Negative Einkünfte mit Auslandsbezug

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Persönlicher Anwendungsbereich
3 Sachlich-örtlicher Anwendungsbereich
4 Systematik des § 2a EStG
4.1 Katalog der schädlichen Einkünfte
4.2 Produktivitätsklausel für gewerbliche Betriebsstätten i.S.d. § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG (§ 2a Abs. 2 EStG)
4.3 Isolierende Betrachtungsweise
4.4 Rechtsfolgen des § 2a EStG
4.5 Ausländische Betriebsaufgabe- oder Betriebsveräußerungsverluste
5 Ausländische Verluste aus gewerblichen Betriebsstätten
5.1 EuGH-Rechtssache »Stahlwerk Ergste Westig GmbH«
5.2 EuGH-Rechtssache »Lidl Belgium GmbH & Co. KG«
5.3 EuGH-Rechtssache »Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt GmbH«
5.4 Finalitätserfordernis
5.5 Berücksichtigung von Verlusten bei DBA mit Aktivitätsvorbehalt
6 Eingeschränkte Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen (»mittelbare Auslandsverluste«)
6.1 Grundsätzlich keine Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen aus Auslandsbeteiligungen
6.2 Ausnahme: Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG
6.3 Europarechtliche Einschränkungen
7 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Europarechtswidrigkeit des § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG
8 Nachversteuerung
8.1 Bedeutung des § 2a Abs. 3 und 4 EStG a.F.
8.2 Streichung des erweiterten Verlustabzugs mit unbefristeter Nachversteuerung ab VZ 1999
8.3 Vererblichkeit der Nachversteuerungspflicht
9 Gemeinschaftsrechtsrechtliche Folgerungen
9.1 Reaktionen der EU-Kommission
9.1.1 Mitteilung an die Mitgliedstaaten vom 16.12.2006
9.1.2 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
9.1.3 Würdigung
9.2 Reaktion der Finanzverwaltung
9.3 Auswirkung des BMF-Schreibens auf die neuen EU-Mitgliedstaaten
9.4 Reaktion des Gesetzgebers im Jahressteuergesetze 2009
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Nach dem bei unbeschränkter Steuerpflicht geltenden Universalitätsprinzip (= Besteuerung des Welteinkommens) sind im Ausland erzielte Verluste genauso wie ausländische Gewinne bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte zu berücksichtigen. In Nicht-DBA-Fällen bzw. bei DBA mit Anrechnungsmethode mindert der zulässige inländische Verlustabzug unmittelbar das deutsche Steueraufkommen. Dies wurde von Initiatoren von Abschreibungs- und Verlustzuweisungsgesellschaften genutzt, um möglichst hohe Verluste im Ausland entstehen zu lassen, z.B. Beteiligungen an Tierfarmen, Plantagen in Südamerika, Ferienanlagen in der Karibik etc. Durch den mit Wirkung ab VZ 1983 eingefügten § 2a EStG will der Gesetzgeber die Berücksichtigung volkswirtschaftlich nicht sinnvoller Verluste vermeiden.

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§ 2a EStG enthält deshalb Einschränkungen

Letztlich wird dadurch das Welteinkommensprinzip wie auch das aus Art. 3 GG abgeleitete Nettoprinzip (Besteuerung der saldierten positiven und negativen Einkünfte) eingeschränkt.

2. Persönlicher Anwendungsbereich

§ 2a EStG gilt für

  • unbeschränkt einkommensteuerpflichtige natürliche Personen und

  • unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Steuerpflichtige (§ 8 Abs. 1 KStG).

3. Sachlich-örtlicher Anwendungsbereich

§ 2a EStG gilt uneingeschränkt für Verluste aus Nicht-DBA-Staaten.

Bei Verlusten aus DBA-Staaten kommt es auf den Inhalt des jeweiligen DBA an. Dabei gilt Folgendes:

  • Sieht das DBA die Freistellungsmethode vor, so werden die ausländischen Einkünfte lediglich beim Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt, in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage gehen sie nicht ein. Dennoch hat § 2a EStG hier insoweit Bedeutung, als er auch für die Berechnung des besonderen Steuersatzes zu berücksichtigen ist, und zwar schränkt § 2a Abs. 1 EStG einen negativen Progressionsvorbehalt ein (s. dazu H 2a [Allgemeines], H 32b [Ausländische Verluste] EStH).

  • Sieht das DBA die Anrechnung ausländischer Steuer vor, gilt § 2a im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte (Welteinkommen) hinsichtlich der ausländischen Verluste uneingeschränkt. § 2a EStG verhindert dabei nicht die Anrechnung bzw. den Abzug der ausländischen Steuer (s. R 34c Abs. 2 Satz 1 EStR). Allerdings dürfte eine Anrechnung der ggf. im Ausland angefallenen Steuer aufgrund der Höchstbetragsberechnung nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht möglich sein. In Betracht kommt aber ein Antrag auf Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG.

4. Systematik des § 2a EStG

§ 2a EStG enthält

  • eine Aufzählung der schädlichen Einkunftsquellen sowie

  • deren Rechtsfolgen:

    • Einschränkungen der Verlustverrechnung bzw.

    • der Berücksichtigung von Gewinnminderungen.

In § 2a Abs. 2 EStG werden Ausnahmetatbeständen zu Abs. 1 geregelt (Aktivitäts-/Produktivitätsklausel).

4.1. Katalog der schädlichen Einkünfte

§ 2a Abs. 1 EStG enthält eine abschließende Aufzählung der schädlichen Tätigkeiten (»negative Einkünfte aus …«):

  1. Verluste aus einer land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte i.S.d. 12 AO (Nr. 1);

  2. Verluste aus einer gewerblichen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO (Einzelbetrieb, unselbstständige Betriebsstätte oder auch Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft). Die Gewerblichkeit bestimmt sich nach den Merkmalen des § 15 Abs. 2 EStG. Bei mehreren ausländischen Betriebsstätten ist für jede Betriebsstätte getrennt zu prüfen, ob negative Einkünfte vorliegen (R 2a Abs. 2 EStR). Dabei ist Abs. 2 zu beachten. Negative Einkünfte aus einer nicht aktiven gewerblichen Betriebsstätte dürfen nicht mit positiven Einkünften aus einer aktiven gewerblichen Betriebsstätte ausgeglichen werden;

  3. Verluste aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts (Nr. 3 Buchst. a), der Veräußerung oder Entnahme von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, sofern die Beteiligung zum Betriebsvermögen gehört (Nr. 3 Buchst. b);

  4. Verluste aus der Veräußerung von Anteilen i.S.d. § 17 EStG an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Nr. 4). Beachte: Nr. 3 und 4 betreffen unmittelbare Auslandsbeteiligungen und sind zusammenzufassen (R 2a Abs. 1 EStR; auch hier ist die Aktivitätsklausel des Abs. 2 zu prüfen, R 2a Abs. 2 Satz 2 EStR);

  5. Verluste aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter oder aus einem partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung in einem ausländischen Staat hat (Nr. 5). Für die atypisch stille Gesellschaft ist § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG zu prüfen;

  6. Verluste aus der Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens oder von Sachinbegriffen (Nr. 6 Buchst. a) sowie aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen unter bestimmten Voraussetzungen (Nr. 6 Buchst. b) oder aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts der vermieteten Wirtschaftsgüter (Nr. 6 Buchst. c);

  7. Verluste aus der zum Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung aus einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft (Nr. 7, s. dazu R 2a Abs. 1 Satz 3 EStR und H 2a [Beteiligung an inländischen Körperschaften mit Drittstaatenbezug] EStH). Es handelt sich hier um mittelbare Auslandsverluste/Gewinnminderungen über eine Inlandsbeteiligung. Wirtschaftlich im Ausland angefallene Verluste i.S.d. Nr. 1–6 sollen durch Zwischenschaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft nicht in abziehbare inländische Beteiligungsverluste verwandelt werden können.

4.2. Produktivitätsklausel für gewerbliche Betriebsstätten i.S.d. § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG (§ 2a Abs. 2 EStG)

Das Abzugsverbot des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG gilt nicht, wenn ausschließlich oder fast ausschließlich die nachfolgend aufgelisteten Tätigkeiten ausgeübt werden. »Fast ausschließlich« bezieht sich dabei auf mindestens 90 % der Bruttoerträge. Dieser Anteil ist für jedes Wirtschaftsjahr neu zu prüfen (R 2a Abs. 3 Satz 1 EStR).

  1. Lieferung und Herstellung von Waren: Lediglich Waffen sind ausgenommen. Das Abzugsverbot gilt nicht für Verluste aus der Lieferung und Herstellung von Jagd- und Sportmunition, (s. H 2a [Prüfung der Aktivitätsklausel] EStH). Erfasst wird somit die Herstellung oder Lieferung von Waren, üblichen Gegenständen des Handelsverkehrs, auch die Lieferung von Strom und Energie. Begünstigt sind alle Vorgänge, die in einem funktionalen Zusammenhang mit dem förderungswürdigen Bereich stehen;

  2. Gewinnung von Bodenschätzen auf eigenem oder fremdem Grundstück: z.B. Öl, Gas, Uran, Kohle u.Ä.;

  3. Bewirkung gewerblicher Leistungen z.B. handwerkliche, technische oder kaufmännische Leistungen, Transportleistungen, Produktion von Spielfilmen. Ausnahmen:

    • Errichtung oder Betrieb von Fremdenverkehrsanlagen,

    • Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern einschließlich der Überlassung von Rechten, Know-how etc.

  4. Eine entsprechende Einschränkung des Verlustausgleichsverbots gilt auch für negative Einkünfte aus § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 EStG.

4.3. Isolierende Betrachtungsweise

Bei den in § 2a Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG aufgeführten Tatbeständen handelt es sich nicht um die Einkunftsarten im »technischen« Sinn (§ 2 Abs. 1 EStG), sondern um eine Umschreibung der tatsächlichen Betätigungen, bei denen der Gesetzgeber »unerwünschte« Verluste annimmt. Bei der Prüfung des § 2a EStG gilt die sog. isolierende Betrachtungsweise. Um welche Einkunftsart es sich handelt, bestimmt sich nach den im Katalog des § 2a Abs. 1 EStG genannten Merkmalen, jedoch nur nach den im Ausland verwirklichten. Das bedeutet z.B., dass die Umqualifizierung von Einkunftsarten nach dem Subsidiaritätsprinzip (s. z.B. § 20 Abs. 8, § 21 Abs. 3 EStG, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG oder nach § 8 Abs. 2 KStG) keine Bedeutung für die Anwendung des § 2a EStG hat. S. dazu H 2a [Einkunftsart i.S.d. § 2a Abs. 1 EStG] EStH.

Beispiel 1:

Eine GmbH & Co KG bzw. eine AG betreibt im Ausland einen verlustbringenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb.

Lösung 1:

Die Betätigung fällt unter § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG bzw. § 8 Abs. 2 KStG sind für die Prüfung des § 2a EStG ohne Bedeutung.

4.4. Rechtsfolgen des § 2a EStG

Liegen die Voraussetzungen der Aktivitäts- oder Produktivitätsklausel vor, ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

  • Die ausländischen Verluste sind abzugsfähig bzw.

  • es besteht kein Verbot des negativen Progressionsvorbehaltes (wenn ein DBA vorliegt, das die Freistellungsmethode vorsieht).

Beispiel 2:

X hat einen Werkzeuggroßhandel mit jeweils einer ausländischen Betriebsstätte im Staat A (DBA mit Freistellung) und im Staat B (kein DBA). Nach inländischem Recht erzielt er im VZ 01 in beiden Betriebsstätten einen Verlust und nach ausländischem Recht einen Gewinn, auf den er in jedem Staat umgerechnet 5 000 € ausländische Steuer zahlt.

