Innergemeinschaftlicher Erwerb

Stand: 16. Dezember 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Innergemeinschaftlicher Erwerb liegt vor, wenn eine Ware von einem EU-Staat in einen anderen EU-Staat geliefert wird.
  • Die Einfuhrumsatzsteuer an den Zoll entfällt. Stattdessen ist eine Erwerbsbesteuerung durchzuführen.
  • Ausnahmen gelten für bestimmte Personenkreise z.B. Unternehmer, die der Kleinunternehmerregelung unterliegen

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeiner Überblick
2 Warenbewegungen
2.1 Innerhalb der EU
2.1.1 Beförderungs- oder Versendungslieferung an festsehenden Abnehmer
2.1.2 Konsignationslagerregelung
2.1.3 Warenbewegung ohne feststehenden Abnehmer
2.1.4 Warenbewegung aufgrund einer sonstigen Leistung
2.2 Die Durchfuhr bzw. die Einfuhr
2.3 Das innergemeinschaftliche Verbringen
2.4 Die innergemeinschaftliche Verkaufskommission
3 Innergemeinschaftlicher Erwerber
4 Schwellenerwerber
4.1 Allgemeiner Überblick
4.2 Unternehmer mit ausschließlich steuerfreien Umsätzen
4.3 Kleinunternehmer
4.4 Land- und Forstwirte mit Durchschnittsätzen i.S.d. § 24 UStG
4.5 Juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts
4.6 Die Ermittlung der Erwerbsschwelle
4.7 Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle
5 Gegenstände des innergemeinschaftlichen Erwerbs
5.1 Gegenstände im Allgemeinen
5.2 Gegenstände einer Werklieferung
5.3 Gegenstände als Unternehmensvermögen
6 Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs
7 Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG
8 Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb
9 Bemessungsgrundlage, Steuersatz, Entstehung der Erwerbsumsatzsteuer und Steuerschuldner
9.1 Bemessungsgrundlage bei unrichtigem Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG
9.2 Bemessungsgrundlage bei Anwendung der Differenzbesteuerung
9.3 Maßgeblicher Steuersatz
9.4 Steuerentstehung
9.5 Steuerschuldner
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeiner Überblick

Prüfungsschema der Tatbestandsmerkmale zum innergemeinschaftlichen Erwerb:

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§ 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG

Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus einem EU-Staat in einen anderen EU-Staat oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete oder

§ 1a Abs. 2 Satz 1 UStG

Verbringen eines Gegenstandes (→ Innergemeinschaftliches Verbringen). Der Unternehmer ist sogleich Lieferer und Erwerber.

§ 1a Abs. 2a UStG ab 1.1.2020

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb in Form eines Verbringens i.S.d. § 1a Abs. 2 UStG (→ Innergemeinschaftliches Verbringen) liegt in den Fällen des § 6b UStG nicht vor (→ Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer).

§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG

Erwerber ist Unternehmer und Erwerb für das Unternehmen oder

§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG

Erwerber ist juristische Person und Erwerb für nichtunternehmerischen Bereich.

§ 1a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UStG

Die Lieferung erfolgt durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens und

§ 1a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b UStG

der Lieferer ist kein → Kleinunternehmer.

§ 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a bis d UStG

Kein Erwerber, der vom innergemeinschaftlichen Erwerb ausgeschlossen ist wenn

§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG

die Erwerbsschwelle von 12 500 € nicht überschritten ist oder

§ 1a Abs. 4 UStG

dieser Erwerber hat auf die Anwendung der Erwerbsschwelle verzichtet.

§ 3d UStG

Ortsbestimmung.

§ 4b UStG

Steuerbefreiung.

§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG

Bemessungsgrundlage ist das Entgelt.

§ 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG

Vorsteuerabzug.

Abb.: Prüfungsschema zum innergemeinschaftlichen Erwerb

2. Warenbewegungen

2.1. Innerhalb der EU

2.1.1. Beförderungs- oder Versendungslieferung an festsehenden Abnehmer

Der innergemeinschaftliche Erwerb gegen Entgelt setzt eine innergemeinschaftliche Lieferung voraus. Liefert ein Unternehmer einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Ursprungsland) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Bestimmungsland) an einen bereits bestimmten Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG, dann ist diese Lieferung grundsätzlich im Bestimmungsland – als innergemeinschaftlicher Erwerb – steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Der innergemeinschaftliche Erwerb ist in dem Mitgliedstaat steuerbar, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (§ 3d Satz 1 UStG). Befördern oder Versendung i.S.d. § 3 Abs. 6 UStG kann durch den Lieferer, den Erwerber oder durch einen von ihnen beauftragten Dritten geschehen. Ein Gegenstand gelangt aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates, wenn die Beförderung oder Versendung durch den Lieferer oder durch den Abnehmer im Gebiet des einen EU-Mitgliedstaates beginnt und im Gebiet des anderen EU-Mitgliedstaates endet (Abschn. 1a.1. Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Hinweis:

Mit Schreiben vom 10.12.2020 (BStBl I 2020, 1370) äußert sich das BMF zu den Auswirkungen des Brexit (→ Innergemeinschaftliche Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Gemeinschaftsrecht«).

Der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes ist erst dann bewirkt, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferant nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, und wenn der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH Urteil vom 18.11.2010, C-84/09 – X, UR 2011, 103, LEXinform 0589227).

Die sog. gebrochene Beförderung oder Versendung durch mehrere Beteiligte (Lieferer und Abnehmer bzw. in deren Auftrag jeweils ein Dritter) ist für die Annahme der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung – und somit auch für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs – unschädlich, wenn der Abnehmer zu Beginn des Transports feststeht (vgl. Abschn. 6a.1. Abs. 8 Satz 3 ff. i.V.m. Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 4 ff. UStAE) und der Transport ohne nennenswerte Unterbrechung erfolgt. Der liefernde Unternehmer muss nachweisen, dass ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstands und seiner Beförderung oder Versendung sowie ein kontinuierlicher Ablauf dieses Vorgangs gegeben sind (s.a. Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 27.10.2017, 7 V 7222/17, LEXinform 5020694; s.a. Anmerkung von Fritsch, UStB 2/2018, 38).

Steht der Abnehmer bei der im übrigen Gemeinschaftsgebiet beginnenden Beförderung oder Versendung bereits fest, liegt kein innergemeinschaftliches Verbringen, sondern eine Beförderungs- oder Versendungslieferung vor, die grundsätzlich mit Beginn der Beförderung oder Versendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet als ausgeführt gilt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Hiervon ist auszugehen, wenn der Abnehmer die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (BFH vom 16.11.2016, V R 1/16, BStBl II 2017, 1079) und § 6b UStG bereits dem Grunde nach keine Anwendung findet bzw. vonseiten des liefernden Unternehmers und späteren Erwerbers § 6b UStG keine Anwendung finden soll (Abschn. 1a.2. Abs. 6 Sätze 4 und 5 UStAE). Unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG liegt im Ursprungsland eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (→ Innergemeinschaftliche Lieferung) und im Bestimmungsland ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.

2.1.2. Konsignationslagerregelung

Der Gesetzgeber hat in Art. 12 Nr. 8 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) § 6b UStG neu eingefügt (→ Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer).

Nach § 6b Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt die Anwendbarkeit der Konsignationslagerregelung voraus, dass der Unternehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter einen Gegenstand des Unternehmens aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Abgangsmitgliedstaat) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Bestimmungsmitgliedstaat) verbringt. Der Transport muss zu dem Zweck erfolgen, dass nach dem Ende dieser Beförderung oder Versendung die umsatzsteuerliche Lieferung an einen Erwerber bewirkt werden soll, dessen vollständiger Name und vollständige Anschrift dem Unternehmer im Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstands bekannt ist.

Wichtig:

Wichtige Voraussetzungen für die Anwendung der Konsignationslagerregelung sind:

  • Der Unternehmer kennt den potenziellen Erwerber der Ware zum Zeitpunkt des Beginns des Transports.

  • Der Unternehmer muss außerdem im Zeitpunkt des Endes des Warentransports im Bestimmungsmitgliedstaat umsatzsteuerlich noch die Verfügungsmacht an der Ware haben.

  • Außerdem muss die in den Bestimmungsmitgliedstaat verbrachte Ware mit der der späteren Lieferung identisch sein.

§ 6b Abs. 2 UStG regelt die Rechtsfolge, die sich aus der Konsignationslagerregelung ergibt in Form einer Fiktion. Wenn die Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 UStG erfüllt sind, wird

  • zum Zeitpunkt der Lieferung des Gegenstands an den Erwerber, sofern diese Lieferung innerhalb der 12-Monatsfrist nach § 6b Abs. 3 UStG bewirkt wird, die Lieferung an den Erwerber einer im Abgangsmitgliedstaat steuerbaren und steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a UStG) gleichgestellt (§ 6b Abs. 2 Nr. 1 UStG).

  • Überdies wird die Lieferung an den Erwerber einem im Bestimmungsmitgliedstaat steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1a Abs. 1 UStG) gleichgestellt (§ 6b Abs. 2 Nr. 2 UStG).

Die Gleichstellung mit einer im Abgangsmitgliedstaat bewirkten innergemeinschaftlichen Lieferung bedeutet insbesondere, dass diese Lieferung ohne weitere Nachweisvoraussetzungen steuerfrei ist. Neben den Aufzeichnungen nach § 6b Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 22 Abs. 4f UStG bzw. der Angabe der USt-IdNr. des Erwerbers nach § 6b Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 18a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 3 und Abs. 7 Nr. 2a UStG muss der Unternehmer somit keine weiteren Nachweise führen, um die Steuerbefreiung seiner innergemeinschaftlichen Lieferung anwenden zu können. Die Regelung setzt Art. 17a Abs. 3 MwStSystRL um.

Nach Art. 12 Nr. 3 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wird in § 1a UStG ein neuer Abs. 2a eingefügt. Danach liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb i.S.d. § 1a Abs. 2 UStG (innergemeinschaftliches Verbringen) in den Fällen des § 6b UStG nicht vor.

2.1.3. Warenbewegung ohne feststehenden Abnehmer

Ein im Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung nur wahrscheinlicher Abnehmer ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung ist nicht einem zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Abnehmer gleichzustellen (BFH vom 20.10.2016, V R 31/15, BStBl II 2017, 1076; Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 7 UStAE). In derartigen Fällen stellt die Einlagerung von Ware aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in ein inländisches Auslieferungs- oder Konsignationslager ein innergemeinschaftliches Verbringen durch den liefernden Unternehmer i.S.d. § 1a Abs. 2 UStG dar. Die Lieferung an den Abnehmer findet in derartigen Fällen erst mit der Entnahme der Ware aus dem Lager statt und ist folglich im Inland steuerbar (Abschn. 1a.2. Abs. 6 Sätze 8 und 9 UStAE). Beachte aber die Besonderheiten bei Anwendung der Konsignationslagerregelung (→ Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer; s.a. Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 10 UStAE).

2.1.4. Warenbewegung aufgrund einer sonstigen Leistung

Gelangt der Gegenstand aufgrund einer sonstigen Leistung (Miete, Mietleasing) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, so kann – mangels Lieferung – kein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegen. Es liegt auch kein innergemeinschaftliches Verbringen vor, da der Gegenstand nur zu einer vorübergehenden Verwendung ins Inland verbracht wird (§ 1a Abs. 2 UStG, Abschn. 1a.2. Abs. 10 Nr. 2 UStAE).

Beispiel 1:

Der deutsche Unternehmer D vermietet eine Baumaschine an den niederländischen Bauunternehmer N und verbringt die Maschine zu diesem Zweck in die Niederlande. Nach Abschluss des Mietvertrages erwirbt N die Maschine von D.

