Kindesunterhalt

Stand: 16. Dezember 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Kindesunterhalt können Sie unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung bis maximal 9.168 € geltend machen.
  • Voraussetzung:
    • Es darf kein Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag bestehen. Weder Sie noch eine andere Person dürfen Kindergeld oder den Kinderfreibetrag beziehen.
Hinweis: Kindesunterhalt können Sie in der Regel nur für volljährige Kinder abziehen, für die kein Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag besteht geltend machen.

Inhaltsverzeichnis

1 Grundsätzliches zum Familienleistungsausgleich i.S.d. § 31 EStG
2 Der Kindesunterhalt
2.1 Unterhaltsberechtigte Kinder
2.2 Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung
2.2.1 Überblick
2.2.2 Die Unterhaltsverpflichtungen beim Wechselmodell
2.2.3 Der Mindestunterhalt
2.2.4 Der Mindestunterhalt ab 1.1.2021
3 Der Kindesunterhalt im Einzelnen
3.1 Allgemeiner Überblick
3.2 Unterhaltsbedarf
3.2.1 Minderjährige Kinder
3.2.2 Volljährige Kinder
3.2.2.1 Im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils
3.2.2.2 Mit eigenem Hausstand
3.2.2.3 Bedürftigkeit des Kindes
3.3 Notwendiger Eigenbedarf
3.4 Unterhaltsrechtliches Einkommen
4 Mangelfälle
4.1 Absoluter Mangelfall
4.1.1 Minderjährige Kinder
4.1.2 Volljährige Kinder
4.2 Gekürzte Unterhaltsansprüche
4.3 Erwerbsobliegenheit
5 Wechselmodell
6 Wohnungsüberlassung an unterhaltsberechtigtes Kind
7 Nießbrauch statt Barunterhalt
8 Übertragung des Kinderfreibetrags
9 Besteuerung Alleinerziehender mit minderjährigen Kindern
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel

1. Grundsätzliches zum Familienleistungsausgleich i.S.d. § 31 EStG

Der → Familienleistungsausgleich des § 31 EStG stellt das Existenzminimum eines Kindes von der ESt frei. Diese Freistellung wird durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG (→ Kinderfreibetrag) oder durch das → Kindergeld bewirkt. Im laufenden Kj. wird diese steuerliche Freistellung durch die Zahlung des Kindergeldes bewirkt. Bei der ESt-Veranlagung der Eltern wird durch die sog. Günstigerrechnung (→ Familienleistungsausgleich) überprüft, ob die steuerliche Freistellung durch das Kindergeld in vollem Umfang bewirkt wurde. Ist dies nicht der Fall, sind bei der ESt-Veranlagung die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen. Das entsprechende Kindergeld ist zu verrechnen (§ 2 Abs. 6 Satz 3 EStG). Dabei wird bei nicht zusammenveranlagten Eltern der Kindergeldanspruch im Umfang der Kinderfreibeträge angesetzt.

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Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur ESt die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche ESt um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt. Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach bleibt der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausgezahlt wurde (§ 31 Satz 5 EStG i.d.F. des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.7.2019, BGBl I 2019, 1066).

Beachte:

Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.7.2019 (BGBl I 2019, 1066) erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt. Die Vorschrift ist auf Anträge anzuwenden, die nach dem 18.7.2019 eingehen (§ 52 Abs. 50 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 11.7.2019).

Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung vom 23.6.2017 (BGBl I 2017, 1682) wurde § 66 Abs. 3 EStG eingeführt. Demnach wurde Kindergeld rückwirkend nur noch für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt wird, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Dies gilt erstmals für Anträge, die nach dem 31.12.2017 eingehen.

Die Regelung des § 66 Abs. 3 EStG betraf nicht das Festsetzungsverfahren, sondern sollte im Erhebungsverfahren anzuwenden sein. Sofern Kindergeld für einen vergangenen Zeitraum festgesetzt wurde und dieser Zeitraum über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG hinausreichte, sollte das Kindergeld nur für die letzten sechs Monate ausgezahlt werden, die vor dem Eingang des Antrags auf Kindergeld lagen. Zudem enthielt der Kindergeldbescheid einen Hinweis auf die Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs. 3 EStG (BT-Drs. 19/8691, 65).

Ausgehend von der ursprünglichen gesetzlichen Intention soll Kindergeld auch weiterhin nur für sechs Monate rückwirkend ausgezahlt werden. Um klarzustellen, dass die Regelung das Erhebungsverfahren betrifft, wird Abs. 3 in § 66 aufgehoben und nunmehr in § 70 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG aufgenommen.

Verzichtet der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich auf die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf den Kindesunterhalt, ist sein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gleichwohl in die Günstigerrechnung (→ Familienleistungsausgleich) des § 31 EStG einzubeziehen (BFH Urteile vom 16.3.2004, VIII R 86/98, BStBl II 2005, 332 und VIII R 89/03, BFH/NV 2004, 1243, LEXinform 5900012).

Die Ampel-Koalition plant, das Kindergeld ab Anfang 2025 durch die Kindergrundsicherung zu ersetzen.

2. Der Kindesunterhalt

2.1. Unterhaltsberechtigte Kinder

Die §§ 1601 ff. BGB regeln die Unterhaltsverpflichtung und die Unterhaltsberechtigung. Die Eltern sind gegenüber ihren minderjährigen Kindern verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalte gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteiles leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 BGB).

2.2. Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung

2.2.1. Überblick

Der Unterhalt ist grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 BGB). Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern wird somit in den meisten Fällen gleichrangig einerseits durch den Betreuungsunterhalt des betreuenden Elternteils und andererseits durch den Barunterhalt durch den anderen Elternteil erfüllt (sog. Residenzmodell). S. dazu auch z.B. die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate

  • in Süddeutschland (Stand 1.1.2023) der OLG Bamberg, Karlsruhe, München, Nürnberg, Stuttgart und Zweibrücken,

  • des OLG Koblenz (Stand 1.1.2023,),

  • des OLG Brandenburg (Stand 1.1.2023),

  • des OLG Bremen (Stand 1.1.2023),

  • des OLG Frankfurt (Stand 1.1.2023),

  • des OLG Düsseldorf (Stand 1.1.2023).

Die Leitlinien übernehmen die Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2023. Sie berücksichtigen die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Erhöhungen des Kindergeldes und des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder.

2.2.2. Die Unterhaltsverpflichtungen beim Wechselmodell

Getrennt lebende Eltern können ihre Kinder in unterschiedlichen Modellen betreuen. Beim Wechselmodell wird das Kind abwechselnd von beiden Eltern betreut und wohnt daher in beiden Haushalten, weshalb dieses Modell auch oft als Doppelresidenzmodell bezeichnet wird.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB tragende gesetzliche Beurteilung so lange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil – auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse – zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert (erweitertes Umgangsmodell). Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (BGH Urteil vom 5.11.2014, XII ZB 599/13, LEXinform 1593505).

Anders ist es nur zu beurteilen, wenn sich die Eltern bei der Betreuung eines Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch die Pflege und die Erziehung erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein darauf zu beschränken braucht.

Ergibt sich hingegen auch bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ein deutliches Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei einem Elternteil, ist von der regelmäßigen gesetzlichen Verteilung der Unterhaltsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB auszugehen. Der den anderen Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts treffenden finanziellen Mehrbelastung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erfolgt. Der Unterhalt kann zudem weiter gehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts für das Kind Leistungen erbringt, mit denen er dessen Unterhaltsbedarf auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (s.a. BGH Urteil vom 12.3.2014, XII ZB 234/13, LEXinform 1589043).

Im Urteilsfall XII ZB 599/13 hat das Gericht aufgrund der Betreuung der unterhaltsberechtigten Kinder durch den Vater an sechs von 14 Tagen den Schwerpunkt noch aufseiten der Mutter gesehen, wobei es maßgeblich auf die entsprechende Vereinbarung der Eltern abgestellt hat, die bewusst nicht auf genau hälftige Anteile ausgerichtet war (s.a. Anmerkung vom 10.2.2015, LEXinform 0652576).

Ein sog. Wechselmodell mit annähernd gleichen Betreuungsanteilen beider Eltern kann jedenfalls dann nicht gerichtlich angeordnet werden, wenn es keinen entsprechenden elterlichen Konsens gibt. Ein Ausschluss des Umgangs ist auch bei einer von Kindern im Alter von 9 bzw. 6 Jahren zuletzt geäußerten Ablehnung von Kontakten mit dem Vater nicht stets geboten. Wenn die Mutter durch ihr Verhalten ihre Verpflichtung aus § 1684 Abs. 2 BGB dauerhaft und wiederholt erheblich verletzt hat, kann jedoch die Anordnung einer Umgangspflegschaft erforderlich sein; vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 15.2.2016, 10 UF 213/14.

Beim Wechselmodell wechseln sich die Eltern in der Betreuung eines Kindes ab, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. In solchen Fällen wird eine anteilige Barunterhaltspflicht der Eltern in Betracht kommen, weil sie auch für den Betreuungsunterhalt nur anteilig aufkommen. Verfügen beide Elternteile über Einkünfte, ist der Elementarbedarf des Kindes an den beiderseitigen – zusammengerechneten – Einkünften auszurichten. Hinzuzurechnen sind Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung entstehen und deren Ansatz und Erstattung unter den jeweiligen Umständen angemessen ist. Für den so ermittelten Bedarf haben die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalunterhaltsleistungen aufzukommen (s.a. Tz. 12.3 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg zum 1.1.2019, LEXinform 0449191).

Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen. Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen (BGH Urteil vom 11.1.2017, XII ZB 565/15, LEXinform 1659032).

Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl (BGH Beschluss vom 1.2.2017, XII ZB 601/15, LEXinform 1661374). Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes (s.a. Pressemitteilung des BGH vom 27.2.2017, LEXinform 0445982 sowie Anmerkung vom 10.5.2017, LEXinform 0653176).

Beachte:

Beim Wechselmodell ist kein Elternteil von der Barunterhaltsverpflichtung befreit. Der Barunterhalt richtet sich nach der jeweiligen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils (s.u.). Gleichwertig sind beim Wechselmodell deshalb nur die von den Eltern erbrachten paritätischen Betreuungsleistungen.

Das Kindergeld wird nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB zur Hälfte dem betreuenden Elternteil gewährt. In Residenzfällen entfällt demnach die andere Hälfte rechnerisch auf den barunterhaltsleistenden Elternteil.

Beim Wechselmodell ist die auf den Barunterhalt entfallende Hälfte des Kindergeldes nach dem Maßstab der Einkommensverhältnisse der Eltern (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu verteilen. Verlangt der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil insoweit die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils, ist es i.d.R. seine Sache, die Haftungsanteile der Eltern am Barunterhalt darzulegen und zu beweisen.

Die hälftige Anrechnung des Kindergeldes auf den Barbedarf des Kindes nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB hat beim Wechselmodell zur notwendigen Folge, dass der besser verdienende Elternteil durch das Kindergeld in einem größeren Umfang entlastet wird. Ist der schlechter verdienende Elternteil unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig, kommt der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergeldes infolge der Anrechnung allein dem leistungsfähigen Elternteil zugute.

Dagegen steht der auf den Betreuungsunterhalt entfallende Anteil am Kindergeld den Elternteilen beim Wechselmodell aufgrund der von ihnen gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen hälftig zu. Auch wenn ein Elternteil nur über Einkünfte unterhalb des notwendigen Selbstbehalts verfügt und sich deswegen an der Aufbringung des Barunterhalts nicht beteiligen muss, kann er vom anderen Elternteil im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs jedenfalls die Auskehrung eines Viertels des Kindergeldes – nämlich der Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld – verlangen (BGH Beschluss vom 20.4.2016, XII ZB 45/15, LEXinform 1654630; s.a. Anmerkung vom 12.7.2016, LEXinform 0652954).

Im Fall der Betreuung eines Kindes im paritätischen Wechselmodell sind vom Einkommen eines um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Elternteils ein hälftiger Unterhaltsfreibetrag i.S.v. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO und der tatsächlich für das Kind gezahlte Barunterhalt abzusetzen; vgl. BGH Beschluss vom 19.1.2022, XII ZB 276/21.

2.2.3. Der Mindestunterhalt

Nach 1612a BGB kann ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen.

Der Mindestunterhalt richtet sich ab 1.1.2016 nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des minderjährigen Kindes (Änderung des § 1612a BGB durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften vom 20.11.2015, BGBl I 2015, 2018).

Zur Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern legt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht vor, zuletzt den 13. Existenzminimumbericht (BT-Drs. 19/22800). Der konkrete Betrag des Mindestunterhalts ist gem. § 1612a IV BGB alle zwei Jahre vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung neu festzulegen. Dies ist zuletzt vorgenommen worden durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 3.11.2020 (BGBl I 2020, 2188), und zwar nur für das Jahr 2021. Diese Änderung war notwendig geworden, nachdem sich aus dem im Herbst 2020 veröffentlichten 13. Existenzminimumbericht ein steuerfrei zu stellendes sächliches Existenzminimum von Kindern für 2021 ergeben hatte, das monatlich 17 € über dem zunächst für 2021 vorgesehenen Mindestunterhalt lag. Mit der nun veröffentlichten Verordnung für 2022/2023 wird auch die Rückkehr zu dem als Regelfall vorgesehenen Zwei-Jahres-Rhythmus erreicht.

Zum 1.1.2012 tritt die Fünfte Verordnung zur Änderung des Mindestunterhaltsverordnung in Kraft. Durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung wird der Mindestunterhalt für das Jahr 2023 außerplanmäßig neu festgelegt, da sich die in der Vierten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 30.11.2021 für das Jahr 2023 getroffene Prognose als unzutreffend erwiesen hat. Infolge der unvorhersehbaren erheblichen Preissteigerungen im Jahr 2022 stieg das im 14. Existenzminimumbericht ausgewiesene Existenzminimum der Kinder so stark an, dass die getroffene Prognose für das Jahr 2023 um 38 € monatlich überschritten wurde. Dies machte eine weitere Anhebung des Mindestunterhalts erforderlich. In der ersten Altersstufe (Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahrs) steigt der Mindestunterhalt zum 1.1.2023 von derzeit 396 auf 437 € an. In der zweiten Altersstufe (Kinder vom siebten bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs) steigt der Mindestunterhalt zum 1.1.2023 von 455 auf 502 € an. In der dritten Altersstufe (minderjährige Kinder vom 13. Lebensjahr an) steigt der Mindestunterhalt zum 1.1.2023 von 533 auf 588 € an.

2.2.4. Der Mindestunterhalt ab 1.1.2021

Die nachfolgende Tabelle enthält eine Übersicht des Mindestunterhalts ab 1.1.2021.

Altersstufen

Mindestunterhalt 2021:

Mindestunterhalt 2022:

Mindestunterhalt 2023:

Erste Altersstufe: bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

378 €

396 €

437 €

Zweite Altersstufe: vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres

434 €

455 €

502 €

Dritte Altersstufe: vom 13. Lebensjahr an

508 €

533 €

588 €

Abb.: Mindestunterhalt nach § 1612a BGB ab 1.1.2021

3. Der Kindesunterhalt im Einzelnen

3.1. Allgemeiner Überblick

Durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl I 2007, 3189) wurde ab 1.1.2008 u.a. die Kindergeldverrechnung des § 1612b BGB komplett neu gefasst. Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden:

  • zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB);

  • in allen anderen Fällen in voller Höhe.

In diesem Umfang mindert es den Barbedarf des Kindes.

Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes (Betreuungsunterhalt). Zu diesem Residenzfall s.o. die Erläuterungen unter dem Gliederungspunkt »Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung«. S. dort auch die Erläuterungen zum Wechselmodell.

Ist das Kindergeld wegen der Berücksichtigung eines nicht gemeinschaftlichen Kindes erhöht, ist es im Umfang der Erhöhung nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen (§ 1612b Abs. 2 BGB).

Zum 1.1.2020 wird die »Düsseldorfer Tabelle« geändert. Die »Düsseldorfer Tabelle«, die seit 1962 zunächst vom Landgericht Düsseldorf und seit dem 1.1.1979 vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegeben wird, dient als Richtlinie zur Bemessung des angemessenen Kindesunterhalts i.S.d. § 1610 BGB. Die Erhöhung der Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder, die zuletzt zum 1.1.2020 geändert worden sind, beruht auf der Verordnung zur Festlegung des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder nach § 1612a Abs. 4 BGB (Mindestunterhaltsverordnung). Der Unterhalt nach der ersten Einkommensgruppe der »Düsseldorfer Tabelle« entspricht dem in der Mindestunterhaltsverordnung festgesetzten Mindestunterhalt. Die Unterhaltssätze der höheren Einkommensgruppen bauen hierauf auf.

Die ab 1.1.2020 geltende »Düsseldorfer Tabelle« ist unter LEXinform 0450805 zu finden.

Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen

bis 5

6 bis 11

12 bis 17

ab 18

alle Beträge in €

bis 1 900 €

369

424

497

530

1 901 bis 2 300 €

388

446

522

557

2 301 bis 2 700 €

406

467

547

583

2 701 bis 3 100 €

425

488

572

610

3 101 bis 3 500 €

443

509

597

636

3 501 bis 3 900 €

473

543

637

679

3 901 bis 4 300 €

502

577

676

721

4 301 bis 4 700 €

532

611

716

764

4 701 bis 5 100 €

561

645

756

806

5 101 bis 5 500 €

591

679

796

848

über 5 501 €

nach den Umständen des Falles

Abb.: Düsseldorfer Tabelle 1.1.2020

Die ab 1.1.2022 geltende »Düsseldorfer Tabelle« lautet wie folgt:

Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen

bis 5

6 bis 11

12 bis 17

ab 18

alle Beträge in €

bis 1 900 €

396

455

533

569

1 901 bis 2 300 €

416

478

560

598

2 301 bis 2 700 €

436

501

587

626

2 701 bis 3 100 €

456

524

613

655

3 101 bis 3 500 €

476

546

640

683

3 501 bis 3 900 €

507

583

725

729

3 901 bis 4 300 €

539

619

768

774

4 301 bis 4 700 €

571

656

811

820

4 701 bis 5 100 €

602

692

853

865

5 101 bis 5 500 €

634

728

896

911

über 5 501 €

nach den Umständen des Falles

Abb.: Düsseldorfer Tabelle 1.1.2022

Das OLG Düsseldorf hat am 5.12.2022 die ab 1.1.2023 geltende Fassung der Düsseldorfer Tabelle veröffentlicht. Der Mindestunterhalt steigt entsprechend der Mindestunterhaltsverordnung in den ersten drei Altersstufen auf 437/502/588 € (somit um 41/47/55 €), in der vierten Altersstufe auf 628 € (Erhöhung 59 €). Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf Studierender beträgt nun 930 €. Der notwendige Selbstbehalt wurde angehoben auf 1 120 € für nicht erwerbstätige (von 960 €) und 1 370 € (von 1 160 €) für erwerbstätige barunterhaltspflichtige Eltern. Der angemessene Selbstbehalt ist gestiegen auf 1 650 € (vormals 1 400 €).

Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen

bis 5

6 bis 11

12 bis 17

ab 18

alle Beträge in €

bis 1 900 €

437

502

588

628

1 901 bis 2 300 €

459

528

618

660

2 301 bis 2 700 €

481

553

647

691

2 701 bis 3 100 €

503

578

677

723

3 101 bis 3 500 €

525

603

706

754

3 501 bis 3 900 €

560

643

753

804

3 901 bis 4 300 €

595

683

800

855

4 301 bis 4 700 €

630

723

847

905

4 701 bis 5 100 €

665

764

894

955

5 101 bis 5 500 €

700

804

941

1005

über 5 501 €

nach den Umständen des Falles

Abb.: Düsseldorfer Tabelle 1.1.2023

3.2. Unterhaltsbedarf

3.2.1. Minderjährige Kinder

Bei minderjährigen Kindern kann der Kindesunterhalt als Festbetrag oder als Prozentsatz des Mindestunterhalts gem. § 1612a Abs. 1 BGB geltend gemacht werden (Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz Tz. 11, Stand 1.1.2023). In den Unterhaltsbeträgen der Düsseldorfer Tabelle sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Studien- und Semestergebühren sowie Kindergartenbeiträge und Privatschulgebühren nicht enthalten. Wenn das Kind nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist, sondern selbst gesetzlich versichert ist, ist das Nettoeinkommen des Verpflichteten um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen (Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL Tz. 11.1, Stand 1.1.2023).

Das bereinigte Einkommen des minderjährigen Kindes, das von einem Elternteil betreut wird, wird nur zur Hälfte auf den Barbedarf angerechnet; im Übrigen kommt es dem betreuenden Elternteil zugute (Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz Tz. 12.2, Stand 1.1.2023).

Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge ab 1.1.2023.

Kindergeldanspruch (§ 66 Abs. 1 EStG) ab

1.1.2023

1.1.2022

1.1.2021

1. und 2. Kind

einheitlich 250 € für das 1. bis 4. Kind

219 €

219 €

3. Kind

225 €

225 €

ab 4. Kind

250 €

250 €

1. bis 4. Kind

0 bis 5

6 bis 11

12 bis 17

ab 18

alle Beträge in €

bis 1 900 €

312

377

463

378

1 901 € bis 2 300 €

334

403

493

410

2 301 € bis 2 700 €

356

428

522

441

2 701 € bis 3 100 €

378

453

552

473

3 101 € bis 3 500 €

400

478

581

504

3 501 € bis 3 900 €

435

518

628

554

3 901 € bis 4 300 €

470

558

675

605

4 301 € bis 4 700 €

505

598

722

655

4 701 € bis 5 100 €

540

639

769

705

5 101 € bis 5 500 €

575

679

816

755

Abb.: Zahlbeträge unter Berücksichtigung des jeweiligen Kindergeldes (Stand 1.1.2023)

3.2.2. Volljährige Kinder

3.2.2.1. Im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils

Bei volljährigen Kindern, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, bemisst sich der Unterhalt nach der 4. Altersstufe der Tabelle (Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle 2023 unter A.2. Abs. 2).

Sind beide Elternteile leistungsfähig (der angemessene Selbstbehalt der Eltern gegenüber volljährigen Kindern beträgt jeweils 1 650 €, Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle 2023 unter A.5.), ist der Bedarf des Kindes in der Regel nach dem zusammengerechneten Einkommen zu bemessen. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt (Tz. 13.1 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023).

Der notwendige Selbstbehalt gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt beim nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1 120 €, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1 370 € (Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle 2023 unter A.5. Abs. 1).

Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt, ist vor ihrer Anrechnung in der Regel um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 100 € zu kürzen (Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle 2023 unter Kindesunterhalt, A.8).

3.2.2.2. Mit eigenem Hausstand

Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand (Studierenden) beträgt in der Regel monatlich 930 €. Hierin sind bis 410 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete), jedoch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren, enthalten (Tz. 13.1.2 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023 und Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle 2023 unter Kindesunterhalt, A.7, sowie Tz. 13.1 des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023). Der angemessene Selbstbehalt der Unterhaltsverpflichteten (Eigenbedarf) beträgt monatlich 1 650 € (Tz. 21.3.1 OLG Koblenz, Stand 1.1.2023, LEXinform 0450748 sowie Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle 2023 unter A.5. Abs. 2).

Beispiel 1:

Das 24-jährige Kind (K1) mit eigenem Hausstand studiert im Kj. 2023 in München. Das Nettoeinkommen des Vaters beträgt 4 000 €, das der Mutter 2 100 €.

Lösung 1:

S.a. Beispiel 3.

Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes K1 mit eigenem Hausstand (Tz. 13.1 Abs. 2 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

930,00 €

Nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ist das auf K1 entfallende Kindergeld in voller Höhe zur Deckung seines Bedarfs zu verwenden, da für den volljährigen, sich in Berufsausbildung befindlichen K1 kein Betreuungsunterhalt mehr zu gewähren ist (§ 1606 Abs. 3 BGB)

./. 250,00 €

Einsatzbetrag

680,00 €

Verteilungsmasse beim Vater:

Bereinigtes Nettoeinkommen

4 000,00 €

Selbstbehalt gegenüber Volljährigen mit eigenem Hausstand

./. 1 650,00 €

Verteilungsmasse

2 350,00 €

2 350,00 €

Verteilungsmasse bei der Mutter:

Bereinigtes Nettoeinkommen

2 100,00 €

Selbstbehalt gegenüber Volljährigen mit eigenem Hausstand

./. 1 650,00 €

Verteilungsmasse

450,00 €

450,00 €

Gesamte Verteilungsmasse

2 800,00 €

davon Anteil des Vaters

84,00 %

davon Anteil der Mutter

16,00 %

Unterhaltsverpflichtung des Vaters: 680,00 € × 84,00 %

571,20 €

Unterhaltsverpflichtung der Mutter: 680,00 € × 16,00 %

108,80 €

Unterhaltsverpflichtung insgesamt

680,00 €

3.2.2.3. Bedürftigkeit des Kindes

Das Kind ist bedürftig, wenn es seien angemessenen Bedarf nicht durch eigene Geldmittel decken kann. Auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen ist u.a.

  • das Kindergeld in voller Höhe (§ 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB; s.u. und Viefhues, NWB 2012, 3876),

  • BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden. Einem Kind ist dabei die Inanspruchnahme eines BAföG-Darlehens zur Reduzierung seiner Bedürftigkeit zumutbar. Stellt das Kind den Antrag bewusst nicht, ist ein entsprechendes fiktives Einkommen des Kindes anzusetzen (OLG Karlsruhe Beschluss vom 10.2.2009, 2 WF 6/09, LEXinform 1558843),

  • Elterngeld des Kindes, soweit es über den Sockelbetrag i.H.v. 300 €, bei verlängertem Bezugsrecht über 150 € hinausgeht,

  • geldwerte Vorteile aller Art des ArbG, z.B. Firmenwagen oder freie Koste und Logis, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen (Tz. 13.2 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, s.u. zur Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens).

Das OLG Hamm hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.1.2013 (3 UF 245/12, LEXinform 1583551) entschieden, dass der Kindesunterhaltsanspruch eines Minderjährigen, der eine Ausbildung aufnimmt, gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt oder sich für den gesamten Monat nach der Auslegung des § 1602 Abs. 1 BGB ab dem Beginn desjenigen Monats reduziert, in dessen Verlauf die erste Ausbildungsvergütung tatsächlich ausgezahlt wird. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages oder Beginns der Arbeitsaufnahme kommt es demgegenüber nicht entscheidend an.

Die Zahlung der ersten Ausbildungsvergütung – nicht aber bereits der Abschluss des Ausbildungsvertrages oder die Arbeitsaufnahme – begründet für den Monat der Auszahlung eine nach der Errichtung des bestehenden Kindesunterhaltstitels liegende zulässige Einwendung i.S.d. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 767 Abs. 1 und 2 ZPO (s.a. Pressemitteilung des OLG Hamm vom 11.4.2013, LEXinform 0439510).