Lösung 2:

1. Einkünfte aus dem Staat B:

Aufgrund des Welteinkommensprinzips sind die Einkünfte aus dem Staat B auch bei der Besteuerung im Inland zu erfassen. Der Verlust ist nach inländischem Recht zu berücksichtigen. Da es sich um eine aktive Betriebsstätte handelt, kann die Verlustverrechnung vorgenommen werden (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG geht ins Leere, da auf die ausländischen Einkünfte 0 € inländische Einkommensteuer entfällt. Die Steuer kann aber nach § 34c Abs. 2 EStG abgezogen werden.

2. Einkünfte aus dem Staat A:

Das Besteuerungsrecht nach dem DBA steht dem Staat A zu (Betriebsstättenprinzip). Im Inland ist der negative → Progressionsvorbehalt anzuwenden. Die Aktivitätsklausel nach § 2a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG ist erfüllt. Der Abzug der ausländischen Steuer nach § 34c Abs. 2 EStG ist ausgeschlossen, da er im DBA-Fall nur bei Anwendung der Anrechnungsmethode möglich ist (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG).

Liegen ausländische Verluste vor, die unter die Katalogeinkünfte i.S.d. § 2a Abs. 1 EStG fallen, können diese nicht mit inländischen positiven Einkünften verrechnet werden. Sieht ein DBA für entsprechende Einkünfte die Freistellungsmethode vor, kann der negative Progressionsvorbehalt nicht in Anspruch genommen werden (BFH Urteil vom 17.10.1990, I R 182/87, BStBl II 1991, 136; BFH Urteil vom 12.12.1990, I R 176/87, BFH/NV 1991, 820; BFH Urteil vom 13.5.1993, IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100). Die Vorschrift verbietet den Verlustausgleich nach § 2 Abs. 3 EStG wie auch den Verlustabzug nach § 10d EStG. Der Verlustausgleich wird innerhalb des gleichen Veranlagungszeitraums lediglich mit positiven Einkünften der jeweils selben Art (Quellengleichheit), die aus demselben Staat stammen (Staatenidentität), ermöglicht. Das Merkmal »der jeweils selben Art« ist eng auszulegen. Ausgleichsfähig sind nur positive und negative Einkünfte derselben Katalogziffer (Quellengleichheit, s. R 2a Abs. 1 EStR). Lediglich die Nummern 3 und 4 sind zusammenzufassen und Verluste der Nr. 7 können auch mit Einkünften nach der jeweiligen Nummer ausgeglichen werden, auf deren Tatbestand die Einkünfte der Nr. 7 zurückzuführen sind (s. R 2a Abs. 1 EStR). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. So können z.B. Verluste, die unter die gleiche Katalogziffer fallen wie ebenfalls vorliegende positive Einkünfte (also Quellengleichheit zu bejahen), nicht ausgeglichen werden, wenn die Einkunftsquellen sich in unterschiedlichen Staaten befinden (keine Staatenidentität).

Beispiel 3:

Verluste aus der Vermietung einer Wohnung auf den Seychellen sind nicht ausgleichsfähig mit positiven Einkünften aus der Vermietung eines Appartements in Monaco (fehlende Staatenidentität) oder einer Rinderfarm in Paraguay (fehlende Quellengleichheit).

Ist der Verlustausgleich danach ausgeschlossen, sieht § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG einen in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Verlustabzug vor.

  1. Zulässig ist nur der Verlustabzug in den folgenden Veranlagungszeiträumen (zeitlich unbefristet). Ein Verlustrücktrag ist damit ausgeschlossen.

  2. Der Verlustvortrag (→ Verlustvortrag und -rücktrag) ist nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben ausländischen Staat in den folgenden Veranlagungszeiträumen möglich. Auch hier gilt also das Erfordernis der Staatenidentität. Außerdem wird die Quellenidentität verlangt. Nicht erforderlich ist die Objektidentität. Die am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibenden negativen Einkünfte werden nach § 180 AO gesondert festgestellt (§ 2a Abs. 1 Satz 5 EStG).

Wurde im Ausland eine der deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entsprechende Steuer erhoben, scheidet die Anrechnung nach § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG mangels deutscher Steuer aus (anteilige deutsche ESt auf Verluste = 0 €, vgl. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG bleibt möglich. Somit werden die ausländischen Verluste um die ausländische Steuer erhöht und wirken sich bei der in den folgenden Veranlagungszeiträumen möglichen Verrechnung mit positiven Einkünften aus. Die verbleibenden negativen ausländischen Einkünfte werden gesondert festgestellt (§ 2a Abs. 1 Satz 5 EStG). Das gilt auch für den Fall, dass ein DBA die Anrechnungsmethode vorsieht.

Da § 2a Abs. 1 EStG auch bei Einkünften zu beachten ist, die dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 4 EStG unterliegen, sind die negativen Einkünfte auch für Zwecke des Progressionsvorbehaltes ebenfalls gesondert festzustellen. In dem Feststellungsbescheid nach § 2a Abs. 1 Satz 5 EStG ist daher zu differenzieren, ob es sich bei den verbleibenden negativen Einkünften um steuerpflichtige oder nur dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte handelt (s. dazu auch die Trennung in der Anlage AUS – »Nicht nach DBA steuerfreie negative Einkünfte i.S.d. § 2a Abs. 1 EStG« sowie »Nach DBA steuerfreie negative Einkünfte i.S.d. § 2a Abs. 1 EStG«).

Fallen nach Feststellung verbleibender negativer Einkünfte i.S.d. §§ 34, 34b EStG positive außerordentliche Einkünfte der jeweils selben Art aus demselben Staat an, sind die außerordentlichen Einkünfte (→ Außerordentliche Einkünfte) zunächst in voller Höhe mit den festgestellten negativen Einkünften zu verrechnen. Verbleiben danach positive außerordentliche Einkünfte, werden diese tarifbegünstigt in die Besteuerung einbezogen bzw. zu einem Fünftel im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG berücksichtigt (ab VZ 2001). Liegen positive Einkünfte derselben Art aus demselben Staat vor, ist die Reihenfolge der Verlustverrechnung so zu wählen, dass in weitest möglichem Umfang außerordentliche Einkünfte verbleiben.

Beispiel 4:

S. dazu auch OFD Rheinland und Münster vom 23.5.2007, S 2118a – 1009 St 121, Kurzinformation Internationales Steuerrecht Nr. 042/2007, IStR 2007, 447.

Der Steuerpflichtige erzielt nach einem DBA steuerfreie Einkünfte aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte. Die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ist nicht erfüllt, sodass das Abzugsverbot des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG besteht. Die zum 31.12.2007 festgestellten verbleibenden negativen Einkünfte betragen 100 000 €. Im VZ 2008 erzielt er aus der Betriebsstätte laufende Einkünfte i.H.v. 50 000 € sowie einen Veräußerungsgewinn i.S.d. §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.H.v. 70 000 €.

Lösung 4:

Im Rahmen des Progressionsvorbehaltes sind die außerordentlichen Einkünfte mit 4 000 € (1/5) zu berücksichtigen. Die Berechnung sieht im Einzelnen wie folgt aus:

Zum 31.12.2007 festgestellte negative Einkünfte i.S.d. § 2a EStG

100 000 €

laufender Gewinn 2008

50 000 €

verbleibende negative Einkünfte

50 000 €

außerordentliche Einkünfte 2008

70 000 €

verbleibende außerordentliche Einkünfte

20 000 €

Ansatz im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu 1/5

4 000 €

Beispiel 5:

Im VZ 2008 erzielt der Steuerpflichtige erstmals nach DBA steuerfreie, negative ausländische Einkünfte i.S.d. § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte i.H.v. 50 000 €. Daneben erzielt er einen Veräußerungsgewinn i.S.d. §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.H.v. 100 000 € aus demselben Staat. Die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ist nicht erfüllt.

Lösung 5:

Im Rahmen des Progressionsvorbehaltes sind die außerordentlichen Einkünfte mit 10 000 € (1/5) zu berücksichtigen. Die Berechnung sieht im Einzelnen wie folgt aus:

laufende negative Einkünfte 2008

50 000 €

außerordentliche positive Einkünfte 2008

100 000 €

verbleibende positive außerordentliche Einkünfte

50 000 €

Ansatz im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu 1/5

10 000 €

4.5. Ausländische Betriebsaufgabe- oder Betriebsveräußerungsverluste

Ein im Ausland realisierter Verlust aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, der abkommensrechtlich in Deutschland nur bei der Festsetzung des Steuersatzes (sog. Progressionsvorbehalt) zu berücksichtigen ist, ist in voller Höhe bei der Ermittlung des Einkommensteuersatzes in Abzug zu bringen. Er unterfällt nicht der sog. Fünftel-Methode für außerordentliche Einkünfte (BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 34/11, BStBl II 2012, 405).

Sachverhalt:

Die in Deutschland lebenden Kläger haben eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in der Schweiz eröffnet, diese aber bereits kurze Zeit später mit Verlust wieder verkauft. Das Finanzamt erkannte den Verlust bei der Festsetzung der Einkommensteuer im Rahmen der Berechnung des Steuersatzes (sog. Progressionsvorbehalt) zwar dem Grunde nach steuermindernd an, allerdings unter Hinweis auf § 32b EStG nur zu einem Fünftel.

Entscheidung:

Der BFH entschied, dass die Veräußerungsverluste vollständig anzuerkennen sind. Die Fünftel-Methode bezwecke – ebenso wie die entsprechende Regelung in § 34 EStG bei inländischen Veräußerungsgewinnen – eine Abmilderung von Progressionshärten, die bei einer Betriebsveräußerung mit Gewinn anfallen können (BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 34/11, BStBl II 2012, 405). Ein Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 und des § 18 Abs. 3 EStG unterfällt als außerordentliche Einkunft der Begünstigung des § 34 Abs. 1 EStG, da es durch die Vollrealisierung der stillen Reserven in typisierter Weise zu einer Zusammenballung von Ergebnissen mehrerer Jahre kommt. Insoweit ist es sachgerecht, infolge einer progressiven Besteuerung eintretende (jedenfalls typisiert anzunehmende) Härten in dieser Situation abzumildern. Diese Sonderregelung (Tarifermäßigung) bezieht sich nach dem Regelungsgegenstand aber nur auf einen Gewinn (positive Einkünfte). § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG sieht dementsprechend einen beschränkten Ansatz in Höhe eines Fünftels lediglich für im Ausland steuerpflichtige »außerordentliche Einkünfte« vor. Außerordentlich in diesem Sinne sind nur positive, nicht aber auch negative Einkünfte aus der Veräußerung bzw. Aufgabe des ausländischen Betriebs. Ein Veräußerungsverlust, der progressionsbedingte Steuermehrbelastungen nicht auslösen kann, ist – jedenfalls soweit nicht in demselben Veranlagungszeitraum auch ein Veräußerungsgewinn als (weitere) außerordentliche Einkunft erzielt wurde – für den Regelungsbereich einer Tarifermäßigung nicht relevant.

5. Ausländische Verluste aus gewerblichen Betriebsstätten

Beispiel 6:

Die X-AG, mit Sitz in Ludwigshafen, verfügt über eine Betriebsstätte in Los Angeles, die im Jahre 2007 einen Verlust von 300 000 € erwirtschaftete. Ist dieser US-Verlust in Deutschland berücksichtigungsfähig?