Lösung 1:

Nach § 3a Abs. 2 UStG wird die Vermietungsleistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. D tätigt in den Niederlanden eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung. Für die sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers ist analog § 13b UStG der Leistungsempfänger N Steuerschuldner (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).

Von einer nur vorübergehenden Verwendung ist auszugehen, wenn einer der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a bis h MwStSystRL genannten Fälle vorliegt.

Art. 17 Abs. 2 Buchst. g MwStSystRL nennt die »vorübergehende Verwendung dieses Gegenstands im Gebiet des Mitgliedstaats der Beendigung der Versendung oder Beförderung zum Zwecke der Erbringung von Dienstleistungen durch den im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung ansässigen Steuerpflichtigen« (BFH vom 21.5.2014, V R 34/13, BStBl II 2014, 914, Rz. 36 und 37).

Bei der Lieferung der Maschine im Anschluss an die Vermietung liegt eine »bewegungslose Lieferung« i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG vor. Die Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

Mit dem Verkauf der Maschine liegt ein innergemeinschaftliches Verbringen i.S.d. § 3 Abs. 1a UStG vor, weil die Absicht des D, Vermietungsumsätze mit der Maschine auszuführen, damit endete. Sobald eine der Voraussetzungen für die Ausnahme der nur vorübergehenden Verwendung nicht mehr vorliegt, wie z.B. beim Verkauf des Gegenstands, ist in diesem Zeitpunkt ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gegen Entgelt gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen (§ 6a Abs. 2 UStG) anzunehmen (Art. 17 Abs. 3 MwStSystRL; Abschn. 1a.2. Abs. 11 Satz 2 und 3 UStAE; BFH V R 34/13, Rz. 39).

Die Steuerbefreiung ist zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat. Dasselbe gilt für die innergemeinschaftliche Lieferung in Gestalt des innergemeinschaftlichen Verbringens (§ 6a Abs. 2 UStG). Da feststeht, dass D die Maschine in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht hat, steht es der Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 2 UStG nicht entgegen, dass D keine Nachweise i.S.d. §§ 17a ff. UStDV vorgelegt hat. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gem. §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG sind erfüllt (BFH V R 34/13, Rz. 44 und 45).

Der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. dem innergemeinschaftlichen Verbringen gem. § 6a Abs. 1 und 2 UStG im Inland steht spiegelbildlich die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüber (§ 1a Abs. 1 und 2 UStG). Die innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands und sein innergemeinschaftlicher Erwerb sind ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang, auch wenn dieser sowohl für die an dem Geschäft Beteiligten als auch für die Finanzbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechte und Pflichten begründet (BFH V R 34/13, Rz. 47). Daher wird durch § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 UStG die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Verbringens unter anderem davon abhängig gemacht, dass der Erwerb des verbrachten Gegenstands beim Abnehmer, der in diesem Fall mit dem Lieferer D identisch ist, den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

Der mit dem Verbringen der Maschine einhergehende innergemeinschaftliche Erwerb in den Niederlanden unterliegt aber gem. den mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 20 MwStSystRL korrespondierenden Vorschriften niederländischen Rechts grundsätzlich der dortigen Erwerbsbesteuerung, sodass diese Voraussetzung erfüllt ist. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt auch nicht voraus, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist (BFH vom 6.12.2007, V R 59/03, BStBl II 2009, 57).

2.2. Die Durchfuhr bzw. die Einfuhr

Die Durchfuhr durch einen weiteren Mitgliedstaat oder durch einen Drittstaat ist bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung unschädlich. Dies gilt auch dann, wenn die Beförderung oder Versendung im Drittlandsgebiet beginnt und der Gegenstand im Gebiet eines EU-Mitgliedstaates der Einfuhrumsatzsteuer unterworfen wird, bevor er in das Gebiet des anderen EU-Mitgliedstaates gelangt. Mit der Einfuhr wird die Ware Gemeinschaftsware.

Kein Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs liegt demnach vor, wenn die Ware aus einem Drittland im Wege der Durchfuhr durch das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates in das Inland gelangt und erst hier einfuhrumsatzsteuerrechtlich zum freien Verkehr abgefertigt wird (Abschn. 1a.1. Abs. 1 Satz 5 UStAE).

Beispiel 2:

Der norwegische Unternehmer N verkauft Ware an den deutschen Unternehmer D. N lässt die Ware in Dänemark zollrechtlich und steuerrechtlich zum freien Verkehr abfertigen und bezahlt entsprechend die dänische EUSt.

Lösung 2:

N liefert zur Kondition verzollt und versteuert. Gem. analoger Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG (Art. 8 Abs. 2 der 6. RLEWG) wird dadurch der Lieferort nach Dänemark verlagert. Mit der Einfuhr wird die Ware Gemeinschaftsware. Aufgrund der Verlagerung des Lieferortes nach Dänemark wird davon ausgegangen, dass hier der Warenweg beginnt. Weil der Warenweg in Deutschland endet, tätigt N in Dänemark an D eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Dies hat zur Folge, dass D in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb tätigt, weil ihm aus Dänemark Gemeinschaftsware geliefert wurde. Nach § 3d Satz 1 UStG ist der innergemeinschaftliche Erwerb des D in Deutschland steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG).

Der Fall ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der Lieferer den Gegenstand erst in Deutschland zum freien Verkehr abfertigen lässt. In diesem Falle liegt keine vorübergehende Einfuhr in das übrige Gemeinschaftsgebiet vor. Die Ware wird erst in Deutschland zur Gemeinschaftsware. Der Lieferort ist aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 8 UStG im Inland. Die Lieferung ist dann steuerbar und steuerpflichtig. D tätigt in diesem Falle keinen innergemeinschaftlichen Erwerb.

Zum Gemeinschaftsgebiet s. Abschn. 1.10. Abs. 1 Satz 2 UStAE).

2.3. Das innergemeinschaftliche Verbringen

Als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt gilt auch das innergemeinschaftliche Verbringen eines Gegenstandes in das Inland (§ 1a Abs. 2 UStG, Abschn. 1a.1. Abs. 1 Satz 6 i.V.m. Abschn. 1a.2. UStAE; → Innergemeinschaftliches Verbringen).

2.4. Die innergemeinschaftliche Verkaufskommission

Grundsätzlich ist die Übergabe des Kommissionsguts an den Verkaufskommissionär keine Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG. Beim Kommissionsgeschäft liegt eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär erst im Zeitpunkt der Lieferung des Kommissionsguts an den Abnehmer vor (Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 7 UStAE; → Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen).

Beispiel 3:

Der spanische Winzer W (Málaga) beauftragt am 15.3.05 den deutschen Kommissionär K, 100 000 Liter Wein im eigenen Namen und auf Rechnung des W in Deutschland zu verkaufen. Als Einkaufspreis müsste W 0,80 €/Liter aufwenden. Am 15.6.05 verkauft K die 100 000 Liter für 100 000 € zzgl. USt an einen Abnehmer D in Deutschland. K erhält eine Provision i.H.v. netto 12 %. W bringt den Wein am 1.4.05 zu K nach Deutschland. K bringt den Wein am 17.6.05 zu D.

Lösung 3:

Ein Reihengeschäft i.S.d. § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG ist nicht gegeben. Diese Voraussetzung ist bei einer Beförderung oder Versendung durch mehrere beteiligte Unternehmer (gebrochene Beförderung oder Versendung) nicht erfüllt (Abschn. 3.14. Abs. 4 UStAE; → Reihengeschäft unter dem Gliederungspunkt »Beförderungs- oder Versendungslieferung durch mehrere Beteiligte«). Weiterhin muss der letzte Abnehmer bei Beginn der Warenbewegung aus dem Verfügungsbereich des ersten Unternehmers feststehen.

Die Übergabe des Kommissionsguts an den Verkaufskommissionär K am 1.4.05 ist keine Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG. Beim Kommissionsgeschäft liegt eine Lieferung des Kommittenten W an den Kommissionär K erst im Zeitpunkt der Lieferung des Kommissionsguts an den Abnehmer D vor (Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 7 UStAE; lt. Sachverhalt am 15.6.05). Da beim Transportbeginn am 1.4.05 durch den Kommittenten W noch nicht feststeht, dass der Kommissionär K die Ware an einen schon feststehenden Dritten weiterliefert, stellt das Verbringen des Weins von W an K ein rechtsgeschäftsloses Verbringen dar. Der Kommittent verbringt den Wein zunächst nur an sich selbst in einen anderen Mitgliedstaat (s.a. Abschn. 1a.2. Abs. 7 Satz 1 UStAE). Es handelt sich dabei um ein innergemeinschaftliches Verbringen nach § 3 Abs. 1a i.V.m. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, das in Spanien nach § 6a Abs. 2 UStG als fiktive innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist. In Deutschland verwirklicht W am 1.4.05 einen innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1a Abs. 2, § 3d Satz 1 UStG). Die Bemessungsgrundlage für die Erwerbsteuer ermittelt sich nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Wein (s.a. Abschn. 1a.2. Abs. 2 Satz 3 und 4 UStAE). Als Bemessungsgrundlage setzt W zutreffend 0,80 €/Liter an, sodass sich eine Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb von 80 000 € ergibt. Die USt darauf beträgt 15 200 €. Zur Ausstellung einer Pro-forma-Rechnung s. Abschn. 14a.1. Abs. 5 UStAE. Steuerschuldner ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG der Erwerber W. Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG spätestens mit Ablauf des Monats, der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb folgt, hier also mit Ablauf des Monats Mai.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Erwerbsteuer als Vorsteuer abzugsfähig. Diese Vorsteuerbeträge sind nicht im Vergütungs-, sondern im Voranmeldungsverfahren geltend zu machen. Das Vergütungsverfahren ist nicht anzuwenden, da W als im Ausland ansässiger Unternehmer im Inland Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG ausgeführt hat (§ 59 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Das Vergütungsverfahren ersetzt nicht das Voranmeldungsverfahren nach § 18 Abs. 4a UStG, nach dem Unternehmer Voranmeldungen abzugeben haben, die ausschließlich Steuer für Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG – Erwerbsteuer – zu entrichten haben.

Die Lieferung K an D gilt am 17.6.05 in Deutschland als ausgeführt, da die Beförderung dort beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Zum gleichen Zeitpunkt (17.6.05) gilt die Lieferung W an K (§ 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UStG) als ausgeführt. Der Ort der Lieferung zwischen W und K bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Die Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Der Ort der Lieferung W an K befindet sich demnach in Deutschland. Beide Lieferungen sind in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.

Bemessungsgrundlage für die Lieferung des K an D ist das Entgelt i.H.v. 100 000 €, die USt beträgt 19 000 €. K ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 Steuerschuldner der USt, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Juni entsteht.

