1 Gemeinschaftsrechtliche Bestimmung
2 Grundzüge der Lieferung
3 Lieferfiktion nach § 3 Abs. 3a UStG
3.1 Grundsätzliches zur Anwendung des § 3 Abs. 3a UStG
3.2 Beförderung oder Versendung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets durch Drittlandsunternehmer
3.3 Fernverkäufe aus dem Drittlandsgebiet über elektronische Schnittstellen
4 Innergemeinschaftlicher Fernverkauf
5 Lieferung bei Betrugsabsicht
6 Gegenstand der Lieferung
6.1 Allgemeiner Überblick
6.2 Strom- und Wärmelieferungen beim Betrieb von Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerken
6.3 Lieferung von Strom als Nebenleistung zu Vermietungsumsätzen
6.4 Aufladen von Elektrofahrzeugen
6.4.1 Stromlieferung unmittelbar vom Ladesäulenbetreiber (Charge Point Operator – CPO) an den Kunden
6.4.2 Stromlieferung über einen E-Mobility Provider (EMP)
7 Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung
7.1 Allgemeiner Überblick
7.2 Abgabe von Speisen und Getränken
7.3 Die Übertragung von Wertpapieren und Anteilen
7.4 Leistungen im Zusammenhang mit der Abgabe von Saatgut
7.5 Gutscheine
7.6 Geldumtausch durch Wechselstube
7.7 Zwischenhandel mit Eintrittskarten
7.8 Druckerzeugnisse
7.8.1 Seminarbroschüren
7.8.2 Abgabe von Print-Erzeugnissen und E-Paper bzw. E-Book zum Gesamtverkaufspreis
7.8.3 Bücherlieferungen und Druckkostenzuschüsse
7.9 Transaktionen auf Gewichtskonten
8 Verschaffung der Verfügungsmacht
9 Sonderfälle der Lieferung
10 Rückgängigmachung einer Lieferung und Rücklieferung
11 Umtausch
12 Kauf auf Probe
13 Lieferungen einer Erbengemeinschaft
14 Hin- und Rückgabe von Transporthilfsmitteln und Warenumschließungen gegen Pfandgeld
15 Elektronische Zahlungskarten
16 Ort und Zeitpunkt der Lieferung
17 Literaturhinweise
18 Verwandte Lexikonartikel
Das Gemeinschaftsrecht regelt die Lieferung von Gegenständen in den Art. 14 ff. MwStSystRL. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL definiert die Lieferung von Gegenständen als Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung bezieht sich der Begriff »Lieferung von Gegenständen« i.S.v. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL nicht auf die Eigentumsübertragung in den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. EuGH Urteil vom 18.7.2013, C-78/12, UR 2014, 475, LEXinform 0589457, Rz. 33). In diesem Zusammenhang ist es Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall anhand des gegebenen Sachverhalts festzustellen, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist. Demzufolge kann eine Transaktion als eine »Lieferung von Gegenständen« i.S.v. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL eingestuft werden, wenn mit dieser Transaktion ein Stpfl. die Übertragung eines körperlichen Gegenstands vornimmt, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass die Form des Eigentumserwerbs an dem betreffenden Gegenstand insoweit von Bedeutung ist.
In Art. 14 Abs. 2 MwStSystRL werden bestimmte Umsätze als Lieferungen behandelt. Es handelt sich dabei um
Umsätze, die auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Nach dem EuGH-Urteil vom 25.2.2021 (C-604/19, LEXinform 5217274) stellt die nach nationalem Recht (Polen) vorgesehene Umwandlung des Erbnießbrauchs (Erbbaurecht) an einer Immobilie in Volleigentum gegen Entrichtung eines Entgelts eine Lieferung von Gegenständen i.S.d. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL dar.
Der EuGH hat in seinem Urteil C-604/19 auch entschieden, dass eine Gemeinde, die Eigentümerin einer Immobilie ist, bei der nach nationalem Recht vorgesehenen Umwandlung des Erbnießbrauchs an der Immobilie in Volleigentum gegen Entrichtung eines Entgelts an die Gemeinde, sodass sie daraus nachhaltig Einnahmen erzielen kann, als Stpfl. i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL handelt und nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S.v. Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL;
Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt (Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE),
die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission (§ 3 Abs. 3 UStG).
In Art. 15 MwStSystRL werden bestimmte WG wie körperliche Gegenstände behandelt, so z.B. Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und ähnliche Sachen (Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 2 UStAE; s.a. → Ort der Lieferung). Nach Art. 15 Abs. 2 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten bestimmte Rechte an Grundstücken als körperlichen Gegenstand betrachten. Nach der Verwaltungsregelung in Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE sind Rechte keine Gegenstände, die im Rahmen einer Lieferung übertragen werden können; die Übertragung von Rechten stellt eine sonstige Leistung dar. S.a. Abschn. 3a.3 Abs. 8 UStAE (→ Sonstige Leistung). Weiterhin können nach Gemeinschaftsrecht Anteilsrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsächlich das Eigentum oder Nutzungsrecht an einem Grundstück oder Grundstücksteil begründet, als körperlicher Gegenstand betrachtet werden. Nach deutscher Verwaltungsauffassung in Abschn. 3.5 Abs. 8 UStAE ist die Übertragung von Anteilen als sonstige Leistung zu beurteilen.
Der Firmenwert und der Kundenstamm stellen keine Gegenstände i.S.d. Art. 14 und 15 MwStSystRL dar. In seinem Urteil vom 22.10.2009 (C-242/08 – Swiss Re Germany Holding –, BStBl II 2011, 559) hat der EuGH ausgeführt, dass die Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen eine sonstige Leistung und keine Lieferung darstellt. Bei diesen Verträgen handele es sich zum einen nicht um körperliche Gegenstände i.S.d. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL. Zum anderen sei die Übertragung von Verträgen als Abtretung eines unkörperlichen Gegenstands nach Art. 25 Buchst. a MwStSystRL und damit als sonstige Leistung zu beurteilen. Das Urteil hat auch Auswirkungen auf die Übertragung anderer immaterieller WG wie z.B. eines Firmenwerts oder eines Kundenstamms. Die Übertragung solcher immaterieller WG ist ebenfalls eine sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG (s.a. Abschn. 3.1 Abs. 4 Satz 2 UStAE).
Beachte:
Durch Art. 2 Nr. 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung MwStSystRL und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl. L 348 vom 29.12.2017, 7) in der Fassung der Berichtigung vom 27.7.2018 (ABl. L 190 vom 27.7.2018, 21), wird u.a. Art. 14a der MwStSystRL neu eingefügt.
Die Mitgliedstaaten der EU sind verpflichtet, zum 1.7.2021 die in Art. 14a MwStSystRL vorgesehene Regelung in nationales Recht umzusetzen. Nach Art. 14a MwStSystRL werden Unternehmer, die Lieferungen von Gegenständen durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem unterstützen, so behandelt, als hätten sie selbst die Lieferungen erhalten und geliefert.
Art. 14a Abs. 1 MwStSystRL betrifft Lieferungen, bei denen der Gegenstand direkt aus dem Drittlandsgebiet an die Endkunden versendet wird und der Sachwert der Sendung höchstens 150 € beträgt.
Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL erfasst Lieferungen von Gegenständen, deren Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnen und enden, durch Unternehmer, die im Drittlandsgebiet ansässig sind.
Art. 14a MwStSystRL fingiert eine Lieferung des liefernden Unternehmers an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie eine Lieferung des Betreibers an den Endkunden. Art. 14a MwStSystRL erfasst nur Lieferungen an Endkunden, die Nichtunternehmer sind; außerdem ist erforderlich, dass der Betreiber der elektronischen Schnittstelle Unternehmer ist (BR-Drs. 503/20, 145 f.).
Mit Einführung des § 3 Abs. 3a UStG durch Art. 14 Nr. 2 Buchst. a des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird Art. 14a MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt (s.u.). Nach § 27 Abs. 33 UStG i.d.F. des JStG 2020 ist § 3 Abs. 3a UStG erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden.
Nach Art. 16 MwStSystRL wird die Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt (unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 1b UStG; → Unentgeltliche Wertabgabe).
Nach Art. 17 MwStSystRL wird das innergemeinschaftliche Verbringen einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt (§ 3 Abs. 1a UStG; → Innergemeinschaftliches Verbringen).
Nach Art. 18 MwStSystRL können bestimmte Innenumsätze einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt werden. Die Regelung dient zur Korrektur von Vorsteuereinsparung oder eines Vorsteuerabzugs.
In Art. 19 MwStSystRL wird die Geschäftsveräußerung im Ganzen als Kannbestimmung geregelt. Die Mitgliedstaaten können die Geschäftsveräußerungen im Ganzen so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt (§ 1 Abs. 1a UStG; → Geschäftsveräußerung).
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind u.a. Lieferungen und sonstige Leistungen eines Unternehmers steuerbar, wenn sie im Inland ausgeführt werden. Der Obergriff der Lieferung ist die Leistung (s. Wortlaut § 3 Abs. 9 UStG). Das UStG teilt die Leistungen eines Unternehmers in zwei Kategorien:
Abb.: Leistungen
Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht setzt eine Lieferung voraus, dass der Lieferer dem Abnehmer an einem Gegenstand die Verfügungsmacht verschafft (Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE; → Verschaffung der Verfügungsmacht). Eine Lieferung i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG setzt nicht notwendigerweise voraus, dass der Erwerber eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand erlangt (BFH vom 9.9.2015, XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597, LEXinform 0929948).
Bereits der Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 1 UStG sieht vor, das der liefernde Unternehmer »den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen«. Diese Bestimmung sieht damit vor, dass eine Lieferung durch eine direkte Auslieferung an einen Dritten (z.B. Zweiterwerber) bewirkt werden kann. In diesem Fall hat der Abnehmer selbst keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand.
Typischerweise gelangt der Liefergegenstand bei einem → Reihengeschäft unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer. Holt z.B. der letzte Abnehmer die Ware beim ersten Lieferer ab, so erlangt der erste Abnehmer (Zwischenerwerber) grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand, obwohl zwei Lieferungen vorliegen.
Eine Lieferung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung mittelbaren Besitzes übergeben wird (BFH vom 8.9.2011, V R 43/10, BStBl II 2014, 203, Rz 18). Auch in diesem Fall hat der Erwerber keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand.
Mit Einführung des § 3 Abs. 3a UStG durch Art. 14 Nr. 2 Buchst. a des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird Art. 14a MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt (s.o.). Nach § 27 Abs. 33 UStG i.d.F. des JStG 2020 ist § 3 Abs. 3a UStG erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden.
Hinweis:
Mit Schreiben vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629) nimmt das BMF Stellung zur Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets und fügt dabei u.a. Abschn. 3.18 UStAE neu ein. Die Verwaltung setzt dabei die Regelungen bezgl. der Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten i.S.d. § 3 Abs. 3a UStG um.
Von § 3 Abs. 3a UStG erfasst werden
ausschließlich Lieferungen von Gegenständen
von im Drittland ansässigen Unternehmern
über eine elektronische Schnittstelle.
Der Drittlandsunternehmer bewirkt dabei
die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet (§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG) oder
die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird (§ 3 Abs. 3a Satz 2 und 4 UStG).
§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG enthält die Regelung, dass
ein Schnittstellenunternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands,
dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet,
durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer
an einen in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneten Empfänger (Nichtunternehmer)
unterstützt, so behandelt wird, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert wird (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Begriffsbestimmung:
1. Elektronische Schnittstelle:
Dem Begriff der elektronischen Schnittstelle i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG ist ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, sodass in den Anwendungsbereich der Vorschriften nicht nur elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale fallen, sondern auch alle anderen vergleichbaren elektronischen Handelsplätze (§ 3 Abs. 3a Satz 3 UStG; Abschn. 3.18 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
2. Unterstützen
Zur Definition des Begriffs »unterstützen« s. Art. 5b EU-VO 282/2011 und § 25e Abs. 6 UStG. Der Begriff »unterstützen« bezeichnet die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, um es einem Erwerber und einem Lieferer, der über eine elektronische Schnittstelle Gegenstände zum Verkauf anbietet, zu ermöglichen, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über die elektronische Schnittstelle an diesen Erwerber resultiert (Abschn. 3.18 Abs. 3 Satz 3 UStAE).
Ein Unternehmer unterstützt die Lieferung von Gegenständen jedoch dann nicht, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (Abschn. 3.18 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 bis 3 UStAE):
Der Unternehmer legt weder unmittelbar noch mittelbar irgendeine der Bedingungen für die Lieferung der Gegenstände fest;
der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Autorisierung der Abrechnung mit dem Erwerber bezüglich der getätigten Zahlung beteiligt;
der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Bestellung oder Lieferung der Gegenstände beteiligt.