Ein Volljähriger, der sich nicht in einer berechtigten Ausbildung befindet, ist nach allgemeiner Ansicht verpflichtet, primär selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und dazu verstärkt seine Arbeitsfähigkeit einzusetzen. Er muss, wenn er gesundheitlich dazu in der Lage ist, jede Arbeit annehmen, auch berufsfremde Tätigkeiten und Arbeiten unterhalb seiner gewohnten Lebensstellung. Für die Nutzung seiner Arbeitskraft gelten ähnliche Maßstäbe wie für die Haftung der Eltern gegenüber minderjährigen Kindern. Kommt der Volljährige dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, entfällt seine Bedürftigkeit in Höhe eines erzielbaren Einkommens (OLG Hamm Beschluss vom 2.2.2011, I 8 WF 141/10, 8 WF 141/10, LEXinform 0962441). Das OLG geht davon aus, dass das volljährige Kind auch während der Suche eines Ausbildungsplatzes mindestens ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis hätte finden können (450 €-Job), durch den das Kind auch unter Berücksichtigung etwaiger berufsbedingter Aufwendungen seinen Bedarf von 326 € (bemessenen nach der Düsseldorfer Tabelle) hätte decken können.

Gem. § 1602 Abs. 1 BGB trifft ein volljähriges Kind, das sich in keiner Berufsausbildung befindet, eine Erwerbsobliegenheit, weil ein solches volljähriges Kind grundsätzlich selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen hat. Dabei ist ein volljähriges Kind zunächst auf die Verwertung seiner eigenen Arbeitskraft zu verweisen. Volljährige Kinder können u.a. dann weiterhin unterhaltsberechtigt sein, wenn sie – etwa aufgrund einer Behinderung – außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (OLG Naumburg Beschluss vom 25.6.2008, 4 WF 42/08, LEXinform 7011070). Bei Erwerbsunfähigkeit müsste das Kind die für Erwerbsunfähige im SGB XII vorgesehene Grundsicherung in Anspruch nehmen. Die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme von Leistungen zur Grundsicherung ergibt sich daraus, dass diese Grundsicherung dem Berechtigten auf Dauer eine würdige und unabhängige Existenz sichert. Es entspricht in Anbetracht der Unterhaltsleistungen, die die Eltern einem erwerbsunfähigen Kind bereits bis zu dessen Volljährigkeit und gegebenenfalls darüber hinaus erbringen, der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme und Loyalität, wenn das volljährige Kind darauf verwiesen wird, vorrangig die Grundsicherung in Anspruch zu nehmen.

Nach dem Beschluss des BGH vom 3.7.2013 (XII ZB 220/12, NJW 2013, 2751, LEXinform 1584801) verliert das unterhaltsberechtigte Kind den Ausbildungsunterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern nicht schon dann, wenn es ihm aufgrund eines notenschwachen Schulabschlusses erst nach drei Jahren vorgeschalteter Berufsorientierungspraktika und ungelernter Aushilfstätigkeiten gelingt, einen Ausbildungsplatz zu erlangen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.

3.3. Notwendiger Eigenbedarf

Der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt; Tz. A.5. bis 7. der Anmerkung zur Düsseldorfer Tabelle, Stand 2023 sowie Tz. 21 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

  • gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern,

  • gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden,

ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Unterhaltspflicht gegenüber

Selbstbehalt ab 2020

Selbstbehalt ab 2022

Selbstbehalt ab 2023

Kindern bis 21 Jahre (im Haushalt eines Elternteils, allgemeine Schulbildung), erwerbstätiger Unterhaltspflichtiger

1 160 €

1 160 €

1 320 €

Kindern bis 21 Jahre (im Haushalt eines Elternteils, allgemeine Schulbildung), nicht erwerbstätiger Unterhaltspflichtiger

960 €

960 €

1 120 €

anderen volljährigen Kindern

1 400 €

1 400 €

1 650 €

Abb.: Selbstbehalt

In dem Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern sind bis 520 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt kann angemessen erhöht werden, wenn dieser Betrag im Einzelfall erheblich überschritten wird und dies nicht vermeidbar ist.

Im Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern sind Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 650 € enthalten (s.a. Tz. 21 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

3.4. Unterhaltsrechtliches Einkommen

Zur Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens s. die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in SüdL Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.

Auszugehen ist vom Jahresbruttoeinkommen einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie sonstiger Zuwendungen, wie z.B. Tantiemen und Gewinnbeteiligungen. Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene, tatsächliche Vorsorgeaufwendungen – Aufwendungen für die Altersvorsorge bis zu 23 % des Bruttoeinkommens, bei Elternunterhalt bis zu 24 % des Bruttoeinkommens (je einschließlich der Gesamtbeiträge von ArbN und ArbG zur gesetzlichen Rentenversicherung) – abzusetzen (Nettoeinkommen; Tz. 10.1 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023).

Das Nettoeinkommen ist weiterhin zu bereinigen um:

  • berufsbedingte Aufwendungen (Tz. 10.2 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023) vom Nettoeinkommen aus unselbstständiger Arbeit.

    Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen, wobei bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – bei Vollerwerbstätigkeit – mindestens 50 €, bei Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 € monatlich – geschätzt werden kann. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind sie insgesamt nachzuweisen. Bei einem Auszubildenden sind in der Regel 100 € als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen. (OLG Koblenz, Tz. 10.2.1 bis 10.2.3., LEXinform 0450748).

  • Kinderbetreuungsaufwendungen (Tz. 10.3 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155; Viefhues, NWB 45/2018, 3318),

  • Schulden (Tz. 10.4 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155).

    Jahresbruttoeinkommen eischließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie sonstige Zuwendungen, wie z.B. Tantiemen und Gewinnbeteiligungen

    …………… €

    Einmalige höhere Zahlungen, wie z.B. Abfindungen oder Jubiläumszuwendungen, sind auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen (in der Regel mehrere Jahre); anteiliger Betrag (Tz. 1.2 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155)

    + ……….. €

    Überstundenvergütungen werden in der Regel voll angerechnet, soweit sie berufsüblich sind (Tz. 1.3 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155)

    + ……….. €

    Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann 1/3 als Einkommen angesetzt werden (Tz. 1.4 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155)

    + ………… €

    Bei Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG) ist ein durchschnittlicher Gewinn, möglichst der letzten drei Jahre, anzusetzen (Tz. 1.5 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155), es sei denn, die spezifische Geschäftsentwicklung legt die Berücksichtigung kürzerer oder längerer Zeiträume nahe. Für die Vergangenheit ist von dem in dem jeweiligen Jahr erzielten Einkommen auszugehen;

    Gewinn ……… €

    AfA kann nur anerkannt werden, als dem steuerlich zulässigen Abzug ein tatsächlicher Wertverlust entspricht. Dies ist bei Gebäuden in der Regel nicht der Fall (Tz. 1.6 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155 und Tz. 1.5.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023, LEXinform 0450748).

    + AfA ………… €

    Zinsen für Kredite, mit denen die absetzbaren Wirtschaftsgüter finanziert werden, mindern den Gewinn. Zuzüglich Zinsen für Gebäude

    + ……………….. €

    Ist keine AfA anzusetzen, können angemessene Tilgungsleistungen berücksichtigt werden (Tz. 1.5.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023, LEXinform 0450748).

    ./. Tilgung … .. €

    Zu berücksichtigender Gewinn

    Ergebnis

    + ………… €

    Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:

    Einnahmen …… €

    Abzüglich Werbungskosten Tz. 1.6 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155)

    ./. ………… €

    Zur AfA s.o. zu den Gewinneinkünften. Angemessene Tilgungsleistungen

    ./. Tilgung …… €

    Zu berücksichtigende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

    Ergebnis

    + ……… €

    Kapitaleinnahmen

    Einnahmen … €

    Abzüglich Sparer-Pauschbetrag (801 € bzw. 1.602 €; beachte Anhebung des Sparerpauschbetrages ab VZ 2023 auf 1 000 € bzw. 2 000 €)

    ./. ……………… €

    Zwischenwert

    ……………… €

    Abzüglich Steuer: 25 % zuzüglich 5,5 % SolZ, zuzüglich 9 % bzw. 8 % KiSt, entspricht einem Steuersatz von 28,625 % (bei 9 % KiSt) und 28,375 % (bei 8 % KiSt)

    ./. Steuer ……… €

    Kapitaleinkünfte (Tz. 1.6 Abs. 2 Unterhaltsleitlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023, LEXinform 0450748)

    Ergebnis

    + ……… €

    Steuererstattungen (Ist-Prinzip)

    + ………… €

    Sonstige Einnahmen (z.B. Trinkgelder, Krankentagegeld)

    + ………… €

    Arbeitslosengeld, Krankengeld

    + ……… €

    Arbeitslosengeld II

    + ………… €

    Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten abdeckt (Tz. 2.3 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449155)

    + ………… €

    BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden (Tz. 2.4 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023, LEXinform 0450748)

    + ………… €

    Erziehungsgeld ist nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG Einkommen

    + ………… €

    Elterngeld, soweit es über den Sockelbetrag von 300 € bzw. 150 € hinausgeht (Tz. 2.5 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

    + ………… €

    Unfall- und Versorgungsrenten (Tz. 2.6 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

    + ………… €

    Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen.

