1 Überblick
2 Gesellschaftsrecht
2.1 Ordentliche Kapitalherabsetzung
2.2 Vereinfachte Kapitalherabsetzung
2.3 Erwerb eigener Anteile der Gesellschaft
3 Steuerrecht
3.1 Steuerliche Folgen für die Gesellschaft
3.1.1 Steuerliches Einlagekonto und Sonderausweis nach § 28 KStG
3.1.2 Körperschaftsteuerminderung und -erhöhung
3.2 Steuerliche Folgen für die Gesellschafter
3.2.1 Beteiligung im Privatvermögen
3.2.2 Beteiligung im Betriebsvermögen
3.3 Einlagenrückgewähr ausländischer Gesellschaften
4 Literaturhinweise
5 Verwandte Lexikonartikel
Gesellschaftsrechtlich wird zwischen der ordentlichen Kapitalherabsetzung, die zur Freisetzung von Mitteln für eine Rückzahlung von Kapital an die Anteilseigner führt, und der vereinfachten Kapitalherabsetzung, die nur dem Ausgleich von Wertminderungen oder sonstigen Verlusten dient, unterschieden. Da beide Formen der Kapitalherabsetzung – als Antonym der → Kapitalerhöhung – dazu führen, dass den Gläubigern der Kapitalgesellschaft Haftungsmasse entzogen wird, sieht das Gesetz strenge formale Voraussetzungen für Kapitalherabsetzungen vor.
Aus steuerlicher Sicht unterscheidet sich die Behandlung der beiden Formen der Kapitalherabsetzung auf Gesellschaftsebene nicht. Das zu versteuernde Einkommen der Gesellschaft wird durch die Kapitalherabsetzung nicht tangiert. Nur wenn der Kapitalherabsetzungsbetrag auch an die Anteilseigner ausgekehrt wird (ordentliche Kapitalherabsetzung), kommt es zu steuerlichen Auswirkungen auf Gesellschafterebene.
Als Gründe für eine Kapitalherabsetzung kommen insbesondere in Betracht
die Rückzahlung von nicht benötigtem Stammkapital,
die Abfindung ausscheidender Gesellschafter,
der Erlass noch ausstehender Einlageforderungen,
die Heilung verdeckter Sacheinlagen,
die Einziehung eigener Gesellschaftsanteile,
der bilanzmäßige Ausgleich eines Jahresfehlbetrags.
Am Beispiel der Kapitalherabsetzung bei einer GmbH (§ 58 GmbHG) wird nachfolgend ein Überblick über die erforderlichen Einzelschritte gegeben:
Die ordentliche Kapitalherabsetzung bedarf eines satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses mit einer Mehrheit von mindestens 3/4 der abgegebenen Stimmen (§ 53 GmbHG), der notariell zu beurkunden ist. Die Herabsetzung kann nur für einen Gesellschaftsanteil oder für alle Gesellschaftsanteile anteilig gelten.
Der Herabsetzungsbeschluss muss den Gläubigern nach einer Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG vom 30.7.2009, BGBl I 2009, 2479) nicht mehr an drei aufeinander folgenden Terminen, sondern nur noch einmal in den Gesellschaftsblättern (d.h. elektronischer Bundesanzeiger) bekannt gemacht werden (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Die Pflicht zur Veröffentlichung obliegt den Geschäftsführern.
Nach der Veröffentlichung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses ist ein Sperrjahr abzuwarten (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG).
Nach Ablauf des Sperrjahres haben sämtliche Geschäftsführer den Herabsetzungsbeschluss in notariell beglaubigter Form persönlich zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 58 Abs. 1 Nr. 3, § 78 GmbHG).
Nach Eintragung in das Handelsregister ist die Kapitalherabsetzung entsprechend dem Beschluss vorzunehmen, d.h. das Stammkapital ist umzubuchen, der Herabsetzungsbetrag ist auszuzahlen etc.
Die vereinfachte Kapitalherabsetzung, die nur zum Ausgleich von Wertminderungen oder zur Deckung von Verlusten vorgenommen werden darf, kann auch als nominelle Kapitalherabsetzung bezeichnet werden. Bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung einer GmbH (§ 58a GmbHG) sind folgende Besonderheiten zu beachten:
Solange die Gesellschaft über einen Gewinnvortrag verfügt, ist eine vereinfachte Kapitalherabsetzung nicht zulässig (§ 58a Abs. 2 Satz 2 GmbHG).
