durch Art. 23 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Abs. 6 des Wachstumschancengesetzes vom 27.3.2024 (BGBl I 2024, Nr. 108) wird mit Wirkung vom 1.1.2025 § 19 Abs. 2 UStG neu gefasst: »Der Unternehmer kann dem FA bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kj. erklären, dass er auf die Anwendung des Abs. 1 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kj. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn des folgenden Kj. an widerrufen werden.«
Die Gesetzesänderung bewirkt, dass – im Gegensatz zur bisherigen Bindungswirkung der Optionserklärung erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit – die Bindungswirkung mit Erklärungseingang beim FA eintritt. Ein Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit ist nicht mehr möglich.
§ 20 UStG (Abschn. 20.1 UStAE): Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (→ Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens). Nach Abschn. 20.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE kann der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung gestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.2008, XI R 1/08, BStBl II 2009, 1026). Soweit die Finanzverwaltung aus diesem Urteil folgert, dass der Antrag nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig sind folgt der BFH dem nicht (s.o. die BFH-Rechtsprechung unter dem Aufzählungspunkt zu § 9 Abs. 1 UStG).
§ 24 Abs. 4 UStG (Abschn. 24.8 UStAE): Verzicht auf die Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 UStG kann der Unternehmer formlos spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach Durchschnittssätzen des § 24 UStG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des UStG besteuert werden sollen. Hat ein Unternehmer mehrere land- und forstwirtschaftliche Betriebe, kann er die Erklärung nur einheitlich für alle Betriebe vornehmen, unabhängig davon, wie viele Teilbetriebe i.S.d. Ertragsteuerrechts der Unternehmer hat (Abschn. 24.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Zur Verkürzung der zeitlichen Bindung s. § 71 UStDV (Abschn. 24.8 Abs. 3 Satz 3 UStAE). Der Widerruf nach Ablauf der Bindungsfrist ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären (→ Land- und Forstwirtschaft).
Beachte:
Im Falle der Geschäftsveräußerung im Ganzen ist der Erwerber durch die ausdrückliche Regelung in § 24 Abs. 4 Satz 2 UStG an die Entscheidung des Veräußerers, auf die Durchschnittssatzbesteuerung zu verzichten, gebunden.
Eine solche ausdrückliche Regelung zur Bindungswirkung eines Wahlrechts im Zusammenhang mit einer Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG findet sich nur in § 24 Abs. 4 Satz 2 UStG (Abschn. 24.8 Abs. 3 Satz 2 UStAE).
Schlussfolgerung zur Wahlrechtsfortführung:
In analoger Anwendung der BFH-Urteile vom 19.12.2013 (V R 6/12, BStBl II 2017, 837 und V R 7/12, BStBl II 2017, 841), wonach eine derartig enge Eingrenzung grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist (s.o. zum Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 Abs. 1 UStG), ist die Wahlrechtsausübung des Betriebsveräußerers nur im Zusammenhang mit § 24 UStG auch für den Betriebserwerber bindend. In anderen Fällen hat der Betriebserwerber die Möglichkeit, die Wahlrechte neu auszuüben. An die vom Veräußerer in Gang gesetzten Fristen ist der Erwerber dabei nicht gebunden (s.a. Jansen, UR 2017, 409).
§ 25a Abs. 2 UStG (Abschn. 25a.1 Abs. 6 und 7 UStAE): Option zur Anwendung der Differenzbesteuerung für die in § 25a Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG bezeichneten Gegenstände. Der Wiederverkäufer kann spätestens bei Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahres erklären, dass er die Differenzbesteuerung von Beginn dieses Kalenderjahres an auch auf die Gegenstände i.S.d. § 25a Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG anwendet. An die Erklärung ist der Wiederverkäufer für mindestens zwei Kalenderjahre gebunden (→ Differenzbesteuerung).
§ 25a Abs. 8 UStG (Abschn. 25a.1 Abs. 21 UStAE): Verzicht auf die Differenzbesteuerung. Es gelten dabei die Grundsätze des Abschn. 9.1 Abs. 3 und 4 UStAE (s.o.).
§ 25c Abs. 3 UStG (Abschn. 25c.1 Abs. 5 UStAE): Option zur Umsatzsteuerpflicht für die Lieferung von Anlagegold.
§ 18 Abs. 6 UStG; §§ 46 bis 48 UStDV (Abschn. 18.4 UStAE): Antrag auf Dauerfristverlängerung mit der Folge der Entrichtung einer Sondervorauszahlung bei einem Monatszahler (→ Voranmeldung). Die Dauerfristverlängerung gilt solange, bis der Unternehmer seinen Antrag zurücknimmt oder das Finanzamt die Fristverlängerung widerruft.