W muss sich in Deutschland registrieren lassen, um die Erwerbsbesteuerung durchzuführen. Für die in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung des W an K schuldet W die Steuer in Deutschland. K rechnet nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG mittels Gutschrift gegenüber W wie folgt ab:

Erlös beim Kunden

100 000,00 €

abzgl. Provision von 12 %

./. 12 000,00 €

abzgl. sonstige Kosten

0,00 €

Bemessungsgrundlage für die fiktive Lieferung durch W

88 000,00 €

USt darauf 19 %

16 720,00 €

In Fällen einer innergemeinschaftlichen Verkaufskommission kann die Lieferung durch den Kommittenten an den Kommissionär schon im Zeitpunkt der Zurverfügungstellung des Kommissionsgutes als erbracht angesehen werden (vgl. Abschn. 1a.2. Abs. 7 UStAE, Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 8 UStAE und Abschn. 3.12. Abs. 2 Satz 5 UStAE). Dies führt dazu, dass der Kommittent bereits zu diesem Zeitpunkt im Ausgangsmitgliedstaat eine innergemeinschaftliche Lieferung – und zwar nach § 6a Abs. 1 UStG an den Kommissionär – bewirkt. Der Kommissionär bewirkt seinerseits zu diesem Zeitpunkt im Bestimmungsmitgliedstaat einen innergemeinschaftlichen Erwerb. Für den Kommittenten entfällt daher im Bestimmungsmitgliedstaat – anders als bei Annahme einer Lieferung an den Kommissionär erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Kommissionsgutes an den Abnehmer mit einem vorgeschalteten Verbringenstatbestand durch den Kommittenten nach § 3 Abs. 1a UStG i.V.m. § 6a Abs. 2 UStG – die Notwendigkeit einer dortigen steuerlichen Erfassung.

Bei Anwendung der v.g. Regelung bestimmt sich die Bemessungsgrundlage sowohl für die innergemeinschaftliche Lieferung des Kommittenten als auch für den innergemeinschaftlichen Erwerb des Kommissionärs gem. § 10 Abs. 1 UStG nach dem Entgelt. Dies ist der vom Kommissionär beim Verkauf an den Abnehmer erzielte Preis abzgl. seiner Kommissionsprovision, sonstiger mit dem Kommissionsgeschäft in Zusammenhang stehender und den Kommittenten weiterbelastende Kosten des Kommissionärs sowie der USt. Die Abrechnungslast liegt grundsätzlich beim Kommissionär, da nur er über die Abrechnungsdaten (Verkaufspreis an den Abnehmer) verfügt. Die endgültige Rechnungslegung wird daher regelmäßig durch den Kommissionär nach dem Verkauf des Kommissionsgutes mittels Gutschrift erfolgen.

Zur Abrechnung und zur Steuerentstehung bei Anwendung der Vereinfachungsregelung nimmt die OFD Frankfurt mit Vfg. vom 4.4.2014 (S 7103a A – 8 – St 110, UR 2014, 786, LEXinform 5235012) Stellung.

Fortsetzung Lösung 3:

Gelangt das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär K im Wege des innergemeinschaftlichen Verbringens vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat, kann die Lieferung jedoch nach dem Sinn und Zweck der Regelung bereits zu diesem Zeitpunkt als erbracht angesehen werden (Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 8 UStAE). Der Kommittent W tätigt mit Beginn der Beförderung des Weins am 1.4.05 an den Kommissionär K in Spanien eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG). Gleichzeitig ist der innergemeinschaftliche Erwerb beim Kommissionär K der Besteuerung zu unterwerfen (Abschn. 1a.2. Abs. 7 Satz 2 und 3 UStAE).

W braucht sich nicht in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke zu registrieren. Seine Lieferung an K ist in Spanien steuerfrei. K kann die Erwerbssteuer in Deutschland als Vorsteuer abziehen.

Fraglich ist, wie der innergemeinschaftliche Erwerb beim Kommissionär K für Zwecke der Umsatzbesteuerung zu bemessen ist, wenn die Veräußerung des Kommissionsgutes nicht spätestens bis zum Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats erfolgt. Im Beispielsfall erfolgt die Veräußerung mit einem Veräußerungserlös von 100 000 € am 17.6.05, der Erwerb erfolgte bereits am 1.4.05. Nach § 18 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG hat der Kommissionär K den innergemeinschaftlichen Erwerb und die hierauf entfallende USt mit Ablauf des Kalendermonats anzumelden, in welchem die Rechnung für die dem innergemeinschaftlichen Erwerb zugrundeliegende Lieferung ausgestellt wurde, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats, hier somit mit Ablauf des Monats Mai.

Die OFD Frankfurt vertritt mit Vfg. vom 4.4.2014 (S 7103a A – 8 – St 110, UR 2014, 786, LEXinform 5235012) dazu folgende Auffassung:

Grundsätzlich muss der Kommissionär K für diesen Fall das Entgelt als maßgebliche Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb zunächst schätzungsweise entsprechend dem erwarteten Veräußerungserlös ermitteln und anmelden; soweit sich Abweichungen aufgrund der späteren tatsächlichen Abrechnungen ergeben, sind die betreffenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu berichtigen.

Aus Vereinfachungsgründen kann jedoch auf eine Korrektur der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlagen und die Abgabe berichtigter Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch den Kommissionär verzichtet werden, wenn er in Bezug auf die Kommissionsgeschäfte zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

3. Innergemeinschaftlicher Erwerber

Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG ist ein Erwerber

  • ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder

  • eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.

Der Erwerber bzw. der Abnehmer des Gegenstands der Lieferung muss zu Beginn der Beförderung oder Versendung i.S.d. § 3 Abs. 6 UStG feststehen. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb ist bei einem Unternehmer, der ganz oder zum Teil zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, unabhängig von einer Erwerbsschwelle (§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG) steuerbar (Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE).

4. Schwellenerwerber

4.1. Allgemeiner Überblick

Bei

  1. einem Unternehmer, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen,

  2. einem Unternehmer, für dessen Umsätze USt nach § 19 Abs. 1 UStG (→ Kleinunternehmer) nicht erhoben wird,

  3. einem Unternehmer, der den Gegenstand zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die die Steuer nach den Durchschnittsätzen des § 24 UStG (→ Land- und Forstwirtschaft) festgesetzt ist, oder

  4. einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt,

liegt ein steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb nur vor, wenn der Gesamtbetrag der innergemeinschaftlichen Erwerbe nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG aus allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Erwerbe neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren über der Erwerbsschwelle von 12 500 € liegt oder wenn nach § 1a Abs. 4 UStG zur Erwerbsbesteuerung optiert wird (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 und 2 und Abs. 4 UStG, Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 1 und 2 UStAE).

Die unter a) bis d) bzw. in § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a bis d UStG bezeichneten Abnehmer werden als Schwellenerwerber bezeichnet, weil sie nur steuerbar innergemeinschaftlich erwerben können, wenn ihre Erwerbe den Betrag von 12 500 € im vorangegangenen Kj. überstiegen haben und ihre Erwerbe auch diesen Betrag im laufenden Kj. voraussichtlich übersteigen werden (§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG).

Die Erwerbsschwelle ist ohne Bedeutung, wenn

  • ein nicht in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG aufgeführter Unternehmer Gegenstände aus einem anderen Mitgliedstaat für sein Unternehmen erwirbt. Es handelt sich dabei um regelbesteuerte, zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer;

  • ein Schwellenerwerber nach § 1a Abs. 4 UStG auf die Anwendung der Erwerbsschwelle verzichtet hat;

  • ein in § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a bis d UStG genannter Erwerber neue Fahrzeuge oder verbrauchsteuerpflichtige Waren aus einem anderen Mitgliedstaat erwirbt (§ 1a Abs. 5 UStG).

Zur Besteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe bei dem in § 1a Abs. 3 UStG genannten Unternehmerkreis (sog. Exoten) s. OFD Frankfurt vom 24.3.2011 (S 7103a A – 6 – St 110, LEXinform 5233259).

4.2. Unternehmer mit ausschließlich steuerfreien Umsätzen

Bei einem Schwellenerwerber i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG müssen sämtliche steuerbaren Umsätze steuerfrei sein und den Vorsteuerabzug ausschließen. Es handelt sich dabei um Unternehmer mit ausschließlich steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 8 ff. UStG (→ Steuerfreie Umsätze, VorsteuerabzugVorsteuerabzug). Wird die Erwerbsschwelle eines solchen Unternehmers überschritten oder erwirbt er neue Fahrzeuge oder verbrauchsteuerpflichtige Ware, darf er die USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 2 UStG).

Nicht unter die Erwerbsschwelle fallen solche Unternehmer, die ausschließlich solche steuerfreien Umsätze ausführen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG nicht ausgeschlossen ist (Abzugsumsätze; → Vorsteuerabzug).

Unternehmer, die nur geringfügige steuerpflichtige Umsätze tätigen, sind keine Schwellenunternehmer, da sie nicht ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Wird ein innergemeinschaftlich erworbener Gegenstand sowohl für Abzugs- als auch für Ausschlussumsätze verwendet, ist die nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG abziehbare Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG lediglich anteilmäßig abzugsfähig.

4.3. Kleinunternehmer

Betroffen davon sind Unternehmer, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebieten ansässig sind und deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kj. 22 000 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kj. 50 000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 UStG).

Tätigt der → Kleinunternehmer steuerbare und steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe, weil er die Erwerbsschwelle überschreitet oder neue Fahrzeuge bzw. verbrauchsteuerpflichtige Ware erwirbt, ist er nicht zum Vorsteuerabzug der Erwerbsteuer berechtigt. Nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG ist die Anwendung des § 15 UStG ausgeschlossen.

Verzichtet der Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 2 UStG auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung, so verliert er die Schwellenerwerbereigenschaft des § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG.

Tritt der Kleinunternehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat mit seiner gültigen USt-IdNr. auf, gibt er dem liefernden Unternehmer zu erkennen, dass er den Gegenstand steuerfrei erwerben will, weil der Erwerb im Bestimmungsland den dortigen Besteuerungsvorschriften unterliegt (§ 1a Abs. 4 Satz 2 UStG; Abschn. 6a.1. Abs. 18 UStAE). Der Kleinunternehmer versteuert in Deutschland den innergemeinschaftlichen Erwerb, kann aber die Vorsteuer nicht abziehen (§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG).

Beachte:

Der liefernde Unternehmer tätigt u.a. nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, wenn der Abnehmer gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. verwendet (§ 6a Abs. 2 Nr. 4 UStG; → Innergemeinschaftliche Lieferung).

4.4. Land- und Forstwirte mit Durchschnittsätzen i.S.d. § 24 UStG

Zur Verwendung der USt-IdNr. durch einen pauschalierenden Land- und Forstwirt (→ Land- und Forstwirtschaft) nimmt die Vfg. der OFD Nürnberg vom 29.8.2002 (S 7130a – 12/St 43, UR 2003, 256, LEXinform 0576780) Stellung.

Abb.: Innergemeinschaftliche Erwerbe bei Land- und Forstwirten

Beispiel 4:

Unternehmer A ist Landwirt. Sein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb mit Viehbestand (Ziegen) befindet sich in Österreich. A wird in Österreich als pauschalbesteuerter Landwirt geführt (§ 22 UStG Österreich). Er verkaufte selbst erzeugte Produkte aus eigener Ziegenhaltung auf einem Wochenmarkt in Deutschland.

A erklärt gegenüber dem deutschen FA stpfl. Umsätze nach § 24 UStG, für die (im Ergebnis) keine Steuer zu entrichten wäre.

Das FA vertritt die Auffassung, dass die Besteuerung nach § 24 UStG einen im Inland belegenen landwirtschaftlichen Betrieb voraussetze. Die Anwendung des § 24 UStG sei somit nicht möglich.

Das Verbringen der Ware von Österreich nach Deutschland stelle grds. einen stpfl. innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 UStG in Deutschland dar, soweit die Ware in Deutschland veräußert werde. Der Ausnahmetatbestand des § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG greife nicht, da dieser die Verwendung der Ware für Umsätze, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG festgesetzt sei, voraussetze.

