Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Übersicht der geänderten Gesetze
3 Wichtige Änderungen der Abgabenordnung
3.1 Untersuchungsgrundsatz – § 88 AO n.F.
3.1.1 Amtsermittlungsgrundsatz – § 88 Abs. 1 AO n.F.
3.1.2 Art und Umfang der Ermittlungen – § 88 Abs. 2 AO n.F.
3.1.3 Weisungen der obersten Finanzbehörden zur Ermittlungspflicht – § 88 Abs. 3 AO n.F.
3.1.4 Weiterleitung bestimmter Daten – § 88 Abs. 4 AO n.F.
3.1.5 Risikomanagementsysteme – § 88 Abs. 5 AO n.F.
3.2 Länderübergreifender Abruf und Verwendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Steuerverkürzungen – § 88b AO n.F.
3.3 Entscheidungsfrist für die Finanzbehörde bei der verbindlichen Auskunft – § 89 Abs. 2 Satz 4 AO n.F.
3.4 Vereinfachungen bei der Steuererklärung (§ 150 Abs. 7 AO n.F.) und Korrektur des Steuerbescheids (§ 175b AO n.F.) bei Datenübermittlung durch Dritte (§ 93c AO n.F.)
3.4.1 Verzicht auf Angaben in der Steuererklärung bei Datenübermittlung
3.4.2 Korrektur des Steuerbescheids bei falsch übermittelten Daten – § 175b AO n.F.
3.4.3 Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10a AO n.F. bei Datenübermittlung durch Dritte i.S.d. § 93c AO n.F.
3.4.4 Außenprüfung gem. § 203a AO bei Datenübermittlung durch Dritte i.S.d. § 93c AO n.F.
3.4.5 Inkrafttreten
3.5 Neuregelung der Steuererklärungsfristen nach § 149 AO
3.5.1 Steuerpflichtige ohne Steuerberater – § 149 Abs. 2 AO n.F.
3.5.2 Steuerpflichtige mit Steuerberater – § 149 Abs. 3 AO n.F.
3.5.3 Vorabanforderung durch die Finanzverwaltung – § 149 Abs. 4 AO n.F.
3.5.4 Inkrafttreten
3.6 Neuregelung des Verspätungszuschlags nach § 152 AO
3.6.1 Verspätungszuschlag als Ermessensentscheidung – § 152 Abs. 1 AO n.F.
3.6.2 Verspätungszuschlag als Muss-Regelung – § 152 Abs. 2 AO n.F.
3.6.3 Berechnung des Verspätungszuschlags – § 152 Abs. 4 AO n.F.
3.6.4 Korrektur des Verspätungszuschlags – § 152 Abs. 12 AO n.F.
3.6.5 Inkrafttreten
3.7 Vollautomatische Bescheiderstellung – § 155 Abs. 4 AO n.F.
3.8 Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten i.S.d. § 157 Abs. 1 AO n.F. mittels Datenabruf gem. § 122a AO n.F.
3.9 Absehen von der Steuerfestsetzung gem. § 156 AO n.F.
3.10 Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO n.F.
3.11 Wahrung der Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 AO n.F.
3.12 Ablaufhemmung bei Grundlagenbescheiden i.S.d. § 171 Abs. 10 AO n.F.
3.13 Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10a AO n.F. bei Datenübermittlung von Dritten i.S.d. § 93c AO n.F.
3.14 Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern des Steuerpflichtigen gem. § 173a AO n.F.
3.14.1 Mechanische Fehler des Steuerpflichtigen
3.14.2 Mechanische Fehler der Finanzbehörde
3.14.3 Feststellungslast bei mechanischen Fehlern i.S.d. § 129 AO und § 173a AO n.F.
3.14.4 Rechtserheblichkeit i.S.d. § 173a AO n.F.
3.14.5 Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 2 AO n.F. bei Fehlern i.S.d. § 129 AO und § 173a AO n.F.
3.14.6 Kommentierung der Neuregelung durch das BMF im Anwendungserlass zur AO
3.14.7 Inkrafttreten
3.15 Bevollmächtigte und Beistände – § 80 AO n.F.
3.15.1 Vollmachtsvermutung gem. § 80 Abs. 2 AO n.F.
3.15.2 Elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an Landesfinanzbehörden – § 80a AO n.F.
3.16 Festsetzung von Zinsen gem. § 239 AO n.F.
3.16.1 Gesonderte Feststellung von Zinsen bei gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen
3.16.2 Vorbehalt der Nachprüfung bei festgesetzten Zinsen wegen Steueranmeldung
3.17 Niederschlagung gem. § 261 AO n.F.
3.18 Weitere Änderungen der AO in Kurzform
3.18.1 Unterstützung des örtlich zuständigen Finanzamts auf Anweisung der vorgesetzten Finanzbehörde gem. § 29a AO
3.18.2 Zweckbetriebe gem. § 68 AO
3.18.3 Elektronische Kommunikation gem. § 87a bis § 87d AO
3.18.4 Länderbezogener Bericht multinationaler Unternehmensgruppen gem. § 138a AO
4 Änderungen des EStG
4.1 Berechnung der Herstellungskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.F.
4.2 Belegvorhaltepflicht statt Belegvorlagepflicht
4.2.1 Anrechnung der durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG n.F.
4.2.2 Zuwendungsbestätigung gem. § 50 EStDV n.F. für Zuwendungen i.S.d. § 10b EStG und § 34g EStG
4.2.3 Nachweis des Behinderten-Pauschbetrags gem. § 65 Abs. 3 und Abs. 3a EStDV n.F.
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1679) schafft in vielen Bereichen einen neuen Organisationsrahmen für die Zusammenarbeit von Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen. Die Änderungen betreffen insbes. folgende Bereiche:

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  • elektronische Übermittlung von Steuerdaten und deren automationsgestützte Verarbeitung,

  • geänderte Abgabefristen für Steuererklärungen,

  • umfangreiche Neuregelung des Verspätungszuschlags,

  • neue Korrekturvorschriften.

