1 Prüfungsschema
2 Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 6 UStG
2.1 Allgemeiner Überblick
2.2 Beförderung oder Versendung
2.2.1 Allgemeiner Überblick
2.2.2 Beförderung
2.2.3 Versendung
2.2.4 Ort der Lieferung
2.2.5 Lieferzeitpunkt
2.2.6 Montagelieferungen
2.2.7 Mehrere Lieferorte
2.2.8 Zusammenfassendes Beispiel
2.3 Besonderheiten beim Kommissionsgeschäft
2.3.1 Verkaufskommission
2.3.2 Einkaufskommission
2.4 Reihengeschäfte
3 Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 7 UStG
3.1 Voraussetzungen und Rechtsfolge des § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG
3.2 Reihengeschäfte sowie Lieferfiktion mittels elektronsicher Schnittstelle
3.3 Kauf auf Probe
4 Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 8 UStG
4.1 Allgemeiner Überblick
4.2 Reihengeschäfte
4.3 Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte
5 Ortsbestimmung des § 3c UStG für Umsätze ab 1.7.2021
5.1 Grundsätzliches zur Anwendung des § 3c UStG ab 1.7.2021
5.2 Anwendungsbereich und Anwendungsausschluss des § 3c UStG
5.3 Innergemeinschaftliche Fernverkäufe i.S.d. § 3c Abs. 1 UStG
5.3.1 Allgemeines zur Anwendung
5.3.2 Definition des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs
5.3.3 Ortsbestimmung nach § 3c Abs. 1 UStG
5.3.4 Anwendungsausschluss des § 3c Abs. 1 UStG
5.3.5 Schwellenwert nach § 3c Abs. 4 UStG
6 Ort der Lieferung bei Fernverkäufen aus Drittlandsgebieten
6.1 Grundsätzliches zur Ortsbestimmung beim Fernverkauf nach dem JStG 2020
6.2 Fernverkäufe von aus Drittlandsgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen
6.2.1 Definition der Fernverkäufe aus Drittländern
6.2.2 Überblick über die Ortsregelungen der Fernverkäufe aus Drittländern
6.2.3 Fernverkäufe aus Drittländern über eine elektronische Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG
6.2.4 Fernverkäufe aus Drittländern ohne Unterstützung durch eine elektronische Schnittstelle
7 Ort der Warenlieferungen im Gemeinschaftsgebiet eines im Drittland ansässigen Unternehmers über eine elektronische Schnittstelle (§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG)
7.1 Folgen der Schnittstellenbeteiligung
7.2 Meldepflichten der Schnittstellenbetreiber
8 Zusammenfassende Übersichten zu den Folgen der Unterstützung der Lieferungen durch Schnittstellenbetreiber
9 Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs gem. § 3d UStG
9.1 Allgemeiner Überblick
9.2 Erwerbsort am Ende der Warenbewegung
9.3 Erwerbsort in einem anderen Mitgliedstaat
10 Ortsbestimmung nach § 3e UStG
10.1 Voraussetzungen und Rechtsfolge
10.2 Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets
11 Ortsbestimmung nach § 3g UStG
11.1 Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen und Geltungsbereich des § 3g UStG
11.2 Allgemeines zum Ort der Lieferung
11.3 Wiederverkäufer
11.4 Anderer Abnehmer
11.5 Ort der Lieferung an einen Wiederverkäufer
11.6 Ort der Lieferung an einen anderen Abnehmer
11.7 Innergemeinschaftlicher Erwerb, innergemeinschaftliches Verbringen sowie Einfuhr von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte
12 Literaturhinweise
13 Verwandte Lexikonartikel
Nur wenn sich der Lieferort im Inland befindet, kann die Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar sein.
Nach § 3 Abs. 5a UStG sind vorrangig die Ortsvorschriften der §§ 3c bis 3g UStG zu prüfen.
Abb.: Ort der Lieferung
Zunächst gilt nach § 3 Abs. 5a UStG der Grundsatz, dass der Ort der Lieferung sich nach den Absätzen 6 bis 8 des § 3 UStG bestimmt. Vorrangig sind jedoch die §§ 3c bis 3g UStG zu prüfen (s.a. Abschn. 3.12. Abs. 1 UStAE).
Durch Art. 11 Nr. 5 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wurde § 3f UStG mit Wirkung vom 18.12.2019 aufgehoben (→ Unentgeltliche Wertabgabe).