Wie bereits unter dem vorhergehenden Gliederungspunkt erläutert (Schlussfolgerung zur Wahlrechtsfortführung) ist der Erwerber nicht an die Wahlrechtsausübung des Veräußerers gebunden.
Beispiel 11:
Kleinunternehmer K1 |
Kleinunternehmer K2 |
Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG. |
Keine Option nach § 19 Abs. 2 UStG. |
2. Alternative: |
1. Alternative: |
K1 erwirbt das Unternehmen des K2. |
K2 erwirbt das Unternehmen des K1. |
Lösung 11:
1. Alternative
K2 übernimmt das Unternehmen des K1 im Wege der Geschäftsveräußerung. K2 tritt dabei an die Stelle des Veräußerers K1 (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
K2 überschreitet auch nach dem Erwerb des Unternehmens des K1 voraussichtlich nicht die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG.
Nach dem Erwerb hat K2 ein Unternehmen mit zwei Besteuerungsformen. Wenn K2 an das Wahlrecht des K1 gebunden wäre, müsste er wegen des Unternehmenskaufs in Zukunft seine gesamten Umsätze der Regelbesteuerung unterwerfen, was er aber so nicht wollte.
Da die Norm des § 1 Abs. 1a UStG nicht explizit die Bindungswirkung des Erwerbers regelt, ist K2 nicht an das Wahlrecht gebunden. K2 kann ohne Beachtung der Frist des § 19 Abs. 2 UStG die Option des K1 zur Regelbesteuerung widerrufen.
Dabei gilt es zu beachten, dass K2 die von K1 abgezogene Vorsteuer im Rahmen des § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 UStG anteilig korrigieren muss (s.a. Abschn. 15a.2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 UStAE; → Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG).
K2 könnte aber auch sofort für sein gesamtes Unternehmen zur Regelbesteuerung übergehen. Hier hätte K2 die Möglichkeit, Vorsteuerbeträge nach § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 UStG nachträglich geltend zu machen.
K2 überschreitet nach dem Erwerb des Unternehmens des K1 voraussichtlich die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG.
Bei einer Änderung der Unternehmensverhältnisse während des laufenden Kalenderjahres kann der Unternehmer die Besteuerung für das laufende Kalenderjahr so fortführen, wie sie für den jeweiligen Teil des Unternehmens ohne Berücksichtigung der Gesamtumsatzverhältnisse anzuwenden wäre. M.E. ist Abschn. 19.1 Abs. 3 Satz 6 i.V.m. Abs. 5 UStAE analog anzuwenden.
2. Alternative
K1 übernimmt das Unternehmen des K2 im Wege der Geschäftsveräußerung. K1 tritt dabei an die Stelle des Veräußerers K2 (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
K1 ist an seine Entscheidung, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten, für fünf Jahre gebunden. Daran ändert auch der Hinzuerwerb des Unternehmens des K2 nichts. Nach dem Hinzuerwerb des Unternehmens des K2 muss die Regelbesteuerung auch für diesen Unternehmensteil angewendet werden. Auch hier ist m.E. Abschn. 19.1 Abs. 5 UStAE entsprechend anzuwenden. K1 hat die Möglichkeit die Besteuerung für das laufende Kalenderjahr so fortführen, wie sie für den jeweiligen Teil des Unternehmens ohne Berücksichtigung der Gesamtumsatzverhältnisse anzuwenden wäre. K1 kann aber auch sofort für das ganze Unternehmen einheitlich die Regebesteuerung anwenden.
Der erwerbende Unternehmer tritt nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG an die Stelle des Veräußerers. Dies hat insbes. Bedeutung für die Anwendung der Vorsteuerberichtigungsvorschrift des § 15a UStG.
Die Geschäftsveräußerung löst als solche für sich keine Vorsteuerberichtigung nach § l5a UStG aus. Sie führt dazu, dass der Berichtigungszeitraum beim Erwerber weiterläuft (vgl. Abschn. 15a.2 Abs. 3 UStAE). Entsprechen die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse des Veräußerers denen des Erwerbers, erfolgt beim Erwerber keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG (Abschn. 15a.10 UStAE).
Ändern sich dagegen beim Erwerber innerhalb des restlichen Berichtigungszeitraumes die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, so hat der Erwerber die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG so vorzunehmen, wie der Veräußerer die Berichtigung hätte vornehmen müssen, wenn er das Unternehmen nicht veräußert hätte und bei ihm eine entsprechende Nutzungsänderung eingetreten wäre.
Es kann sich somit eine Vorsteuerberichtigung sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Erwerbers ergeben. Damit der Erwerber die Vorsteuerberichtigung vornehmen kann, hat ihm der Veräußerer gem. § 15a Abs. 10 Satz 2 UStG die hierzu erforderlichen Angaben zu machen.