2. Übersicht der geänderten Gesetze

Die Artikel des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens betreffen folgende Inhalte:

  • Artikel 1: Änderung der Abgabenordnung,

  • Artikel 2: Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung,

  • Artikel 3: Änderung der Kleinbetragsverordnung,

  • Artikel 4: Änderung des Einkommensteuergesetzes,

  • Artikel 5: Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung,

  • Artikel 6: Änderung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung,

  • Artikel 7: Änderung der Altersvorsorge-Durchführungsverordnung,

  • Artikel 8: Änderung des Fünften Vermögensbildungsgesetzes,

  • Artikel 9: Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes,

  • Artikel 10: Änderung des REIT-Gesetzes,

  • Artikel 11: Änderung des Investmentsteuergesetzes,

  • Artikel 12: Änderung des Umsatzsteuergesetzes,

  • Artikel 13: Änderung des Steuerberatungsgesetzes,

  • Artikel 14: Änderung der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften,

  • Artikel 15: Änderung der Finanzgerichtsordnung,

  • Artikel 16: Änderung des Strafgesetzbuchs,

  • Artikel 17: Änderung der Zweiten Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung,

  • Artikel 18: Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes,

  • Artikel 19: Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch,

  • Artikel 20: Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes,

  • Artikel 21: Folgeänderungen,

  • Artikel 22: Bekanntmachungserlaubnis,

  • Artikel 23: Inkrafttreten, Außerkrafttreten.

3. Wichtige Änderungen der Abgabenordnung

3.1. Untersuchungsgrundsatz – § 88 AO n.F.

§ 88 AO wurde in großem Umfang umformuliert und um die neuen Absätze 4 und 5 erweitert.

3.1.1. Amtsermittlungsgrundsatz – § 88 Abs. 1 AO n.F.

Nach § 88 Abs. 1 AO n.F. ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

3.1.2. Art und Umfang der Ermittlungen – § 88 Abs. 2 AO n.F.

Nach § 88 Abs. 2 AO n.F. bestimmt die Finanzbehörde Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden (vgl. AEAO zu § 88 Nr. 3 AO). Um den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit zu genügen, muss daher auch weiterhin eine hinreichende Anzahl zufällig ausgewählter Fälle durch Amtsträger der Finanzbehörden vertieft geprüft werden. Zudem müssen Amtsträger der Finanzbehörden bei hinreichendem Anlass auch ungeachtet der Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit eine umfassende Prüfung des Einzelfalls vornehmen können. Ein Entdeckungsrisiko für falsche Erklärungen des Steuerpflichtigen muss bestehen bleiben.

Das BMF führt im AEAO Nr. 2 und 3 zu § 88 AO (BMF Schreiben vom 12.1.2017, IV A 3 – S 0662/16/10005) hierzu aus, dass die Ermittlungshandlungen nach § 88 Abs. 2 Satz 1 AO zu dem angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis stehen dürfen. Sie sollen so gewählt werden, dass damit unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls ein möglichst geringer Eingriff in die Rechtssphäre des Beteiligten oder Dritter verbunden ist. Der Gewährung rechtlichen Gehörs kommt besondere Bedeutung zu. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können nach § 88 Abs. 2 Satz 2 AO allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Für die Anforderungen, die an die Aufklärungspflicht der Finanzbehörden zu stellen sind, darf die Erwägung eine Rolle spielen, dass die Aufklärung einen nicht mehr vertretbaren Zeitaufwand erfordert. Zudem kann auf das Verhältnis zwischen voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg abgestellt werden. Die Finanzämter dürfen auch berücksichtigen, in welchem Maße sie durch ein zu erwartendes finanzgerichtliches Verfahren belastet werden, sofern sie bei vorhandenen tatsächlichen oder rechtlichen Zweifeln dem Begehren des Steuerpflichtigen nicht entsprechen und zu seinem Nachteil entscheiden.

3.1.3. Weisungen der obersten Finanzbehörden zur Ermittlungspflicht – § 88 Abs. 3 AO n.F.

Nach § 88 Abs. 3 AO n.F. können zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erhaltenen Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

3.1.4. Weiterleitung bestimmter Daten – § 88 Abs. 4 AO n.F.

Mit dem § 88 Abs. 4 AO n.F. wird die Weiterleitung bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden durch die zentrale Stelle i.S.d. § 81 EStG (Deutsche Rentenversicherung Bund) geregelt.

3.1.5. Risikomanagementsysteme – § 88 Abs. 5 AO n.F.

Der neue § 88 Abs. 5 AO regelt, dass die Finanzbehörden zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme (Risikomanagementsysteme) einsetzen können. Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden.

Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

  1. die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,

  2. die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,

  3. die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,

  4. die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.

Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte.

Die Änderungen treten am 1. 1. 2017 in Kraft.

3.2. Länderübergreifender Abruf und Verwendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Steuerverkürzungen – § 88b AO n.F.

Der neue § 88b Abs. 1 AO regelt, dass für Zwecke eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen, eines Strafverfahrens wegen einer Steuerstraftat oder eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit von Finanzbehörden gespeicherte Daten zum gegenseitigen Datenabruf bereitgestellt werden dürfen.

Diese können dann von den zuständigen Finanzbehörden zur Verhütung, Ermittlung oder Verfolgung von

  1. länderübergreifenden Steuerverkürzungen,

  2. Steuerverkürzungen von internationaler Bedeutung oder

  3. Steuerverkürzungen von erheblicher Bedeutung

untereinander abgerufen, im Wege des automatisierten Datenabgleichs überprüft, verwendet und gespeichert werden, auch soweit sie durch § 30 geschützt sind.

Die Auswertungsergebnisse nach Absatz 1 sind gem. § 88b Abs. 2 AO den jeweils betroffenen zuständigen Finanzbehörden elektronisch zur Verfügung zu stellen.

3.3. Entscheidungsfrist für die Finanzbehörde bei der verbindlichen Auskunft – § 89 Abs. 2 Satz 4 AO n.F.

Gem. § 89 Abs. 2 Satz 4 AO n.F. soll über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden. Kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Weitere negative Folgen ergeben sich hieraus für die Finanzbehörde nicht. Insbes. ist durch den Fristablauf die verbindliche Auskunft im beantragten Umfang nicht erteilt (vgl. AEAO zu § 89 Nr. 3.5.9 AO).

Gem. § 89 Abs. 2 Satz 6 AO n.F. kann in der Rechtsverordnung auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Bezieht sich die verbindliche Auskunft auf einen Sachverhalt, der mehreren Personen steuerlich zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO), kann die Auskunft nur von allen Beteiligten gemeinsam beantragt werden. Die Beteiligten sollen einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen, der ermächtigt ist, für sie alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang zu nehmen (§ 1 Abs. 2 StAuskV in der Fassung vom 18.7.2016).

Hierfür wird in § 89 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. geregelt, dass bei einer einheitlichen verbindlichen Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern nur eine Gebühr zu erheben ist. In diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr.

Die geänderten Vorschriften sind am 1.1.2017 in Kraft getreten. Die Regelung des § 89 Abs. 2 Satz 4 AO gilt nach Art. 97 § 25 Abs. 2 Satz 1 EGAO erstmals für nach dem 31.12.2016 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangene Anträge auf verbindliche Auskunft. § 89 Abs. 3 Satz 2 AO ist erstmals für am Tag nach der Verkündung bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangene Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft anzuwenden.