Lösung 6:

Die X-AG mit Sitz und Geschäftsleitung in Ludwigshafen ist in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 KStG, § 11 AO). Zum steuerpflichtigen Welteinkommen der X-AG rechnen auch die US-Verluste. Während aber im rein nationalen Zusammenhang Verluste aus Betriebsstätten eines Unternehmens vom Grundsatz her unbeschränkt mit Gewinnen verrechenbar sind, stehen dem grenzüberschreitenden Verlustausgleich bei ausländischen Betriebsstätten erhebliche Barrieren gegenüber. Nach Art. 7 i.V.m. Art. 23 Abs. 2a DBA-USA werden gewerbliche Betriebsstättengewinne aus der deutschen Bemessungsgrundlage ausgeklammert und damit von der Besteuerung freigestellt. Nach herrschender Praxis ergibt sich aus der Freistellung der US-Betriebsstättengewinne korrespondierend auch die Nichtberücksichtigung von US-Betriebsstättenverlusten (BFH Urteil vom 6.10.1993, I R 32/93, BStBl II 1994, 113). Eine temporäre Abzugsfähigkeit von ausländischen Betriebsstättenverlusten mit Nachbesteuerung im späteren Gewinnfall ist nach Abschaffung des § 2a Abs. 3 EStG a.F. in Deutschland nicht mehr vorgesehen.

Beispiel 7:

Die X-AG verfügt außerdem über eine Betriebsstätte in Frankreich, die im Jahre 2007 einen Verlust von 300 000 € erwirtschaftete. Ist dieser US-Verlust in Deutschland berücksichtigungsfähig?

Lösung 7:

Bei diesem Sachverhalt der französischen Betriebsstätte handelt es sich um einen EU-Fall. Vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung stellt sich damit die Frage, ob eine Einschränkung der Verlustverrechnung mit europäischem Recht vereinbar ist.

Es wird seit langem diskutiert, ob die beschriebene Ungleichbehandlung negativer inländischer und ausländischer Einkünfte in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten steht. Überwiegend wird dies im Schrifttum verneint.

Auf der Grundlage des DBA-Deutschland-Österreich hat der österreichische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 25.9.2001 (Österreichischer VGH Urteil vom 25.9.2001, 99/14/0217, IStR 2001, 754) entschieden, dass deutsche Betriebsstättenverluste in Österreich verrechenbar seien, soweit es nicht zu einer doppelten Verlustberücksichtigung kommt.

Das Urteil des EuGH vom 21.2.2006 in der Rs. »Ritter-Coulais« (C-152/03, BFH/NV 2006, 225) vermeidet aufgrund verfahrensrechtlicher Erwägungen klare Ausführungen für Unternehmen mit Betriebsstätten im Ausland.

In weiteren Fällen zu § 2a Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 a.F. EStG hat der BFH sich nun den vorgetragenen Bedenken angeschlossen und deshalb auch diesbezüglich den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EGV angerufen (s. BFH Beschluss vom 28.6.2006, I R 84/04, BStBl II 2006, 861, Rs. C-250/95 »Lidl Belgium«; BFH Beschluss vom 22.8.2006, I R 116/04, BStBl II 2006, 861, Rs. C-415/06 »Stahlwerk Ergste Westig«). In beiden Fällen waren die Einkünfte aufgrund der einschlägigen DBA im Inland nicht in die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einzubeziehen (Betriebsstättenprinzip). Nach Ansicht des BFH könnte dies gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungs- sowie die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen (Art. 43 bzw. 56 EGV). Dabei sollte auch geklärt werden, ob eine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit bei der Nichtberücksichtigung von Betriebsstättenverlusten aus EU-Mitgliedstaaten infolge der Vorbehaltsklausel in Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EGV (Stand-still-Klausel) auf Verluste aus Drittstaaten ausstrahlen kann.

5.1. EuGH-Rechtssache »Stahlwerk Ergste Westig GmbH«

Der EuGH hatte im Verfahren »Stahlwerk Ergste Westig GmbH« (s. BFH Beschluss vom 22.8.2006, I R 116/04, BStBl II 2006, 864) die Frage zu klären, ob durch eine Betriebsstätte in einem Drittstaat (hier: USA) erzielte Verluste deswegen nicht im Inland zu berücksichtigen sind, weil im DBA mit diesem Staat für den Unternehmensgewinn die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt vereinbart ist.

Sachverhalt:

Das Stahlwerk Ergste Westig hielt im Steuerjahr 1999 jeweils 100 % der Anteile von zwei amerikanischen Personengesellschaften. Diese zwei Gesellschaften erlitten 1999 Verluste, die die Klägerin bei der Berechnung des Gesamtbetrags ihrer Einkünfte in Deutschland abzog. Das FA lehnte den Verlustabzug ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass Einkünfte aus Betriebsstätten nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA von der Steuer in Deutschland befreit sind. Dies geschah vor dem Hintergrund der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass Beteiligungen an Personengesellschaften im Ausland so zu behandeln seien, als ob der inländische Gesellschafter am Sitz der Personengesellschaft eine Betriebsstätte unterhalte.

Die Klage gegen diese Entscheidung des FA wies das FG Düsseldorf (Urteil vom 14.9.2004, 6 K 3796/01 K, F, EFG 2005, 539) ab. Der BFH stellte fest, dass eine Unvereinbarkeit der nationalen Steuerregelung mit dem Gemeinschaftsrecht voraussetze, dass nicht nur die Niederlassungsfreiheit, sondern auch die Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt sei und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung hinsichtlich der Frage des Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EGV) vorgelegt. Nach Ansicht des BFH könnte dies gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungs- sowie die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit erstrecke sich dabei nicht nur auf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, sondern grundsätzlich auch auf Drittstaaten. Diesbezüglich wollte er geklärt wissen, ob die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Nichtberücksichtigung von Betriebsstättenverlusten aus Mitgliedstaaten infolge der Stand-still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EGV auf Verluste aus Drittstaaten ausstrahlen könnte. Die Ungleichbehandlung von Betriebsstättenverlusten aus Mitgliedstaaten einerseits und Drittstaaten andererseits könnte gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) verstoßen, da diese infolge der Stand-still-Klausel auch den Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern schützen kann. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung zu inländischen negativen Einkünften sei nicht ohne weiteres ersichtlich. Der BFH verwies allerdings auf die drohenden Steuerausfälle sowie den Schutz der Ertragshoheit der Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Drittstaaten.

Lösung:

Nach Auffassung des EuGH (s. Beschluss vom 6.11.2007, C-415/06, »Stahlwerk Ergste Westig GmbH«, DB 2007, 2747) berührt eine nationale Steuerregelung, wonach eine Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat, bei der Ermittlung ihres Gewinns nicht die Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat abziehen kann, ausschließlich die Ausübung der Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 43 bis 48 EGV. Diese Bestimmungen können aber bei einem Sachverhalt, der eine Betriebsstätte in einem Drittstaat betrifft, nicht geltend gemacht werden. Dementsprechend sind Verluste aus Betriebsstätten in DBA-Drittstaaten nicht oder nur im Rahmen des § 32b i.V.m. § 2a EStG zu berücksichtigen.

Der EuGH hat de facto den Vorlagebeschluss nicht angenommen. Ausgehend von seiner ständigen Rechtsprechung, dass die Niederlassungsfreiheit vor der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen ist (lex specialis), hat er Folgendes entschieden: Nationale Vorschriften über den Besitz einer Beteiligung, die es ermöglicht, einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fallen in den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften des EGV über die Niederlassungsfreiheit. Daraus folgt, dass der Fall allein in den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit fällt. Selbst wenn die streitige nationale Steuerregelung beschränkende Auswirkungen auf den freien Kapitalverkehr haben sollte, sind diese Auswirkungen als eine zwangsläufige Folge der eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen, sodass sie keine Prüfung anhand der Art. 56 EGV bis 58 EGV rechtfertigen.

Eine Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat, kann daher bei der Ermittlung ihres Gewinns nicht die Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat abziehen, da die entsprechende nationale Regelung vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 43 bis 48 EGV berührt. Diese Bestimmungen können bei einem Sachverhalt, der eine Betriebsstätte in einem Drittstaat betrifft, nicht geltend gemacht werden.

5.2. EuGH-Rechtssache »Lidl Belgium GmbH & Co. KG«

In diesem Vorlageverfahren unterhielt die in Deutschland steuerpflichtige Klägerin eine Betriebsstätte in Luxemburg. Sie erwirtschaftete dort mit Handelsgeschäften einen Verlust, den sie bei der Ermittlung des Gesamtbetrags ihrer Einkünfte abzog. Das Finanzamt folgte dem nicht, sondern berücksichtigte die Verluste nur im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32b EStG, da die Einkünfte aufgrund des einschlägigen DBA im Inland nicht in die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einzubeziehen seien (Art. 20 Abs. 3 Satz 1 DBA-Luxemburg).

Nach der vom BFH vertretenen Symmetriethese sind nicht nur Betriebsstättengewinne, sondern auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (BFH Urteil vom 6.10.1993, I R 32/93, BStBl II 1994, 113). Die Symmetriethese wird auch in Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Ungarn, Polen, Bulgarien und Rumänien angewandt. Dagegen lassen Belgien, Spanien, Zypern, die Niederlande und Österreich einen Verlustabzug trotz DBA-Freistellung zu.

Abweichend von der Rechtsprechung in Österreich und in Luxemburg sieht der BFH nach seinem Abkommensverständnis keinen Anlass, den Verlust der luxemburgischen Betriebsstätte in die inländische Besteuerung mit einzubeziehen. Dennoch äußert er europarechtliche Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit ausländischen Betriebsstättenverlusten einerseits und inländischen Betriebsstättenverlusten andererseits (BFH Beschluss vom 28.6.2006, I R 84/04, BStBl II 2006, 861, C-414/06 »Lidl Belgium GmbH & Co KG«).

Die Generalanwältin hatte in ihrem Schlussantrag vom 14.2.2008 dem EuGH vorgeschlagen, einen Verstoß gegen Art. 43 EGV festzustellen. Nach ihrer Auffassung könne der Liquiditätsnachteil, der entsteht, wenn die Verluste erst in Folgejahren im ausländischen Staat mit Gewinnen verrechnet werden können, nicht hingenommen werden. Zwar könne der Verstoß gegen Art. 43 EGV gerechtfertigt werden (unter dem Gesichtspunkt der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten und der Gefahr der doppelten Verlustnutzung), allerdings sei die Nichtberücksichtigung von Verlusten nicht verhältnismäßig, da die Berücksichtigung mit der Möglichkeit der Nachversteuerung, wie sie bis 1998 in § 2a Abs. 3 EStG a.F. vorgesehen war, ein milderes Mittel darstelle.

Dem ist der EuGH im Urteil vom 15.5.2008 (C-414/06, »Lidl Belgium«, BFH/NV Beilage 2008, 194) nicht gefolgt. Er hat entschieden, dass der Ausschluss der Verrechnung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten durch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den Grundfreiheiten des EGV vereinbar ist. Damit kann ein deutsches Unternehmen die Verluste einer ausländischen Betriebsstätte nicht mit inländischen Gewinnen verrechnen, wenn diese durch ein DBA in Deutschland von der Besteuerung freigestellt sind und im Betriebsstättenstaat zu besteuern sind.

Der EuGH hat in der Entscheidung auf sein Urteil »Marks & Spencer« (Urteil vom 13.12.2005, C-446/03, BFH/NV Beilage 2006, 117) Bezug genommen und diese Rechtsprechung konkretisiert. Es müssen danach nicht zwingend alle der dort genannten drei Rechtfertigungsgründe

  1. Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis,

  2. Vermeidung doppelter Verlustberücksichtigung und

  3. Verhinderung einer Steuerflucht

für eine zulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gegeben sein; diese müssen nicht kumulativ vorliegen.

Entscheidend ist die Frage, ob die Verluste einer Tochtergesellschaft bzw. einer Betriebsstätte letztlich unberücksichtigt bleiben oder ob diese zumindest in künftigen Steuerzeiträumen zum Abzug gelangen. Hierzu bot im konkreten Fall das luxemburgische Steuerrecht die Möglichkeit, die Steuerbemessungsgrundlage um vorherige Verluste zu mindern. Die Verluste der Betriebsstätte aus dem Streitjahr 1999 waren deshalb auch 2003 mit Gewinnen der Betriebsstätte verrechnet worden.