Durch die Richtlinie (EU) 2019/1995 des Rates vom 28.11.2019 zur Änderung der MwStSystRL in Bezug auf Vorschriften für Fernverkäufe von Gegenständen und bestimmte inländische Lieferungen von Gegenständen (ABl. L 310 vom 2.12.2019, S. 1), mit denen insbesondere die Art. 369a, 369b, 369e, 369f und 369g MwStSystRL geändert wurden, wird das besondere Besteuerungsverfahren erweitert. Die bisher vorgesehene Anwendung ab 1.1.2021 wurde durch Beschluss des Rates 2020/1109 vom 20.7.2020 (ABl. L 244/3 vom 29.7.2020) auf den 1.7.2021 verschoben (BR-Drs. 503/20, 137).
Mit dem JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) werden die EU-Änderungsrichtlinien zum 1.7.2021 in nationales Recht umgesetzt (§ 27 Abs. 32 UStG i.d.F. des JStG 2020). Zur Umsetzung und Änderung der besonderen Besteuerungsverfahren s. → Voranmeldung. Neu geregelt wurde dabei insbesondere die Ortsvorschrift des § 3c UStG. Aus der bisherigen Ortsvorschrift bezüglich des innergemeinschaftlichen Versandhandels wird ab 1.7.2021 die Ortsvorschrift der Lieferungen beim Fernverkauf.
Die Ortsvorschrift des § 3 Abs. 6 UStG regelt in den Sätzen 1 bis 4 die Ortsbestimmung der Beförderungs- und Versendungslieferungen durch den Lieferer an den Abnehmer.
Hinweis:
Bis 31.12.2019 war in § 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG die bewegte Lieferung im → Reihengeschäft geregelt. Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wurden mit Wirkung vom 1.1.2020 die Sätze 5 und 6 des § 3 Abs. 6 UStG aufgehoben (→ Reihengeschäft). Zur Bestimmung der bewegten Lieferung beim Reihengeschäft wurde dafür § 3 Abs. 6a UStG mit Wirkung vom 1.1.2020 durch das JStG 2019 eingeführt.
Für die in einem Reihengeschäft ausgeführten Lieferungen ergeben sich die Lieferorte sowohl aus § 3 Abs. 6 als auch aus § 3 Abs. 7 UStG. Im Fall der bewegten Lieferung gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). In den Fällen der ruhenden Lieferungen ist der Lieferort nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG zu bestimmen (Abschn. 3.14. Abs. 5 und 6 UStAE).
Ob ein Befördern oder Versenden vorliegt, ist anhand folgender Tatbestandsmerkmale zu überprüfen:
Abb.: Beförderung oder Versendung
Eine Beförderungslieferung i.S.d. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG setzt voraus, dass
der liefernde Unternehmer,
der Abnehmer oder
ein unselbstständiger Erfüllungsgehilfe
im Auftrag des Lieferers oder
im Auftrag des Abnehmers
den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert.
Der Dritte kann z.B.
ein Lohnveredelungsunternehmer,
ein Lagerhalter,
ein Verkaufskommissionär
sein.
Es handelt sich somit um Fälle, in denen der liefernde Unternehmer selbst oder ein von ihm beauftragter Dritter den Gegenstand der Lieferung befördert, als auch um Fälle, in denen der Abnehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter den Gegenstand bei dem Lieferer abholt (Abholfall). Auch der sog. Handkauf ist damit als Beförderungslieferung anzusehen (Abschn. 3.12. Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE).
Eine Beförderung liegt auch vor, wenn der Gegenstand der Lieferung mit eigener Kraft fortbewegt wird, z.B. bei Kraftfahrzeugen auf eigener Achse, bei Schiffen auf eigenem Kiel (Abschn. 3.12 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Die Bewegung eines Gegenstandes innerhalb des Unternehmens, die lediglich der Vorbereitung des Transports dient, stellt keine Beförderung an den Abnehmer i.S.d. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dar (Abschn. 3.12. Abs. 2 Satz 3 UStAE).