§ 3 Abs. 3a UStG findet auch keine Anwendung (d.h. ein Unterstützen i.S.d. Vorschrift liegt nicht vor) auf Unternehmer, die lediglich eine der folgenden Leistungen anbieten (Abschn. 3.18 Abs. 3 Satz 8 Nr. 1 bis 3 UStAE):
die Verarbeitung von Zahlungen im Zusammenhang mit der Lieferung von Gegenständen;
die Auflistung von Gegenständen oder die Werbung für diese;
die Weiterleitung oder Vermittlung von Erwerbern an andere elektronische Schnittstellen, über die Gegenstände zum Verkauf angeboten werden, ohne dass eine weitere Einbindung in die Lieferung besteht.
Wichtig:
Lieferungen eines im Gemeinschaftsgebiets ansässigen Unternehmers führen nicht zur Anwendung des § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG.
Zur Frage der Ansässigkeit eines Unternehmers im Gemeinschaftsgebiet hat das BMF mit Schreiben vom 20.12.2022 (BStBl I 2022, 1694) in Abschn. 3.18 Abs. 2 UStAE Satz 4 neu gefasst und Satz 5 eingefügt.
Danach gilt ein Unternehmer nur dann im Hinblick eines Ausschlusses der Regelung des § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG als im Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn sich der Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (Art. 10 MwStVO) im Gemeinschaftsgebiet befindet oder er dort über eine feste Niederlassung (Art. 11 MwStVO), einen Wohnsitz (Art. 12 MwStVO) oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort (Art. 13 MwStVO) verfügt. Allein das Vorhalten einer zustellfähigen Postanschrift reicht für die Begründung einer Ansässigkeit nicht aus.
Beispiel 1:
Der Sachverhalt entspricht in abgewandelter Form dem des BFH-Beschlusses vom 29.4.2020 (XI B 113/19, BStBl II 2020, 476). Im Gegensatz zum Urteilsfall handelt es sich im dargestellten Sachverhalt um einen Drittlandsunternehmer.
Unternehmer S aus der Schweiz handelt mit Kuhglocken und Uhren. Er verkauft die Produkte über die Internetseiten von Amazon Services Europe s.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg entsprechend dem »Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag«. In diesem Fall wird der Service »Fulfillment by Amazon (FBA)« genutzt. Amazon übernimmt dabei die Lagerung und den Versand der Waren. Hierfür lagert der Amazon-Verkäufer seine Waren vorab in ein Lager von Amazon in Deutschland ein. S ist nicht bekannt, in welchem Logistikzentrum sich die Ware befindet, weil Amazon die angelieferten Waren eigenständig auf andere Logistikzentren verteilen kann. Die Waren werden über Amazon direkt an die Privatkunden verkauft. Die Waren werden von Amazon für den Katalog fotografiert und Kundenanfragen über den Kundenservice von Amazon beantwortet. Amazon hat sich vertraglich ausdrücklich vorbehalten, die Bewerbung der Produkte in eigener Gestaltung vorzunehmen und ggf. auch den Verkaufspreis teilweise zu gestalten. Der Verkauf findet ausschließlich über die Internetseiten von Amazon und deren Verkaufsprogramm statt, wie auch der Versand der Waren ohne Einwirkung des S an den Endabnehmer und Privatkunden nach den Vorstellungen und dem Versandstatus des Amazon-Programms erfolgt. Entscheidungen über den Verkauf und den Abnehmer trifft ausschließlich Amazon, auch der Versand erfolgt ausschließlich über die Amazon Logistik-Kette. Die jeweiligen Kunden werden dem Schweizer Unternehmer S zunächst nicht mitgeteilt. Etwaige Rücksendungen unterliegen ebenfalls den Programmbindungen von Amazon. Die retournierten Waren werden von Amazon zurückgenommen. Amazon entscheidet eigenständig, wie mit den von dem Kunden beanstandeten Waren zu verfahren ist. Teilweise werden die Waren zurückgenommen und entweder zu verbilligten Preisen wieder in das Amazon-Programm aufgenommen oder (in geringem Umfang) mit Versandaufschlägen an S zurückgesandt. In einer Vielzahl von Fällen gestattet Amazon den Kunden, die Waren zu behalten, und erstattet gleichwohl den Verkaufspreis. Nach der vertraglichen Vereinbarung über das Inkasso durch Amazon ist nicht nur die Einziehung des Kaufpreises, sondern auch die Einziehung von USt vorgesehen, über die S von Amazon jedoch keine gesonderte Abrechnung erhält.
Lösung 1:
Der BFH hat mit Beschluss vom 29.4.2020 (XI B 113/19, BStBl II 2020, 476) im Fall des Modells »Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon« entschieden, dass Leistungsempfänger der Warenlieferung des Verkäufers S nicht Amazon, sondern der Endkunde ist, dem die Verfügungsmacht am Gegenstand der Lieferung verschafft wird.
Für Umsätze, die bis zum 30.6.2021 ausgeführt werden, haftet der Betreiber des elektronischen Markplatzes (Amazon) unter den weiteren Voraussetzungen des § 25e UStG für die nicht entrichtete Steuer aus den Lieferungen eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden sind (→ Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel).
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist die Haftung i.S.d. § 25e UStG n.F. in den Fällen, in denen der Betreiber der elektronischen Schnittstelle Schuldner der Umsatzsteuer ist (§ 3 Abs. 3a UStG), ausgeschlossen (§ 25e Abs. 1 Halbsatz 2 UStG n.F.). Der Schnittstellenbetreiber ist Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 1 und 3 UStG unter den folgenden Voraussetzungen anzuwenden:
der Schnittstellenbetreiber (Amazon) ist Unternehmer,
der Schnittstellenbetreiber unterstützt die Lieferung von Gegenständen,
die Lieferungen erfolgen durch einen im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer (S in der Schweiz; s. Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 2 UStAE),
Empfänger der Lieferungen sind Nichtunternehmer (s. Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 5 UStAE),
die Beförderung oder Versendung der Gegenstände beginnt und endet im Gemeinschaftsgebiet (s. Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Unter diesen Voraussetzungen fingiert § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 4 UStAE)
eine Lieferung des liefernden Unternehmers S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle – Amazon –. Voraussetzung für die Anwendung der Lieferfiktion ist, dass der Schnittstellenbetreiber Unternehmer ist und
eine Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den nichtunternehmerischen Endverbraucher.
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Wie beim Reihengeschäft nach § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG kann dabei die Warenbewegung nur einer der Lieferungen zugeordnet werden, um insbes. den Lieferort bestimmen zu können, weshalb nach § 3 Abs. 6b UStG die fiktive Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle als die bewegte Lieferung zu behandeln ist (Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 6 UStAE).
Die Lieferung des Schweizer Unternehmers S an Amazon stellt nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die ruhende Lieferung dar. Danach gilt die Lieferung des S an Amazon in Deutschland als ausgeführt, da die Versendung des Gegenstands dort beginnt. Die »fiktive« Lieferung des Schweizer Unternehmers S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) ist nach § 4 Nr. 4c UStG steuerfrei (Art. 136a MwStSystRL; s. Abschn. 4.4c.1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Da mit der Bestimmung des § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG n.F. eine einzige Lieferung in zwei Lieferungen aufgeteilt wird, muss sichergestellt werden, dass der Steuertatbestand in Bezug auf diese beiden Lieferungen gleichzeitig eintritt. Daher bestimmt § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i UStG, dass die Steuer in dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die Zahlung angenommen wurde (s. Abschn. 13.8 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Zur weiterführenden Erläuterung der Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a UStG s. → Ort der Lieferung und → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Voranmeldungen in Sonderfällen« sowie die Beispiele 1 bis 4 zu Abschn. 3.18 Abs. 2 UStAE.
Zum Online-Handel mit Amazon s. DATEV-Serviceinformation unter LEXinform 1003857.
Ein Unternehmer, der nach dem 30.6.2021 Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates erbringt (Beginn und Ende der Beförderung oder Versendung im selben Mitgliedstaat), für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, hat anzuzeigen, wenn er an dem besonderen Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG teilnimmt (§ 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Zu den besonderen Besteuerungsverfahren s. → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Voranmeldungen in Sonderfällen«.
Beachte:
Unter die Regelung des § 18j i.V.m. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG fällt im Beispielsfall 1 nur die stpfl. des Schnittstellenunternehmers (z.B. Amazon). Amazon kann an dem besonderen Besteuerungsverfahren (One-Stop-Shop) i.S.d. § 18j UStG teilnehmen. Macht ein Unternehmer von dem Wahlrecht nach Gebrauch, muss er dies der zuständigen Finanzbehörde des zuständigen EU-Mitgliedstaates (§ 18j Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. Art. 369a Nr. 2 MwStSystRL; im Beispielsfall 1: Luxemburg) vor Beginn des Besteuerungszeitraums (§ 16 Abs. 1d Satz 1 UStG), ab dessen Beginn er von diesem besonderen Besteuerungsverfahren Gebrauch macht, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung anzeigen (Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Das besondere Besteuerungsverfahren kann nicht auf die vorgelagerte Lieferung des S an den Schnittstellenbetreiber (Amazon) angewendet werden, da S für die Lieferung im Gemeinschaftsgebiet keine Steuerschuldet – die Lieferung des S ist nach § 4 Nr. 4c UStG steuerfrei. S muss sich in Deutschland als Unternehmer registrieren lassen. Zuständig ist nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 25 UStZustV das FA Konstanz.
§ 3 Abs. 3a Satz 2 UStG sieht eine Lieferfiktion entsprechend Satz 1 für Drittlandsfälle vor, in denen der Unternehmer (Schnittstellenbetreiber) mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt. Auch in diesen Fällen wird der unterstützende Unternehmer so behandelt, als ob er diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätte (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStAE).
Die Lieferfiktion für die Unterstützung von Fernverkäufen i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG gilt nicht für Lieferungen neuer Fahrzeuge und eines Gegenstands, der durch den Lieferer montiert oder installiert geliefert wird (§ 3 Abs. 3a Satz 6 UStG).
Begriffsbestimmung:
Fernverkauf:
Ein Fernverkauf i.S.d. § 3a Abs. 3a Satz 2 UStG ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versandt wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist (§ 3 Abs. 3a Satz 4 UStG). Folgende Fälle sind entsprechend Art. 5a EU-VO 282/2011 als indirekte Beteiligung des Lieferers am Versand oder der Beförderung der Gegenstände anzusehen:
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände wird vom Lieferer als Unterauftrag an einen Dritten vergeben, der die Gegenstände an den Erwerber liefert;
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände erfolgt durch einen Dritten, der Lieferer trägt jedoch entweder die gesamte oder die teilweise Verantwortung für die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber;
der Lieferer stellt dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung, zieht diese ein und leitet sie dann an einen Dritten weiter, der die Versendung oder Beförderung der Waren übernimmt;
der Lieferer bewirbt in jeglicher Weise gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten, stellt den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten her oder übermittelt einem Dritten auf andere Weise die Informationen, die dieser für die Zustellung der Gegenstände an den Erwerber benötigt (s. BR-Drs. 503/20, 146 f.).
Erwerber ist (§ 3 Abs. 3a Satz 5 UStG)
ein in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneter Empfänger:
kein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird,
keine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist,
keine juristische Person, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig ist, bei der die Leistung nicht ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals oder eines Gesellschafters bestimmt ist;
eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person:
ein Unternehmer, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen,
ein Unternehmer, für dessen Umsätze Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird,
ein Unternehmer, der den Gegenstand zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG festgesetzt ist, oder
eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Die vorgenannten Personen dürfen weder die maßgebliche Erwerbsschwelle überschritten noch auf ihre Anwendung verzichtet haben; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend (Abschn. 3.18 Abs. 4 Satz 7 UStAE).
Hinweis:
Der Anwendungsbereich der Sonderregelung für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen wird auf Verkäufe von Gegenständen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro beschränkt, die aus einem Drittgebiet oder einem Drittland direkt an einen Erwerber in der Gemeinschaft versandt werden, da diese nach Art. 23 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 zollfrei sind und ab diesem Wert bei der Einfuhr für Zollzwecke eine vollständige Zollanmeldung verlangt wird (s.a. § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG sowie BR-Drs. 503/20, 143; → Einfuhrumsatzsteuer).
Beispiel 2:
Zum Sachverhalt s. Beispiel 1. In Abwandlung zu Beispiel 1 erfolgt der Verkauf und Versand durch den Händler.
