1 Allgemeiner Überblick über die Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 14 UStG
2 Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG
3 Grundsätzliches zur Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG
3.1 Allgemeiner Überblick über die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG
3.2 Definition der ärztlichen Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG
3.3 Rechtsform des Unternehmers
4 Krankenhäuser
4.1 Begriffsbestimmungen
4.2 Einrichtungen des öffentlichen Rechts
4.3 Einrichtungen des privaten Rechts (Privatkliniken)
4.3.1 Voraussetzungen der Steuerbefreiung
4.3.1.1 Zugelassene Krankenhäuser nach § 108 SGB V
4.3.1.2 Nicht unter § 108 SGB V fallende Krankenhäuser
4.3.1.2.1 Unionsrechtswidrige Regelung ab 1.1.2009
4.3.1.2.2 Unionsrechtswidriger sozialversicherungsrechtlicher Bedarfsvorbehalt
4.3.1.2.3 Gesetzesänderung ab 1.1.2020
4.3.2 Private Belegkrankenhäuser
4.3.3 Schönheitsoperationen in einem Krankenhaus
5 Zentren für ärztliche Heilbehandlungen und Diagnostik oder Befunderhebung
5.1 Einrichtungen des öffentlichen Rechts
5.2 Einrichtungen des privaten Rechts
5.2.1 Überblick über die Anwendung der Steuerbefreiungen
5.2.2 Laborleistungen
6 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. dd UStG)
7 Medizinische Rehabilitationseinrichtungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ee UStG)
8 Einrichtungen zur Geburtshilfe (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ff UStG)
8.1 Tätigkeit als Hebamme
8.2 Steuerbefreiung der Geburtshilfe und damit eng verbundener Leistungen in Geburtshäusern und Entbindungsheimen
8.3 Leistungen von Familienhebammen
9 Hospize (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. gg UStG)
10 Dialyseeinrichtungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. hh UStG)
11 Maßregelvollzug (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ii UStG)
11.1 Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
11.2 Einrichtungen des privaten Rechts
12 Eng verbundene Umsätze
13 Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. c bis f UStG
14 Literaturhinweise
15 Verwandte Lexikonartikel
Durch das JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) werden u.a. die Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 14 und Nr. 16 mit Wirkung ab 1.1.2009 neu geregelt. Die Steuerbefreiungen der bisherigen Nr. 14 und 16 des § 4 UStG werden dabei an die Terminologie des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c und e MwStSystRL angepasst (s.a. das Einführungsschreiben des BMF zu § 4 Nr. 14 UStG in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung vom 26.6.2009, BStBl I 2006, 756). S.a. die Erläuterungen unter → Heilberufe unter dem Gliederungspunkt »Allgemeiner Überblick über die Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 14 UStG«.
Kriterium für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG ist weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Während Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung bestehen (Krankenanstalten; s.a. EuGH vom 10.6.2010, C-262/08, UR 2010, 526, LEXinform 0589191, Rz. 27), ist § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL; → Heilberufe) auf Leistungen anzuwenden, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z.B. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden (Abschn. 4.14.1. Abs. 1 UStAE; s.a. BFH Urteil vom 24.8.2017, V R 25/16, BStBl II 2023, 982, Rz. 15).
In seinem Urteil V R 25/16 hat der BFH entschieden, dass medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des praktischen Arztes durchgeführt werden, der sie angeordnet hat, nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei sein können, nicht aber auch nach Buchst. a dieser Vorschrift steuerfrei sind.
Hinweis:
Nach dem BFH-Urteil vom 18.12.2019 (XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984) ist das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient keine Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG.
S.a. die Erläuterungen unter → Heilberufe unter dem gleichnamigen Gliederungspunkt.
Nach der EuGH-Entscheidung vom 18.9.2019 (C-700/17, UR 2019, 775, LEXinform 0651596) ist eine strikte Trennung der Befreiungsvorschriften für ambulante Heilbehandlungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) und stationäre Heilbehandlungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) nicht möglich. So können z.B. Heilbehandlungsleistungen in Privatkliniken, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG nicht erfüllen (s.u. den Gliederungspunkt »Einrichtungen des privaten Rechts (Privatkliniken)«), nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein (s.a. Sterzinger, Anmerkung zum EuGH-Urteil C-700/17, UR 20/2019, 778).
Der BFH hat mit Urteil vom 7.7.2022 (V R 10/20, BFH/NV 2022, 1413, LEXinform 0952772) zur Umsatzsteuerfreiheit von ärztlichen Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausleistungen entschieden, dass ärztliche Heilbehandlungen gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch dann steuerfrei sind, wenn sie im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden und diese Krankenhausleistungen ihrerseits nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG begünstigt sind, weil nicht alle Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Die Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG wird – bezogen auf die Heilbehandlung – nicht dadurch verhindert, dass der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG dem Grunde nach eröffnet ist (entgegen BT-Drs. 16/10189, 74, 75).
Mit Urteil vom 18.12.2019 (XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984) hat der BFH als Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 18.9.2019 (C-700/17, UR 2019, 775, LEXinform 0651596; Vorlage durch BFH-Beschluss vom 11.10.2017, XI R 23/15, BStBl II 2018, 109) gegen Abschn. 4.14.2. Abs. 2 Satz 1 UStAE entschieden, dass medizinische Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik nicht nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, sondern auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sein können (s.u. den Gliederungspunkt 5.2.2 »Laborleistungen«).
Das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist keine Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG (entgegen Abschn. 4.14.1. Abs. 1, 4.14.5. Abs. 9 UStAE; s.a. Anmerkung vom 18.3.2020, LEXinform 0889271).
Nach Ergehen des EuGH-Urteils C-700/17 hat der BFH mit Urteil vom 22.1.2020 (XI R 24/19, XI R 30/17, BFH/NV 2020, 785, LEXinform 0952499, Anmerkung vom 24.6.2020, LEXinform 0889515) – teilweise inhaltsgleich mit dem BFH-Urteil XI R 23/19 – entschieden, dass medizinische Analysen eines Facharztes für Dermatologie nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sind.
Für eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b oder c MwStSystRL kommen auch ärztliche Leistungen in Betracht, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden. Selbst wenn nämlich Personen, die sich vorbeugenden Untersuchungen oder anderen vorbeugenden ärztlichen Maßnahmen unterziehen, an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, steht die Einordnung dieser Leistungen unter die Begriffe »ärztliche Heilbehandlung« (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) und »Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin« (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) doch im Einklang mit dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, der den Steuerbefreiungsregelungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL gemein ist (s. EuGH vom 10.6.2010, C-262/08, UR 2010, 526, LEXinform 0589191, Rz. 30). Daher fallen die ärztlichen Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, unter die Steuerbefreiungsregelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL.
Die Begriffe der »Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL einerseits und »Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL andererseits sind grds. inhaltsgleich (BFH vom 11.1.2019, XI R 29/17, BFH/NV 2019, 440, LEXinform 0951514, Rz. 26).
Der BFH hat mit Urteil vom 7.7.2022 (V R 10/20, BFH/NV 2022, 1413, LEXinform 0952772) zur Umsatzsteuerfreiheit von ärztlichen Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausleistungen entschieden, dass ärztliche Heilbehandlungen gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch dann steuerfrei sind, wenn sie im Rahmen von Krankenhausleistungen erbracht werden und diese Krankenhausleistungen ihrerseits nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG begünstigt sind, weil nicht alle Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Die Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG wird – bezogen auf die Heilbehandlung – nicht dadurch verhindert, dass der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG dem Grunde nach eröffnet ist (entgegen BT-Drs. 16/10189, 74, 75).
Mit Urteil vom 18.10.2023 (XI R 18/20, BFH/NV 2024, 927, LEXinform 0953663) nimmt der BFH in Rz. 34 Bezug auf sein Urteil vom 18.12.2019 (XI R 23/19) und konstatiert, dass die Steuerbefreiung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass den durch Operationsleistungen erbrachten Heilbehandlungsleistungen kein Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin (einer GmbH) und dem jeweiligen Patienten zugrunde lag. Denn die darin vorgesehene Steuerbefreiung hängt nicht von der Voraussetzung ab, dass die betreffende Heilbehandlungsleistung im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Patienten und dem Behandelnden erbracht wird.
Beachte:
Zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG für Laborleistungen sowie zur Anwendung des BFH-Urteils vom 18.12.2019 (XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984) nimmt das BMF mit Schreiben vom 10.10.2023 (BStBl I 2023, 1794) Stellung und ändert entsprechend Abschn. 4.14.1. Abs. 1 sowie Abschn. 4.14.5. Abs. 9 UStAE. Danach ist das bisher erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten für die Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG nicht mehr erforderlich. Zur weiteren Anwendung des BMF-Schreibens vom 10.10.2023 (BStBl I 2023, 1794) s.u. den Gliederungspunkt 5.2.2 »Laborleistungen«.