Der BFH hat nach seinem Urteil vom 17.7.2008 (I R 84/04, DB 2008, 2114, BFH/NV 2009, 1940) ausdrücklich an der Symmetriethese festgehalten. Er hat zur Klärung der Frage, ob die 1999 entstandenen Verluste 2003 verrechnet werden konnten, das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dazu hat er die Auffassung vertreten, dass die Verluste grundsätzlich im Jahr der Entstehung geltend zu machen sind. Die bestandskräftige Veranlagung kann ggf. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden. Dies dürfte im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehen, da dieses selbst hierzu keine verfahrensrechtlichen Bestimmungen enthält. Innerhalb der EU ist zwar damit auch die Nichtberücksichtigung von ausländischen Verlusten ggf. zu rechtfertigen, nicht zulässig ist es jedoch, einen solchen ausländischen Verlust völlig unberücksichtigt zu lassen. Zumindest muss eine Verrechnung mit späteren positiven Einkünften in späteren Veranlagungszeiträumen möglich sein.

Aufgrund der Zurückverweisung an das FG können nach Auffassung der Finanzverwaltung aus der BFH-Entscheidung keine weiteren Rückschlüsse, insbesondere nicht zu den Aussagen des phasengleichen Verlustabzugs (im Verlustentstehungsjahr), getroffen werden. Das Urteil soll daher über den Einzelfall hinaus nicht angewendet werden (BMF vom 13.7.2009, IV B 5 – S 2118-a/07/10004 – DOK 2009/0407190, FR 2009, 779).

Ist der Verlustvortrag im Ausland begrenzt (z.B. in den Niederlanden auf neun Jahre), dürfte spätestens in diesem Zeitpunkt die Verlustberücksichtigung im Inland möglich sein. Fraglich ist, ob die Verlustberücksichtigung dann für das Verlustentstehungsjahr vorzunehmen ist oder für den Veranlagungszeitraum, in dem die »Finalität« nachgewiesen wird. Der rückwirkende Verlustabzug könnte trotz Bestandskraft wegen § 175 Abs. 1 Satz 2 AO erfolgen. Für die Rückwirkung spricht, dass nach der derzeitigen Rechtslage keine Verlustfeststellung entsprechend § 10d EStG existiert. Dagegen sprechen praktische Erwägungen, da ggf. für lange zurückliegende Jahre Verluste ermittelt und angesetzt werden müssten. Weiter wären die Verluste im Quellenstaat ohne die »Finalität« auch nicht früher abzugsfähig gewesen. Das Gemeinschaftsrecht dürfte daher ebenfalls die Berücksichtigung im Jahr des Verfalls im Ausland gebieten. Dadurch ergäbe sich allerdings für den Steuerpflichtigen ein doppelter Vorteil, indem im Verlustentstehungsjahr der negative Progressionsvorbehalt anzuwenden wäre und sodann in dem Jahr, in dem die fehlende Verlustberücksichtigung im Ausland endgültig feststeht, der Verlustabzug vorzunehmen wäre.

Auch wenn nach dem EuGH-Urteil ein Abzug von Betriebsstättenverlusten weitgehend nicht möglich ist, bleiben in geringem Umfang dennoch Gestaltungsmöglichkeiten:

  • Die eingeschränkte Verlustberücksichtigung kann erreicht werden, wenn die Betriebsstätte geschlossen oder veräußert wird und der Erwerber keine Möglichkeit hat, die Altverluste zu berücksichtigen, oder wenn die Betriebsstätte z.B. in eine Tochtergesellschaft umgewandelt wird. Denn dann besteht für den Steuerpflichtigen nicht mehr die Möglichkeit des Verlustvortrags. Ein Nachweis ist dabei stets über das ausländische Steuerrecht zu führen. Weitere Möglichkeiten nennt z.B. § 2a Abs. 4 EStG a.F.

  • Weiter können die Aktivitätsklauseln in den DBA helfen. Verschiedene DBA beinhalten diese Bestimmungen, nach denen bei Betriebsstätteneinkünften von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode gewechselt wird (s. auch § 20 Abs. 2 AStG). Die Anrechnungsmethode ist von Vorteil, wenn im Ausland Verluste erzielt werden. Die Betriebsstätteneinkünfte wären dann mit den Einkünften des Stammhauses verrechenbar. Dies kann erreicht werden, wenn das Tätigkeitsfeld der Betriebsstätte dem Katalog im DBA entspricht oder entsprechend angepasst wird.

5.3. EuGH-Rechtssache »Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt GmbH«

Im EuGH-Verfahren Rs. C-157/07 »Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt GmbH« ist zu klären, ob die Nachversteuerung von Betriebsstättenverlusten nach § 2a Abs. 3 und 4 EStG a.F. gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt (s. dazu BFH Beschluss vom 29.11.2006, I R 45/05, GmbHR 2007, 503; Vorinstanz FG Berlin, Urteil vom 11.4.2005, 8 K 8101/00, IStR 2005, 57; C-157/07, »Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt«).

Sachverhalt:

Eine inländische GmbH unterhielt in Österreich eine Betriebsstätte. Bis 1990 erzielte sie in dieser Betriebsstätte Verluste i.H.v. 2,4 Mio. DM. Diese wurden auf ihren Antrag hin vom FA nach § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 mit den inländischen Einkünften verrechnet. Von 1991–1994 erzielte die GmbH in ihrer österreichischen Betriebsstätte Gewinne von insgesamt 1,1 Mio. DM. Das FA unterwarf die positiven österreichischen Betriebsstätteneinkünfte nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990 der inländischen Besteuerung und versteuerte insoweit die zuvor bei der inländischen Veranlagung berücksichtigten Verluste aus der Betriebsstätte nach.

Entscheidung des BFH:

Der BFH hält die Vorschrift des § 2a Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG 1990 und damit die unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Betriebsstättenverlusten für nicht mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 31 EWR-Abkommen (entspricht Art. 43 EGV) vereinbar. Nach seiner Auffassung erfordert eine gemeinschaftsrechtskonforme Ausgestaltung und Durchführung der Nachversteuerung die Gleichbehandlung von in- und ausländischen Betriebsstätteneinkünften. Er legt daher dem EuGH die Frage vor, ob die in § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG 1990 bestimmte Nachversteuerung negativer ausländischer Betriebsstätteneinkünfte mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Dabei gibt er auch zu bedenken, dass auch ein Verstoß des Betriebsstättenstaates (Österreich) gegen den EGV vorliegen könnte, da dessen Recht (im Streitjahr) einen Verlustvortrag für beschränkt Steuerpflichtige nicht zuließ. Daher sei zu klären, ob aus diesem Grunde Deutschland auf die Nachversteuerung verzichten müsse, um die einmalige Verlustberücksichtigung zu ermöglichen.

Hinweis:

Was die Problematik der Nachversteuerung im Fall »Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt GmbH« betrifft, spricht einiges gegen die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zum Verzicht auf die Nachversteuerung, um einmal die Verlustberücksichtigung zu ermöglichen, wenn dieser nicht im Ausland durch Verlustabzug geltend gemacht werden kann. Dennoch sollte ggf. gegen die (unbefristet) mögliche Nachversteuerung Einspruch eingelegt werden.

5.4. Finalitätserfordernis

Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BFH sind ausländische Betriebsstättenverluste allenfalls dann im Inland zu berücksichtigen, wenn sie »final« sind. Wann dieses Merkmal vorliegt, hat der EuGH bisher nicht im Einzelnen konkretisiert, auch nicht im Urteil vom 21.2.2013 (Rs. C-123/11, A Oy, DStR 2013, 392), mit dem er die Grundsätze des »Lidl-Belgium«-Urteils noch einmal bestätigt. Wann Auslandsverluste final sind, hat der BFH in zwei Entscheidungen vom 9.6.2010 (I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744, IStR 2010, 663; I R 100/09, BStBl II 2010, 1065, IStR 2010, 670) klargestellt.

Danach sind Verluste nicht »final«, wenn sie im Betriebsstättenstaat aufgrund dessen Steuergesetzen vollständig oder nach Ablauf eines Verlustvortragszeitraums (z.B. Frankreich: fünf Jahre) vom Abzug ausgeschlossen sind (»rechtliche Finalität«). Beschränkungen des Quellenstaates hinsichtlich des Verlustabzugs verbleiben in dessen Sphäre. Sie sind keine Grundlage für einen »Verlustimport«. Diese Sichtweise ist erforderlich, um die Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, die sich letztlich aus der vorgenannten Rechtslage durch Abschluss von DBA ergibt. »Final« sind die Verluste nur, wenn sie aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können, z.B. bei der Umwandlung der Auslandsbetriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, der Übertragung der Betriebsstätte oder deren Aufgabe. Finalität liegt daher nur in den Fällen vor, in denen die Betriebsstätte aufgelöst wird oder vergleichbare Situationen, in denen keine tatsächliche Möglichkeit des Verlustabzugs mehr besteht. Danach sind die Verluste im Inland sowohl bei der Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer in jenem Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum abzuziehen, in dem die »Finalität« entsteht. Die Berücksichtigung im Entstehungsjahr (phasengleiche Verlustberücksichtigung) scheidet aus (s. auch BFH Beschluss vom 9.11.2010, I R 16/10, DB 2011, 213).

Das FG Köln hat entschieden, dass die Nichtberücksichtigung von finalen Verlusten aus der beabsichtigten Eröffnung einer Betriebsstätte einer deutschen GmbH in Belgien als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV) zu beurteilen sei (FG Köln Urteil vom 13.3.2013, 10 K 2067/12, Az. des BFH: I R 40/13, IStR 2013, 543; s. dazu auch Müller, ISR 2013, 246 m.w.N. auch zu beim BFH anhängigen Verfahren). Es verwies dazu insbesondere auf das Urteil des EuGH vom 21.2.2013 (Rs. C-123/11, A Oy, DStR 2013, 392), mit dem der EuGH den Abzug finaler Auslandsverluste ausdrücklich bestätigt hatte.

Im Verfahren des FG Köln ging es um vergebliche vorweggenommene Betriebsausgaben. Zu beurteilen war der beabsichtigte Erwerb von 21 Ferienpark-Chalets, für den eine Anzahlung i.H.v. 300 000 € zu leisten war, die wegen des Scheiterns des Erwerbs verfiel. Nachdem der EuGH den Abzug finaler Auslandsverluste ausdrücklich bestätigt hat, entschied das FG Köln,

  • dass der Verlust im konkreten Fall entstanden war, da der Vertrag hinfällig geworden war, und

  • der Verlust aus tatsächlichen Gründen nicht in einem anderen Jahr in Belgien berücksichtigt werden kann, da die GmbH weder vorher dort geschäftlich tätig gewesen war noch die Absicht hatte, später dort tätig zu werden.

Das Gericht betonte, dass an das Vorliegen finaler Verluste keine nicht erfüllbaren Anforderungen gestellt werden dürften. Allein die theoretische Möglichkeit, dass später erneut eine Betriebsstätte in dem ausländischen Staat gegründet wird und in dieser die früheren Verluste berücksichtigt werden könnten, könne nicht dazu führen, dass die Verluste nicht zu berücksichtigen seien (s. dazu auch näher Müller, ISR 2013, 246 m.w.N.).

Das FG Köln hat weiter zur Gewerbesteuer entschieden hat, dass – abweichend von § 9 Nr. 3 GewStG – trotz der Beschränkung der Gewerbesteuer auf das Inland die Berücksichtigung der finalen Verluste auch im Rahmen der Ermittlung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts erfolgen muss.