Solange die Gesellschaft über Gewinn- oder Kapitalrücklagen (→ Rücklage) verfügt, die höher sind als 10 % des Stammkapitals nach der geplanten Kapitalherabsetzung, ist diese ebenfalls nicht zulässig (§ 58a Abs. 2 Satz 1 GmbHG).
Die Nennbeträge der Geschäftsanteile sind im Kapitalherabsetzungsbeschluss dem herabgesetzten Stammkapital anzupassen (§ 58a Abs. 3 GmbHG). Die Herabsetzung kann nur im gleichen Maßstab anteilig erfolgen.
Innerhalb eines Fünfjahreszeitraums nach Herabsetzungsbeschluss darf eine Gewinnausschüttung nur erfolgen, wenn die Kapital- und Gewinnrücklagen zusammen 10 % des herabgesetzten Stammkapitals erreichen (§ 58d Abs. 1 GmbHG). In den ersten zwei Jahren gilt eine gesonderte Ausschüttungssperre.
Der Zweck der Kapitalherabsetzung muss ausdrücklich im Gesellschafterbeschluss angegeben werden. Zulässige Gründe sind Ausgleich der Wertminderung, Deckung sonstiger Verluste oder Einstellung in die Kapitalrücklage (analog § 229 Abs. 1 Satz 2 AktG, OLG Hamm, Beschluss vom 11.11.2010, I 15 W 191/10, GmbHR 2011, 256).
Der Herabsetzungsbeschluss muss innerhalb von drei Monaten nach der Beschlussfassung im Handelsregister eingetragen sein.
Gläubigeraufruf und Sperrjahr entfallen bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung.
Hinweis:
Die vereinfachte Kapitalherabsetzung kann auch mit einer → Kapitalerhöhung verbunden werden (sog. Kapitalschnitt). Für Sanierungszwecke führen die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft in diesem Fall gleichzeitig neues Kapital zu (vgl. § 58a Abs. 4 GmbHG).
Nach dem BilMoG wird der Erwerb eigener Anteile auf Ebene der Gesellschaft handelsrechtlich einer Kapitalherabsetzung gleichgestellt (siehe z.B. BFH Urteil vom 6.12.2017, IX R 7/17, BStBl II 2019, 213). Dabei wird der Nennbetrag offen vom gezeichneten Kapital abgesetzt (§ 272 Abs. 1a HGB). Die den Nennbetrag übersteigenden Anschaffungskosten werden mit den frei verfügbaren Gewinn- und Kapitalrücklagen verrechnet (BMF vom 27.11.2013, IV C 2-S 2742/07/10009, BStBl I 2013, 1615).
Weder eine ordentliche noch eine vereinfachte Kapitalherabsetzung hat – unabhängig davon, ob der Herabsetzungsbetrag an die Gesellschafter zurückbezahlt wird – Auswirkungen auf das zu versteuernde Einkommen der Kapitalgesellschaft. Gleichwohl hat eine Kapitalherabsetzung Auswirkungen auf einen Sonderausweis nach § 28 KStG (→ Sonderausweis der in Nennkapital umgewandelten Rücklage gem. § 28 KStG) und das steuerliche Einlagekonto (→ Steuerliches Einlagekonto) sowie bis einschließlich VZ 2006 – wenn der Herabsetzungsbetrag an die Gesellschafter ausgekehrt wird – auf das Alt-EK 02 (→ Körperschaftsteuererhöhung; vgl. BMF vom 4.6.2003, IV A 2-S 2836-2/03, BStBl I 2003, 366).
Der Sonderausweis nach § 28 KStG (→ Sonderausweis der in Nennkapital umgewandelten Rücklage gem. § 28 KStG) soll vermeiden, dass Rückzahlungen an die Gesellschafter aufgrund einer Kapitalherabsetzung, die einer → Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln folgt, der Dividendenbesteuerung entgehen. Denn die Rückzahlung von Stammkapital nach einer Kapitalherabsetzung ist grundsätzlich nicht steuerbar, während → Ausschüttungen aus Gewinnrücklagen zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen.
Soweit bei einer Kapitalherabsetzung der Sonderausweis nach § 28 KStG als verwendet gilt, führen die Leistungen an den Gesellschafter daher ebenfalls zu steuerpflichtigen Erträgen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG; § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).