Zur steuerfreien ambulanten Heilbehandlung durch ein Krankenhaus in den Räumen eines anderen Krankenhauses (als Subunternehmer) hat der BFH mit Urteil vom 18.10.2023 (XI R 18/20, BFH/NV 2024, 927, LEXinform 0953663) entschieden, dass ein nach § 30 GewO konzessioniertes Krankenhaus, das nicht nach § 108 SGB V zugelassen ist, umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erbringt, wenn es mit eigenem Personal am Standort eines anderen Krankenhauses Operationen durchführt.
Entscheidungssachverhalt
Im Urteilsfall XI R 18/20 hatte die klagende Privatklinik mit einer Krankenhaus gGmbH, die ein nach § 108 SGB V zugelassenes Plankrankenhaus unterhielt, mit dem Ziel einen Vertrag abgeschlossen, dass dort gesetzlich versicherte Patienten durch eigenes Personal der Privatklinik operiert werden konnten. Die Krankenhaus gGmbH rechnete die Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung ab und gewährte der Privatklinik eine pauschale Fallvergütung i.H.v. 25 %. Das FG Düsseldorf ging – wie das FA – mit Urteil vom 19.7.2019 (1 K 907/17 EFG 2021, 875, LEXinform 5024349) davon aus, dass die Privatklinik keine Heilbehandlungsleistung erbracht, sondern ihr Personal der Krankenhaus gGmbH gestellt habe, der die entsprechende Heilbehandlungsleistung zuzurechnen sei.
Entscheidungsbegründung
Unschädlich für die Steuerbefreiung ist, dass das Leistungsaustauschverhältnis, das den Operationsleistungen zugrunde lag, nicht zwischen der Klägerin und dem einzelnen Patienten, sondern zwischen ihr und der Krankenhaus gGmbH bestand und die Heilbehandlung durch die Klägerin in Subunternehmerstellung an das Krankenhaus erbracht wurde (vgl. EuGH vom 8.10.2020, C-657/19, LEXinform 0651691, Rz. 39 zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL; BFH vom 21.4.2021, XI R 12/19, BFH/NV 2021, 1618, LEXinform 0952486, Rz. 34; s.a. Strahl, NWB 25/2024, 1690).
Die folgende Übersicht gibt einen Überblick über die unter § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG fallenden Umsätze der dort genannten Einrichtungen.
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der |
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Diagnostik, |
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Befunderhebung, |
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Vorsorge, |
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Rehabilitation, |
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Geburtshilfe, |
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Hospizleistungen und |
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Dialyseleistungen sowie |
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die damit eng verbundenen Umsätze |
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durch Einrichtungen |
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von juristischen Personen des öffentlichen Rechts |
die in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa bis ii UStG genannt sind und von diesen jeweils im Rahmen des von der Zulassung, dem Vertrag bzw. der Regelung nach den Sozialgesetzbüchern erfassten Bereichs erbracht werden. |
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§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG |
§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG |
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(Abschn. 4.14.5 Abs. 1 UStAE) |
(Abschn. 4.14.5 Abs. 1 UStAE) |
Neben Leistungen, die unmittelbar von Ärzten oder anderen Heilkundigen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden, umfasst der Begriff ärztliche Heilbehandlung auch arztähnliche Leistungen, die u.a. in Krankenhäusern unter der alleinigen Verantwortung von Personen, die keine Ärzte sind, erbracht werden (Abschn. 4.14.7 Abs. 4 UStAE; vgl. EuGH Urteil vom 6.11.2003, C-45/01, LEXinform 0168604).
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 schließt neben der ärztlichen Heilbehandlung die
Diagnostik,
Befunderhebung,
Vorsorge,
Rehabilitation,
Geburtshilfe,
Hospizleistungen und
nichtärztliche Dialyseleistungen sowie
damit eng verbundene Umsätze
mit ein (Abschn. 4.14.5 Abs. 1 UStAE).
Merke:
Grundvoraussetzung für die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL (und nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) ist, dass die Umsätze im Zusammenhang mit Behandlungen stehen, die einem therapeutischen Zweck dienen (BFH vom 11.1.2019, XI R 29/17, BFH/NV 2019, 440, LEXinform 0951514, Rz. 28; s.u. den Gliederungspunkt »Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen«).
Begünstigte Leistungserbringer können Einrichtungen des öffentlichen Rechts (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG) oder Einrichtungen des privaten Rechts, die nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht, insbes. hinsichtlich der Bedingungen, vergleichbar sind, sein. Der Begriff »Einrichtung« umfasst dabei auch natürliche Personen. Als privatrechtliche Einrichtungen sind auch Einrichtungen anzusehen, die in der Form privatrechtlicher Gesellschaften betrieben werden, deren Anteile nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehalten werden (Abschn. 4.14.7 Abs. 5 UStAE).
Der Begriff des Krankenhauses bestimmt sich nach § 107 Abs. 1 SGB V (s. Abschn. 4.14.5 Abs. 2 UStAE). Zu dieser Begriffsbestimmung s.a. den Lexikonartikel von Dauber, Pflegeeinrichtungen und Krankenanstalten unter LEXinform 5228368. Zur Definition des Krankenhauses s.a. BFH Urteil vom 25.1.2017 (I R 74/14, BStBl II 2017, 650, Rz. 9 ff. zur Gewerbesteuerpflicht eines Dialysezentrums).
Krankenhäuser i.S.d. § 107 Abs. 1 SGB V sind Einrichtungen,
die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,
die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen,
die über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten,
die mithilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen
die Patienten untergebracht und verpflegt werden können.
§ 107 Abs. 2 SGB V schließt Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom Krankhausbegriff des § 107 Abs. 1 SGB V aus. Diese fallen nicht unter § 108 SGB V, sondern unter § 111 SGB V. Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen können aber unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. dd UStG fallen (s.u. den Gliederungspunkt »Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen«).
Einrichtungen, die ausschließlich oder ganz überwiegend der ambulanten Behandlung der Kranken dienen (s.u. die Gliederungspunkte »Zentren für ärztliche Heilbehandlungen und Diagnostik oder Befunderhebung«, »Medizinische Rehabilitationseinrichtungen« und ff. Gliederungspunkte), sind keine Krankenhäuser. Die Leistungen dieser Einrichtungen können unter § 4 Nr. 14 Buchst. a oder Buchst. b Satz 2 UStG fallen.
Krankenhäuser i.S.d. § 107 Abs. 1 SGB V, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts betrieben werden, unterliegen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b Alternative 1 MwStSystRL).
Krankenhäuser, die von Einrichtungen des privaten Rechts betrieben werden, unterliegen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa Alt. 1 UStG, wenn sie nach § 108 SGB V zugelassen sind. Dies sind:
Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind (§ 108 Nr. 1 SGB V),
Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser, § 108 Nr. 2 SGB V), sowie
Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben (§ 108 Nr. 3 SGB V; Abschn. 4.14.5 Abs. 3 UStAE).
Die Umsatzsteuerbefreiung der Krankenhausleistungen ist von der Bedarfsplanung der Länder bzw. dem Willen der Krankenkassen abhängig (s.a. BMF vom 26.6.2009, BStBl I 2009, 756, Rz. 38 f.; Einführungsschreiben zu § 4 Nr. 14 UStG).
Krankenhäuser, die nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden und die keine Zulassung nach § 108 SGB V besitzen, waren ab dem 1.1.2009 mit ihren in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG genannten Leistungen nach nationalem Recht steuerpflichtig (Abschn. 4.14.5 Abs. 4 Satz 1 UStAE).
Mit Urteil vom 18.3.2004 (V R 53/00, BStBl II 2004, 677) nimmt der BFH zum Umfang der stpfl. Umsätze Stellung. Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG umfasst alle mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsätze, insbes.
ärztliche Behandlung,
Krankenpflege,
Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie
Unterkunft und Verpflegung.
Mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbunden i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG (s.u. sowie Abschn. 4.14.6 Abs. 1 und 2 UStAE) ist die gesamte Krankenhausbehandlung und damit auch die medizinische Betreuung und Pflege und nicht nur die Unterbringung und Verpflegung der Patienten im Krankenhaus. Ein Krankenhaus übt auch keine Tätigkeit als Arzt i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG aus, vielmehr erbringt es mit Hilfe seines gesamten Personals (z.B.: Ärzte, Krankenpfleger, Arzthelfer, Laboranten und Physiotherapeuten) und seiner medizinischen Ausrüstung Behandlungsleistungen, die nicht als Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Geburtshelfer oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG subsumiert werden können.