3.4. Vereinfachungen bei der Steuererklärung (§ 150 Abs. 7 AO n.F.) und Korrektur des Steuerbescheids (§ 175b AO n.F.) bei Datenübermittlung durch Dritte (§ 93c AO n.F.)

3.4.1. Verzicht auf Angaben in der Steuererklärung bei Datenübermittlung

Viele Daten der Steuerpflichtigen (z.B. Lohn und einbehaltene Lohnsteuer, Lohnersatzleistungen, Rentenleistungen, Renten- und Krankenversicherungsbeiträge, Feststellung über den Grad der Behinderung, Spendenbescheinigungen) werden schon heute elektronisch von den zuständigen Stellen an die Finanzverwaltung übermittelt und dann bei Bearbeitung der Steuererklärung mit den Angaben des Steuerpflichtigen abgeglichen.

§ 93c AO n.F. ergänzt die bisher schon geltenden Bestimmungen in den Einzelsteuergesetzen zur Datenübermittlung durch Dritte (mitteilungspflichtige Stellen) an Finanzbehörden. Dadurch möchte der Gesetzgeber eine Vereinheitlichung der Datenübermittlungspflichten erreichen (z.B. Form, Rechte und Pflichten, Fristen) und eine Entlastung der Einzelsteuergesetze von sich wiederholenden Regelungen bewirken. Neue Übermittlungspflichten sind damit nicht verbunden.

Geregelt werden die Übermittlungsfrist (§ 93c Abs. 1 Nr. 1 AO: Die Daten müssen bis zum letzten Tag des Monats Februar des folgenden Jahres übermittelt werden) und die erforderlichen Angaben (§ 93c Abs. 1 Nr. 2 AO). Zur Haftung der mitteilungspflichtigen Stelle bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung vgl. § 72a Abs. 4 AO. Zur Außenprüfung bei der mitteilungspflichtigen Stelle vgl. § 203a AO.

Nach § 93c Abs. 1 Nr. 3 AO n.F. hat die mitteilungspflichtige Stelle den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, welche für seine Besteuerung relevanten Daten sie an die Finanzbehörden übermittelt hat oder übermitteln wird.

Nach der Neufassung des § 150 Abs. 7 AO wird es dem Steuerpflichtigen ohne Verletzung der Mitwirkungspflichten künftig ermöglicht, in der Steuererklärung auf die Angabe derartiger Daten zu verzichten, wenn er die an die Finanzverwaltung übermittelten Daten für vollständig und richtig hält. Diese Daten gelten in diesem Fall als eigene Angaben des Steuerpflichtigen. Für den Stpfl. soll es aber die Möglichkeit geben, mittels sog. »qualifizierter Freitextfelder« eine Bearbeitung durch einen Amtsträger zu veranlassen. Die Steuererklärung wird in diesem Fall aus dem automatischen Verfahren ausgesteuert und durch einen Finanzbeamten geprüft. Dadurch kann der Stpfl. in seiner Steuererklärung z.B. Prüfbitten, weitergehende Angaben zu seiner Steuererklärung oder zu einer abweichenden Rechtsauffassung machen.

Die Datenübermittlungen Dritter werden dadurch aber nicht zu Grundlagenbescheiden, denen nach § 182 AO Bindungswirkung zukommt. Eine Korrektur über § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO ist dadurch ausgeschlossen.

3.4.2. Korrektur des Steuerbescheids bei falsch übermittelten Daten – § 175b AO n.F.

Stellt die mitteilungspflichtige Stelle bis zum Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt folgenden Kalenderjahres fest, dass die nach Maßgabe des § 93c Abs. 1 AO übermittelten Daten unzutreffend waren oder ein Datensatz übermittelt wurde, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, so hat die mitteilungspflichtige Stelle gem. § 93c Abs. 3 AO n.F. dies vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Steuergesetzen unverzüglich durch Übermittlung eines weiteren Datensatzes zu korrigieren oder zu stornieren.

Gem. § 175b Abs. 1 AO n.F. ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten i.S.d. § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.

Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO n.F. als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid gem. § 175b Abs. 2 AO n.F. aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind. Dies gilt auch dann, wenn der Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt wird.

Das BMF führt im AEAO Nr. 1 zu § 175b AO (BMF Schreiben vom 12.1.2017, IV A 3 – S 0662/16/10005) hierzu aus, dass es in den Fällen des § 175b AO nicht auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten seitens des Steuerpflichtigen oder der Ermittlungspflichten durch die Finanzbehörde ankommt (anders als in den Fällen des § 173 AO).

Unerheblich ist auch, ob dem Steuerpflichtigen bei Erstellung der Steuererklärung ein Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 173a AO oder der Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheids ein mechanisches Versehen i.S.d. § 129 AO, ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung oder ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen ist.

Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175b AO kann sich je nach Sachlage zu Gunsten wie auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirken.

3.4.3. Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10a AO n.F. bei Datenübermittlung durch Dritte i.S.d. § 93c AO n.F.

Gem. § 171 Abs. 10a AO n.F. (Ablaufhemmung) endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang der nach § 93c Abs. 3 AO n.F. korrigierten Daten, soweit Daten eines Steuerpflichtigen i.S.d. § 93c AO innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind.

3.4.4. Außenprüfung gem. § 203a AO bei Datenübermittlung durch Dritte i.S.d. § 93c AO n.F.

Bei einer mitteilungspflichtigen Stelle i.S.d. § 93c Abs. 1 AO n.F. ist eine Außenprüfung zulässig, um zu ermitteln, ob die mitteilungspflichtige Stelle

  1. ihre Verpflichtung nach § 93c Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, Abs. 2 und 3 AO n.F. erfüllt und

  2. den Inhalt des Datensatzes nach den Vorgaben des jeweiligen Steuergesetzes bestimmt hat.

Die Außenprüfung wird von der für Ermittlungen nach § 93c Abs. 4 Satz 1 AO n.F. zuständigen Finanzbehörde durchgeführt.

3.4.5. Inkrafttreten

Nach Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO sind die Vorschriften des § 93c AO n.F. erstmals anzuwenden, wenn steuerliche Daten eines Stpfl. für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten als mitteilungspflichtiger Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind.

Nach Art. 97 § 10a Abs. 4 EGAO ist § 150 Abs. 7 AO n.F. in der am 1.1.2017 geltenden Fassung erstmals anzuwenden für Besteuerungszeiträume, die nach 2016 beginnen und Besteuerungszeitpunkte, die nach dem 31.12.2016 liegen. § 8 Abs. 4 Satz 4 EGAO gilt entsprechend.