Eine Versendungslieferung i.S.d. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Gegenstand an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten versendet wird, d.h. die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausgeführt oder besorgt wird (Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 1 UStAE). Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten. Der Lieferer muss bei der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten alles Erforderliche getan haben, um den Gegenstand an den bereits feststehenden Abnehmer gelangen zu lassen. Das ist auch der Fall, wenn der Lieferer den Gegenstand einem selbstständigen Frachtführer, Verfrachter oder Spediteur zur Beförderung an einen weiteren von ihm beauftragten Frachtführer, Verfrachter oder Spediteur übergibt und diesem entweder durch einen Zusatz in den Versendungsunterlagen, z.B. zur Verfügung des Abnehmers, oder nachweislich spätestens bei der Übergabe des Gegenstandes an den ersten Frachtführer, Verfrachter oder Spediteur unmittelbar die Weisung erteilt, den Gegenstand an den Abnehmer oder dessen Beauftragten weiterzuleiten (Abschn. 3.12. Abs. 3 UStAE). Für das Vorliegen einer Versendung kommt es nicht zwingend auf das Vorliegen und den Inhalt von Frachtdokumenten etc. an. Eine Versendungslieferung kann auch vorliegen, wenn dem selbstständigen Beauftragten nur ein mündlicher Auftrag zur Beförderung an den Abnehmer erteilt wird (BFH Urteil vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552 unter 1.a).
Von einem feststehenden Abnehmer ist auszugehen, wenn er zwar dem mit der Versendung Beauftragten im Zeitpunkt der Übergabe des Gegenstands nicht bekannt ist, aber mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den unstreitigen Umständen, insbes. aus Unterlagen abgeleitet werden kann (vgl. BFH vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552). Gleiches gilt, wenn der Abnehmer den Liefergegenstand bei Beginn der Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (vgl. BFH vom 16.11.2016, V R 1/16, BStBl II 2017, 1079; Abschn. 3.12. Abs. 3 Sätze 4 und 5 UStAE) und § 6b UStG bereits dem Grunde nach keine Anwendung findet bzw. vonseiten des liefernden Unternehmers und späteren Erwerbers § 6b UStG keine Anwendung finden soll (Konsignationslagerregelung, → Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer); eine nur wahrscheinliche Begründung einer Abnehmerstellung ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung reicht nicht aus (BFH vom 20.10.2016, V R 31/15, BStBl II 2017, 1076).
Der BFH hat mit Urteil vom 20.10.2016 (V R 31/15, BStBl II 2017, 1076; Monfort, Anmerkung zum BFH-Urteil V R 31/15, UR 5/2017, 188) entschieden, dass Lieferungen aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet an einen inländischen Abnehmer auch dann als Versendungslieferungen i.S.v. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG zu beurteilen sind, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager, das nicht in den Anwendungsbereich der Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG fällt, zwischengelagert wird. Im Urteilsfall führte eine kurzzeitige Lagerung (bis zu 12 Wochen) nach dem Beginn der Versendung nicht zu einer Unterbrechung der Versendungslieferung. Voraussetzung ist aber, dass der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststeht. In diesem Fall wird die Lieferung grundsätzlich bereits bei Beginn der Versendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt und unterliegt beim inländischen Abnehmer ggf. der Erwerbsbesteuerung nach § 1a UStG (s.a. BMF vom 10.10.2017, BStBl I 2017, 1442 sowie Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 8 UStAE).
Hinweis:
§ 6b UStG beinhaltet eine Vereinfachungsregelung für Lieferungen in ein Lager zu Abrufzwecken im Gemeinschaftsgebiet (Konsignationslagerregelung, → Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer; Abschn. 6b.1. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Die Vereinfachungsregelung nach § 6b UStG kommt nicht in Betracht, wenn der Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ansässig ist, d.h. wenn er dort seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte (vgl. Abschn. 3a.1. Abs. 3 UStAE) hat. Bereits ein im Eigentum des Unternehmers befindliches Lager oder ein durch den Unternehmer angemietetes oder gepachtetes Lager, das mit eigenen Mitteln (z.B. mit eigenem Personal) aus dem Bestimmungsmitgliedstaat betrieben wird, begründet eine solche Ansässigkeit (Abschn. 6b. Abs. 2 UStAE).
Die vertragliche Vereinbarung mit dem dem liefernden Unternehmer bekannten späteren Erwerber muss die Verschaffung der Verfügungsmacht zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Beendigung der Beförderung oder Versendung vorsehen. Ausreichend ist ein (Rahmen-)Vertrag, der die Modalitäten bestimmt, unter denen der Erwerber zur Entnahme der im Bestand des Lagers befindlichen Waren berechtigt, aber nicht verpflichtet ist. Hat der spätere Erwerber vor dem Zeitpunkt der Entnahme des Liefergegenstandes diesen bereits verbindlich bestellt oder bezahlt, kann die Vereinfachungsregelung nach § 6b UStG unter den übrigen Voraussetzungen angewendet werden, wenn der liefernde Unternehmer und der spätere Erwerber deren Anwendung z.B. in einem Rahmenvertrag vereinbaren (Abschn. 6b. Abs. 3 Sätze 1 bis 3 UStAE).