Zum Abzug finaler Verluste einer Betriebsstätte bei abkommensrechtlicher Freistellungsmethode hat der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH vorgelegt (BFH vom 6.11.2019, I R 32/18, eingereicht am 21.10.2020, EuGH C-538/20, LEXinform 5023308). Im Entscheidungsfall geht es um die Berücksichtigung von Verlusten aus einer Zweigniederlassung in Großbritannien. Nach der Schließung der Niederlassung konnte die in Deutschland ansässige AG die steuerlichen Verluste in Großbritannien nicht mehr vortragen. Die Klägerin ist der Auffassung, die der Zweigniederlassung zuzuordnenden Verluste seien trotz abkommensrechtlicher Freistellung der Einkünfte der Zweigniederlassung von der inländischen Besteuerung aus unionsrechtlichen Gründen als »finale« Verluste bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen (Streitjahr 2007). Das FA hat die Verluste hingegen im Rahmen der Festsetzung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2007 unberücksichtigt gelassen. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Hessische FG hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 4.9.2018 (4 K 385/17) dahingehend geändert, dass das zu versteuernde Einkommen sowie der Gewerbeertrag herabgesetzt werden.

Der EuGH hat hierzu am 22.9.2022 wie folgt entschieden (Orientierungssätze juris):

  1. Art. 49 und 54 AEUV stehen der Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der eine dort gebietsansässige Gesellschaft die endgültigen Verluste ihrer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von ihrem stpfl. Gewinn nicht abziehen kann, wenn der Ansässigkeitsmitgliedstaat aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf seine Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte verzichtet hat.

  2. Weil die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf ihre Befugnis zur Besteuerung der Gewinne und Verluste einer im Vereinigten Königreich (als »anderem Mitgliedstaat«) belegenen Betriebsstätte verzichtet hat, befindet sich eine in Deutschland gebietsansässige Gesellschaft mit einer in Großbritannien belegenen Betriebsstätte im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung der Gewinne – und entsprechend der doppelten Berücksichtigung von Verlusten – nicht in einer vergleichbaren Situation wie eine in Deutschland gebietsansässige Gesellschaft mit einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte.

  3. Dem vorstehenden Ergebnis, wonach keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gegeben ist, weil beide Sachverhalte objektiv nicht vergleichbar sind, steht das EuGH-Urteil vom 12.6.2018, C-650/16 (Rs. Bevola und Jens W. Trock) nicht entgegen.

Im Anschluss an diese EuGH-Entscheidung hat der BFH am 22.2.2023 geurteilt und die Vorentscheidung des FG Hessen aufgehoben (BFH vom 22.2.2023, I R 35/22, LEXinform 0954257, vgl. auch BFH Pressemitteilung vom 27.4.2023, LEXinform 0463800). Die Symmetriethese verstößt auch bei finalen Verlusten nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit. Entgegen der Sichtweise der Klägerin handele es sich bei der die Verlustberücksichtigung ausschließenden Symmetriethese um einen abkommensbasierten (bilateralen) und nicht um einen unilateralen Ausschluss des Verlustabzugs. Die Symmetriethese sei nach ständiger Rspr. auf die Vereinbarung der Freistellungsmethode zurückzuführen. Da sich der Begriff der Betriebsstättengewinne auf einen Nettobetrag beziehe, seien auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen.

Zur Nichtberücksichtigung finaler Verluste aus einer italienischen Betriebsstätte hat der BFH ebenfalls bestätigt, dass die Symmetriethese nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungfreiheit verstoße (BFH vom 12.4.2023, I R 44/22, LEXinform 0954396). Im Entscheidungsfall ging es um eine inländische GmbH, die im Jahr 2004 in Italien eine Betriebsstätte eröffnete und im Jahr 2008 wieder aufgab. In allen Jahren wurden Verluste erwirtschaftet. In Italien war ein Verlustausgleich, mangels Gewinne, nicht möglich. Den Verlustausgleich im Rahmen der Körperschaftsteuer lehnte das FA ab. Der BFH führt hierzu aus, dass der auf einem DBA beruhende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte (sog. Symmetriethese) auch im Hinblick auf endgültige Verluste weder gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit verstoße (Anschluss an EuGH-Urteil W vom 22.9.2022, C-538/20, EU:C:2022:717; Bestätigung der Senatsrechtsprechung). Der Umstand, dass sich Deutschland mit dem Quellenstaat, in dem der Stpfl. die Betriebsstätte unterhält, im Rahmen eines DBA darauf verständigt hat, die (positiven wie negativen) Betriebsstätteneinkünfte von der deutschen Steuer freizustellen und der Besteuerungshoheit allein des Quellenstaats zu unterstellen, ist nach Auffassung des BFH ein hinreichender sachlicher Grund für den Ausschluss der Verlustberücksichtigung. Diese Freistellung habe zur Folge, dass die der Besteuerungskompetenz des Quellenstaats überlassenen Einkünfte infolge des Steuerverzichts Deutschlands der inländischen Besteuerung entzogen seien; sie gelten als nicht vorhanden.

5.5. Berücksichtigung von Verlusten bei DBA mit Aktivitätsvorbehalt

Liegt die Betriebsstätte in einem Staat, mit dem Deutschland ein DBA mit Aktivitätsvorbehalt abgeschlossen hat (z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Tschechische Republik), kommt die Freistellungsmethode nur zur Anwendung, wenn es sich um eine aktive Betriebsstätte i.S.d. DBA handelt. Bei einer passiven Betriebsstätte gilt die Anrechnungsmethode. In diesem Fall können Verluste der Betriebsstätte im Inland bereits im Entstehungsjahr berücksichtigt werden. § 2a EStG steht dem nicht entgegen.

Liegt die Betriebsstätte allerdings in einem Drittstaat, gilt die Niederlassungsfreiheit, die sich auf den EU-/EWR-Raum beschränkt, nicht. Auch die für Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit kann nicht verletzt sein (EuGH Urteil vom 06.11.2007, C-415/06, Stahlwerk Ergste Westig GmbH, IStR 2008, 107).

6. Eingeschränkte Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen (»mittelbare Auslandsverluste«)

6.1. Grundsätzlich keine Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen aus Auslandsbeteiligungen

Nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht dem Grundsatz nach ein Abzugsverbot für negative Einkünfte, die aus einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft (unmittelbare Auslandsbeteiligung) resultieren. Die Vorschrift betrifft damit auch originär inländische negative Einkünfte mit Auslandsveranlassung. Sie dürfen nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden. Danach ist ein Ausgleich nur mit Einkünften »derselben Art«, d.h. mit Gewinnen aus einer Anteilsveräußerung, Entnahme, Kapitalherabsetzung oder Liquidation möglich. Gewinnminderungen sind negativen Einkünften i.S.d. § 2a Abs. 1 Satz 2 EStG gleichgestellt, d.h. das Abzugsverbot greift nicht nur bei negativen Einkünften, sondern auch bei geringeren positiven Einkünften. Der Abschreibungsbetrag ist außerbilanziell hinzuzurechnen.

§ 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG wird durch Nr. 7 erweitert für mittelbare Auslandsbeteiligungen. Nur eingeschränkt verrechenbar sind danach Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung an einer inländischen Tochtergesellschaft, soweit diese u.a. auf die Verringerung des Teilwerts der von der inländischen Tochtergesellschaft an einer ausländischen Enkelgesellschaft gehaltenen Beteiligung zurückzuführen sind.

6.2. Ausnahme: Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG

Ausnahmsweise ist § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht anzuwenden, wenn der Stpfl. nachweist, dass die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG (Produktivitäts- und Aktivitätsklausel) genannten Voraussetzungen bei der Körperschaft entweder

  • seit ihrer Gründung oder

  • während der letzten fünf Jahre vor und im Veranlagungszeitraum vorgelegen haben.

6.3. Europarechtliche Einschränkungen

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. »REWE Zentralfinanz« (EuGH Urteil vom 29.3.2007, Rs. C-347/04, »Rewe Zentralfinanz«, BStBl II 2007, 492, IStR 2007, 291; GmbHR 2007, 494) verstößt die Vorschrift des § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG gegen den EGV.

Sachverhalt:

Die ITS Reisen GmbH (als deren Rechtsnachfolgerin die Rewe Zentralfinanz eG den Rechtsstreit führte) war an der niederländischen Tochtergesellschaft Kaufhof-Tourism Holdings BV zu 100 % beteiligt. In den Jahren 1993 und 1994 nahm die ITS – steuerlich anzuerkennende – Teilwertabschreibungen auf den Beteiligungswert i.H.v. ca. 46 Mio. € gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor. Das Finanzamt Köln-Mitte versagte jedoch eine Berücksichtigung bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG), da es sich um sog. »passive« Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte i.S.d. § 2a Abs. 1 EStG 1990 handelte. Das Finanzgericht Köln legte den Rechtsstreit dem EuGH zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 EGV vor und bat um Klärung, ob Art. 43 und 48 EGV (Niederlassungsfreiheit) der Regelung des § 2a EStG entgegenstünden.

Lösung:

Der EuGH entschied, dass die deutsche Regelung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, da die Abzugsbeschränkung nur bei ausländischen Beteiligungen greife, bei inländischen Anteilen hingegen Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert steuerlich berücksichtigt werden. Die unterschiedliche Behandlung könne nicht mit Bezugnahme auf die von der deutschen Bundesregierung vorgetragene Bekämpfung von Steuerumgehungen gerechtfertigt werden, da § 2a EStG allgemein alle Auslandsbeteiligungen erfasse und nicht ziel-, das heißt betrugsspezifisch ausgestaltet sei.

Hinweis:

Die Abzugsbeschränkung für »passive« Auslandsbeteiligungen ist seit der Unternehmensteuerreform 2000 zumindest für Kapitalgesellschaften gegenstandslos, da gem. § 8b KStG Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bei der Besteuerung außer Ansatz bleiben. Die Einschränkungen des Verlustausgleiches bzw. des Verlustabzuges durch § 2a EStG bleiben jedoch bei Beteiligungen virulent, die im Privatvermögen beziehungsweise im Betriebsvermögen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften gehalten werden.

Hinweis:

Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil grundsätzlich an. Das BMF-Schreiben vom 11.6.2007, IV B 3 – S 2118 – a/07/0003, BStBl II 2007, 488 enthält jedoch eine Einschränkung für Beteiligungen in Liechtenstein, da Liechtenstein keine Amtshilfe leistet. Für Teilwertabschreibungen, die auf Umstände zurückzuführen sind, die außerhalb des Gebiets der EU und des EWR liegen, bleibt die Vorschrift weiter anwendbar.

7. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Europarechtswidrigkeit des § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG

Mit Urteil vom 21.2.2006 hat der EuGH in der Rs. C-152/03 »Ritter-Coulais« (BFH/NV 2006, 225) entschieden, dass im Rahmen der Nutzungswertbesteuerung für die eigengenutzte Wohnung bei Verlusten aus im Ausland belegenen Wohnungen der negative Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen ist. Der BFH hat sich dieser Auffassung im Urteil vom 20.9.2006, I R 13/02, BFH/NV 2007, 410, angeschlossen. Die Finanzverwaltung wendet diese Rechtsprechung nur eingeschränkt an. Mit BMF-Schreiben vom 24.11.2006, IV B 3 – S 2118 a – 63/06, BStBl I 2006, 763 wurde angeordnet, dass die Rechtsprechung des EuGH nur auf die Veranlagungszeiträume anzuwenden ist, in denen die Nutzungswertbesteuerung noch gegolten hat (s. auch H 2a [Vermietung und Verpachtung] EStH). Weitergehende Rechtsfolgen sollen sich danach ausdrücklich nicht ergeben. Das bedeutet, dass ausländische Verluste i.S.d. § 2a EStG nach Maßgabe des § 2a EStG nur in den Grenzen dieser Vorschrift berücksichtigt werden. Soweit die Voraussetzungen des § 2a Abs. 1 EStG vorliegen, sollen daher ausländische Verluste nicht zusätzlich im Rahmen des negativen Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 17.11.1999, BStBl I 2000, 605; H 32b [Ausländische Verluste] EStH).

