1 Definition von IAS/IFRS
2 Bindung an die IAS/IFRS
3 Aufbau des Regelwerks
3.1 Standards
3.2 Interpretations
4 Anwendung des Regelwerks
5 Ziele
6 Vergleich zwischen HGB und IAS/IFRS
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel
Die europäischen »International Accounting Standards«, seit 2002 »International Financial Reporting Standards«, sind international vereinheitlichte Rechnungslegungsvorschriften auf EU-Ebene, die der zunehmenden Globalisierung des wirtschaftlichen Verkehrs Rechnung tragen sollen. Die damit zusammenhängenden Informationsbedürfnisse auf internationaler Ebene können durch einen allein nach nationalem Recht (in Deutschland nach 238 HGB) erstellten Jahresabschluss nicht befriedigt werden, weil damit eine internationale Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Als Vorbild dienten die »US-GAAP«, d.h. die amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften (»US-Generally Accepted Accounting Principles«). Mittelfristig wird eine Vereinheitlichung dieser beiden Werke angestrebt.
Rechtsverbindlichkeit erlangen die IFRS erst durch ihre Anerkennung durch die Europäische Kommission. Die EU-Kommission hat mit Verordnung Nr. 1725/2003 vom 29.9.2003 alle internationalen Rechnungslegungsstandards, die am 14.9.2002 vorlagen, mit Ausnahme von IAS 32 und IAS 39, sowie die entsprechenden Interpretationen übernommen. Diese EU-Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat; damit wurden die Standards automatisch zu nationalem Recht. Die EU veröffentlicht die anerkannten IFRS im Amtsblatt der Europäischen Union in allen Amtssprachen der EU. Nach der EU-Verordnung sind die IFRS aber nicht, wie in IFRS selbst vorgeschrieben, in der englischen Originalfassung verbindlich, sondern in der Amtssprache des jeweiligen Mitgliedstaates. Damit ist für deutsche Unternehmen im Rahmen der EU-Verordnung die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte deutsche Fassung der IFRS verbindlich.
Am 9.4.2024 hat das International Accounting Standard Board (IASB) den Rechnungslegungsstandard IFRS 18 Presentation and Disclosure in Financial Statements veröffentlicht. IFRS 18 betrifft alle IFRS-Anwender und enthält neue grundlegende Vorgaben zur Darstellung des Abschlusses sowie zu den Anhangangaben. IFRS 18 ist grds. für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2027 beginnen, verpflichtend anzuwenden, wobei eine vorzeitige Anwendung erlaubt ist. Die Anwendung in der EU steht grds. unter dem Vorbehalt der Übernahme in EU-Recht im Rahmen des sog. Endorsement.
Das Regelwerk ist wie folgt aufgebaut:
»Framework« mit den allgemeinen Rahmenbedingungen,
einzelne »Standards«, die fortlaufend durchnummeriert sind und
die »Interpretations«, die die Standards konkretisieren und ergänzen.
Die IFRS sind eine Sammlung von Regeln für die Rechnungslegung betriebswirtschaftlicher Unternehmen. Mit IFRS werden in der deutschen Fassung sowohl die einzelnen, seit 2003 neu erstellten Standards (z.B. IFRS 3 – Unternehmenszusammenschlüsse) als auch die Gesamtheit aller Standards (IFRS und IAS) und Interpretationen (von SIC und von IFRIC) bezeichnet. Für diese Gesamtheit aller anzuwendenden Vorschriften wird in der verbindlichen englischen Fassung die Bezeichnung IFRS zur Unterscheidung vom einzelnen Standard (IFRS bzw. IAS) verwendet.
Um eine einheitliche Auslegung und Anwendung der einzelnen Standards zu gewährleisten, wurde vom Board 1997 das SIC und spätere IFRIC gegründet. Aufgabe des IFRIC ist es, zeitnahe Lösungen von Problemen zu erarbeiten, die bei der Anwendung der IAS/IFRS in der Praxis auftreten.
Schon in der Vergangenheit mussten deutsche Firmen als Zugangsvoraussetzung zu internationalen Börsen einen entsprechenden internationalen Abschluss erstellen. Die Anwendung der IAS/IFRS ist für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen für solche Gesellschaften verpflichtend, deren Wertpapiere zu diesem Zeitpunkt in einem beliebigen Mitgliedsstaat der EU zum Handel zugelassen sind.
In Deutschland wurde durch das im Dezember 2004 verabschiedete Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) u.a. diese IAS-Verordnung in nationales Recht umgesetzt. Durch Einfügung des § 315a HGB haben nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen ein Wahlrecht, ihren Konzernabschluss mit befreiender Wirkung nach IFRS aufzustellen. § 315a Abs. 1 HGB schreibt darüber hinaus sowohl für verpflichtend als auch freiwillig aufgestellte IFRS-Konzernabschlüsse die Beachtung bestimmter nationaler Vorschriften (z.B. zum Lagebericht, zur Prüfung und Offenlegung von Konzernschlüssen und bestimmten Angaben gem. § 313 f. HGB) vor.
