Kleinbetragsverordnung

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Gesetzliche Grundlage
2 Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
3 Anwendungsbereich
3.1 Änderung oder Berichtigung von Steuerfestsetzungen sowie der Festsetzung einer Investitions- oder Eigenheimzulage
3.2 Umsatzsteuer
3.3 Lohnsteueranmeldungen
3.4 Freistellungsbescheide
3.5 Sonstige Verwaltungsakte
3.6 Änderung oder Berichtigung der Gewerbesteuermessbeträge
3.7 Änderung oder Berichtigung der gesonderten Feststellung
3.8 Rückforderung von Wohnungsbauprämien
3.9 Arbeitnehmer-Sparzulage
3.10 Kraftfahrzeugsteuer bei Beendigung der Steuerpflicht
4 Nichtanwendung der KBV
5 Besondere Regelungen durch das BMF-Schreiben vom 22.3.2001
5.1 Nachforderungen bis 3 €
5.2 Abbuchung von Beträgen bis 3 € im Einzugsermächtigungsverfahren
5.3 Säumniszuschläge
5.4 Mahnungen
5.5 Aufrechnungen und Umbuchungen
5.6 Kleinstbeträge von weniger als 1 €
5.7 Nichtanwendung der Kleinbetragsgrenzen
6 KBV auch zulasten des Steuerpflichtigen anwendbar
7 Verwandte Lexikonartikel

1. Gesetzliche Grundlage

Nach § 156 Abs. 1 AO kann das Bundesministerium der Finanzen zur Vereinfachung der Verwaltung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Steuern und steuerliche Nebenleistungen nicht festgesetzt werden, wenn der Betrag, der festzusetzen ist, einen durch diese Rechtsverordnung zu bestimmenden Betrag voraussichtlich nicht übersteigt. Dabei darf der zu bestimmende Betrag 10 € nicht überschreiten.

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Ab dem 1.1.2002 ist die Kleinbetragsverordnung (KBV) in der Fassung des Art. 26 des Gesetzes vom 19.12.2000 (BGBl I 2000, 1790) anzuwenden (ab 1.1.2002 KBV vom 19.12.2000, BGBl I 2000, 1790, 1805; zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1679).

Neben den Regelungen der KBV kann nach § 156 Abs. 2 AO auch dann eine Festsetzung von Steuern und steuerlichen Nebenleistungen unterbleiben, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird oder wenn die Kosten der Einziehung einschließlich der Festsetzung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen.

2. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Das → Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens enthält Neuregelungen für das Absehen von der Steuerfestsetzung gem. § 156 Abs. 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Kleinbetragsverordnung .

Das Bundesministerium der Finanzen kann gem. § 156 Abs. 1 AO zur Vereinfachung der Verwaltung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass eine Steuer nicht festgesetzt wird, wenn der eigentlich festzusetzende Betrag 25 € nicht übersteigt. Das Gleiche gilt für die Änderung einer Steuerfestsetzung, wenn der Betrag, der sich als Differenz zwischen der geänderten und der bisherigen Steuerfestsetzung ergeben würde, 25 € nicht übersteigt.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Kleinbetragsverordnung unterbleibt die Steuerfestsetzung, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung bei einer Änderung oder Berichtigung zugunsten des Stpfl. mindestens 10 € oder bei einer Änderung oder Berichtigung zuungunsten des Stpfl. mindestens 25 € beträgt.

Gem. § 156 Abs. 2 AO kann die Festsetzung einer Steuer und einer steuerlichen Nebenleistung sowie deren Änderung auch über einen Betrag von 25 € hinausgehend unterbleiben, wenn zu erwarten ist, dass

  1. die Erhebung keinen Erfolg haben wird (Prognoseentscheidung) oder

  2. die Kosten der Festsetzung und die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem Betrag (Steuernachforderung) stehen werden.

Hierfür können gem. § 156 Abs. 2 Satz 2 AO die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen bundeseinheitliche Weisungen zur Anwendung erteilen. Diese Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte.

3. Anwendungsbereich

3.1. Änderung oder Berichtigung von Steuerfestsetzungen sowie der Festsetzung einer Investitions- oder Eigenheimzulage

Nach § 1 KBV werden Steuerfestsetzungen zum Nachteil der Stpfl. nur geändert, wenn die Abweichung mindestens 10 € beträgt oder der Stpfl. die Änderung beantragt. Dies gilt nach § 4 KBV auch für die Investitionszulage (→ Investitionszulagengesetz) und → Eigenheimzulage.

Bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KBV für die Berechnung der Abweichung jeweils die nach Abzug von Steuerabzugsbeträgen verbleibende Steuer zu vergleichen. Ist die erstmalige Steuerfestsetzung bereits geändert oder berichtigt worden, so ist die jeweils letzte Festsetzung Ausgangspunkt für die Berechnung der Abweichung.

3.2. Umsatzsteuer

Nach § 1 Abs. 2 KBV ist eine von der angemeldeten Umsatzsteuervorauszahlung oder Jahressteuer abweichende Festsetzung, Änderung oder Berichtigung durch das FA nur zulässig, wenn die Abweichung mindestens 10 € beträgt. Dasselbe gilt, wenn die bisherige Steuer durch Steuerbescheid festgesetzt worden ist.