Sämtliche der oben genannten Umsätze – auch die in einer Vielzahl sonstiger Krankenhausleistungen eingebetteten ärztlichen Heilbehandlungsleistungen – waren von der Umsatzsteuerbefreiung ausgeschlossen (sozialversicherungspflichtiger Bedarfsvorbehalt), wenn es sich um Krankenhäuser handelt, die
nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden,
weder eine Zulassung nach § 108 SGB V besitzen,
noch eine sonstige Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG sind (Abschn. 4.14.5 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE).
Nach den BFH-Urteilen vom 23.10.2014 (V R 20/14, BStBl II 2016, 785), vom 18.3.2015 (XI R 38/13, BStBl II 2016, 793) und vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018) kann sich der Betreiber einer Privatklinik gegenüber der ab dem Jahr 2009 geltenden – unionsrechtswidrigen – Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V für die Steuerfreiheit seiner Leistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 42/2015 vom 17.6.2015, LEXinform 0443283).
Die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG entspricht nicht den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Denn der nationale Gesetzgeber habe den ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weil die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in Krankenhäusern, die von Unternehmern betrieben werden, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stellt (s.o.), der mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist (BFH Urteile vom 23.10.2014, V R 20/14, BStBl II 2016, 785, Rz. 19 ff., vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018, Rz. 75).
Mit Schreiben vom 6.10.2016 (BStBl I 2016, 1076) nimmt das BMF zur Anwendung der BFH-Urteile vom 23.10.2014 (V R 20/14, BStBl II 2016, 785) und vom 18.3.2015 (XI R 38/13, BStBl II 2016, 793) Stellung (s. Abschn. 4.14.5 Abs. 4 Satz 3 UStAE).
Krankenhäuser, die nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden und die weder eine Zulassung nach § 108 SGB V besitzen noch eine sonstige Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG sind, können sich mit ihren in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG genannten Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen, wenn sie diese
in sozialer Hinsicht
unter vergleichbaren Bedingungen
wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind.
In sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen vor, wenn
das Leistungsangebot dieser Krankenhäuser den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und
die Kosten in erheblichem Umfang von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.
Von einer Kostenübernahme in erheblichem Umfang ist auszugehen, wenn im vorangegangenen Kj. mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder im vorangegangenen Kj. mindestens 40 % der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG genannten Personen zugutegekommen sind (s.a. BFH vom 18.3.2015 (XI R 38/13, BStBl II 2016, 793, Rz. 44, 52 sowie BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018, Rz. 50). Eine Steuerbefreiung der Leistungen eines privaten Krankenhauses, die (in mindestens 40 % der Fälle) zum gleichen Preis wie die eines öffentlich-rechtlichen Krankenhauses angeboten werden, gewährleistet dies. Die Abrechnungspraxis des vom Krankenhaus unabhängigen Belegarztes (s.u.) ist bei beiden nicht zu berücksichtigen (BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018, Rz. 51).
Entgelte, die für Wahlleistungen berechnet werden, sind in die Berechnung der 40 %-Grenze der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage nicht mit einzubeziehen, wenn das Entgelt für die Wahlleistungen entsprechend § 17 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz in einem angemessenen Verhältnis zu den allgemeinen Krankenhausleistungen steht.
Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451; JStG 2019) wird u.a. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG ab 1.1.2020 um weitere Halbsätze ergänzt (s.a. BT-Drs. 19/13436 und 19/14873). Die Ergänzung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG beruht auf der oben erläuterten BFH-Rechtsprechung vom 23.10.2014 (V R 20/14, BStBl II 2016, 785), vom 18.3.2015 (XI R 38/13, BStBl II 2016, 793) sowie vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018).
Krankenhäuser, die von Einrichtungen des privaten Rechts betrieben werden, unterliegen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG n.F., wenn sie nach § 108 SGB V zugelassen sind oder es handelt sich um Krankenhäuser, die ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind; in sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen vor, wenn das Leistungsangebot des Krankenhauses den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder voraussichtlich mindestens 40 % der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG genannten Personen zugutekommen, dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im vorangegangenen Kj. abzustellen. Medizinisch nicht indizierte Krankenhausleistungen sind nicht Teil der Vergleichsmenge (BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018, Rz. 79).
Eigener Hinweis:
Der Wortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa Halbsatz 2 UStG n.F. ab 1.1.2020 entspricht der bisherigen Verwaltungsregelung im BMF-Schreiben vom 6.10.2016 (BStBl I 2016, 1076). Diese wiederum bezieht sich auf die Steuerbefreiungsnorm für Krankenhausleistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. bis 31.12.2008, wonach die in § 67 Abs. 1 und 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sein mussten.
Nach § 67 Abs. 1 AO müssen mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 des Krankenhausentgeltgesetzes, § 10 der Bundespflegesatzverordnung) berechnet werden.
Zur Vergleichsberechnung der 40-%-Grenze s. die Grundsätze des BFH-Urteils vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018) unter dem folgenden Gliederungspunkt.
Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des FG Niedersachsen vom 2.3.2020 (5 K 256/17, EFG 2020, 1787, LEXinform 5023653) hat der EuGH mit Urteil vom 7.4.2022 (C-228/20, LEXinform 0953042) zur Steuerbefreiung privater Krankenhäuser ohne Zulassung nach § 108 SGB V entschieden. Die Entscheidung betraf die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG a.F. (bis 31.12.2019).
In seinem Urteil C-228/20 bestätigt der EuGH in Rz. 70 die BFH-Rspr. vom 23.10.2014 (V R 20/14, BStBl II 2016, 785), vom 18.3.2015 (XI R 38/13, BStBl II 2016, 793) sowie vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018) hinsichtlich der Unionsrechtswidrigkeit der Norm. Diese Rspr. hat zu einer gesetzlichen Neuregelung ab 1.1.2020 geführt. In dem Vorabentscheidungsersuchen stellt das FG Niedersachsen weiterhin die Frage, unter welchen Voraussetzungen Krankenhausbehandlungen durch Krankenhäuser des privaten Rechts mit Krankenhausbehandlungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts in »sozialer Hinsicht« vergleichbar sind.
In Rz. 76 seiner Entscheidung C-228/20 stellt der EuGH fest, dass sich aus dem Wortlaut der Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ergibt, dass zum einen die Bedingungen, unter denen die Leistungen in einem Krankenhaus erbracht werden, mit den Bedingungen, unter denen die Leistungen in einer Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht werden, nicht identisch, sondern vergleichbar sein müssen, und dass zum anderen diese Bedingungen sozialen Charakter haben müssen.
Weiterhin soll durch die Voraussetzung der »in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen« verhindert werden, dass die von privaten Einrichtungen angebotenen Leistungen von der Steuer befreit werden, wenn diese Einrichtungen nicht Verpflichtungen mit sozialer Zielsetzung unterliegen, die mit denen vergleichbar sind, die für Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten.
Weiterhin zielt Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL insbes. darauf ab, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen, was auch die Zugänglichkeit einer qualitativ hochwertigen Behandlung impliziert.
In Rz. 79 legt der EuGH die Bedingen der Vergleichbarkeit der Leistungen privater Krankenhäuser mit denen öffentlich-rechtlicher Einrichtungen fest. Dabei sind unter dem sozialen Aspekt die Kosten der von den privaten Krankenhäusern erbrachten Leistungen, die zulasten der Patienten gehen, zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit kann es sich als relevant erweisen, ob die Tagessätze in einem privaten Krankenhaus und in einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus in vergleichbarer Weise berechnet werden. Desgleichen ist zu überprüfen, ob es für die von privaten Krankenhäusern erbrachten Leistungen eine Kostenübernahme durch das System der sozialen Sicherheit oder aufgrund von Vereinbarungen mit den Behörden eines Mitgliedstaats gibt, sodass die zulasten der Patienten gehenden Kosten ähnlich hoch sind wie die Kosten, die von den Patienten öffentlicher Einrichtungen getragen werden.
Schließlich können die Leistungsfähigkeit des privaten Krankenhauses in Sachen Personal, Räumlichkeiten und Ausstattung sowie die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung berücksichtigt werden, wenn die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser vergleichbaren Betriebsführungsindikatoren unterliegen und diese zur Erreichung des Ziels beitragen, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und den Einzelnen eine qualitativ hochwertige Behandlung zugänglicher zu machen.
M.E. bestätigt der EuGH die in der Neuregelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG festgelegten Voraussetzungen, nach denen nach nationalem Recht von einer »Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht« auszugehen ist.
Zur Steuerbefreiung von Leistungen einer Privatklinik mit Belegärzten hat der BFH mit Urteil vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018) Stellung genommen. Der BFH hatte dabei über die Steuerbefreiung nach altem Recht bis 31.12.2008 und über das nach dem ab 1.1.2009 geltenden Recht zu entscheiden. In der folgenden Übersicht wird zusätzlich noch auf die Neuregelung ab 1.1.2020 eingegangen.