Bei der Kapitalherabsetzung gilt nach § 28 Abs. 2 KStG der Sonderausweis als zuerst für die Kapitalherabsetzung verwendet. Übersteigt der Betrag der Kapitalherabsetzung den Sonderausweis, erhöht der Differenzbetrag den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem die Kapitalherabsetzung wirksam wird (§ 28 Abs. 2 Satz 1 KStG; BMF vom 4.6.2003, IV A 2-S 2836-2/03, BStBl I 2003, 366, Tz. 37). Das steuerliche Einlagekonto ist auch dann zunächst zu erhöhen, wenn der Kapitalherabsetzungsbetrag anschließend an die Anteilseigner ausgekehrt wird. Allerdings vermindert der Auskehrungsbetrag im Jahr der Auszahlung den Bestand des steuerlichen Einlagekontos in entsprechender Höhe (§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG). Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG geht damit der Differenzrechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG (→ Steuerliches Einlagekonto) vor.
Damit die auf die Kapitalherabsetzung folgende Auszahlung als steuerfreie Auskehrung von Stammkapital i.S.d. § 28 Abs. 2 Satz 3 KStG behandelt werden kann, muss die Rückzahlung eindeutig als Teilakt des Herabsetzungsvorgangs identifizierbar sein. Sollte die Auszahlungsabsicht nicht bereits im Herabsetzungsbeschluss festgehalten worden sein, kann sie anhand der weiteren tatsächlichen Umstände festgestellt werden (BFH Urteil vom 21.10.2014, I R 31/13, BStBl II 2016, 411).
Hinweis:
Wird eine tatsächlich erbrachte Einlage eines Gesellschafters nicht im bestandskräftigen Feststellungsbescheid berücksichtigt (keine Berichtigung nach § 129 AO möglich), kann diese auch nicht durch eine nachfolgende Kapitalheraufsetzung mit anschließender Kapitalherabsetzung im nachfolgenden Wj. dem steuerlichen Einlagekonto zugeführt werden. Vielmehr ist insoweit ein Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG festzustellen.
Dieser »Hilfslösung« als Gestaltung bei nicht im steuerlichen Einlagekonto erfassten Einlagen (vgl. hierzu Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2013, 1233 und Ott, DStR 2014, 673) hat auch das FG München vom 24.10.2023, 6 K 2838/20, EFG 2024, 319 eine eindeutige Absage erteilt. Die Revision ist unter dem Az. VIII R 41/23 anhängig.
Eine → Körperschaftsteuerminderung konnte auch vor Einführung der ausschüttungsunabhängigen ratierlichen Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens durch das SEStEG (BGBl I 2006, 2782) durch die Auskehrung des Herabsetzungsbetrags nicht ausgelöst werden. Da die Kapitalherabsetzung nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht, kam eine Körperschaftsteuerminderung nicht in Frage (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG).
Hingegen konnte eine → Körperschaftsteuererhöhung bis zur Einführung der ausschüttungsunabhängigen ratierlichen Rückzahlung eines Alt-EK 02-Bestands durch die Auskehrung des Herabsetzungsbetrags verursacht werden. Eine Erhöhung der → Körperschaftsteuer trat ein, wenn für die Auszahlung Alt-EK 02 als verwendet galt. Dies war der Fall, soweit die Summe der → Ausschüttungen, welche die Gesellschaft in dem → Wirtschaftsjahr erbringt, den um den Bestand des Alt-EK 02 verminderten ausschüttbaren Gewinn überstieg. Die → Körperschaftsteuererhöhung betrug gem. § 38 Abs. 2 Satz 1 KStG 3/7 des Auskehrungsbetrags.
Im Rahmen einer Kapitalherabsetzung können nur dann steuerliche Folgen auf Ebene der Gesellschafter auftreten, wenn das herabgesetzte Stammkapital auch an die Gesellschafter ausgezahlt wird.
Grundsätzlich führt die Rückzahlung des herabgesetzten Stammkapitals allerdings zu nicht steuerbaren Leistungen, da der Gesellschafter lediglich das zuvor – aus versteuertem Einkommen – eingezahlte Kapital zurückerhält. Selbst wenn die Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert wird, liegt keine steuerbare → Leistung vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Etwas anderes gilt hingegen, soweit für die Rückzahlung der Sonderausweis i.S.d. § 28 KStG als verwendet gilt. In diesem Fall ist danach zu unterscheiden, ob die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Privat- oder → Betriebsvermögen gehalten wird und ob es sich um das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft bzw. eines Einzelunternehmens oder einer Kapitalgesellschaft handelt.
