1 Bewertung für die Grundsteuer
2 Definition des Grundstücks im Zustand der Bebauung
3 Bewertung für die Erbschaftsteuer in der Rechtslage bis zum 31.12.2009
4 Bewertung für die Erbschaftsteuer nach der Rechtslage ab 1.1.2009
5 Verwandte Lexikonartikel
Bei der Einheitsbewertung bleiben bei Grundstücken im Zustand der Bebauung die nicht bezugsfertigen Gebäude oder Gebäudeteile bei der Ermittlung des Werts außer Ansatz (§ 91 BewG; Abschn. 47 Abs. 2 BewRGr).
Für die neue Grundbesitzbewertung für Zwecke der GrSt (Grundsteuerwerte) wurde das BewG um die §§ 218–266 BewG erweitert. Die erste Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte erfolgt auf den 1.1.2022 und gilt für die Hauptveranlagung zur GrSt auf den 1.1.2025, § 266 BewG. Anschließend sollen die Grundsteuerwerte im Abstand von sieben Jahren allgemein festgestellt werden, § 221 BewG. Bei Änderungen der Grundstücksart (z.B. von unbebaut zu bebaut) ist unter den Voraussetzungen des § 222 BewG eine Fortschreibung durchzuführen, z.B. Art- und Wertfortschreibung. Daher ist – wie bisher bei der Einheitsbewertung – die Grundstücksart »Grundstück im Zustand der Bebauung« nicht vorgesehen. Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Hauptfeststellung (z.B. 1.1.2022). Gebäude, die sich am 1.1.2022 noch im Bau befinden, bleiben bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes außer Betracht, vgl. A 246 Abs. 3 Satz 7 AEBewGrSt. Erfolgt die Fertigstellung im Laufe des Jahres 2022, so erfolgt die Art- und Wertfortschreibung gem. § 222 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG zum 1.1.2023, wenn die Wertgrenze aus § 222 Abs. 1 BewG überschritten wird (mehr als 15 000 €). Für den Zeitpunkt der Fertigstellung ist § 246 Abs. 1 Satz 3 BewG zu beachten, vgl. hierzu auch A 246 Abs. 2 AEBewGrSt.
Beispiel 1:
Im Oktober 2021 wird mit der Errichtung eines Einfamilienhauses begonnen. Das Grundstück umfasst eine Fläche von 1 000 qm. Der maßgebende Bodenrichtwert beträgt 500 €. Die Fertigstellung erfolgt im April 2023.
Lösung 1:
Zum Bewertungsstichtag 1.1.2022 ist ein unbebautes Grundstück zu bewerten, da auf dem Grundstück keine benutzbaren Gebäude vorhanden sind, § 246 Abs. 1 BewG. Die Bewertung erfolgt nach § 247 BewG, der Grundsteuerwert ist i.H.v. 500 000 € festzustellen. Durch die Fertigstellung im Laufe des Jahres 2023 erfolgt zum 1.1.2024 eine Wert- und Artfortschreibung. Es liegt ab 1.1.2024 ein bebautes Grundstück vor (Einfamilienhaus, § 249 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Die Bewertung erfolgt im Ertragswertverfahren (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 BewG). § 266 Abs. 2 BewG stellt sicher, dass die Fortschreibungen durchzuführen sind, auch wenn die Werte erst für die Grundsteuer ab 2025 von Bedeutung sind.
Durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) wird in § 149 Abs. 1 BewG das Grundstück im Zustand der Bebauung definiert.
Ein Grundstück im Zustand der Bebauung lag nach dem bisherigen Recht unter folgenden Voraussetzungen vor (§ 149 Abs. 1 BewG):
Abb.: Unbebautes Grundstück im Zustand der Bebauung
Abb.: Bebautes Grundstück im Zustand der Bebauung
Infolge der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Erbschaftssteuergesetzes, wurde Ende 2008 das Erbschaftsteuergesetz umfassend novelliert. Die neue Rechtslage wird grundsätzlich für alle Erwerbe nach dem 31.12.2008 angewandt.
Bezüglich der Grundzüge der Bewertung von Grundstücken mit Gebäuden im Zustand der Bebauung hat sich dem Grunde nach nichts verändert. Anstelle des bisherigen § 149 BewG a.F. finden sich entsprechende Regelungen nunmehr in § 196 BewG. Lediglich die insgesamt festzustellende Ausweitung der Bemessungsgrundlage durch den Versuch der Bewertung zum gemeinen Wert, wird entsprechend auch auf das Gebäude im Zustand der Bebauung durchschlagen.