Unternehmer S aus der Schweiz handelt mit Kuhglocken und Uhren. Er verkauft die Produkte über die Internetseiten von Amazon Services Europe s.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg entsprechend den Bedingungen »Verkauf und Versand durch den Händler«. S bietet seine Waren auf dem Amazon-Marktplatz an und versendet sie selbst an die Kunden.
Lösung 2:
Für Umsätze, die bis zum 30.6.2021 ausgeführt werden, haftet der Betreiber des elektronischen Markplatzes (Amazon) unter den weiteren Voraussetzungen des § 25e UStG für die nicht entrichtete Steuer aus den Lieferungen des Unternehmers S, die auf dem von Amazon bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden sind (→ Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel).
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist die Haftung i.S.d. § 25e UStG n.F. in den Fällen, in denen der Betreiber der elektronischen Schnittstelle Schuldner der Umsatzsteuer ist (§ 3 Abs. 3a UStG), ausgeschlossen (§ 25e Abs. 1 Halbsatz 2 UStG n.F.). Der Schnittstellenbetreiber ist Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG anzuwenden. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG fingiert wie Satz 1
eine Lieferung des liefernden Unternehmers S an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle – Amazon –. Voraussetzung für die Anwendung der Lieferfiktion ist, dass der Schnittstellenbetreiber Unternehmer ist und
eine Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den nichtunternehmerischen Endverbraucher.
Voraussetzung ist, dass der Schnittstellenbetreiber den Fernverkauf von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG; Abschn. 3.18 Abs. 2 Satz 5 UStAE).
Die Lieferung des Schweizer Unternehmers S an Amazon stellt nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die ruhende Lieferung dar.
Da mit der Bestimmung des § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG eine einzige Lieferung in zwei Lieferungen aufgeteilt wird, muss sichergestellt werden, dass der Steuertatbestand in Bezug auf diese beiden Lieferungen gleichzeitig eintritt. Daher bestimmt § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h bzw. i UStG n.F., dass die Steuer in dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die Zahlung angenommen wurde.
Zur weiterführenden Erläuterung der Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a UStG s. → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Ort der Lieferung beim Fernverkauf« und → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Voranmeldungen in Sonderfällen«.
Ein Unternehmer, der nach dem 30.6.2021 als Steuerschuldner Fernverkäufe nach § 3 Abs. 3a Satz 2 oder § 3c Abs. 2 oder 3 UStG n.F. in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € im Gemeinschaftsgebiet erbringt, für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, hat anzuzeigen, wenn er an dem besonderen Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18k UStG teilnimmt (§ 18k Abs. 1 Satz 1 UStG). Zu den besonderen Besteuerungsverfahren s. → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Voranmeldungen in Sonderfällen«.
Beachte:
Unter die Regelung des § 18k i.V.m. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG fällt im Beispielsfall 2 nur der Unternehmer, der die Schnittstelle betreibt (z.B. Amazon). Lediglich Amazon erbringt Lieferungen in Deutschland.
Die Lieferung des Drittlandsunternehmers S ist nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG in der Schweiz ausgeführt, da dort die Versendung beginnt.
Die Lieferung des Drittlandsunternehmers stellt die ruhende Lieferung dar und geht der Versendungslieferung durch Amazon voran.
Die Versendung des Gegenstands wird der Lieferung des Schnittstellenbetreibers zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG).
Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG wäre der Ort der bewegten Lieferung von Amazon ebenfalls in der Schweiz belegen, da die Versendung dort beginnt.
Nach der ab 1.7.2021 geltenden Ortsregelung des § 3c Abs. 3 Satz 1 oder 3 UStG gilt der Ort der Lieferung als in dem Mitgliedstaat gelegen, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet (→ Ort der Lieferung).
Der innergemeinschaftliche Fernverkauf ist in Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL sowie in § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG n.F. wie folgt definiert:
»Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person oder eine Person nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG – unter direkter oder indirekter Beteiligung des Lieferers – befördert oder versandt wird. Im Hinblick auf die in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannten Personen ist der Erwerberkreis auf diejenigen Personen beschränkt, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreiten noch auf ihre Anwendung verzichten. Sofern die Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates endet, ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend« (s.a. Abschn. 3c.1 Abs. 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Folgende Fälle sind entsprechend Art. 5a EU-VO Nr. 282/2011 als indirekte Beteiligung des Lieferers am Versand oder der Beförderung der Gegenstände anzusehen:
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände wird vom Lieferer als Unterauftrag an einen Dritten vergeben, der die Gegenstände an den Erwerber liefert;
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände erfolgt durch einen Dritten, der Lieferer trägt jedoch entweder die gesamte oder die teilweise Verantwortung für die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber;
der Lieferer stellt dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung, zieht diese ein und leitet sie dann an einen Dritten weiter, der die Versendung oder Beförderung der Waren übernimmt;
der Lieferer bewirbt in jeglicher Weise gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten, stellt den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten her oder übermittelt einem Dritten auf andere Weise die Informationen, die dieser für die Zustellung der Gegenstände an den Erwerber benötigt (BR-Drs. 503/20, 148 f.).
S. die Kommentierung und die Beispiele zu → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Innergemeinschaftliche Fernverkäufe i.S.d. § 3c Abs. 1 UStG«.
Beispiel 3:
Zum Sachverhalt s. Beispiel 1. In Abwandlung zu Beispiel 1 handelt es sich um einen Unternehmer mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet. Der Sachverhalt entspricht dem des BFH-Beschlusses vom 29.4.2020 (XI B 113/19, BStBl II 2020, 476).
Unternehmer N aus den Niederlanden handelt mit Holzschuhen. Er verkauft die Produkte über die Internetseiten von Amazon Services Europe s.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg entsprechend den Bedingungen »Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon«. Hierfür lagert der Amazon-Verkäufer seine Waren vorab in ein Lager von Amazon in Deutschland ein.
Lösung 3:
Der BFH hat mit Beschluss vom 29.4.2020 (XI B 113/19, BStBl II 2020, 476) im Fall des Modells »Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon« entschieden, dass Leistungsempfänger der Warenlieferung des Verkäufers N nicht Amazon, sondern der Endkunde ist, dem die Verfügungsmacht am Gegenstand der Lieferung verschafft wird.
Da die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 UStG für die Anwendung der Konsignationslagerregelung (→ Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer) nicht vorliegen – der Unternehmer kennt den potenziellen Erwerber der Ware zum Zeitpunkt des Beginns des Transports nicht –, tätigt N in den Niederlanden ein innergemeinschaftliches Verbringen (Art. 17 Abs. 1 MwStSystRL; § 3 Abs. 1a UStG), das unter den Voraussetzungen des Art. 138 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL (§ 6a Abs. 2 UStG) steuerfrei ist. N muss sich in Deutschland registrieren, da er in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb sowie eine steuerbare und stpfl. Lieferung an den Endkunden tätigt. Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG n.F. liegt nicht vor.
Durch Art. 14 Nr. 4 des JStG 2020 wird § 3c UStG umfassend geändert. Aus der bisherigen Versandhandelsregelung wird der Ort der Lieferung beim Fernverkauf. Weitere ausführliche Erläuterungen dazu s. → Ort der Lieferung.
Ein Unternehmer, der nach dem 30.6.2021 innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG n.F. im Gemeinschaftsgebiet erbringt, für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, hat anzuzeigen, wenn er an dem besonderen Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG n.F. teilnimmt (§ 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG n.F.). Zu den besonderen Besteuerungsverfahren s. → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Voranmeldungen in Sonderfällen«.
Wie der BFH mit Urteil vom 8.9.2011 (V R 43/10, BStBl II 2014, 203) entschieden hat, steht dem → Vorsteuerabzug aus einer Lieferung i.S.v. § 15 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UStG nicht entgegen, dass der Lieferer zivilrechtlich nicht Eigentümer des Liefergegenstands ist und darüber hinaus beabsichtigt, den gelieferten Gegenstand vertragswidrig nochmals an einen anderen Erwerber zu liefern (s.a. Abschn. 3.1 Abs. 2 Satz 5 UStAE). Der Begriff »Lieferung eines Gegenstands« in Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, ohne dass es dabei auf eine Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen ankomme. Nach ständiger BFH-Rspr. ist die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag erforderlich (BFH Urteil vom 16.4.2008, XI R 56/06, BStBl II 2008, 909). Dementsprechend können Gegenstände auch ohne zivilrechtliche Eigentumsverschaffung z.B. durch einen Dieb geliefert werden, ohne dass dem § 935 BGB entgegensteht (BFH Urteil vom 26.9.1963, V 49/61, UR 1965, 233). Dass der Diebstahl von Waren für sich demgegenüber nicht unter den Begriff »Lieferung von Gegenständen« fällt, ist für die Beurteilung, ob bei einem Verkauf durch den Dieb eine Lieferung vorliegt, unerheblich (s.a. Anmerkung vom 1.3.2012, LEXinform 0941446).
Nach Auffassung des BMF kann im Fall einer Lieferung bei Betrugsabsicht des Lieferers ein Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers jedoch nur nach Prüfung des konkreten Einzelfalles in Ausnahmefällen in Betracht kommen (BMF vom 7.2.2014, BStBl I 2014, 271).
Gegenstände i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG sind körperliche Gegenstände (Sachen gem. § 90 BGB, Tiere gem. § 90a BGB), Sachgesamtheiten und solche WG, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, z.B. elektrischer Strom, Wärme/Kälte, Wasserkraft. Zu der Lieferung von Gas, Elektrizität oder Wärme/Kälte s. Abschn. 1.7 UStAE. Eine Sachgesamtheit stellt die Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Gegenstände zu einem einheitlichen Ganzen dar, das wirtschaftlich als ein anderes Verkehrsgut angesehen wird als die Summe der einzelnen Gegenstände. Ungetrennte Bodenerzeugnisse, z.B. stehende Ernte, sowie Rebanlagen können selbstständig nutzungsfähiger und gegenüber dem Grund und Boden eigenständiger Liefergegenstand sein (Abschn. 3.1 Abs. 1 UStAE).
Der Firmenwert und der Kundenstamm stellen keine Gegenstände i.S.d. Art. 14 und 15 MwStSystRL dar (s. Abschn. 3.1 Abs. 4 Satz 2 UStAE).
Nach der bisherigen Verwaltungsregelung stellte die Übertragung ideeller Eigentumsanteile – Miteigentumsanteile – eine sonstige Leistung dar (Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 UStAE). Allerdings gilt die Veräußerung von ideellen Miteigentumsanteilen an einem Goldbarrenbestand oder einem Goldmünzenbestand als Lieferung (Abschn. 25c.1 Satz 2 Buchst. a UStAE). Mit Urteil vom 28.8.2014 (V R 49/13, BStBl II 2021, 825, Rz. 22) lässt der BFH die Rechtsfrage, ob es sich bei einem Miteigentumsanteil um einen entnahmefähigen Gegenstand i.S.v. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG oder um eine sonstige Leistung handelt, noch unentschieden und verweist auf seine bisherige Rechtsprechung (BFH Urteil vom 27.4.1994, XI R 91-92/92, BStBl II 1994, 826), die bisherige Verwaltungsregelung in Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 UStAE.
Mit Urteil vom 18.2.2016 (V R 53/14, BStBl II 2019, 333) hat der BFH die Änderung der Rechtsprechung vollzogen und gegen die bisherige Verwaltungsregelung in Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 UStAE entschieden. Danach stellt die Veräußerung des Miteigentumsanteils an einer Sache (Buch) eine Lieferung dar.
Entscheidungsgründe:
Eine Beurteilung der Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Gegenstand als sonstige Leistung wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar: Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a sowie Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und Art. 137 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können nicht nur Gebäude, sondern auch »Gebäudeteile« Gegenstand einer Lieferung sein. Die Aufspaltung der Verfügungsmacht an einem körperlichen Gegenstand mit der Folge, dass mehrere Personen das Recht innehaben, über einen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, entspricht damit der Rechtsposition eines Miteigentümers, der nach § 747 Satz 1 BGB über seinen Miteigentumsanteil frei verfügen kann. Miteigentum nach Bruchteilen ist seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig, so dass der Miteigentümer dieselbe Rechtsposition hat wie ein Eigentümer (s.a. Anmerkung vom 15.4.2016, LEXinform 0880142).
Mit Schreiben vom 23.5.2019 (BStBl I 2019, 511) nimmt das BMF zur Anwendung der BFH-Rspr. V R 53/14 Stellung und ändert entsprechend den UStAE. Danach sind nach Abschn. 3.5 Abs. 2 Nr. 6 UStAE die Übertragung von Miteigentumsanteilen (Bruchteilseigentum) an einem Gegenstand Lieferungen i.S.d. § 3 UStG. Gleichzeitig wird die bisherige Verwaltungsregelung des Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 UStAE aufgehoben. Danach stellte die Übertragung ideeller Eigentumsanteile – Miteigentumsanteile – eine sonstige Leistung dar (s.o.).
