Lohnsteuerermäßigungsverfahren

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Grundsätzliches zum Lohnsteuerermäßigungsverfahren
2 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen
2.1 Allgemeiner Überblick
2.2 Besonderheiten bei der Berücksichtigung von Kindern
2.3 Besonderheiten beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
2.4 Besonderheiten beim Kinderfreibetrag
2.5 Besonderheiten bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung
2.6 Keine Eintragung von Beiträgen einer Rürup-Versicherung
3 Feststellung des Jahresfreibetrages
4 Umrechnung des Jahresfreibetrages in einen Monatsfreibetrag
5 Zweijährige Gültigkeit des Freibetrags
6 Mitteilung der Lohnsteuerabzugsmerkmale an das BZSt und Bekanntgabe an den Arbeitnehmer
7 Besonderheiten bei Ehegatten/Lebenspartnerschaften
8 Freibetrag und Hinzurechnungsbetrag nach § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG
9 Ermäßigungsverfahren für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer
10 Nachzahlung von Lohnsteuer
11 Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung/Veranlagungspflicht
12 Ablehnung eines Antrags auf Lohnsteuerermäßigung
13 Faktorverfahren
13.1 Allgemeines
13.2 Die Regelungen im Einzelnen
13.2.1 Wirkungsweise der Steuerklasse IV-Faktor
13.2.2 Ermittlung des Faktors
13.2.3 Berücksichtigung des Faktors i.V.m. der Steuerklasse IV als Lohnsteuerabzugsmerkmal
13.2.4 Einkommensteuerveranlagungspflicht
13.2.5 Änderung der Steuerklassen und des Faktors
13.2.6 Antragsverfahren
13.3 Beispiele
14 Literaturhinweise
15 Verwandte Lexikonartikel

1. Grundsätzliches zum Lohnsteuerermäßigungsverfahren

Das LSt-Ermäßigungsverfahren ist in § 39a EStG geregelt. Durch das LSt-Ermäßigungsverfahren gewährt das FA dem ArbN für die im Laufe des Kj. zu erwartenden erhöhten Aufwendungen einen individuellen Freibetrag. Dieser Freibetrag führt zu einer Minderung der Steuerabzüge, weil der ArbG ihn vom Arbeitslohn abziehen muss, bevor er die LSt ermittelt (§ 39b Abs. 2 Satz 4 EStG).

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Die Feststellung eines LSt-Abzugsmerkmals wie z.B. eines Freibetrags ist die gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage i.S.d. § 179 Abs. 1 AO, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 39 Abs. 1 Satz 4 EStG).

Durch das BeitrRLUmsG vom 7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) wird in § 39 Abs. 1 EStG die Bildung der LSt-Abzugsmerkmale neu geregelt. Für die Durchführung des LSt-Abzugs werden LSt-Abzugsmerkmale gebildet

  • auf Antrag des ArbN nach

    • § 39a Abs. 1 und Abs. 4 EStG: Freibeträge für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige ArbN;

    • § 39e Abs. 1 i.V.m. § 39e Abs. 4 Satz 1 EStG: Nach § 39e Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG hat der ArbN jedem seiner ArbG bei Eintritt in das Dienstverhältnis zum Zweck des Abrufs der LSt-Abzugsmerkmale mitzuteilen, ob und in welcher Höhe ein nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG festgestellter Freibetrag abgerufen werden soll;

  • automatisch nach § 39e Abs. 1 Satz 1 EStG und zwar

    • die Steuerklasse und

    • für die bei den Steuerklassen I bis IV zu berücksichtigenden Kinder die Zahl der Kinderfreibeträge nach § 38b Abs. 2 Satz 1 EStG.

Für die Bildung der LSt-Abzugsmerkmale u.a. nach § 39a EStG und die Bestimmung ihrer Geltungsdauer ist das FA zuständig (§ 39 Abs. 1 Satz 2 EStG). Soweit das FA LSt-Abzugsmerkmale nach § 39 EStG bildet, teilt es sie dem BZSt zum Zweck der Bereitstellung für den automatisierten Abruf durch den ArbG mit. Die Bildung und die Änderung der LSt-Abzugsmerkmale sind dem ArbN bekanntzugeben (§ 39 Abs. 1 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG). Die Bekanntgabe richtet sich nach § 39e Abs. 6 EStG. Danach gelten die LSt-Abzugsmerkmale gegenüber dem ArbN als bekanntgegeben, sobald der ArbG dem ArbN den Ausdruck der Lohnabrechnung mit den darin ausgewiesenen elektronischen LSt-Abzugsmerkmalen ausgehändigt oder elektronisch bereitgestellt hat. Ein schriftlicher Bescheid mit einer Belehrung über den zulässigen Rechtsbehelf ist vom FA zu erteilen, wenn einem Antrag des ArbN auf Bildung oder Änderung der LSt-Abzugsmerkmale nicht oder nicht in vollem Umfang entsprochen wird oder der ArbN die Erteilung eines Bescheids beantragt.

Durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) ist die Möglichkeit einer zweijährigen Gültigkeitsdauer von im LSt-Ermäßigungsverfahren gebildeten Freibeträgen eingeführt worden (s. § 39a Abs. 1 Satz 3–5 EStG). Die längere Geltungsdauer eines Freibetrags führt zu einer Verfahrensvereinfachung für den Arbeitnehmer und auch für die Finanzverwaltung, weil der ArbN nicht mehr jährlich den Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung beim FA zu stellen braucht. Es soll auch in den Fällen der zweijährigen Geltungsdauer eines Freibetrags die derzeitige vereinfachte Beantragung eines Freibetrags für das Folgejahr möglich sein. Bei der vereinfachten Beantragung kann das FA unter der Voraussetzung, dass die Verhältnisse des ArbN im Wesentlichen gleichgeblieben sind, auf nähere Angaben des ArbN verzichten. Für einen Freibetrag mit zweijähriger Geltungsdauer bedeutet dies, dass nach Ablauf der zweijährigen Geltungsdauer des Freibetrags für die darauf folgenden zwei Jahre die weitere Berücksichtigung des Freibetrags im Lohnsteuerabzugsverfahren mit einem vereinfachten Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung beantragt werden kann. Auch bei dieser vereinfachten Beantragung gilt für den ArbN die gesetzliche Verpflichtung, bei Veränderungen zu seinen Ungunsten die Höhe des Freibetrags ändern zu lassen.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird als Starttermin für das Verfahren der zweijährigen Gültigkeit von Freibeträgen im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren der 1.10.2015 festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt können die Arbeitnehmer den Antrag auf Bildung eines Freibetrags nach § 39a EStG für einen Zeitraum von längstens zwei Kj. mit Wirkung ab dem 1.1.2016 bei ihrem Wohnsitzfinanzamt stellen (BMF, Schreiben vom 21.5.2015, IV C 5 – S 2365/15/10001). Ab dem 1.10.2015 können die Arbeitnehmer mit Wirkung ab 1.1.2016 den Antrag auf Bildung eines Freibetrags nach § 39a EStG für einen Zeitraum von längstens zwei Kj. stellen. Zwar ist die Zweijahresfrist bereits seit dem Veranlagungszeitraum 2013 im Einkommensteuergesetz normiert (s. § 39a Abs. 1 Satz 3 EStG). Allerdings sieht die Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 37 EStG vor, dass diese Zweijahresfrist erst dann anzuwenden ist, wenn die Finanzverwaltung den Beginn durch ein sog. Startschreiben bekanntgemacht hat. Dies ist durch das o.g. BMF-Schreiben geschehen.

Das LSt-Ermäßigungsverfahren steht als Verfahren neben der Veranlagung zur ESt. Deshalb kann das FA denselben Sachverhalt bei der Veranlagung von ArbN anders beurteilen als bei der Feststellung von LSt-Abzugsmerkmalen wie z.B. eines Freibetrages.

Die Berücksichtigung von Freibeträgen beim Lohnsteuerabzug setzt voraus, dass der ArbN einen entsprechenden Antrag stellt. Die Antragsvordrucke sind bei den FA kostenlos erhältlich. Sie stehen auch auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen (www.bundesfinanzministerium.de).

2. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen

2.1. Allgemeiner Überblick

Der Antrag auf Eintragung eines Freibetrages ist unter den Voraussetzungen des § 39a Abs. 2 Satz 4 EStG unzulässig, wenn die Antragsgrenze von 600 € nicht überschritten ist. Für die Feststellung, ob die Antragsgrenze nach § 39a Abs. 2 Satz 4 EStG überschritten wird, ist R 39a.1 Abs. 2 LStR zu beachten. Das nachfolgende Schaubild fasst zusammen, welche Aufwendungen unter die Antragsgrenze fallen.

Zulässigkeit der Eintragung des Freibetrags nach § 39a Abs. 1 EStG

ohne Beschränkung

mit Beschränkung

unzulässig

  • Behinderten- und Hinterbliebenenpauschbetrag (§ 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG; § 33b Abs. 1 bis 5 EStG);

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a EStG: Erhöhungsbetrag für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5a EStG: Verlustvortrag i.S.d. § 10d Abs. 2 EStG; Steuervergünstigungen nach §§ 10e, 10f–h, 10i;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b EStG: negative Summe der folgenden Einkünfte: Gewinneinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5c EStG: das Vierfache der Steuerermäßigung nach § 34f EStG, § 35a und 35c EStG;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG: die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG für ein Kind, für das kein Anspruch auf Kindergeld besteht;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG: ein Hinzurechnungsbetrag.

