1 Allgemeines zur Grundsteuer
2 Reform der Grundsteuer
2.1 Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer
2.1.1 BFH
2.1.2 BVerfG
2.1.3 Andere Rechtsprechung
2.2 Reformgesetze
3 Rechtslage bis 2024
3.1 Steuergegenstand
3.1.1 Allgemeines
3.1.2 Einzelfälle
3.2 Steuerbefreiungen
3.2.1 Steuerbefreiung für Grundbesitz bestimmter Rechtsträger, § 3 GrStG
3.2.2 Sonstige Steuerbefreiungen, § 4 GrStG
3.2.3 Zu Wohnzwecken genutzter Grundbesitz, § 5 GrStG
3.2.4 Für sportliche Zwecke genutzter Grundbesitz
3.2.4.1 Sportliche Anlagen im Eigentum von inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts
3.2.4.2 Sportliche Anlagen im Eigentum von Sportvereinen
3.2.4.3 Sportliche Anlagen auf dem Grundbesitz von Privateigentümern
3.2.4.4 Was fällt alles unter die Steuerbefreiung?
3.3 Bemessung der Grundsteuer
3.4 Steuerschuldner
3.5 Ermittlung des Grundsteuer-Messbetrages und Festsetzung der Grundsteuer
3.5.1 Überblick
3.5.2 Berechnung
3.5.3 Rechtsprechung
3.6 Erlass der Grundsteuer
3.6.1 Erlass aus öffentlichem Interesse
3.6.2 Erlass für öffentliche Grünanlagen, Sport- und Spielplätze
3.6.3 Erlass wegen wesentlicher Ertragsminderung
3.6.3.1 Allgemeine Voraussetzungen für einen Erlass
3.6.3.2 Erlass bei bebauten Grundstücken
3.6.3.2.1 Allgemeines
3.6.3.2.2 Rechtsprechung
3.6.3.3 Grundsteuererlass wegen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung?
4 Rechtslage ab 2025
4.1 Das Urteil des BVerfG und seine Folgen
4.2 Die Grundsteuerreform im Allgemeinen
4.3 Die Modelle in den Bundesländern im Überblick
4.4 Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022
4.4.1 Allgemeines
4.4.2 Hinweise
4.4.3 Abgabequoten
4.5 Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.6.2022 – Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025
4.6 Einsprüche und Klagen zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht
4.6.1 Einsprüche
4.6.2 Klagen
4.7 Die ersten Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsanweisungen
4.7.1 Gerichtsentscheidungen
4.7.2 Verwaltungsanweisungen
4.8 Hebesatzempfehlungen
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel
Aktuelles: Grundsteuerreform
1. Öffentliche Bekanntmachung des Bundesministeriums der Finanzen vom 30.3.2022 – Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022
a) Hintergrund
Mit dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz) vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) wurden die Vorgaben des Urteils des BVerfG vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14 u. a., BGBl I 2018, 531) im GrStG und BewG sowie in weiteren damit zusammenhängenden Vorschriften umgesetzt. Die Umsetzung des Grundsteuer-Reformgesetzes erfordert eine umfassende Neubewertung aller wirtschaftlichen Einheiten. Zu diesem Zweck werden die Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 erstmals festgestellt. Diese Werte finden dann für die Berechnung der Grundsteuer ab dem Jahr 2025 Anwendung. Die erforderliche Datenerhebung erfolgt durch elektronische Steuererklärung (§ 228 Abs. 6 Satz 1 BewG).
b) Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022
Die FinMin der Länder, in denen das sog. Bundesmodell Anwendung findet (Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen), haben die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 öffentlich bekannt gemacht (BStBl I 2022, 205). Die FinVerw dieser Länder haben auf den 1.1.2022 (Hauptfeststellungszeitpunkt) den Grundsteuerwert für Grundstücke sowie für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft festzustellen.
Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 war ursprünglich dem zuständigen FA bis zum 31.10.2022 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung (elektronisches Formular) zu übermitteln. Soweit landesrechtlich nicht abweichend geregelt, ist das FA zuständig, in dessen Bezirk das zu bewertende Grundstück oder der zu bewertende Betrieb der Land- und Forstwirtschaft liegt.
Da diese Frist von vielen Bürgern nicht eingehalten wurde, hatte man sie bis zum 31.1.2023 verlängert. Das BMF hatte am 4.11.2022 vor dem Hintergrund der verlängerten Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung die Aufforderung zur Erklärungsabgabe geändert und öffentlich bekannt gemacht (BStBl I 2022, 1448). Die Bekanntmachung bezog sich auf die Länder, die das Bundesmodell anwenden. Bayern hatte die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung bis zum 30.4.2023 verlängert (BayLfSt online, Meldung vom 31.1.2023).
Die elektronischen Formulare für die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts werden ab 1.7.2022 z.B. im Portal »Mein ELSTER« (www.elster.de) bereitgestellt. Für die elektronische Übermittlung über das Portal »Mein ELSTER« ist ein Benutzerkonto erforderlich. Ist dies noch nicht vorhanden, kann eine Registrierung unter www.elster.de vorgenommen werden. Diese ist kostenlos und kann bis zu zwei Wochen dauern.
Maßgebend für die persönliche Erklärungspflicht sind die Verhältnisse am 1.1.2022.
Bei Nichtabgabe oder verspäteter Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Die Höhe des Verspätungszuschlags ist maßgeblich von der Dauer der Fristüberschreitung abhängig. Bei Nichtabgabe der Erklärung kann das FA darüber hinaus die Besteuerungsgrundlagen schätzen.
Hinweis:
Das BMF hat einen aktuellen Fragen-Antworten-Katalog zur neuen Grundsteuer veröffentlicht. Dieser richtet sich an steuerliche Laien. Den Fragen-Antworten-Katalog finden Sie auf der Homepage des BMF.
2. Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.6.2022 – Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit einem koordinierten Erlass vom 22.6.2022 (AEGrStG, BStBl I 2022, 1171) zur Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025 ausführlich Stellung genommen (vgl. 4.5).
Die Grundsteuer ist eine Besitz- und Objektsteuer. Die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners bleiben unberücksichtigt. Sie ist als Realsteuer (s.a. → Gewerbesteuer) gestaltet. Die Grundsteuer fließt den Gemeinden zu (§ 1 GrStG). Sie unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 105 Abs. 2 GG).
Neben der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. In den Jahren 2022 und 2023 betrug das Aufkommen der Grundsteuer ca.15 Mrd. €.
Die der Besteuerung derzeit zugrunde gelegten Einheitswerte basieren auf Wertverhältnissen aus den Jahren 1964 (für Westdeutschland) und 1935 (für Ostdeutschland).
Der BFH vertritt die Ansicht, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung spätestens ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2009 verfassungswidrig seien, da die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führe, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr vereinbar seien und hat die Frage dem BVerfG vorgelegt (Vorlagebeschlüsse vom 22.10.2014, II R 16/13 und II R 37/14 sowie vom 17.12.2014, II R 14/13). Hauptursache hierfür sei, dass aufgrund der Rückanknüpfung der Wertverhältnisse die seit 1964 eingetretenen tiefgreifenden Veränderungen im Gebäudebestand sowie auf dem Immobilienmarkt nicht in die Bewertung mit einbezogen würden. Die Verfahren werden beim BVerfG unter den Az. 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14 und 1 BvL 1/15 geführt. Demzufolge hat die FinVerw entschieden, dass Feststellungen der Einheitswerte für Grundstücke (§ 19 Abs. 1, §§ 68 und 70, § 129 Abs. 2 BewG) und für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (§ 19 Abs. 1, §§ 33, 48a und 51a BewG) sowie Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes verfassungsgemäß sind, vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO durchzuführen sind (Oberste Finanzbehörden der Länder vom 18.5.2015, BStBl I 2015, 439).
Darüber hinaus sind unter den Az. 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 zwei Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig, deren Begründung zusätzlich darauf gestützt wird, es komme zu Verwerfungen durch den Einsatz des Ertragswertverfahrens einerseits und des Sachwertverfahrens andererseits.