Beispiel 4:
Unternehmer U aus Deutschland verkauft seinen Miteigentumsanteil an einem Pferd an einen Unternehmer aus der Schweiz. Das Pferd befindet sich in einem Gestüt in Deutschland.
Lösung 4:
Bei Annahme einer sonstigen Leistung würde sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG richten und wäre danach in der Schweiz. Der Umsatz wäre in Deutschland nicht steuerbar.
Bei einer Lieferung (s. Abschn. 3.5 Abs. 2 Nr. 6 UStAE) bestimmt sich der Lieferort nach § 3 Abs. 7 UStG. Der Lieferort ist in Deutschland, sodass ein steuerbarer Umsatz gegeben ist. Mangels Steuerbefreiung ist die Lieferung auch steuerpflichtig (s.a. Walkenhorst in UStB 6/2019, 174 zu Kurzanalysen mit Beraterhinweis).
Beispiel 5:
Ein Buch wird von einem deutschen Unternehmer an einen Privatmann nach Frankreich verbracht. Der Lieferer behält weiterhin einen Miteigentumsanteil an dem Buch.
Lösung 5:
Bei Annahme einer sonstigen Leistung würde sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG richten und wäre danach in Deutschland steuerbar.
Der → Ort der Lieferung richtet sich nach § 3c UStG. Das Buch wird durch den Lieferer aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Deutschland) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Frankreich) befördert und der Abnehmer ist eine Privatperson (§ 3c Abs. 1 Satz 2 UStG, innergemeinschaftlicher Fernverkauf; Abschn. 3c.1 Abs. 2 UStAE). Nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG gilt die Lieferung in Frankreich als ausgeführt. Die Privatperson ist Erwerber i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG. Voraussetzung für die Anwendung des § 3c Abs. 1 UStG ist, dass nicht der Ausschlusstatbestand des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG greift (s. Abschn. 3c.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Zur Umsatzsteuer beim Betreiben von Anlagen zur Stromgewinnung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Privathaushaltsbereich s. Abschn. 2.5 UStAE sowie → Photovoltaikanlage).
Hinweis:
Nach Ansicht des FG Köln führt die Erzeugung von Strom in einer KWK-Anlage und der dezentrale Verbrauch durch den Anlagenbetreiber – entgegen der Auffassung der Verwaltung in Abschn. 2.5 Abs. 17 i.V.m. Abs. 5 ff. UStAE – nicht zu einer Stromlieferung an die Netzbetreiberin (Anwendung des EEG in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung). Daher fehle es auch an den Voraussetzungen für eine Rücklieferung des Stroms vom Netzbetreiber an den jeweiligen Anlagenbetreiber (FG Köln vom 16.6.2021, 9 K 1260/19, EFG 2021, 1943, LEXinform 5024056).
Mit Urteil vom 29.11.2022 (XI 18/21, BFH/NV 2023, 781, LEXinform 0953836) bestätigt der XI. Senat des BFH die Rechtsauffassung des FG Köln. Die Betreiber von KWK-Anlagen erbringen hinsichtlich des von ihnen erzeugten und dezentral verbrauchten Stroms keine umsatzsteuerlich relevanten Leistungen gegenüber dem Netzbetreiber. Die Lieferung von Strom durch die Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber scheitert an der hierfür erforderlichen Übertragung der Verfügungsmacht. Da der in der KWK-Anlage erzeugte und dezentral verbrauchte Strom unstreitig nicht in das allgemeine Stromnetz des Netzbetreibers eingespeist wird, werden weder Substanz noch Wert oder Ertrag des selbsterzeugten Stroms an den Netzbetreiber übertragen. Die bloße Möglichkeit zur Einspeisung des selbst erzeugten Stroms durch einen Anschluss der KWK-Anlage an das Stromnetz oder die Verpflichtung des Netzbetreibers zur Zahlung des KWK-Zuschlags nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führen ebenfalls nicht zu einer Übertragung von Substanz, Wert oder Ertrag des selbst erzeugten Stroms an den Netzbetreiber. Durch den dezentralen Stromverbrauch erfüllt der Betreiber einer KWK-Anlage im Übrigen auch keinen anderen Leistungstatbestand des UStG oder der MwStSystRL. Fehlt es bereits an einer Lieferung von Strom an den Netzbetreiber, komme auch eine »Rücklieferung« dieses Stroms durch den Netzbetreiber nicht in Betracht (s.a. Anmerkung vom 19.4.2023, LEXinform 0888968).
Mit Urteil vom 11.5.2023 (V R 22/21, BFH/NV 2023, 1289, LEXinform 0953601) bestätigt der V. Senat des BFH die Rspr. des XI. Senats vom 29.11.2022 (XI R 18/21) entgegen Abschn. 2.5 Abs. 17 Satz 2 bis 4 UStAE.
Mit Urteil vom 15.1.2009 (V R 91/07, BStBl II 2009, 615) hat der BFH entschieden, dass sich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG für die langfristige Vermietung von Campingflächen auch auf die Lieferung von Strom durch den Vermieter erstreckt. Die Stromlieferung sei eine unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung eines Dauercampingplatzes. Nach dem BMF-Schreiben vom 21.7.2009 (BStBl I 2009, 821) gilt für die langfristige Vermietung von Grundstücken Folgendes: Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG steuerfreien Leistung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist auch die Lieferung von elektrischem Strom durch den Vermieter (s.a. Abschn. 4.12.1 Abs. 5 UStAE). S. die ausführliche Kommentierung zu → Grundstücksvermietung unter dem Gliederungspunkt »Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 12 UstG« und dort »Allgemeiner Überblick«.
Der MwSt-Ausschuss nimmt zu den anwendbaren MwSt-Vorschriften bezüglich von Transaktionen im Zusammenhang mit dem Aufladen von Elektrofahrzeugen (E-Charging) Stellung (EU-Kommission vom 3.6.2019, taxud.c.1(2019)6589787 – 972, SIS 19 18 59).
In Bezug auf die Transaktion, die ein Infrastrukturbetreiber (im Folgenden »CPO«) durchführt, der ein Paket von Gegenständen und Dienstleistungen anbietet, das beispielsweise Fernreservierungen, die Bereitstellung von Informationen (Verfügbarkeit und Standort von Ladestationen, verwendete Anschlusstypen und Anzahl freier Parkplätze) sowie das eigentliche Aufladen der Akkumulatoren von Elektrofahrzeugen umfasst, ist der MwSt-Ausschuss einstimmig der Auffassung, dass das Aufladen des Akkus als Hauptelement der Transaktion zu betrachten ist, da der einzige Zweck der zusätzlichen Dienstleistungen darin besteht, den Zugang von Elektrofahrzeugen zur Ladestation zwecks Aufladung des Akkus zu erleichtern; die zusätzlichen Dienstleistungen sind somit mit dem Aufladen verbundene Nebentätigkeiten.
Daher ist der MwSt-Ausschuss einstimmig der Auffassung, dass die vom CPO durchgeführte Transaktion als Lieferung von Gegenständen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 und des Art. 15 Abs. 1 der MwStSystRL zu betrachten ist.
Achtung:
Bitte beachten Sie, dass Leitlinien, die vom MwSt-Ausschuss herausgegeben werden, lediglich die Ansichten eines beratenden Ausschusses wiedergeben. Sie stellen weder eine offizielle Auslegung des Unionsrechts dar, noch stimmt ihnen die Europäische Kommission unbedingt zu. Sie binden weder die Europäische Kommission noch die Mitgliedstaaten, denen es freisteht, sie nicht zu befolgen.
Mit Urteil vom 20.4.2023 (C-282/22, LEXinform 0954155) hat sich der EuGH in einem polnischen Verfahren mit dem Thema E-Charging auseinandergesetzt.
Entscheidungssachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens beabsichtigte, öffentlich zugängliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu errichten und zu betreiben. Der den Nutzern in Rechnung gestellte Preis sollte insbes. von der Ladezeit sowie von der von dem betreffenden Nutzer gewählten Art des Anschlusses abhängen (Langsam- oder Schnellladeanschluss). Die Zahlungen sollten nach jedem Ladevorgang oder am Ende eines vereinbarten Abrechnungszeitraums geleistet werden. Allerdings sollte auch die Möglichkeit bestehen, ein System für den Kauf von Guthaben einzurichten, die in einer elektronischen Geldbörse angesammelt und zum Aufladen des betreffenden Elektrofahrzeugs verwendet werden könnten.
Die bei jedem Ladevorgang erbrachte Leistung sollte grds. je nach dem Bedarf des betreffenden Nutzers folgende Umsätze umfassen:
Die Bereitstellung von Ladevorrichtungen,
die Übertragung von Elektrizität und die notwendige technische Unterstützung.
Darüber hinaus sollte eine spezielle Plattform, Website oder Anwendungssoftware bereitgestellt werden, über die die jeweiligen Nutzer einen bestimmten Anschluss reservieren sowie den Verlauf der getätigten Umsätze und der erfolgten Zahlungen einsehen können.
Für alle diese Leistungen wollte der Kläger einen einheitlichen Preis in Rechnung stellen.
Das polnische Gericht legte dem EuGH folgende Fragen vor:
Handelt es sich bei der komplexen Leistung, die an Ladepunkten an die Nutzer von Elektrofahrzeugen erbracht wird und Folgendes umfasst:
Bereitstellung von Ladevorrichtungen (einschließlich der Verbindung des Ladegeräts mit dem Betriebssystem des Fahrzeugs),
Sicherstellung der Übertragung von Elektrizität mit entsprechend angepassten Parametern an die Batterien des Elektrofahrzeugs,
notwendige technische Unterstützung für die Fahrzeugnutzer,
Bereitstellung einer speziellen Plattform, Website oder Anwendungssoftware für die Nutzer, mit der der betreffende Anschluss reserviert werden kann und der Umsatzverlauf sowie getätigte Zahlungen eingesehen werden können, wobei auch die Nutzung einer sog. elektronischen Geldbörse angeboten wird, mit der für die einzelnen Ladevorgänge gezahlt werden kann,
um eine »Lieferung von Gegenständen« i.S.v. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL oder um eine »Dienstleistung« i.S.v. Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie?
Entscheidung des EuGH:
Im Ausgangsverfahren geht es um eine Kombination von Umsätzen, die in der Lieferung von Elektrizität zum Aufladen von Elektrofahrzeugen und der Erbringung verschiedener Dienstleistungen bestehen.
Da die Vermarktung eines Gegenstands stets mit einer minimalen Dienstleistung verbunden ist, müssen diese Dienstleistungen bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung zudem außer Betracht bleiben. Insoweit stellt erstens der Umsatz, der in der Übertragung von Elektrizität an die Batterie eines Elektrofahrzeugs besteht, eine Lieferung von Gegenständen dar, da er den Nutzer des Ladegeräts ermächtigt, die übertragene Elektrizität zum Zweck des Antriebs seines Fahrzeugs zu verbrauchen. Das Zurverfügungstellen einer geeigneten Ladevorrichtung wird nicht berücksichtigt, da sie notwendigerweise mit der Lieferung von Elektrizität verbunden ist. Die technische Unterstützung ihrerseits stellt keinen eigenen Zweck dar, sondern das Mittel, um die Lieferung der für den Antrieb des Elektrofahrzeugs erforderlichen Elektrizität unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und ist daher eine Nebenleistung zur Lieferung von Elektrizität. Dies gilt auch für die Bereitstellung von IT-Anwendungen, die es dem betreffenden Nutzer ermöglichen, einen Anschluss zu reservieren, den Umsatzverlauf einzusehen und Guthaben für die Bezahlung der Aufladungen zu erwerben. Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Übertragung von Elektrizität grds. den charakteristischen und dominierenden Bestandteil der einheitlichen und komplexen Leistung ausmacht.
Damit folgt der EuGH den Ausführungen des MwSt-Ausschusses (EU-Kommission vom 3.6.2019, taxud.c.1(2019)6589787 – 972, SIS 19 18 59, s.o.).
Der MwSt-Ausschuss nimmt zu den anwendbaren MwSt-Vorschriften bzgl. von Trans-aktionen im Zusammenhang mit dem Aufladen von Elektrofahrzeugen (E-Charging) Stellung (EU-Kommission vom 19.4.2021, taxud.c.1(2021)6657618 – 1018, SIS 21 21 37).