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG: Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit abzüglich des ArbN- Pauschbetrages (§ 9a Nr. 1a) EStG); soweit für Werbungskosten bestimmte Beträge gelten, z.B. für Verpflegungsmehraufwendungen und pauschale Kilometersätze bei Auswärtstätigkeit oder die Entfernungspauschale, sind diese maßgebend.

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG: Sonderausgaben ohne Vorsorgeaufwendungen (auch Kinderbetreuungskosten i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) und ohne Berücksichtigung des Sonderausgaben-Pauschbetrages i.S.d. § 10c EStG;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG: Außergewöhnliche Belastungen i.S.d. §§ 33, 33a, 33b Abs. 6 EStG. Bei außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG ist von den Aufwendungen ohne Berücksichtigung der zumutbaren Belastung auszugehen;

  • § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 EStG: Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bei Verwitweten, die nicht in Steuerklasse II gehören.

Eine Eintragung ist nur zulässig, wenn die Summe dieser Beträge insgesamt 600 € übersteigt (§ 39a Abs. 2 Satz 4 EStG). Die Antragsgrenze ist bei Ehegatten nicht zu verdoppeln (R 39a.1 Abs. 2 Nr. 6 LStR).

Vorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG

  • BFH Urteil vom 10.11.2016:

    Keine Eintragungen von Einzahlungen in einen Basisrentenvertrag (Rürup-Vertrag)

Abb.: Lohnsteuerermäßigungsverfahren

Abb.: Prüfung der Antragsgrenze

Zur Besonderheit bei der Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte s. → Entfernungspauschale.

2.2. Besonderheiten bei der Berücksichtigung von Kindern

  • Volljährige → Kinder, die in Berufsausbildung sind, einen Freiwilligendienst leisten oder auf einen Ausbildungsplatz warten, werden ab 2012 werden bis zum Abschluss der erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums ohne weitere Voraussetzung berücksichtigt. Der Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung im o.g. Sinne setzt voraus, dass das Kind einen Beruf im Rahmen eines geordneten Ausbildungsgangs erlernt hat und dieser durch eine Prüfung abgeschlossen worden ist. Der Besuch einer allgemeinbildenden Schule gilt folglich nicht bereits als erstmalige Berufsausbildung. Begünstigt sind somit auch Kinder, die ohne vorhergehende Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit ausüben und sich daneben in Berufsausbildung befinden, weil sie z.B. eine Abendschule besuchen oder an einem Fernstudiengang teilnehmen. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums kommt eine Berücksichtigung von Kindern nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG nur noch in Betracht, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Unschädlich ist eine Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit und eine Tätigkeit im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV.

  • Volljährige → Kinder werden ebenfalls berücksichtigt, wenn sie den Bundesfreiwilligendienst oder den Internationalen Jugendfreiwilligendienst leisten.

  • Volljährige Kinder können für Zwecke des ELStAM für mehrere Jahre berücksichtigt werden, wenn zu erwarten ist, dass sich die Verhältnisse nicht ändern (§ 38b Abs. 2 Satz 3 EStG). Aufgrund dessen wurden die Vordrucke zu den Antragsgründen bei Kindern über 18 Jahre um den Hinweis zur mehrjährigen Berücksichtigung ergänzt und wie folgt neu gefasst: »Die Berücksichtigung in den ELStAM (ggf. für mehrere Jahre) wird beantragt, weil das Kind …« Darüber hinaus wurde in den Zeilen zu den Antragsgründen die Möglichkeit der Eintragung eines diesbezüglichen Berücksichtigungszeitraums eingefügt. Der Vordruck sieht für Kinder über 18 Jahre sowohl eine mehrjährige als auch eine unterjährige Berücksichtigung vor. Eine unterjährige Berücksichtigung ist bei ELStAM auf Antrag möglich.

  • Für volljährige Kinder in Berufsausbildung, die auswärts untergebracht sind, kann der → Ausbildungsfreibetrag berücksichtigt werden, ohne dass es auf die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes ankommt.

  • Kosten für die Kinderbetreuung werden für Kinder unter 14 Jahre als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG berücksichtigt (→ Kinderbetreuungskosten).

  • Ein Elternteil kann die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Kinderfreibetrages auch dann beantragen, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (→ Kinderfreibetrag).

  • Ein Großelternteil kann die Übertragung des der Tochter zustehenden Kinderfreibetrages auch dann beantragen, wenn das Enkelkind nicht zum Haushalt der Großeltern gehört, diese aber mangels Leistungsfähigkeit der Eltern eine konkrete Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Enkelkind haben (→ Kinderfreibetrag).

2.3. Besonderheiten beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

Nach § 39a Abs. 1 Nr. 8 EStG ist der → Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) bei Verwitweten, die nicht in Steuerklasse II gehören, auf der LSt-Karte als Freibetrag einzutragen. Im Todesjahr des Ehegatten und im Folgejahr sind verwitwete ArbN in die Steuerklasse III einzureihen, da für sie das Splittingverfahren anzuwenden ist. Grundsätzlich wird der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende mit der Steuerklasse II berücksichtigt. Bei verwitweten ArbN ist diese Berücksichtigung über das Steuerklassensystem nicht möglich. Zur Berücksichtigung des Entlastungsbetrages im Laufe des Kj. kommt für diese Stpfl. nur das Freibetragsverfahren in Betracht.

Nach § 39a Abs. 2 Satz 4 EStG wird der Freibetrag für Alleinerziehende in die Fälle der anderen abziehbaren Beträge eingereiht, für die die Antragsgrenze von 600 € gilt. Diese Ausführungen gelten bei eingetragenen Lebenspartnerschaften entsprechend (§ 2 Abs. 8 EStG).

Mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16.7.2015 (BGBl I 2015, 1202) wurde der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gem. § 24b EStG rückwirkend zum 1.1.2015 um 600 € auf 1 908 € pro Kj. für das erste Kind angehoben. Für jedes weitere zu berücksichtigende Kind besteht Anspruch auf einen Erhöhungsbetrag von 240 € je Kj.

Die OFD Nordrhein-Westfalen vom 22.7.2015 nimmt zu der Neuregelung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende Stellung:

Mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16.7.2015 (s.a. BR-Drs. 281/15, BGBl I 2015, 1202) wurde u.a. die Regelung des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende geändert. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird danach rückwirkend zum 1.1.2015 um 600 € auf 1 908 € angehoben (§ 24b Abs. 2 Satz 1 EStG n.F.) und nunmehr nach der Kinderzahl gestaffelt. So steigt der Entlastungsbetrag für das zweite und jedes weitere zu berücksichtigende Kind zusätzlich um 240 € jährlich (sog. Erhöhungsbetrag, § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG n.F.). Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes (grds. durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer i.S.v. § 139b AO). Die durch die Anhebung auf 1 908 € eintretende steuerliche Entlastung in der Steuerklasse II wird für 2015 – auf der Grundlage eines noch vom BMF zu erstellenden, geänderten Programmablaufplans – und zwar in voller Höhe erst bei der Lohnabrechnung für Dezember 2015 umgesetzt (sog. Nachholung gem. § 52 Abs. 37b EStG n.F.). Ein gesondertes Tätigwerden des FA ist insoweit also nicht erforderlich. Etwas anderes gilt für den für das zweite und weitere Kind(er) unabhängig von der Steuerklasse II zu berücksichtigenden Erhöhungsbetrag: Dieser kann – neben dem späteren Veranlagungsverfahren – vorab im Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2015 geltend gemacht werden. Hierzu ist ein entsprechender Antrag beim Wohnsitzfinanzamt zu stellen. Zu beachten ist, dass der Vordruck »Antrag auf Lohnsteuerermäßigung 2015« eine solche Eintragungsmöglichkeit für den Erhöhungsbetrag nach § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. nicht vorsieht. Insofern reicht es aus, wenn der Stpfl. dem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung formlos z.B. eine Anlage mit entsprechender Erläuterung beifügt. Im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens 2015 ist der Jahresbetrag von 240 € auf die restlichen Monate des Kj. 2015 aufzuteilen (§ 39a Abs. 2 Satz 6 EStG).

Mit dem »Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise« sollen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bekämpft und die Binnennachfrage gestärkt werden.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird befristet auf zwei Jahre von derzeit 1 908 € auf 4 008 € für die Jahre 2020 und 2021 angehoben, § 24b Abs. 2 Satz 3 EStG. Im JStG 2020 wurde beschlossen, dass die Erhöhung auf 4 008 € auch für die Jahre nach 2021 gelten soll (BGBl I 2020, 3096 ff.).

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wird der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ab dem VZ 2023 um 252 € auf 4 260 € angehoben.

Beispiel 1:

Eine Alleinerziehende hat drei zu ihrem Haushalt gehörende minderjährige Kinder und beantragt im Januar den Entlastungsbetrag nach § 24b EStG für ihre drei Kinder.