Das BVerfG hat nunmehr mit Urteil vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12) über die vorgenannten Verfassungsbeschwerden entschieden und die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung des Grundvermögens in den »alten« Bundesländern seit 2002 für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes und damit für verfassungswidrig erklärt. Nach Darlegung des Gerichts führt das jahrzehntelange Festhalten des Gesetzgebers am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt. Bis 31.12.2019 hat der Gesetzgeber die Aufgabe, eine Neuregelung festzulegen. Eine Fortgeltung der beanstandeten Bewertungsregeln ist längstens bis 31.12.2024 vorgesehen.
Aus diesem Grund haben die obersten Finanzbehörden der Länder per Allgemeinverfügung die am 18.1.2019 anhängigen und zulässigen Einsprüche gegen die Feststellung des Einheitswerts für inländischen Grundbesitz oder die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags zurückgewiesen, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens verstoßen gegen das Grundgesetz. Entsprechendes gilt für am 18.1.2019 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Aufhebung oder Änderung der Feststellung eines Einheitswerts für inländischen Grundbesitz sowie für Anträge auf Fortschreibung des Einheitswerts und für Anträge auf Aufhebung oder Änderung der Festsetzung eines Grundsteuermessbetrags oder auf Neuveranlagung des GrSt-Messbetrags (Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 18.1.2019, BStBl I 2019, 26). Mit einer ergänzenden Allgemeinverfügung (BStBl I 2019, 470) weisen die obersten Finanzbehörden der Länder die am 3.6.2019 anhängigen und zulässigen Einsprüche, die sich gegen die Ablehnung von zulässigen Anträgen auf Aufhebung oder Änderung der Feststellung eines Einheitswerts für inländischen Grundbesitz sowie Fortschreibung des Einheitswerts (§ 22 BewG) und Aufhebung oder Änderung der Festsetzung eines Grundsteuermessbetrags oder Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags (§ 17 GrStG) richten, zurück, soweit mit ihnen geltend gemacht worden ist, die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens (§ 19 Abs. 1, §§ 68 und 70, § 129 Abs. 2 BewG) verstoßen gegen das Grundgesetz.
Auch die entsprechenden Vorläufigkeitsvermerke im Rahmen der Feststellungen der Einheitswerte für Grundstücke bzw. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags wurden deshalb aufgehoben (Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17.1.2019, BStBl I 2019, 28).
VG Düsseldorf
Beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ist eine Klage anhängig, mit der die Kläger die Aufhebung ihres Grundsteuerbescheids für das Jahr 2020 aus verfassungsrechtlichen Gründen beantragen (Az. 5 K 2578/20). Die Klagebegründung bezieht sich auf das Urteil des BVerfG vom 10.4.2018 (vgl. 2.1), das den Gesetzgeber verpflichtete, die Grundsteuer spätestens bis zum 31.12.2019 verfassungskonform zu gestalten (vgl. dazu den Beitrag von Leuchtenberg, Klage zur Verfassungsmäßigkeit der Erhebung der Grundsteuer anhängig in NWB 2020, 2221).
FG Berlin-Brandenburg vom 1.9.2023
Das FG Berlin-Brandenburg befasste sich mit Beschluss vom 1.9.2023 (3 V 3080/23) mit dem auf Verfassungswidrigkeit gestützten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines zum 1.1.2022 ergangenen Grundsteuerwertbescheides.
Leitsätze
Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm setzt die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Verwaltungsakts wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt.
Es besteht kein Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung eines auf den 1.1.2022 festgestellten Grundsteuerwertes, wenn zwar die Verfassungswidrigkeit der Berechnung des Grundsteuerwertes gerügt wird, jedoch nichts zur Frage vorgetragen wird, aus welchen Gründen ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen soll, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Grundsteuergesetzes zukommen soll (Abgrenzung zu BFH vom 12.4.2023, I B 74/22 (AdV), BFH/NV 2023 S. 1178).
Entscheidungsgründe
Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes setzt zusätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt.
Sächsisches FG vom 24.10.2023
Das Sächsische FG hat mit Urteil vom 24.10.2023 (2 K 574/23; nrkr.) die Feststellung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 und des Grundsteuermessbetrages auf den 1.1.2025 für rechtmäßig erklärt.
FG Baden-Württemberg vom 11.6.2024
Das Grundsteuergesetz des Landes Baden-Württemberg vom 4.11.2020 ist verfassungsgemäß. Dies entschied das FG Baden-Württemberg in seinen Urteilen vom 11.6.2024 (8 K 2368/22 und 8 K 1582/23; Revisionen zugelassen).
Die Umsetzung der Vorgaben des BVerfG erfolgte in einem Gesetzespaket:
Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG; Bundesmodell) vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794),
Gesetz zur Änderung des GG vom 15.11.2019 (BGBl I 2019, 1546),
Gesetz zur Änderung des GrStG zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung – sog. Grundsteuer C – vom 30.11.2019 (BGBl I 2019, 1875).
Die »neue« Grundsteuer wird ab 2025 erhoben. Die Einzelheiten der Rechtslage ab 2025 werden unter 4. dargestellt.
Steuerpflichtig ist der im Inland liegende → Grundbesitz (§ 2 Abs. 1 GrStG). Demnach gehören insbes. unbebaute und bebaute Grundstücke i.S.d. BewG zum Grundbesitz. Für Zwecke der Grundsteuer ist zu entscheiden, ob ein Bauwerk als Gebäude anzusehen ist und damit in dem – der Grundsteuer unterliegenden – Einheitswert des bebauten Grundstücks zu erfassen ist. Im Einzelfall kann die Einordnung als Gebäude schwierig sein, z.B. bei einem Wohncontainer oder Mobilheim.
Container
Mit Urteil vom 22.7.2020 (II R 37/17, BStBl II 2021, 662) nahm der BFH Stellung zur temporären Nutzung aufgestellter Container.
Leitsatz
Container, die nicht auf einem eigenen Fundament ruhen, sind bewertungsrechtlich kein Gebäude, wenn sie lediglich für eine vorübergehende Nutzung aufgestellt sind und nach Wegfall des nur zeitweise bestehenden Raumbedarfs wieder entfernt werden sollen.
Sachverhalt
Streitig war, ob zwei Containeranlagen auf einem Luftwerftgelände als Gebäude i.S.v. § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu qualifizieren sind. Eine Anlage mit 51 Containern (Containeranlage XX) wurde ohne gegossenes Fundament und sonstige Befestigung auf Betonverlegeplatten aufgestellt und mit einer eigenen Asphaltstraße auf dem Betriebsgelände angebunden. Die Container der anderen Anlage (Containeranlage YY) wurden lediglich auf einer Parkplatzfläche am Rande einer Werkstraße aufgestellt. Beide Anlagen hatten Vorrichtungen, um mit gängigen Versorgungsleistungen ausgestattet zu werden; in beiden Fällen blieb ihre Aufstelldauer unter sechs Jahren.
Mit Bescheid über den Einheitswert stellte das FA den Einheitswert für die Containeranlagen fest. Der Einspruch der Klägerin hatte nur teilweise Erfolg. Das FA setzte den Einheitswert herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Der Klage gab das FG teilweise statt. Es entschied, die Containeranlage XX habe die Anforderungen an ein Gebäude erfüllt, die Anlage YY hingegen nicht.
Der BFH hat die Revision der Klägerin als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben, soweit es die Klage abgewiesen hat.
Mobilheime
Mit Verfügung vom 10.2.2023 (S 3190 A-001-St 72) hat die OFD Frankfurt am Main zur Gebäudeeigenschaft von Mobilheimen Stellung genommen. Es geht dabei insbes. auf die Gebäudeeigenschaft von Mobilheimen ein.