Der Fall »Ritter-Coulais« betrifft private Besitzer von Immobilien. Die Entscheidung hat weitreichende praktische Auswirkungen, denn viele Deutsche besitzen ein Feriendomizil im Ausland und erzielen dort Verluste bei der Vermietung. Die Berufung auf die neue Rechtsprechung des EuGH macht aber zunächst nur bei Immobilien im EU-Ausland Sinn, weil die Entscheidung des EuGH nur dort unmittelbare Wirkung entfaltet. So ist sie beispielsweise nicht anwendbar in Fällen negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei Auslandsimmobilien in der Schweiz oder den USA (falls man einen Verstoß gegen Art. 56 EGV verneint). Auch bei Immobilien in Spanien sind Besonderheiten zu berücksichtigen, da dortige Vermietungsverluste wegen des im DBA-Spanien vereinbarten Anrechnungsverfahrens unmittelbar das zu versteuernde Einkommen mindern.

Im Beschluss vom 7.1.2004 (I S 5, 6/03, BFH/NV 2004, 637) hat der BFH ausdrücklich festgestellt, dass die Nichtvereinbarkeit der Vorschrift mit dem EGV auf Fälle in Drittstaaten (hier Türkei) nicht ausgedehnt werden kann. Dementsprechend hält das FG Hamburg die Vorschrift des § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG im Verhältnis zu Drittstaaten (im konkreten Fall Kanada) für anwendbar (FG Hamburg vom 22.8.2006, 7 K 255/04, EFG 2007, 105). Auch die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel des Art. 29 Abs. 1 DBA-Kanada wurde verneint.

Im EuGH-Urteil »Lakebrink« (EuGH Urteil vom 18.7.2007, Rs. C-182/06, BFH/NV 2007, 333) hat sich der EuGH mit der Frage beschäftigt, ob und ggf. wie sich ausländische Verluste auf die luxemburgische Besteuerung auswirken.

Sachverhalt:

Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige, die in Luxemburg ansässig sind und dort → Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielen. Aus einer in Deutschland belegenen Immobilie resultierende Verluste wurden bei der Ermittlung des Steuersatzes im Hinblick auf die Besteuerung in Luxemburg nicht berücksichtigt, während entsprechende Inlandsverluste berücksichtigt worden wären.

Lösung:

Das Besteuerungsrecht für → Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wird nach Art. 4 DBA Deutschland-Luxemburg dem Belegenheitsstaat (also Deutschland) zugewiesen. Im Gerichtsverfahren trugen zwei Regierungen vor, der Vorteil der Nichtbesteuerung von positiven Einkünften in Luxemburg bei solchen Auslandseinkünften rechtfertige die Nichtberücksichtigung der negativen Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes. Damit wurde die Symmetriethese angesprochen. Entsprechend der Tz. 36 des EuGH-Urteils sind Verluste aus einer nicht selbst genutzten ausländischen Immobilie bei der inländischen Besteuerung zumindest im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Der EuGH verweist auf das Urteil vom 21.2.2006, Rs. C-152/03 (»Ritter-Coulais«), in dem diese Frage bereits entschieden worden sei. Eine die Grundfreiheiten beschränkende nachteilige steuerliche Behandlung könne nicht mit anderen steuerlichen Vergünstigungen gerechtfertigt werden, auch wenn diese unterstellt würden.

Die Finanzverwaltung hat sich dem bisher nicht angeschlossen. Sie vertritt demgegenüber offensichtlich die Auffassung, dass das Urteil keine Auswirkung auf die Anwendung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG habe, da diese Regelung gleichermaßen auf ansässige wie auf nicht in Deutschland ansässige EU-Bürger anzuwenden sei. Eine Diskriminierung von im EU-Ausland ansässigen EU-Bürgern liege somit nicht vor.

Hinweis:

Im Gegensatz zu dieser Auffassung wurde durch das JStG 2008 die in § 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG vorgesehene Einschränkung, wonach nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a EStG auf Antrag unbeschränkt Steuerpflichtige negative Einkünfte nicht im Wege des negativen Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden konnten, aufgehoben. Dies stellt eine Reaktion auf das Urteil in der Rs. »Lakebrink« (EuGH vom 18.7.2007, C-182/06) dar. Der Anwendungsbereich wird auch auf Arbeitnehmer i.S.d. § 50 Abs. 5 Nr. 2 Satz EStG ausgedehnt.

Hinweis:

Nach § 52 Abs. 34a Satz 1 EStG ist die Regelung auch rückwirkend auf alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen anzuwenden. Wird kein Antrag gestellt, gilt die Neuregelung ab VZ 2008.

Nach Änderung des § 2a EStG durch das JStG 2009 sind im EU-Ausland erwirtschaftete Verluste aus Vermietung und Verpachtung dem Grunde nach mit positiven inländischen Einkünften verrechenbar. Für Altfälle, in denen solche Verluste bestandskräftig gesondert festgestellt sind, verbleibt es bei der früheren Regelung, nach der eine Verrechnung der Verluste nur mit denselben Einkünften aus demselben Staat möglich ist. Sieht ein DBA (hier: DBA-Portugal) eine Besteuerung im Belegenheitsstaat vor (Freistellungsmethode), hat Deutschland kein Besteuerungsrecht. Solche Verluste können im Inland nach den internationalen Regelungen nicht berücksichtigt werden. Bei Betriebsstättenverlusten kommt ein Verlustabzug im Inland nach der jüngsten BFH-Rechtsprechung aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Verluste im Quellenstaat steuerlich nicht mehr verwertbar (final) sind. Das FG Rheinland-Pfalz überträgt diese Grundsätze nun auf Überschusseinkünfte (Urteil vom 31.8.2010, 3 K 1314/07, 2010, 2099, rkr.).

Beispiel 8:

Der in Deutschland ansässige Anton Badstuber ist Eigentümer einer Immobilie in Frankreich, mit der er 2009 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung erzielt.

Lösung 8:

Nach Art. 3 DBA-Frankreich hat Frankreich als Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht. Die Gewinne sind gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) DBA-Frankreich in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freigestellt. Eine direkte Verlustberücksichtigung kommt daher nicht in Betracht. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 war der Verlust – aber auch der Gewinn – im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG im Inland zu berücksichtigen. Aufgrund des EuGH-Urteils in der Rs. Ritter-Coulais wurde § 32b EStG jedoch geändert (EuGH vom 21.2.2006, C-152/03, DStR 2006, 362). Ein negativer – aber auch positiver – Progressionsvorbehalt ist seit dem Veranlagungszeitraum 2008 gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG nur noch bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung aus Drittstaaten anzuwenden.

Auch hier dürften die Grundsätze der o.g. EuGH-Rechtsprechung zu Betriebsstättenverlusten anzuwenden sein, sodass bei Finalität von EU-Auslandsverlusten eine Berücksichtigung im Inland zu erfolgen hätte.

Befände sich die Immobilie nicht in Frankreich, sondern in Spanien, so wäre zwar auch hier der Belegenheitsstaat Spanien gem. Art. 6 DBA-Spanien zur Besteuerung berechtigt. Die Einkünfte werden jedoch in Deutschland nicht von der Besteuerung freigestellt. Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b) Doppelbuchst. ee) DBA-Spanien kommt die Anrechnungsmethode zur Anwendung. Die Einkünfte werden danach in Deutschland versteuert und eine spanische Einkommensteuer kann nach § 34c Abs. 1 und Abs. 2 EStG auf die deutsche Steuer angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden. Damit können Verluste dieser Spanien-Immobilie vollständig mit inländischen Einkünften ausgeglichen werden.

Abwandlung (Drittstaatfall):

Die verlustbringende Immobilie des in Deutschland ansässigen Anton Badstuber befindet sich in Kanada.

Nach Art. 6 DBA-Kanada hat auch hier der Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht auf die Einkünfte aus der Immobilie. Deutschland stellt die Einkünfte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) DBA-Kanada unter Progressionsvorbehalt frei. Da es sich hier um schädliche Verluste aus einem Drittstaat handelt, ist § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a) EStG zu beachten. Die Anwendung des § 32b EStG scheidet aus, da Drittstaatenverluste nach § 2a EStG nur im Rahmen des § 2a EStG zu berücksichtigen sind (H 32b EStH – Ausländische Verluste; BFH Urteil vom 17.11.1999, I R 7/99, BStBl II 2000, 605). Ein negativer Progressionsvorbehalt kommt danach nicht in Frage.

Befände sich die Immobilie hingegen in der Schweiz, hätte auch in diesem Fall der Belegenheitsstaat Schweiz das Besteuerungsrecht. Die Einkünfte würden jedoch in Deutschland nicht freigestellt, sondern eine in der Schweiz anfallende Steuer könnte angerechnet oder abgezogen werden (Art. 6 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 bis 5 und Abs. 2 EStG). Ein Verlustausgleich käme nach § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a) EStG nicht in Betracht. Auch ein negativer Progressionsvorbehalt wäre in diesem Fall ausgeschlossen, da die Einkünfte gemäß dem DBA nicht freigestellt sind. Die entstandenen Verluste finden im Inland ausschließlich innerhalb des besonderen Verlustverrechnungskreises des § 2a EStG Berücksichtigung.

Verbliebene negative Einkünfte des Erblassers aus der Vermietung eines Hauses in der Schweiz i.S.d. § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a, Satz 5 EStG gehen nicht im Wege der Erbfolge auf den Erben über. Die Vorschrift begründet als lex specialis zu § 10d EStG lediglich einen eigenen Verlustkreislauf, indem die vorgetragenen Verluste in späteren Veranlagungszeiträumen mit positiven Einkünften derselben Art aus demselben Staat bereits bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Auch § 2a Abs. 1 EStG dient damit – in den von ihm gezogenen tatbestandlichen Grenzen – der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips, so der BFH in einer Entscheidung vom 23.10.2019 (I R 23/17, LEXinform0951295).

8. Nachversteuerung

8.1. Bedeutung des § 2a Abs. 3 und 4 EStG a.F.

Nimmt ein bestehendes DBA mit dem ausländischen Staat die ausländischen Einkünfte von der deutschen Besteuerung aus, liegt grundsätzlich ein Anwendungsfall des § 2a Abs. 1 EStG nicht vor. Gewerbliche Einkünfte aus einer Betriebsstätte im Ausland sind nach den meisten DBA im Inland freigestellt und unterliegen lediglich dem Progressionsvorbehalt. Die Auslandsverluste werden im Inland also zumeist lediglich im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt. Deutschland hat sich in einer Vielzahl von abgeschlossenen DBA die Möglichkeit des Ansatzes der ausländischen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG) vorbehalten. In den Anwendungsfällen des § 2a EStG kann der negative Progressionsvorbehalt allerdings nach bisheriger Auffassung nicht angewendet werden (s. H 2a [Allgemeines] EStH, H 32b [Ausländische Verlust] EStH).

Im ausländischen Quellenstaat bleibt der Verlust steuerlich i.d.R. auch unberücksichtigt. Damit ist der Unternehmer insbesondere bei Anlaufverlusten in den ersten Jahren des Auslandsengagements in einer ungünstigen Situation.

Entstehen dagegen die Anlaufverluste aus Investitionen in einem Nicht-DBA-Staat oder bei DBA mit Anrechnungsmethode, so sind die Verluste mit inländischen Einkünften in vielen Fällen nach § 2 Abs. 3, § 10d EStG verrechenbar; das Abzugsverbot des § 2a Abs. 1 EStG greift wegen der Produktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG in vielen Fällen nicht.