Lösung 1:

Für den Entlastungsbetrag für das erste Kind in Höhe von 4 008 € wird die Steuerklasse II gebildet. Für die beiden weiteren Kinder ist jeweils ein Erhöhungsbetrag von 240 € als Freibetrag zu berücksichtigen. Es ergibt sich somit ein Jahresfreibetrag von 480 € (2 × 240 €), der auf die Monate Januar bis Dezember zu verteilen ist, sodass ein Monatsbetrag von 40 € (480 € verteilt auf zwölf Monate) zu berücksichtigen ist. Die Antragsgrenze von 600 € ist insoweit nicht zu beachten (§ 39a Abs. 2 Satz 4 EStG).

2.4. Besonderheiten beim Kinderfreibetrag

Nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG werden für im Ausland lebende Kinder, für die kein Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare Leistungen (§ 31 Satz 5 EStG, R 31 Abs. 1 EStR) besteht, die ermäßigten Freibeträge festgestellt. Eine Übersicht über die Staaten, die entsprechende Leistungen gewähren, ist im BStBl I 2017, 151 veröffentlicht; s.a. A 28.2 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.

Die Regelung des § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG kommt für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ausländer in Betracht, denen keine Niederlassungserlaubnis bzw. keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG, A 4.2 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818). Weiterhin ist die Regelung von Bedeutung für unbeschränkt Stpfl. mit einem Kind außerhalb des EU-/EWR-Gebietes, wenn der Heimatstaat des Kindes keine dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen gewährt.

Die Ermittlung des Freibetrages i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG als LSt-Abzugsmerkmal bewirkt, dass dieser Freibetrag nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG den Jahresarbeitslohn, und mithin auch die LSt des ArbN mindert. Ohne Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare Leistungen werden auch bei der ESt-Veranlagung die maßgeblichen Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nach § 2 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 31 Satz 4 EStG berücksichtigt.

Beispiel 2:

Der ArbN wohnt und arbeitet im Kj. 2023 im Inland. Seine geschiedene Ehefrau lebt mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind in der Ukraine.

Lösung 2:

Der ArbN hat keinen Anspruch auf Kindergeld und vergleichbare Leistungen nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG. Auch die geschiedene Ehefrau in der Ukraine erhält keine dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen (BZSt vom 21.3.2014, BStBl I 2014, 768; s.a. A 28.2 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818). Deshalb werden auf Antrag die dem ArbN zustehenden Freibeträge für Kinder – nach Minderung entsprechend der Ländergruppeneinteilung – als allgemeiner Freibetrag und als LSt-Abzugsmerkmal festgestellt. Nach der Ländergruppeneinteilung ab 1.1.2021 (BMF vom 11.11.2020, BStBl I 2020, 1212) sind die Beträge des § 32 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Satz 4 EStG lediglich zu einem Viertel zu berücksichtigen.

Zu beachten ist, dass ein Kind nicht doppelt, nämlich

  • sowohl nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG als auch nach

  • § 38b Abs. 2 EStG

berücksichtigt werden darf. Soweit für diese Kinder Kinderfreibeträge nach § 38b Abs. 2 EStG berücksichtigt worden sind, ist die Zahl der Kinderfreibeträge entsprechend zu vermindern (§ 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG). Diese Korrektur des Kinderfreibetrages erfolgt durch die Finanzbehörde bei der Ermittlung des Freibetrages nach § 39a Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG ist der ArbN verpflichtet, den nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG ermittelten Freibetrag ändern zu lassen, wenn für das Kind ein Kinderfreibetrag nach § 38b Abs. 2 EStG berücksichtigt wird. Die Regelung des Satzes 3 ist erforderlich, um zu vermeiden, dass ein Kind doppelt berücksichtigt wird. Zieht z.B. ein im Ausland lebendes Kind nach Deutschland, wird es regelmäßig unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Aufgrund der Anmeldung bei der Gemeinde wird nach Übermittlung der Meldedaten an die Finanzverwaltung für Kinder unter 18 Jahren automatisch ein Kinderfreibetrag gebildet. Dabei kann nicht geprüft werden, ob für dieses Kind bereits ein zuvor beantragter Freibetrag nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG gebildet und dem ArbG mitgeteilt worden ist. Deshalb wird der ArbN verpflichtet, dem FA mitzuteilen, wenn ein Kind doppelt berücksichtigt wurde, und einen nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG gebildeten Freibetrag ändern zu lassen.

2.5. Besonderheiten bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung

Negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Gebäudes können grundsätzlich erstmals für das Kj. berücksichtigt werden, das auf das Kj. der Fertigstellung oder der Anschaffung des Gebäudes folgt (H 39a.2 [Freibetrag wegen negativer Einkünfte] EStH; § 39a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 8 EStG). Das Objekt gilt dann als angeschafft, wenn der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist und Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf den Erwerber übergegangen sind. Das Objekt ist fertiggestellt, wenn es nach Abschluss der wesentlichen Bauarbeiten bewohnbar ist; die Bauabnahme ist nicht erforderlich (H 7.4 [Fertigstellung] EStH). Wird ein Objekt vor der Fertigstellung angeschafft, ist der Zeitpunkt der Fertigstellung maßgebend.

Beispiel 3:

Ein Stpfl. hat ein Mietshaus erworben. Der Notarvertrag wurde im November 11 abgeschlossen, der Übergang von Besitz, Nutzen, Lasten erfolgte im Februar 12. Der Stpfl. erzielt im Jahr 12 voraussichtlich negative Einkünfte nach § 21 EStG von 10 000 €.

Lösung 3:

Das Jahr der Anschaffung ist das Jahr der Lieferung (§ 9a EStDV). Maßgeblich ist der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten im Jahr 12. Daher kann ein Verlust erstmals im Jahr 13 beim LSt-Ermäßigungsverfahren berücksichtigt werden.

Beim BFH ist ein Verfahren wegen der Rechtsfrage, ob ein Freibetrag im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für die Berücksichtigung von AfA nach § 7i EStG bei den negativen Vermietungseinkünften im Schätzungswege vor Ergehen einer Bescheinigung als Grundlagenbescheid zu gewähren ist, anhängig (IX R 42/12). Hat das FA die geltend gemachten und bisher nicht durch eine Bescheinigung der Denkmalbehörde nachgewiesenen Aufwendungen vorläufig mit einem geschätzten Betrag zu berücksichtigen oder erforderliche teleologische Reduzierung des Gesetzeswortlauts der §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO bei Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, über die abschließend in einem Grundlagenbescheid einer ressortfremden Behörde entschieden wird. Mittlerweile ist das Verfahren erledigt durch Rücknahme der Revision. Das FG Nürnberg entschied mit Urteil vom 26.9.2012, 3 K 723/12 in der Vorinstanz wie folgt: Auf Antrag des unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen ArbN ermittelt das FA nach § 39 a Abs. 1 Nr. 5 a EStG 2012 die Höhe eines vom Arbeitslohn insgesamt abzuziehenden Freibetrags unter anderen unter Berücksichtigung der Beträge nach den §§ 10f, 7i EStG, wie sie nach § 37 Abs. 3 EStG bei der Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu berücksichtigen sind.

Stammt der Verlust aus einer Sonderabschreibung nach § 7b EStG (AfA für Mietwohnneubau), kann bereits im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung bei den Vorauszahlungen gem. § 37 Abs. 3 Satz 10 EStG oder im Lohnsteuerermäßigungsverfahren gem. § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 10 EStG zugunsten des Stpfl. angesetzt werden. Insoweit wird die Regelung nach § 37 Abs. 3 Satz 8 EStG ausgesetzt.

2.6. Keine Eintragung von Beiträgen einer Rürup-Versicherung

Nach dem BFH-Urteil vom 10.11.2016, VI R 55/08, BStBl II 2017, 715 ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass Altersvorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können. Mit dem ganz überwiegenden Teil der Literatur hat der X. Senat des BFH die fehlende Eintragungsfähigkeit von Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BFH Urteil in BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, m.w.N.). Das BVerfG hat in seinem Nichtannahmebeschluss in HFR 2016, 829 die Regelung des § 39a Abs. 1 EStG, wonach für Altersvorsorgeaufwendungen kein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden kann, ebenfalls verfassungsrechtlich nicht beanstandet. Der Senat schließt sich dieser Auffassung auch für Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG an. Denn Basisrentenverträge wie im Streitfall sind lediglich unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt, um sicherzustellen, dass nur Beiträge zu solchen Vorsorgeprodukten gefördert werden, die zu Ansprüchen vergleichbar mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung führen und nicht die sonstige Leistungsfähigkeit und das Konsumpotenzial erhöhen. Der BFH hält es für verfassungsrechtlich unbedenklich, da der Gesetzgeber mit der Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen über die Vorsorgepauschale eine generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung getroffen hat und das Absehen von einer Sonderregelung für Rürup-Verträge nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betrifft, bei denen dies – im Hinblick auf das Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren – nicht zu gravierenden Nachteilen führt.