Die Änderungen zu § 175b AO n.F. und § 203a AO n.F. sind am 1.1.2017 in Kraft getreten und sind nach Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO erstmals anzuwenden, wenn steuerliche Daten eines Stpfl. für Besteuerungszeiträume oder Besteuerungszeitpunkte nach 2016 aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einer mitteilungspflichtigen Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind.

3.5. Neuregelung der Steuererklärungsfristen nach § 149 AO

3.5.1. Steuerpflichtige ohne Steuerberater – § 149 Abs. 2 AO n.F.

Die Steuererklärungsfrist nicht beratener Steuerpflichtiger wird nach § 149 Abs. 2 AO n.F. um zwei Monate verlängert bis zum 31.7. des Folgejahres (statt bisher 31.5.; s. → Abgabefristen von Steuererklärungen).

3.5.2. Steuerpflichtige mit Steuerberater – § 149 Abs. 3 AO n.F.

In Beraterfällen wird die Steuererklärungsfrist gem. § 149 Abs. 3 AO n.F. um zwei Monate verlängert bis zum 28.2. des Zweitfolgejahres (statt bisher 31.12. des Folgejahres). Dies gilt gem. § 149 Abs. 5 AO n.F. nicht für Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor oder mit dem Ablauf des Besteuerungszeitraums endete.

3.5.3. Vorabanforderung durch die Finanzverwaltung – § 149 Abs. 4 AO n.F.

Gem. § 149 Abs. 4 AO n.F. besteht die Möglichkeit einer anlassbezogenen oder zufallsbasierten Vorabanforderung von Steuererklärungen mit einer Erklärungsfrist von vier Monaten.

Eine anlassbezogene Vorabanforderung ist erlaubt, wenn

  1. für den betroffenen Steuerpflichtigen

    1. für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum Erklärungen nicht oder verspätet abgegeben wurden,

    2. für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum innerhalb von drei Monaten vor Abgabe der Steuererklärung oder innerhalb von drei Monaten vor dem Beginn des Zinslaufs i.S.d. § 233a Abs. 2 Satz 1 AO nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden,

    3. Vorauszahlungen für den Besteuerungszeitraum außerhalb einer Veranlagung herabgesetzt wurden,

    4. die Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zu einer Abschlusszahlung von mindestens 25 % der festgesetzten Steuer oder mehr als 10 000 € geführt hat,

    5. die Steuerfestsetzung auf Grund einer Steuererklärung i.S.d. § 149 Abs. 3 Nummer 1, 2 oder 4 AO voraussichtlich zu einer Abschlusszahlung von mehr als 10 000 Euro führen wird oder

    6. eine Außenprüfung vorgesehen ist;

  2. der betroffene Steuerpflichtige im Besteuerungszeitraum einen Betrieb eröffnet oder eingestellt hat oder

  3. für Beteiligte an Gesellschaften oder Gemeinschaften Verluste festzustellen sind.

Die Vorabanforderung durch die Finanzverwaltung ist ein Verwaltungsakt, der wie bisher mit dem Einspruch angefochten werden kann. Auch ein Antrag auf Fristverlängerung ist möglich.

3.5.4. Inkrafttreten

Die umfassenden Neuregelungen für die Steuererklärungsfrist sind erst ab VZ 2018 anzuwenden (Art. 97 § 10a Abs. 4 EGAO).

3.6. Neuregelung des Verspätungszuschlags nach § 152 AO

Der Verspätungszuschlag nach § 152 AO n.F. wird in 13 Absätzen (bisher 4 Absätze) umfangreich neu geregelt.

3.6.1. Verspätungszuschlag als Ermessensentscheidung – § 152 Abs. 1 AO n.F.

Im Regelfall wird die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gem. § 152 Abs. 1 AO n.F. auch künftig im Ermessen der Finanzbehörde stehen, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt.

3.6.2. Verspätungszuschlag als Muss-Regelung – § 152 Abs. 2 AO n.F.

Abweichend von Absatz 1 ist gem. § 152 Abs. 2 AO n.F. ein Verspätungszuschlag zwingend festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht,

  1. nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt,

  2. in den Fällen des § 149 Abs. 2 Satz 2 AO nicht binnen 19 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 19 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt oder

  3. in den Fällen des § 149 Abs. 4 AO nicht bis zu dem in der Anordnung bestimmten Zeitpunkt abgegeben wurde.

Ausgenommen hiervon sind gem. § 152 Abs. 3 AO n.F. aber Steuerfestsetzungen über 0 € und Erstattungsfälle. Hier steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags auch künftig im Ermessen der Finanzbehörde. Auch wenn die Finanzbehörde die Frist für die Abgabe der Steuererklärung nach § 109 AO verlängert hat, ist von der zwingenden Festsetzung eines Verspätungszuschlags abzusehen.

3.6.3. Berechnung des Verspätungszuschlags – § 152 Abs. 4 AO n.F.

Die Berechnungsmodalitäten werden nun gesetzlich vorgegeben. Der Verspätungszuschlag beträgt grundsätzlich für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 10 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt er für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.

Wurde ein Erklärungspflichtiger von der Finanzbehörde erstmals nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer dort bezeichneten Frist aufgefordert und konnte er bis zum Zugang dieser Aufforderung davon ausgehen, keine Steuererklärung abgeben zu müssen, so ist der Verspätungszuschlag nur für die Monate zu berechnen, die nach dem Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist begonnen haben.

Bei Nichtabgabe der Steuererklärung ist der Verspätungszuschlag gem. § 152 Abs. 9 AO n.F. für einen Zeitraum bis zum Ablauf desjenigen Tages zu berechnen, an dem die erstmalige Festsetzung der Steuer wirksam wird. Gleiches gilt für die Nichtabgabe der Erklärung zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, der Zerlegungserklärung oder der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

Nach § 152 Abs. 10 AO n.F. ist der Verspätungszuschlag auf volle Euro abzurunden und darf höchstens 25 000 € betragen.

3.6.4. Korrektur des Verspätungszuschlags – § 152 Abs. 12 AO n.F.

Mit der Neuregelung des § 152 AO wird eine eigene Korrekturvorschrift eingeführt.

Wird ein Steuer-, Feststellungs-, Messbetragsbescheid oder eine Anrechnungsverfügung geändert, zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 AO berichtigt, so ist ein festgesetzter Verspätungszuschlag entsprechend zu ermäßigen oder zu erhöhen, soweit nicht auch nach der Änderung oder Berichtigung die Mindestbeträge anzusetzen sind.

Ein Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG oder ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 2 AO sind hierbei nicht zu berücksichtigen.