Lösung 4:

Der Sachverhalt und die Lösung entsprechen dem BFH-Urteil vom 22.3.2023 (XI R 14/21, BStBl II 2023, 945, Vorinstanz s. FG München vom 18.3.2021, 14 K 2639/19, EFG 2021, 1411, UStB 2021, 316 mit Anmerkung von Sterzinger, LEXinform 5023917).

Nach der Entscheidung der Vorinstanz wäre die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG auch für einen im Ausland ansässigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zulässig. Dies führt dazu, dass bezüglich der Verbringung der selbst erzeugten Produkte von Österreich nach Deutschland der Landwirt A grds. einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland verwirklichen würde (§ 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1a Abs. 2, § 3d Satz 1 UStG; s.a. Abschn. 1a.2. Abs. 6 UStAE mit Beispiel).

Da A jedoch die nach Deutschland verbrachten Produkte zur Ausführung von Umsätzen verwendet hat, für die die Steuer – nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz – nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG zu berechnen sei (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG), und die sog. Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG nicht überschritten wird, hätte keine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs zu erfolgen.

Mit Entscheidung vom 22.3.2023 (XI R 14/21, BStBl II 2023, 945) hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und entschieden, dass die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG nur für inländische land- und forstwirtschaftliche Betriebe gilt. Bezüglich eines innergemeinschaftlichen Erwerbs ist der Erwerber somit kein Schwellenerwerber i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG, sondern ein Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG.

Die Regelungen der MwStSystRL deuten auf eine Beschränkung auf die im jeweiligen Mitgliedstaat ansässigen Land- und Forstwirte hin. So gilt nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 2 MwStSystRL als land-, forst- und fischwirtschaftlicher Betrieb ein Betrieb, der in den einzelnen Mitgliedstaaten unter weiteren Voraussetzungen als solcher eingestuft wird. Dies spricht für eine nationale Begriffsbestimmung und damit für eine Beschränkung auf nationale Betriebe. Insbes. aber spricht der Wortlaut der Art. 297 bis 299 MwStSystRL für eine Beschränkung auf im jeweiligen Mitgliedstaat ansässige Land- und Forstbetriebe. Danach werden die von den Mitgliedstaaten festgelegten Pauschalausgleichs-Prozentsätze anhand der allein für die Pauschallandwirte geltenden makroökonomischen Daten der letzten drei Jahre bestimmt. Die Ermittlung der makroökonomischen Daten kann von jedem Mitgliedstaat nur in Bezug auf die im jeweiligen Mitgliedstaat ansässigen Land- und Forstwirte erfolgen. Damit beziehen sich die Pauschalausgleichs-Prozentsätze auf die wirtschaftliche Tätigkeit der im jeweiligen Mitgliedstaat ansässigen Land- und Forstwirte (BFH XI R 14/21, Rz. 22 ff.).

Auch ist der Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat – wie hier der Unternehmer A aus Österreich – nicht dadurch benachteiligt, dass er bei einer Besteuerung der Umsätze in Deutschland – hier mit 7 % – keinen Vorsteuerausgleich in Deutschland erlangen kann. Abgesehen davon, dass er die Vorsteuer aus in Deutschland vollzogenen Eingangsumsätzen in seinen Steuererklärungen in Deutschland geltend machen kann, ist zu beachten, dass er bereits von der Vorsteuer im EU-Ausland durch die dort durch das Verbringen nach Deutschland (Art. 17 Abs. 1 MwStSystRL) ausgelöste Pauschalbesteuerung entlastet wurde (BFH XI R 14/21, Rz. 30).

Unter entsprechender Anwendung des deutschen UStG ist das innergemeinschaftliche Verbringen nach § 3 Abs. 1a UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt (Art. 21 MwStSystRL). Diese Lieferung gilt nach § 6a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftliche Lieferung, die unter den weiteren Voraussetzungen des § 6a UStG nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG in Österreich steuerfrei ist. Der Vorsteuerabzug bleibt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 UStG erhalten.

Ein innergemeinschaftliches Verbringen, bei dem der Gegenstand aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland gelangt, gilt nach § 1a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt (s.a. Abschn. 1a.2. Abs. 2 UStAE). A gilt in Österreich als Lieferer, in Deutschland als Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG (Abschn. 1a.2. Abs. 1 Satz 4 UStAE; s.a. das Beispiel in Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 1 bis 3 UStAE). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG kann A die in Deutschland entrichtete Erwerbssteuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG als Vorsteuer in Deutschland geltend machen (s.a. Abschn. 18.11. Abs. 1 UStAE mit Beispielen).

Die Lieferung der von A selbst erzeugten Produkte aus eigener Ziegenhaltung unterliegen in Deutschland dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (BFH XI R 14/21, Rz. 31 ff.). § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ordnet i.V.m. der Anlage 2 Nr. 2 und Nr. 4 zum UStG eine Steuersatzermäßigung für die Lieferung von Fleisch und Milch und Milcherzeugnissen i.H.v. 7 % an. Unionsrechtliche Grundlage für diese Steuersatzermäßigung ist Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 1 zur MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten auf die Lieferungen von Nahrungsmitteln einen ermäßigten Steuersatz anwenden.

Beispiel 5:

Unternehmer A aus Frankreich liefert an Unternehmer B in Deutschland eine Maschine i.H.v. 100 000 €. B verwendet gegenüber A seine deutsche USt-IdNr.

Lösung 5:

Unternehmer A aus Frankreich tätigt gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, da der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt und der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Art. 138 MwStSystRL).

Der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer B nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 1a UStG der USt (innergemeinschaftlicher Erwerb; Art. 20 MwStSystRL). Der innergemeinschaftliche Erwerb wird nach § 3d UStG in Deutschland ausgeführt, da sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung hier befindet (Art. 40 MwStSystRL).

Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 1 UStG das Entgelt. Der Steuersatz beträgt 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG). Der deutsche Abnehmer schuldet demnach 19 000 € USt (Erwerbssteuer). Nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG kann er allerdings die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen als Vorsteuer geltend machen.

4.5. Juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts

Bei einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, liegt ein steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb nur vor, wenn der Gesamtbetrag der innergemeinschaftlichen Erwerbe nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG aus allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Erwerbe neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren über der Erwerbsschwelle von 12 500 € liegt oder wenn nach § 1a Abs. 4 UStG zur Erwerbsbesteuerung optiert wird (Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE).

Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben grds. alle in ihrem Bereich vorgenommenen innergemeinschaftlichen Erwerbe zusammenzufassen. Bei den Gebietskörperschaften Bund und Länder können auch einzelne Organisationseinheiten (z.B. Ressorts, Behörden, Ämter) für ihre innergemeinschaftlichen Erwerbe als Stpfl. behandelt werden. Dabei wird aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen, dass die Erwerbsschwelle überschritten ist. In diesem Fall können die einzelnen Organisationseinheiten eine eigene USt-IdNr. erhalten (vgl. Abschn. 1a.1. Abs. 3 i.V.m. Abschn. 27a.1. Abs. 3 UStAE).

Im Falle der dezentralen Besteuerung von Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder (§ 18 Abs. 4f und 4g UStG) gilt die Erwerbsschwelle als überschritten (§ 18 Abs. 4f Satz 6 UStG; Abschn. 1a.1. Abs. 4 UStAE).

4.6. Die Ermittlung der Erwerbsschwelle

Zur Ermittlung der maßgeblichen Erwerbsschwelle von 12 500 € gem. § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG sind grundsätzlich die Erwerbsentgelte der Erwerbe aus dem gesamten übrigen Gemeinschaftsgebiet zu berücksichtigen. Bestimmte Erwerbsentgelte sind dabei außer Acht zu lassen (Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE). Die Erwerbsschwelle berechnet sich daher wie folgt:

Gesamtbetrag Erwerbsentgelte

./.

Erwerbsentgelte von Kleinunternehmern (§ 1a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b UStG)

./.

Erwerbsentgelte für verbrauchsteuerpflichtige Waren

./.

Erwerbsentgelte für neue Fahrzeuge (§ 1a Abs. 5 UStG)

=

Erwerbsschwelle

Maßgebend ist grundsätzlich das Erwerbsentgelt des Vorjahres und das voraussichtliche Erwerbsentgelt des laufenden Kj. Um die Erwerbsschwelle ermitteln zu können, muss der Unternehmer im Rahmen seiner Buchführung entsprechende Aufzeichnungen tätigen.

Für einen steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat ist die von diesem festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend (Abschn. 3c.1. Abs. 2 UStAE).

Beispiel 6:

Unternehmer U1 aus Mannheim bestellt und erwirbt – wider Erwarten – im Kj. 02 für seinen unternehmerischen Bereich Computerteile zum Preis von 25 000 € netto von dem französischen Unternehmer U2 aus Paris. Bei U1 handelt es sich um die bisher einzigen Lieferungen aus einem EU-Staat. U1 holt im Kj. 02 die Computerteile in Frankreich ab.

  1. U1 ist kein Kleinunternehmer und ist zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt und hat eine USt-IdNr;

  2. U1 ist Kleinunternehmer.

Lösung 6:

  1. Es handelt sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb, da

    • der Gegenstand aus einem EU-Staat ins Inland gelangt ist und

    • der Gegenstand für das Unternehmen des U1 erworben wurde und

    • U1 kein Kleinunternehmer ist und

    • U1 keine vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen steuerfreien Umsätze tätigt.

Die Erwerbsschwelle ist für diesen Erwerb ohne Bedeutung. U1 muss für diesen Erwerb 19 % von 25 000 € = 4 750 € USt entrichten. Allerdings kann er diesen Betrag als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG).

  1. Die Voraussetzungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb liegen nicht vor, da

    • U1 ein Kleinunternehmer ist und

    • die Erwerbsschwelle im vorangegangenen Kj. 12 500 € nicht überschritten hatte und im laufenden Kj. voraussichtlich nicht überschreiten wird. Wurde die Erwerbsschwelle im vorangegangenen Kj. 01 nicht überschritten und ist zu erwarten, dass sie auch im laufenden Kj. 02 nicht überschritten wird, kann die Erwerbsbesteuerung unterbleiben, auch wenn die tatsächlichen innergemeinschaftlichen Erwerbe im Laufe des Kj. 02 die Grenze von 12 500 € überschreiten (Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 5 UStAE).

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt vor, wenn die Lieferung ausgeführt wurde (Abschn. 1a.1. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Die Ermittlung der Erwerbsschwelle richtet sich nach der Ausführung des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Maßgeblich ist der Gesamtbetrag der innergemeinschaftlichen Erwerbe (Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE). Bei der Ermittlung der Erwerbsschwelle sind die Entgelte relevant, für die im betreffenden Kj. die Steuer entstanden ist (Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 37 Rz. 408). Zur Steuerentstehung s. § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG.

Wenn U1 bereits im Vorjahr 01 für 25 000 € bestellt hätte und die Lieferung im laufenden Kj. 02 ausgeführt wird, wäre zu Beginn des Jahres 02 – anhand der Prognose – die Erwerbsschwelle überschritten, sodass ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegen würde.

Die Lieferung ist in Frankreich durch den französischen Lieferer U2 zu versteuern.

Gem. § 1a Abs. 4 UStG kann U1 auf die Anwendung der Erwerbsschwelle verzichten. Hätte U1 auf die Erwerbsschwelle verzichtet, würde ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegen.

Beispiel 7:

Ein Arzt aus Edenkoben (A) tätigt nur Umsätze gem. § 4 Nr. 14 UStG. Er bestellt und erwirbt im Kj. 03 in Frankreich folgende Wirtschaftsgüter:

  • von U1 medizinische Geräte für seine Praxis i.H.v. 12 450 €,

  • von U2 eine Kiste Wein für 60 € und

  • von U3 ein neues Fahrzeug für 15 000 €.