Hierzu gehören:
die insgesamt für die Anschaffung oder Herstellung angefallene Vorsteuer,
der Beginn der erstmaligen Verwendung des Gegenstandes,
der Prozentsatz der ursprünglichen vorsteuerunschädlichen Nutzung im Kj. der erstmaligen Verwendung,
die zugrunde gelegte Nutzungsdauer.
Nach der Fassung des Gesetzestextes gilt die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung für sämtliche Geschäftsveräußerungen. Also auch für unentgeltliche Geschäftsveräußerungen oder für Geschäftsveräußerungen, bei denen der Erwerber nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Beispiel 12:
S. auch Beispiel 4.
Unternehmer U vermietet seit Jahren das EG eines zweigeschossigen Gebäudes an den Ehegatten für dessen Unternehmen und das OG an B für dessen unternehmerische Zwecke. Für alle Vermietungsumsätze verzichtet U nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG und nahm aus den Baukosten und weiteren Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug vor.
U veräußert das Grundstück an E. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG erfolgte dabei nicht. Lt. Kaufvertrag wird das Mietverhältnis an den Ehegatten im EG nicht übernommen. Der Verkäufer U hat für eine frist- und ordnungsmäßige Kündigung zu sorgen. Das Mietverhältnis im OG wird durch E fortgeführt. Das EG wird nach dem Erwerb für eigene unternehmerische Zwecke des E genutzt.
Lösung 12:
Der Sachverhalt und die Lösung sind dem BFH-Urteil vom 6.7.2016 (XI R 1/15, BStBl II 2016, 909) entnommen.
Zur Begründung der partiellen Geschäftsveräußerung des weiterhin vermieteten OG an B s. die Lösung zu Beispiel 4.
Der BFH stellt weiterhin fest, dass die steuerfreie Veräußerung des Geschäftshauses zu einer Änderung der Verhältnisse geführt hat, falls keine Geschäftsveräußerung vorliegt. Im Streitfall hätten sich dann die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 und 8 UStG geändert; denn U hat ein zuvor ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze verwendetes Grundstück nebst Gebäude nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei an den Erwerber E veräußert.
Allerdings liegt hinsichtlich der an B verpachteten Räume keine Änderung der Verhältnisse vor. Die Lieferung des Gebäudes von U an E ist insoweit nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, sondern als Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar. Bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) wird nach § 15a Abs. 10 UStG der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Dadurch werden Geschäftsveräußerungen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG von einer Berichtigung nach § 15a UStG ausgenommen (s.a. Anmerkung vom 30.9.2016, LEXinform 0880189; Greif, NWB 2/2017, 96).
Beachte:
Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird (BFH Urteil vom 21.5.2015, XI R 40/13, BStBl II 2017, 852, → Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG).
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Meyer-Burow u.a., Geschäftsveräußerung an mehrere Abnehmer derselben Organschaft, UR 2011, 612; Meyer, Immobilien und Geschäftsveräußerung, UStB 2/2015, 42; Meyer-Burow u.a., Die vorsorgliche Option bei angenommener Geschäftsveräußerung im Ganzen, UStB 12/2013, 362; Nosky, Gestaltungsspielräume im Zusammenhang mit einer Geschäftsveräußerung im Ganzen, UR 16/2013, 605, Zugmaier, Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen für die Geschäftsveräußerung, Steuer & Studium 7/2013, 385; Grebe u.a., Augen auf beim Grundstücks(ver-)kauf, Teil I, UStB 9/2015, 265, Teil II, UStB 10/2015, 325; Greif, Geschäftsveräußerung bei nur teilweiser Fortführung der Verpachtung, NWB 2/2017, 96; Hundt-Eßwein, Das Rechtsinstitut der Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG, Teil I, UStB 3/2017, 84, Teil II, UStB 4/2017, 123; Jansen, Umsatzsteuerrechtliche Rechtsnachfolge bei der Geschäftsveräußerung, UR 2017, 409; Slapio u.a., Ausgewählte umsatzsteuerrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Geschäftsveräußerung im Ganzen, UR 18/2018, 703; Bihler, Immobilienumsätze im Umsatzsteuerrecht – Die Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG, NWB 47/2019, 3418; L’habitant, Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) im Zusammenhang mit einer umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), UStB 11/2019, 335; Bihler, Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungstätigkeit – Auswirkungen des BMF-Schreibens vom 16.11.2020, NWB 9/2021, 626; Müller, Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungstätigkeit – Zugleich eine Einordnung des BMF-Schreibens vom 16.11.2020, UR 2021, 7; Nürnberg, Nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG – 10 prüfungs- und praxisrelevante Fälle, SteuerStud 5/2020, 317.
→ Realteilung gem. § 16 Abs. 3 EStG
→ Wesentliche Betriebsgrundlage
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