Der MwSt-Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass in einer typischen Wertschöpfungskette des Aufladens von Elektrofahrzeugen, in der es einen Ladepunktbetreiber (»Charge Point Operator«/CPO) und einen Mobilitätsanbieter (»Mobility Provider«/EMP) gibt, der CPO als Lieferer von Elektrizität i.S.v. Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL an den EMP und der EMP wiederum als Erbringer derselben Lieferung von Elektrizität an den Fahrer anzusehen ist.
Nach einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses sollte davon ausgegangen werden, dass der EMP in dieser Konstellation als stpfl. Wiederverkäufer i.S.v. Art. 38 Abs. 2 MwStSystRL handelt. Aus diesem Grunde ist der Mehrwertsteuerausschuss einstimmig der Auffassung, dass der Ort als Ort der Lieferung von Elektrizität durch den CPO an den EMP gelten sollte, an dem der stpfl. Wiederverkäufer (d.h. der EMP) den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL hat (§ 3g Abs. 1 UStG; Abschn. 3g.1 Abs. 1 bis 5 UStAE; → Ort der Lieferung).
Beachte:
Hat ein deutscher CPO (Ladesäule in Deutschland) einen ausländischen EMP eingeschaltet, liegt der Lieferort des deutschen CPO gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL) am Sitz des EMP im Ausland. Der Umsatz des deutschen CPO an den ausländischen EMP fällt unter das Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 UStG; Art. 195 MwStSystRL). Zur Rechnungsausstellung des deutschen CPO s. § 14a Abs. 5 UStG. In der Rechnung des CPO an den EMP darf keine USt gesondert ausgewiesen werden (s. Abschn. 13b.14 Abs. 1 UStAE).
Hat ein deutscher CPO (Ladesäule in Deutschland) einen deutschen EMP eingeschaltet, liegt der Lieferort des deutschen CPO gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL) am Sitz des EMP in Deutschland. Der Umsatz des deutschen CPO an den deutschen EMP fällt nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b UStG unter das Reverse-Charge-Verfahren. Nach § 13b Abs. 5 Satz 4 UStG schuldet der deutsche EMP als Leistungsempfänger und zugleich als Wiederverkäufer nur dann die USt, wenn auch der Lieferer (CPO) Wiederverkäufer von Elektrizität ist.
Der MwSt-Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass – gem. Art. 39 MwStSystRL – der Ort als Ort der Lieferung von Elektrizität durch den EMP an einen Fahrer, der sein Fahrzeug auflädt, gelten sollte, an dem der Fahrer die Gegenstände tatsächlich nutzt oder verbraucht, d.h. am Ort des Ladeterminals (§ 3g Abs. 2 UstG; Abschn 3g.1 Abs. 5 UStAE).
Beachte:
Der ausländische EMP erbringt nach § 3g Abs. 2 UStG eine steuerbare Lieferung in Deutschland (Ort der Ladesäule). Erbringt der ausländische EMP die steuerbare Lieferung an einen privaten Endkunden (B2C-Umsatz), schuldet der EMP in Deutschland die USt und muss sich im Inland für Umsatzsteuerzwecke registrieren lassen.
Erbringt der ausländische EMP die steuerbare Lieferung an einen Unternehmer (B2B-Umsatz), schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 UStG.
Hat ein ausländischer CPO (Ladesäule im Ausland) einen deutschen EMP eingeschaltet, liegt der Lieferort des ausländischen CPO gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL) am Sitz des EMP in Deutschland. Der Umsatz des ausländischen CPO an den deutschen EMP fällt nach § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG unter das Reverse-Charge-Verfahren. Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Alt.2 UStG schuldet der deutsche EMP als Leistungsempfänger und zugleich als Wiederverkäufer die USt.
Der deutsche EMP erbringt nach § 3g Abs. 2 UStG eine Lieferung im Ausland (Ort der Ladesäule). Da das Reverse-Charge-Verfahren des § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht zur Anwendung kommt – kein ausländischer Lieferer (kein Nr. 5 Buchst. a UStG) und der Leistungsempfänger ist entweder privater Endkunde (B2C) oder kein Wiederverkäufer (B2B) (kein Nr. 5 Buchst. b i.V.m. Abs. 5 Satz 4 UStG) – muss sich der deutsche EMP im Land der Ladesäule registrieren lassen (s.a. Fietz u.a., Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von E-Charging, NWB 39/2023, 2682).
Rechte sind keine Gegenstände, die im Rahmen einer Lieferung übertragen werden können; die Übertragung von Rechten stellt eine sonstige Leistung dar (Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE; vgl. § 3 Abs. 9 Satz 1 und 2 UStG; → Sonstige Leistung).
Bei einer einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Elemente einer sonstigen Leistung enthält, richtet sich die Einstufung als Lieferung oder sonstige Leistung danach, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen bestimmen (Abschn. 3.5 Abs. 1 UStAE). Abschn. 3.5 Abs. 2 und 3 UStAE enthalten eine beispielhafte Aufzählung verschiedenartiger Lieferungen und sonstiger Leistungen. Die Abs. 5 bis 8 des Abschn. 3.5 UStAE regeln die Besonderheiten bei Leasingverträgen (→ Leasing).
Zur Abgrenzung der Lieferung von der sonstigen Leistung hat der BFH in seinem Urteil vom 14.2.1974 (V R 129/70, BStBl II 1974, 261) Stellung genommen. Hier hatte ein Unternehmer seinen Kunden Matern, Klischees und Abzüge von Bildgeschichten zur Veröffentlichung in bestimmten Zeitungen und Zeitschriften für einen bestimmten Zeitraum überlassen. Besitz und Eigentum an diesen Gegenständen gingen auf die Kunden über und verblieben bei ihnen. Andererseits durften die Gegenstände aber nur zur Veröffentlichung in den bezeichneten Zeitschriften verwendet werden, und die Publikationsrechte erloschen zu einem bestimmten (vereinbarten) Zeitpunkt. Dazu führte der BFH aus, dass es für die Beurteilung, ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, maßgeblich sei, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragspartner tatsächlich den wirtschaftlichen Gehalt des Geschäftes bedinge. Da den Kunden nur ein örtlich und zeitlich begrenztes Publikationsrecht überlassen worden sei (die nicht ausdrücklich überlassenen Publikationsrechte blieben beim leistenden Unternehmer) und sich das Entgelt nicht nach dem objektiven Wert der überlassenen Gegenstände richtete, sondern durch das Interesse der Kunden an der Publikation (Auflagenhöhe) entscheidend orientierte, ergibt sich, dass der wesentliche Inhalt der Leistung in der Übertragung der begrenzten Veröffentlichungsrechte liegt und daher eine sonstige Leistung anzunehmen ist (s.a. Abschn. 3.5 Abs. 4 Satz 1 UStAE).
Zur Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung hat der BFH in seinem Beschluss vom 26.10.1998 (V B 80/98, BFH/NV 1999, 529) festgestellt, dass die Besamung von Rindern nicht als Lieferung von Samen, sondern als sonstige Leistung mit dem Ziel der Befruchtung zu beurteilen ist.
In einem weiteren Urteil zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung vom 4.7.2002 (V R 41/01, BFH/NV 2002, 1622) hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer eine sonstige Leistung ausführt, wenn er Anglern gegen Entgelt die Möglichkeit einräumt, in seinen Teichen eine bestimmte Zeit zu angeln. Daran ändert es auch nichts, wenn der Unternehmer den Fischbesatz in seinen Teichen entsprechend den Zahlungen der Leistungsempfänger erhöht. Hinsichtlich der eingesetzten Fische hat der Stpfl. keine Lieferung ausgeführt. An den zum Angeln in die Teiche des Stpfl. eingesetzten Fischen erlangte der jeweilige Angler aber noch keine Verfügungsmacht; denn es war noch völlig ungewiss, ob er die aufgrund seiner Zahlung ausgesonderten Fische später fangen konnte. Eine »Lieferung« der Fische hätte zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 3 der Anlage 2 geführt.
Mit Urteil vom 9.6.2005 (V R 50/02, BStBl II 2006, 98) führt der BFH zur Abgrenzung einer Lieferung von einer sonstigen Leistung aus, dass die Sicht des Durchschnittsverbrauchers entscheidend für diese Abgrenzung ist. Maßgebend ist dabei, welche Elemente überwiegen. Es kommt darauf an, welche Bestandteile der Leistung unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bedingen.
Dient die Übertragung des Gegenstands dazu, die Übertragung eines Rechts oder eine bestimmte Nutzung zu ermöglichen, steht regelmäßig die Dienstleistung im Vordergrund. Die Überlassung von Gegenständen, die zur Übertragung, Auswertung oder Ausnutzung eines Rechts erforderlich sind, ist in aller Regel von untergeordneter Bedeutung.
Zum Verkauf von Telefonkarten s. BMF vom 24.9.2012 (BStBl I 2012, 947; Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 15 UStAE). S.a. EuGH Urteil vom 3.5.2012 (C-520/10, BStBl II 2012, 755) sowie → Telekommunikationsleistungen.
Mit Urteil vom 15.4.2015 (1 K 1195/13, EFG 2016, 516, LEXinform 5018715, rkr.) hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass die Lieferung eines Gegenstands zusammen mit einer Gewährleistungsübernahme als einheitliche Leistung (Lieferung) anzusehen ist, bei der die Lieferung des Gegenstandes als Hauptleistung und die Gewährleistungsübernahme die unselbstständige Nebenleistung ist, die das Schicksal der Hauptleistung teilt. Anhaltspunkte für eine einheitliche Leistung liefern die Modalitäten der Vertragsgestaltung, der Preisbildung und der Rechnungsstellung, wenn keine Einzelpreise für die Gewährleistung gesondert vereinbart, sondern bloß ein Gesamtkaufpreis in Rechnung gestellt wird. Für eine einheitliche Leistung spricht auch, dass der Käufer lediglich einen Gewährleistungsanspruch gegen den Verkäufer und nicht auch gegen einen Dritten hat. Die unmögliche bzw. mit enormen Schwierigkeiten verbundene Aufteilung des Gesamtentgelts zeigt, dass die Lieferung und die Gewährleistungsübernahme eine einheitliche Leistung darstellen, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (s.a. Pressemitteilung FG Baden-Württemberg vom 2.2.2016, LEXinform 0444049; → Garantieleistungen in der Kfz-Wirtschaft).
Nach dem BFH-Urteil vom 26.9.2019 (V R 36/18, BFH/NV 2020, 112, LEXinform 0952067) können das Mahlen von Getreide einerseits und die Zugabe von Zusatzstoffen andererseits als umsatzsteuerrechtlich eigenständige Leistungen zu beurteilen sein.
Entscheidungssachverhalt:
Der Kläger mahlte mit einer auf einem Lkw installierten mobilen Mahl- und Mischanlage (Anlage) auf Bauernhöfen bereitgestelltes Getreide. Dabei gab er nach individuellen Vorgaben der Bauern Futteröl, Mineralfutter sowie andere Zusatzstoffe hinzu. Zudem verkaufte er auch Futteröl. Die Anlage saugte das Getreide aus dem Lager des Kunden an, schrotete oder quetschte es abhängig von der vom Kunden gewünschten Konsistenz des Futters und leitete es in einen Mischbehälter weiter. In dem Mischbehälter gab der Kläger entsprechend den Vorgaben des jeweiligen Auftraggebers Futteröl oder Mineralfutter oder beides zu. Das Futteröl kam direkt aus einem in die Anlage integrierten Tank, das Mineralfutter wurde auf dem Lkw in Säcken mitgeführt, die über eine Fördervorrichtung in den Mischbehälter entleert wurden. Die Mischung und die Zugabe von Futteröl und Mineralfutter begannen, sobald der erste Schrot in den Mischbehälter gelangt und noch bevor das letzte Getreide gemahlen oder gequetscht war. War der Mahl- und Mischvorgang abgeschlossen, gab die Anlage das fertige Futter aus. Das Futteröl sollte vorrangig den Schrot mit zusätzlichem Nährstoff (Fett) anreichern und wurde für unterschiedliche Tierarten und Fütterungszwecke in unterschiedlicher Dosierung zugegeben.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erbringt keine einheitliche Leistung, sondern zwei eigenständige Leistungen, die unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Das Mahlen und Mischen ist eine sonstige Leistung, die Zugabe von Futteröl und Mineralfutter eine Lieferung.