§ 4 Nr. 16 Buchst. d UStG a.F. i.V.m. § 67 AO anzuwenden bis 31.12.2008 |
§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG anzuwenden ab 1.1.2009 bis 31.12.2019 |
§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa HS. 2 UStG anzuwenden ab 1.1.2020 |
Steuerfrei waren die Leistungen einer Privatklinik, wenn bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kj. die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt wurden. |
Steuerfrei sind die Leistungen, wenn es sich um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. von § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG handelt oder die Voraussetzungen des Satz 2 vorliegen. Die im Urteilsfall betriebene Klinik war nicht als Krankenhaus i.S.v. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. § 108 SGB V zugelassen. |
Steuerfrei sind die Leistungen von Privatkliniken, die ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind. Das Leistungsangebot muss mit den öffentlich-rechtlichen oder den nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser vergleichbar sein. Weiterhin gilt die o. erläuterte 40 %-Regelung (s. BMF vom 6.10.2016, BStBl I 2016, 1076 sowie den vorherigen Gliederungspunkt »Gesetzesänderung ab 1.1.2020«). |
Unionsrechtskonformität der Altregelung bis 31.12.2008:
Mit der Verweisung in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. auf § 67 Abs. 2 AO soll sichergestellt werden, dass nur die Leistungen von Krankenhäusern in privat-rechtlicher Trägerschaft steuerfrei sind, die unter sozial vergleichbaren Bedingungen wie öffentlich-rechtlich organisierte Krankenanstalten tätig sind. Damit hat der nationale Gesetzgeber sein im Rahmen des Art. 132 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL eingeräumtes Ermessen insoweit unionrechtskonform ausgeübt, als er zur Bestimmung dessen, wodurch sozial vergleichbare Bedingungen der Erbringung von Krankenhausleistungen gekennzeichnet sind, auf die abgerechnete Entgelthöhe abgestellt hat (vgl. BFH vom 18.3.2015, XI R 8/13, BStBl II 2016, 788, Rz. 44, 52 und BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, Rz. 49 und 50).
Unionsrechtskonformität der Regelung bis 31.12.2019:
§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG entspricht insofern nicht den unionsrechtlichen Vorgaben, als er in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in Krankenhäusern, die von Unternehmern betrieben werden, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stellt, der mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist (BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, Rz. 75).
Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG ist bis 2019 die Steuerfreiheit von Heilbehandlungen bei privaten Krankenhäusern nicht mehr von der Höhe des abgerechneten Entgelts, sondern unter Bezugnahme auf spezifische Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit von einer Zulassung nach §§ 108 f. SGB V abhängig.
Unionsrechtskonformität der Regelung ab 1.1.2020:
In der Fassung ab 1.1.2020 wird der in der Altregelung bis zum 31.12.2008 geregelte Leistungsvergleich (40 %-Grenze) wieder gesetzlich normiert. Von einer Kostenübernahme in erheblichem Umfang ist auszugehen, wenn im vorangegangenen Kj. mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die medizinisch indizierten Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder im vorangegangenen Kj. mindestens 40 % der Leistungen den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG genannten Personen zugutegekommen sind.
Wie aus den vorangegangenen Erläuterungen deutlich wird, sind die Regelungen bis 31.12.2008 und ab 1.1.2020 bezüglich des Leistungsvergleichs (40 %-Grenze) für die Anwendung der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG vergleichbar.
In seinem Urteil vom 23.1.2019 (XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018) nimmt der BFH, unter Berücksichtigung der ärztlichen Leistungen der Belegärzte, zur Durchführung des Leistungsvergleichs Stellung.
Krankenhausleistungen umfassen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG
allgemeine Krankenhausleistungen und
Wahlleistungen.
In sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen vor, wenn das Leistungsangebot dieser Krankenhäuser den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und die Kosten in erheblichem Umfang von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden. Von einer Kostenübernahme in erheblichem Umfang ist u.a. auszugehen, wenn im vorangegangenen Kj. mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde.
Entgelte, die für Wahlleistungen berechnet werden, sind in die Berechnung der 40%-Grenze der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage nicht mit einzubeziehen, wenn das Entgelt für die Wahlleistungen entsprechend § 17 Abs. 1 KHEntgG in einem angemessenen Verhältnis zu den allgemeinen Krankenhausleistungen steht.
Insoweit ist ein Vergleich mit den Preisen von Plankrankenhäusern für entsprechende Wahlleistungen vorzunehmen.
Leistungen eines selbstständigen Belegarztes sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG – im Gegensatz zu Wahlleistungen, insbes. des angestellten Wahlarztes – keine Krankenhausleistungen, obwohl dieser seine Leistungen im Krankenhaus erbringt und diese Leistungen auch als stationäre Leistungen anzusehen sind.
Hinweis:
Belegärzte sind nicht am Krankenhaus angestellte Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG).
Allgemeine Krankenhausleistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 KHEntgG sind die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind.
Nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 7 KHEntgG gehören die Wahlleistungen nach § 17 KHEntgG. Darunter fallen z.B. Unterkunftswahlleistungen (Belegung eines Ein- oder Zweibettzimmers) und wahlärztliche Leistungen (Chefarztbehandlung).
Allgemeine Krankenhausleistungen werden nach § 7 KHEntgG abgerechnet (Fallpauschalen). Mit diesen Entgelten werden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG). Aus dem Vergütungssystem der Fallpauschalen folgt, dass das Fehlen einer Vorauskalkulation nach Selbstkostengrundsätzen der Steuerfreiheit der Krankenhausleistungen nicht mehr entgegensteht. Nach der Änderung des Vergütungssystems auf die Abrechnung nach Fallpauschalen waren von den Vergleichs-Krankenhäusern des § 67 Abs. 1 AO weder Pflegesätze zu ermitteln noch konnte ein Vergleich mit diesen Krankenhäusern anhand solcher aufgrund einer Vorauskalkulation der Selbstkosten ermittelten Pflegesätze erfolgen. Vielmehr sind seitdem die Fallpauschalen mit denen eines Krankenhauses im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes zu vergleichen (BFH vom 17.11.2022, V R 23/20, BFH/NV 2023, 473, LEXinform 0953033, Rz. 22 im Anschluss an BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018).
Andere als die allgemeinen Krankenhausleistungen dürfen – unter den weiteren Voraussetzungen des § 17 KHEntgG – nach § 17 Abs. 1 KHEntgG als Wahlleistungen gesondert abgerechnet werden.
Da die Leistungen eines selbstständigen Belegarztes nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG keine Krankenhausleistungen sind, wird einem Krankenhaus die Behandlung von Belegpatienten auch nicht mit den Entgelten i.S.d. § 7 KHEntgG (Fallpauschalen) vergütet. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG werden für Belegpatienten gesonderte pauschalierte Pflegesätze vereinbart, da die Pauschale keine ärztliche Behandlung umfasst (BFH XI R 15/16, Rz. 38). Zusätzlich erhalten Krankenhäuser für ihren eigenen Leistungsteil an der belegärztlichen Versorgung eine Kostenerstattung durch den Belegarzt nach § 19 Abs. 1 KHEntgG.
Nach der bis zum 31.12.2008 vorzunehmenden Vergleichsrechnung, ebenso nach der im BMF-Schreiben vom 6.10.2016 (BStBl I 2016, 1076) sowie nach der Vergleichsrechnung der Neuregelung ab 1.1.2020 kommt es nur auf die für Krankenhausleistungen berechneten Entgelte an. Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei den Belegärzten ausdrücklich nicht um Krankenhausleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 18 KHEntgG; BFH XI R 15/16, Rz. 40).
Bei Krankenhaus- und Belegarztleistungen handelt es sich in zivilrechtlicher (s. BFH XI R 15/16, Rz. 42 bis 44) und umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht um verschiedene Vertragspartner und Leistende.
Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich bei Belegarzt und Krankenhaus um zwei unterschiedliche Unternehmer, die verschiedene Leistungen (ärztliche Operation und Unterkunft/Pflege im Krankenhaus) aufgrund eines gesonderten Rechtsverhältnisses erbringen. Dementsprechend können die Leistungen des Belegarztes (vgl. BFH vom 24.8.2017, V R 25/16, BStBl II 2023, 982, Rz. 13 f.) als gesondert zu beurteilende Heilbehandlungsleistungen unter § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallen.
Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen sind nur steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur »erforderlich« ist, während Eingriffe zu rein kosmetischen Zwecken steuerpflichtig sind (EuGH Urteil vom 21.3.2013, C-91/12, UR 2013, 335, LEXinform 5212302; BFH vom 4.12.2014, V R 16/12, BFH/NV 2015, 645, LEXinform 0929329 sowie V R 33/12, BFH/NV 2015, 648, LEXinform 0929430; Pressemitteilung des BFH Nr. 13/2015 vom 18.2.2015, LEXinform 0442934).