Die vorstehende Regelung gilt jedoch nur für Änderungen oder Berichtigungen, die das FA vornimmt. Gibt der Stpfl. eine geänderte oder berichtigte Steueranmeldung ab, so ist diese auch dann entgegenzunehmen, wenn sich eine Steuererhöhung von weniger als 10 € ergibt.

3.3. Lohnsteueranmeldungen

Nach § 1 Abs. 3 KBV ist die Kleinbetragsregelung des § 1 Abs. 2 KBV auf Lohnsteueranmeldungen des ArbG erst anzuwenden, wenn die Lohnsteueranmeldung unanfechtbar geworden ist. Damit soll einer missbräuchlichen Ausnutzung der Kleinbetragsregelung vorgebeugt werden.

3.4. Freistellungsbescheide

Um eine Festsetzung i.S.d. KBV handelt es sich auch, wenn ein Freistellungsbescheid (→ Steuerbescheid) geändert oder berichtigt werden soll.

3.5. Sonstige Verwaltungsakte

Die KBV ist auch auf Änderungen oder Berichtigungen von Bescheiden über die Ablehnung eines Antrags auf Durchführung einer Veranlagung anzuwenden.

Ist ausschließlich die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge zu Ungunsten des Stpfl. zu berichtigen (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO), ohne dass die Steuerfestsetzung selbst geändert wird, so findet § 1 KBV unmittelbar keine Anwendung. Es bestehen jedoch keine Bedenken, auch in diesen Fällen bei Abweichungen zum Nachteil des Stpfl. von weniger als 10 € von einer Berichtigung abzusehen (OFD Hannover vom 1.9.2004, LEXinform 0578680 Tz. 2.1.2).

3.6. Änderung oder Berichtigung der Gewerbesteuermessbeträge

Die Festsetzung von Gewerbesteuermessbeträgen (→ Gewerbesteuer) werden gem. § 2 KBV nur geändert, wenn die Abweichung mindestens 2 € beträgt.

3.7. Änderung oder Berichtigung der gesonderten Feststellung

Gesonderte und einheitliche Feststellungen (→ Gesonderte Feststellung) werden nur geändert, wenn sich die Einkünfte um mindestens 20 € ändern (§ 3 KBV).

3.8. Rückforderung von Wohnungsbauprämien

Wohnungsbauprämien werden nur zurückgefordert, wenn die Rückforderung mindestens 10 € beträgt (§ 5 KBV). Für diese Grenze ist allein der Gesamtbetrag maßgebend, der durch einen Bescheid zurückgefordert wird. Unerheblich ist, ob der jeweilige Rückforderungsbescheid einen oder mehrere Verträge oder ein bzw. mehrere Kj. berührt (Abschn. 13 Abs. 6 WoPR).

Bei der Prüfung der Frage, ob wegen Überschreitens der Einkommensgrenze Wohnungsbauprämien zurückzufordern sind, ist entsprechend den Ausführungen zur Arbeitnehmer-Sparzulage zu verfahren.

3.9. Arbeitnehmer-Sparzulage

Bei der Arbeitnehmer-Sparzulage ergeben sich mittelbare Konsequenzen aus § 1 KBV, wenn der bisherigen Einkommensteuerfestsetzung im maßgeblichen Kj. ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 17 900 € / 35 800 € bzw. 20 000 € / 40 000 € zugrunde liegt und sich nachträglich herausstellt, dass das zu versteuernde Einkommen die genannten Grenzen übersteigt sowie die Korrektur der bisherigen Einkommensteuerfestsetzung nach § 1 KBV unterbleibt.

Nach § 13 Abs. 1 VermBG ist zwar für die Berechnung der Einkommensgrenze das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG maßgebend. In den vorgenannten Fällen liegt das tatsächlich zu versteuernde Einkommen auch über den genannten Beträgen. Da jedoch nach § 1 KBV die Steuerfestsetzung selbst nicht geändert wird, ist nach § 9 VermBDV auch von einer Rückforderung der Arbeitnehmer-Sparzulage abzusehen.

Die Rückforderung von Arbeitnehmer-Sparzulagen unterbleibt nach § 9 VermBDV, wenn der zurückzufordernde Betrag 5 € nicht übersteigt.

3.10. Kraftfahrzeugsteuer bei Beendigung der Steuerpflicht

Bei Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht wird die Steuer für den Entrichtungszeitraum, in den das Ende der Stpfl. fällt, auf 0 € festgesetzt, wenn der neu festzusetzende Betrag weniger als 5 € beträgt, es sei denn, für dasselbe Fahrzeug und denselben Steuerschuldner wird die Steuer in geänderter Höhe festgesetzt (§ 5 KBV).