3.6.5. Inkrafttreten

Die geänderten Vorschriften sind am 1.1.2017 in Kraft getreten und sind erstmals auf Steuererklärungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 einzureichen sind. Das BMF kann einen hiervon abweichenden erstmaligen Anwendungszeitpunkt bestimmen, wenn bis zum 30.6.2018 erkennbar ist, dass die technischen oder organisatorischen Voraussetzungen für eine Anwendung des § 152 AO noch nicht erfüllt sind (Art. 97 § 8 EGAO). Das BMF führt im AEAO Nr. 1 zu § 152 AO (BMF Schreiben vom 12.1.2017, IV A 3 – S 0662/16/10005) hierzu aus, dass § 152 AO i.d.F. des StModernG zwar am 1.1.2017 in Kraft getreten ist, aber erstmals für Steuererklärungen anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2018 abzugeben sind; eine Verlängerung der Steuererklärungsfrist ist hierbei nicht zu berücksichtigen (Art. 97 § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 EGAO).

3.7. Vollautomatische Bescheiderstellung – § 155 Abs. 4 AO n.F.

Die Finanzbehörden können Steuerbescheide sowie Anrechnungsverfügungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten.

Das gilt auch für verbundene Verwaltungsakte und Nebenbestimmungen nach § 120 AO.

Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbes. vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben i.S.d. § 150 Abs. 7 AO n.F. (Datenübermittlung durch Dritte gem. § 93c AO n.F.) gemacht hat.

Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

Diese Änderungen treten am 1.1.2017 in Kraft.

3.8. Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten i.S.d. § 157 Abs. 1 AO n.F. mittels Datenabruf gem. § 122a AO n.F.

§ 157 Abs. 1 AO n.F. ermöglicht neben der schriftlichen auch die elektronische Erteilung von Steuerbescheiden.

§ 122a AO n.F. regelt die Bekanntgabe elektronischer Verwaltungsakte mittels Datenabruf. Hierzu ist die Einwilligung des Beteiligten oder der von ihm bevollmächtigten Person (z. B. Steuerberater) erforderlich. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Der Widerruf ist gegenüber der Finanzbehörde erst wirksam, wenn er ihr zugeht.

Nach § 122a Abs. 4 AO n.F. gilt ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Finanzbehörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Datenabruf durchgeführt hat. Daher wird aus Nachweisgründen der Abruf protokolliert. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben.

Die Änderungen sind am 1.1.2017 in Kraft getreten und sind nach Art. 97 § 28 EGAO erstmals auf Verwaltungsakte anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 erlassen werden. § 8 Abs. 4 Satz 4 EGAO gilt entsprechend.

3.9. Absehen von der Steuerfestsetzung gem. § 156 AO n.F.

Das Bundesministerium der Finanzen kann gem. § 156 Abs. 1 AO n.F. zur Vereinfachung der Verwaltung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass eine Steuer nicht festgesetzt wird, wenn der eigentlich festzusetzende Betrag 25 € nicht übersteigt. Das Gleiche gilt für die Änderung einer Steuerfestsetzung, wenn der Betrag, der sich als Differenz zwischen der geänderten und der bisherigen Steuerfestsetzung ergeben würde, 25 € nicht übersteigt.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Kleinbetragsverordnung n.F. unterbleibt die Steuerfestsetzung, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung bei einer Änderung oder Berichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen mindestens 10 € oder bei einer Änderung oder Berichtigung zuungunsten des Steuerpflichtigen mindestens 25 € beträgt.

Gem. § 156 Abs. 2 AO n.F. kann die Festsetzung einer Steuer und einer steuerlichen Nebenleistung sowie deren Änderung auch über einen Betrag von 25 € hinausgehend unterbleiben, wenn zu erwarten ist, dass

  1. die Erhebung keinen Erfolg haben wird (Prognoseentscheidung) oder

  2. die Kosten der Festsetzung und die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem Betrag (Steuernachforderung) stehen werden.

Hierfür können gem. § 156 Abs. 2 Satz 2 AO n.F. die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen bundeseinheitliche Weisungen zur Anwendung erteilen. Diese Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte.

Die Änderungen sind am 1.1.2017 in Kraft getreten und sind nach Art. 97 § 9a Abs. 3 EGAO erstmals auf Steuern anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 entstehen.

3.10. Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO n.F.

Gem. § 163 Abs. 1 AO n.F. können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Das BMF führt im AEAO Nr. 3 zu § 163 AO (BMF Schreiben vom 12.1.2017, IV A 3 – S 0662/16/10005) aus, dass die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 AO auch dann einen selbstständigen Verwaltungsakt darstellt, wenn sie mit der Steuerfestsetzung oder der entsprechenden gesonderten Feststellung verbunden wird (§ 163 Abs. 2 AO n.F.). Sie ist Grundlagenbescheid für den entsprechenden Steuer- oder Feststellungsbescheid (§ 171 Abs. 10 AO). Wird eine Billigkeitsmaßnahme erst nach Erlass des hiervon betroffenen Steuer- oder Feststellungsbescheids getroffen, muss dieser Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend angepasst werden.

Aufgrund einer Entscheidung des BFH vom 12. 7. 2012 (I R 32/11, BStBl II 2015, 175) hat der Gesetzgeber durch § 163 Abs. 3 AO n.F. für die Zukunft geregelt, dass Entscheidungen über Billigkeitsmaßnahmen, die mit der Steuerfestsetzung verbunden wurden, in folgenden Fällen kraft Gesetzes unter Widerrufsvorbehalt stehen, wenn sie

  1. von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist (hier entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist),

  2. mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO verbunden ist (hier entfällt der Widerrufsvorbehalt mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist)

    oder

  3. mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 AO verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist (hier entfällt der Widerrufsvorbehalt mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung).

Nach Art. 97 § 29 EGAO ist die geänderte Fassung des § 163 AO für nach dem 31.12.2016 getroffene Billigkeitsmaßnahmen auch dann anzuwenden, wenn sie Besteuerungszeiträume oder Besteuerungszeitpunkte betrifft, die vor dem 1.1.2017 abgelaufen oder eingetreten sind.

3.11. Wahrung der Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 AO n.F.

Die Festsetzungsfrist ist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO n.F. gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a AO die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat.