Hält der Gesellschafter die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft, die ihr Kapital herabgesetzt hat, im Privatvermögen, erzielt er → Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, soweit für die Rückzahlung der Sonderausweis als verwendet gilt. Die Einkünfte unterliegen ab dem VZ 2009 der → Abgeltungsteuer (vorher: der Besteuerung nach dem → Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG)). Diese Einkünfte unterliegen bei der Gesellschaft dem Kapitalertragsteuerabzug (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG; → Kapitalertragsteuer).
Handelt es sich bei der Beteiligung um eine wesentliche i.S.d. § 17 EStG (mind. 1 %), ist zusätzlich § 17 Abs. 4 EStG zu beachten. Danach entsteht ein steuerpflichtiger Gewinn, wenn der Auskehrungsbetrag nach Abzug eventueller Kosten die → Anschaffungskosten für die Beteiligung übersteigt. Auch auf diesen Gewinn ist das → Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) bzw. ab dem VZ 2009 das Teileinkünfteverfahren anzuwenden.
Beispiel:
A hält 100 % der Anteile an der B-GmbH mit einem Stammkapital von 100 000 €. Er hat die Anteile 02 für 50 000 € erworben. Im Jahr 06 wird das Stammkapital auf 50 000 € herabgesetzt und an A ausgekehrt.
Lösung:
Ein Gewinn i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG kann entstehen, wenn der Gesellschafter die Anteile zu einem Preis unterhalb des Stammkapitals erworben hat. In diesem Fall sind die → Anschaffungskosten des Gesellschafters anteilig auf den Herabsetzungsbetrag zu verteilen.
Auskehrungsbetrag (50 000 € × 1/2) |
25 000 € |
anteilige Anschaffungskosten (50 000 € × 1/2 × 1/2) |
12 500 € |
Gewinn i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG |
12 500 € |
Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG |
./. 4 530 € |
steuerpflichtiger Gewinn |
7 970 € |
Hinweis:
Die vereinfachte Kapitalherabsetzung kann mangels Auskehrung nicht zu einem Gewinn i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG führen.
Wird die Beteiligung im → Betriebsvermögen einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschaftern oder im → Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens gehalten, führt die Auskehrung, für die der Sonderausweis verwendet wird, gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 8 EStG i.V.m. § 15 EStG zu steuerpflichtigen (gewerblichen) Einkünften, auf die ebenfalls das → Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG) bzw. ab dem VZ 2009 das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist. § 17 EStG ist jedoch nicht anwendbar, da die Vorschrift nur für im Privatvermögen gehaltene Beteiligungen gilt. Ein Gewinn oder Verlust aus der Kapitalherabsetzung kann jedoch im Rahmen des Betriebsvermögensvergleiches entstehen, wenn das zurückgezahlte Kapital den Buchwert der Beteiligung übersteigt.
Befinden sich die Gesellschaftsanteile im → Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft, führt die Rückzahlung, soweit hierfür der Sonderausweis i.S.d. § 28 KStG verwendet wird, zu nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Erträgen. 5 % des Auskehrungsbetrags unterliegen als nicht abziehbare Betriebsausgaben der Besteuerung (§ 8b Abs. 5 KStG). Daneben entsteht wiederum kein Gewinn, wenn sich die → Anschaffungskosten der Beteiligung mit dem anteiligen Stammkapital decken. Ist dies nicht der Fall, entsteht ein → Veräußerungsgewinn, der nach § 8b Abs. 2 KStG i.V.m. Abs. 3 KStG zu 95 % steuerfrei ist bzw. ein Veräußerungsverlust, der in ganzer Höhe steuerlich unberücksichtigt bleibt (§ 8b Abs. 3 KStG).