Weder die Zugabe von Futteröl noch die Zugabe von Mineralfutter dienen allein dazu, das Mahlen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dies wäre namentlich dann der Fall, wenn die Zugabe des Futteröls ausschließlich oder vorrangig dazu diente, den beim Mahlen oder Quetschen entstehenden Staub zu binden und dadurch das Mahlen oder Quetschen zu erleichtern. Das Mahlen und die Zugabe der Zusatzstoffe bilden auch keinen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Auf den Mahl- und Mischvorgang ist der Regelsteuersatz und auf die Abgabe der Zusatzstoffe der für sie geltende ermäßigte Steuersatz anzuwenden (s. Anmerkung vom 3.1.2020, LEXinform 0889062).
Beachte:
Das FG Münster hat mit Urteil vom 25.2.2021 (5 K 3446/18, EFG 2021, 886, LEXinform 5023741, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 9/21, LEXinform 0953568) entschieden, dass die Flüssigfutterleistungen über eine einheitliche Futtermittelzentrale an andere Unternehmer keine Lieferungen, sondern dem Regelsteuersatz unterliegende Futtermanagementleistungen sind, da zusätzliche weitere Dienstleistungselemente wie Überwachung des Fressverhaltens der Mastschweine, Wiederbefüllung der Tröge u.a. gegeben sind, die nicht mit der bloßen Vermarktung einhergehen.
Bei der Abgabe von Speisen und Getränken ist zwischen Lieferung und sonstiger Leistung zu unterscheiden (→ Restaurationsumsätze). Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle stellt nach § 3 Abs. 9 UStG eine sonstige Leistung dar, da hier das Leistungselement überwiegt. Bei der Abgabe von Speisen sind Lieferungen anzunehmen, wenn der Unternehmer sich auf einen Umsatz von Nahrungsmitteln »zum Mitnehmen« beschränkt. Dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 unterliegen lediglich Lieferungen der in der Anlage bezeichneten Gegenstände. Aus der Zuordnung der Restaurationsumsätze zu den sonstigen Leistungen folgt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle dem allgemeinen Steuersatz unterliegen. Nach Abschn. 3.6 UStAE sind zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränke die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 20.3.2013 (BStBl I 2013, 444) anzuwenden.
Wie die Übertragung von Beteiligungen an einer Personengesellschaft und an einer GmbH sind auch die Übertragungen von Aktien als sonstige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG zu beurteilen (Abschn. 3.5 Abs. 8 UStAE). Sofern der Leistungsort im Inland liegt, ist der Umsatz nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei. Bei der Übertragung von Wertpapieren anderer Art (z.B. von Fondsanteilen und festverzinslichen Wertpapieren) ist entsprechend zu verfahren.
Zur Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen bei Leistungen im Zusammenhang mit der Abgabe von Saatgut nimmt das BMF-Schreiben vom 14.2.2006 (BStBl I 2006, 240) ausführlich Stellung.
Durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) wird § 3 UStG um die Absätze 13 bis 15 ergänzt. § 3 Abs. 13 UStG definiert dabei den Begriff des Gutscheins; die Absätze 14 und 15 des § 3 UStG grenzen die Einzweck- und Mehrzweckgutscheine voneinander ab und bestimmen den jeweiligen Zeitpunkt der Steuerentstehung.
Mit BMF-Schreiben vom 2.11.2020 (BStBl I 2020, 1121) wird der UStAE geändert, insbes. wird ein neuer Abschn. 3.17 UStAE (Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine) eingefügt. Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind erstmals auf Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt werden (→ Gutscheine).
§ 3 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG definiert den Gutschein. Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem
die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen und
die zu liefernden Gegenstände oder zu erbringenden Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind (Art. 30a Nr. 1 MwStSystRL; Abschn. 3.17 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 UStAE).
Nach § 3 Abs. 13 UStG handelt es sich dann um einen Gutschein, wenn der Inhaber berechtigt ist, diesen an Zahlungs statt zur Einlösung gegen Gegenstände oder Dienstleistungen zu verwenden. Die Regelung gilt ausdrücklich nicht für Instrumente, die den Erwerber zu einem Preisnachlass berechtigen, ihm aber nicht das Recht verleihen, solche Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten (§ 3 Abs. 13 Satz 2 UStG; Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Ein Einzweck-Gutschein ist danach ein Gutschein, bei dem bereits bei dessen Ausstellung alle Informationen vorliegen, die benötigt werden, um die umsatzsteuerliche Behandlung der zugrundeliegenden Umsätze mit Sicherheit zu bestimmen. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht (§ 3 Abs. 14 Satz 2 UStG; Abschn. 3.17 Abs. 2 UStAE).
Alle Gutscheine, bei denen im Zeitpunkt der Ausstellung nicht alle Informationen für die zuverlässige Bestimmung der Umsatzsteuer vorliegen, sind Mehrzweck-Gutscheine (Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL; § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG). Bei dieser Art von Gutscheinen unterliegt erst die tatsächliche Lieferung bzw. die tatsächliche Ausführung der sonstigen Leistung der Umsatzsteuer, die Besteuerung wird also erst bei Einlösung des Gutscheins, nicht schon bei dessen Ausgabe durchgeführt (§ 3 Abs. 15 Satz 2 UStG; Abschn. 3.17 Abs. 9 ff. UStAE).
Der BFH hat durch Urteil vom 19.5.2010 (XI R 6/09, BStBl II 2011, 831) entschieden, dass ein Unternehmer, der auf einem deutschen Flughafen in einer Wechselstube in- und ausländische Banknoten und Münzen im Rahmen von Sortengeschäften an- und verkauft, keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen (Dienstleistungen) ausführt (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 84/10 vom 29.9.2010, LEXinform 0435724). Mit BMF-Schreiben vom 5.10.2011 (BStBl I 2011, 982) wird Abschn. 3.5 Abs. 3 um Nr. 17 UStAE ergänzt, dass es sich bei dem An- und Verkauf von in- und ausländischen Banknoten und Münzen i.R.v. Sortengeschäften um sonstige Leistungen handelt.
Die entgeltliche Überlassung von Eintrittskarten zu einem sportlichen oder kulturellen Ereignis an einen Reiseveranstalter ist keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung (BFH Urteil vom 3.6.2009, XI R 34/08, BStBl II 2010, 857; Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 14 UStAE). Mit einer Fahrkarte oder einer Eintrittskarte, die zivilrechtlich als sog. kleine Inhaberpapiere i.S.v. § 807 BGB gelten, erwirbt der Inhaber das Recht, eine bestimmte Leistung des Verpflichteten in Empfang zu nehmen. Der wesentliche Inhalt des Geschäfts ist der mit dem Erwerb der Eintrittskarte verbundene Anspruch auf eine Dienstleistung. Der wirtschaftliche Gehalt der Leistung ist auf den Besuch einer Veranstaltung gerichtet. Der Verkauf einer Eintrittskarte stellt daher keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung dar.
Der BFH geht in seinem Urteil vom 13.5.2009 (XI R 75/07, BStBl II 2009, 865) davon aus, dass für den Durchschnittsverbraucher bei Druckerzeugnissen das Dienstleistungselement überwiegt, wenn eine individuelle, auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Leistung bestellt und erbracht wird, während das Lieferungselement dominiert, wenn der Gegenstand der Leistung in einem für eine unbestimmte Anzahl von Interessenten bestimmten »fertigen« Produkt besteht, wie dies bei Zeitungen, Zeitschriften und Büchern der Fall ist. Auch wenn im Einzelfall für ein Druckerzeugnis das Lieferungselement überwiegt, kann es als unselbstständige Nebenleistung zu einer Dienstleistung anzusehen sein und deren Schicksal teilen. Davon ist bei einer Seminarbroschüre auszugehen, die gegenüber einer Dienstleistung (Durchführung von Gruppenseminaren) lediglich ergänzende und vertiefende Funktion hat.
Die Abgabe einer gedruckten Zeitung bzw. eines gedruckten Buchs unterliegt grds. dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage 2), die Einräumung des Zugangs zum E-Paper bzw. zum E-Book unterlag bis zum 17.12.2019 hingegen dem allgemeinen Steuersatz. Ein Gesamtverkaufspreis war nach Maßgabe des Abschn. 10.1 Abs. 11 UStAE aufzuteilen (s.a. OFD Frankfurt vom 11.2.2016, S 7225 A – 8 – St 16, UR 2016, 728, LEXinform 5235869).
Im Ergebnis handelt es sich bei der Einräumung eines zusätzlichen Zugangs zum E-Paper bzw. zum E-Book neben der Abgabe der gedruckten Zeitung bzw. des gedruckten Buchs um eine eigenständige, gesondert zu würdigende Leistung in Form einer sonstigen Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, die auf elektronischem Weg erbracht wird (Abschn. 3a.12 Abs. 3 Nr. 4 UStAE).
Beachte:
Durch die Richtlinie (EU) 2018/1713 des Rates vom 6.11.2018 (ABl. L 286 vom 14.11.2018, 20) wurde die MwStSystRL geändert (s. Art. 98 Abs. 2 UAbs. 2 MwStSystRL). Die Änderung räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, auf Umsätze mit Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und anderen Erzeugnissen unabhängig von der äußeren Form der Publikation einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. Ziel ist die Gleichbehandlung körperlicher und elektronischer Erzeugnisse. Hiervon ausgenommen sind Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen.
Mit Art. 11 Nr. 7 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wird ab 18.12.2019 in § 12 Abs. 2 UStG eine neue Nr. 14 eingefügt.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG neu begünstigt ist »die Überlassung der in Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Abs. 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten«.
Zur Umsatzbesteuerung der Lieferung von Erstexemplaren eines Buches durch einen Verlag an den Autor zu einem höheren Preis als dem Ladenpreis hat der BFH mit Urteil vom 21.10.2015 (XI R 22/13, BStBl II 2018, 612) entschieden, dass neben der (dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden) Lieferung von Büchern eine sonstige (dem Regelsteuersatz zu unterwerfende) verlegerische Leistung vorliegt.
Im Urteilsfall musste der Autor des Buches für die ihm gelieferten ersten 50 Exemplare einen höheren Preis zahlen als den Ladenpreis. Auf diese Weise sollte indirekt ein Druckkostenbeitrag durch den Autor geleistet werden. Der Verlag ging davon aus, dass ohne diese erhöhten Preise die Kosten durch die Ladenverkäufe nicht gedeckt werden können. Druckkostenzuschüsse sind insbes. für die Veröffentlichung von Doktor-Arbeiten durchaus üblich.
Nach der Entscheidung des BFH XI R 22/13 ist in diesen Fällen das zwischen dem Verlag und dem Autor vereinbarte Entgelt entsprechend diesen beiden vom Verlag erbrachten Leistungen aufzuteilen. Das Gericht folgt dabei der Verwaltungsauffassung in Abschn. 10.2 Abs. 5 Satz 4 UStAE (s.a. Anmerkung vom 29.1.2016, LEXinform 0880120).
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Transaktionen auf Gewichtskoten nimmt das BMF mit Schreiben vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161) Stellung und ergänzt dabei Abschn. 3.5 Abs. 2 UStAE um eine neue Nr. 7 sowie Abs. 3 UStAE um eine neue Nr. 19.
Die umsatzsteuerrechtliche Einordnung einer Verfügung über einen Gewichtskontenbestand hängt von der Art der Leistung ab. Ausschlaggebend für die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung ist das Grundgeschäft.
Unter I.1 seines Schreibens vom 17.1.2022 verdeutlicht das BMF anhand von zwei Beispielen, dass reine Gewichtskontenbewegungen (Umbuchungssachverhalte) umsatzsteuerrechtlich ohne Relevanz sind.
Unter I.2 seines Schreibens vom 17.1.2022 stellt das BMF fest, dass es drei verschiedene Kategorien von Transaktionen im Zusammenhang mit Gewichtskonten gibt.
Eine Lieferung (unter 2.1 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022) ist immer dann anzunehmen, wenn eine Konkretisierung von Übergabeort, Form, Stückelung und Reinheit des Metalls vorgenommen wurde bzw. schon bei Abschluss des Grundgeschäfts beabsichtigt ist, eine solche Konkretisierung noch vor der Übertragung vorzunehmen (s. Abschn. 3.5 Abs. 2 Nr. 7 UStAE).
Beispiel 6:
Metallhändler E verkauft am 1.7.2021 1 kg Platinbarren an den Kunden K. K entrichtet hierfür ein Entgelt an E. Die Menge wird K auf seinem Metallkonto gutgeschrieben. K kann die Menge unter Berücksichtigung gegebener logistischer Anforderungen jederzeit abholen oder die Auslieferung vereinbaren.
Lösung 6:
S. das Beispiel 3 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161).
Es liegt eine Lieferung vor.