Die eng gehaltenen Befreiungsvorschriften (§ 3 GrStG) enthalten Befreiungen insbes. zugunsten der öffentlichen Hand, der Kirchen sowie gemeinnütziger Körperschaften (→ Gemeinnützigkeit). Zu beachten ist dabei allerdings, dass Grundbesitz nicht von der Grundsteuer befreit ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrStG), wenn die öffentliche Hand das Grundstück einem privaten Unternehmer zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben überlässt (BFH Urteil vom 16.12.2009, II R 29/08, BFH/NV 2010, 1198, DB 2010, 882).
Wohnungen sind auch dann nicht von der GrSt befreit, wenn sie einer gemeinnützigen Körperschaft gehören und von dieser zu steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden. Räume, die objektiv als Wohnung zu beurteilen sind, verlieren diese Eigenschaft nicht dadurch, dass ihre Überlassung zu Wohnzwecken im Rahmen einer pflegerischen und therapeutischen Gesamtkonzeption erfolgt (BFH Urteil vom 21.4.1999, II R 5/97, BStBl II 1999, 496).
Für ein im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) bestelltes Erbbaurecht und die Rückvermietung des Grundbesitzes an die öffentliche Hand zum Betrieb einer Schule kommt eine Grundsteuerbefreiung nicht in Betracht, wenn die Rückübertragung des Grundstücks nicht verbindlich festgelegt ist, sondern lediglich ein Optionsrecht besteht, da es für das Eingreifen des Steuerbefreiungstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 3 GrStG allein auf die getroffene Vereinbarung und nicht auf den Grad der Wahrscheinlichkeit des Rückerwerbs des betroffenen Grundstücks nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ankommt (Hessisches FG vom 10.2.2015, 3 K 1637/13; anhängig beim BFH unter dem Az. II R 26/15).
Ein Grundstück, das eine juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt und das ausschließlich ihr zuzurechnen ist, ist auch dann von der Grundsteuer befreit, wenn es mit einem Erbbaurecht zugunsten eines privaten Rechtsträgers belastet ist (BFH Urteil vom 27.9.2017, II R 13/15).
Soweit sich nicht bereits eine Befreiung nach § 3 GrStG ergibt, ist z.B. nach § 4 Nr. 5 GrStG von der Grundsteuer Grundbesitz, der für Zwecke der Wissenschaft, des Unterrichts oder der Erziehung benutzt wird befreit, wenn durch die Landesregierung oder die von ihr beauftragte Stelle anerkannt ist, dass der Benutzungszweck im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt. Der Grundbesitz muss ausschließlich demjenigen, der ihn benutzt, oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzurechnen sein. Die bloße Nutzung reicht nicht aus, selbst wenn das Grundstück im Eigentum des Mehrheitsbeteiligten der es nutzenden gemeinnützigen Körperschaft steht.
Zu dieser Problematik nahm der BFH Stellung (BFH Beschluss vom 1.7.2020, II B 89/19, BFH/NV 2020, 1281 Nr. 12).
Leitsatz
Die in § 4 Nr. 5 GrStG grundsätzlich geforderte Rechtsträgeridentität zwischen Eigentümer und Nutzer ist verfassungskonform.
Sachverhalt
Eine gemeinnützige GmbH betrieb mehrere staatlich anerkannte sowie genehmigte Ersatzschulen auf einem Grundstück, welches dem Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH gehörte.
Dieser beantragte für das Grundstück die Grundsteuerbefreiung nach § 3 GrStG oder § 4 GrStG.
Das FA versagte dies. Nachdem in erster Instanz das Sächsische FG die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschriften ebenfalls verneinte sowie ihre Verfassungskonformität bejahte, hatte der BFH die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Sowohl die Steuerbefreiung in § 3 GrStG als auch jene in § 4 Nr. 5 GrStG ziele auf Rechtsträger, die sich ungeachtet ihrer konkreten Betätigung schon durch eine in ihrem Status selbst angelegte Gemeinwohlorientierung auszeichneten. Der Rechtsträger des Grundstücks selbst müsste dieses in der geforderten Weise nutzen, es sei denn, es handele sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts.
Diese geforderte Rechtsträgeridentität hält der BFH für gerechtfertigt, da die Förderung der gemeinnützigen Einrichtung als solcher mit der erforderlichen Sicherheit nur bei einer Identität zwischen Grundstückseigentümer und Betreiber der gemeinnützigen Einrichtung erreicht werden könne. Im Übrigen müssten die Vertragsverhältnisse im Einzelnen laufend überprüft werden.
Die Privilegierung der juristischen Person des öffentlichen Rechts ist auch verfassungsgemäß, da über den Nutzungszweck hinaus ein bestimmter Rechtsträger begünstigt sei, dem zum einen die Orientierung am Gemeinwohl immanent sei und der zum anderen einer Haushaltskontrolle unterliege. Eine Privatperson könne demgegenüber keinen Gemeinnützigkeitsnachweis erbringen, womit ihr ein wesentliches Merkmal fehle, mittels dessen sie der juristischen Person des öffentlichen Rechts im vorliegenden Sachverhalt gleichgestellt werden könnte.
§ 5 Abs. 1 GrStG befreit Grundbesitz i.S.d. §§ 3 und 4 GrStG auch, soweit bestimmte Räume Wohnzwecken dienen. Im Falle von Apartments in einem Studentenwohnheim unter Trägerschaft einer Anstalt öffentlichen Rechts etwa handelt es sich um Wohnungen i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG, die stets stpfl. sind.
Der BFH beschäftigte sich im Urteil vom 4.12.2014 (II R 20/14, BStBl II 2015, 610) mit dem Wohnungsbegriff des § 5 Abs. 2 GrStG.
Leitsatz
Eine Wohnung i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG ist in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses gegeben, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlaf-Raum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 qm hat.
Zur grundsteuerlichen Behandlung von Grundbesitz, der für sportliche Zwecke genutzt wird (sportliche Anlagen), nehmen die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 15.3.1984 (BStBl I 1984, 323) Stellung.
Sportliche Anlagen, die der Öffentlichkeit zur bestimmungsgemäßen Benutzung zur Verfügung stehen, sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrStG von der Grundsteuer befreit.
Sportliche Anlagen, die einem Sportverein zur Benutzung überlassen sind, sind unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG steuerfrei.
Ist ein Sportverein einschließlich seiner sportlichen Veranstaltungen gemeinnützig i.S.d. § 52, § 65 und § 67a AO, sind die sportlichen Anlagen einschließlich der Zuschauerflächen mit oder ohne Tribünenaufbauten von der Grundsteuer befreit (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG).
Bilden die sportlichen Veranstaltungen des Sportvereins einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der nicht Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65, § 67a AO ist, und werden die sportlichen Anlagen ganz oder überwiegend für diese Veranstaltungen benutzt, so unterliegen sie der Grundsteuer.
Bei einem Sportverein, der Fußballveranstaltungen unter Einsatz seiner Lizenzspieler nach dem Bundesligastatut des Deutschen Fußballbundes e.V. durchführt, sind sämtliche sportlichen Veranstaltungen gegen Entgelt als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S.v. § 14 AO zu behandeln. Die sportlichen Anlagen dienen grundsteuerfreien Zwecken, soweit sie überwiegend von Amateur- und Jugendmannschaften zu Trainings- und Übungszwecken oder zu Amateursportveranstaltungen, bei denen kein Eintrittsgeld erhoben wird, benutzt werden.
Wird dieser Grundbesitz an einen gemeinnützigen Sportverein zur Benutzung für sportliche Zwecke verpachtet hat, unterliegt er der Grundsteuer. Wenn sportliche Anlagen öffentliche Sportplätze sind, ist die Grundsteuer durch die Gemeinde zu erlassen, falls die jährlichen Kosten in der Regel den Rohertrag übersteigen (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG). In anderen Fällen können Billigkeitsmaßnahmen der Gemeinden nach § 227 AO in Betracht kommen.
Sportliche Anlagen können entweder nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrStG oder § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG von der Grundsteuer befreit sein. Zu den sportlichen Anlagen rechnen auch:
Unterrichts- und Ausbildungsräume,
Übernachtungsräume für Trainingsmannschaften,
Umkleide-, Bade-, Dusch- und Waschräume sowie
Räume zur Aufbewahrung von Sportgeräten,
auch wenn sie für diesen Zweck an Vereinsmitglieder ganz oder teilweise vermietet sind.