    + ………… €

    Bei Sozialleistungen nach § 1610a BGB wird widerlegbar vermutet, dass sie durch Aufwendungen aufgezehrt werden (Tz. 2.7 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

    Der Anteil des an die Pflegeperson weitergeleiteten Pflegegeldes, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden, ist Einkommen. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nur nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI (Tz. 2.8 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

    + ………… €

    Die Grundsicherung nach §§ 41–43 SGB XII ist beim Verwandtenunterhalt (insbesondere Eltern- und Kindesunterhalt) zu berücksichtigen, nicht aber beim Ehegattenunterhalt

    + ………… €

    Sozialhilfe nach dem SGB XII sowie Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind kein Einkommen des Berechtigten (Tz. 2.10 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023); jedoch kann die Geltendmachung von Unterhalt durch den Hilfeempfänger treuwidrig sein, wenn er infolge des Ausschlusses des Anspruchsübergangs (vgl. § 94 Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2 und 3 SGB XII

    Leistungen nach den Vermögensbildungsgesetzen beeinflussen das Einkommen nicht, d.h. der vermögenswirksame Anlagebetrag mindert das Einkommen nicht; andererseits erhöhen vermögenswirksame Beiträge des Arbeitgebers und die Sparzulage nicht das Einkommen (Tz. 2.12 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023)

    Kindergeld ist kein Einkommen (Tz. 3 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023)

    Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers aller Art, z.B. Firmenwagen (→ Firmenwagenüberlassung an Arbeitnehmer), freie Kost und Logis, mietgünstige Wohnung, gehören – in Höhe der steuerlichen Ansätze – zum Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen (Tz. 4 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023)

    + ………… €

    Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln.

    Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert die berücksichtigungsfähigen Finanzierungslasten, erforderliche Instandhaltungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter gem. § 556 Abs. 1 BGB nicht belastet werden kann, übersteigt. Auszugehen ist vom vollen Mietwert (objektiver Wohnwert).

    Finanzierungslasten mindern den Wohnwert, soweit sie tatsächlich durch Ratenzahlungen bedient werden (Tz. 5 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023).

    + ………… €

    Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür und die damit verbundene Ersparnis, soweit es sich nicht um eine überobligatorische Leistung handelt, ein (fiktives) Einkommen von regelmäßig 350 € anzusetzen; bei Haushaltsführung durch einen nicht Erwerbstätigen geschieht das in der Regel mit einem Betrag von 450 € (Rz. 6 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449153)

    + ………… €

    Freiwillige Leistungen Dritter (z.B. Geldleistungen, mietfreies Wohnen) sind kein Einkommen, es sei denn, dass die Anrechnung dem Willen des Dritten entspricht.

    Einkünfte aus Nebentätigkeit und unzumutbarer Erwerbstätigkeit sind im Rahmen der Billigkeit (vgl. §§ 242, 1577 Abs. 2 BGB) als Einkommen zu berücksichtigen (Tz. 7 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    + ……… €

    Einkommen sind auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare – d.h. fiktive – Einkünfte. Zum Umfang der Obliegenheit s. den Beschluss des BVerfG vom 14.12.2006 (1 BvR 2236/06, FamRZ 2007, 273, LEXinform 1543835). Bei der Betreuung eines Kindes besteht keine Erwerbsobliegenheit (s.u.) vor Vollendung des 3. Lebensjahres, danach nach den Umständen des Einzelfalls (Tz. 17 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023 und Tz. 17.1 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023). Es ist auf das Einkommen abzustellen, das aufgrund Ausbildung, Erwerbsbiographie und persönlicher Umstände (z.B. Alter, Gesundheitszustand) mit Wahrscheinlichkeit erzielt werden kann. Richtschnur können dabei bestehende Tarifverträge, Mindestlöhne oder zuvor oder aktuell tatsächlich erzielte Stundenlöhne sein (Tz. 9 Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    + ………… €

    Zwischensumme (Bruttoeinkommen; Tz. 10.1 Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023)

    …………… €

    Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene tatsächliche Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

    Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliegen, können für ihre Altersvorsorge regelmäßig 20 % ihres Bruttoeinkommens aufwenden.

    Für eine zusätzliche Altersvorsorge können sie ebenso wie gesetzlich Rentenversicherte weitere 4 % (bei Elternunterhalt 5 %) ihres Bruttoeinkommens einsetzen. Ferner können bei Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, 20 % des oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden Einkommens als angemessene Altersversorgung aufgewendet werden (Tz. 10.1.2 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    Steuerzahlungen und -nachzahlungen sind in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen (Ist-Prinzip). Bei Selbstständigen kann auf den Zeitraum der Veranlagung abgestellt werden. Grundsätzlich ist jeder gehalten, ihm zustehende Steuervorteile in Anspruch zu nehmen; hierzu gehört auch das Realsplitting, soweit der Unterhaltsanspruch anerkannt ist, rechtskräftig feststeht oder freiwillig erfüllt wird (BGH Urteil vom 28.2.2007, XII ZR 37/05, FamRZ 2007, 793). Ob im laufenden Jahr von der Möglichkeit der Eintragung eines Freibetrages Gebrauch zu machen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Werden Aufwendungen unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt, die zu steuerlichen Entlastungen führen, sind die entsprechenden Steuervorteile aus den Steuerbescheiden herauszurechnen (Tz. 10.1.1 Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    ./. ……….. €

    Zwischensumme (Nettoeinkommen)

    …………… €

    Berufsbedingte Aufwendungen:

    Pauschale bzw. konkrete Aufwendungen: Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen, wobei bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – bei Vollerwerbstätigkeit – mindestens 50 €, bei Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 € monatlich – geschätzt werden kann. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind sie insgesamt nachzuweisen (Tz. 10.2.1 Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023); bei einem Auszubildenden sind in der Regel 100 € als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen.

    ./. ……….. €

    Fahrtkosten:

    Als notwendige Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kfz können in der Regel 14 € (bis 31.12.2021 10 €) pro Entfernungskilometer im Monat angesetzt werden. Ab dem 31. Entfernungskilometer kommt in der Regel eine Kürzung der Pauschale (ab dem 31. Kilometer) auf die Hälfte in Betracht (Tz. 10.2.2 Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023)

    ./. ……….. €

    Ausbildungsaufwand:

    OLG Koblenz: Bei einem Auszubildenden sind in der Regel 100 € als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen (Tz. 10.2.3 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    OLG Frankfurt/Main: Es kann eine Pauschale von 5 % der Ausbildungsvergütung abgesetzt werden. Übersteigen die Aufwendungen diese Pauschale, so sind sie im Einzelnen darzulegen (Tz. 10.2.3 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023).

    ./. ……….. €

    Kinderbetreuung:

    OLG Frankfurt/Main: Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Geht ein Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nach, obwohl er eines oder mehrere minderjährige Kinder betreut, so kann ihm – auch neben den in Satz 1 genannten konkreten Kosten – noch ein Ausgleich für Aufwendungen bis zu 200 € zugebilligt werden, wenn er darlegt, dass er oder Dritte zusätzliche Aufwendungen durch die Betreuung der Kinder haben (wie z.B. Großeltern, Nachbarn oder Freunde betreuen die Kinder unentgeltlich, ohne dadurch den Unterhaltspflichtigen entlasten zu wollen; Fahrtkosten zu Betreuungsstellen etc.). Für die Höhe dieser Pauschale sind u.a. folgende Faktoren von Bedeutung: Zahl und Alter der Kinder; Umfang der Berufstätigkeit; Umfang der Fremdbetreuung, deren Kosten nicht im Rahmen der in S.1 genannten konkreten Kosten geltend gemacht werden; Höhe der konkreten Kosten (Tz. 10.3 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023).

    OLG Koblenz: Konkrete Kinderbetreuungskosten sind abzuziehen, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Zum Aufwand für die Betreuung des Kindes zählen nicht die Kosten des Kindergartenbesuchs, diese sind Mehrbedarf des Kindes (Tz. 10.3 Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023). Diese Kosten sind nach dem Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte zwischen den Eltern aufzuteilen. Die auf jeden Elternteil entfallenden Anteile bzw. tatsächlich gezahlten Beträge sind als Kindesunterhalt vom Einkommen vorweg abzuziehen.

    ./. ……….. €

    Schulden können je nach den Umständen des Einzelfalls (Art, Grund und Zeitpunkt des Entstehens) das anrechenbare Einkommen vermindern. Die Abzahlung soll im Rahmen eines Tilgungsplans in angemessenen Raten erfolgen. Dabei sind die Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger gegeneinander abzuwägen (Tz. 10.4 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    ./. ……….. €

    Unterhaltsleistungen an minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder sind stets vorweg mit dem Zahlbetrag abzuziehen, im Übrigen richtet sich der Abzug nach den Umständen des Einzelfalles (Tz. 10.5 Unterhaltsleitlinien des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

    ./. ……….. €

    Notwendige Umgangskosten, die über den dem Umgangsberechtigten verbleibenden Anteil am Kindergeld erheblich hinausgehen, können sich einkommensmindernd auswirken (Tz. 10.7 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023).