3. Feststellung des Jahresfreibetrages

Wird die Antragsgrenze von 600 € überschritten oder/und sind Beträge i.S.d. § 39a Abs. 1 Nr. 4 bis 6 EStG zu berücksichtigen, so hat das FA den Jahresfreibetrag festzustellen. Bei der Berechnung des Jahresfreibetrages sind WK nur zu berücksichtigen, soweit sie den ArbN-Pauschbetrag von 1 000 € jährlich übersteigen, Sonderausgaben (ohne Vorsorgeaufwendungen) sind nur anzusetzen, soweit sie den Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 € bzw. 72 € übersteigen, und außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) nur einzubeziehen, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen (R 39a.1 Abs. 4 und 5 LStR). Für beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1, 5, 7 und 9 sowie § 10b EStG (→ Spendenabzug) sind höchstens die nach diesen Vorschriften berücksichtigungsfähigen Aufwendungen anzusetzen (R 39a.1 Abs. 2 Nr. 2 LStR). Zuwendungen an politische Parteien sind auch zu berücksichtigen, soweit eine Steuerermäßigung nach § 34g Satz 1 Nr. 1 EStG in Betracht kommt, nicht hingegen Zuwendungen an Vereine i.S.d. § 34g Satz 1 Nr. 2 EStG (R 39a.1 Abs. 4 Satz 3 LStR).

Abb.: Ermittlung des einzutragenden Jahresfreibetrages

4. Umrechnung des Jahresfreibetrages in einen Monatsfreibetrag

Der Jahresfreibetrag ist durch Teilung der in Betracht kommenden Kalendermonate in einen Monatsfreibetrag umzurechnen (§ 39a Abs. 2 Satz 6 EStG, R 39a.1 Abs. 7 LStR). Der Jahresfreibetrag ist jeweils auf die der Antragstellung folgenden Monate des Kj. gleichmäßig zu verteilen (§ 39a Abs. 2 Satz 6 EStG). Abweichend hiervon darf ein Freibetrag, der im Monat Januar eines Kj. beantragt wird, mit Wirkung vom 1.1. dieses Kj. an berücksichtigt werden.

Für die Umrechnung des Jahresfreibetrags in einen Freibetrag für monatliche Lohnzahlung ist der Jahresfreibetrag durch die Zahl der in Betracht kommenden Kalendermonate zu teilen. Der Wochenfreibetrag ist mit 7/30 und der Tagesfreibetrag mit 1/30 des Monatsbetrags anzusetzen. Der sich hiernach ergebende Monatsbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag, der Wochenbetrag auf den nächsten durch 10 teilbaren Centbetrag und der Tagesbetrag auf den nächsten durch 5 teilbaren Centbetrag aufzurunden.

Beispiel 4:

Der Stpfl. stellt beim FA einen Antrag auf LSt-Ermäßigung für das Jahr 2022. In seinem Antrag vom 10.3.2022 macht er für das Kj. 2022 folgende Angaben:

Unstreitige Werbungskosten zu § 19 EStG

500 €

Vorsorgeaufwendungen

4 000 €

Kirchensteuer

300 €

Verlust aus nebenberuflicher, selbstständiger, journalistischer Tätigkeit

1 000 €

Nach § 35a Abs. 3 EStG abziehbarer Betrag (Handwerkerleistung)

200 €

Am 20.5.2022 stellt er fest, dass 2022 erhebliche Krankheitskosten i.H.v. 4 000 € (unstreitig und angemessen) anfallen werden. In einem Schreiben seiner Krankenversicherung lässt sich entnehmen, dass lediglich 1/4 der Kosten ersetzt werden. Aus diesem Grund stellt er am 20.5.2022 einen erneuten Antrag mit Berücksichtigung dieser Kosten. Sein voraussichtlicher Jahresarbeitslohn 2022 beträgt 42 000 €. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wird voraussichtlich 40 000 € betragen.

Lösung 4:

Prüfung der Antragsgrenze am 10.3.2022 (§ 39a Abs. 2 Satz 4 EStG)

Werbungskosten (§ 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG)

500 €

abzgl. ArbN-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1a EStG)

1 200 €

verbleibt

0 €

0 €

KiSt = Sonderausgaben (§ 39a Abs. 1 Nr. 2 EStG)

300 €

Summe

300 €

Gem. § 39a Abs. 2 Satz 4 EStG ist der Antrag insoweit unzulässig, als die Antragsgrenze von 600 € unterschritten ist.

Hinsichtlich der Vorsorgeaufwendungen ist der Antrag auf LSt-Ermäßigung unzulässig, da es sich hierbei um nicht eintragungsfähige Aufwendungen handelt (es gibt keinen diesbezüglichen Tatbestand in § 39a Abs. 1 EStG, R 39.1 Abs. 2 Nr. 5 LStR).

Hinsichtlich der Aufwendungen gem. § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b sowie c EStG ist der Antrag stets zulässig.

Berechnung des Jahres- und des Monatsfreibetrags am 10.3.2022:

§ 39a Abs. 1 Nr. 1–3 EStG

0 €

§ 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG: Negative Einkünfte (§ 15 EStG)

1 000 €

§ 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG: Handwerkerleistung (200 €), multipliziert mit 4

800 €

Jahresfreibetrag

1 800 €

geteilt durch 9 Monate (§ 39a Abs. 2 Satz 6 EStG)

ergibt Monatsfreibetrag 1.4. bis 31.12.2022

200 €

Die Eintragung der Freibeträge steht gem. § 39a Abs. 4 Satz 1 EStG unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, sodass eine Änderung der Eintragungen am 20.5.2022 möglich ist (§ 164 Abs. 2 AO).

Die 2022 entstehenden Krankheitskosten sind nach § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung anzusetzen, da sich der Stpfl. diesen Kosten aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Es liegt somit nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG eine Zwangsläufigkeit dem Grunde nach vor. Da sich aus dem Sachverhalt ergibt, dass die Kosten der Höhe nach angemessen sind, liegt auch eine Zwangsläufigkeit der Höhe nach vor. Allerdings ist zu beachten, dass eine Belastung für den Stpfl. eintreten muss (sog. Belastungsprinzip). Da aufgrund des Schreibens der Versicherung der Stpfl. endgültig mit lediglich 3 000 € wirtschaftlich belastet ist, darf i.R.d. § 33 EStG nur dieser Betrag zugrunde gelegt werden.

Prüfung der Antragsgrenze am 20.5.2022 (§ 39a Abs. 2 Satz 4 EStG)

Werbungskosten (§ 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG)

500 €

abzgl. ArbN-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1a EStG)

1 200 €

verbleibt

0 €

0 €

KiSt = Sonderausgaben (§ 39a Abs. 1 Nr. 2 EStG)

300 €

§ 39a Abs. 1 Nr. 3 EStG: außergewöhnliche Belastungen § 33 EStG (R 39a.1 Abs. 2 Nr. 4 LStR)

3 000 €

Summe

3 300 €

Die Antragsgrenze von 600 € ist demnach überschritten. Der Antrag ist hinsichtlich der § 39a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG zulässig.

Berechnung des Jahres- und des Monatsfreibetrags am 20.5.2022

§ 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG: Werbungskosten

500 €

abzgl. ArbN-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1a EStG)

1 200 €

verbleibt

0 €

0 €

§ 39a Abs. 1 Nr. 2 EStG: Kirchensteuer

300 €

abzgl. Sonderausgaben-Pauschbetrag (§ 10c Satz 1 EStG)

36 €

verbleibt

264 €

264 €

§ 39a Abs. 1 Nr. 3 EStG: außergewöhnliche Belastungen (./. zumutbare Belastung*)

693 €

693 €

zzgl. der Aufwendungen nach Nr. 5 Buchst. b und Buchst. c (s.o.):

1 800 €

Summe = berichtigter Jahresfreibetrag

2 757 €

abzgl. bereits berücksichtigt April bis Mai (2 × 200 €)

400 €

verbleibt

2 357 €

geteilt durch 7 Monate (§ 39a Abs. 2 Satz 6 EStG) ergibt berichtigter Monatsfreibetrag 1.6. bis 31.12.2022

337 €

*Berechnung der zumutbaren Belastung gem. R 39a.1 Abs. 5 LStR:

Jahresarbeitslohn

42 000 €

./. ArbN-Pauschbetrag, da höher als tatsächliche WK

1 200 €

40 800 €

40 800 € = Bemessungsgrundlage für zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG: 15 340 € × 5 % = 767 €; 40 800 € abzgl. 15 340 € = 25 460 € × 6 % = 1 528 €; insgesamt somit 2 295 €.

Beachte hierzu das Urteil des BFH vom 19.1.2017, VI R 75/14 zur neuen Berechnungsweise der zumutbaren Belastung.

5. Zweijährige Gültigkeit des Freibetrags

Durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) ist die Möglichkeit einer zweijährigen Gültigkeitsdauer von im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren gebildeten Freibeträgen eingeführt worden (§ 39a Abs. 1 Satz 3 bis 5 EStG). Seit dem 1.10.2015 können Arbeitnehmer den Antrag auf Bildung eines Freibetrags im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren für einen Zeitraum von zwei Jahren mit Wirkung ab dem 1.1.2016 bei ihrem Wohnsitzfinanzamt bis zum 31.12.2017 stellen; die mehrjährige Berücksichtigung des Pauschbetrags für behinderte Menschen und Hinterbliebene bleibt hiervon unberührt. Die entsprechende Antragstellung ist über die Vordrucke »Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung 2016« bzw. »Vereinfachter Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung 2016« vorzunehmen. Der Arbeitnehmer kann eine Änderung des Freibetrags innerhalb des zweijährigen Gültigkeitszeitraums beantragen, wenn sich die Verhältnisse zu seinen Gunsten ändern. Er ist verpflichtet, eine Änderung zu seinen Ungunsten umgehend seinem Wohnsitzfinanzamt anzuzeigen.