Das BMF führt im AEAO Nr. 1 zu § 169 AO (BMF Schreiben vom 12.1.2017, IV A 3 – S 0662/16/10005) aus, dass die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nur gewahrt ist, wenn der vor Ablauf der Frist zur Post gegebene Steuerbescheid (Papierform) dem Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugeht (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.11.2002, GrS 2/01, BStBl II 2003, 548). Im Fall der Bekanntgabe nach § 122a AO (elektronische Form) ist die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO gewahrt, wenn die vor Ablauf der Festsetzungsfrist versandte elektronische Benachrichtigung tatsächlich zugegangen ist oder die elektronische Benachrichtigung vor Ablauf der Festsetzungsfrist versandt worden ist, der Adressat den Zugang der Benachrichtigung bestreitet, er den Verwaltungsakt aber tatsächlich abgerufen hat. Der Zeitpunkt des Abrufs des Verwaltungsakts ist dabei unerheblich.

Die Änderungen sind am 1.1.2017 in Kraft getreten. Die Änderung des § 169 Abs. 1 AO ist nach Art. 97 § 28 EGAO erstmals auf Verwaltungsakte anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 erlassen werden.

3.12. Ablaufhemmung bei Grundlagenbescheiden i.S.d. § 171 Abs. 10 AO n.F.

Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde i.S.d. § 6 Abs. 2 AO ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist (ressortfremde Behörden), nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Hierunter fallen neben Grundlagenbescheiden ressortfremder Behörden (z.B. Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG) auch Bescheide über Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO, weil auch insoweit die Regelungen der §§ 179 ff. AO nicht gelten. Die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid läuft in diesen Fällen nicht ab, solange über den Antrag auf Erlass des Grundlagenbescheids noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist (AEAO Nr. 6.5 zu § 171 AO in der Fassung vom 12.1.2017, BMF IV A 3 – S 0662/16/10005).

Die Änderungen sind am 1.1.2017 in Kraft getreten. Die Änderungen des § 171 Abs. 10 Satz 1–3 AO gelten für alle am 31.12.2016 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 14 EGAO).

3.13. Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10a AO n.F. bei Datenübermittlung von Dritten i.S.d. § 93c AO n.F.

Durch den neu eingefügten § 171 Abs. 10a AO n.F. (Ablaufhemmung) endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang der nach § 93c Abs. 3 AO n.F. korrigierten Daten, soweit Daten eines Steuerpflichtigen i.S.d. § 93c AO innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind. Keine Anwendung findet diese Ablaufhemmung demnach, wenn die Daten erst nach Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Jahres der Finanzbehörde zugegangen sind. § 171 Abs. 10a AO ist erstmals anzuwenden, wenn steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten als mitteilungspflichtiger Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind (Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO).

3.14. Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern des Steuerpflichtigen gem. § 173a AO n.F.

3.14.1. Mechanische Fehler des Steuerpflichtigen

Gem. § 173a AO n.F. sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten (z.B. Erfass- oder Übertragungsfehler) können über § 173a AO nicht korrigiert werden. Hier ist § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu prüfen.

3.14.2. Mechanische Fehler der Finanzbehörde

Im Gegensatz zu § 173a AO n.F. setzt § 129 AO voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen ist. Er schließt damit nur Fehler ein, die der Finanzbehörde selbst unterlaufen sind. Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO liegt auch bisher schon bei »aktenkundigen Übernahmefehlern« vor, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung oder dieser beigefügten Anlagen enthaltene offenbare, d. h. für das Finanzamt erkennbare, Unrichtigkeit als eigene übernimmt.

Allerdings ist eine Korrektur nach § 129 AO dann nicht möglich, wenn der mechanische Fehler des Stpfl. bei Erstellung seiner Steuererklärung nicht aktenkundig ist und das Finanzamt diesen Fehler nicht erkennen und ihn sich somit auch nicht zu eigen machen konnte.

Nach Auffassung des Gesetzgebers wird diese unbefriedigende Lösung im Rahmen des § 129 AO vermehrt auftreten, wenn eine Steuererklärung elektronisch übermittelt wird und dem Finanzamt daneben keine ergänzenden Unterlagen oder Berechnungen übersandt werden. Mit § 173a AO n.F. wird dieses Problem für Verwaltung und Steuerpflichtige zufriedenstellend gelöst.

Bei Fehlern des Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung ist zwischen der Rechtslage bis 2016 und ab 2017 zu unterscheiden (vgl. hierzu AEAO zu § 129 Nr. 4 AO).

3.14.3. Feststellungslast bei mechanischen Fehlern i.S.d. § 129 AO und § 173a AO n.F.

Die Feststellungslast trägt die Finanzbehörde für Tatsachen, die zu einer Änderung zuungunsten des Stpfl. führen würden. Der Stpfl. trägt dagegen die Feststellungslast für solche Tatsachen, die eine Änderung zu seinen Gunsten ermöglichen. Sind die Voraussetzungen nach § 173a AO n.F. erfüllt, steht die Korrektur nicht im Ermessen der Finanzbehörde.

3.14.4. Rechtserheblichkeit i.S.d. § 173a AO n.F.

Das bei § 173 AO ungeschriebene, von der Rechtsprechung entwickelte Tatbestandsmerkmal der Rechtserheblichkeit ist von der Literatur und der Rechtsprechung ausführlich besprochen worden. Danach ist von der Rechtserheblichkeit der »berichtigten« Tatsache auszugehen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren oder niedrigeren Steuer gelangt wäre.

3.14.5. Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 2 AO n.F. bei Fehlern i.S.d. § 129 AO und § 173a AO n.F.

Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a AO. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 2 AO n.F. greift nur bei Verwaltungsakten, die im letzten Jahr der Festsetzungsfrist (bei Steuerbescheiden im vierten Jahr) erlassen wurden.

3.14.6. Kommentierung der Neuregelung durch das BMF im Anwendungserlass zur AO

Das BMF hat mit Schreiben vom 12.1.2017 (IV A 3 – S 0662/16/10005, Nr. 27) die Neuregelung kommentiert. Ein Schreib- oder Rechenfehler muss durchschaubar, eindeutig oder augenfällig sein. Das ist dann der Fall, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Schreib- oder Rechenfehler erkennbar ist und kein Anhaltspunkt dafür erkennbar ist, dass eine unrichtige Tatsachenwürdigung, ein Rechtsirrtum oder ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt. Das schlichte Vergessen eines Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen in die Steuererklärung ist kein Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 173a AO. In derartigen Fällen kann aber eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 AO vorliegen.

3.14.7. Inkrafttreten

Die Änderung ist am 1.1.2017 in Kraft getreten und ist nach Art. 97 § 9 Abs. 4 EGAO erstmals auf Verwaltungsakte anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 erlassen worden sind.