Auch Unterkunfts- und Schutzhütten von Bergsteiger-, Ski- und Wandervereinen gehören zu den sportlichen Anlagen.
Besteuerungsgrundlage ist
für Grundbesitz in den alten Ländern der nach dem BewG festgestellte Einheitswert (→ Einheitswertfeststellungen) nach den Wertverhältnissen 1964,
für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (ohne Wohnungen) in den neuen Ländern der nach dem BewG ermittelte Ersatzwirtschaftswert nach den Wertverhältnissen 1964,
für Grundstücke in den neuen Ländern, für die nach dem BewG ein Einheitswert nach den Wertverhältnissen 1935 festgestellt oder festzustellen ist, der Einheitswert 1935,
für vor 1991 entstandene Mietwohngrundstücke und Einfamilienhäuser in den neuen Ländern, für die kein Einheitswert 1935 festgestellt ist, die Ersatzbemessungsgrundlage Wohn- oder Nutzfläche nach Maßgabe des § 42 GrStG.
Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zuzurechnen ist (§ 10 Abs. 1 GrStG). Grundsätzlich ist ein WG dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein WG in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das WG wirtschaftlich ausschließen kann, ist ihm das WG ausnahmsweise zuzurechnen (sog. wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).
Mit Urteil vom 23.2.2021 (II R 44/17, BStBl II 2022, 188) nahm der BFH Stellung zur Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke der Grundsteuer.
Leitsätze
Für Zwecke der Grundsteuer ist das Grundstück gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen.
Grundstückseigentümer und Vorkaufsberechtigter können den Übergang von Nutzen und Lasten abweichend von den in dem ursprünglichen Kaufvertrag festgelegten Bedingungen auf einen späteren Zeitpunkt festlegen.
Sachverhalt
Streitig war, ob wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück bei wirksamer Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts auch ohne Besitz anzunehmen sein kann. Die Grundstückseigentümerin A schloss Anfang 2006 mit einer Grundbesitz GmbH & Co. KG (KG) einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein aus mehreren wirtschaftlichen Einheiten bestehendes Grundstück Der Übergang von Nutzen und Lasten auf die KG sollte nach dem Kaufvertrag zum Januar 2006 erfolgen. Der Klägerin stand an dem Grundstück ein Vorkaufsrecht zu, das sie im April 2006 ausübte. Gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts klagte die KG – in allen Instanzen ohne Erfolg.
Im September 2010 erwarb die Klägerin das Grundstück. Als Tag des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten wurde abweichend vom ursprünglich zwischen der A und der KG geschlossenen Kaufvertrag der September 2010 vereinbart, da die KG bis zu diesem Datum im Besitz des Grundstücks gewesen sei.
Nachdem das FA von der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin erfahren hatte, rechnete es mit Einheitswertbescheiden vom 11.11.2010 und vom 10.12.2010 die wirtschaftlichen Einheiten der Klägerin zu und erließ jeweils entsprechende Grundsteuermessbescheide (Neuveranlagung auf den 1.1.2007).
Abb.: Aufgaben und Zuständigkeiten im Rahmen der Grundsteuer – Rechtslage bis 2024 –
Für die Berechnung der Grundsteuer aus dem Einheitswert/Ersatzwirtschaftswert sind zwei Rechengänge erforderlich.
Ausgehend vom Einheitswert/Ersatzwirtschaftswert setzt das FA den → Steuermessbetrag fest, der auch der Gemeinde mitgeteilt wird. Die Steuermesszahlen, die zur Berechnung des Steuermessbetrages auf den Einheitswert/Ersatzwirtschaftswert anzuwenden sind, betragen
für Grundstücke in den alten Ländern je nach Art zwischen 2,6 ‰ und 3,5 ‰ (§ 15 GrStG),
für Grundstücke in den neuen Ländern – abgestimmt auf die deutlich niedrigeren Einheitswerte 1935 – je nach Art und Gemeindegruppe zwischen 5 ‰ und 10 ‰ (§ 41 GrStG),
für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einheitlich 6 ‰ (§ 14 GrStG).
Steuermessbeträge (→ Steuermessbetrag), die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden durch Steuermessbescheid festgesetzt (§ 184 Abs. 1 AO). Die Steuermessbeträge bilden daher die Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer durch die Gemeinden (ähnlich auch → Gewerbesteuer). Die Steuermessbescheide sind Grundlagenbescheide; der GrSt-Bescheid ist ein Folgebescheid.
Die Gemeinde wendet auf den Steuermessbetrag den sog. Hebesatz an und setzt die Grundsteuer durch Grundsteuerbescheid fest (§§ 25 ff. GrStG). In den neuen Ländern wird die Grundsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage Wohn- oder Nutzfläche in einem vereinfachten Verfahren pauschal berechnet und im Steueranmeldungsverfahren erhoben (§ 44 GrStG).
Die Entwicklung der Hebesätze der Grundsteuer (und der Gewerbesteuer) dokumentiert die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) alljährlich in einer Erhebung. Danach kletterten die Hebesätze der Grundsteuer B für das Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr deutlich um 5 Prozentpunkte auf 549 %. Insgesamt 103 Kommunen erhöhten die Hebesätze der Grundsteuer B mit einer sehr großen Spannbreite: Das Plus reichte von 20 Prozentpunkten bis hin zum Spitzenwert von 250 Prozentpunkten in Rodgau (Hessen). Dagegen nimmt die Zahl der Gemeinden, die ihren Hebesatz der Grundsteuer B senken, immer weiter ab: 2022 drehten nur noch 4 Kommunen ihre Sätze zurück, im Jahr 2021 hatten dies noch 6 getan, im Jahr 2020 noch 21.
VG Schleswig-Holstein vom 6.3.2019
Das Schleswig-Holsteinische VG hat eine Musterklage des Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümervereins Flensburg e.V. gegen einen Grundsteuerbescheid für das Jahr 2017 der Stadt Flensburg abgewiesen (VG Schleswig-Holstein vom 6.3.2019, 4 A 612/17; nicht rkr.).
Sachverhalt
Die Stadt Flensburg hatte im Jahre 2016 die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 480 % auf 690 % für das Jahr 2017 beschlossen. In dem entsprechenden Beschluss der Ratsversammlung vom Oktober 2016 war festgehalten worden, dass die Erhöhung der Finanzierung von verschiedenen Maßnahmen im Kita-Bereich (u.a. Verbesserung des Betreuungsschlüssels) diene sollte.
Gegen die entsprechenden Grundsteuerbescheide wurden insgesamt ca. 14 000 Widersprüche eingelegt. Auch Haus und Grund legte (als betroffener Grundstückseigentümer) Widerspruch ein und erhob Klage. Mit der Klage wurde die Rechtswidrigkeit des Grundsteuerbescheides geltend gemacht. Der zugrunde liegende Beschluss der Ratsversammlung verstoße gegen das Willkürverbot, da Steuern grds. nicht zweckgebunden erhoben werden dürften. Weiterhin verlange das Gemeindehaushaltsrecht, dass erforderliche Finanzmittel in erster Linie aus Leistungsentgelten zu beschaffen seien. Daher hätten zunächst die Gebühren für Kita-Plätze erhöht werden müssen. Zudem habe die Steuererhöhung eine erdrosselnde Wirkung für Grundstückseigentümer.
Die Stadt Flensburg verteidigt die Erhöhung der Grundsteuer und macht geltend, dass die zugrunde liegende Satzung nicht gegen Haushaltsgrundsätze verstoße.
Das VG wies die Klage jedoch ab.
VG Darmstadt vom 18.8.2021
Das VG Darmstadt hat die Klage von Grundstückseigentümern in der Stadt Offenbach am Main abgewiesen, die sich gegen die von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach am 28.2.2019 beschlossene Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B für das Kj. 2019 von 600 % auf 995 % gerichtet hatte. Im Falle der Kläger hatte dies eine Erhöhung der Grundsteuer um ca. 90 € jährlich zur Folge (VG Darmstadt vom 18.8.2021, 4 K 2115/19.DA, nrkr.).