Beispiel 5:

Ein monatlich entlohnter Arbeitnehmer beantragt im Februar 2020 die Berücksichtigung eines Freibetrags für die Dauer von zwei Jahren. Es wird vom FA ein Freibetrag von 3 000 € ermittelt, der für die Kj. 2021 und 2022 wie folgt zu verteilen ist:

Lösung 5:

Für 2020 ergibt sich für die Monate März bis Dezember ein Monatsfreibetrag von 300 € (3 000 € verteilt auf zehn Monate) und für 2021 ergibt sich für die Monate Januar bis Dezember ein Monatsfreibetrag von 250 € (3 000 € verteilt auf zwölf Monate).

Variante zu Beispiel 5:

Im Februar 2021 teilt der Arbeitnehmer dem FA pflichtgemäß mit, dass sich für das Kj. 2021 der Freibetrag auf 2 500 € verringert.

Lösung zu Variante:

Das FA ändert daraufhin den Jahresfreibetrag für 2021 auf 2 500 €. Für die Berechnung des neuen Monatsfreibetrags ab März 2021 ist der Jahresfreibetrag um die bei der Lohnsteuerberechnung bisher zu berücksichtigenden Monatsfreibeträge für Januar und Februar 2021 von (2 × 250 € =) 500 € zu kürzen. Der verbleibende Betrag von (2 500 € ./. 500 € =) 2 000 € ist auf die Monate März bis Dezember 2021 zu verteilen, sodass sich nunmehr ein herabgesetzter Monatsfreibetrag von 200 € ergibt (2 000 € verteilt auf zehn Monate). Für die abgelaufenen Lohnzahlungszeiträume Januar und Februar 2021 bleibt der Monatsfreibetrag von 250 € unverändert.

6. Mitteilung der Lohnsteuerabzugsmerkmale an das BZSt und Bekanntgabe an den Arbeitnehmer

Wie bereits oben erläutert, stellt der Freibetrag i.S.d. § 39a EStG ein LSt-Abzugsmerkmal i.S.d. § 39 Abs. 1 EStG dar, das auf Veranlassung des ArbN vom FA gebildet wird. Das vom FA gebildete LSt-Abzugsmerkmal, z.B. der Freibetrag, teilt das FA dem BZSt zum Zweck der Bereitstellung für den automatisierten Abruf durch den ArbG mit (§ 39e Abs. 1 Satz 2 EStG). Der ArbG ist verpflichtet, die vom BZSt bereitgestellten Mitteilungen und elektronischen LSt-Abzugsmerkmale monatlich anzufragen und abzurufen (§ 39e Abs. 5 Satz 3 EStG).

Die Bildung des Freibetrages als LSt-Abzugsmerkmal ist eine gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage i.S.d. § 179 Abs. 1 AO, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 39 Abs. 1 EStG). Die Bildung des Freibetrags als LSt-Abzugsmerkmal ist dem ArbN bekannt zu geben. Die Bekanntgabe richtet sich nach § 39e Abs. 6 EStG (§ 39 Abs. 1 EStG). Ein schriftlicher Bescheid mit einer Belehrung über den zulässigen Rechtsbehelf ist vom FA zu erteilen, wenn einem Antrag des ArbN auf Bildung oder Änderung der LSt-Abzugsmerkmale nicht oder nicht in vollem Umfang entsprochen wird oder der ArbN die Erteilung eines Bescheids beantragt.

7. Besonderheiten bei Ehegatten/Lebenspartnerschaften

Bei unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten wird der Freibetrag gem. § 39a Abs. 3 EStG grundsätzlich je zur Hälfte auf die Ehegatten aufgeteilt, wenn für jeden Ehegatten Lohnsteuerabzugsmerkmale vorliegen. Die Ehegatten können aber eine andere Aufteilung beantragen. Die WK werden jedoch für jeden Ehegatten gesondert ermittelt und eingetragen (R 39a.3 Abs. 1 LStR).

Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 4, 5, 7 und 9, § 10 Abs. 1a und § 10b EStG sind bei Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, einheitlich zu ermitteln. Hiervon ist der Sonderausgaben-Pauschbetrag für Ehegatten abzuziehen (R 38a.3 Abs. 2 LStR).

Der Freibetrag bei Ehegatten ist vor der Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrages aufzuteilen; der Hinzurechnungsbetrag selbst darf nicht aufgeteilt werden (R 39a.3 Abs. 5 Satz 4 LStR).

Bei Auflösung der Ehe und Neuheirat eines Ehegatten im gleichen Kj. sind nur die Beträge berücksichtigungsfähig, die in der Person desjenigen erfüllt sind, für den die Freibeträge als LSt-Abzugsmerkmale gebildet worden sind.

Zum 1.10.2017 ist das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Eheöffnungsgesetz) vom 20.7.2017 (BGBl I 2017, 2787) in Kraft getreten. Danach können gleichgeschlechtliche Partner ab dem 1.10.2017 heiraten (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine bestehende Lebenspartnerschaft wird in eine Ehe umgewandelt, wenn beide Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner beim Standesamt persönlich erklären, miteinander eine Ehe auf Lebenszeit führen zu wollen (§ 20a LPartG). Lebenspartnerschaften können ab dem 1.10.2017 nicht mehr begründet werden. Das Lebenspartnerschaftsgesetz gilt ab dem 1.10.2017 nur noch für die Lebenspartnerschaften, die ihre Partnerschaft nicht in eine Ehe umwandeln lassen.

8. Freibetrag und Hinzurechnungsbetrag nach § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG

Nach § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG kann ein beim LSt-Abzug des ersten Dienstverhältnisses nicht ausgeschöpfter Grundfreibetrag als Freibetrag für ein zweites oder weiteres Dienstverhältnis berücksichtigt werden. Korrespondierend zu diesem Freibetrag ist für das erste Dienstverhältnis in gleicher Höhe ein sog. Hinzurechnungsbetrag zu berücksichtigen, um so den erforderlichen Ausgleich im LSt-Abzugsverfahren sicherzustellen (§ 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Satz 2 Buchst. b EStG, R 39a.1 Abs. 8 LStR).

Beispiel 6:

Ein ArbN hat im Kj. 2022 nebeneinander mehrere Dienstverhältnisse (DV):

1. DV: LSt-Klasse I Arbeitslohn

10 000 €

2. DV: LSt-Klasse VI Arbeitslohn

3 900 €

Insgesamt

13 900 €

Lösung 6:

Für das 1. DV fällt keine LSt an, weil der Arbeitslohn unter der Eingangsstufe der maßgeblichen LSt-Tabelle liegt (Steuerklasse I bei Tabelle A – für sozialversicherungspflichtige ArbN – Jahreslohnsteuertabelle 2022: 14 522 €). Der Arbeitslohn aus den weiteren DV unterliegt voll dem LSt-Abzug.

Durch die Nr. 7 in § 39a Abs. 1 EStG wird für den ArbN die Möglichkeit geschaffen, den LSt-Abzug für ein weiteres DV durch die Übertragung der in der Eingangsstufe des ersten Dienstverhältnisses enthaltenen Freibeträge auf die weiteren Dienstverhältnisse zu vermeiden. Voraussetzung für einen solchen Freibetrag ist, dass der Jahresarbeitslohn aus dem ersten DV unterhalb des Eingangsbetrages der jeweiligen Jahreslohnsteuertabelle liegt. Im Gegenzug wird durch die korrespondierende Berücksichtigung eines Hinzurechnungsbetrages für das erste Dienstverhältnis der erforderliche Ausgleich für das LSt-Abzugsverfahren sichergestellt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der zu berücksichtigende Freibetrag auf den Betrag der jeweiligen Eingangsstufe der maßgeblichen Jahreslohnsteuertabelle begrenzt, bis zu dem für das erste DV keine LSt zu erheben ist.

Im Ausgangsfall könnte bei dem ArbN ein maximaler Freibetrag i.H.v. 14 522 € für ein zweites oder weiteres Dienstverhältnis berücksichtigt werden. Beim ersten Dienstverhältnis müsste dann aber ein Hinzurechnungsbetrag i.H.v. 14 522 € berücksichtigt werden. Ohne Frei- und Hinzurechnungsbetrag wäre folgende Jahreslohnsteuer zu entrichten:

1. DV: Arbeitslohn 10 000 € LSt:

0 €

2. DV: Arbeitslohn 3 900 € LSt:

435 €

insgesamt

435 €

Der ArbN könnte bis zu 14 522 € als Freibetrag beim zweiten Dienstverhältnis berücksichtigen lassen. Dies ist der Betrag, bis zu dem in der Steuerklasse I keine LSt anfällt. Der ArbN könnte also z.B. beim zweiten Dienstverhältnis (Steuerklasse VI) z.B. einen Freibetrag i.H.v. 3 891 € berücksichtigen lassen (§ 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG). Danach wären nach Steuerklasse VI noch 9 € zu versteuern.