Der Grundstückswert für ein Grundstück im Zustand der Bebauung setzt sich wie folgt zusammen (§ 149 Abs. 2 BewG):
Wert des Grund und Bodens Grundstücksfläche × Bodenrichtwert × 80 % (§ 145 Abs. 3 BewG);
zzgl. des Wertes der Gebäudesubstanz im Besteuerungszeitpunkt.
1. Schritt: Wert des Grundstücks nach Fertigstellung (§ 149 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 146 BewG):
Übliche Miete nach Fertigstellung × 12,5 = Ausgangswert zzgl. eventuell Zuschlag nach § 146 Abs. 5 BewG = Grundstückswert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Von diesem Wert ist der Gebäudewert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit mit 80 % abzuleiten (§ 149 Abs. 2 Satz 1 und 2 BewG).
Beispiel 2:
Ein Einfamilienhaus wird auf einem 1 000 qm großen Grundstück errichtet. Im Besteuerungszeitpunkt ist dieses Einfamilienhaus noch nicht fertig gestellt. Die übliche Miete des Einfamilienhauses nach Fertigstellung beträgt monatlich 900 €. Der Bodenrichtwert für das Einfamilienhausgrundstück ist nach der Bodenrichtwertkarte mit 500 € anzusetzen.
Lösung 2:
Der Ertragswert des Einfamilienhauses beträgt 900 € × 12 = 10 800 € (übliche Miete) × 12,5 = 135 000 €, erhöht um den Zuschlag nach § 146 Abs. 5 BewG von 20 %; anzusetzen sind somit 162 000 €. Der Mindestwert für das Einfamilienhaus beläuft sich auf 1 000 qm × 500 €/qm × 80 % = 400 000 €. Dieser Betrag ist als Grundstückswert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit anzusetzen. Der sich daraus ergebende Gebäudewert beträgt nach § 149 Abs. 2 Satz 2 BewG 80 % von 400 000 € = 320 000 €.
2. Schritt: Wert der Bausubstanz im Besteuerungszeitpunkt:
Der Gebäudewert im Zeitpunkt der Fertigstellung ist anteilig, nach dem Fertigstellungsgrad des im Bau befindlichen Gebäudes nach den Verhältnissen im Besteuerungszeitpunkt, aufzuteilen. Die Berechnung erfolgt nach dem Verhältnis der angefallenen Herstellungskoten bis zum Zeitpunkt der Besteuerung zu den gesamten Herstellungskosten im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit (§ 149 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Ermittlung des Grundstückswerts:
Wert des Grund und Bodens |
…………. |
+ Bausubstanz |
…………. |
Grundstückswert |
…………. |
Der Höchstwertansatz nach § 149 Abs. 2 Satz 4 BewG ist zu beachten. Der maßgebliche Wert ist nach § 139 BewG zu runden.
Beispiel 3:
A errichtet auf seinem unbebauten Grundstück (600 qm, Bodenrichtwert im Besteuerungszeitpunkt 150 €) ab Mai 03 ein Einfamilienhaus. Am 1.8.03 stirbt A. Bis zu seinem Todestag hat A insgesamt 200 000 € Herstellungskosten aufgewendet. Erbin ist seine Tochter B, die den Bau des Einfamilienhauses im Januar 04 vollendet und dafür weitere 50 000 € Herstellungskosten investiert. Die übliche Miete für das Einfamilienhaus beträgt nach der Fertigstellung 12 000 € im Jahr.
Lösung 3:
Zum Besteuerungszeitpunkt (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 11 ErbStG) am 1.8.03 handelt es sich um ein Grundstück im Zustand der Bebauung i.S.d. § 149 Abs. 1 BewG, da das Einfamilienhaus nicht fertiggestellt ist (siehe § 145 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die Bewertung erfolgt nach § 149 Abs. 2 i.V.m. § 146 BewG im Ertragswertverfahren.