Zur Begründung ihrer Entscheidung führt die Kammer im Wesentlichen aus, das den Gemeinden durch das Grundgesetz eingeräumte sog. Hebesatzrecht diene der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen. Bei der Ausübung dieses Rechts stünde den Gemeinden als Bestandteil ihres verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG) ein weiter kommunalpolitischer Entscheidungsspielraum zu. Gerichtlich sei dieser lediglich daraufhin überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Normsetzungsermessens bzw. des Hebesatzrechts überschritten seien und ob das verfassungsrechtliche Willkürverbot beachtet worden sei. Zudem müsse das Übermaßverbot, das eine »erdrosselnde Wirkung« einer Steuer verbiete, eingehalten werden. Diese Vorgaben seien vorliegend erfüllt.
Zunächst bestehe keine gesetzliche Höchstgrenze für die Grundsteuerhebesätze. Auch sei nicht ersichtlich, welche konkreten Einnahmemöglichkeiten die Beklagte, die im Jahr 2019 noch sog. »Schutzschirmkommune« gewesen sei, vor der streitgegenständlichen Grundsteuererhöhung alternativ gehabt hätte bzw. inwieweit Gebühren und Beiträge ausgereicht hätten, um den zur Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben erforderlichen Finanzbedarf zu decken.
VG Koblenz vom 3.5.2022
Die Stadt Neuwied durfte den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 610 % anheben (VG Koblenz Urteile vom 3.5.2022, 5 K 999/21.KO und 5 K 1000/21.KO; nrkr.).
Sachverhalt
Die Kläger sind Eigentümer von zum Wohnen genutzten Grundstücken im Gebiet der beklagten Stadt Neuwied und wurden in der Vergangenheit jährlich zur Grundsteuer B veranlagt. Nachdem die Stadt Neuwied die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 420 % auf 610 % beschlossen hatte, änderte sie die ursprünglichen Grundsteuerbescheide gegenüber den Klägern und setzte die für das Kj. 2021 jeweils zu entrichtende Grundsteuer B unter Berücksichtigung eines Hebesatzes von 610 % neu fest.
Nach erfolglosem Vorverfahren zogen die Kläger vor das Verwaltungsgericht, das jedoch die Klage abwies.
Entscheidungsgründe
Die Grundsteueränderungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Denn die Anhebung des Hebesatzes auf 610 v. H. ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
Die Grundsteuer ist für Grundbesitz zu erlassen, wenn seine Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt und wenn der Rohertrag in der Regel unter den jährlichen Kosten liegt (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, Abschn. 35 Abs. 1 GrStR). Die Unrentabilität muss kausal auf der Kulturguteigenschaft beruhen.
Ein Erlass kann für Grundbesitz in Betracht kommen, auf dem Gegenstände von wissenschaftlicher, künstlerischer oder geschichtlicher Bedeutung untergebracht sind. Bei diesen Gegenständen handelt es sich z.B. um Sammlungen, Bibliotheken oder um die Inneneinrichtung eines Gebäudes. Die wissenschaftliche, künstlerische oder geschichtliche Bedeutung der untergebrachten Gegenstände muss durch die Landesregierung oder durch die von ihr beauftragte Stelle anerkannt sein. Die Anerkennung ist für die Gemeinde verbindlich (§ 32 Abs. 2 GrStG, Abschn. 37 Abs. 1 GrStR).
Für öffentliche Grünanlagen, Sport- und Spielplätze ist die Grundsteuer zu erlassen, wenn die jährlichen Kosten in der Regel den Rohertrag übersteigen (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG, Abschn. 36 Abs. 1 GrStR).
Der Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung kommt bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken, nicht aber bei unbebauten Grundstücken in Betracht (§ 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG). Der Erlass setzt nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG voraus, dass
die Minderung des normalen Rohertrags mehr als 50 % beträgt und
der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat.
Die Grundsteuer wird in diesem Fall zu 25 % erlassen. Beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 %, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 % zu erlassen.
Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken muss außerdem die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig sein (§ 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG, Abschn. 38 Abs. 1 GrStR).
Ein Erlassgrund liegt nicht vor, wenn die Ertragsminderung auf Umständen beruht, die für den Erlasszeitraum durch eine Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden können. Das gilt auch, wenn der Steuerschuldner es versäumt hat, den Fortschreibungsantrag rechtzeitig zu stellen (§ 33 Abs. 5 GrStG, Abschn. 38 Abs. 6 GrStR).
Beispiel:
Im Juni 2012 wird das Nebengebäude eines Mietwohngrundstücks durch Brand zerstört.
Lösung:
Die eingetretene Wertminderung des Grundstücks kann erst durch Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1.1.2013 berücksichtigt werden. Für den Erlasszeitraum 2012 kann demnach ein Erlass der Grundsteuer in Betracht kommen, nicht jedoch für den Erlasszeitraum 2013.
Eine Ertragsminderung, die das nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG erforderliche Ausmaß erreicht, führt auch dann zu einem Grundsteuererlass, wenn sie strukturell bedingt und nicht nur vorübergehender Natur ist (BFH Urteil vom 24.10.2007, II R 5/05, BStBl II 2008, 384). Das BVerwG hat seine Rspr., wonach in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer ein Grundsteuererlass gem. § 33 Abs. 1 GrStG nicht in Betracht komme, durch Beschluss vom 24.4.2007 (BVerwG, GmS-OGB 1/07, Zeitschrift für Kommunalfinanzen – ZKF – 2007, 211) aufgegeben und sich der abweichenden Ansicht des BFH (Beschlüsse vom 13.9.2006, II R 5/05, BStBl II 2006, 921 sowie vom 26.2.2007, II R 5/05, Leitsatz, BStBl II 2007, 469) angeschlossen.
Die Vorschriften für den Erlass der Grundsteuer finden sich in den §§ 33 und 34 GrStG.
Die Grundsteuer für bebaute Grundstücke ist zu erlassen, wenn der normale Rohertrag des vergangenen Jahres aus dem Grundbesitz um mehr als 50 % gemindert ist. Bei bebauten Grundstücken ergibt sich die Minderung des normalen Rohertrags (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG) aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem normalen Rohertrag zu Beginn des Erlasszeitraums und dem im Erlasszeitraum tatsächlich erzielten Rohertrag. Sie ist in einem Prozentsatz des normalen Rohertrags festzustellen (Abschn. 40 Abs. 1 GrStR).
Hierzu zählen auch coronabedingte Mietausfälle. Ein Erlass ist aber nur dann möglich, wenn der Mietausfall nicht selbst verschuldet ist.
Im Ertragswertverfahren bewertete Grundstücke
Unter dem normalen Rohertrag eines bebauten Grundstücks, dessen Wert im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, ist gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die Jahresrohmiete zu verstehen, die bei einer Hauptfeststellung (→ Einheitswertfeststellungen) auf den Beginn des Erlasszeitraums – d.h. des Kj., für das die jahresweise zu erhebende und ggf. zu erlassende Steuer festgesetzt worden ist – maßgebend wäre. Jahresrohmiete wiederum ist gem. § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter (Pächter) für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten hat (s.a. Abschn. 40 Abs. 2 und 3 GrStR).
Im Sachwertverfahren bewertete Grundstücke
Bei bebauten und im Sachwertverfahren bewerteten Grundstücken ist die Ertragsminderung nur an der üblichen Jahresrohmiete zu messen, die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums zu schätzen ist (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GrStG). Die übliche Jahresrohmiete bestimmt sich nicht nach den auf dem betroffenen Grundstück tatsächlich erzielten Mieten oder nach deren Durchschnitt; vielmehr ist darunter entsprechend § 79 Abs. 2 BewG die Jahresrohmiete zu verstehen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
BFH vom 24.10.2007
Nach Auffassung des BFH hat der Stpfl. die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses bemüht hat. Vom Stpfl. kann nicht verlangt werden, sich stets den unteren Rand der Mietpreisspanne zu eigen zu machen (BFH vom 24.10.2007, II R 4/05, BFH/NV 2008, 405).