Der Arzt holt alle Waren persönlich in Frankreich ab.

Lösung 7:

A zählt zu den Unternehmern i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG, da er nur steuerfreie Umsätze tätigt, die zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führen. A hat im Kj. 03 für insgesamt 27 510 € Gegenstände aus einem EU-Staat bezogen. Es ist nach § 1a UStG die Versteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs zu prüfen.

Für A ist gem. § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG die Erwerbsschwelle anwendbar. Nach § 1a Abs. 5 UStG gilt die Erwerbsschwelle allerdings nicht für den Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Wein). Verbrauchsteuerpflichtige Waren sind nach § 1a Abs. 5 Satz 2 UStG Mineralöle, Alkohol, alkoholische Getränke und Tabakwaren. Zu den alkoholischen Getränken gehört z.B. auch der Wein, obwohl dieser in Deutschland nicht verbrauchsteuerpflichtig ist. Unter die Erwerbsschwelle fällt daher nur die Anschaffung der medizinischen Geräte i.H.v. 12 450 €. Dieser Erwerb überschreitet folglich nicht die Erwerbsschwelle von 12 500 €. Eine eventuelle Erwerbsbesteuerung ist von den zu erwartenden Erwerben zu Beginn des Kj. 03 abhängig. Liegt dabei die Erwartung über 12 500 €, so handelt es sich bei der Anschaffung der medizinischen Geräte um einen innergemeinschaftlichen Erwerb. Lag die Erwartung unter 12 500 €, so handelt es sich grds. um keinen innergemeinschaftlichen Erwerb.

A hat allerdings die Möglichkeit, auf die Anwendung der Erwerbsschwelle zu verzichten. Diese Entscheidung muss A aber beim ersten innergemeinschaftlichen Erwerb treffen und er ist dann daran für zwei Jahre gebunden. Verzichtet A nicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle, so unterliegt der Umsatz in Frankreich der französischen USt. U1 tätigt in Frankreich eine stpfl. Lieferung.

Bei der Anschaffung des Weines hängt die Frage der Erwerbsbesteuerung nicht von der Erwerbsschwelle, sondern lediglich davon ab, ob A den Wein für sein Unternehmen erworben hat. Verwendet A den Wein für unternehmerische Zwecke, so kommt es auf der Seite des A zu einem im Inland steuerbaren und stpfl. innergemeinschaftlichen Erwerb. Für U2 läge in diesem Fall eine in Frankreich steuerbare, aber steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass A gegenüber dem Unternehmer seine deutsche USt-IdNr. verwendet (Art. 138 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL; § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG).

Hat A dagegen die Kiste Wein für private Zwecke erworben, so liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Die Lieferung ist in Frankreich steuerbar und steuerpflichtig.

Der Erwerb des neuen Fahrzeugs fällt nicht unter die Erwerbsschwelle und unterliegt davon unabhängig immer der Erwerbsbesteuerung. Wird der Pkw unternehmerisch genutzt, richtet sich die Erwerbsbesteuerung nach § 1a UStG. Hat er den Pkw zu privaten Zwecken erworben, richtet sich die Erwerbsbesteuerung nach § 1b UStG.

Beachte:

Nach dem Spiegelbildprinzip ist die innergemeinschaftliche Lieferung nur mit einem korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb steuerfrei (Abschn. 6a.1. Abs. 16 UStAE). Dagegen ist der innergemeinschaftliche Erwerb auch ohne steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung steuerbar (§ 3d Satz 1 UStG; → Innergemeinschaftliche Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Erwerbsbesteuerung beim Abnehmer«).

4.7. Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle

Der Erwerber kann dem FA erklären, dass er auf die Anwendung der Erwerbsschwelle verzichtet. Er unterliegt dann in jedem Fall der Erwerbsbesteuerung nach § 1a Abs. 1 und 2 UStG. Für die Erklärung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Die Erklärung bindet den Erwerber mindestens für zwei Kj. (§ 1a Abs. 4 UStG, Abschn. 1a.1. Abs. 2 Sätze 6 bis 8 UStAE). Dadurch, dass der Schwellenerwerber den Erwerb des ihm steuerfrei gelieferten Gegenstandes – ausgenommen neue Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtige Waren (§ 1a Abs. 5 UStG) – in einer Voranmeldung der Erwerbsbesteuerung unterwirft, erklärt er den Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle. Nach § 1a Abs. 4 Satz 2 UStG gilt die Verwendung der USt-IdNr. gegenüber dem Lieferanten als Verzichtserklärung (Abschn. 1a.1. Abs. 2 Satz 6 UStAE). Der Erwerber muss den Vorgang der USt unterwerfen.

Hinweis:

Erst durch die Verwendung der USt-IdNr. gegenüber dem Lieferanten wird dessen Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei (§ 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG und Art. 138 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL).

5. Gegenstände des innergemeinschaftlichen Erwerbs

5.1. Gegenstände im Allgemeinen

Die Art. 14 und 15 MwStSystRL definieren die Gegenstände, die solche einer Lieferung – und somit auch einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie eines innergemeinschaftlichen Erwerbs i.S.d. Art. 20 ff. MwStSystRL – sein können. Nach Art. 14 MwStSystRL sind körperliche Gegenstände lieferfähig (s.a. Abschn. 3.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Nach Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL werden Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und ähnliche Sachen den körperlichen Gegenständen gleichgestellt (s. Abschn. 3.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Nicht zu den Gegenständen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gehören der Firmenwert (Geschäfts-, Praxiswert) und der Kundenstamm (Abschn. 3.1. Abs. 1 Satz 5 UStAE; → Lieferung). Der Firmenwert und der Kundenstamm stellen keine Gegenstände i.S.d. Art. 14 und 15 MwStSystRL und somit auch keine Gegenstände einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S.d. Art. 138 ff. MwStSystRL dar. Ebenso kommt das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht in Betracht für Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität i.S.d. § 3g UStG. Durch die spezielle Ortsregelung für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität (Art. 38 MwStSystRL) wird klargestellt, dass Lieferungen dieser Gegenstände keine bewegten Lieferungen sind. Als Konsequenz daraus kann weder eine Ausfuhrlieferung noch eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen (→ Ort der Lieferung). Was nicht Gegenstand einer innergemeinschaftlichen Lieferung sein kann, kann auch nicht Gegenstand eines innergemeinschaftlichen Erwerbs sein (s.a. Abschn. 1a.1. Abs. 1 Satz 7 UStAE).

5.2. Gegenstände einer Werklieferung

Bei einer → Werklieferung liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb nur dann vor, wenn das fertige Werk Gegenstand einer Lieferung ist und sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt (s. dazu Abschn. 3.12. Abs. 4 Satz 7 UStAE).

Bei einer Werklieferung durch Anlagenerrichtung (z.B. Herstellung eines Bauwerks) wird das Baumaterial aus einem EU-Mitgliedstaat ins Inland verbracht. Der Gegenstand der Werklieferung entsteht erst durch Be- oder Verarbeitung der Haupt- und Nebenstoffe. Der Ort der Lieferung bestimmt sich nicht nach § 3 Abs. 6 UStG, da nicht der Liefergegenstand, sondern ein Gegenstand anderer Wesensart befördert wird (Abschn. 3.12. Abs. 4 UStAE). Da der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet wird, ist § 3 Abs. 7 UStG anzuwenden (Abschn. 3.12. Abs. 6 UStAE). Ort der Werklieferung ist dort, wo sich der Gegenstand der Werklieferung (z.B. das Bauwerk) zurzeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Das Verbringen des Baumaterials ist lediglich ein vorübergehendes Verbringen und somit kein innergemeinschaftliches Verbringen und kein innergemeinschaftlicher Erwerb i.S.d. § 1a Abs. 2 UStG (Abschn. 1a.2. Abs. 10 Nr. 1 UStAE). Der Leistungsempfänger ist unter den Voraussetzungen des § 13b UStG Steuerschuldner (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers und dort Gliederungspunkt »Werklieferungen von im Ausland ansässigen Unternehmern« mit Beispielen).

5.3. Gegenstände als Unternehmensvermögen

Ein Unternehmer ist dann Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG, wenn er den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat. Im Gegensatz dazu ist eine juristische Person dann Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG, wenn sie den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erworben hat. Ein Gegenstand ist dann für das Unternehmen erworben, wenn er in die unternehmerische Sphäre des Unternehmers eingeht (Abschn. 15.2b. Abs. 2 UStAE; → Unternehmensvermögen). Ausschließlich unternehmerisch nutzbare Gegenstände sind dabei stets für das Unternehmen erworben. Ausschließlich nichtunternehmerisch nutzbare Gegenstände können nicht für das Unternehmen angeschafft werden. Gemischtgenutzte, einheitliche Gegenstände sind nach der Entscheidung des Unternehmers (Wahlrecht) entweder

  • insgesamt Unternehmensvermögen,

  • insgesamt nicht dem Unternehmen zuzuordnen oder

  • nur zum Teil dem Unternehmen zuzuordnen (Abschn. 15.2c. Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b UStAE; → Unternehmensvermögen).

Durch die Angabe seiner USt-IdNr. gibt der Erwerber zu erkennen, dass er den Liefergegenstand für sein Unternehmen erwerben will; gleichzeitig verzichtet der Erwerber auf die Anwendung der Erwerbsschwelle. Verzichtet der Abnehmer auf die Angabe seiner USt-IdNr., bringt er zum Ausdruck, dass er den Gegenstand nicht für sein Unternehmen erwerben will. In diesem Fall erfüllt die Lieferung des Unternehmers nicht die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG).

Lediglich hinsichtlich der Gegenstände, die für das Unternehmen erworben worden sind, kann es sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb handeln. Eine Ausnahme besteht beim Erwerb neuer Fahrzeuge nach § 1b UStG Der Lieferer kann auch nur insoweit steuerfrei innergemeinschaftlich liefern. Der innergemeinschaftliche Erwerber (Empfänger der Leistung) muss dem Lieferer neben seiner USt-IdNr. auch mitteilen, welche Gegenstände für das Unternehmen erworben werden, da der Lieferer nur hinsichtlich dieser Gegenstände eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausführen kann. Soll ein einheitlicher Gegenstand nur zum Teil unternehmerisch genutzt werden, so ist dem Lieferer der unternehmerisch genutzte Anteil mitzuteilen. Der Lieferer muss somit mit zwei Rechnungen abrechnen. Nur für die steuerfrei innergemeinschaftliche Lieferung ist der Lieferer zur Ausstellung einer → Rechnung nach § 14a UStG verpflichtet, in der er auf die Steuerfreiheit der Lieferungen hinweist. In dieser Rechnung hat der Lieferer nach § 14a Abs. 3 UStG u.a. die USt-IdNr. des Empfängers anzugeben.

6. Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs

Nach § 3d UStG gelten für den innergemeinschaftlichen Erwerb zwei Erwerbsorte. Der innergemeinschaftliche Erwerb wird bewirkt:

  1. in dem Gebiet des Mitgliedstaates, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (§ 3d Satz 1 UStG), und auch

  2. in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, wenn der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine USt-IdNr. dieses Mitgliedstaates verwendet hat, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist (§ 3d Satz 2 UStG).

S. die Ausführungen unter → Ort der Lieferung.

7. Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG

Der innergemeinschaftliche Erwerb wird gem. § 3d Satz 1 UStG grundsätzlich auf dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, erteilte USt-IdNr., gilt der Erwerb gem. § 3d Satz 2 UStG so lange im Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist oder nach den Bestimmungen über innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte gem. § 25b Abs. 3 UStG als besteuert gilt (→ Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft), sofern der erste Abnehmer nach § 18a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 UStG seiner Erklärungspflicht hierüber nachgekommen ist.