Wert des unbebauten Grundstücks (§ 145 Abs. 3 BewG): 600 qm × 150 € × 80 % = |
72 000 € |
|
Bausubstanz im Besteuerungszeitpunkt: Grundstückswert bei Fertigstellung: 12 000 € × 12,5 = |
150 000 € |
|
Zuschlag (§ 146 Abs. 5 BewG) |
30 000 € |
|
Grundstückswert |
180 000 € |
|
davon 80 % als Gebäudewert (§ 149 Abs. 2 Satz 2 BewG) |
144 000 € |
|
Fertigstellungsgrad: |
||
Herstellungskosten bis zum Erbfall (200 000 €): gesamte Herstellungskosten (250 000 €) = 0,8 × 144 000 € |
115 200 € |
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vorläufiger Grundstückswert |
187 200 € |
Der Ansatz des Höchstwerts i.S.d. § 149 Abs. 2 Satz 4 BewG ist zu beachten. Der Wert des Grundstücks nach Fertigstellung beträgt 180 000 €. Dieser Wert ist als Höchstwert für das Grundstück im Zustand der Bebauung anzusetzen.
Ist die übliche Miete nicht zu ermitteln, ist der Wert entsprechend § 147 BewG zu ermitteln (§ 149 Abs. 3 BewG).
Der Grundstückswert für ein Grundstück im Zustand der Bebauung setzt sich wie folgt zusammen (§ 196 Abs. 2 BewG):
Wert des bisher unbebauten oder bereits bebauten Grundstückes
zzgl. der im Besteuerungszeitpunkt bereits entstandenen Herstellungskosten.
Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich regelmäßig nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 des Baugesetzbuchs). Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen. Bei der Wertermittlung ist stets der Bodenrichtwert anzusetzen, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war. Im Rahmen des JStG 2022 wurde die Übernahme der Bodenrichtwerte präzisiert, vgl. § 177 Abs. 2 BewG. Die Feststellungen sind grds. längstens für 3 Jahre zu übernehmen. Nur wenn sich die maßgebenden Wertverhältnisse nicht wesentlich verändert haben, ist eine Anwendung über diesen Zeitraum hinaus zulässig, § 177 Abs. 2 Satz 5 BewG. Lässt sich von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert nach § 196 des Baugesetzbuchs ermitteln, ist der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten. Der bisherige pauschale Abschlag i.H.v. 20 % auf den Bodenwert (vgl. § 145 Abs. 3 BewG) wird nicht übernommen. Die Gebäude oder Gebäudeteile im Zustand der Bebauung sind nach dem Grad der Fertigstellung zu bewerten. Für eine am gemeinen Wert orientierte typisierende Bewertung ist es ausreichend, die neu errichteten Gebäude und Gebäudeteile mit den am Bewertungsstichtag bereits angefallenen Herstellungskosten dem Wert des bislang unbebauten Grundstücks oder bereits bebauten Grundstücks hinzuzurechnen. Maßgeblich sind hierbei die entstandenen Herstellungskosten; auf den tatsächlichen Zahlungsabfluss kommt es nicht an (vgl. R B 196.2 Abs. 3 ErbStR).
Für ein Grundstück mit noch nicht bezugsfertigem Gebäude ist die Verschonung nach § 13d ErbStG ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 13d ErbStG müssen im Zeitpunkt der Steuerentstehung erfüllt sein, maßgebend sind die in diesem Zeitpunkt vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse (§ 157 Abs. 1 Satz 1 BewG), vgl. hierzu BFH vom 11.12.2004 (II R 30/14).
Beispiel 4:
Zum 1.8.2022 ist ein EFH für Zwecke der ErbSt zu bewerten. An dem EFH wurde im Zeitraum April bis Oktober 2022 ein Anbau errichtet. Hierfür sind bis zum 1.8.2022 Herstellungskosten in Höhe von 40 000 € entstanden, bezahlt wurden hiervon am Stichtag 35 000 €. Der bisherige Grundbesitzwert ohne den Anbau beträgt 300 000 €.
Lösung 4:
Wegen des am Bewertungsstichtag noch nicht fertiggestellten Anbaus liegt ein Grundstück im Zustand der Bebauung vor, § 196 Abs. 1 BewG. Die bis zum 1.8.2022 entstandenen HK sind zu berücksichtigen, unerheblich ist die Bezahlung. Der Grundbesitzwert beträgt somit gem. § 196 Abs. 2 BewG 340 000 €. Die noch nicht bezahlten HK stellen Nachlassverbindlichkeiten dar, § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.
Weitere Berechnungsbeispiele sind den Hinweisen zu § 196 BewG enthalten (vgl. H B 196.2 Abs. 3 und H B 196.2 Abs. 4 ErbStH).
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