Ist die Rechtsposition des Gewichtskontoinhabers aufgrund der konkreten Bedingungen der Metallaufbewahrung und der Konditionen für das Herausgabeverlangen des Metalls dagegen beschränkt (d.h. fehlt es an den unter Ziffer 2.1 dargestellten Kriterien), liegt ausnahmsweise keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung vor (unter 2.2 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022; s.a. Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 19 UStAE).
Beispiel 7:
Die Scheideanstalt S verkauft 5 × 1 kg Silberbarren an den Unternehmer A. Zur Risikoabsicherung des Edelmetallpreises (= Hedging) kauft die Scheideanstalt S die gleiche Menge (5 kg) bei der Bank B als Gewichtskontoguthaben. Eine physische Lieferung von der Bank B an Scheideanstalt S ist weder gewollt noch vereinbart.
Lösung 7:
S. das Beispiel 4 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161).
Bei einer derartigen Gewichtskontentransaktion fehlt es an einer Konkretisierung im Hinblick auf Übergabeort, Form, Stückelung und Reinheit des Metalls. Die Transaktion von Bank B an Scheideanstalt S ist daher als sonstige Leistung einzuordnen.
Von einem Differenzgeschäft/Absicherungsgeschäft (unter 2.3 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022) ist auszugehen, wenn bereits im Zeitpunkt des Verkaufs des Edelmetalls ein Vertrag über den Rückkauf mit dem Vertragspartner abgeschlossen wird, sodass letztlich eine Transaktion erfolgt, die ggf. nur zu Dokumentationszwecken über Gewichtskonten vorgenommen wird und lediglich dazu dient, Preis- und Liquidationsrisiken zu verringern. Absicherungsgeschäfte sind daher regelmäßig nicht darauf angelegt, dass es zwischen den hieran Beteiligten zu einer physischen Aushändigung kommt. Der Vertragsabschluss erfolgt in der Regel zwischen zwei Unternehmen der (Edel-)Metallbranche oder einem Unternehmen der (Edel-)Metallbranche sowie einer Bank. Differenzgeschäfte unterliegen nicht der Umsatzbesteuerung.
Beispiel 8:
Der Unternehmer A hat ein Guthaben auf seinem Gewichtskonto bei der Scheideanstalt S. Von diesem Guthaben überträgt er einen Teil zu Absicherungszwecken an die Bank B, mit der er vereinbart, dass das Guthaben zu einem bestimmten Zeitpunkt auf das Gewichtskonto bei der Scheideanstalt S zurück übertragen wird. Eine physische Lieferung ist weder gewollt noch vereinbart.
Lösung 8:
S. das Beispiel 5 des BMF-Schreibens vom 17.1.2022 (BStBl I 2022, 161). S. dort auch das Beispiel 6.
Das vorgenannte Absicherungsgeschäft stellt einen nicht steuerbaren Vorgang dar.
Die Verschaffung der Verfügungsmacht beinhaltet den von den Beteiligten endgültig gewollten Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger. Der Abnehmer muss faktisch in der Lage sein, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer zu nutzen und veräußern zu können (Abschn. 3.1 Abs. 2 UStAE). Näheres s. unter → Verschaffung der Verfügungsmacht.
Bei den Liefergeschäften ist auf folgende Sonderfälle hinzuweisen:
Verbringen eines Gegenstandes zur eigenen Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 3 Abs. 1a UStG, → Innergemeinschaftliches Verbringen),
Entnahme eines Gegenstandes (§ 3 Abs. 1b Nr.1 UStG, → Unentgeltliche Wertabgabe),
unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes an das Personal (§ 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG, → Sachbezüge),
unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes an andere Unternehmer (§ 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG, → Unentgeltliche Wertabgabe),
Kommissionsgeschäft (§ 3 Abs. 3 UStG i.V.m. § 383 HGB, → Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen),
Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG, → Werkleistung, → Werklieferung),
Gehaltslieferung (§ 3 Abs. 5 UStG).
Nach dem BFH-Urteil vom 10.8.2017 (V R 3/16, BStBl II 2017, 1264) stellt die Überlassung von Biomasse durch einen Landwirt an einen Biogasanlagenbetreiber eine Gehaltslieferung nach § 3 Abs. 5 UStG dar. Gegenstand der Lieferung ist nur der qualitative Anteil, also das Biogas aus der gelieferten Biomasse. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen den Beteiligten vereinbart ist, dass die Biomassesubstanz im Eigentum des Lieferers verbleibt und sich die Leistung auf die Nutzung zur Energieerzeugung beschränkt. Die Rückgabe der Gärreste ist ein nicht steuerbarer Vorgang.
Nur wenn keine solche Vereinbarung besteht, ist von einer Lieferung der Biomasse und nach erfolgter Umwandlung in Biogas von einer Lieferung der Gärsubstrate an den ursprünglichen Lieferer auszugehen (s.a. OFD Frankfurt vom 5.3.2018, S 7410 A – 55 – St 112, UR 2018, 415, LEXinform 5236592).
Beachte:
Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung (OFD Karlsruhe vom 15.1.2013, S 7410, UR 2013, 523, LEXinform 5234605) ist bei der Lieferung von Biomasse an Biogasanlagenbetreiber unter vereinbarter Rücklieferung von düngemittelfähigem Substrat eine Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf die jeweilige Baraufgabe nicht anzuerkennen, weil Gehaltslieferungen (§ 3 Abs. 5 UStG) mangels Nämlichkeit der Stoffe nicht vorliegen (keine bloße Trennung der Inhaltsstoffe wie z.B. bei der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben). Bei der Hinlieferung von Biomasse und der Rücklieferung von düngemittelfähigem Substrat handelt es sich um Tauschumsätze (§ 3 Abs. 12 UStG).
S. a. auch das BMF-Schreiben vom 21.11.2013 (BStBl I 2013, 1584 sowie Abschn. 3.16 Abs. 5 Nr. 3 UStAE.
Lieferung unter Eigentumsvorbehalt (§ 455 BGB, vgl. Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE, → Verschaffung der Verfügungsmacht),
Lieferung im Rahmen eines Leasingvertrages (vgl. Abschn. 3.5 Abs. 5 bis 7 UStAE, → Leasing),
Lieferung im Rahmen einer Zwangsversteigerung (vgl. Abschn. 1.2 UStAE),
Lieferung im Rahmen einer Sicherungsübereignung oder -verwertung (vgl. Abschn. 1.2 UStAE),
Lieferung im Rahmen einer Verpfändung (vgl. Abschn. 1.2 UStAE),
Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1 UStG, → Tausch und tauschähnlicher Umsatz: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer),
Abrechnung von Mehr- bzw. Mindermengen Gas (BMF vom 20.8.2020, BStBl I 2020, 671; Abschn. 1.7 Abs. 1 UStAE).
Mit Schreiben vom 20.8.2020 (BStBl I 2020, 671) wird das bisherige BMF-Schreiben vom 1.7.2014 (BStBl I 2014, 1111) aufgehoben;
Abrechnung von Mehr- bzw. Mindermengen Strom (BMF vom 6.12.2017, BStBl I 2017, 1660; Abschn. 1.7 Abs. 6 UStAE),
Warenlieferungen in und aus Konsignationslagern (§ 6b UStG; → Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer).
Der Gesetzgeber hat in Art. 12 Nr. 8 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) § 6b UStG neu eingefügt. Die Neuregelung regelt erstmals, unter welchen Voraussetzungen von der Konsignationslagerregelung auszugehen ist.
Wird der Gegenstand der Lieferung später wieder zurückgenommen, dann taucht die Frage auf, ob damit die ursprüngliche Lieferung aufgehoben wird oder ob es sich um einen zweiten, selbstständig zu beurteilenden Vorgang handelt. Fälle der ersten Art werden als Rückgabe, Fälle der zweiten Art als Rücklieferung bezeichnet. Werden dabei Ersatzgegenstände hingegeben, so spricht man von Umtausch (bei Rückgabe) und Tausch (bei Rücklieferung). Bei der Rückgabe ist der Vorgang der Rückübertragung der Verfügungsmacht selbst steuerlich unbeachtlich. Darüber hinaus wird das umsatzsteuerliche Verhalten der Vorlieferung rückgängig gemacht. Eine Rückgabe liegt vor, wenn der der ersten Lieferung zugrunde liegende Vertrag aufgehoben wird, z.B. durch Wandelung (§§ 462, 634 BGB), bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt und bei Garantieverpflichtungen (§ 459 BGB). Dabei spielt die Zeitdauer zwischen Lieferung und Rücknahme eine Rolle, v.a. wegen der Gewährleistungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB.
Ein Leistungsaustausch liegt nicht vor, wenn eine Lieferung rückgängig gemacht wird (Rückgabe). Ob eine nicht steuerbare Rückgabe oder eine steuerbare Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht des ursprünglichen Lieferungsempfängers und nicht aus der Sicht des ursprünglichen Lieferers zu beurteilen (Abschn. 1.1 Abs. 4 UStAE).
Beispiel 9:
Ein Kfz-Händler verkauft einem Fuhrunternehmer einen gebrauchten Lkw. Nach der Lieferung stellt sich heraus, dass das Fahrzeug nicht die im Kaufvertrag zugesicherten Fahreigenschaften hat. Der Fuhrunternehmer erklärt Wandelung (Rückgängigmachung des Kaufvertrages). Er gibt das Fahrzeug zurück und der Händler gibt den Kaufpreis heraus.
Lösung 9:
Es liegt eine Rückgabe vor, die Lieferung wird aufgehoben.
Abwandlung:
Im vorstehenden Beispiel gibt der Fuhrunternehmer den Lkw nicht zurück, verlangt aber vier Wochen nach der Lieferung des Wagens Ersatz für den defekten Motor. Der Händler nimmt den Motor zurück und liefert einen neuen.
Lösung Abwandlung:
Es liegt eine Rückgabe (Umtausch) vor, ohne umsatzsteuerliche Folgen.
Beispiel 10:
Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt werden restliche Raten nicht bezahlt. Der Lieferer holt die Gegenstände wieder ab und vergütet dem Käufer die bisherigen Raten.
Lösung 10:
Es liegt eine Rückgabe vor.
Bei einer Rücklieferung folgt auf die steuerbare Hinlieferung des Lieferers an den Abnehmer eine steuerbare Rücklieferung des Abnehmers an den Lieferer.
Mit Urteil vom 12.11.2008 (XI R 46/07, BStBl II 2009, 558) hat der BFH zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Vergütungen eines Umzugsunternehmens für zurückgegebene Umzugskartons entschieden, dass in den Fällen, in denen ein Umzugsunternehmen seinen Kunden anbietet, von ihm verkaufte Umzugskartons in verwertbarem Zustand gegen ein bestimmtes Entgelt zurückzunehmen, eine selbstständige Rücklieferung vorliegt (s.a. → Bemessungsgrundlage).
In seinem Urteil vom 12.11.2008 (XI R 46/07, BStBl II 2009, 558) erläutert der BFH die Unterschiede zwischen der Rückgängigmachung einer Lieferung und einer Rücklieferung. Die Rückgabe eines gelieferten Gegenstandes durch den Käufer kann den zugrunde liegenden Leistungsaustausch berühren (Rückgängigmachung) oder aber auf einem neuen, also weiteren Leistungsaustausch beruhen (sog. Rücklieferung). Ob eine Rückgängigmachung einer Lieferung oder eine selbstständige Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht des Empfängers und nicht aus der Sicht des ursprünglichen Lieferers (hier: des Umzugsunternehmers) zu beurteilen. Eine Rückgängigmachung ist anzunehmen, wenn der Liefernde oder der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Lieferungsempfänger den empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des Umsatzgeschäftes zurückgibt.
Dagegen liegt eine einen selbstständigen Umsatz auslösende Rücklieferung vor, wenn die Beteiligten ein neues Umsatzgeschäft eingehen und der Empfänger der Hinlieferung dieses dadurch erfüllt, dass er dem ursprünglichen Lieferer die Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand in Erwartung einer Gegenleistung überträgt. Bei der Rückgängigmachung liegt typischerweise eine Vertragsstörung im weiten Sinne vor. Sie ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass das ursprüngliche Entgelt zurückzuzahlen ist. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Wiederverkäufer ein Unternehmer oder eine Privatperson ist (s.a. Anmerkung vom 8.1.2009, LEXinform 0925041).
Beim Umtausch wird der Gegenstand einer ausgeführten Lieferung zurückgegeben und durch einen anderen Gegenstand ersetzt. Die bisherige Lieferung bleibt erhalten, richtet sich allerdings auf den umgetauschten Gegenstand.