Arbeitslohn zweites Dienstverhältnis

3 900 €

Freibetrag

3 891 €

Zu versteuern nach der LSt-Tabelle Steuerklasse VI

9 €

LSt hierfür

0 €

Für das erste Dienstverhältnis wird ein Hinzurechnungsbetrag i.H.v. 3 891 € berücksichtigt. Arbeitslohn 1. DV

10 000 €

zzgl. Hinzurechnungsbetrag

3 891 €

maßgeblicher Betrag für die LSt

13 891 €

Die LSt dafür beträgt (Steuerklasse I)

0 €

Für den ArbN ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 EStG eine Pflichtveranlagung durchzuführen, da er nebeneinander von mehreren ArbG Arbeitslohn bezogen hat.

Soll für das erste Dienstverhältnis auch ein Freibetrag nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–6 und 8 EStG ermittelt werden, so ist nur der diesen Freibetrag übersteigende Betrag als Hinzurechnungsbetrag zu berücksichtigen. Ist der Freibetrag höher als der Hinzurechnungsbetrag, ist nur der den Hinzurechnungsbetrag übersteigende Freibetrag zu berücksichtigen (§ 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Satz 3 EStG).

Nach § 39e Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erhält der ArbN die Möglichkeit zu entscheiden, ob bzw. in welcher Höhe der ArbG einen nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG ermittelten Freibetrag abrufen soll, ohne zuvor einen Antrag beim FA stellen zu müssen.

9. Ermäßigungsverfahren für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer

Für einen beschränkt einkommensteuerpflichtigen ArbN, für den § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG anzuwenden ist, ermittelt das FA auf Antrag einen Freibetrag, der vom Arbeitslohn insgesamt abzuziehen ist, aus der Summe der folgenden Beträge (§ 39a Abs. 4 EStG):

  1. WK, die bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit anfallen, soweit sie den ArbN-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) oder bei Versorgungsbezügen den Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG) übersteigen,

  2. Sonderausgaben i.S.d. § 10b EStG, soweit sie den Sonderausgaben-Pauschbetrag (§ 10c EStG) übersteigen, und die wie Sonderausgaben abziehbaren Beträge nach § 10e oder § 10i EStG, jedoch erst nach Fertigstellung oder Anschaffung des begünstigten Objekts oder nach Fertigstellung der begünstigten Maßnahme,

  3. den Freibetrag oder den Hinzurechnungsbetrag nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG.

Der Antrag kann nur nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ablauf des Kj. gestellt werden, für das die Lohnsteuerabzugsmerkmale gelten.

Bei einer nicht ganzjährigen Beschäftigung sind WK und Sonderausgaben nur insoweit einzutragen, als sie die zeitanteiligen Pauschbeträge übersteigen.

10. Nachzahlung von Lohnsteuer

Ist zu wenig LSt erhoben worden, weil ein Freibetrag unzutreffend als LSt-Abzugsmerkmal ermittelt worden ist, hat das FA den Fehlbetrag vom ArbN nachzufordern, wenn er 10 € übersteigt (§ 39a Abs. 5 EStG). Der Stpfl. ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 zur ESt zu veranlagen.

11. Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung/Veranlagungspflicht

Wird im LSt-Abzugsverfahren ein Freibetrag nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 5 oder Nr. 6 EStG berücksichtigt und überschreitet der im Kj. bezogene Arbeitslohn den Betrag von 10 700 € bei einer Einzelveranlagung oder von 20 200 € bei Zusammenveranlagung, ist der ArbN nach Ablauf des Kj. 2013 zur Abgabe einer ESt-Erklärung verpflichtet (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG). Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn lediglich der Pauschbetrag für behinderte Menschen oder Hinterbliebene oder der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Sonderfällen als Freibetrag berücksichtigt wurde.

Hinsichtlich der Pflichtveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG im Falle der Steuerklassenkombination III/V besteht kein verfassungsrechtlich bedeutsames normatives oder strukturelles Vollzugsdefizit. Für die Verfassungswidrigkeit einer materiellen Steuernorm aufgrund eines normativen Vollzugsdefizits kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Finanzbehörden von gesetzlich eingerichteten Kontrollverfahren tatsächlich Gebrauch machen und ob dieser Gebrauch fehlerlos funktioniert; vgl. FG Düsseldorf vom 17.3.2010, 15 K 2978/08 E.

Zur Abgabe einer ESt-Erklärung sind auch Ehegatten verpflichtet, für die auf Antrag ein Faktor zur Ermittlung der LSt eingetragen wurde (§ 39f, § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG;).

12. Ablehnung eines Antrags auf Lohnsteuerermäßigung

Mit Urteil vom 29.8.2012 (11 K 977/12 E) hat das FG Münster entschieden, dass i.R.d. LSt-Ermäßigungsverfahrens – auch sofern die in dem Grundlagenbescheid der nach Landesrecht zuständigen Stelle festzustellenden Besteuerungsgrundlagen betroffen sind – die Frage zu beantworten ist, ob die gesetzlichen Vorgaben des Abzugsbetrags nach § 7i EStG als vorläufig gegeben anzusehen sind. Im Falle einer Ermessensreduzierung auf null ist der Abzugsbetrag nach § 7i EStG auch bereits vor Erlass des entsprechenden Grundlagenbescheids zu berücksichtigen. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte i.R.d. LSt-Ermäßigungsverfahrens bei der Ermittlung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen gem. § 7i EStG berücksichtigen muss, obwohl die Kläger noch keine Bescheinigung der zuständigen Denkmalbehörde vorlegen können.

Mit Urteil vom 16.6.2011 (IX B 72/11) entschied der BFH, dass die Ablehnung eines LSt-Ermäßigungsantrags nicht ermessensfehlerhaft ist, wenn die Ablehnung von der Beurteilung einer höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage abhängig ist, nämlich der Frage, ob die Rechtsprechung des BFH zum Abzug nachträglicher Schuldzinsen für den Bereich des § 20 EStG (vgl. BFH Urteil vom 16.3.2010, VIII R 20/08, BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787) auch auf den Geltungsbereich des § 21 EStG angewendet werden kann. Auch wenn man die bisher ergangene Rechtsprechung in Frage stellen kann, kommt es doch für die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung des FA nicht darauf an, wie der Senat diese Rechtsfrage bei einer Anfechtung der Einkommensteuerveranlagung entscheiden würde, sondern darauf, wie das FA vor einer gerichtlichen Entscheidung die betreffende Rechtsfrage nach dem bei der Entscheidung geltenden Meinungsstand aufgrund beachtlicher rechtlicher Erwägungen sowie ggf. nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen musste (vgl. BFH Urteil vom 22.10.1981, IV R 81/79, BStBl II 1982, 446). Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung des FG, das FA habe unter Berücksichtigung der geltenden Rspr. zur Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Eintragung des begehrten Freibetrages zu Recht abgelehnt, keinen Bedenken. Denn es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn sich die Finanzbehörde einer noch immer geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt.

Wird nach Prüfung der Anspruchsgrundlagen im Lohnsteuerermäßigungsverfahren der vom Stpfl. begehrte Freibetrag nicht oder niedriger eingetragen, so kann gegen den Bescheid des FA nach § 229 Nr. 6 AO die Anfechtungs- und nicht die Verpflichtungsklage erhoben werden. Sie ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 45 Satz 1 FGO im Übrigen erfüllt sind (vgl. BFH vom 11.5.1973, VI B 116/72, BStBl II 1973, 667).

13. Faktorverfahren

13.1. Allgemeines

Nach geltendem Recht erhalten unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben und die beide Arbeitslohn beziehen, für den LSt-Abzug jeweils die Steuerklasse IV. Auf gemeinsamen Antrag können sie die Steuerklasse III (in der Regel für den Höherverdienenden) und die Steuerklasse V wählen. Da in der Steuerklasse III die ehebezogenen Entlastungen (insbesondere der doppelte Grundfreibetrag) berücksichtigt werden, ergibt sich für den Ehegatten mit der Steuerklasse V (in der Praxis überwiegend die Ehefrau) eine verhältnismäßig hohe LSt-Belastung, insbesondere höher als in Steuerklasse IV. Diese LSt-Belastung in der Steuerklasse V kann bei individueller Betrachtung als Hemmschwelle für eine Beschäftigungsaufnahme gesehen werden und in der Folge als negativer Anreiz für die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit wirken.

Durch das sog. Bürokratieentlastungsgesetz vom 28.7.2015 (BGBl I 2015, 1400) ist für den im Faktorverfahren gebildeten Faktor die zweijährige Gültigkeit eingeführt worden (§ 39f Abs. 3 Satz 9 EStG). Im Hinblick auf die erforderlichen Programmierarbeiten wird allerdings das Kj., in dem die zweijährige Gültigkeit beim Faktorverfahren erstmals zur Anwendung kommt, durch ein im BStBl zu veröffentlichendes BMF-Schreiben bekanntgegeben (§ 52 Abs. 37a EStG).