Der Unternehmer kann gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen als Vorsteuerbetrag abziehen (→ Vorsteuerabzug).

Das Recht auf Vorsteuerabzug ist zwar ein grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (vgl. z.B. EuGH Urteil vom 22.4.2010 (C-536/08 und C-539/08, BFH/NV 2010, 1225, LEXinform 0589215). Der EuGH hat aber entschieden, dass der Erwerber in dem in § 3d Satz 2 UStG genannten Fall, dass er im Mitgliedstaat der Identifizierung mehrwertsteuerpflichtig ist, weil er die Besteuerung der fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbe im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung nicht nachgewiesen hat, nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.

Bei richtlinienkonformer Auslegung im Lichte der neueren Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG auf den Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs nach § 3d Satz 1 UStG zu beschränken (BFH Urteile vom 8.9.2010, XI R 40/08, BStBl II 2011, 661 und vom 1.9.2010, V R 39/08, BStBl II 2011, 658). S.a. Abschn. 15.10. Abs. 2 UStAE.

Wird der Erwerb nach § 3d Satz 1 UStG im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er nach Maßgabe des § 3d Satz 2 UStG besteuert wurde, so wird die Besteuerungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete USt-IdNr. erteilt hat, entsprechend verringert (§ 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG). Eine Berichtigung ist gem. § 3d Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen (§ 17 Abs. 1 Satz 7 UStG), in dem der Nachweis der Besteuerung im Mitgliedstaat, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, erbracht worden ist.

8. Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb

Die Steuerbefreiung nach § 4b UStG setzt einen innergemeinschaftlichen Erwerb voraus. Durch § 4b Nr. 1 und 2 UStG ist der innergemeinschaftliche Erwerb bestimmter Gegenstände, deren Lieferung im Inland steuerfrei wäre, von der Umsatzsteuer befreit (Art. 140 MwStSystRL; Abschn. 4b.1. Abs. 1 UStAE).

Nach § 4b Nr. 3 UStG ist der innergemeinschaftliche Erwerb der Gegenstände, deren Einfuhr steuerfrei wäre, von der Steuer befreit. Zur Anwendung des § 4b Nr. 3 UStG s. das BFH-Urteil vom 28.9.2006 (V R 65/03, BStBl II 2007, 672; Abschn. 4b.1. Abs. 2 UStAE).

§ 4b Nr. 4 UStG befreit den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, die der Unternehmer für Umsätze verwendet, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG nicht eintritt (z.B. für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen, steuerfreie Ausfuhrlieferungen oder nicht umsatzsteuerbare Lieferungen im Drittlandsgebiet). Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn in diesen Fällen der innergemeinschaftliche Erwerb steuerpflichtig behandelt wird (Abschn. 4b.1. Abs. 3 UStAE).

Die Steuerbefreiung des § 4b UStG findet keine Anwendung für nach § 3d Satz 2 UStG in Deutschland steuerbare innergemeinschaftliche Erwerbe (LfSt Bayern vom 3.4.2012, S 7196 1.1 – 3/2 St 33, UR 2012, 653, LEXinform 5233911; s.a. Anmerkung vom 17.4.2012, LEXinform 0632842).

Verwendet der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten eine USt-IdNr., die ihm nicht von dem Mitgliedstaat erteilt worden ist, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet, kommt es zu einer zweifachen Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs (innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 3d Satz 1 UStG sowie fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 3d Satz 2 UStG). Der Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. vom Unternehmer verwendet worden ist, hat so lange auch ein Besteuerungsrecht, bis die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat des Beförderungs- bzw. Versendungsendes nachgewiesen worden ist. Ein Abzug der Erwerbsteuer nach § 3d Satz 2 UStG als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist nicht möglich (Abschn. 15.10. Abs. 2 Satz 2 UStAE; EuGH Urteil vom 22.4.2010, C-536/08 und C-539/08, BFH/NV 2010, 1225, LEXinform 0589215).

Aus dem vom EuGH im o.g. Urteil aufgestellten Rechtsgrundsatz folgt, dass die Steuerbefreiungen des § 4b UStG nur auf innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 3d Satz 1 UStG, nicht aber auf innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 3d Satz 2 UStG anwendbar sind. Der Unternehmer soll von der Erwerbsteuer nach § 3d Satz 2 UStG nach Ansicht des EuGH so lange tatsächlich wirtschaftlich belastet werden, bis er eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung bzw. Versendung nachgewiesen hat. Eine Entlastung von der Besteuerung des fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs kann demnach weder durch einen korrespondierenden Vorsteuerabzug noch durch eine Steuerbefreiung erfolgen, da ansonsten, wie der EuGH ausführt, »die Anwendung der Grundregel« (Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat des Beförderungs- bzw. Versendungsendes) gefährdet ist.

Da die Steuerbefreiung nach § 4b UStG für im Inland steuerbare innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 3d Satz 2 UStG somit nicht anwendbar ist, sind solche Erwerbe in Deutschland ohne korrespondierenden Vorsteuerabzug so lange steuerbar und steuerpflichtig, bis eine Besteuerung der innergemeinschaftlichen Erwerbe im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung oder Versendung (§ 3d Satz 1 UStG) nachgewiesen worden ist.

Beispiel 8:

Unternehmer D aus Deutschland erwirbt von einem Unternehmer I aus Italien eine Maschine, die D an einen Kunden S in die Schweiz weiterliefert.

Lösung 8:

I tätigt in Italien eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG (Art. 138 MwStSystRL). Da der Erwerber diesen Gegenstand zur Ausführung einer steuerfreien Ausfuhrlieferung verwendet (§ 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 UStG) und der Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG dafür nicht eintritt, ist der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 4b Nr. 4 UStG steuerfrei (Art. 140 MwStSystRL).

Wie der BFH in seinem Urteil vom 21.1.2015 (XI R 5/13, BStBl II 2015, 724) feststellt, besteht zischen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung und dem innergemeinschaftlichen Erwerb keine strenge Konnexität (Abhängigkeit) in der Weise, dass die Steuerbefreiung nur zu gewähren ist, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert wird (EuGH Urteil vom 27.9.2007, C–409/04, BStBl II 2009, 70, Rz 24, 69 ff.). Vielmehr genügt hierfür die bloße Steuerbarkeit in dem anderen Mitgliedstaat (vgl. BFH Beschluss vom 29.7.2009, XI B 24/09, BFH/NV 2009, 1567). Der Umsatzbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb deshalb z.B. auch dann, wenn er dort steuerfrei ist (z.B. nach Art. 140 f., 162 MwStSystRL, § 4b UStG) oder einem sog. Nullsatz unterliegt (so zutreffend Abschn. 6a.1. Abs. 18 Satz 4 UStAE). Deshalb hindert eine Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat die Steuerbefreiung im Ursprungsmitgliedstaat nicht.

Beispiel 9:

Unternehmer D aus Deutschland erwirbt am 15.2.03 (Ausstellung der Rechnung) von einem Unternehmer I aus Italien eine Maschine für 100 000 €, die D als Anlagevermögen in seinem Betrieb einsetzt.

Am 10.10.03 kann D – was nicht vorhersehbar war – die Maschine an einen Unternehmer S in die Schweiz für 110 000 € verkaufen. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG (steuerfreie Ausfuhrlieferung) sind erfüllt.

  1. D tätigt ausschließlich Abzugsumsätze;

  2. D tätigt ausschließlich Ausschlussumsätze;

  3. D tätigt zu 60 % Abzugs- und zu 40 % Ausschlussumsätze.

Lösung 9:

I tätigt in Italien eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG. Da die steuerfreie Verwendung des erworbenen Gegenstandes im Zeitpunkt des Erwerbs nicht feststeht, muss der innergemeinschaftliche Erwerb des D der Besteuerung unterworfen werden.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 1a UStG ist der innergemeinschaftliche Erwerb des D steuerbar und steuerpflichtig. Die Bemessungsgrundlage für die USt beträgt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 100 000 €. Bei einem Steuersatz von 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG) beträgt die USt 19 000 €. Die USt entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG am 15.2.03 (mit Ausstellung der Rechnung). Steuerschuldner ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG der Erwerber D. Nach § 16 Abs. 1 i.V.m. § 18 UStG ist diese Erwerbsteuer im Voranmeldungszeitraum Februar der Besteuerung zu unterwerfen. Nach § 16 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Erwerbsteuer als Vorsteuer zu berücksichtigen. Da D ausschließlich Abzugsumsätze tätigt, ist die Vorsteuer in voller Höhe abziehbar und abzugsfähig.

Der Buchungssatz bei der Anschaffung der Maschine lautet:

Maschine

100 000 €

Vorsteuer

19 000 €

an

Bank

100 000 €

Umsatzsteuer

19 000 €

Nach § 9b Abs. 1 EStG gehört die abzugsfähige Vorsteuer nicht zu den Anschaffungskosten (R 9b EStR).

Am 10.10.03 tätigt D eine steuerfreie Ausfuhrlieferung. Nach § 4b Nr. 4 UStG wird der Gegenstand jetzt zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht eintritt. Im Voranmeldungszeitraum des Eintritts der Steuerbefreiungsvoraussetzungen (Voranmeldungszeitraum Oktober) müssen die Erwerbsteuer und der Vorsteuerabzug berichtigt werden.

Es wird von der Verwaltung auch nicht beanstandet, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb in diesen Fällen als steuerpflichtig behandelt wird (Abschn. 4b.1. Abs. 3 Satz 2 UStAE).

Ertragsteuerrechtlich bleiben die Anschaffungskosten der Maschine mit und ohne Berichtigung der USt und der Vorsteuer unverändert bei 100 000 €.

b) Die Erwerbsteuer beträgt wie oben unter a) dargestellt 19 000 €. Nach § 16 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Erwerbsteuer als Vorsteuer zu berücksichtigen. Da D ausschließlich Ausschlussumsätze tätigt, ist die Vorsteuer in voller Höhe abziehbar, aber nicht abzugsfähig.

Der Buchungssatz bei der Anschaffung der Maschine lautet:

Maschine

119 000 €

an

Bank

100 000 €

Umsatzsteuer

19 000 €

sowie am 10.3.03:

Umsatzsteuer

19 000 €

an

Bank

19 000 €

Nach § 9b Abs. 1 EStG gehört die nicht abzugsfähige Vorsteuer zu den Anschaffungskosten (R 9b EStR).

Am 10.10.03 tätigt D eine steuerfreie Ausfuhrlieferung. Nach § 4b Nr. 4 UStG wird der Gegenstand jetzt zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht eintritt. Im Voranmeldungszeitraum des Eintritts der Steuerbefreiungsvoraussetzungen (Voranmeldungszeitraum Oktober) müssen die Erwerbsteuer und der Vorsteuerabzug berichtigt werden.

Es wird von der Verwaltung auch nicht beanstandet, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb in diesen Fällen als steuerpflichtig behandelt wird (Abschn. 4b.1. Abs. 3 Satz 2 UStAE).

In diesem Fall wird D auf jeden Fall die USt berichtigen, da für den Erwerb kein Vorsteuerabzug möglich war. D ist m.E. zur Berichtigung verpflichtet, da nach § 253 Abs. 1 HGB Vermögensgegenstände höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen sind.