Daher sah § 2a Abs. 3 a.F. bis VZ 1998 bzw. § 2 AIG (bis 1989) den temporären Verlustabzug trotz DBA-Freistellung vor. Das AIG sollte »steuerliche Hemmnisse, die sich bei Auslandsinvestitionen besonders störend auswirken, beseitigen und dadurch dazu beitragen, dass die allgemein für dringend erachtete Steigerung der deutschen Direktinvestitionen im Ausland nicht durch Bestimmungen des deutschen Steuerrechts behindert wird« (schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drs. V/4287). Es sollten deshalb Anrechnungsmöglichkeiten für Verluste eingeführt werden, die von den in den DBA-Ländern belegenen gewerblichen Betriebsstätten erzielt werden. In dem Bericht des Finanzausschusses (zu BT-Drs. V/4287) wird dazu ausdrücklich hervorgehoben, dass »der Verlustausgleich nur bei Betriebsstätten, d.h. nur bei gewerblicher Betätigung, als der hier im Vordergrund stehenden Investitionsform gewährt werden soll« (vgl. BFH Urteil vom 28.4.1983, IV R 122/79, BStBl II 1983, 566; BFH Urteil vom 5.6.1986, IV R 268/82, BStBl II 1986, 659; BFH Urteil vom 5.6.1986, V R 338/84, BStBl II 1986, 661).

Kehrseite des erweiterten Verlustabzuges war allerdings, dass bei Gewinnen in den Folgejahren eine – zeitlich unbegrenzte – »Nachversteuerung« bis zur Höhe des vorherigen Verlustabzugs zu erfolgen hatte; bis zur Höhe des Verlustabzugs wurden in den Folgejahren Gewinne (die ja eigentlich nach DBA steuerfrei waren) dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet (§ 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F.).

8.2. Streichung des erweiterten Verlustabzugs mit unbefristeter Nachversteuerung ab VZ 1999

Mit Wirkung ab VZ 1999 ist die Möglichkeit des erweiterten Verlustabzugs weggefallen. Für bis dahin in Anspruch genommenen Verlustabzug galt zunächst die Hinzurechnung noch bis VZ 2008 (§ 52 Abs. 3 EStG, H 5 [Allgemeines] EStH). Nach § 52 Abs. 3 Satz 3 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 (→ Jahressteuergesetz 2008) ist die Hinzurechnung jetzt unbefristet vorzunehmen. Der Gesetzgeber begründet die Änderung damit, dass noch ein erhebliches Hinzurechnungsvolumen von mehreren Milliarden € existiere und eine endgültige Verlustberücksichtigung mit der abkommensrechtlich vorgesehenen Freistellungsmethode nicht vereinbar sei.

8.3. Vererblichkeit der Nachversteuerungspflicht

Nach §§ 1922, 1967 BGB, 45 Abs. 1 Satz 1 AO erwirbt der Erbe im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge nicht nur die Forderungen und Schulden des Erblassers, sondern tritt darüber hinaus in dessen gesamte materielle und verfahrensrechtliche Stellung ein. Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich Positionen, die unlösbar mit der Person des Erblassers verbunden und in diesem Sinne höchstpersönlich sind (vgl. z.B. BFH Urteil vom 29.3.2000, I R 76/99, BStBl II 2000, 622; BFH Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608). Diese Ausnahme liegt bei der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG (bis 1989) nicht vor.

Der verbleibende Verlustabzugsbetrag des Erblassers nach § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG (bis 1989) unterliegt beim Erben i.H.d. sich aus der ausländischen Betriebstätte ergebenden positiven Beträge der Hinzurechnungsbesteuerung (BFH Urteil vom 25.8.2010, I R 13/09, BFH/NV 2010, 2338 [zu § 2 Abs. 1 Satz 3 AuslInvG]; R 2a Abs. 4 EStR 2007). Wenn der Abzugsberechtigte in der Zeit zwischen der Gewährung des Verlustabzugs und dessen späterem Ausgleich verstorben ist, werden die Voraussetzungen

  • für den Verlustabzug selbst vom Abzugsberechtigten (Erblasser) und

  • diejenigen für den Ausgleich des Verlustabzugs von seinem Gesamtrechtsnachfolger (Erbe)

verwirklicht. Insoweit liegt eine »gespaltene Tatbestandsverwirklichung« vor, die es rechtfertigt, das vom Erblasser verwirklichte Besteuerungsmerkmal »Verlustabzug« dem Erben zuzurechnen (BFH Urteil vom 25.8.2010, I R 13/09, BFH/NV 2010, 2338).

Es werden nicht die »Einkünfte«, sondern nur »der nach Satz 1 abgezogene Betrag« mit Wirkung ex nunc dadurch korrigiert, dass dieser wieder ganz oder teilweise hinzugerechnet wird. Damit werden nicht etwa im Ausland erzielte Einkünfte besteuert (was gegen das DBA verstoßen würde); es werden vielmehr zeitweilig steuerfrei gebliebene Teilbeträge des inländischen Einkommens nachversteuert. Die ausländischen Betriebsstättengewinne bilden lediglich Anknüpfungspunkt und Berechnungsgrundlage für die Höhe des Hinzurechnungsbetrages. Dies zeigt sich u.a. darin, dass selbst dann höchstens der nach Satz 1 abgezogene Betrag wieder hinzuzurechnen ist, wenn der spätere Gewinn diesen Betrag übersteigt. Nach der Zielsetzung des § 2 Abs. 1 AIG bzw. § 2a Abs. 3 EStG a.F. ist der durch den Verlustausgleich gewährte steuerliche Vorteil nur unter der Voraussetzung zu belassen, dass nicht in späteren Jahren entsprechende Betriebsstättengewinne entstehen. Dies verdeutlicht die Begründung des Gesetzes, die von »Nachholung der Besteuerung« (BT-Drs. V/3890, 20) bzw. von »Nachversteuerung« (BT-Drs. V/4287, 6) spricht. Der Steuerpflichtige soll so behandelt werden, als sei der gewerbliche Verlust nur in der geminderten Höhe angefallen. Der ursprünglich gewährte Verlustausgleich sollte i.H.d. späteren Nachversteuerung lediglich die Wirkung einer Steuerstundung haben (BFH Urteil vom 8.3.1989, X R 181/87, BStBl II 1989, 541).

Die Vorschrift soll auch deshalb nur die Wirkung einer Steuerstundung haben, weil sie im Vergleich zu einem abkommenslosen Zustand nicht zu einer Steuervergünstigung führen soll, die eintreten würde, wenn der im Abzugsbetrag berücksichtigte Verlust in der Folge auch im Ausland durch Absetzung von späteren Gewinnen steuermindernd geltend gemacht werden könnte. Deswegen ordnet das Gesetz bei späteren Gewinnen aus Betriebsstätten im Auslandsstaat die Hinzurechnung des Abzugsbetrags an, sofern nach ausländischem Recht nicht nachweislich ein Abzug früherer Verluste ausgeschlossen ist (BFH Urteil vom 16.11.1989, IV R 143/85, BStBl II 1990, 204).

Darin unterscheidet sich die Regelung vom Verlustvortrag nach § 10d EStG. Diese Vorschrift trägt dadurch der personenbezogenen Leistungsfähigkeit Rechnung, dass sie einen globalen interperiodischen Verlustausgleich zulässt, soweit die Verluste im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung nicht ausgeglichen werden können. Dadurch werden Härten, die sich durch die Anwendung des dem EStG zugrunde liegenden Abschnittsprinzips ergeben, vermieden.

Beide Vorschriften sind in ihrer Zielrichtung, ihrem Regelungsgegenstand und ihrer Ausgestaltung grundlegend verschieden und daher nur eingeschränkt vergleichbar. Der Erbe führt die Betriebsstätte fort. Damit nutzt er die Verlustvorträge, die zur inländischen Steuerbegünstigung geführt haben. Durch den Verlustabzug auf Antrag hat der Erblasser die Grundlage für die spätere Hinzurechnungsbesteuerung gelegt. In diese Rechtsposition tritt der Erbe uneingeschränkt ein. Im Unterschied zu § 10d EStG ist der temporäre Verlustabzug und die Hinzurechnungsbesteuerung streng objekt- und einkunftsquellenbezogen. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist mit dem Objekt Betriebsstätte verbunden, nicht mit der Person des Steuerpflichtigen, der den Antrag auf (vorübergehende) Verlustberücksichtigung gestellt hat.

9. Gemeinschaftsrechtsrechtliche Folgerungen

9.1. Reaktionen der EU-Kommission

9.1.1. Mitteilung an die Mitgliedstaaten vom 16.12.2006

Die Europäische Kommission hat in einer Mitteilung vom 19.12.2006 an die Mitgliedstaaten appelliert, die Behandlung von Auslandsverlusten an die Bedingungen für Inlandsverluste anzupassen (EU-Kommission vom 19.12.2006, KOM 2006(824)).

9.1.2. Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Mit Schreiben vom 18.10.2007 hat die EG-Kommission Deutschland mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme i.S.d. Art. 226 EGV unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 29.3.2007, C-347/04 »Rewe Zentralfinanz« (BStBl II 2007, 492, IStR 2007, 291; GmbHR 2007, 494) Deutschland aufgefordert (§ 2a Abs. 1 EStG) EG-rechtskonform auszugestalten.

9.1.3. Würdigung

Die eindeutige EuGH-Rechtsprechung in den Rs. »Ritter-Coulais« und »Rewe Zentralfinanz« rechtfertigen den Schluss, dass § 2a Abs. 1 EStG bei negativen Einkünften aus EU-/EWR-Staaten nicht mehr anwendbar ist. Der Auffassung der EG-Kommission, wonach die Vorschrift des § 2a Abs. 1 EStG insgesamt gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, ist daher zuzustimmen. Der Regelungszweck, der zur Einführung des § 2a EStG führte, die Nichtberücksichtigung von unerwünschten ausländischen Verlusten, kann eine Ungleichbehandlung EG-rechtlich nicht rechtfertigen. § 2a Abs. 1 EStG bleibt gegenüber Drittstaaten anwendbar. Es ist jeweils auf den konkreten Tatbestand der Norm abzustellen und der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus den Aussagen des EuGH-Urteils vom 6.11.2007, C-415/06 »Stahlwerk Ergste Westig GmbH«. Für Betriebsstätteneinkünfte kommt nur die Niederlassungsfreiheit in Betracht. Somit wird Art. 56 EGV bei Betriebsstätten in Drittländern durch Art. 43 EGV, der hier nicht anwendbar ist, verdrängt.

9.2. Reaktion der Finanzverwaltung

Dem hat sich nun auch die Finanzverwaltung angeschlossen. Nach dem BMF-Schreiben vom 30.7.2008 (IV B 5 – S 2118-a/07/10014, BStBl I 2008, 810) ist der eingeschränkte Verlustausgleich (§ 2a Abs. 1 und Abs. 2 EStG) mit Bezug auf die Mitgliedstaaten der EU oder des EWR nicht weiter anzuwenden, sofern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem anderen Staat gegenseitige Amtshilfe geleistet wird. Dies sei derzeit bei allen Mitgliedstaaten der EU sowie Island und Norwegen der Fall.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Hinweis:

Die BMF-Schreiben vom 24.11.2006 und vom 11.6.2007 zur weiteren Anwendung des § 2a EStG nach den EuGH-Urteilen in den Rs. »Ritter-Coulais« (BStBl I 2006, 763) und »Rewe Zentralfinanz« (BStBl I 2007, 488) hat das BMF mit Schreiben vom 30.7.2008 aufgehoben.