Für Fälle, in denen § 6b UStG bereits dem Grunde nach keine Anwendung findet, gelten die Regelungen in Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 6 bzw. Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 8 sowie Abs. 7. Satz 1 UStAE (Abschn. 6b.1. Abs. 3 Satz 4 UStAE mit Beispiel).
Mit Urteil vom 30.7.2008 (XI R 67/07, BStBl II 2009, 552) hat der BFH zum Beginn der Versendung bei innergemeinschaftlicher Lieferung seine Rspr. geändert. Streitbefangen war die Frage, ob eine innergemeinschaftliche Lieferung oder eine stpfl. Inlandslieferung vorliegt.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist in Großbritannien ansässig. Sie lieferte im Streitjahr 08 Waren an den in Deutschland ansässigen Abnehmer HS, indem sie diese aus Großbritannien durch Einschaltung eines Spediteurs in das Inland transportierte.
Aufgrund einer Bestellung des HS vom 6.4.08 beauftragte die Klägerin die Spedition M, die Ware in das Inland nach X zu befördern. Der Speditionsauftrag erfolgte unter der Referenz »Ship to hold Our Ref 980422 HS«. Empfänger der Sendung war die D-GmbH, eine Schwestergesellschaft der Klägerin. Mit Schreiben vom 8.4.08 beauftragte die Klägerin die D-GmbH, die Ware erst nach einer gesondert zu erteilenden Freigabe an HS zu übergeben. Nach Bezahlung der Ware durch HS erteilte die Klägerin die Freigabe gegenüber der D-GmbH, die die Ware im Anschluss hieran an HS übergab.
Entscheidung:
Die im Streitfall streitigen Lieferungen sind nach § 3 Abs. 6 UStG im Inland nicht steuerbar. Denn bereits bei der Übergabe an die Spedition und damit bei Beginn der Versendung stand fest, dass HS Abnehmer der Lieferungen ist. Dies ergibt sich aus den unstreitigen Gesamtumständen, insbes. aus der Übergabe der von HS zuvor bestellten Ware an die Spedition sowie aus der in zeitlichem Zusammenhang mit dieser Übergabe erfolgten Weisung an die D-GmbH, die zu ihr transportierte Ware nach einer gesondert zu erteilenden Freigabe an HS herauszugeben. Unerheblich ist demgegenüber, ob der Spedition M bereits bei Beginn der Beförderung in Großbritannien bekannt war, dass die Ware über die ihr als Empfänger benannte D-GmbH letztlich an HS zu übergeben war (s.a. Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 6 UStAE).
Die Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung »an den Abnehmer« oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG; Abschn. 3.12. Abs. 1 UStAE). Daraus folgt, dass der Abnehmer bei Beginn der Versendung oder Beförderung feststehen muss.
Die Versendung beginnt gem. § 3 Abs. 6 Satz 4 UStG mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten. Danach muss im Falle der Versendung der Abnehmer bereits im Zeitpunkt der Übergabe des Liefergegenstands feststehen. Es sind keine zwingenden Gründe dafür ersichtlich, bei einer Versendung für den Nachweis, dass der Abnehmer bei der Übergabe der Ware an den Beauftragten festgestanden habe, ausnahmslos zu verlangen, dass der Abnehmer dem Beauftragten bekannt sein muss. Vielmehr reicht es aus, wenn sich aus den unstreitigen Umständen, insbes. aus Unterlagen, mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei ableiten lässt, dass der Abnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt festgestanden hat (BFH Urteil vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552 unter 1.a) und Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 4 UStAE; bestätigt durch BFH Urteil vom 20.10.2016, V R 31/15, BStBl II 2017, 1076, Rz. 13).
Nach § 3 Abs. 6 UStG sind Beförderung und Versendung für Zwecke der Lieferortbestimmung gleichgestellt. Beförderung und Versendung unterscheiden sich nur im Hinblick auf die Person, die die Beförderung durchführt. Daher sind an das Vorliegen einer Versendung keine strengeren Anforderungen als an eine Beförderung zu stellen (BFH Urteil vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552 unter 1.b)).