Kapitalherabsetzungen von Körperschaften oder Personenvereinigungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtig sind, können nach § 27 Abs. 8 KStG ebenfalls zur steuerfreien Einlagenrückgewähr führen. Die Qualifikation erfolgt in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 6 KStG und der §§ 28 und 29 KStG. Die Einlagenrückgewähr wird auf Antrag für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gesondert festgestellt, § 27 Abs. 8 Satz 3 EStG. Der Antrag ist bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Leistung erfolgt ist, § 27 Abs. 8 Satz 4 KStG. Es handelt sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist (BMF vom 4.4.2016, IV C 2-S 2836/08/10002, BStBl I 2016, 468; zur Unionsrechtmäßigkeit der Frist vgl. FG Köln vom 15.2.2017, 2 K 803/15, EFG 2017, 769; BFH Urteil vom 27.2.2018, I B 37/17, DStR 2018, 1495). Für den Antrag ist ein amtlich vorgeschriebener Vordruck zu verwenden. Zuständig ist die örtlich zuständige Finanzbehörde im Sinne des § 20 AO bzw. das Bundeszentralamt für Steuern, falls keine örtliche Zuständigkeit greift. Wird die steuerfreie Einlagenrückgewähr nicht gesondert festgestellt, gilt die Leistung als Gewinnausschüttung, die bei dem Anteilseigner zu Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG führt. Die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens durch die für die Körperschaft zuständige Finanzbehörde ist ausnahmsweise nicht bindend für die vor dem 1.1.2014 erbrachten Nennkapitalrückzahlungen. Entscheidend ist für diese Sachverhalte die Qualifizierung als nicht steuerbare Nennkapitalrückzahlung durch das für den Anteilseigner zuständige Finanzamt (BMF vom 4.4.2016, IV C 2-S 2836/08/10002, BStBl I 2016, 468). Zur europarechtlichen Konformität des gesonderten Feststellungsverfahrens vgl. FG München Urteil vom 22.11.2016, 6 K 2548/14, EFG 2017, 234; BFH Urteil vom 27.2.2018, I B 37/17, DStR 2018, 1495. Die Regelungen des § 27 Abs. 8 KStG finden grds. auf Körperschaften oder Personenvereinigungen Anwendung, die im Zeitpunkt der Leistung in einem EWR-Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Für den Fall, dass bei der EWR-Körperschaft kein wirksamer Antrag zur Feststellung der jeweiligen Leistung als Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt wurde, siehe BMF vom 21.4.2022, IV C 2-S 2836/20/10001:002, BStBl I 2022, 647.
Die Folgen der Kapitalherabsetzung der in Drittstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften sind nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG umfasst lediglich EU/EWR-Staaten, nicht dagegen Drittstaaten. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine steuerfreie Einlagenrückgewähr auch dann möglich, wenn die Gesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist und kein steuerliches Einlagekonto im Sinne des § 27 KStG geführt wurde (BFH vom 10.4.2019, I R 15/16, BFHE 265, 56; BFH Urteile vom 13.7.2016, VIII R 47/13, BFHE 254, 390; VIII R 73/13, BFHE 254, 404; BFH Urteil vom 20.10.2010, I R 117/08, BFHE 232, 15). Das betrifft auch die Rückgewähr von Einlagen, die kein Nennkapital sind. Begründet wird diese Ansicht mit dem Argument der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV, wonach die Beschränkungen des Kapitalverkehrs nicht nur unter den Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten verboten sind. Zur Anerkennung der steuerneutralen Einlagenrückgewähr in Drittstaatenfällen ist ein formelles Verfahren zur Feststellung des steuerlichen Einlagekontos i.S.d. § 27 Abs. 1, Abs. 8 KStG nicht erforderlich. Die neue Rechtsprechung widerspricht dabei der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, wonach jede Leistung einer Drittstaatengesellschaft unabhängig von ihrer Art zu steuerpflichtigen Einnahmen bei den Anteilseignern führte (siehe auch FG Düsseldorf Urteil vom 24.8.2018, 14 K 564/16 E, BB 2019, 97).
Hinweis:
Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass inländische Anteilseigner einer Drittstaatenkapitalgesellschaft im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens den Nachweis führen können, dass ein bestimmter Bezug als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist, Ausschüttungen an inländische Gesellschafter einer EU-KapGes gem. § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG ohne weitere Nachweismöglichkeit des Anteilseigners jedoch stets als Gewinnausschüttung gelten, wenn die EU-KapGes das Feststellungsverfahren gem. § 27 Abs. 8 KStG nicht betreibt (BFH vom 27.10.2020, VIII R 18/17, DB 2021, 261; hierzu und zur individuellen Nachweisführung aus unionsrechtlichen Gründen siehe BFH vom 4.5.2021, VIII R 14/20, BFH/NV 2021, 1675; BFH vom 4.5.2021, VIII R 17/18, BFH/NV 2021, 1579).