Auf bereits bestandskräftig gesondert festgestellte und noch nicht verrechnete Verluste soll die derzeit geltende Gesetzesfassung (§ 2a Abs. 1 Satz 3 bis 5 EStG) jedoch weiterhin Anwendung finden. Danach kann erst im Zeitpunkt der Erzielung von positiven Einkünften der jeweils selben Art und – mit Ausnahme von Schiffsüberlassungen (§ 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6b EStG) – demselben Staat ein entsprechender Verlustausgleich vorgenommen werden.

Beispiel 9:

In der bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagung für den VZ 2006 wurden bei einem Stpfl. negative Einkünfte aus der Vermietung einer in Dänemark belegenen Eigentumswohnung i.H.v. 2 000 € nicht berücksichtigt und nach § 2a Abs. 1 EStG gesondert festgestellt. Im VZ 2007 erzielte der Steuerpflichtige aus dieser Wohnung positive Einkünfte i.H.v. 3 000 €. Die Einkommensteuerveranlagung für den VZ 2007 steht noch aus.

Lösung 9:

Obwohl § 2a EStG in Bezug auf EU-/EWR-Staaten in allen noch offenen Fällen keine Anwendung mehr findet, kann der Stpfl. bei der Einkommensteuerveranlagung für den VZ 2007 die positiven Einkünfte aus der vermieteten Wohnung in Dänemark mit den gesondert festgestellten, noch nicht verrechneten negativen Einkünften aus dem VZ 2006 ausgleichen.

Gesonderte Feststellung nach § 2a EStG

Einkommen-

steuerbescheid

Änderungsmöglichkeit

offen

offen

Das BMF-Schreiben vom 30.7.2008 (BStBl II 2008, 810) ist rückwirkend anzuwenden.

Die gesonderte Feststellung nach § 2a EStG ist ggf. aufzuheben (negativer Feststellungsbescheid). Die Entscheidung über den Verlustabzug bzw. -ausgleich ist unmittelbar im ESt-Bescheid zu treffen.

bestandskräftig

offen

Die gesonderte Feststellung nach § 2a EStG ist ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung.

Festgestellte Verluste können mit positiven Einkünften eines späteren Veranlagungszeitraums verrechnet werden (s. BMF vom 30.7.2008, BStBl II 2008, 810, Rz. 4 und 5).

offen

bestandskräftig

Das BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl II 2008, 810, ist anzuwenden. Die gesonderte Feststellung nach § 2a EStG ist ggf. aufzuheben (negativer Feststellungsbescheid). Die Entscheidung über den Verlustausgleich bzw. -abzug ist im ESt-Bescheid zu treffen. Wegen des negativen Feststellungsbescheides wird die Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnet.

bestandskräftig

bestandskräftig

Die gesonderte Feststellung nach § 2a EStG ist ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung.

Der ESt-Bescheid kann nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist geändert werden (ggf. ist § 171 Abs. 10 oder § 171 Abs. 3 AO zu beachten).

Abb.: Erstmaliger Ansatz bzw. Änderungsmöglichkeiten beim vollen Verlustausgleich bzw. -abzug

Soweit die Einkommensteuerveranlagung des Verlustentstehungsjahrs geändert wird und dies Auswirkungen auf den festzustellenden Verlust hat, ist der Feststellungsbescheid nach § 2 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 bzw. 5 EStG ebenfalls zu ändern. Allerdings kann der Feststellungsbescheid in diesem Fall nicht vollständig aufgehoben werden. Der Einkommensteuerbescheid eines späteren Veranlagungszeitraums, in dem die Verrechnung der festgestellten Verluste mit positiven Einkünften erfolgt, ist als Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO insoweit zu ändern, als sich durch den geänderten Feststellungsbescheid Änderungen ergeben. Dies gilt auch, wenn der bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheid selbst punktuell geändert wird.

Die bestandskräftige gesonderte Feststellung löst nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO die Bindungswirkung für den Folgebescheid aus. Diese gilt auch dann, wenn die Feststellung unzutreffend ist, wenn z.B. bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Zurechnung der Verluste nur bei einem Ehegatten statt die jeweils hälftige Aufteilung auf beide Ehegatten erfolgt. Eine Korrekturvorschrift, die die Änderung der fehlerhaften Zurechnung ermöglicht, dürfte nicht vorliegen. Im Rahmen der späteren Folgebesteuerung ist das Finanzamt an die unzutreffend festgestellten Verluste gebunden.

9.3. Auswirkung des BMF-Schreibens auf die neuen EU-Mitgliedstaaten

Da die im BMF-Schreiben vom 30.7.2008 (IV B 5 – S 2118, BStBl I 2008, 810) angeordnete Nichtanwendung nur Staaten und Veranlagungszeiträume betrifft, für die die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19.12.1997 über die gegenseitige Amtshilfe der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer Anwendung findet, ist § 2a EStG a.F. für Zeiträume vor den Beitrittsstichtagen 1.5.2004 (Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union durch Beitrittsvertrag vom 16.4.2003, BGBl II 2003, 1410) und 1.1.2007 (Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union durch Beitrittsvertrag vom 25.4.2005, BGBl II 2006, 1146) weiter uneingeschränkt anzuwenden. Bis zu den Beitrittsstichtagen sind die neuen EU-Mitgliedstaaten als Drittstaaten zu behandeln (s. BMF vom 30.7.2008, IV B 5 – S 2118 – a/07/10014, BStBl I 2008, 810, Rz. 3).

Für den Veranlagungszeitraum 2004 bedeutet dies, dass bis zum Beitrittsstichtag § 2a EStG a.F. anzuwenden ist, somit ab 1.5.2004 die europarechtlichen Vorgaben gelten.

9.4. Reaktion des Gesetzgebers im Jahressteuergesetze 2009

Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache »REWE Zentralfinanz« und des Vertragsverletzungsverfahrens der EG-Kommission gegen Deutschland wurde durch das Jahressteuergesetz 2009 § 2a EStG europarechtskonform gestaltet. Der Gesetzgeber hat die Ausgleichs- bzw. Abzugsbeschränkungen auf Tatbestände außerhalb von EU- bzw. EWR-Staaten beschränkt. Damit soll § 2a Abs. 1 EStG nur noch auf Verluste aus Drittstaaten i.S.d. § 2a Abs. 2a EStG anwendbar sein, allerdings nur, soweit die Amtshilfe gewährleistet ist (§ 2a Abs. 2a EStG). Dies ist im Hinblick auf Liechtenstein nicht der Fall.

Im DBA-Fall ist diese Regelung anzuwenden, soweit die Anrechnungsmethode vorgesehen ist. In Fällen, in denen mit diesen Staaten in einem DBA die Freistellungsmethode gilt, ist die Nichtberücksichtigung der Verluste lediglich Folge der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem betroffenen Mitgliedstaat und daher gemeinschaftsrechtlich nicht relevant.

Die Änderungen gelten für alle noch nicht bestandskräftig festgesetzten bzw. festgestellten negativen Einkünfte.

Die Neuregelung wird durch eine Änderung des § 32b EStG ergänzt. Nach dieser Vorschrift soll sowohl der negative als auch der positive → Progressionsvorbehalt bei bestimmten Einkünften aus Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR ausgeschlossen werden. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass Auslandsverluste unter dem Gesichtspunkt der EG-Grundfreiheiten im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden müssen, wenn im Gegenzug auch Auslandseinkünfte im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts außer Ansatz bleiben.

Diese Regelung gilt erstmals ab dem VZ 2008.

Problematisch ist die im JStG 2009 und im BMF vom 30.7.2008 (IV B 5 – S 2118 – a/07/10014, BStBl I 2008, 810) weiter festgeschriebene eingeschränkte Verrechnung von bisher gesondert festgestellten ausländischen Verlusten. Danach ist auch in Zukunft § 2a Abs. 1 Satz 3 bis 5 EStG anzuwenden. Die Verrechnung der festgestellten Verluste kann erst dann erfolgen, wenn positive Einkünfte aus derselben Einkunftsart erzielt werden. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob diese Einschränkung mit den Grundfreiheiten des EGV vereinbar ist.

Verbleibende negative Einkünfte nach § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG sind nicht vererblich. Somit ist die oben unter 8.2 dargestellte Rechtslage nicht auf Verlustvorträge i.S.d. § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG übertragbar! Es besteht aus Sicht BFH kein Zweifel daran, dass § 2a Abs. 1 EStG – so wie auch § 10d EStG – der durch den Verlust verursachten Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung trägt und ein vom Erblasser erzielter Verlust dessen eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, nicht aber diejenige des Erben mindert. § 2a Abs. 1 EStG begründet nach Auffassung des BFH ferner keine »gespaltene Tatbestandsverwirklichung« i.S.d. Ausführungen des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04), die ausnahmsweise den Übergang der in der Person des Erblassers erlittenen Verluste auf den Erben rechtfertigen könnte. Die Erwägungen aus dieser Entscheidung des Großen Senats lassen sich nicht auf § 2a Abs. 1 EStG übertragen. Die Vorschrift betrifft die Feststellung negativer Einkünfte. Auf jener der Einkommensermittlung nachgelagerten Ebene ist aber die Annahme einer tatbestandlichen »Verklammerung« ausgeschlossen (Riedel, ISR 2017, 283, 285; Brandenberg, JbFSt 2012/2013, 815). Den vorgenannten Erwägungen steht das zu § 15a EStG ergangene BFH-Urteil (1.3.2018, IV R 16/15) nicht entgegen. Zwar geht danach der verrechenbare Verlust in dem Fall, dass ein Kommanditist unentgeltlich einen Teil seiner Beteiligung an der KG überträgt, anteilig auf den Übernehmer über, wenn diesem auch das durch die Beteiligung vermittelte Gewinnbezugsrecht übertragen wird. Letzteres beruht indessen darauf, dass verrechenbare Verluste i.S.v. § 15a EStG erst dann die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kommanditisten mindern, wenn dieser aus seiner Beteiligung Gewinne erzielt, die er zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos zu verwenden hat (§ 169 Abs. 1 Satz 2 HGB). Verluste i.S.d. § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG mindern nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erben, sondern des Erblassers, so der BFH in der Urteilsbegründung (BFH vom 23.10.2019, I R 23/17 LEXinform 0951295).

10. Literaturhinweise

Linn/Reichl/Wittkowski, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung: Möglichkeiten und Grenzen, BB 2006, 630; Cloer/Lavrelashvili, Ritter-Coulais, Das BMF-Schreiben vom 24.11.2006 im Lichte des Europarechts, BB 2007, 187; Reichl/Wittkowski, Das EuGH-Urteil in der Rs. Rewe Zentralfinanz: Neues zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!?, IStR 2007, 385; Hruschka, Offene Fragen beim Rücktransport von Währungsverlusten, IStR 2008, 499; Kube, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung und die Zuordnung von Verantwortung, IStR 2008, 305; Kussmaul/Nieren, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung im Lichte der jüngeren EuGH-Rechtsprechung, IStR 2008, 81; Rehm/Nagler, Neues von der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!, IStR 2008, 129; Breuninger/Ernst, Abschied vom Abzug endgültig gewordener ausländischer Betriebsstättenverluste im Inland? Kein »Import-Stopp« nach der EuGH-Entscheidung Wannsee!, DStR 2009, 1981; Ditz/Plansky, Aktuelle Entwicklungen bei der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste, DB 2009, 1669; Intemann, Verluste einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft, NWB 2009, 3092; Müller, Finale Verluste durch vergebliche Aufwendungen zur Begründung einer Betriebsstätte, ISR 2013, 246; Schiefer, Vergebliche Aufwendungen für die Begründung einer Betriebsstätte als finale Verluste, IWB 2013, 477.

11. Verwandte Lexikonartikel

Ausländische Einkünfte = Besteuerung ausländischer Einkunftsteile

Ausländische Steuer

Betriebsstätte

Progressionsvorbehalt

Verlustabzug nach § 10d EStG

 

Redaktioneller Hinweis:

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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