    ./. ……….. €

    Unterhaltsrechtliches Einkommen

    …………… €

    Abb.: Unterhaltsrechtliches Einkommen

4. Mangelfälle

4.1. Absoluter Mangelfall

4.1.1. Minderjährige Kinder

Ein absoluter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung seines notwendigen Selbstbehalts ab dem Kj. 2023 1 320 € gegenüber minderjährigen und ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche der Kinder nicht ausreicht. Beim nicht erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten beträgt der monatliche notwendige Selbstbehalt 1 120 €. Zur Feststellung des Mangelfalls entspricht der einzusetzende Bedarf für minderjährige und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern dem Zahlbetrag, der aus der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle entnommen werden kann (Tz. 24.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinie der Familiensenate in SüdL, Stand 1.1.2023).

4.1.2. Volljährige Kinder

Ein absoluter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung seines angemessenen Selbstbehalts ab dem Kj. 2023 1 650 € gegenüber volljährigen Kindern, die minderjährigen Kindern nicht gleichgestellt sind, nicht ausreicht (Tz. 21 ff. Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023).

4.2. Gekürzte Unterhaltsansprüche

Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen und der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus (sog. Mangelfälle), ist die nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts ab dem Kj. 2023 1 370 € des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen (Anmerkungen zur Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2023, unter C, LEXinform 0450805).

Der Einsatzbetrag für den Kindesunterhalt entspricht dem Zahlbetrag des Unterhaltspflichtigen. Dies ist der nach Anrechnung des Kindergeldes oder von Einkünften auf den Unterhaltsbedarf verbleibende Restbedarf.

Beispiel 2:

Das bereinigte Nettoeinkommen 2023 des Unterhaltspflichtigen (M) beträgt 1 690 €. M ist unterhaltspflichtig für zwei unterhaltsberechtigte Kinder im Alter von 19 Jahren (K1) und 16 Jahren (K2); die Kinder sind Schüler, die bei der nicht unterhaltsberechtigten, den Kindern nicht barunterhaltspflichtigen Ehefrau und Mutter (F) leben. F bezieht das Kindergeld. F leistet ihren Unterhalt gegenüber K2 durch die Betreuung des Kindes. F hat keine eigenen Einkünfte.

Lösung 2:

Der notwendige Selbstbehalt des M beträgt 1 370 € (Tz. 21.2 Unterhaltsrichtlinie des OLG Koblenz, Stand 1.1.2023, LEXinform 0450748).

Die Verteilungsmasse beträgt: 1 690 € ./. 1 370 € = 320 €.

Nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ist das auf K1 entfallende Kindergeld in voller Höhe zur Deckung seines Bedarfs zu verwenden, da für den volljährigen, sich in Berufsausbildung befindlichen K1 kein Betreuungsunterhalt mehr zu gewähren ist (§ 1606 Abs. 3 BGB).

Für den verbleibenden Unterhaltsbedarf des volljährigen K1 haften die Eltern gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Denn mit dem Eintritt der Volljährigkeit endet die elterliche Sorge im Rechtssinne und als Teil hiervon die Personensorge. Zugleich tritt an die Stelle des entfallenden Betreuungsbedarfs ein erhöhter Barunterhaltsbedarf. Damit entfällt nach dem BGB die Grundlage für eine Gleichbewertung von Betreuungs- und Barunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall etwa ein volljähriges Kind weiter im Haushalt eines Elternteils lebt und von diesem noch gewisse Betreuungsleistungen erhält. Der angemessene Unterhaltsbedarf eines privilegierten volljährigen Kindes (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) leitet sich nicht mehr allein von dem Einkommen des früher barunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern von den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern ab (s.a. BGH Urteil vom 31.10.2007, XII ZR 112/05, juris).

Zur Berücksichtigung des angemessenen (1 650 €) oder notwendigen Selbstbehalts (1 370 €) s. BGH Urteil vom 12.1.2011 (XII ZR 83/08, LEXinform 1569068 sowie BGH Beschluss vom 11.1.2017, XII ZB 565/15, LEXinform 1659032). Bei einem Mangelfall i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ist vom notwenigen Selbstbehalt auszugehen. Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Daraus folgt, dass der in den Leitlinien der Oberlandesgerichte hierfür vorgesehene sogenannte angemessene Selbstbehalt grundsätzlich nicht angegriffen werden muss, um Unterhalt zahlen zu können. Etwas anderes gilt nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn Eltern nach dem Maßstab des § 1603 Abs. 1 BGB leistungsunfähig sind (Mangelfall).

Für das minderjährige Kind K2 ist das hälftige Kindergeld zu berücksichtigen.

Unterhaltsberechtigter

Kindesunterhalt lt. Düsseldorfer Tabelle

Kindergeld im Kj. 2023

Einsatzbetrag

Verteilung der Verteilungsmasse im Verhältnis der Einsatzbeträge

K 1 (Düsseldorfer Tabelle Gruppe 1, 4. Altersgruppe)

Bemessungsgrundlage ist das zusammengerechnete Nettoeinkommen beider Elternteile i.H.v. 1 690 €.

628 €

250 €

378 €

378 × 320 : 841 = 143,83 €

K 2 (Düsseldorfer Tabelle Gruppe 1, 3. Altersgruppe)

Bemessungsgrundlage ist das Nettoeinkommen des Vaters i.H.v. 1 690 €, da nur er zum Barunterhalt verpflichtet ist. Die Mutter erfüllt ihre Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).

588 €

1/2 Kindergeld: 125 €

463 €

463 × 320 : 773,5 = 176,17 €

Summe der Einsatzbeträge = Verteilungsmasse

841 €

tatsächliche Verteilungsmasse wegen Mangelfall

320,00 €

Zum Leben verfügbar:

K 1:

143,83 € + 250 € = 393,83 €

K 2:

176,17 € + 125 € = 301,17 €

4.3. Erwerbsobliegenheit

Reicht das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen unter Wahrung seines Selbstbehalts nicht aus, um seine Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind in vollem Umfang zu erfüllen, können ihm grundsätzlich fiktiv die Einkünfte zugerechnet werden, die er erzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben würde. Mit Beschluss vom 18.6.2012 (1 BvR 774/10, LEXinform 1581122; 1 BvR 1530/11, LEXinform 1581079 und 1 BvR 2867/11) hat sich das BVerfG mit den Voraussetzungen befasst, die an die Feststellung der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeiten eines Unterhaltspflichtigen zu stellen sind (s.a. Anmerkung vom 14.8.2012, LEXinform 0632918 und Tz. 9 Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand 1.1.2023, LEXinform 0449153).

Im Rahmen dieser nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden Erwerbsobliegenheit, die gegenüber minderjährigen oder ihnen gleichgestellten Kindern nach Maßgabe des § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert ist, bedarf es bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Darlegung, dass die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise selbst unter Berücksichtigung zumutbarer Arbeitsplatz-, Berufs- oder Ortswechsel bestmöglich eingesetzt wird. Zum Umfang der Obliegenheit im Einzelnen vgl. BGH FamRZ 2009, 314 (317).

Geht es darum, ein fiktives Einkommen zu bestimmen, kommt es nicht auf die untersten beruflichen Möglichkeiten und somit nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn an. Ein unterhaltspflichtiger Elternteil sei vielmehr so zu behandeln, als ob er eine nach seinen Fähigkeiten gut bezahlte Stelle annimmt; vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 27.6.2019, Az. 10 UF 139/17.

5. Wechselmodell

Zur Unterhaltsberechnung beim Wechselmodell hat der BGH in mehreren Urteil Stellung genommen. Die BGH-Rechtsprechung wird in dem nachfolgenden Beispiel zusammengefasst (s.o. den Gliederungspunkt »Unterhaltsverpflichtung beim Wechselmodell«). S.a. Viefhues in NWB 18/2017, 1371.

Beispiel 3 (Rechtslage 2023):

Das 17-jährige Kind (K1) lebt abwechselnd beim Vater und bei der Mutter in einem echten Wechselmodell. Die Mutter erhält im Kj. 2023 das Kindergeld i.H.v. 250 €. Das Nettoeinkommen des Vaters beträgt 3 000 €, das der Mutter 2 100 €. Die Eltern beantragen die Berücksichtigung des folgenden – wegen des Wechselmodells anfallenden – monatlichen Mehrbedarfs:

Fahrtkosten zur Schule, von den Eltern je zur Hälfte getragen

30,00 €

Musikunterricht, von der Mutter getragen

20,00 €

Tanzkurs (mtl. 100 €), von der Mutter getragen

100,00 €

Fahrten zum Tanzkurs, vom Vater getragen

10,00 €

Kosten für zusätzliches Kinderzimmer beim Vater

50,00 €

zusätzliche Fahrkosten zwischen den Eltern, vom Vater getragen

20,00 €

Der Unterhaltsbedarf bemisst beim Wechselmodell nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Regelbedarf insbesondere die nach den Umständen angemessenen Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells entstehen. Hierzu können neben den Fahrtkosten insbesondere erhöhte Unterkunftskosten gehören, weil der im Tabellenbetrag enthaltene Anteil für die Deckung des Wohnbedarfs des Kindes möglicherweise nicht auskömmlich ist, um die Kosten für die Vorhaltung von zwei eingerichteten Kinderzimmern in den Wohnungen der beiden Elternteile vollständig abzubilden (BGH Beschluss vom 20.4.2016, XII ZB 45/15, LEXinform 1654630). Nach dem BGH-Beschluss vom 5.11.2014 (XII ZB 599/13, LEXinform 1593505) sind vor allem Wohn- und Fahrtkosten als Mehrkosten des Wechselmodells zu berücksichtigen.