Im Faktorverfahren wird für beide Ehegatten die Steuerklasse IV angewandt (entsprechend der geltenden gesetzlichen Grundregel in § 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG). Durch den Faktor auf die LSt der Ehegatten jeweils nach der Steuerklasse IV wird jedoch zusätzlich – anders als bei der Steuerklassenkombination IV/IV – die steuermindernde Wirkung des Splittingverfahrens (§ 32a Abs. 5 EStG) beim LSt-Abzug berücksichtigt. Schon beim LSt-Abzug werden bei jedem Ehegatten die steuerrechtlichen Abzüge – insbesondere der Grundfreibetrag – berücksichtigt. Außerdem können hohe Nachzahlungen vermieden werden, die bei der Kombination III/V auftreten können (Pressemitteilung des BMF vom 6.10.2009, LEXinform 0434635). Mit dem Faktorverfahren wird der LSt-Abzug der voraussichtlichen Einkommensteuerjahresschuld angenähert. Damit können höhere Steuernachzahlungen – und hierauf beruhende Einkommensteuervorauszahlungen – vermieden werden, die besonders bei der Steuerklassenkombination III/V häufig auftreten. Die sich durch das Faktorverfahren ergebende Summe der LSt ist daher höher als bei der Steuerklassenkombination III/V. Zudem führt die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor zu einer anderen Verteilung der LSt zwischen den Ehegatten als die Steuerklassenkombination III/V. Die LSt erhöht sich gegenüber der Steuerklasse III und vermindert sich gegenüber der Steuerklasse V.

Der Koalitionsvertrag 2021–2025 von FDP, Grünen und SPD beinhaltet u.a. steuerrechtliche und wirtschaftsrechtliche Änderungsvorhaben. Unter anderem soll die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführt werden, um die Lohnsteuerbelastung der Eheleute fairer zu gestalten. Im März 2023 teilte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums mit, dass ein Gesetzespaket dazu in Arbeit sei. Ein solches Gesetz würde die Abschaffung der Kombi aus den Steuerklassen 3 und 5 bedeuten.

13.2. Die Regelungen im Einzelnen

13.2.1. Wirkungsweise der Steuerklasse IV-Faktor

Nach § 39f Abs. 1 EStG können ArbN-Ehegatten anstelle der Steuerklassenkombination III/V oder IV/IV für den LSt-Abzug ab 2010 (§ 52 Abs. 52 EStG) die Steuerklassenkombination IV-Faktor/IV-Faktor wählen. Mit dem Faktorverfahren wird erreicht, dass bei dem jeweiligen Ehegatten mindestens die ihm persönlich zustehenden steuerentlastend wirkenden Vorschriften bei LSt-Abzug berücksichtigt werden. So erhält jeder Ehegatte – durch die Anwendung der Steuerklasse IV – die Abzugsbeträge i.S.d. § 39b Abs. 2 EStG, wie

  • eventuell den → Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG,

  • eventuell den → Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG,

  • den ArbN-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG oder

  • bei Versorgungsbezügen den Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und den Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG (→ Versorgungsbezüge),

  • den Sonderausgaben-Pauschbetrag nach § 10c EStG,

  • die → Vorsorgepauschale nach Maßgabe des § 39b Abs. 2 Nr. 3 EStG.

Ein etwaiger Freibetrag (z.B. wegen WK des ArbN über dem ArbN-Pauschbetrag, Sonderausgaben oder außergewöhnlicher Belastungen) kann nicht zusätzlich zum Faktor gebildet werden, da er bereits bei der Berechnung der voraussichtlichen Einkommensteuer im Splittingverfahren berücksichtigt worden ist. Er hat sich damit bereits auf die Höhe des Faktors ausgewirkt und würde daher im Fall der (zusätzlichen) Bildung doppelt berücksichtigt werden (vgl. § 39f Abs. 1 Satz 6 EStG). Dies gilt auch für die Pauschbeträge für behinderte Menschen (§ 33b EStG).

Wird die Lohnsteuer im Faktorverfahren ermittelt, ist die sich hierbei ergebende Lohnsteuer zugleich auch Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer. Bei Arbeitnehmern mit Kindern ist bei Anwendung des Faktorverfahrens die sog. Maßstablohnsteuer für den laufenden Arbeitslohn zunächst unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zu ermitteln und anschließend ist der neben der Steuerklasse IV vom FA gebildete Faktor zu berücksichtigen. Ausgehend von dieser Bemessungsgrundlage ist dann der Solidaritätszuschlag – unter Beachtung der Nullzone und des Übergangsbereichs – mit 5,5 % und die Kirchensteuer mit dem Steuersatz von 8 % oder 9 % zu berechnen. Mit dem Faktorverfahren wird der Lohnsteuerabzug der voraussichtlichen Einkommensteuer-Jahresschuld ziemlich genau angenähert.

13.2.2. Ermittlung des Faktors

Nach § 39f Abs. 1 Satz 1 EStG ist ein Faktor zu berücksichtigen, wenn er kleiner als 1 ist. Der Faktor ist Y : X und vom FA mit drei Nachkommastellen ohne Rundung zu berechnen.

Faktor ist

Y geteilt durch X

Y ist die voraussichtliche ESt für beide Ehegatten nach dem Splittingverfahren (§ 32a Abs. 5 EStG) unter Berücksichtigung der in § 39b Abs. 2 EStG genannten Abzugsbeträge (s.o.). Einzubeziehen in die Bemessungsgrundlage sind weiterhin

  • die Jahresarbeitslöhne des ersten Dienstverhältnisses sowie

  • zusätzlich nur die Beträge, die nach § 39a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG als Freibetrag berücksichtigt werden könnten.

Arbeitslöhne aus zweiten und weiteren Dienstverhältnissen (Steuerklasse VI) sind im Faktorverfahren nicht zu berücksichtigen.

X ist die Summe der voraussichtlichen LSt bei Anwendung der Steuerklasse IV für jeden Ehegatten.

Abb.: Ermittlung des Faktors nach § 39f Abs. 1 EStG

13.2.3. Berücksichtigung des Faktors i.V.m. der Steuerklasse IV als Lohnsteuerabzugsmerkmal

Als LSt-Abzugsmerkmal ist jeweils die Steuerklasse IV i.V.m. einem Faktor zur Ermittlung der LSt zu bilden. Wollen die ArbN-Ehegatten das Faktorverfahren wählen, müssen sie mit dem gemeinsamen Antrag mindestens die voraussichtlichen Jahresarbeitslöhne aus den ersten Dienstverhältnissen angeben, weil dies für die Berechnung von Y und X erforderlich ist. Arbeitslöhne aus weiteren Dienstverhältnissen (Anwendung der Steuerklasse VI) bleiben unberücksichtigt. Wollen die ArbN-Ehegatten über die gesetzlichen Pauschbeträge hinaus steuermindernde Beträge geltend machen, so ist dies im Rahmen der dafür geltenden gesetzlichen Regelung in § 39a EStG möglich. I.V.m. dem Faktorverfahren sind diese Beträge bei der Ermittlung der voraussichtlichen ESt nach dem Splittingverfahren (Y) zu berücksichtigen. Sie werden damit über den Faktor schon beim LSt-Abzug berücksichtigt. Daher werden Freibeträge neben dem Faktor, also für den gleichen Zeitraum, nicht als LSt-Abzugsmerkmal gebildet (§ 39f Abs. 1 Satz 5 EStG). Steuermindernde Beträge wirken sich damit nicht doppelt aus. Der i.V.m. dem Hinzurechnungsbetrag für die Steuerklasse VI stehende Freibetrag wird jedoch beibehalten. Dementsprechend ist der Hinzurechnungsbetrag bei der Berechnung von Y und X zu berücksichtigen und zusätzlich als LSt-Abzugsmerkmal für das erste Dienstverhältnis zu bilden (§ 39f Abs. 1 Satz 6 EStG).

Beispiel 7:

Die Eheleute befinden sich in der Steuerklasse IV und beantragen beim FA die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor und geben in dem Vordruck auf Bildung des Freibetrags außerdem WK des Ehemanns i.H.v. 1 800 € an.

Lösung 7:

Die den ArbN-Pauschbetrag übersteigenden WK von 800 € werden vom FA nicht zusätzlich zum Faktor berücksichtigt, da diese Beträge bei der Ermittlung der voraussichtlichen ESt nach dem Splittingverfahren (Y) enthalten sind. Sie werden damit über den Faktor schon beim LSt-Abzug berücksichtigt.

13.2.4. Einkommensteuerveranlagungspflicht

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG ist in den Fällen des § 39f EStG eine Veranlagung zur ESt durchzuführen, da sich auch beim Faktorverfahren nennenswerte Nachzahlungen ergeben können, z.B. wenn bei der Ermittlung des Faktors abweichende Bruttoarbeitslöhne zugrunde gelegt wurden.

13.2.5. Änderung der Steuerklassen und des Faktors

Nach § 39f Abs. 3 Satz 1 EStG ist § 39 Abs. 6 Sätze 3 und 5 EStG sinngemäß anzuwenden. Nach dieser Regelung können die Ehegatten bei der Gemeinde im Laufe des Kj. einmal, spätestens bis zum 30.11., die Steuerklasse ändern lassen, und zwar mit Wirkung vom Beginn des auf die Antragstellung folgenden Kalendermonats an. Diese Regelung gilt deshalb sinngemäß, weil der Faktor beim FA zu beantragen und von diesem mit der Steuerklasse IV als LSt-Abzugsmerkmal zu bilden ist. § 39 Abs. 6 Sätze 3 und 5 EStG gilt sinngemäß auch hinsichtlich der Änderung des Faktors; dies ist erforderlich, um die FÄ vor einer übermäßigen Arbeitsbelastung zu schützen. Sollen bei einem eingetragenen Faktor jedoch erstmals Beträge i.S.d. § 39a Abs. 1 EStG berücksichtigt oder im Laufe des Jahres erhöht bzw. vermindert werden, ist eine weitere Änderung des Faktors nicht ausgeschlossen. Danach kann vom ArbN im Faktorverfahren wie in anderen Fällen auch eine erstmalige oder weitere Ermäßigung beim LSt-Abzug unabhängig von der Regelung in § 39 Abs. 6 Sätze 3 und 5 EStG erreicht werden (s.a. § 39a Abs. 2 EStG).