BFH vom 27.9.2012
Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus zahlreichen verschieden ausgestatteten, zu unterschiedlichen Zwecken nutzbaren und getrennt vermietbaren Räumlichkeiten und sind die marktgerechten Mieten für die einzelnen Raumeinheiten unterschiedlich hoch, ist für jede nicht vermietete Raumeinheit gesondert zu prüfen, ob der Stpfl. den Leerstand zu vertreten hat (BFH Urteil vom 27.9.2012, II R 8/12, BStBl II 2014, 117).
BVerwG vom 3.12.2014
Nach dem Beschluss des BVerwG vom 3.12.2014, 9 B 73.14, setzt der Erlass der Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG auch in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen grundsätzlich voraus, dass sich der Steuerschuldner nachhaltig, aber vergeblich um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat.
BFH vom 17.12.2014
Mit Urteil vom 17.12.2014 (II R 41/12, BStBl II 2015, 663) befasste sich der BFH mit dem Erlass von Grundsteuer in Sanierungsgebieten. Ist bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag um mehr als 20 % gemindert (aktuell 50 %) und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung i.H.d. Prozentsatzes erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht.
Leitsätze
Beruht der (teilweise) Leerstand eines Gebäudes auf der Entscheidung des Stpfl., die darin befindlichen Wohnungen zunächst nicht zur Vermietung anzubieten und vor einer Neuvermietung grundlegend zu renovieren oder zu sanieren, hat der Stpfl. grds. den Leerstand zu vertreten.
Etwas anderes gilt, wenn der sanierungsbedingte Leerstand ein Gebäude betrifft, das in einem städtebaulichen Sanierungsgebiet belegen ist. Der Stpfl. kann sich dann der zweckmäßigen und zügigen Durchführung der zur Erfüllung des Sanierungszwecks erforderlichen Baumaßnahmen nicht entziehen und hat den durch die Sanierung entstehenden Leerstand auch dann nicht zu vertreten, wenn er die Entscheidung über den Zeitpunkt der Sanierung getroffen hat.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb ein etwa 100 Jahre altes Mietshaus und setzte es innerhalb von vier Jahren grundlegend in Stand. In dieser Zeit vermietete er die Wohnungen weitestgehend bewusst nicht. Anders als das FA und das FG hielt der BFH den Steuererlass nach § 33 GrEStG für geboten, soweit im zweiten Rechtsgang festgestellt wird, dass der Leerstand tatsächlich auf Sanierungsmaßnahmen beruht, zu denen der Kläger städtebaulich verpflichtet war.
Entscheidungsgründe:
Beruht der (teilweise) Leerstand eines Gebäudes auf der Entscheidung des Stpfl., die darin befindlichen Wohnungen zunächst nicht zur Vermietung anzubieten und vor einer Neuvermietung grundlegend zu renovieren oder zu sanieren, hat der Stpfl. grds. den Leerstand zu vertreten.
Etwas anderes gilt, wenn der sanierungsbedingte Leerstand ein Gebäude betrifft, das in einem städtebaulichen Sanierungsgebiet belegen ist. Der Stpfl. kann sich dann der zweckmäßigen und zügigen Durchführung der zur Erfüllung des Sanierungszwecks erforderlichen Baumaßnahmen nicht entziehen und hat den durch die Sanierung entstehenden Leerstand auch dann nicht zu vertreten, wenn er die Entscheidung über den Zeitpunkt der Sanierung getroffen hat.
FG Hamburg vom 3.7.2018
Liegen mehrere Gründe vor, die zu einer Ertragsminderung führen können, so kommt ein Erlass der Grundsteuer nach Auffassung des FG Hamburg (Urteil vom 3.7.2018, 3 K 270/17) nur in Betracht, wenn der maßgebliche Grund außerhalb des Einflussbereichs des Steuerschuldners liegt. So ist eine Nutzungsuntersagung wegen bautechnischer Mängel nicht ursächlich für die Ertragsminderung, wenn der Steuerschuldner unabhängig davon einen Abriss und Neubau plant.
VG Koblenz vom 5.4.2022
Nach Auffassung des VG Koblenz ist ein Grundsteuererlass nicht zu gewähren, wenn der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags zu vertreten hat. Dies ist der Fall, wenn der Steuerschuldner das Objekt im vollen Bewusstsein der Unrentabilität einerseits und der Sanierungsbedürftigkeit andererseits erworben hat (VG Koblenz vom 5.4.2022, 5 K 932/21.KO; nrkr.).
Sachverhalt
Die Kläger erwarben das mit einer Tennishalle, einem Clubbistro nebst Wohnung und drei Außentennisplätzen bebaute Grundstück im Jahr 2019 im Wege der Zwangsversteigerung. Die von ihnen anschließend beabsichtigte Nutzung als Verkaufs- und Lagerfläche wurde ihnen inzwischen bestandskräftig untersagt.
Kurz nach dem Erwerb beantragten sie beim Beklagten den Erlass der Grundsteuer für das Veranlagungsjahr 2019. Denn das Objekt sei für sie nahezu wertlos, weil es aufgrund der Sanierungsbedürftigkeit nicht möglich sei, die Tennisanlage zu betreiben, und es deshalb im Leerstand verbleibe.
VG Koblenz vom 17.10.2023
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat sich mit den Anforderungen an die Vermietungsbemühungen im Fall des Grundsteuererlasses auseinandergesetzt. Danach drängt sich insbes. bei gewerblich genutzten Immobilien die Schaltung von Immobilienanzeigen in einschlägigen Suchportalen im Internet auf (VG Koblenz vom 17.10.2023, 5 K 350/23.KO; nrkr.).
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Tenniszentrum. Da dieses im Veranlagungszeitraum 2015 und 2016 nur teilweise wirtschaftlich ausgelastet war, beantragte sie den teilweisen Erlass der Grundsteuer. Dies lehnte die beklagte Stadt ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin zunächst erfolglos mittels Widerspruch und sodann mit ihrer Klage.
Ein Grundsteuererlass wegen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung kommt nicht in Betracht (BFH Beschluss vom 7.2.2013, II B 109/12, BFH/NV 2012, 697). Ein Erlass aus sachlichen Gründen läuft infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwider, dass er unbillig erscheint (BFH Urteil vom 4.2.2010, II R 25/08, BStBl II 2010, 663; BFH Urteil vom 28.3.2012, II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486). Aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 1.1.1964 bzw. im Beitrittsgebiet des 1.1.1935 ergeben sich bei der Einheitsbewertung Wertverzerrungen.
Dieses entschied mit Urteil vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12), dass die »alten« Bewertungsvorschriften zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage (Einheitswerte) für die Grundsteuer unvereinbar mit der Verfassung sind. Die bisherige Einheitsbewertung basiert auf jahrzehntealten Grundstückswerten. In den westdeutschen Ländern werden die Werte der Grundstücke im Jahr 1964 zugrunde gelegt. In den ostdeutschen Ländern sind die zugrunde gelegten Werte sogar noch älter; sie beruhen auf Feststellungen aus dem Jahr 1935. Da sich diese Werte seitdem sehr unterschiedlich entwickelt haben, kommt es auf Basis der Einheitswerte zu erheblichen steuerlichen Ungleichbehandlungen. Diese waren nach Ansicht des BVerfG nicht mehr zu rechtfertigen.
Das BVerfG hatte allerdings die Bewertungsregelungen nicht für nichtig erklärt, sondern dem Gesetzgeber eine Frist für eine Neuregelung bis zum 31.12.2019 gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt können die bisherigen Bewertungsregeln weiter angewendet werden. Da es der Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 geschafft hat, eine Neuregelung herbeizuführen, darf die Grundsteuer auf der Grundlage der »alten« Bewertungsregeln übergangsweise bis zum 31.12.2024 weiter erhoben werden.