3.15. Bevollmächtigte und Beistände – § 80 AO n.F.

3.15.1. Vollmachtsvermutung gem. § 80 Abs. 2 AO n.F.

Gem. § 80 Abs. 2 AO n.F. wird bei Personen und Vereinigungen i.S.d. §§ 3 und 4 Nr. 11 des Steuerberatungsgesetzes, die für den Steuerpflichtigen handeln, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet. Für den Abruf von bei den Landesfinanzbehörden zum Vollmachtgeber gespeicherten Daten wird eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nur nach Maßgabe des § 80a Abs. 2 und 3 AO vermutet.

Die Finanzbehörde kann gem. § 80 Abs. 3 AO n.F. auch ohne Anlass den Nachweis der Vollmacht verlangen. Der Nachweis kann durch schriftliche oder elektronische Übermittlung der Vollmacht oder durch mündliche Bestätigung der Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber an Amtsstelle geführt werden.

Die Änderung ist am 1.1.2017 in Kraft getreten.

3.15.2. Elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an Landesfinanzbehörden – § 80a AO n.F.

Der neu eingefügte § 80a AO n.F. enthält die gesetzlichen Grundlagen für die Vollmachtsdatenbank, die seit Ende 2013 in Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden des Bundes und der Länder und den Steuerberaterkammern und der Bundessteuerberaterkammer entwickelt wurde. Hierdurch wird es Bevollmächtigten (Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Steuerberatungsgesellschaften) ermöglicht, den Landesfinanzbehörden auf der Grundlage eines amtlich bestimmten Vollmachtformulars die Daten der ihnen von ihren Mandanten erteilten Vollmachten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zu übermitteln. Die übermittelten Daten müssen der erteilten Vollmacht entsprechen. Wird eine Vollmacht, die nach § 80a Abs. 1 Satz 1 AO n.F. übermittelt worden ist, vom Vollmachtgeber gegenüber dem Bevollmächtigten widerrufen oder verändert, muss der Bevollmächtigte dies unverzüglich den Landesfinanzbehörden nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mitteilen.

Werden die Vollmachtsdaten von einem Bevollmächtigten, der nach § 3 des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, nach Maßgabe des Absatzes 1 übermittelt, so wird gem. § 80a Abs. 2 AO n.F. eine Bevollmächtigung im mitgeteilten Umfang vermutet, wenn die zuständige Kammer sicherstellt, dass Vollmachtsdaten nur von den Bevollmächtigten übermittelt werden, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind (Vollmachtsvermutung). Die für den Bevollmächtigten zuständige Kammer hat den Landesfinanzbehörden in diesem Fall auch den Wegfall einer Zulassung unverzüglich nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mitzuteilen. Die Erfassung von Vollmachtsdaten in sog. Kammerdatenbanken dient der Authentifizierung des Bevollmächtigten oder des Geschäftsführers als Kammermitglied.

Gem. § 383b AO n.F. sind Pflichtverletzungen bei der Übermittlung von Vollmachtsdaten als Ordnungswidrigkeit zu behandeln, wenn vorsätzlich oder leichtfertig unzutreffende Vollmachtsdaten elektronisch an die Finanzbehörden übermittelt werden oder wenn der Widerruf oder die Veränderung einer elektronisch an die Finanzbehörden übermittelten Vollmacht durch den Vollmachtgeber nicht unverzüglich anzeigt wird. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10 000 € geahndet werden.

Die Änderung ist am 1.1.2017 in Kraft getreten.

3.16. Festsetzung von Zinsen gem. § 239 AO n.F.

Dem § 239 AO werden die Absätze 3 und 4 angefügt.

3.16.1. Gesonderte Feststellung von Zinsen bei gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen

Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, so sind gem. § 239 Abs. 3 AO n.F. die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen in den Fällen des § 233a Abs. 2a AO (Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen) oder nach § 235 AO (Verzinsung von hinterzogenen Steuern) gesondert festzustellen, soweit diese an Sachverhalte anknüpfen, die Gegenstand des Grundlagenbescheids sind.

3.16.2. Vorbehalt der Nachprüfung bei festgesetzten Zinsen wegen Steueranmeldung

Gem. § 239 Abs. 4 AO n.F. wird geregelt, dass nach § 233a AO festgesetzte Zinsen wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen.

Die Änderung ist am 1.1.2017 in Kraft getreten.

3.17. Niederschlagung gem. § 261 AO n.F.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dürfen niedergeschlagen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem zu erhebenden Betrag stehen werden. Nach der geänderten Fassung des § 261 AO n.F. genügt eine Prognose; es muss nicht mehr feststehen, dass die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zum rückständigen Betrag stehen.

Die Änderung ist am 1.1.2017 in Kraft getreten.

3.18. Weitere Änderungen der AO in Kurzform

3.18.1. Unterstützung des örtlich zuständigen Finanzamts auf Anweisung der vorgesetzten Finanzbehörde gem. § 29a AO

§ 29a AO regelt: Die oberste Landesfinanzbehörde oder die von ihr beauftragte Landesfinanzbehörde kann zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze anordnen, dass das örtlich zuständige Finanzamt ganz oder teilweise bei der Erfüllung seiner Aufgaben in Besteuerungsverfahren durch ein anderes Finanzamt unterstützt wird. Das unterstützende Finanzamt handelt im Namen des örtlich zuständigen Finanzamts; das Verwaltungshandeln des unterstützenden Finanzamts ist dem örtlich zuständigen Finanzamt zuzurechnen.

3.18.2. Zweckbetriebe gem. § 68 AO

Durch Art. 3 Abs. 13 des Gesetzes vom 26.7.2016 (BGBl I 2016, 1824) wurde in § 68 Nr. 3 Buchst. c AO ein Halbsatz hinzugefügt. Hiernach werden psychisch kranke Menschen i.S.d. § 132 Abs. 4 SGB IX auf die Quote von 40 % angerechnet.

Mit Wirkung ab 1.1.2018 wird § 68 Nr. 3 Buchst. c AO komplett neu gefasst (Art. 19 Abs. 12 des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016). Künftig wird auf Inklusionsbetriebe i.S.d. § 215 Abs. 1 SGB IX abgestellt.

3.18.3. Elektronische Kommunikation gem. § 87a bis § 87d AO

Die durch das StModernG erheblich geänderten und ergänzten §§ 87a bis 87d AO enthalten u.a. folgende Regelungen:

  • Unverschlüsselte Übersendung von Benachrichtigungen über die Bereitstellung von Daten zum Abruf;

  • sicheres Verfahren bei der elektronischen Übermittlung von amtlich vorgeschriebenen Datensätzen und im Fall der elektronischen Bekanntgabe von VA gem. § 122a AO;

  • Rahmenbedingungen für die Datenübermittlung mittels amtlich vorgeschriebener Datensätze;

  • Vorgaben für nicht amtliche Programme;

  • Vorgaben für die Datenübermittlung im Auftrag mit Identifizierungs- und Aufzeichnungspflichten des Auftragnehmers.