Beim Einzelabschluss eröffnet das BilReG großen KapGes die Möglichkeit, dass in den Pflichtveröffentlichungen ein IFRS-Einzelabschluss an die Stelle des traditionellen HGB-Abschlusses treten kann. Das Unternehmen wird damit in die Lage versetzt, sich seinen Geschäftspartnern mit einem auf Informationszwecke zugeschnittenen, international »lesbaren« Abschluss zu präsentieren. Für Zwecke der Ausschüttungsbemessung und der Besteuerung ist aber auch weiterhin ein HGB-Einzelabschluss aufzustellen. Unternehmen, die sich entscheiden auf IFRS umzustellen, werden also auf Einzelabschlussebene auf längere Zeit zweigleisig fahren müssen.
Die (freiwillige) Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS kann z.B. für solche Unternehmen von Interesse sein, die sich auf den Gang an die Börse vorbereiten oder deren Banken für das Rating einen Abschluss nach IFRS erwarten. Des Weiteren können die Orientierung an den Informationsbedürfnissen der Shareholder oder die Vereinheitlichung des internen Konzernreportings Motive für die Umstellung auf IFRS sein.
IFRS 18 ist grds. für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2027 beginnen, verpflichtend anzuwenden, wobei eine vorzeitige Anwendung erlaubt ist. Die Anwendung in der EU steht grds. unter dem Vorbehalt der Übernahme in EU-Recht im Rahmen des sog. Endorsement.
Abschlüsse, die nach den IFRS aufgestellt werden, sollen primär Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens liefern. Die herkömmliche deutsche Rechnungslegung nach dem 3. Buch des HGB bezweckt allerdings für Jahresabschlüsse vornehmlich den Gläubigerschutz und erst zweitrangig die Informationen zu Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens. Oberste Grundsätze der IFRS-Rechnungslegung sind der Grundsatz der Periodenabgrenzung und das Fortführungsprinzip. Verständlichkeit, Entscheidungsrelevanz, Wesentlichkeit, Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit sind die qualitativen Anforderungen, denen der Abschluss genügen muss.
Die zu den HGB-Abschlüssen parallel erstellten IFRS-Abschlüsse unterstützen die Kreditverhandlungen mit den Banken aufgrund der erhöhten Transparenz bezüglich einiger Kennzahlen wie Liquidität, Eigenkapitalquote und Lagerumschlag.
Inhaltlich ergeben sich an vielen Stellen Unterschiede zur Rechnungslegung nach HGB, aber auch viele Gemeinsamkeiten zum nationalen Recht. So ändert sich auch nichts am System der Buchführung. Während das HGB Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung bezweckt, dient nach den IAS/IFRS der Abschluss vorrangig den Investoren als Eigenkapitalgeber (sog. Shareholder). Hinter diesem Interesse tritt z.B. das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip zurück.
Die unterschiedlichen Grundprinzipien der Rechnungslegung nach HGB und IFRS haben erhebliche Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede zufolge.
Einige Beispiele:
Der Goodwill aus Unternehmenserwerben ist nach IFRS zwingend zu aktivieren und nur bei Wertminderung abzuschreiben. Bei einer Aktivierung nach HGB ist eine planmäßige Abschreibung vorgeschrieben.
Beim Ansatz selbst erstellter immaterieller WG des AV besteht mit einigen Ausnahmen nach HGB ein Aktivierungswahlrecht – nach IFRS besteht unter bestimmten Voraussetzungen Ansatzpflicht (z.B. Entwicklungskosten).
Bei der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG handelt es sich um ein eigenständiges steuerliches Wahlrecht, das unabhängig davon ausgeübt werden kann, ob in der Handelsbilanz das entsprechende Wahlrecht gem. § 256 Satz 1 HGB ausgeübt wird; jedoch muss dem Grunde nach auch handelsrechtlich die Anwendung des Bewertungsvereinfachungsverfahrens Lifo zulässig sein. Auch eine Einzelbewertung im IFRS-Abschluss steht der Anwendung der Lifo-Methode in der Steuerbilanz nicht entgegen.
Die fortgeführten AK bzw. HK stellen nach IFRS bei vielen Vermögenswerten nicht die Obergrenze der Bewertung dar. Durch die Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value) kommt es nach IFRS in vielen Fällen zu einer Überschreitung des nach HGB zulässigen Wertes.
Das Verbot des Ausweises noch nicht realisierter Gewinne gehört zum Allerheiligsten des deutschen Vorsichtsprinzips – bei IFRS ist eine solche vorzeitige Gewinnrealisierung in bestimmten Bereichen (z.B. bei Auftragsfertigung) nicht nur erlaubt, sondern Pflicht, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
Für einen aktiven Überhang an latenten Steuern besteht nach HGB ein Aktivierungswahlrecht – nach IFRS (insbes. auch auf steuerliche Verlustvorträge) besteht eine Aktivierungspflicht.
Nach IFRS sind alle Arten von Aufwandsrückstellungen verboten.
Diese Beispiele zeigen die Tendenz eines höheren Eigenkapitalausweises durch Verhinderung der Bildung von stillen Reserven und durch – gegenüber dem deutschen Handelsrecht – frühere Gewinnrealisierung.
Grünberger, IFRS 2017 – Ein systematischer Praxisleitfaden, 14. Auflage, NWB; Stute, Bilanzierungsvergleich zwischen Handelsrecht, Steuerrecht und IFRS, PiR Nr. 12 vom 14.12.2018, 359.
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