Im Fall der Beförderung ist es dem Lieferer auch nach Beginn der Beförderung möglich, über den Gegenstand der Lieferung neu zu disponieren und den Gegenstand wie im Fall einer sog. Umkartierung an einen anderen Abnehmer zu liefern. Die bloße Möglichkeit zur Umkartierung steht aber dem Vorliegen einer Beförderungslieferung, deren Ort sich am Beginn der Beförderung befindet, nicht entgegen. Dementsprechend kommt es für das Vorliegen einer Versendung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nicht darauf an, ob der Beauftragte verpflichtet ist, den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer auszuhändigen. Aufgrund der Gleichrangigkeit von Versendung und Beförderung für Zwecke der Lieferortbestimmung gilt eine Lieferung daher bei einer Versendung auch dann am Ort der Übergabe an den Beauftragten als ausgeführt, wenn der Gegenstand erst nach Erteilung einer durch den Lieferer gesondert zu erklärenden Freigabe (shipment on hold) an den Abnehmer übergeben werden darf (BFH Urteil vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552 unter 1.b).
Dient die »Shipment on hold«-Klausel darüber hinaus dazu, die Kaufpreiszahlung zu sichern, führt dies im Übrigen nur dazu, dass der Lieferung der Charakter einer Nachnahmelieferung zukommt. Auch bei einer Versendungslieferung per Nachnahme, bei der die Übergabe an den Abnehmer davon abhängt, dass dieser den Kaufpreis entrichtet, gilt die Lieferung bereits an dem Ort als ausgeführt, an dem die Ware an den Beauftragten übergeben wird, ohne dass der Vorbehalt der Kaufpreiszahlung dem entgegensteht.
Von einem feststehenden Abnehmer ist bereits dann auszugehen, wenn der Abnehmer die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (BFH Urteil vom 16.11.2016, V R 1/16, BStBl II 2017, 1079) und § 6b UStG bereits dem Grunde nach keine Anwendung findet bzw. vonseiten des liefernden Unternehmers und späteren Erwerbers § 6b UStG keine Anwendung finden soll (Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 4 UStAE). In diesem Fall steht es der Annahme einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nicht entgegen, wenn
die Ware von dem mit der Versendung Beauftragten zunächst in ein inländisches Lager des Lieferanten gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Abnehmer (shipment on hold) herausgegeben wird (BFH Urteil vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552), oder
die Ware kurzzeitig (für einige Tage oder Wochen) in einem auf Initiative des Abnehmers eingerichteten Auslieferungs- oder Konsignationslager im Inland, das nicht in den Anwendungsbereich der Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG fällt, zwischengelagert wird und der Abnehmer vertraglich ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware hat (BFH Urteil vom 20.10.2016, V R 31/15, BStBl II 2017, 1076). Es liegt dann nur eine kurze Unterbrechung, aber kein Abbruch der begonnenen Beförderung oder Versendung vor (s.o. und Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 6 und Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 8 UStAE).
Ein im Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung nur wahrscheinlicher Abnehmer ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung ist nicht einem zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Abnehmer gleichzustellen (BFH Urteil vom 20.10.2016, V R 31/15, BStBl II 2017, 1076; Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 7 und Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 5 UStAE). In derartigen Fällen stellt die Einlagerung von Ware aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in ein inländisches Auslieferungs- oder Konsignationslager ein innergemeinschaftliches Verbringen durch den liefernden Unternehmer i.S.d. § 1a Abs. 2 UStG dar. Die Lieferung an den Abnehmer findet in derartigen Fällen erst mit der Entnahme der Ware aus dem Lager statt und ist folglich im Inland steuerbar (Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 7 und 8 UStAE; → Innergemeinschaftliches Verbringen).
Hinweis:
Bei dem inländischen Auslieferungslager darf es sich nicht um ein Lager handeln, das in den Anwendungsbereich der Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG fällt (Abschn. 3.12. Abs. 3 Satz 8 sowie Abs. 7 Satz 1 und Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 10 UStAE).
Die Ortsvorschrift des § 3 Abs. 6 UStG setzt voraus, dass der Gegenstand, der befördert oder versendet wird, mit dem Gegenstand der Lieferung übereinstimmt. Die Vorschrift greift nicht ein, wenn etwas anderes geliefert wird, als befördert oder versendet worden ist. So wird bei Werklieferungen das fertige Werk geliefert. Die Lieferung erfolgt am Ort der Übergabe bzw. Abnahme (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG). Der Ort der Lieferung bestimmt sich nicht nach § 3 Abs. 6 UStG, wenn der Gegenstand der Lieferung nach dem Beginn der Beförderung oder nach der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten vom Lieferer noch einer Behandlung unterzogen wird, die seine Marktgängigkeit ändert. In diesen Fällen wird nicht der Liefergegenstand, sondern ein Gegenstand anderer Wesensart befördert (Abschn. 3.12. Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE; s.u. zu Montagelieferungen).