Nach einer Berichtigung der Erwerbsteuer und des Vorsteuerabzugs muss folgende Korrektur vorgenommen werden:

USt-Forderung

19 000 €

an

Maschine

19 000 €

c) Die Erwerbsteuer beträgt wie oben unter a) dargestellt 19 000 €. Nach § 16 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Erwerbsteuer als Vorsteuer zu berücksichtigen. Da D zu 40 % Ausschlussumsätze tätigt, ist die Vorsteuer in voller Höhe abziehbar, aber nur zu 60 % abzugsfähig.

Der Buchungssatz bei der Anschaffung der Maschine lautet:

Maschine

107 600 €

Vorsteuer

11 400 €

an

Bank

100 000 €

Umsatzsteuer

19 000 €

sowie am 10.3.03:

Umsatzsteuer

19 000 €

an

Vorsteuer

11 400 €

Bank

7 600 €

Nach § 9b Abs. 1 EStG gehört die nicht abzugsfähige Vorsteuer i.H.v. 7 600 € zu den Anschaffungskosten (R 9b EStR).

Am 10.10.03 tätigt D eine steuerfreie Ausfuhrlieferung. Nach § 4b Nr. 4 UStG wird der Gegenstand jetzt zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht eintritt. Im Voranmeldungszeitraum des Eintritts der Steuerbefreiungsvoraussetzungen (Voranmeldungszeitraum Oktober) müssen die Erwerbsteuer und der Vorsteuerabzug berichtigt werden.

Es wird von der Verwaltung auch nicht beanstandet, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb in diesen Fällen als steuerpflichtig behandelt wird (Abschn. 4b.1. Abs. 3 Satz 2 UStAE).

In diesem Fall wird D auf jeden Fall die USt berichtigen, da für den Erwerb zum Teil kein Vorsteuerabzug möglich war. D ist m.E. zur Berichtigung verpflichtet, da nach § 253 Abs. 1 HGB Vermögensgegenstände höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen sind.

Nach einer Berichtigung der Erwerbsteuer und des Vorsteuerabzugs muss folgende Korrektur vorgenommen werden:

USt-Forderung

19 000 €

an

Maschine

7 600 €

Vorsteuerrückzahlung an FA

11 400 €

S.a. Elektronisches Wissen Buchungs-ABC, Innergemeinschaftlicher Erwerb mit Vorsteuerabzug, steuerpflichtig – Lexikon Buchungs-ABC, LEXinform 5305449 sowie Buchungsbeispiele, LEXinform 5305450; Elektronisches Wissen Buchungs-ABC, Innergemeinschaftliches Verbringen – Lexikon Buchungs-ABC, LEXinform 5305754 sowie die Buchungsbeispiele unter LEXinform 5305755.

9. Bemessungsgrundlage, Steuersatz, Entstehung der Erwerbsumsatzsteuer und Steuerschuldner

9.1. Bemessungsgrundlage bei unrichtigem Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG

Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb ist das Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Dabei unterliegt das gesamte von dem innergemeinschaftlichen Erwerber an den ausländischen Unternehmer gezahlte Entgelt der deutschen Erwerbsbesteuerung. Daher gehört auch eine zu Unrecht in Rechnung gestellte und gezahlte ausländische USt zur Bemessungsgrundlage (s.a. Vfg. OFD Karlsruhe vom 15.1.2013, S 7103a, UR 2013, 397, LEXinform 5234502 zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Arzneimittellieferungen ausländischer Apotheken an Mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen; → Änderung der Bemessungsgrundlage unter dem Gliederungspunkt »Rabattgewährung durch pharmazeutische Unternehmen« und dort »Rabattgewährung im gesetzlichen Krankenkassensystem«).

Beispiel 10:

Die Apotheke H aus Holland liefert Medikamente an die deutsche Apotheke D bzw. direkt an den im Inland ansässigen gesetzlich Versicherten. Leistungsempfänger i.S.d. UStG ist nach § 2 Abs. 2 SGB V die gesetzliche Krankenkasse. Obwohl die deutsche Krankenkasse ihre deutsche USt-IdNr. gegenüber der Apotheke verwendet, stellt die Apotheke für die Lieferung USt in Rechnung.

Lösung 10:

Die Krankenkasse handelt in Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben und ist somit nicht als Unternehmer anzusehen. Als juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die die Medikamente nicht für ihr Unternehmen erwirbt, ist die Krankenkasse nach § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. d UStG ein Schwellenerwerber. Mit Verwendung ihrer deutschen USt-IdNr. gibt die Krankenkasse zu erkennen, dass sie entweder die Erwerbsschwelle von 12 500 € überschritten oder auf ihre Anwendung verzichtet hat (§ 1a Abs. 4 Satz 2 UStG). Deshalb unterliegt die Krankenkasse bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 1a UStG der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs.

Die gesetzliche Krankenkasse ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG Schuldner der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb des Medikaments entfallenden USt. Sie hat den innergemeinschaftlichen Erwerb in ihrer USt-Voranmeldung (§ 18 Abs. 4a UStG) anzumelden.

Erbringt eine ausländische Apotheke eine innergemeinschaftliche Arzneimittellieferung an die gesetzliche Krankenkasse, ist sie zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Ist die Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, darf die liefernde Apotheke nur einen Nettobetrag ohne USt in Rechnung stellen und muss in der Rechnung auf die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung hinweisen. Zudem muss die Rechnung sowohl die USt-IdNr. der liefernden Apotheke als auch der gesetzlichen Krankenkasse enthalten.

Unabhängig von der tatsächlichen Rechnungsstellung durch die ausländische Apotheke unterliegt das gesamte von der gesetzlichen Krankenkasse an die ausländische Apotheke gezahlte Entgelt der deutschen Erwerbsbesteuerung. Daher gehört auch eine zu Unrecht in Rechnung gestellte (§ 14c Abs. 1 UStG; Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 UStAE) und gezahlte ausländische USt zur Bemessungsgrundlage (s.a. die Rechtsausführungen des BFH in seinem Urteil vom 28.5.2009, V R 2/08, BStBl II 2009, 870).

Nach dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6.7.2017 (L 5 KR 105/16, LEXinform 0447010) kann eine Versandapotheke aus dem europäischen Ausland bei ihrer Abrechnung mit der zuständigen Krankenkasse nicht den Arzneimittelpreis einschließlich USt verlangen, wenn anders als bei einer Apotheke aus dem Inland nicht sie, sondern die Krankenkasse für die Lieferung umsatzsteuerpflichtig ist. Grundsätzlich liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, für den die jeweilige Krankenkasse umsatzsteuerpflichtig ist. Für die Apotheke ist die Lieferung hingegen grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Die Krankenkasse hat von der Apotheke die Erstattung der auf die jeweiligen Preise bereits gezahlten USt verlangt. Das LSG hat die Apotheke zur Erstattung verurteilt.

Umsatzsteuerrechtlich hat dies zur Folge, dass die Apotheke eine berichtigte Rechnung i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14a Abs. 3 UStG ausstellen muss, in der auf die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung hinzuweisen ist. Die Krankenkasse hat daraufhin die USt-Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 5 UStG zu berichtigen.

Mit Urteil vom 10.12.2020 (V R 34/18, BStBl II 2021, 576) hat der BFH folgenden Fall entschieden:

Die Medikamentenlieferung durch die Versandapotheke war in den Niederlanden steuerbar und als entgeltliche innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Dies wiederrum führte bei der gesetzlichen Krankenkasse zu stpfl. innergemeinschaftlichen Erwerben, mit denen diese die Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 1 UStG überschritt. Unerheblich ist, dass die gesetzliche Krankenkasse in Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben kein Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist.

Das FA ermittelte als Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb wie folgt:

1.

Entrichtetes Entgelt der Krankenkasse an die Apotheke (darin ist der Abschlag durch das Pharmaunternehmen berücksichtigt)

2.

zusätzlich die von den pharmazeutischen Herstellern direkt an die Versandapotheken gezahlten Herstellerrabatte

= Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb

Entscheidungsgründe:

Nach der Entscheidung der Vorinstanz (FG Münster vom 13.3.2018, 15 K 832/15, EFG 2018, 1063, LEXinform 5021172) sei der Herstellerrabatt der pharmazeutischen Unternehmer nicht als Bestandteil des Entgelts für den jeweiligen innergemeinschaftlichen Erwerb der Arzneimittel durch die Krankenkasse zu berücksichtigen.

Nach der Revisionsentscheidung V R 34/18 stellt der Herstellerrabatt Entgeltbestandteil des innergemeinschaftlichen Erwerbs der Arzneimittel dar.

Die Beteiligten gehen zu Recht von einem innergemeinschaftlichen Erwerb der gesetzlichen Krankenkasse aus (BFH V R 34/18, Rz. 18). Die Versandapotheken rechneten die gelieferten Arzneimittel mit der Krankenkasse als Leistungsempfängerin ab. Als Erwerber der an ihre Versicherten ausgelieferten Arzneimittel handelte die Krankenkasse im Streitfall als juristische Person i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG, weil sie nach § 4 Abs. 1 SGB V eine rechtsfähige Körperschaft des öffentliches Rechts mit Selbstverwaltung ist (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 13.9.2005, 2 BvF 2/03, LEXinform 0175833, Rz. 163 und § 4 Abs. 1 SGB V).

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das die Bemessungsgrundlage i.S.d. § 10 UStG bestimmende Entgelt alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen (Art. 83 Satz 1 i.V.m. Art. 73 MwStSystRL). In die Steuerbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen sind nach Art. 79 Buchst. b MwStSystRL Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Erwerber oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird.

Das Entgelt für eine bestimmte Leistung ergibt sich regelmäßig auf der Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Entsprechendes gilt für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird. Voraussetzung für die Qualifikation als Entgelt ist das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Leistung und einer tatsächlich empfangenen Gegenleistung (BFH V R 34/18, Rz. 22).

Der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Lieferung der Arzneimittel und dem Herstellerrabatt wird durch § 130a SGB V hergestellt. Denn der Anspruch der Versandapotheken entsteht nach § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V nur aufgrund und in Höhe des Herstellerrabatts, den die Apotheke einer Krankenkasse gem. § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V bei Abgabe von Arzneimitteln zu gewähren hat. Die Zahlung des Herstellerrabatts hängt damit direkt von der Lieferung der Arzneimittel an die Klägerin ab (BFH V R 34/18, Rz. 24).

Pflichten des Herstellers nach § 130a SGB V:

Nach § 130a SGB V erhalten die gesetzlichen Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken oder ihren Zwischenhändlern den Abschlag zu erstatten.

Da die Erstattung des Abschlages zugunsten eines Abnehmers der Medikamentenlieferung in der Leistungskette erfolgt, führt der den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährende gesetzliche Rabatt beim Hersteller zu einer Minderung des Entgelts nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für seine Lieferung an den Zwischenhändler oder die Apotheke (vgl. Abschn. 10.3. Abs. 7 UStAE; s.a. OFD Karlsruhe vom 12.12.2013, S 7330, LEXinform 5234954). Bei der Apotheke stellt die Erstattung des Abschlages durch die Hersteller (ggf. über die Apothekenabrechnungsstelle) Entgelt von dritter Seite für die Lieferung der Arzneimittel dar (Abschn. 10.3. Abs. 7 Satz 3 UStAE).

Mit seinem Urteil V R 34/18 bestätigt der BFH die Verwaltungsregelung der OFD Karlsruhe sowie die in Abschn. 10.3. Abs. 7 UStAE.