Gesundheitliche Probleme psychologischer Art können nur dann die Steuerfreiheit ästhetischer Operationen und ästhetischer Behandlungen in Fällen wie z.B. Fettabsaugungen, Soft-Liftings, Augenlid- und Brustoperationen begründen, wenn hierzu medizinische Feststellungen vorliegen, die von dem »entsprechenden Fachpersonal« zu treffen sind. Dabei ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass der die ästhetische Operation z.B. als Chirurg durchführende Arzt – anders als z.B. psychologische Psychotherapeuten und auf Leiden psychologischer Art spezialisierte Fachärzte – nicht zu dem »Fachpersonal« gehören, das »medizinische Feststellungen« zu »gesundheitlichen Problemen psychologischer Art« treffen kann, da ihm die hierfür erforderliche unmittelbare berufliche Qualifikation fehlt (BFH Beschluss vom 19.6.2013, V S 20/13, BFH/NV 2013, 1643, LEXinform 5907413).
Auch das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 17.2.2017 (1 K 1994/13, EFG 2017, 1305, LEXinform 5020261, rkr.) entschieden, dass die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen einer nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. § 108 SGB V zugelassenen Privatklinik, die überwiegend nicht medizinisch indizierte Schönheitsoperationen ausführt, nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL gestützt werden, da die von ihr erbrachten Leistungen mit denjenigen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehender Krankenhäuser nicht vergleichbar sind (s.a. BFH vom 23.1.2019, XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, LEXinform 0951018, Rz. 67).
Leistungen von Zentren für ärztliche Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts betrieben werden, unterliegen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b Alternative 1 MwStSystRL).
Die folgende Übersicht gibt einen Überblick über die Anwendung der Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb und cc UStG.
Zentren für ärztliche Heilbehandlungen und Diagnostik oder Befunderhebung |
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steuerfrei nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 |
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Doppelbuchst. bb |
Doppelbuchst. cc |
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durch |
Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 SGB VII an der Versorgung beteiligt werden (Abschn. 4.14.5 Abs. 14 UStAE). |
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• |
Teilnahme an der ärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V oder |
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• |
Anwendung der Regelungen nach § 115 SGB V (Praxiskliniken, Abschn. 4.14.5 Abs. 11 bis 13 UStAE). |
|
Näheres s. Abschn. 4.14.5 Abs. 7 UStAE. |
||
Steuerfrei sind auch |
||
• |
Leistungen von Einrichtungen i.S.d. § 13 SchKG, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen (Abschn. 4.14.5 Abs. 7 Satz 3 UStAE); |
|
• |
labordiagnostische Typisierungsleistungen zur Vorbereitung einer Stammzellentransplantation (Abschn. 4.14.5 Abs. 7 Satz 4 ff. UStAE; BMF vom 31.10.2013, BStBl I 2013, 1383); |
|
• |
Leistungen medizinischer Versorgungszentren (Abschn. 4.14.5 Abs. 10 UStAE). |
Nach der bisherigen Verwaltungsregelung im BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 20.11.2013 (BStBl I 2013, 1581) waren Labordienstleistungen, die von Ärzten oder im Rahmen der Ausübung eines ärztlichen Berufs erbracht wurden, nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei (s.a. Abschn. 4.14.5. Abs. 9 UStAE a.F.). Die Leistungen der Laborärzte beruhen nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten.
In seinem Vorlagebeschluss vom 11.10.2017 (XI R 23/15, BStBl II 2018, 109) hat der BFH Zweifel, ob sich die Steuerfreiheit von Heilbehandlungen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik im Bereich der Humanmedizin nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL beurteilt. Der BFH hat diesbezüglich ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.
Der BFH vertritt in dem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass diese Leistungen als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt durchgeführt wurden, den Tatbestand der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) erfüllen.
Der BFH weist aber auch darauf hin, dass der V. Senat des BFH in seinem Urteil vom 24.8.2017 (V R 25/16, BStBl II 2023, 982) eine andere Auffassung vertritt. Der Klärung durch den EuGH bedarf, ob es sich hierbei um eine zutreffende Interpretation seiner Rechtsprechung durch den nationalen Gesetzgeber handelt, dass bei medizinischen Analysen die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ausgeschlossen ist und dementsprechend medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL), nicht aber auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) steuerfrei sind (so BFH Urteil vom 24.8.2017, V R 25/16, BStBl II 2023, 982, Rz. 9).
In seinem Vorlagebeschluss vom 11.10.2017 (XI R 23/15, BStBl II 2018, 109) möchte der BFH weiterhin geklärt wissen, ob die Anwendbarkeit von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) – falls diese Bestimmung anwendbar ist – ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und der behandelten Person voraussetzt.
Nach der EuGH-Entscheidung vom 18.9.2019 (C-700/17, UR 2019, 775, LEXinform 0651596) ist eine strikte Trennung der Befreiungsvorschriften für ambulante Heilbehandlungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) und stationäre Heilbehandlungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) nicht möglich (s.o. den Gliederungspunkt 2 »Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG«).
Entscheidungsgründe des EuGH vom 18.9.2019 (C-700/17, UR 2019, 775, LEXinform 0651596; Anmerkung vom Sterzinger, UR 20/2019, 778)
Die beiden Begriffe der ärztlichen Heilbehandlung (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) und der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) zielen nach der EuGH-Rechtsprechung auf Leistungen ab, die der Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Das Abgrenzungskriterium der beiden Befreiungstatbestände hängt weniger mit der Art der Leistung als mit dem Ort ihrer Erbringung zusammen (in Krankenhäusern erbracht oder nicht). Im streitgegenständlichen Fall geht es um Heilbehandlungsleistungen.
In dem Ausgangsverfahren fertigte der Kläger für ein in privatrechtlicher Form organisiertes Labor medizinische Analysen, die außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt wurden.
Labore oder abgegrenzte Einheiten mit vergleichbarer Funktion können eine Einrichtung »gleicher Art« wie »Krankenanstalten« und »Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL darstellen. Erfüllen Heilbehandlungsleistungen nicht alle Anforderungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b ist das Eingreifen einer Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Denn es würde dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität widersprechen, wenn für Leistungen je nachdem, an welchem Ort sie durchgeführt werden, eine andere Mehrwertsteuerregelung gelten würde, obwohl ihre Qualität angesichts der Ausbildung der betreffenden Dienstleistungserbringer gleichwertig ist. Dass Heilbehandlungen im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen behandelnder und behandelten Person erbracht werden müssen, ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c ebenfalls nicht. Eine solche Voraussetzung widerspräche auch dem Zweck der Bestimmung, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und diese für den Einzelnen leichter zugänglich zu machen. Die Behandlungen weisen auch ohne ein spezielles Vertrauensverhältnis eine ausreichende Qualität auf.
In der Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 18.9.2019 (C-700/18) schließt sich der BFH mit Urteil vom 18.12.2019 (XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984) der Auffassung des EuGH an. Danach können medizinische Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik nicht nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, sondern auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sein (entgegen Abschn. 4.14.5 Abs. 9 UStAE a.F.).
Zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG für Laborleistungen sowie zur Anwendung des BFH-Urteils vom 18.12.2019 (XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984) nimmt das BMF mit Schreiben vom 10.10.2023 (BStBl I 2023, 1794) Stellung und ändert entsprechend Abschn. 4.14.1. Abs. 1 sowie Abschn. 4.14.5. Abs. 9 UStAE. Danach ist das bisher erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten für die Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG nicht mehr erforderlich.
Weiterhin können medizinische Analysen klinischer Chemiker und von Laborärzten sowohl nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb oder cc UStG steuerfrei sein (vgl. BFH vom 18.12.2019, XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984), sofern die Leistungen im Rahmen einer Heilbehandlung erbracht werden (Abschn. 4.14.5. Abs. 9 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 10.10.2023, BStBl I 2023, 1794).
Beachte:
Nach Rz. 4 des BMF-Schreibens vom 10.10.2023 (BStBl I 2023, 1794) sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 18.12.2019 (XI R 23/19, XI R 23/15, BStBl II 2023, 984) bezüglich der Laborleistungen auf Umsätze in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die bis zum 31.12.2023 erbracht werden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den o.g. Ausführungen umsatzsteuerpflichtig behandelt bzw. behandelt hat, sofern die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb oder cc UStG nicht vorgelegen haben bzw. nicht vorliegen.
Weitere Erläuterungen zur EuGH-Entscheidung C-700/17 s.o. unter dem Gliederungspunkt 2 »Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG« sowie → Heilberufe unter dem gleichnamigen Gliederungspunkt.
Zur Definition der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen s. § 107 Abs. 2 SGB V und Abschn. 4.14.5 Abs. 15 UStAE.
Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, sind mit ihren medizinischen Leistungen zur Vorsorge oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einschließlich der Anschlussheilbehandlung, die eine stationäre Behandlung, aber keine Krankenhausbehandlung erfordern, nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. dd UStG steuerfrei.
Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartige Einrichtungen oder für Vater-Kind-Maßnahmen geeignete Einrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a SGB V besteht, sind mit ihren stationären medizinischen Leistungen zur Vorsorge oder Rehabilitation für Mütter und Väter nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. dd UStG steuerfrei (Abschn. 4.14.5 Abs. 17 UStAE).
Die Leistungen eines Gesundheitszentrums mit Wellnessangebot, das keinen Versorgungsvertrag als Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung gem. § 111 SGB V mit einer Krankenkasse geschlossen hat, und bei dem die Gäste nach einem eingangs erfolgten ärztlichen Aufnahmegespräch selbst über ihren Aufenthalt, dessen Dauer sowie den Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen bestimmen können, sind umsatzsteuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL greift nicht ein, wenn keine Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht mit Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gegeben ist (BFH vom 11.1.2019, XI R 29/17, BFH/NV 2019, 440, LEXinform 0951514; Anmerkung vom 12.3.2019, LEXinform 0653614).
Zur Definition der medizinischen Rehabilitationseinrichtungen s. §§ 36 ff. SGB IX und Abschn. 4.14.5 Abs. 18 UStAE. Ab 1.1.2018 bestehen die Vertragsregelungen nach § 38 SGB IX (i.d.F. vom 23.12.2016, BGBl I 2016, 3234) statt bisher nach § 21 SGB IX.
Die Leistungen der Rehabilitationsdienste und -einrichtungen sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ee UStG steuerfrei.
Die Tätigkeit einer Hebamme bzw. eines Entbindungspflegers fällt unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (→ Heilberufe i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG unter dem Gliederungspunkt »Tätigkeit der Hebammen«).
Die Leistungen im Rahmen der Entbindung in von Hebammen geleiteten Einrichtungen können unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ff UStG steuerfrei sein. Werden diese Leistungen von Einrichtungen des privaten Rechts erbracht, unterliegen sie der Steuerbefreiung, wenn für sie nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ff UStG Verträge nach § 134a SGB V gelten. Verträge dieser Art dienen der Regelung und Versorgung mit Hebammenhilfe. Die Steuerbefreiung ist unabhängig von einer sozialversicherungsrechtlichen Abrechnungsfähigkeit dieser Leistung (Abschn. 4.14.5 Abs. 19 UStAE).
Von Hebammen geleitete Einrichtungen zur Geburtshilfe, z.B. Geburtshäuser und Entbindungsheime, erbringen mit der Hilfe bei der Geburt und der Überwachung des Wochenbettverlaufs sowohl ambulante wie auch stationäre Leistungen. Werden diese Leistungen von Einrichtungen des privaten Rechts erbracht, unterliegen sie der Steuerbefreiung, wenn für sie nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ff UStG Verträge nach § 134a SGB V gelten. Verträge dieser Art dienen der Regelung und Versorgung mit Hebammenhilfe. Die Steuerbefreiung ist unabhängig von einer sozialversicherungsrechtlichen Abrechnungsfähigkeit dieser Leistung (4.14.5 Abs. 19 UStAE).
Neben dem originären Tätigkeitsbereich von Hebammen im Bereich der Geburtshilfe, werden sog. Familienhebammen auch zur Aufdeckung von Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern eingesetzt, stehen neben den Jugendämtern als Ansprechperson in Fragen der Familie und Erziehung zur Verfügung und informieren über entsprechende Unterstützungsangebote.
Die Familienhebammen werden i.d.R. freiberuflich tätig. In Einzelfällen schließen sie dabei unmittelbare Verträge mit den Jugendämtern und erhalten von diesen direkt ihre Honorare. In der überwiegenden Anzahl der Fälle erhält die Hebamme ihr Entgelt jedoch nicht direkt vom Jugendamt, sondern von gemeinnützigen Vereinen, die eng mit den Jugendämtern zusammenarbeiten.
Die über die Geburtshilfe hinausgehenden Leistungen der Familienhebammen werden nicht von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG erfasst, da es sich hierbei nicht um medizinische Heilbehandlungs-/-beratungsleistungen, sondern vielmehr um soziale Beratungsleistungen handelt.
Diese Leistungen können jedoch nach § 4 Nr. 25 UStG unter den dort genannten Voraussetzungen steuerfrei sein (OFD Frankfurt vom 20.10.2008, S 7170 A – 82 – St 112, UR 2009, 359).
Hinweis:
Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII und die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII sind nach § 4 Nr. 25 UStG steuerfrei, wenn diese Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind u.a. Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kj. ganz oder zum überwiegenden Teil durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder von der zuständigen Jugendbehörde anerkannte Träger der freien Jugendhilfe, durch die Kirche und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts oder durch die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege vergütet wurden (§ 4 Nr. 25 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG).
Sofern die Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 UStG erfüllt sind, können die Leistungen der Familienhebammen demnach steuerfrei sein, unabhängig davon, ob sie direkt von den Jugendämtern als Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder durch entsprechende gemeinnützige Vereine, die mit den Jugendämtern zusammenarbeiten, als andere Einrichtung mit sozialem Charakter finanziert werden.
Zur Definition der Hospizleistungen s. Abschn. 4.14.5 Abs. 20 UStAE.
Stationäre und teilstationäre Hospizleistungen fallen unter die Befreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. gg UStG, sofern sie von Einrichtungen des Privatrechts erbracht werden, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 SGB V bestehen.
Ambulante Hospizleistungen, die unter der fachlichen Verantwortung von Gesundheits- und Krankenpflegern oder anderen vergleichbar qualifizierten medizinischen Fachkräften erbracht werden, unterliegen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Das Gleiche gilt für Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung nach § 37b SGB V (Abschn. 4.14.5 Abs. 22 UStAE).
Einrichtungen, die nicht bereits nach § 95 SGB V als Dialysezentren zugelassen sind (s.o. zu § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG), mit denen aber Verträge nach § 127 i.V.m. § 126 Abs. 3 SGB V über die Erbringung nichtärztlicher Dialyseleistungen bestehen, sind mit ihren entsprechenden Dialyseleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. hh UStG von der Umsatzsteuer befreit (Abschn. 4.14.5 Abs. 22a UStAE).
Zum 1.1.2015 (Gesetz zur Anpassung der AO an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften) wurde die Steuerbefreiung auf Dialyseleistungen von Einrichtungen, mit denen Verträge nach § 127 i.V.m. § 126 Abs. 3 SGB V über die Erbringung nichtärztlicher Dialyseleistungen bestehen, ausgedehnt (s. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. hh UStG; der bisherige Doppelbuchst. hh ist jetzt Doppelbuchst. ii.).
Die Umsätze von Krankenhäusern des Maßregelvollzugs, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden, sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei.
Einrichtungen des privaten Rechts, denen im Wege der Beleihung die Durchführung des Maßregelvollzugs übertragen wird und die nicht über eine Zulassung nach § 108 SGB V verfügen, sind mit ihren Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. ii UStG ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit, wenn es sich um Einrichtungen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 StVollzG handelt (Abschn. 4.14.5 Abs. 23 UStAE).
Zu den eng mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen verbunden Umsätzen hat der EuGH mit Urteil vom 13.1.2022 (C-513/20, UR 2022, 90, LEXinform 4245170) Stellung genommen.
Im Urteilsfall betrieb T in Portugal im Rahmen der medizinischen Grundversorgung ein Thermalbad. Für die Dienstleistung der »Klassischen Thermalkuren« muss der Nutzer zuvor verpflichtend einen der im Thermalbad tätigen Ärzte aufsuchen, damit dieser ihm die durchzuführenden Behandlungen verordnet. Bei Bezahlung dieses Arztbesuchs entrichtet der Nutzer zugleich einen Beitrag für die Thermalregistrierung im laufenden Kj., die die verordneten Anwendungen deckt und ohne die kein Zugang zu diesen Anwendungen besteht. Für diesen Beitrag stellt T keine Mehrwertsteuer in Rechnung. Auf ihrer offiziellen Website weist T darauf hin, dass jede Thermalregistrierung individuell erfolgt und dazu dient, den vorherigen Arztbesuch zu vereinbaren, bei dem vom Arzt des Thermalbads dann die Behandlungen verordnet werden. In den betreffenden Steuerjahren wurden für die Thermalregistrierung 30 €, 33 € bzw. 36 € berechnet.
Die portugiesische Finanzverwaltung hat für die Thermalregistrierung Mehrwertsteuer festgesetzt.