Mit Urteil vom 2.10.2014 (C–446/13, UR 2014, 928, LEXinform 0589468) hat der EuGH zur Anwendung des Art. 32 MwStSystRL (§ 3 Abs. 6 UStG) entschieden, dass Art. 32 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass eine Beförderung oder Versendung an den Erwerber erst dann beginnen kann, wenn sich der Gegenstand im vertragsgemäßen Zustand befindet.
Im vorliegenden Fall hat eine Gesellschaft I Metallteile von Italien nach Frankreich verkauft. Da die Metallteile auf ihrem Weg zum Käufer E noch in Frankreich von der Firma P lackiert wurden, stellt sich die Frage, wo der Verkauf nun zu versteuern ist – in Italien oder in Frankreich? Folglich ist zu bestimmen, wo im vorliegenden Fall die Versendung der Metallteile an den Käufer E begonnen hat. Hat sie bereits in Italien begonnen, als der Lieferer I diese Gegenstände an die Gesellschaft P zum Zwecke ihrer Lackierung nach Frankreich versandt hat, oder erst in Frankreich, als die nun lackierten Metallteile an den Erwerber E weiterbefördert wurden?
Der EuGH ist der Auffassung, dass die Versendung an den Erwerber E nicht beginnen kann, bevor der Gegenstand ein fertiges Produkt darstellt bzw. sich in einem verbrauchsfähigen Zustand befindet. Da die Metallteile diesen Zustand erst nach ihrer Lackierung bei der Gesellschaft P in Frankreich erlangt hätten, sei der Beginn der Versendung an den Erwerber E auch erst ab diesem Zeitpunkt möglich. Folglich liege der Ort der Lieferung der Metallteile in Frankreich.
Das UStG enthält keine Aussage zur Frage des Zeitpunkts der Lieferung. Das BMF-Schreiben vom 26.9.2005 (BStBl I 2005, 937) nimmt zum Leistungszeitpunkt Stellung. Die Angabe des Leistungszeitpunkts ist nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG Bestandteil der ordnungsgemäßen Rechnung. Das BMF führt Folgendes aus: In den Fällen, in denen der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet wird, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Soweit es sich um eine Lieferung handelt, für die der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt wird, ist in der Rechnung als Tag der Lieferung der Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung anzugeben. Dieser Tag ist auch maßgeblich für die Entstehung der Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG. Nach dem BFH-Urteil vom 6.12.2007 (V R 24/05, BStBl II 2009, 490 unter II.1.b.) regeln die Abs. 6 und 7 des § 3 UStG den Leistungsort und zugleich auch den Zeitpunkt der Leistung (s.a. Abschn. 13.1. Abs. 2 Satz 2 und Abschn. 3.12. Abs. 7 UStAE); dies gilt hinsichtlich der Verschaffung der Verfügungsmacht auch in den Fällen einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, in denen der Liefergegenstand nach dem Beginn der Beförderung oder Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager gelagert wird (Abschn. 3.12. Abs. 7 Satz 1 UStAE). Bei dem inländischen Auslieferungslager darf es sich nicht um ein Lager handeln, das in den Anwendungsbereich der Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG fällt.
Das Gemeinschaftsrecht regelt in Art. 36 MwStSystRL den Ort einer Montagelieferung wie folgt:
»Wird der vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandte oder beförderte Gegenstand mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung installiert oder montiert, gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem die Installation oder Montage vorgenommen wird.
Wird der Gegenstand in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Lieferers installiert oder montiert, trifft der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Installation oder Montage vorgenommen wird, die zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in diesem Mitgliedstaat erforderlichen Maßnahmen«.
Hinsichtlich Montagelieferungen ist zu unterscheiden zwischen
beweglichen, transportierfähigen Werken und
ortsgebundenen Werken.
§ 3 Abs. 6 UStG ist nicht anzuwenden, wenn Gegenstand der Lieferung eine vom Lieferer errichtete ortsgebundene Anlage oder eine einzelne Maschine ist, die am Bestimmungsort fundamentiert oder funktionsfähig gemacht wird, indem sie in einen Satz bereits vorhandener Maschinen eingefügt und hinsichtlich ihrer Arbeitsgänge auf diese Maschinen abgestimmt wird. Das Gleiche gilt für Einbauten, Umbauten und Anbauten bei Maschinen (Modernisierungsarbeiten) sowie für Reparaturen. Da die einzelnen Teile einer Maschine ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit sind als die ganze Maschine, ist § 3 Abs. 6 UStG auch dann nicht anzuwenden, wenn die einzelnen Teile einer Maschine zum Abnehmer befördert werden und dort vom Lieferer zu der betriebsfertigen Maschine zusammengesetzt werden. Ob die Montagekosten dem Abnehmer gesondert in Rechnung gestellt werden, ist unerheblich (Abschn. 3.12. Abs. 4 Satz 3 bis 6 UStAE).