Dötsch/Pung, Steuerliches Einlagekonto, Kapitalerhöhung aus Rücklagen und Kapitalherabsetzung: Das Einführungsschreiben des BMF vom 4.6.2003, DB 2003, 1345; Weiss, Kombinierte Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit nachfolgender ordentlicher Kapitalherabsetzung – ein Instrument flexiblen Eigenkapitalmanagements der Aktiengesellschaft, BB 2005, 2697; Geißler, Funktion und Durchführung der vereinfachten Kapitalherabsetzung bei der GmbH, GmbHR 2005, 1102; Suchanek/Herbst, Steht die vereinfachte Kapitalherabsetzung der Abführung des »ganzen Gewinns« gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1, § 17 Satz 1 KStG entgegen?, GmbHR 2006, 966; Kussmaul/Richter/Tcherveniachki, Die Behandlung der Kapitalherabsetzung anlässlich der Abfindung eines lästigen Gesellschafters einer GmbH, GmbHR 2007, 911; Lwowski/Wunderlich, Insolvenzanfechtung von Kapitalherabsetzungs- und Umwandlungsmaßnahmen, NZI 2008, 595; Hohmuth, Die Kapitalherabsetzung bei der GmbH unter Geltung des MoMiG, GmbHR 2009, 349; Hageböke, Nochmals: Zur Zuständigkeit des Bundeszentralamtes für Steuern bei grenzüberschreitenden Kapitalherabsetzungen von EU-Kapitalgesellschaften nach § 27 VIII KStG, IStR 2010, 715; Wachter, Angabe des Zwecks der Kapitalherabsetzung im Beschluss über die vereinfachte Kapitalherabsetzung, EWiR 2011, 421; Berjasevic, Zur Sanierung durch vereinfachte Kapitalherabsetzung auf Null mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung, EWiR 2013, 653; Fuhrmann, BMF: Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Anteile, BB 2014, 114; Möller, Wertaufholung auf Beteiligung nach Kapitalschnitt, GWR 2014, 382; Mayer/Wagner, BMF-Schreiben zu eigenen Anteilen – Absage an (vermeintliches) Korrespondenzprinzip, DStR 2014, 571; Ott: Probleme beim steuerlichen Einlagekonto und bei der Einlagenrückgewähr, DStR 2014, 673; Ott, Steuerliche Haftungsgefahren bei Kapitalherabsetzung und Rückzahlung der Kapitalrücklage, GmbHR 2014, 971; Große, Abgrenzung einer Leistung einer Kapitalgesellschaft von einer Nennkapitalleistung, SteuK 2015, 149; Poschitz, Das Pfandrecht an GmbH-Anteilen setzt sich bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung nicht automatisch an neu geschaffenen Geschäftsanteilen fort, GWR 2015, 405; Abele, BFH: Leistungen der Kapitalgesellschaft i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2001 in Abgrenzung zur Rückzahlung von Nennkapital, BB 2015, 880; Behrens, Nennkapitalrückzahlungen durch EU-/EWR-ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2016, 1180; Ott, Aktuelle Entwicklungen und Gestaltungsüberlegungen zum steuerlichen Einlagekonto; DStR 2017, 1505, Frey, Rückzahlung von Nennkapital als nicht steuerbare Einnahmen, BB 2019, 100; Käshammer/Schmohl/Schuhmann, Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaatengesellschaft – Ausgewählte Praxisüberlegungen, IStR 2019, 858; Oppel, BFH schließt Direktzugriff auf Einlagekonto auch im Drittstaatensachverhalt aus; IStR 2020, 46; von Glasenapp, Bilanzielle Behandlung unterschiedlicher Geschäftsanteile einer GmbH bei einer ordentlichen Kapitalherabsetzung, BB 2020, 2666; Schneider/Müller, Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften, Problemfelder und steuerliche Risiken, NWB 2021, 651; Ott, Kapitalgesellschaften: Steuerliche Behandlung von Eigenkapitalveränderungen bei der GmbH, GStB 2023, 456.
→ Sonderausweis der in Nennkapital umgewandelten Rücklage gem. § 28 KStG
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