13.2.6. Antragsverfahren

§ 39f Abs. 3 Satz 2 EStG verweist für das Faktorverfahren grundsätzlich auf das Verfahren nach § 39a EStG (Freibetrag und Hinzurechnungsbetrag). Dafür ist ein Antrag nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 39a Abs. 2 EStG) erforderlich. Satz 2 bestimmt hierzu das Verfahren vereinfachend, dass dies nur erforderlich ist, wenn bei der Faktorermittlung zugleich Beträge nach § 39a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden sollen. Damit wird ein neuer amtlicher Vordruck für die bloße Wahl des Faktorverfahrens vermieden. Dies lässt die formlose Antragstellung beim FA zu und entspricht der Gesetzeslage für die Wahl der Steuerklassenkombination III/V (§ 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG).

Der Antrag auf Anwendung des Faktorverfahrens kann beim FA durch Verwendung des Vordrucks »Antrag auf Steuerklassenwechsel bei Ehegatten« (die Abschnitte B und C enthalten die erforderlichen Angaben zum Faktorverfahren) oder in Verbindung mit einem förmlichen Antrag nach amtlichem Vordruck auf Bildung eines Freibetrags im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren gestellt werden. Damit der Faktor berechnet werden kann, müssen die Ehegatten den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn angeben. Ob und welche Nachweise dafür vorzulegen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (z.B. wenn greifbare Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die Angaben falsch sind). Für den Regelfall kann das FA davon ausgehen, dass die Angaben des Stpfl. richtig sind.

Die Ehegatten haben für den Antrag die Angaben über ihre Jahresbruttoeinkommen entsprechend zu schätzen. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass diese Angaben zutreffend sind. In Einzelfällen kann das FA Nachweise verlangen. Da mit der Wahl des Faktorverfahrens die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung bis zum 30.5. des Folgejahres gem. § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG entsteht, besteht die Gefahr zu gering gezahlter Steuer insgesamt nicht.

13.3. Beispiele

Beispiel 8:

(Jahresbeträge, gerundete realistische Steuerbeträge):

ArbN-Ehegatte A 30 000 €, LSt, Steuerklasse IV

3 363 €

ArbN-Ehegatte B 10 000 €, LSt, Steuerklasse IV

0 €

Summe Gesamtsteuer IV/IV (Divisor X)

3 363 €

Vom FA ermittelte Gesamtsteuer nach dem Splittingverfahren (Dividend Y)

3 000 €

Faktor = Y (3 000) : X (3 363) =

0,892

Der Faktor 0,892 wird jeweils neben der Steuerklasse IV als LSt-Abzugsmerkmal gebildet.

Lösung 8:

Der ArbG des A wendet auf den Arbeitslohn i.H.v. 30 000 € die Steuerklasse IV-Faktor an.

3 363 € × 0,892 = 2 999,79 €

Der ArbG der B wendet auf den Arbeitslohn i.H.v. 10 000 € die Steuerklasse IV-Faktor an.

0 € × 0,892 = 0 €

Die Summe der LSt im Steuerabzugsverfahren (ArbG A und B) für die Ehegatten beträgt (2 999,79 € + 0 €) 2 999,79 €. Sie entspricht mit ausreichender Genauigkeit der Gesamtsteuer im Splittingverfahren für die Arbeitslöhne (Y).

Beispiel 9:

Die Ehegatten haben Steuerklasse IV/IV. A hat einen monatlichen Bruttoarbeitslohn von 4 000 € und eine jährliche Lohnsteuer von 7 230 € (Stand 2023). B hat einen monatlichen Bruttoarbeitslohn von 2 000 € und eine jährliche Lohnsteuer von 1 567 €

Lösung 9:

Die Summe der LSt (X) für beide Ehegatten in der Steuerklassenkombination IV/IV beträgt somit 8 797 €. Die voraussichtliche ESt im Splittingverfahren (Y) beträgt 8 422 €. Y (8 422) ist durch X (8 798) zu teilen. Der Faktor mit drei Nachkommastellen ohne Rundung beträgt 0,957. Im LSt-Abzug ist der Faktor bei beiden ArbN zu berücksichtigen und führt zu einer geringeren Lohnsteuer als in der Steuerklasse IV/IV ohne Faktor.

Beispiel 10 (VZ 2021):

Ehemann

Ehefrau

Arbeitslohn, Jahresbetrag

60 000 €

14 000 €

Steuerklasse III/V: LSt/SolZ

7 062,00 €

0,00 €

1 426,00 €

0,00 €

Steuerklasse IV/IV: LSt/SolZ

11 735,00 €

0,00 €

64,00 €

0,00 €

Die Ermittlung der voraussichtlichen ESt für beide Ehegatten nach dem Splittingverfahren (Dividenden Y) ist durch das FA zu ermitteln. Nach den Angaben der Eheleute ermittelt das FA die voraussichtliche ESt wie folgt:

Ehemann

Ehefrau

Arbeitslohn

60 000 €

14 000 €

Werbungskosten lt. Erklärung

5 000 €

1 000 €

Einkünfte aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG

55 000 €

13 000 €

Gesamtbetrag der Einkünfte

68 000 €

Sonderausgabenpauschbetrag (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 i.V.m. 10c EStG)

./. 72 €

Vorsorgepauschale (§ 39b Abs. 2 Nr. 3 EStG 2021) für den Ehemann

1.

Beitrag zur Rentenversicherung des Ehemannes (§ 39b Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG): 18,6 % von 60 000 € = 11 160 €, davon 50 % = 5 580 €, davon im Kj. 2021 84 % (§ 39b Abs. 4 EStG)

4 687 €

2.

Teilbetrag für die Krankenversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. b EStG) 7,65 % von 58 050 € (Beitragsbemessungsgrenze) für den Ehemann (s. § 243 SGB V und → Vorsorgepauschale)

4 440 €

3.

Teilbetrag für die Pflegeversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG) = 1,775 % von 58 050 € (Beitragsbemessungsgrenze) für den Ehemann

1 030 €

Summe

5 470 €

Mindestvorsorgepauschale für Kranken- und Pflegeversicherung: 12 % von 60 000 €

7 200 €

Höchstbetrag bei Steuerklasse IV (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Satz 2 EStG)

1 900 €

1 900 €

Vorsorgepauschale (§ 39b Abs. 2 Nr. 3 EStG 2021) für die Ehefrau

1.

Beitrag zur Rentenversicherung der Ehefrau (§ 39b Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG): 18,6 % von 14 000 € = 2 604 €, davon 50 % = 1 302 €, davon im Kj. 2021 84 % =

1 094 €

2.

Teilbetrag für die Krankenversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. b EStG) 7,65 % von 14 000 € für die Ehefrau

1 071 €

3.

Teilbetrag für die Pflegeversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG) 1,775 % von 14 000 € für die Ehefrau

248 €

Summe

1 319 €

Mindestvorsorgepauschale für Kranken- und Pflegeversicherung: 12 % von 14 000 €

1 680 €

1 680 €

Höchstbetrag bei Steuerklasse IV (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Satz 2 EStG)

1 900 €

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen

58 567 €

ESt nach dem Splittingverfahren (Dividend Y) für 2021

9 748 €

Summe der LSt bei Anwendung der Steuerklasse IV (Divisor X)

11 799 €

Faktor nach § 39f Abs. 1 EStG (Y : X)

0,826

Ehemann

Ehefrau

Arbeitslohn, Jahresbetrag

60 000 €

14 000 €

Steuerklasse III/V: LSt/SolZ

7 062,00 €

0,00 €

1 426,00 €

0,00 €

Steuerklasse IV/IV: LSt/SolZ

11 735,00 €

0,00 €

64,00 €

0,00 €

Steuerklasse IV-0,826/IV-0,826 (§ 39f Abs. 2 Satz 1 EStG)

9 693,11 €

0,00 €

52,86 €

0,00 €

Summe der LSt der Eheleute nach dem Faktorverfahren (9 693,11 + 52,86 €)

9 745,97 €

Voraussichtliche ESt nach dem Splittingverfahren

9 748,00 €

Zum Faktorverfahren s. OFD Karlsruhe vom 6.10.2009 (S 2365/17 – St 144, LEXinform 5232416) sowie OFD Hannover vom 20.10.2009 (S 2365 – 70 – StO 214, LEXinform 5232365).

14. Literaturhinweise

Tölle, Das neue Faktorverfahren nach § 39f EStG, NWB 2009, 3491; Beyer-Petz u.a., Das Faktorverfahren – Steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen –, DStR 2009, 2583.

15. Verwandte Lexikonartikel

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Redaktioneller Hinweis:

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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