Dagegen bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG, wenn eine betriebsfertig hergestellte Maschine lediglich zum Zweck eines besseren und leichteren Transportes in einzelne Teile zerlegt und dann von einem Monteur des Lieferers am Bestimmungsort wieder zusammengesetzt wird. Zur betriebsfertigen Herstellung beim Lieferer gehört in der Regel ein dort vorgenommener Probelauf. Ein nach der Wiederzusammensetzung beim Abnehmer vom Lieferer durchgeführter erneuter Probelauf ist unschädlich. § 3 Abs. 6 UStG ist auch dann anzuwenden, wenn die Bearbeitung oder Verarbeitung, die sich an die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands anschließt, vom Abnehmer selbst oder in seinem Auftrag von einem Dritten vorgenommen wird (Abschn. 3.12. Abs. 4 Satz 7 bis 10 UStAE).
Es ist nicht auszuschließen, dass Montagelieferungen nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht und dem Recht anderer Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt werden. Ist dies der Fall, trifft der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Installation oder Montage vorgenommen wird, die zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in diesem Mitgliedstaat erforderlichen Maßnahmen.
Beispiel 1:
Sachverhalt und Lösung s. Weimann in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, § 3, 266, 5. A.
Ein Maschinenbauer aus Hannover erhält von einem spanischen Auftraggeber mit USt-IdNr. den Auftrag, eine Folienschweißmaschine nach Madrid zu liefern. Die Maschine wird in Hannover hergestellt, fertig aufgebaut und getestet. Anschließend wird sie zum Zwecke des Transports zerlegt, in einzelne Kisten verpackt und zur Bahn gegeben. Beim Abnehmer in Madrid wird sie unter der Leitung eines deutschen Monteurs wieder zusammengebaut und einmal zur Probe laufen gelassen.
Lösung 1:
Die Werklieferung wird bereits in Hannover ausgeführt, da hier der Transport beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Durch das bloße Zusammensetzen der für Transportzwecke zerlegten Maschine und den Probelauf in Madrid ändert sich hieran nichts mehr Abschn. 3.12. Abs. 4 Satz 7 ff. UStAE). Die Lieferung der Maschine wird als innergemeinschaftliche Lieferung i.S.d. § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6a UStG steuerfrei ausgeführt.
Der Abnehmer in Madrid hat die spanische Erwerbsbesteuerung durchzuführen und kann ggf. den Vorsteuerabzug der Erwerbsteuer vornehmen.
Die vorstehenden Konsequenzen ergeben sich aus der Sicht des deutschen Rechts. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Montagelieferung mit der Folge der Verlagerung des Lieferorts an den Ort der Montage nach dem Recht anderer EG-Mitgliedstaaten abweichend hiervon (enger) beurteilt wird (s. Art. 36 MwStSystRL). Dies könnte dazu führen, dass der EU-Mitgliedstaat, in dem der Gegenstand montiert wird, unabhängig von der Behandlung der Lieferung in Deutschland von seinem Besteuerungsrecht nach Art. 23 ff. MwStSystRL Gebrauch macht. Falls danach in Spanien das strengere EU-Recht zur Anwendung käme, wäre die Montagelieferung in Spanien steuerbar und stpfl. Nach Art. 194 MwStSystRL (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 UStG) würde dann der spanische Abnehmer als Leistungsempfänger die USt schulden. Der spanische Unternehmer erhält auf jeden Fall von dem deutschen Unternehmer eine Rechnung ohne gesonderten USt-Ausweis – im 1. Fall handelt es sich um eine steuerfreie Lieferung, im 2. Fall wäre der gesonderte Steuerausweis nach § 14a Abs. 5 Satz 2 UStG nicht zulässig. Da in beiden Fällen die USt im Bestimmungsland entrichtet werden muss, findet keine Doppelbesteuerung im Montageland statt. Der Spanier schuldet die USt in Spanien entweder wegen des innergemeinschaftlichen Erwerbs oder wegen des Reverse Charge Verfahrens (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). In beiden Fällen stünde dem Spanier das Recht zum Vorsteuerabzug zu.