Beispiel 11:
Gastwirt G mit Wohnsitz in Weil am Rhein (Deutschland) betreibt in Basel (Schweiz) ein Bistro. Am 29. Juli 26 erwirbt G bei dem deutschen Möbelhändler M in Freiburg einen Bistrotisch für sein Lokal in der Schweiz für 250 €. G ist sich nicht sicher, ob der Tisch für sein Bistro geeignet ist. Er kommt mit dem Möbelhändler überein, dass er den Tisch umtauschen kann. G transportiert den Tisch mit eigenem Pkw zu seinem Lokal in die Schweiz.
In seinem Lokal in der Schweiz stellt G fest, dass der Tisch nicht geeignet ist und so bringt er ihn am 15.8.16 zurück zum Möbelhändler und tauscht ihn dort gegen 5 größere Tische um. Statt 250 € pro Tisch muss G jetzt 300 € pro Tisch zahlen. Unter Anrechnung der bereits gezahlten 250 € leistet G noch insgesamt 1 250 €. M bringt die Tische mit eigenem Transporter am 16.8.16 zu G nach Basel in dessen Lokal.
Lösung 11:
Mit dem Verkauf des Bistrotisches tätigt M am 29.7.16 eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG. Es handelt sich um eine Beförderungslieferung, die nach § 3 Abs. 5a i.V.m. Abs. 6 Satz 1 UStG dort ausgeführt gilt, wo die Beförderung beginnt. Der Ort der Lieferung befindet sich somit im Inland (Freiburg); die Lieferung ist steuerbar. Da der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung ins Drittlandsgebiet befördert hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG), G aber kein ausländischer Abnehmer i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist, kommt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht in Betracht. Die Lieferung des M an G ist im Juli 16 steuerbar und steuerpflichtig.
G wendet dafür 250 € auf. Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG beträgt (250 € : 119 × 100 =) 210,08 € und die USt (210,08 € × 19 % =) 39,92 €. Die USt entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Lieferung im Juli 16 (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Steuerschuldner der USt ist M (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).
Mit dem Umtausch des Bistrotisches wird dessen Lieferung vom Juli 16 im August 16 rückgängig gemacht (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG). Eine Rücklieferung liegt nicht vor, da vertraglich ein Umtausch vereinbart wurde. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 7 UStG). Die Lieferung aus dem Monat Juli 16 muss im August 16 berichtigt werden. Der Vorgang führt zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage um 210,08 € und eine Minderung der USt von 39,92 €.
Am 16.8.16 tätigt M 5 Lieferungen, die nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG in Freiburg ausgeführt werden. Die Lieferungen der 5 Bistrotische sind steuerbar. M als Lieferer befördert die Tische selbst ins Drittlandsgebiet. Die Lieferungen sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG steuerfrei. Die Bemessungsgrundlage für die Ausfuhrlieferungen beträgt 1 500 € (250 € aus der Verrechnung des umgetauschten Einzeltischs sowie die Zahlung von 1 250 €).
Bei einem Kauf auf Probe (§ 454 BGB) im Versandhandel kommt der Kaufvertrag noch nicht mit der Zusendung der Ware, sondern erst nach Ablauf der vom Verkäufer eingeräumten Billigungsfrist oder durch Überweisung des Kaufpreises zustande. Erst zu diesem Zeitpunkt ist umsatzsteuerrechtlich die Lieferung ausgeführt. Dagegen ist bei einem Kauf mit Rückgaberecht bereits mit der Zusendung der Ware der Kaufvertrag zustande gekommen und die Lieferung ausgeführt (Abschn. 13.1 Abs. 6 UStAE).
Mit Urteil vom 13.1.2010 (V R 24/07, BStBl II 2011, 241) hat der BFH entschieden, dass der Verkauf von WG, die der Erblasser für sein Unternehmen erworben hat, steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen darstellen, die der USt unterliegt (→ Gesamtrechtsnachfolge).
Erbe eines Rechtsanwalts, der Gesellschafter einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Rechtsanwaltssozietät gewesen war, war eine Erbengemeinschaft geworden. Der Rechtsanwalt hatte einen Pkw zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung an die Sozietät mit Vorsteuerabzug erworben. Die Sozietät überließ den an sie vermieteten Pkw dem Rechtsanwalt wiederum zu dessen beruflicher und privater Nutzung. Nach dem Tod des Rechtsanwalts veräußerte die Erbengemeinschaft das Fahrzeug. Sie war der Auffassung, der Verkauf unterliege nicht der USt, weil sie selbst nicht → Unternehmer i.S.d. UStG sei.
Der BFH entschied, dass der Erbe zwar nicht durch Rechtsnachfolge Unternehmer werde. Er trete aber als Rechtsnachfolger in die umsatzsteuerrechtlich noch nicht abgewickelten Rechtsverhältnisse des Erblassers ein. Deshalb unterliege der Verkauf von WG, die dem Unternehmen des Erblassers zugeordnet waren – ebenso wie beim Erblasser – der USt (Pressemitteilung des BFH Nr. 48/10 vom 2.6.2010, LEXinform 0435309; Abschn. 2.6 Abs. 5 UStAE).
Mit Schreiben vom 20.10.2014 (BStBl I 2014, 1372) nimmt das BMF zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Hin- und Rückgabe von Transportbehältnissen Stellung. Das BMF hat dabei die Ausführungen zur Überlassung von Transportbehältnissen gegen ein gesondert vereinbartes Pfandgeld in Abschn. I des BMF-Schreibens vom 5.11.2013 (BStBl I 2013, 1386) überarbeitet und die Abschn. 3.10 Abs. 5a und 10.1 Abs. 8 UStAE geändert.
Die nachfolgende Übersicht fasst das BMF-Schreiben vom 20.10.2014 (BStBl I 2014, 1372) zusammen.
Transportbehältnisse: |
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Transporthilfsmittel |
Warenumschließung |
Transporthilfsmittel dienen grundsätzlich der Vereinfachung des Warentransports und der Lagerung. Transporthilfsmittel sind z.B. Getränke-Paletten, Kisten (z.B. Ernteboxen), Steigen und Container für Blumen, Obst und Gemüse, Rollcontainer, Fleischkästen, Fischtransportkisten, Boxen für Kartoffeln und Zwiebeln, Quattro-Boxen etc. Diesen Transporthilfsmitteln ist gemeinsam, dass sie für logistische Aktivitäten innerhalb des Unternehmens, aber auch beim Durchlaufen von Handelsstufen, an denen mehrere Unternehmer beteiligt sind (Hersteller – Großhändler – Einzelhändler), eingesetzt werden. Sie werden grundsätzlich nicht an den Endverbraucher geliefert. |
Es liegen lediglich Warenumschließungen vor, wenn aufgrund der Eigenart einer Ware eine bestimmte Umschließung erforderlich ist, um diese für den Endverbraucher verkaufs- und absatzfähig zu machen. Hierbei handelt es sich überwiegend um innere und äußere Behältnisse, Aufmachungen, Umhüllungen und Unterlagen, welche für die Lieferbarkeit von Waren an den Endverbraucher notwendig (z.B. Flaschen) oder üblich (z.B. Getränkekasten) sind oder unabhängig von ihrer Verwendung als Verpackung keinen dauernden selbstständigen Gebrauchswert haben. Ob der Gebrauchswert geringfügig ist oder nicht, ist ohne Bedeutung. |
Die Hingabe gegen Pfandgeld ist als eigenständige Lieferung zu beurteilen (Abschn. 3.10 Abs. 5a Satz 1 UStAE), die dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegt. |
Warenumschließungen teilen stets das Schicksal der Hauptleistung (Abschn. 3.10 Abs. 5a Satz 2 UStAE) und unterliegen den steuerlichen Regelungen der eigentlichen Hauptleistung. |
Bei Rückgabe und Rückzahlung des Pfandgeldes liegen sowohl bei Transporthilfsmitteln als auch bei Warenumschließungen Entgeltminderungen vor (Abschn. 3.10 Abs. 5a Satz 3 UStAE). |
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Die Entgeltminderung entfällt auf den Regelsteuersatz der Lieferung des Transporthilfsmittels. |
Die Entgeltminderung muss dem für die vorherige Hauptleistung geltenden Steuersatz zugeordnet werden. Beachte Abschn. 10.1 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 Satz 10 UStAE. |
Zum Berichtigungsverfahren nach § 17 Abs. 1 UStG s. Abschn. 10.1 Abs. 8 UStAE). |
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Bisherige Regelung nach BMF vom 5.11.2013 (BStBl I 2013, 1386): Die Hingabe des Transporthilfsmittels gegen Pfandgeld war als eigenständige Lieferung und die Rückgabe gegen Rückzahlung des Pfandgeldes als Rücklieferung zu beurteilen. Die Hin- und Rücklieferung unterlagen dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG. Übergangsregelung (BMF vom 20.10.2014, BStBl I 2014, 1372, Tz. IV): Für Umsätze, die vor dem 1.7.2015 getätigt werden, kann nach den bisherigen Grundsätzen verfahren werden. |
Abb.: Hin- und Rückgabe von Transportbehältnissen
Unter anderem in Fußballstadien wird der Verkauf von Speisen und Getränken bargeldlos abgewickelt. Diese Zahlkarten können mit einem bestimmten Geldbetrag aufgeladen werden, der dann beim Verkauf von Getränken oder Speisen von der Karte abgebucht wird. Für die Ausgabe der Karte selbst wird ein zusätzliches Pfandgeld verlangt.
Das FG Hamburg hat sich mit der umsatzsteuerlichen Behandlung dieses Pfands befasst. In dem Verfahren verlangte die Betreiberin des Zahlungssystems einen Geldbetrag von 2 €. Die Karte konnte innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer gegen Erstattung eines etwaigen Restguthabens zurückgegeben werden. Dann wurde auch das Pfand von 2 € wieder erstattet. Die Betreiberin versteuerte die 2 € nicht.
Die Überlassung einer Zahlungskarte gegen den Einbehalt eines als Pfand bezeichneten Betrags ist eine Lieferung, wenn der Karteninhaber nach Übergabe frei über die Karte verfügen kann. Die Überlassung der Zahlungskarte ist keine Nebenleistung zu dem (nicht steuerbaren) Tausch von Zahlungsmitteln, denn ihr kommt als Transportmittel und notwendiger Schlüssel für die elektronische Zahlung ein eigenständiger Wert zu. Es liegt kein Umsatz im Zahlungsverkehr vor, denn die Bereitstellung der Zahlungskarte führt noch nicht zu einer Übertragung von Geldern des Karteninhabers an einen Zahlungsempfänger. Die Leistung des Unternehmers gegenüber dem Kartenerwerber beschränkt sich darauf, dass mit der Karte die technischen Voraussetzungen für die bargeldlose Zahlung vermittelt werden (FG Hamburg Urteil vom 7.2.2017, 2 K 14/16, EFG 2017, 783, LEXinform 5019964, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 19/19 (bisher XI R 12/17), LEXinform 0952472; Anmerkung vom 20.6.2017, LEXinform 0948810; s.a. Philipowski, UR 18/2017, 705).
Zum Ort und Zeitpunkt der Lieferung s. § 3 Abs. 5a UStG und die ausführlichen Erläuterungen unter → Ort der Lieferung.
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort Lieferung (Loseblatt); Friedrich-Vache, Rückkauf von Gegenständen nach Stundung des ursprünglichen Kaufpreises – (Rück-)Lieferung oder eine Nutzungsüberlassung? –, UR 2008, 612; Hummel, Verschaffung der Verfügungsmacht im Umsatzsteuerrecht – Am Beispiel des sog. »sale-and-lease-back« und des Kaufs auf Probe –, UR 2007, 757; Raab u.a., Kauf auf Probe – eine umsatzsteuerliche Besonderheit?, UR 2005, 581; Brete u.a., Umsatzsteuerliche Behandlung von Organlieferungen, UR 2009, 781; Lippross, Miteigentumsanteile sind Lieferungsgegenstände, UR 2012, 708; Philipowski, Ist die entgeltliche Überlassung einer elektronischen Zahlungskarte eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung?, UR 18/2017, 705; Wäger, Digitalpaket – Neuregelungen zum 1.7.2021 für den Bereich der Lieferungen, UStB 2021, 76; Ramb, Umsetzung der zweiten Stufe des MwSt-Digitalpakets durch das JStG 202, Teil I, NWB 19/2021, 1405; Teil II, NWB 20/2021, 1475; Teil III, NWB 22/2021, 1614; Teil IV, NWB 23/2021, 1676; Kirsch u.a., Umsatzsteuerliche Besonderheiten des E-Commerce, NWB 30/2021, 2202; Fietz u.a., Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von E-Charging, NWB 39/2023, 2682.
→ Leistung
→ Verschaffung der Verfügungsmacht
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