Die Einordnung des Herstellerrabatts als Entgelt von dritter Seite entspricht der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Preisnachlässen in Lieferketten (s.a. Abschn. 17.2. UStAE). Es mindert sich einerseits das Entgelt für die Lieferung des Herstellers, wobei der Vorsteuerabzug des Großhändlers unberührt bleibt, und es ist andererseits die Erstattung des Preisnachlasses durch den Hersteller Entgelt von dritter Seite für die Lieferung des Einzelhändlers an den Endverbraucher. Danach bemisst sich hier das Entgelt für die innergemeinschaftlichen Erwerbe der Arzneimittel nach dem von der Krankenkasse an die jeweilige Versandapotheke gezahlten – rabattierten – Betrag zuzüglich des von dem pharmazeutischen Unternehmer der Apotheke gezahlten Herstellerrabatts (BFH V R 34/18, Rz. 26; s.a. Anmerkung vom 19.5.2021, LEXinform 0887305).

9.2. Bemessungsgrundlage bei Anwendung der Differenzbesteuerung

Keine Anwendung findet die Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG dann, wenn der Gegenstand an den Wiederverkäufer in Form einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung geliefert wurde (und somit beim Erwerber ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorlag).

Die Nichtanwendung der Differenzbesteuerung auf innergemeinschaftliche Lieferungen von Kunstgegenständen an den inländischen Wiederverkäufer ist unionsrechtswidrig. Der EuGH hat mit Urteil vom 29.11.2018 (C-264/17, UR 2019, 32, LEXinform 0651552; Vorabentscheidungsersuchen des FG Münster mit Beschluss vom 11.5.2017, 5 K 177/16, EFG 2017, 1222, LEXinform 5020290) entschieden, dass Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass ein stpfl. Wiederverkäufer für die Anwendung der Differenzbesteuerung auf eine Lieferung von Kunstgegenständen optieren kann, die er zuvor im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern erworben hat. Im Urteilsfall C-264/17 hatte der Erwerber die an ihn ausgeführten steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen als innergemeinschaftliche Erwerbe in Deutschland versteuert.

Beispiel 11:

Kunsthändler K betreibt in mehreren deutschen Städten Kunstgalerien. Im Kj. 14 wurden ihm Kunstgegenstände von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Urhebern geliefert. Diese Lieferungen wurden im Ansässigkeitsstaat der Künstler als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen erklärt. K versteuerte sie als innergemeinschaftliche Erwerbe gem. § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz. K beantragte beim zuständigen FA die Anwendung der Differenzbesteuerung auf diese Lieferungen nach § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG. Der Antrag wurde wegen § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG abgelehnt. K beruft sich auf die Anwendung des Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, da nach seiner Auffassung die nationale Regelung in § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht unionsrechtskonform sei.

Lösung 11:

Der Sachverhalt entspricht dem Vorlagebeschluss des FG Münster vom 11.5.2017 (5 K 177/16, EFG 2017, 1222, LEXinform 5020290). Das FG hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um eine Vorabentscheidung gebeten.

Mit Urteil vom 29.11.2018 (C-264/17, UR 2019, 32, LEXinform 0651552) hat der EuGH entschieden, dass Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass ein stpfl. Wiederverkäufer für die Anwendung der Differenzbesteuerung auf eine Lieferung von Kunstgegenständen optieren kann, die er zuvor im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern erworben hat, obwohl diese nicht zu den in Art. 314 MwStSystRL aufgeführten Personengruppen gehören.

Eine Folge der Option zur Differenzbesteuerung durch ein unmittelbares Berufen auf Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ist, dass der Wiederverkäufer insoweit keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug hat, auch wenn Art. 322 Buchst. b MwStSystRL nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt wurde.

Nach einem zentralen Grundsatz des Mehrwertsteuersystems ist das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer nur gegeben, wenn die für diesen Erwerb getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der auf der Ausgangsstufe besteuerten, zum Abzug berechtigenden Umsätze gehören (EuGH C-264/17, Rz. 45). Es verstieße gegen diesen Grundsatz, wenn einem stpfl. Wiederverkäufer, der für die Anwendung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL optiert hat, gestattet würde, in dem in Art. 322 Buchst. b der Richtlinie genannten Fall die entrichtete Vorsteuer in Abzug zu bringen. Wird die Sonderregelung in Form der Differenzbesteuerung angewandt, ist nämlich die Steuerbemessungsgrundlage nach den Art. 315 und 317 MwStSystRL die von dem stpfl. Wiederverkäufer erzielte Differenz (Handelsspanne) abzüglich des Betrags der auf diese Spanne erhobenen Mehrwertsteuer. Unter diesen Umständen ist die bei der Kaufpreiszahlung entrichtete Mehrwertsteuer nicht in der Steuer auf den Verkauf enthalten und eröffnet somit kein Abzugsrecht (EuGH C-264/17, Rz. 46).

Daher bestimmt Art. 322 Buchst. b MwStSystRL, dass der stpfl. Wiederverkäufer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer auf Kunstgegenstände, die ihm vom Urheber oder von dessen Rechtsnachfolgern geliefert werden, nicht von seiner Steuerschuld abziehen darf, sofern die Gegenstände für Lieferungen verwendet werden, die der Differenzbesteuerung unterliegen.

Im Entscheidungsfall C-264/17 beruft sich der Wiederverkäufer unmittelbar auf die in Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vorgesehene Option, die in der nationalen Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, für innergemeinschaftliche Lieferungen von Kunstgegenständen nicht vorgesehen ist. Daraus folgt, dass der Wiederverkäufer nur unter den in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen in den Genuss der Differenzbesteuerung nach diesem Artikel kommen kann, d.h. wenn er für diese Lieferungen keinen Vorsteuerabzug geltend macht.

Mit der Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 29.11.2018 (C-264/17, UR 2019, 32, LEXinform 0651552) gab das FG Münster mit Urteil vom 7.11.2019 (5 K 177/16, EFG 2020, 408, LEXinform 5022795, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 2/20, LEXinform 0952748) der Klage statt (s.a. Anmerkung vom 11.3.2020, LEXinform 0889254). Nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil C-264/17 »Mensing« müsse die Differenzbesteuerung angewandt werden und sei die die innergemeinschaftlichen Erwerbe betreffende Steuer margenmindernd als Bestandteil der Einkaufspreise zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage folge dem Unionsrecht; den Regelungen des Art. 317 Satz 1 i.V.m. Art. 316, 315 und Art. 312 MwStSystRL sei zu entnehmen, dass zum Einkaufspreis bei der Margenbesteuerung auch die Umsatzsteuer gehöre.

Einkaufspreis (innergemeinschaftliche Lieferung)

10 000 €

USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG: 7 %

700 €

zzgl. USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb

+ 700 €

erhöhter Einkaufspreis

10 700 €

Verkaufspreis

20 000 €

Differenzbetrag

9 300 €

Steuersatz § 25a Abs. 5 Satz 1 UStG: 19 %

Die USt ist herauszurechnen (Abschn. 25a.1. Abs. 8 Satz 1 UStAE)

./. 1 485 €

Bemessungsgrundlage

7 815 €

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es bringt im Kern vor, die USt für den innergemeinschaftlichen Erwerb mindere die zu besteuernde Marge nicht.

Einkaufspreis (innergemeinschaftliche Lieferung)

10 000 €

USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG: 7 %

700 €

Verkaufspreis

20 000 €

Differenzbetrag

10 000 €

Steuersatz § 25a Abs. 5 Satz 1 UStG: 19 %

Die USt ist herauszurechnen (Abschn. 25a.1. Abs. 8 Satz 1 UStAE)

./. 1 596 €

USt nach der Rechtsauffassung des FG: 1 485 €.

Bemessungsgrundlage

8 404 €

Im Revisionsverfahren XI R 2/20 hat der BFH die Frage zu klären, ob bei Anwendung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen, die zuvor von Künstlern innergemeinschaftlich erworben wurden, die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb die zu besteuernde Marge mindert.

Mit Beschluss vom 20.10.2021 (XI R 2/20, BStBl II 2022, 503) hat der BFH dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Art. 311 ff. MwStSystRL dahingehend zu verstehen sind, dass bei Anwendung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen, die zuvor vom Urheber (oder dessen Rechtsnachfolgern) innergemeinschaftlich erworben wurden, die auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entfallende Steuer die Handelsspanne (Marge) mindert.

Der BFH ist im Rahmen der Beurteilung nach nationalem Recht der Ansicht, dass eine Berücksichtigung der streitigen USt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 25a Abs. 3 Satz 3 UStG möglich ist. Jedoch ist fraglich, ob eine unionsrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts erfolgen kann, wenn sich die Differenzbesteuerung an sich nach Unionsrecht richtet (s.a. Anmerkung vom 16.3.2022, LEXinform 0888017 sowie Anmerkung von Korn, NWB 11/2022, 736).

Der EuGH hat mit Urteil vom 13.7.2023 (C-180/22, LEXinform 0954069) das Vorabentscheidungsersuchen des BFH mit Beschluss vom 20.10.2021 (XI R 2/20, BStBl II 2022, 503) beantwortet und entschieden, dass die auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichtete Erwerbssteuer Teil der Steuerbemessungsgrundlage ist (s.a. Anmerkung vom 18.8.2023, LEXinform 0431266).

Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen, auf die die Differenzbesteuerung Anwendung findet, ist gem. Art. 315 Abs. 1 MwStSystRL die vom stpfl. Wiederverkäufer erzielte Differenz (Handelsspanne) abzüglich des Betrags der auf diese Spanne erhobenen MwSt. Aus Art. 315 Abs. 2 MwStSystRL ergibt sich, dass die Differenz (Handelsspanne) des stpfl. Wiederverkäufers dem Unterschied zwischen dem von ihm geforderten »Verkaufspreis« und dem »Einkaufspreis« des Gegenstands entspricht (EuGH C-180/22, Rz. 25).

Der EuGH entnimmt dem Wortlaut des Art. 312 MwStSystRL, dass der Begriff »Einkaufspreis« nicht diejenigen Kostenbestandteile umfasst, die der stpfl. Wiederverkäufer nicht an den Lieferer, sondern an Dritte gezahlt hat. Daher umfasst der Einkaufspreis nach Ansicht des EuGH nicht die MwSt, die der Wiederverkäufer an den Fiskus für den innergemeinschaftlichen Erwerb des Gegenstands (Kunstgegenstand) entrichtet hat (EuGH C-180/22, Rz. 28).

Einkaufspreis (innergemeinschaftliche Lieferung)

10 000 €

USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG: 7 %

700 €

Verkaufspreis

20 000 €

Differenzbetrag

10 000 €

Steuersatz § 25a Abs. 5 Satz 1 UStG: 19 %

Die USt ist herauszurechnen (Abschn. 25a.1. Abs. 8 Satz 1 UStAE)

./. 1 596 €

Bemessungsgrundlage

8 404 €

9.3. Maßgeblicher Steuersatz

Für den steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb gelten die Steuersätze des § 12 Abs. 1 und 2 UStG.

9.4. Steuerentstehung

Die USt für den innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats. Rechnungen vor Ausführung der Lieferung (Vorausrechnung) oder Anzahlungen lösen keine Erwerbsbesteuerung aus und führen nicht zu einer USt-Entstehung, da noch kein innergemeinschaftlicher Erwerb (Steuertatbestand) vorliegt.

9.5. Steuerschuldner

Steuerschuldner ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG der Erwerber und nicht der Lieferer.

10. Literaturhinweise

Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt).

11. Verwandte Lexikonartikel

Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen bzw. -erwerbe

Innergemeinschaftliche Lieferung

Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft

Innergemeinschaftliches Verbringen

Ort der Lieferung

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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