4. Nichtanwendung der KBV

Die KBV gilt nicht für

  • erstmalige Festsetzungen oder Feststellungen,

  • ersatzlose Aufhebungen von Festsetzungen oder Feststellungen,

  • steuerliche Nebenleistungen,

  • die Festsetzung des Solidaritätszuschlags,

  • die Festsetzung der Kirchensteuer.

Die KBV findet keine Anwendung, wenn ausschließlich die Annexsteuern (Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) zu ändern oder zu berichtigen sind. Ist bei einer Korrektur der Einkommen- oder Körperschaftsteuer auch eine entsprechende Korrektur der Annex-Steuerfestsetzung vorzunehmen, ohne dass bei den Annexsteuern die Voraussetzungen des § 1 KBV geprüft werden. Unterbleibt die Korrektur der zugrunde liegenden Steuerfestsetzung, weil die Voraussetzungen des § 1 KBV nicht vorliegen, so wird auch eine Folgekorrektur der Annexsteuern nicht durchgeführt.

Die Kleinbetragsregelung ist bei Änderung oder Berichtigung der gesonderten Feststellung von Einkünften nicht anzuwenden, wenn z.B.

  • die Art der Einkünfte betroffen ist,

  • zu entscheiden ist, ob es sich um laufenden Gewinn oder einen Veräußerungsgewinn handelt,

  • weitere Beteiligte in die Feststellung einbezogen oder bisher Beteiligte nicht mehr einbezogen werden sollen.

5. Besondere Regelungen durch das BMF-Schreiben vom 22.3.2001

5.1. Nachforderungen bis 3 €

Für die Entrichtung von Kleinbeträgen gelten ab dem Kj. 2002 die Regelungen des BMF-Schreibens vom 22.3.2001 (BStBl I 2001, 242). Ergibt die Abrechnung eines Bescheides Forderungen von insgesamt weniger als 3 €, so ist dem Stpfl. durch folgenden Hinweis zu gestatten, diese Kleinbeträge unabhängig von ihrer Fälligkeit erst dann zu entrichten, wenn unter derselben Steuernummer Ansprüche von insgesamt mindestens 3 € fällig werden:

»Wenn dem Finanzamt unter dieser Steuernummer fällige Beträge von insgesamt weniger als 3 € geschuldet werden, können diese Beträge zusammen mit der nächsten Zahlung an die Finanzkasse entrichtet werden. Geben Sie dann aber bitte auch die Steuernummer und den Verwendungszweck für diese Beträge an.«

5.2. Abbuchung von Beträgen bis 3 € im Einzugsermächtigungsverfahren

Im Einzugsermächtigungsverfahren (§ 224 Abs. 2 Nr. 3 AO) sind Beträge von insgesamt weniger als 3 € nicht zum Fälligkeitstag, sondern mit dem nächsten fälligen Betrag abzubuchen.

5.3. Säumniszuschläge

Säumniszuschläge von insgesamt weniger als 5 €, die unter einer Steuernummer nachgewiesen werden, sollen in der Regel nicht gesondert angefordert werden, sie können jedoch zusammen mit anderen Beträgen angefordert werden.

5.4. Mahnungen

Bei Beträgen von weniger als 3 € ist von der Mahnung abzusehen. Beträge von 3 € bis 9,99 € werden in der Regel nach Ablauf eines Jahres gemahnt.

Werden mehrere Ansprüche unter einer Steuernummer nachgewiesen, gilt die Kleinbetragsgrenze für den jeweils zu mahnenden Gesamtbetrag, dabei sind steuerliche Nebenleistungen einschließlich noch nicht angeforderter Säumniszuschläge mit einzubeziehen.

5.5. Aufrechnungen und Umbuchungen

Durch die o.a. Kleinbetragsgrenzen zu Nachforderungen bis zu 3 € sowie Säumniszuschlägen bis zu 5 € wird die Möglichkeit der Aufrechnung oder Umbuchung nicht ausgeschlossen.

5.6. Kleinstbeträge von weniger als 1 €

Beträge von weniger als 1 € werden weder erhoben noch erstattet. Werden mehrere Ansprüche in einem Bescheid abgerechnet oder in einer Anmeldung erklärt, gilt die Betragsgrenze für den Gesamtbetrag.

5.7. Nichtanwendung der Kleinbetragsgrenzen

Von der Einhaltung der Kleinbetragsgrenzen kann abgesehen werden, wenn diese vom Stpfl. missbräuchlich ausgenutzt werden.

6. KBV auch zulasten des Steuerpflichtigen anwendbar

Mit Urteil vom 16.2.2011 (X-R-21/10, BStBl II 2011, 671) entschied der BFH, dass die KBV in der ab dem Jahr 2002 geltenden Fassung auch insoweit durch § 156 Abs. 1 AO gedeckt sei, als danach nicht nur Änderungen zulasten des Stpfl., sondern gleichermaßen Änderungen, die an sich zugunsten des Stpfl. vorzunehmen wären, unterbleiben, wenn die Abweichungen zu den bisherigen Festsetzungen oder Feststellungen bestimmte Bagatellgrenzen nicht erreichen.

7. Verwandte Lexikonartikel

Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden

Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO

Steuerbescheid

Schlichte Änderung

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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