3.18.4. Länderbezogener Bericht multinationaler Unternehmensgruppen gem. § 138a AO

Mit § 138a AO werden die Mindeststandards für die länderbezogene Berichterstattung und die Berichtspflichten geregelt.

4. Änderungen des EStG

4.1. Berechnung der Herstellungskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.F.

Nach dem neu eingefügten § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.F. brauchen bei der Berechnung der → Herstellungskosten angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB nicht einbezogen zu werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Das Wahlrecht ist bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben. Dadurch wird eine einheitliche Bewertung in der Handels- und der Steuerbilanz erreicht.

Durch diese Neuregelung werden die Unsicherheiten, die beim Erlass der EStR 2012 gem. R 6.3 Abs. 4 einen verpflichtenden Ansatz für die Steuerbilanz vorsahen, beseitigt. Damit wird das frühere Aktivierungswahlrecht gem. R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 im Gesetz verankert. Dies ist zu begrüßen, da die Zwangsaktivierung durch die EStR 2012 der Zielsetzung des Bürokratieabbaus entgegenstehen würde.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG kann nach § 52 Abs. 12 Satz 1 EStG auch für Wj. angewendet werden, die vor dem Tag der Verkündung des Gesetzes enden.

4.2. Belegvorhaltepflicht statt Belegvorlagepflicht

4.2.1. Anrechnung der durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG n.F.

Die Steuerbescheinigung über einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer, wenn der Stpfl. einen Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG (Prüfung des Steuereinbehalts) oder § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung) EStG stellt, muss nicht mehr mit der Steuererklärung eingereicht, sondern erst auf Anforderung des Finanzamts vorgelegt werden. Fordert das Finanzamt die Steuerbescheinigung an, erfolgt eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer nur nach deren Vorlage.

Für steuerabzugspflichtige Einkünfte i.S.d. § 3 Nr. 40 EStG und Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1, 2 und Abs. 6 Satz 2 KStG gilt die bisherige Vorlageverpflichtung als materielle Anrechnungsvoraussetzung hingegen unverändert fort.

Die Änderung des § 36 Abs. 2 Nr. 2EStG ist am 1.1.2017 in Kraft getreten.

4.2.2. Zuwendungsbestätigung gem. § 50 EStDV n.F. für Zuwendungen i.S.d. § 10b EStG und § 34g EStG

Die in den Absätzen 1, 4, 5 und 6 des § 50 EStDV n.F. bezeichneten Unterlagen sind gem. § 50 Abs. 8 EStDV n.F. vom Zuwendenden nur auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen. Soweit der Zuwendende sie nicht bereits auf Verlangen der Finanzbehörde vorgelegt hat, sind sie vom Zuwendenden bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung aufzubewahren.

Der Zuwendende kann den Zuwendungsempfänger nach § 50 Abs. 2 EStDV n.F. bevollmächtigen, die Zuwendungsbestätigung der für seine Besteuerung nach dem Einkommen zuständigen Finanzbehörde nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe des § 93c AO n.F. zu übermitteln. Der Zuwendende hat dem Zuwendungsempfänger zu diesem Zweck seine Identifikationsnummer (§ 139b AO) mitzuteilen. Die Vollmacht kann nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Der Zuwendungsempfänger hat dem Zuwendenden die nach § 50 Abs. 2 Satz 1 AO übermittelten Daten elektronisch oder auf dessen Wunsch als Ausdruck zur Verfügung zu stellen; in beiden Fällen ist darauf hinzuweisen, dass die Daten der Finanzbehörde übermittelt worden sind.

Die Änderung gilt ab 1.1.2017 und ist erstmals auf Zuwendungen anzuwenden, die dem Zuwendungsempfänger nach 2016 zufließen (§ 84 Abs. 2c EStDV n.F.).

4.2.3. Nachweis des Behinderten-Pauschbetrags gem. § 65 Abs. 3 und Abs. 3a EStDV n.F.

Der Steuerpflichtige musste bisher für die Geltendmachung des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b EStG) die Unterlagen gem. § 65 Abs. 1 und 2 EStDV (Behindertenausweis) zusammen mit seiner Steuererklärung oder seinem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung der Finanzbehörde vorlegen (§ 65 Abs. 3 EStDV a.F.).

§ 65 Abs. 3 EStDV n.F. setzt für die Gewährung des Behinderten-Pauschbetrags voraus, dass der Antragsteller Inhaber gültiger Unterlagen nach den Absätzen 1 und 2 ist. Bei erstmaliger Geltendmachung des Pauschbetrags oder bei Änderung der Verhältnisse hat der Steuerpflichtige die Unterlagen nach den Absätzen 1 und 2 zusammen mit seiner Steuererklärung oder seinem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung, ansonsten auf Anforderung des Finanzamts vorzulegen.

Weiter setzt § 65 Abs. 3a EStDV n.F. für die Gewährung des Behinderten-Pauschbetrags voraus, dass die für die Feststellung einer Behinderung zuständige Stelle als mitteilungspflichtige Stelle ihre Feststellungen zur Behinderung nach den Absätzen 1 und 2 nach Maßgabe des § 93c AO n.F. an die für die Besteuerung des Antragstellers zuständige Finanzbehörde übermittelt hat.

Die mitteilungspflichtige Stelle hat jede Änderung der Feststellungen i.S.d. § 65 Abs. 3a Satz 4 AO n.F. abweichend von § 93c Abs. 1 Nr. 1 AO n.F. unverzüglich zu übermitteln.

§ 84 Abs. 3f EStDV n.F. sieht vor, dass die Regelung erst für den VZ angewendet wird, der auf den VZ folgt, in dem die für die Anwendung erforderlichen Programmierarbeiten abgeschlossen sind. Das BMF wird ein entsprechendes Startschreiben veröffentlichen. Noch gültige und dem Finanzamt vorliegende Feststellungen über eine Behinderung werden bis zum Ende ihrer Gültigkeit weiter berücksichtigt, es sei denn, die Feststellungen ändern sich vor Ablauf der Gültigkeit.

5. Literaturhinweise

Rätke, Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Auswirkungen der AO auf den Steuervollzug, BBK 13/2016, 634; Velte, Herstellungskosten nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Betonung der Maßgeblichkeit in § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.F., StuB Nr. 11 vom 10.6.2016, 407; Vetten, Steuermodernisierungsgesetz – ein zweiter Blick, NWB 42/2016, 3187; Baum, Änderungen der Abgabenordnung im Jahr 2016, NWB 38/2017, 2917.

6. Verwandte Lexikonartikel

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