Lösung 3:

S.a. Beispiel 1.

Nach dem BGH-Beschluss vom 11.1.2017 (XII ZB 565/15, LEXinform 1659032) ist der Unterhaltsbedarf des Kindes wie folgt zu ermitteln:

Für den Unterhalt ist der Tabellenbetrag der Düsseldorfer Tabelle aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern zu ermitteln:

Nettoeinkommen des Vaters:

3 000 €

Nettoeinkommen der Mutter

2 100 €

Summe

5 100 €

Tabellenunterhalt 3. Altersstufe (Tabelle 2023)

894 €

Davon wird das hälftige Kindergeld abgezogen. Nach dem BGH-Beschluss vom 20.4.2016 (XII ZB 45/15, LEXinform 1654360) ist die Anrechnung des Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach Maßgabe des § 1612b Abs. 1 BGB auch bei beiderseitiger Barunterhaltsverpflichtung im Wechselmodell zwingend.

Die hälftige Anrechnung des Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB hat beim Wechselmodell zur notwendigen Folge, dass der besser verdienende Elternteil durch das Kindergeld in einem größerem Umfang entlastet wird. Ist der schlechter verdienende Elternteil unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig, kommt der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergelds infolge der Anrechnung allein dem leistungsfähigen Elternteil zu Gute.

Die auf den Barunterhalt entfallende Hälfte des Kindergelds ist nach dem Maßstab der elterlichen Einkommensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu verteilen.

Anders verhält es sich mit dem auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteil am Kindergeld. Dieser steht den Elternteilen beim Wechselmodell aufgrund der von ihren gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen hälftig zu (s.u.).

./. 125 €

Unterhaltsbedarf des Kindes

769 €

Der Mehrbedarf wegen des Wechselmodells ist hinzuzurechnen.

In Fortsetzung seiner Rechtsprechung vom 5.11.2014 (XII ZB 599/13, LEXinform 1593505) hat der BGH mit Beschluss vom 11.1.2017 (XII ZB 565/15, LEXinform 1659032) u.a. entschieden, dass im Fall des Wechselmodells grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten. Der BGH hat dabei die Kosten für Musikschule und Tanzunterricht nicht als Mehrbedarf des Wechselmodells anerkannt.

Fahrtkosten zur Schule

+ 30 €

Kosten für zusätzliches Kinderzimmer

+ 50 €

zusätzliche Fahrtkosten zwischen den Eltern

+ 20 €

Gesamtbedarf des Kindes

869 €

Die Unterhaltsanteile der Eltern nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts aus dem verbleibenden vergleichbaren Einkommen zu berechnen.

Nettoeinkommen Vater

3 000 €

abzgl. angemessener Selbstbehalt im Kj. 2023

./. 1 650 €

verbleibendes vergleichbares Nettoeinkommen

1 350 €

1 350 €

Nettoeinkommen Mutter

2 100 €

abzgl. angemessener Selbstbehalt im Kj. 2023

./. 1 650 €

verbleibendes vergleichbares Nettoeinkommen

450 €

450 €

Summe der vergleichbaren Nettoeinkommen

1 800 €

Prozentualer Anteil des Vaters

75 %

Prozentualer Anteil der Mutter

25 %

Anteil des Vaters am Gesamtbedarf des Kindes von 869 €

651,75 €

Anteil der Mutter am Gesamtbedarf des Kindes von 869 €

217,25 €

Zusätzlich besteht zwischen den Eltern ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch (BGH Beschluss vom 20.4.2016, XII ZB 45/15, LEXinform 1654630). Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch ist in der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich für solche Fälle anerkannt, in denen ein Elternteil für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufgekommen ist und dadurch dessen Unterhaltsanspruch erfüllt hat, obwohl (auch) der andere Elternteil ganz oder teilweise unterhaltspflichtig war. Der Anspruch beruht auf der Unterhaltspflicht beider Eltern gegenüber ihrem Kind und ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Unterhaltslast im Verhältnis zwischen ihnen entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen (unterhaltsrechtlicher Gesamtausgleich).

Es besteht aber auch die Möglichkeit, den Anspruch auf Auskehrung des (hälftigen Kindergeldes) soweit es auf den Betreuungsunterhalt entfällt, selbstständig geltend zu machen.

Der auf den Betreuungsunterhalt entfallende Anteil am Kindergeld steht den Elternteilen beim Wechselmodell aufgrund der von ihren gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen hälftig zu. Auch wenn ein Elternteil nur über Einkünfte unterhalb des notwendigen Selbstbehalts verfügt und sich deshalb an der Aufbringung des Barunterhalts nicht beteiligen muss, kann er von dem anderen Elternteil im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs jedenfalls die Auskehrung eines Viertels des Kindergelds – nämlich die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld – verlangen.

Das anteilige Kindergeld kann im Rahmen des unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleichs verrechnet werden.

Der unterhaltsrechtliche Gesamtausgleich hat den Zweck, eine angemessene, an der jeweiligen Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der Eltern am Kindesunterhalt zu erzielen, und richtet sich auf die durch die Leistungen des besser verdienenden Elternteils noch nicht gedeckte Unterhaltsspitze.

Dem Elternteil, der das Kindergeld bezieht, steht im Fall des Wechselmodells wegen der paritätischen Betreuung der auf die Betreuung entfallende Kindergeldanteil nur zur Hälfte zu, so dass er die weitere Hälfte an den anderen, das Kind ebenfalls betreuenden Elternteil auszukehren hat. Dies kann zur Vereinfachung auch in Form der Verrechnung der beiderseitigen Leistungen verwirklicht werden, die zu dem Zweck erfolgt, dass ein Elternteil nur noch die nach Abzug der Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kindergeldanteils verbleibende Unterhaltsspitze zu zahlen hat (BGH Beschluss vom 11.1.2017, XII ZB 565/15, LEXinform 1659032).

Betreuungsunterhalt insgesamt 894 €

Betreuungsunterhalt des Vaters

Betreuungsunterhalt der Mutter

447,00 €

447,00 €

Berechnung der noch nicht gedeckten Unterhaltsspritze = Anspruch der Mutter an den besser verdienenden Vater. Die Berechnung erfolgt nach den Grundsätzen des BGH-Beschlusses vom 11.1.2017 (XII ZB 565/15, LEXinform 1659032).

Unterhalt des Vaters

651,75 €

Unterhalt der Mutter

217,25 €

abzgl. vom Vater bereits getragenen Kosten

abzgl. von der Mutter bereits getragenen Kosten

Fahrtkosten zur Schule 30 €

./. 15,00 €

./. 15,00 €

zusätzliches Kinderzimmer 50 €

./. 50,00 €

——-

zusätzliche Fahrtkosten 20 €

./. 20,00 €

——-

Hinzurechnung des erhaltenen Kindergeldes auf den Barunterhalt bei der Mutter

———

+ 125,00 €

Verbleibender Unterhalt beim Vater

566,75 €

Verbleibender Unterhalt bei der Mutter

327,25 €

Als Ausgleichszahlung (Unterhaltsspritze) hat der BGH die hälftige Different der verbleibenden Beträge festgesetzt.

Verbleibender Unterhalt beim Vater

566,75 €

abzgl. verbleibender Unterhalt der Mutter

./. 327,25 €

Differenz

239,50 €

Davon die Hälfte zu zahlen vom Vater

./. 119,75 €

zzgl. Ausgleichszahlung vom Vater

+ 119,75 €

verbleibender Betreuungsunterhalt

447,00 €

verbleibender Betreuungsunterhalt

447,00 €

zzgl. die Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kindergeldes

+ 62,50 €

abzgl. die Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kindergeldes

./. 62,50 €

Das Kindergeld kann mit der Ausgleichszahlung verrechnet werden, so dass die Mutter noch 57,25 € an den Vater zahlen muss.

Der BGH hat seine Rspr. zum Unterhalt für den Ehepartner, der gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder betreut, geändert. Diese Änderungen haben konkrete Auswirkungen auf die Berechnung des Ehegattenunterhalts zugunsten des Ehepartners, der Unterhalt geltend macht. Der eheangemessene Unterhaltsbedarf beim Trennungsunterhalt ist im Falle einer konkreten Bedarfsbemessung nach den Kosten zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des in der Ehe erreichten Lebensstandards erforderlich sind Der konkrete Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Mieter (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte; vgl. BGH Beschluss vom 29.9.2021, XII ZB 474/20.

6. Wohnungsüberlassung an unterhaltsberechtigtes Kind

Nach dem Urteil vom 16.2.2016 (IX R 28/15, LEXinform 0950533) hat der BFH entschieden, dass ein Mietverhältnis zwischen Eltern und ihrer unterhaltsberechtigten Tochter steuerlich nicht anzuerkennen ist, wenn der Mietvertrag dem sog. Fremdvergleich nicht standhält, weil zu keiner Zeit Geld von einem Konto der Tochter auf das der Eltern geflossen ist, obwohl die Eltern mit ihrer Tochter eine unbare Zahlung der monatlichen Miete vereinbart hatten, und die Überlassung der Wohnung an die Tochter sich deshalb als Gewährung von Naturalunterhalt darstellt (s.a. Anmerkung vom 31.5.2016, LEXinform 0947828).