Das vorlegende portugiesische Gericht weist darauf hin, dass in Anbetracht der vom EuGH bereits festgelegten Kriterien nicht klar sei, ob bei diesen für die Thermalregistrierung erhobenen Beträgen davon auszugehen ist, dass i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ein enger Zusammenhang mit der ärztlichen Heilbehandlung besteht.
In Rz. 27 seiner Entscheidung C-513/20 stellt der EuGH fest, dass es sich bei den Behandlungen, die in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Thermalbad im Rahmen von »Klassischen Thermalkuren« angeboten werden, u.a. bestimmte Behandlungen im Bereich HNO/Atemwegsmedizin und Rheumatologie, die eine therapeutische Funktion erfüllen und von einem Arzt verordnet werden, um medizinische Heilbehandlungen i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL handelt.
Nach der Urteilsbegründung des EuGH in Rz. 26 seiner Entscheidung C-513/20 müssen die ärztlichen Heilbehandlungen und Krankenhausbehandlungen i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nach der Rspr. zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Zudem fallen die ärztlichen Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, unter die Steuerbefreiungsregelung dieser Vorschrift.
Es ist nun zu prüfen, ob ein Umsatz, der im Anlegen eines individuellen, ein Anamneseblatt umfassenden Datenblatts besteht, das als Gegenleistung für die Zahlung des Beitrags für die Thermalregistrierung zum Erwerb solcher ärztlichen Heilbehandlungen berechtigt, unter den Begriff der mit den ärztlichen Heilbehandlungen »eng verbundenen Umsätze« fällt.
Aus dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ergibt sich, dass die »eng verbundenen Umsätze« sich nicht auf Leistungen beziehen, die in keinem Zusammenhang mit einer etwaigen Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung der Leistungsempfänger stehen.
Aus dem Wortlaut des Art. 134 Buchst. a MwStSystRL ergibt sich, dass die betreffenden Leistungen für die der Krankenhausbehandlung und ärztlichen Heilbehandlungen unterfallenden Umsätze unerlässlich sein müssen.
Es können nur Dienstleistungen, die naturgemäß im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der Erbringung dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind, »eng verbundene Umsätze« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL darstellen, da sich nämlich nur solche Leistungen auf die Kosten der medizinischen Behandlungen auswirken können, die dem Einzelnen durch die in Rede stehende Steuerbefreiung zugänglich gemacht werden (EuGH C-513/20, Rz. 32).
Besteht ein Umsatz im Anlegen eines individuellen, ein Anamneseblatt umfassenden Datenblatts mit Angaben zum Gesundheitszustand des Nutzers und zu den ihm verordneten Behandlungen sowie zu den Anwendungsmodalitäten für diese Behandlungen und ist darüber hinaus die Abfrage dieser Daten für die Erbringung dieser Behandlungen und zur Erreichung der verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich, könnte nach Ansicht des EuGH ein solcher Umsatz als i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL »eng verbunden« mit den ärztlichen Heilbehandlungen angesehen werden.
Falls die Gegenleistung der Zahlung für die Thermalregistrierung allerdings allein in der Möglichkeit besteht, verordnete Behandlungen zu erwerben, oder der Inhalt des individuellen, das Anamneseblatt umfassenden Datenblatts nicht unerlässlich für die Erbringung der Behandlungen und zur Erreichung der verfolgten therapeutischen Ziele ist, kann nach Meinung des EuGH kein mit ärztlichen Heilbehandlungen eng verbundener Umsatz angenommen werden.
Sofern im Ausgangsverfahren ein mit den ärztlichen Heilbehandlungen eng verbundener Umsatz gegeben ist, hat das vorlegende Gericht nach den weiteren Ausführungen des EuGH noch zu prüfen, ob dieser Umsatz von einer der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL genannten Einrichtungen unter den in dieser Vorschrift vorgesehenen Bedingungen durchgeführt bzw. bewirkt wurde (EuGH C-513/20, Rz. 39; s.a. Anmerkung vom 9.2.2022, LEXinform 0887929).
Hinweis:
Meldungen eines Arztes zur reinen Dokumentation von Patientendaten, wenn diese Meldungen keine Auswirkungen auf die Heilbehandlung eines bestimmten Patienten haben (vgl. BFH vom 9.9.2015, XI R 31/13, BFH/NV 2016, 249, LEXinform 0929888), sind nicht als steuerfreie Heilbehandlungen anzusehen. Steuerfrei sind dagegen Meldungen, z.B. zur klinischen Krebsregistrierung nach § 65c Abs. 6 SGB V, bei denen nach der Auswertung der übermittelten Daten eine patientenindividuelle Rückmeldung an den Arzt erfolgt und hierdurch weitere im Einzelfall erforderliche Behandlungsmaßnahmen getroffen werden können. Dies gilt auch für Meldungen zum Abschluss der Behandlung. Als patientenindividuell ist auch eine pseudonymisierte Rückmeldung anzusehen, wenn der Arzt aufgrund des Inhalts und Bezugs der Rückmeldung eine konkrete Behandlungsentscheidung für den von der Rückmeldung individuell betroffenen Patienten vornehmen kann (Abschn. 4.14.1 Abs. 5 Nr. 6a UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 8.5.2017, BStBl I 2017, 745; s. → Heilberufe unter dem Gliederungspunkt »Keine steuerbefreite ärztliche Tätigkeit«).
Zu den eng mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG verbundenen Umsätzen s. Abschn. 4.14.6 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 9 UStAE. Dazu gehört u.a. auch die Abgabe von Medikamenten durch die Apotheke eines Krankenhauses (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE). Unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 18.10.2017 (V R 46/16, BStBl II 2018, 672) nimmt das BMF mit Schreiben vom 13.12.2022 (BStBl I 2022, 1683) Stellung zur Abgabe von Medikamenten und ändert u.a. Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE. Für Zwecke der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG ist maßgeblich auf die Unentbehrlichkeit des Medikaments für den Therapieerfolg abzustellen.
Nach der Verwaltungsreglung im BMF-Schreiben vom 13.12.2022 (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE) ist auch die Abgabe durch eine Krankenhausapotheke von nicht patientenindividuell hergestellten (Fertig-)Medikamenten, die einen integralen Bestandteil einer Therapie darstellen, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der USt zu befreien.
Voraussetzung für die Annahme eines eng mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung verbundenen Umsatzes des Krankenhauses durch dessen Krankenhausapotheke ist demnach, dass die Verabreichung der Medikamente im Zeitpunkt der Erbringung der ärztlichen Leistung im Rahmen der ambulanten Behandlung eines Patienten zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Eine therapeutische Unentbehrlichkeit der Medikamentengabe liegt dann vor, wenn diese im Zusammenhang mit der ärztlichen Therapie erfolgt und die Therapie lediglich dann erfolgversprechend ist, wenn es zu einer Medikamentengabe dieses konkreten Medikaments bei der Behandlung kommt. Hierfür ist die ärztliche Entscheidung über die Notwendigkeit der konkreten Behandlung maßgeblich. Unter dieser Voraussetzung kann auch eine Begleitmedikation begünstigt sein, wie beispielsweise die Abgabe von Präparaten, die eventuelle Nebenwirkungen eines Medikaments verhindern oder verringern sollen.
Die Abgabe von (Fertig-)Medikamenten kann zudem eine unselbstständige Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 14 Buchst. a oder b UStG umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistung darstellen. Hierunter fällt die Abgabe von Medikamenten, die im Zeitpunkt der Heilbehandlung für diese unentbehrlich sind und ohne die diese Heilbehandlung nicht Erfolg versprechend wäre, wie z.B. die im Rahmen einer Heilbehandlung vorgenommene Verabreichung von schmerzstillenden oder entzündungshemmenden Medikamenten. Hierbei ist die ärztliche Entscheidung für den Erfolg und die Notwendigkeit der konkreten Behandlung maßgebend.
Beachte:
Für Umsätze, die vor dem 1.1.2023 ausgeführt werden, wird es für das Besteuerungsverfahren nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Soweit es sich hierbei um die Abgabe von Arzneimitteln innerhalb des Zweckbetriebs eines Krankenhauses nach § 67 AO handelt, ist in allen offenen Fällen auf diese Lieferung der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG anzuwenden. Aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen kann unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.
Die OFD Frankfurt nimmt mit Vfg. vom 7.12.2017 (S 7170 A – 92 – St 16, UR 2018, 370) ergänzend zu den Regelungen in Abschn. 4.14.6 Abs. 2 UStAE zu den eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundenen Umsätzen Stellung. Danach sind noch folgende Umsätze als eng verbunden anzusehen:
Beherbergung und Verpflegung von ärztlich verordneten Begleitpersonen von Patienten. Die Begleitpersonen müssen an der Versorgung der Patienten beteiligt sein und ihre Anwesenheit muss für die Behandlung oder den Behandlungserfolg medizinisch notwendig sein. Die medizinische Notwendigkeit muss durch eine Bestätigung des behandelnden Arztes – einweisender Arzt oder auch der aufnehmende Klinikarzt – nachgewiesen werden.
Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten und die damit verbundene Gestellung von medizinischem Hilfspersonal durch Einrichtungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG an andere Einrichtungen dieser Art, an angestellte Ärzte für deren selbstständige Tätigkeit und an niedergelassene Ärzte zur Mitbenutzung (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 UStAE). Als Großgeräte gelten beispielsweise:
Linksherzkatheter-Messplätze (LHM)-Computertomographie-Geräte (CT),
Kernspintomographie-Geräte (MR),
Positronen-Emissions-Computer-Tomographen (PET),
Linearbeschleuniger (LIN),
Telecobalt-Geräte (Co-60),
Geräte zur extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie wie Nierenlithotripter (NIL) und Gallenlithotripter (GAL),
Diagnostische Bio-Magnetismus-Anlagen (BMA).
Personalgestellung an niedergelassenen Arzt. Voraussetzung hierfür ist:
Sie muss für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten unerlässlich sein,
sie darf nicht dazu bestimmt sein, dem Krankenhaus zusätzliche Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (Art. 134 MwStSystRL).
Entgeltliche Personal- und Sachmittelgestellung eines Krankenhauses an einen dort angestellten Arzt für das Betreiben einer eigenen Praxis im Krankenhaus.
Zu den nicht eng verbundenen Umsätzen s. Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 1 bis 11 UStAE. Nicht eng verbunden sind u.a.
die Lieferungen von Arzneimitteln an das Personal oder Besucher sowie die Abgabe von Medikamenten gegen gesondertes Entgelt an ehemals ambulante oder stationäre Patienten zur Überbrückung;
die Arzneimittellieferungen einer Krankenhausapotheke an Krankenhäuser anderer Träger (BFH Urteil vom 18.10.1990, V R 76/89, BStBl II 1991, 268);
die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten zur unmittelbaren Anwendung durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus (Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 4 UStAE).
Unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 18.10.2017 (V R 46/16, BStBl II 2018, 672) nimmt das BMF mit Schreiben vom 13.12.2022 (BStBl I 2022, 1683) Stellung zur Abgabe von Medikamenten und ändert u.a. Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE, ebenso streicht es in Abs. 3 die bisherige Nr. 4 UStAE. Für Zwecke der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG ist maßgeblich auf die Unentbehrlichkeit des Medikaments für den Therapieerfolg abzustellen.
Nach der Verwaltungsreglung im BMF-Schreiben vom 13.12.2022 (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE) ist auch die Abgabe durch eine Krankenhausapotheke von nicht patientenindividuell hergestellten (Fertig-)Medikamenten, die einen integralen Bestandteil einer Therapie darstellen, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der USt zu befreien.
Für Umsätze, die vor dem 1.1.2023 ausgeführt werden, wird es für das Besteuerungsverfahren nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE als umsatzsteuerpflichtig behandelt (s.o.);
eine Beförderung von menschlichen Organen und dem menschlichen Körper entnommenen Substanzen zum Zweck einer medizinischen Analyse oder einer ärztlichen oder therapeutischen Heilbehandlung, die von einem selbstständigen Dritten, dessen Leistungen in der Kostenerstattung der Sozialversicherung enthalten sind, für Krankenhäuser und Laboratorien durchgeführt wird. Insbesondere kann einer solchen Tätigkeit keine Mehrwertsteuerbefreiung als Leistung, die eng mit medizinischen Dienstleistungen i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL verbunden ist, zugutekommen, wenn der selbstständige Dritte nicht als »Einrichtung des öffentlichen Rechts« eingestuft werden kann und auch nicht der Qualifizierung als »Krankenanstalt«, »Zentrum für ärztliche Heilbehandlung«, »Zentrum für Diagnostik« oder jede andere »ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung« erfüllt, die unter Bedingungen tätig wird, die mit den Bedingungen für die Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind (EuGH Urteil vom 2.7.2015, C–334/14, UR 2015, 636, LEXinform 0589527).
Nach der Vfg. der OFD Frankfurt vom 7.12.2017 (S 7170 A – 92 – St 16, UR 2018, 370) sind noch folgende Umsätze der USt zu unterwerfen:
Lieferungen von Waren (zusätzliche Getränke, Süßigkeiten, Zeitschriften) an Patienten, Heimbewohner, Personal oder Besucher,
Lieferung von Speisen und Getränken einer Krankenhausküche an Dritte außerhalb des Krankenhauses,
Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und sonstigen Naturalleistungen an das Personal,
Überlassung von Büchern, Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie Fernsprechanlagen an Patienten, Heimbewohner, Personal oder Besucher zur Mitbenutzung (s.a. Vfg. der OFD Rheinland vom 1.12.2010, S 0186 – 2010/0001, LEXinform 5233032),
Betrieb einer Kindertagesstätte (Betreuung der Kinder von Arbeitnehmern),
Beherbergung und Verpflegung von Besuchern und Gästen.
Beherbergung und Verpflegung von Patienten im Zusammenhang mit der Durchführung offener Badekuren. Die Ermittlung der nicht begünstigten Umsätze ist dabei aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stets nach dem Verhältnis der Umsätze vorzunehmen, auch wenn im Einzelfall eine räumliche Trennung der Gäste möglich ist.
Gestellung von Personal einer Krankenhausapotheke an die Krankenhausapotheke eines anderen Krankenhausträgers.
Ebenfalls nicht eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen verbunden sind Leistungen einer Zeitarbeitsfirma, die ausschließlich auf die bloße Gestellung bzw. den Verleih die Vermittlung von Personal an diese Einrichtungen zielen. Der Zweck der Leistungen ist hierbei nicht auf die Erbringung von Pflegeleistungen gerichtet. Derartige Leistungen sind daher umsatzsteuerpflichtig.
Das LSF Sachsen hat mit Vfg. vom 2.1.2020 (213 – S 7210/1/2-2020/11, UR 2020, 321) zu der Erhebung von Kosten- und Leistungsdaten nach § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) Stellung genommen.
Auf der Grundlage von § 17b Abs. 3 KHG übermitteln bestimmte Krankenhäuser zur Pflege und Weiterentwicklung des G-DRG-Systems verpflichtend oder freiwillig Kosten- und Leistungsdaten an das InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH) für eine repräsentative Kostenkalkulation. Nach § 17b Abs. 5 KHG werden hierfür pauschalierte Zahlungen gewährt, die als fester Grundbetrag je Krankenhaus und ergänzend als Finanzierung in Abhängigkeit von Anzahl und Qualität der übermittelten Datensätze gezahlt werden. Hierzu ist eine »Vereinbarung über die Teilnahme an der Kalkulation für die Pflege und Weiterentwicklung des G-DRG-Systems« (Kalkulationsvereinbarung) erforderlich.
Hinweis:
German Diagnosis Related Groups, kurz G-DRG-System, deutsch: diagnosebezogene Gruppen oder besser diagnosebezogene Fallgruppen, ist ein einheitliches, an Diagnosen geknüpftes Fallpauschalen- System im Gesundheitswesen (Quelle: wikipedia).
Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG kommt nicht in Betracht. Die Leistungen – Erheben und Übermitteln von Kosten- und Leistungsdaten – sind keine Krankenhausbehandlungen/ärztliche Heilbehandlungen bzw. damit eng verbundene Umsätze. Die an das InEK übermittelten Daten haben keine Auswirkungen auf Heilbehandlungsleistungen eines bestimmten Patienten (vgl. Abschn. 4.14.1 Abs. 5 Nr. 6a UStAE). Sie dienen dazu, das G-DRG-System anhand von Kalkulationsdaten deutscher Krankenhäuser weiterzuentwickeln und an die medizinischen Entwicklungen sowie die Kostenentwicklungen anzupassen. Die ausschließlich hierfür gezahlten pauschalen Vergütungen nach § 17b Abs. 5 KHG unterliegen insgesamt dem Regelsteuersatz. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Krankenhaus nach § 17b KHG verpflichtend oder freiwillig an der Kostenkalkulation teilnimmt.
Zu den mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen eng bzw. nicht eng verbundenen Umsätzen s. die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 31.1.2017 (S 7172, UR 2017, 401, LEXinform 5236290).
Zu den Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. c bis f UStG s. die Erläuterungen unter → Heilberufe.
Hättich u.a., Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, NWB 37/2012, 3003; Böhme, Begleitpersonen in Krankenhäusern aus umsatzsteuerlicher Sicht, DStZ 22/2011, 825.
→ Pflegedienstleistungen i.S.d. § 4 Nr. 16 UStG
Redaktioneller Hinweis:
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