Ab dem 1.1.2025 müssen dann die neuen Regelungen aufgrund des Grundsteuer-Reformgesetzes zur Anwendung kommen.
Antworten auf die wichtigsten Fragen zur neuen Grundsteuer-Regelung stellt das BMF in einem Fragen-Antwort-Katalog zur Verfügung: »FAQ zur neuen Grundsteuer«.
Die Umsetzung der Vorgaben des BVerfG erfolgte in einem Gesetzespaket. Neben dem GrStRefG wurden das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b) und das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (sog. Grundsteuer C) beschlossen.
Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794).
Nachjustiert wurde durch das Fondsstandortgesetz vom 3.6.2021 (BGBl I 2021, 1498) und das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz (GrStRefUG) vom 16.7.2021 (BGBl I 2021, 2931). Mit dem GrStRefUG wird das reformierte grundsteuerliche Bewertungsrecht im Hinblick auf eine relations- und realitätsgerechte Bewertung weiterentwickelt.
Mit dem JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) werden Änderungen im reformierten Teil des Grundsteuergesetzes vorgenommen, die die Ermäßigung der Grundsteuermesszahlen (§ 15 Abs. 6 GG 2025) und die dem Stpfl. obliegende Anzeigepflicht betreffen.
Finanzverwaltung
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit einem koordinierten Erlass vom 9.11.2021 (AEBewGrSt, BStBl I 2021, 2334) zur Anwendung des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zur Bewertung des Grundbesitzes (allgemeiner Teil und Grundvermögen) für die Grundsteuer ab 1.1.2022 ausführlich Stellung genommen.
Gesetz zur Änderung des GG (Art. 72, 105 und 125b) vom 15.11.2019 (BGBl I 2019, 1546).
Durch das GrStRefG wird die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Grundsteuer durch eine ausdrückliche Verankerung im Grundgesetz abgesichert. Mit der Grundgesetzänderung erhält der Bund uneingeschränkt nach Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer, unabhängig davon, ob eine bundesgesetzliche Regelung gemessen an den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist. Den Bundesländern wird zugleich über die Ergänzung in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet (sog. Länderöffnungsklausel). Demnach wird das Grundsteuergesetz des Bundes auch zukünftig grundsätzlich für alle gelten, es sei denn, ein Land macht von der Öffnungsklausel Gebrauch (Landesmodell).
Gesetz zur Änderung des GrStG zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (Grundsteuer C) vom 30.11.2019 (BGBl I 2019, 1875).
Insbes. in Ballungsgebieten besteht ein erheblicher Wohnungsmangel. Die damit verbundene Entwicklung der Werte der Grundstücke wird vermehrt dazu genutzt, baureife Grundstücke als Spekulationsobjekte zu halten.
Durch die grundgesetzlich geregelte Länderöffnungsklausel haben die Bundesländer die Möglichkeit, von dem ansonsten geltenden Bundesmodell abweichende Regelungen zu treffen. Bundesmodell und Ländermodelle greifen ab dem 1.1.2025.
Nachfolgend eine Übersicht, in welchen Bundesländern das Bundesmodell Anwendung findet oder nicht.
Bundesland |
Bundesmodell |
Eigenes Landesmodell |
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x »Bodenwertsteuer« |
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x |
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x |
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x |
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x |
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x (modifiziert) |
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x (modifiziert) |
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x |
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x |
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x |
Die Umsetzung des Grundsteuer-Reformgesetzes erfordert eine umfassende Neubewertung aller wirtschaftlichen Einheiten. Zu diesem Zweck werden die Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 erstmals festgestellt. Diese Werte finden dann für die Berechnung der Grundsteuer ab dem Jahr 2025 Anwendung. Die erforderliche Datenerhebung erfolgt durch elektronische Steuererklärung (§ 228 Abs. 6 Satz 1 BewG).
Die FinMin der Länder, in denen das sog. Bundesmodell Anwendung findet (Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen), haben die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 öffentlich bekannt gemacht (BStBl I 2022, 205). Die FinVerw dieser Länder haben auf den 1.1.2022 (Hauptfeststellungszeitpunkt) den Grundsteuerwert für Grundstücke sowie für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft festzustellen.
Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 war ursprünglich dem zuständigen FA bis zum 31.10.2022 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung (elektronisches Formular) zu übermitteln. Soweit landesrechtlich nicht abweichend geregelt, ist das FA zuständig, in dessen Bezirk das zu bewertende Grundstück oder der zu bewertende Betrieb der Land- und Forstwirtschaft liegt.
Beachte:
Diese Frist wurde bis zum 31.1.2023 verlängert. Das BMF hat am 4.11.2022 vor dem Hintergrund der verlängerten Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung die Aufforderung zur Erklärungsabgabe geändert und öffentlich bekannt gemacht (BStBl I 2022, 1448). Die Bekanntmachung bezieht sich auf die Länder, die das Bundesmodell anwenden. Bayern hat die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung bis zum 30.4.2023 verlängert. Dies teilt das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) auf seiner Homepage mit (BayLfSt online, Meldung vom 31.1.2023).
Die elektronischen Formulare für die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts werden ab 1.7.2022 z.B. im Portal »Mein ELSTER« (www.elster.de) bereitgestellt. Für die elektronische Übermittlung über das Portal »Mein ELSTER« ist ein Benutzerkonto erforderlich. Ist dies noch nicht vorhanden, kann eine Registrierung unter www.elster.de vorgenommen werden. Diese ist kostenlos und kann bis zu zwei Wochen dauern.
Maßgebend für die persönliche Erklärungspflicht sind die Verhältnisse am 1.1.2022.
Bei Nichtabgabe oder verspäteter Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Die Höhe des Verspätungszuschlags ist maßgeblich von der Dauer der Fristüberschreitung abhängig. Bei Nichtabgabe der Erklärung kann das FA darüber hinaus die Besteuerungsgrundlagen schätzen.
Das BMF hat einen aktuellen Fragen-Antworten-Katalog zur neuen Grundsteuer veröffentlicht. Dieser richtet sich an steuerliche Laien. Den Fragen-Antworten-Katalog finden Sie auf der Homepage des BMF.
Nachfolgend eine Übersicht, wie hoch die Abgabequote in (ausgewählten) Bundesländern zum 31.1.2023 war.
Bundesland |
Abgabequote 31.1.2023 |
Berlin |
75,7 % |
Bremen |
81,6 % |
Hamburg |
85,5 % |
Hessen |
77 % |
Saarland |
66,7 % |
Thüringen |
77,5 % |
Bis Ende Februar 2023 waren bundesweit 77,68 % aller Grundsteuererklärungen abgegeben worden. Dies berichtete die Bundesregierung in der Sitzung des Finanzausschusses am 1.3.2023 (BT-Drs. 148/2023).
Bislang sind in den FA des Landes Mecklenburg-Vorpommern – Stand 1.5.2023 – mehr als 616 000 Erklärungen zur Feststellung des Grundsteuerwerts eingereicht worden. Somit fehlen noch ca. 14 % der Erklärungen (FinMin Mecklenburg-Vorpommern Pressemitteilung vom 4.5.2023).
Mit dem Grundsteuer-Reformgesetz wurde die Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab 1.1.2022 neu geregelt. Auf den 1.1.2025 wird erstmals eine Hauptveranlagung der Grundsteuermessbeträge auf Grundlage der nach dem Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes ermittelten Werte vorgenommen. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben diesbezüglich mit einem koordinierten Erlass vom 22.6.2022 (AEGrStG, BStBl I 2022, 1171) zur Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025 ausführlich Stellung genommen. Insbes. wird eingegangen auf die
Steuerpflicht,
Bemessung der Grundsteuer,
Festsetzung und Entrichtung der Grundsteuer und
Erlass der Grundsteuer.