7. Nießbrauch statt Barunterhalt

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 13.12.2016 (11 K 2951/15, EFG 2017, 965, LEXinform 5020116, rkr.) entschieden, dass es keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt, wenn eine Mutter ihrer Tochter zur Finanzierung des Studiums den Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück bestellt.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe:

Die verheirateten Kläger haben eine Tochter, die seit Oktober 11 studiert. Um ihrer Tochter die Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts während des Studiums bereitzustellen, räumte die Mutter (Klägerin) mit notariell beurkundetem Vertrag ihrer Tochter ab dem 1.1.13 einen bis zum 31.12.17 befristeten, unentgeltlichen Nießbrauch an einem bebauten Grundstück ein. Alleineigentümerin dieses Grundstücks ist die Klägerin, die es seit 1996 an ihren Mann (Kläger) für dessen Handwerksbetrieb vermietet hatte. Seit dem 1.1.13 vermietet die Tochter das Betriebsgebäude an ihren Vater, der es unverändert für seine gewerbliche Tätigkeit nutzt und die Mietzahlungen als Betriebsausgaben geltend macht. Die Mieteinnahmen stehen in voller Höhe der Tochter zu, die alle Lasten des Grundstücks trägt. Im Rahmen der ESt-Veranlagung der Kläger für das Jahr 13 erkannte das FA die Bestellung des Nießbrauchs zugunsten der Tochter steuerlich nicht an, da insoweit ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliege.

Das FG entschied, dass die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks der Tochter und nicht der Klägerin zuzurechnen sind. Die im Streitjahr 13 bereits volljährige Tochter habe auf der Grundlage des zivilrechtlich wirksam begründeten Nutzungsrechts (Nießbrauch) die rechtliche Macht, das Grundstück entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Sie sei während des Zeitraums, für den der Nießbrauch bestellt wurde (fünf Jahre), in der Disposition über den Gegenstand des Nutzungsrechts in keiner Weise beschränkt. Am 1.1.13 habe sie auf der Grundlage dieses Nutzungsrechts einen – ebenfalls zivilrechtlich wirksamen – Mietvertrag über die gewerblichen Räume mit dem Kläger geschlossen.

Diese zivilrechtliche Gestaltung sei nicht i.S.d. § 42 AO missbräuchlich und daher auch steuerrechtlich anzuerkennen. Ziel der vorliegenden Gestaltung sei es, die Tochter während ihres Studiums mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten. Bereits vor Bestellung des Nießbrauchs seien die Kosten für Miete und Nebenkosten sowie Studiengebühren von dem Konto der Klägerin beglichen wurden, auf dem auch die Mietzahlungen für die Gewerbeimmobilie eingingen. Nach Bestellung des Nießbrauchs und Abschluss des Mietvertrages mit der Tochter erhalte diese die Mieteinnahmen direkt. Nach Auffassung des Senats stehe es Eltern frei, zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder ob sie ihm – auch befristet – die Einkunftsquelle selbst übertragen. Wenn sie sich aus steuerlichen Gründen für Letzteres entscheiden, führe allein dies nicht dazu, dass die zugrunde liegende rechtliche Gestaltung als unangemessen anzusehen wäre. Auch Angehörigen dürften ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig gestalten. Der steuerliche Vorteil der Gestaltung bestehe hier im Wesentlichen darin, dass die Vermietungseinkünfte unter Berücksichtigung der steuerlichen Progression niedriger oder – falls der Grundfreibetrag nicht überschritten werden sollte – überhaupt nicht besteuert werden. Die Verlagerung von Einkünften aus einem WG auf Familienangehörige mit geringerem Steuersatz widerspreche allerdings nicht den Wertungen des Gesetzgebers. Die Mietaufwendungen seien bereits in der Vergangenheit beim Kläger als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig gewesen. Mit der gewählten Gestaltung seien daher keine steuerlich nicht abzugsfähigen Unterhaltsaufwendungen in den Bereich des Betriebsausgabenabzugs verlagert worden (Mitteilung des FG Baden-Württemberg vom 30.6.2017, LEXinform 0446749 sowie Anmerkung vom 25.7.2017, LEXinform 0948911).

8. Übertragung des Kinderfreibetrags

Nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG kann auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kj. im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (→ Kinderfreibetrag).

Allein der Umstand, dass ein sorgeberechtigter Elternteil, der sein minderjähriges Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, für sich und sein Kind Leistungen nach dem SGB II bezieht, rechtfertigt nicht die Übertragung des diesem für sein Kind zustehenden Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf den anderen Elternteil, der den Barunterhalt für das gemeinsame Kind leistet (BFH Urteil vom 15.6.2016, III R 18/15, BStBl II 2016, 893). Wird nur Betreuungsunterhalt geschuldet (vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), ist die Erfüllung dieser Pflicht entscheidend, da der Gesetzgeber von der Gleichwertigkeit der Unterhaltsleistung durch Zahlung von Geldbeträgen und durch persönliche Betreuung ausgeht.

Bei einer funktionierenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann im Hinblick auf die Übertragung des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG grds. davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Verteilung der Unterhaltsleistungen zwischen den Elternteilen für im Haushalt lebende minderjährige Kinder (in Form von Natural-, Bar- und Betreuungsunterhalt) dem Willen des allein sorgeberechtigten Elternteils oder der gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile entspricht. Leben nicht miteinander verheiratete Eltern zusammen mit einem gemeinsamen minderjährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt, kann nicht allein deshalb, weil ein betreuender Elternteil keinen oder nur einen geringen Beitrag zum (gemeinsamen) Haushaltseinkommen leistet, davon ausgegangen werden, dass dieser Elternteil i.S.d. § 32 Abs. 6 Satz 6 Alt. 1 EStG seiner Unterhaltspflicht nicht im Wesentlichen nachkommt; vgl. BFH vom 15.12.2021, III R 24/20.

9. Besteuerung Alleinerziehender mit minderjährigen Kindern

Mit Beschluss vom 27.5.2013 (III B 2/13, BFH/NV 2013, 1406, LEXinform 5907356) hat der BFH festgestellt, dass es nach der Rechtsprechung des BFH geklärt ist, dass sich weder aus dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch unter Berücksichtigung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Anwendung eines Splittingverfahrens für Alleinerziehende ergibt. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das sächliche Existenzminimum und den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes über die Gewährung von Kindergeld oder Kinderfreibeträgen zu berücksichtigen und der besonderen Belastungssituation Alleinerziehender durch die Gewährung eines Entlastungsbetrags für Alleinerziehende Rechnung zu tragen.

Nach dem Beschluss des BFH vom 29.9.2016 (III R 62/13, BStBl II 2017, 259) ist die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif anstelle der Besteuerung nach dem Splittingtarif verfassungsgemäß. Die gegen den BFH-Beschluss vom 29.9.2016 eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 18.9.2018 (2 BvR 221/17, LEXinform 0951356) nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit Urteil vom 17.9.2015 (III R 36/14, BFH/NV 2016, 545, LEXinform 0950136) hat der BFH zur Einkommensbesteuerung Alleinerziehender, wenn der andere Elternteil keinen Barunterhalt leistet, entschieden, dass daraus kein Anspruch auf einen höheren Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) abgeleitet werden kann. Eine mehrfache Freistellung des Existenzminimums eines Kindes ist nicht geboten (Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 27.7.2010, 2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994). Ein Alleinerziehender kann weder wegen der Unterhaltsleistungen an seine Kinder noch wegen seiner besonderen Belastungssituation als Alleinerziehender außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend machen. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass eigenes Einkommen eines Alleinerziehenden auch insoweit steuerpflichtig ist, als es für den Unterhalt der Kinder eingesetzt wird.

Die Besteuerung einer alleinerziehenden geschiedenen Mutter mit Kindern nach dem Grundtarif anstelle einer Besteuerung nach dem Splittingtarif ist verfassungsgemäß; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 16.11.2022, 1 K 1155/20.

10. Literaturhinweise

Born, Das neue Unterhaltsrecht, NJW 2008, 1; Viefhues, Neues Unterhaltsrecht, NWB Fach 19, 3853; Viefhues, Unterhalt des volljährigen Kindes, NWB 2012, 3876; Viefhues, Unterhalt – Die neuen Selbstbehaltssätze 2015, NWB 8/2015, 512; Viefhues, Wichtige Klarstellung zu Unterhaltsberechnungen beim Wechselmodell, NWB 18/2017, 1371; Bering u.a., Reform der Familienkassen und Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag – Aktuelles zum steuerlichen Familienleistungsausgleich, NWB 5/2017, 331; Viefhues, Die Berücksichtigung von Mehrbedarf beim Kindesunterhalt, NWB 45/2018, 3318; Viefhues, Unterhaltsrechtliche Auswirkungen des paritätischen Wechselmodells, NWB 29/2018, 2129; Viefhues, Berechnung des Ehegattenunterhalts bei Kinderbetreuung, NWB 10/2023, 698.

11. Verwandte Lexikonartikel

Familienleistungsausgleich

Kinderfreibetrag

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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