Die neuen Regelungen für die Grundsteuer haben zu einer Welle von Einsprüchen geführt. Nach Angaben der DStG lagen – Stand März 2023 – den FA ca. 1,3 Millionen Einsprüche in Zusammenhang mit der Grundsteuerreform vor. Als Einspruchsbegründung werden häufig verfassungsrechtliche Zweifel an dem zugrunde liegenden Bewertungs- bzw. Grundsteuerrecht angebracht.
Darauf macht auch das Thüringer FinMin aufmerksam (Medieninformation vom 18.4.2023) und fügt an, dass bei verfassungsrechtlichen Bedenken die Voraussetzungen für eine »Zwangsruhe des Einspruchsverfahrens« oder eines »Vorläufigkeitsvermerks« i.d.R. erst dann vorliegen, wenn ein Verfahren beim Bundesfinanzhof oder beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist.
Trotz des Einspruchs stellen die FA den Kommunen die Daten der Grundsteuermessbeträge zur Verfügung, sodass Städte und Gemeinden mit dem jeweils geltenden Hebesatz die ab 2025 zu zahlende Grundsteuer berechnen und die Grundsteuerbescheide versenden können. Hierauf weist das Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz hin (Pressemitteilung vom 8.5.2023).
Millionen Einsprüche gegen Grundsteuerwertbescheide werden jedoch von den FA seit über einem halben Jahr nicht bearbeitet. Gegen diese Untätigkeit wollen nun der Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt) und der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland gerichtlich vorgehen (BdSt Pressemitteilung vom 5.9.2023).
Klagen beim FG
Der BdSt und Haus & Grund Deutschland unterstützen mehrere Eigentümer, die sich gegen die Bewertung ihrer Grundstücke im Rahmen der Grundsteuerreform wehren und vor das BVerfG ziehen wollen. In Berlin und Rheinland-Pfalz wurden schon die ersten von beiden Verbänden begleiteten Klagen eingereicht. Jetzt liegen die Aktenzeichen vor: 3 K 3142/23 beim FG Berlin-Brandenburg bzw. 4 K 1205/23 beim FG Rheinland-Pfalz. Damit können Eigentümer, die gegen ihren Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt haben, nun das Ruhen des Verfahrens beantragen. Bei der zuletzt genannten Klage (4 K 1205/23) handelt es sich um eine sog. Sprungklage, d.h. eine Klage, die ohne das erforderliche Vorverfahren beim FA erhoben wurde und die daher nur mit Zustimmung des FA zulässig ist. Ob diese Zustimmung erteilt wird, ist aktuell noch offen.
Musterklagen zur Grundsteuer (Bundesmodell) kommen
Der Bund der Steuerzahler informiert über ein Rechtsgutachten, das im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Deutschland sowie Haus & Grund Deutschland angefertigt wurde. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass das GrStG des Bundes verfassungswidrig ist.
Das Gutachten dient nun als Grundlage für die anvisierten Musterklagen der beiden Verbände gegen das Bundesmodell, das in elf Ländern gilt. Bei der Vorstellung des Gutachtens verwiesen die Verbände auf derzeit sechs geplante Musterprozesse in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und zwei in Nordrhein-Westfalen (Bund der Steuerzahler Pressemitteilung vom 18.4.2023).
Laut Gutachten bestehen mehrere Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells.
Musterklage gegen Grundsteuer B in Baden-Württemberg
Eine breite Verbändeallianz mit dem Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg bringt eine Musterklage gegen die Grundsteuer B auf den Weg. Der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg, die Verbände Haus & Grund Württemberg, Haus & Grund Baden und der Verband Wohneigentum Baden-Württemberg fordern die Finanzverwaltung auf, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Musterklage alle Grundsteuerwertbescheide nur vorläufig zu erlassen. Der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg, die Verbände Haus & Grund Württemberg und Baden sowie der Verband Wohneigentum Baden-Württemberg werden gemeinsam mit betroffenen Eigentümern mehrere Musterklagen gegen die neue Landesgrundsteuer führen (Bund der Steuerzahler Meldung vom 8.12.2022).
Musterklage gegen Grundsteuer B in Sachsen
Mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler Deutschland (BdSt) und Haus & Grund Deutschland ist die erste Musterklage in einem ostdeutschen Bundesland erhoben worden. Hierauf weist der BdSt aktuell hin (Bund der Steuerzahler Meldung vom 11.7.2024).
FG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2023
Nach den Regelungen des Bewertungsgesetzes im sog. Bundesmodell der Grundsteuer, das in Rheinland-Pfalz und zehn weiteren Bundesländern Anwendung findet, wird die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, die ab dem 1.1.2025 von den Gemeinden erhoben werden wird, ganz wesentlich durch die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 vorbestimmt. Diese Feststellung erfolgt durch eigenständige sog. Grundlagenbescheide des FA, sodass Einwände gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage der künftig erhobenen Grundsteuer insofern nur gegen diese Grundsteuerwertbescheide vorgebracht werden können.
Das FG Rheinland-Pfalz hat in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu den Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden, dass die Vollziehung der dort angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen ist (FG Rheinland-Pfalz Beschlüsse vom 23.11.2023, 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23; Beschwerden eingelegt, BFH Az. II B 78/23 (AdV) bzw. II B 79/23 (AdV)).
Sachverhalte
Dem ersten Streitfall lag eine Grundsteuerwertfeststellung für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 72 qm zugrunde. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sei das Haus im Jahr 1880 errichtet, seit Jahrzehnten unrenoviert und noch mit einer Einfachverglasung der Fenster versehen. Daher sei der gesetzlich normierte Mietwert pro qm überhöht. Der Bodenrichtwert für das 351 qm große Grundstück war durch den zuständigen Gutachterausschuss mit 125 €/qm ermittelt worden. Das FA wandte dennoch den gesetzlich normierten Mietwert an und stellte den Grundsteuerwert für die gesamte Immobilie zum Stichtag 1.1.2022 auf 91 600 € fest.
FG Düsseldorf vom 10.5.2024
Zur Bewertung eines Grundstücks als bebautes Grundstück nahm das FG Düsseldorf mit Beschluss vom 10.5.2024 (11 V 533/24 A –BG; Beschwerde zugelassen) Stellung.
BFH vom 27.5.2024
Der BFH beschäftigte sich mit Beschlüssen vom 27.5.2024 (II B 78/23 –ADV und II B 79/23 –ADV) mit der Aussetzung der Vollziehung einer Grundsteuerwertfeststellung im sog. Bundesmodell.
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit koordiniertem Ländererlass vom 24.6.2024 (BStBl I 2024, 1073) im Hinblick auf die BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024 (vgl. 4.7.1) zum Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts bei der Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer nach dem Bundesmodell ab 1.1.2025 und zur Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts Stellung genommen.
Die Hessische Steuerverwaltung hat den Kommunen Hebesatzempfehlungen für die Grundsteuer A und B für das Jahr 2025 mitgeteilt. Zielsetzung der Empfehlung war die aufkommensneutrale Umsetzung der Grundsteuerreform (Hessisches Ministerium der Finanzen Pressemitteilung vom 6.6.2024).
Auch in NRW sind differenzierte Hebesätze möglich (FinMin NRW und Landtag NRW online).
Eisele, Die Grundsteuer, NWB Fach 11, 687; Eisele, Erlass der Grundsteuer auch bei strukturellem Leerstand, NWB Fach 11, 759; Stöckel u.a., Grundsteuererlass nach § 33 GrStG, NWB Fach 11, 783 und 793; Eisele, Erlass der Grundsteuer bei wesentlicher Ertragsminderung – Änderung des § 33 GrStG durch das JStG 2009 –, NWB 2009, 2231; Eisele, Reform der Grundsteuer – Das Ende einer »unendlichen Geschichte«?, Die Steuerwarte März 2017, 23; Leuchtenberg, Klage zur Verfassungsmäßigkeit der Erhebung der Grundsteuer anhängig, NWB 2020, 2221; Stöckel, Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022, NWB 2020, 3324; Eisele, Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – Änderungen beim reformierten Bewertungs- und Grundsteuerrecht sowie bei der Grundbesitzbewertung, NWB 2021, 2903.
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