Erstreckt sich der Gegenstand einer Werklieferung auf das Gebiet verschiedener Staaten (z.B. bei der Errichtung von Verkehrsverbindungen, der Verlegung von Telefon- und Glasfaserkabel sowie von Elektrizitäts-, Gas und Wasserleitungen), kann diese Werklieferung verschiedene Lieferorte haben, auf die die Bemessungsgrundlage jeweils aufzuteilen ist (EuGH Urteil vom 29.3.2007, C-111/05, LEXinform 5210454; Abschn. 3.12. Abs. 5 UStAE).
Beispiel 2:
A verkauft einen Gegenstand an B. Der Gegenstand soll zu C gebracht werden, der an diesem Gegenstand noch eine sonstige Leistung (Werkleistung) ausführen soll.
Variationen:
Der Lieferer A bringt den Gegenstand zu C.
Der Abnehmer B holt den Gegenstand bei A ab und bringt ihn zu C.
C, als unselbstständiger beauftragter Dritter, holt im Auftrag des A oder des B den Gegenstand bei A ab und bringt ihn in seinen Betrieb, um dort die Arbeiten auszuführen.
Der Spediteur S transportiert den Gegenstand im Auftrag des A zu C.
Der Spediteur S transportiert den Gegenstand im Auftrag des B zu C.
Der Spediteur S transportiert den Gegenstand im Auftrag des C, der wiederum von A oder B beauftragt wurde, in den Betrieb des C.
Lösung 2:
In den Fällen 1 bis 3 handelt es sich um ein Befördern (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG). Die Beförderung kann auch, wie im Fall 3, von einem durch den Lieferer oder Abnehmer beauftragten Dritten durchgeführt werden. Der beauftragte Dritte kann auch ein nachfolgender Unternehmer sein.
In den Fällen 4 bis 6 handelt es sich um ein Versenden (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG). Im Fall 6 ist die Besonderheit, dass der beauftragte Dritte einen selbstständigen Vierten mit der Beförderung des Gegenstandes beauftragt. Der Spediteur erbringt an C eine selbstständige Beförderungsleistung (→ Beförderungsleistungen). Zwischen A und B liegt eine Versendungslieferung vor.
Für die Steuerbefreiung der → Ausfuhrlieferung ist erheblich, ob der Lieferer (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG) oder der Abnehmer (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG) den Transport des Liefergegenstandes veranlasst hat, weil nur der Abnehmer bestimmte Voraussetzungen (§ 6 Abs. 2 UStG) erfüllen muss.
S. dazu → Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 UStG liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor.
Abb.: Verkaufskommission
Beim Kommissionsgeschäft liegt eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär erst im Zeitpunkt der Lieferung des Kommissionsgutes an den Abnehmer vor (vgl. Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 7 UStAE). Befördert im Falle eines Kommissionsgeschäftes der Kommittent das Kommissionsgut mit eigenem Fahrzeug an den im Ausland ansässigen Kommissionär, liegt eine Lieferung im Inland nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nicht vor, weil die – anschließende – Übergabe des Kommissionsgutes an den Verkaufskommissionär keine Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG ist (Abschn. 3.12. Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Der Lieferort der Lieferung des Kommissionärs an den Käufer bestimmt sich grundsätzlich nach § 3 Abs. 6 UStG. Zum gleichen Zeitpunkt gilt auch die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär als ausgeführt. Der Ort dieser Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Die Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
Gelangt das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat, kann die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär jedoch nach dem Sinn und Zweck des innergemeinschaftlichen Verbringens bereits zu diesem Zeitpunkt als erbracht angesehen werden. Gleichzeitig ist demnach der innergemeinschaftliche Erwerb beim Kommissionär der Besteuerung zu unterwerfen (→ Innergemeinschaftliches Verbringen).
Zum Ort und Zeitpunkt der Lieferung und zum Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen einer Verkaufskommission hat das FG Köln mit Urteilen vom 17.1.2011 (9 K 308/10, EFG 2011, 922, LEXinform 5011703, rkr.) und vom 23.9.2020 (9 K 327/17, EFG 2021, 979, LEXinform 5023825, rkr.) Stellung genommen. S. die ausführliche Kommentierung unter → Einfuhrumsatzsteuer unter dem Gliederungspunkt »Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen einer Verkaufskommission«.
Beispiel 3:
Lösung 3:
Mit dem Verbringen des Gegenstandes erbringt der Kommittent ausnahmsweise bereits am 11.1.09 eine Lieferung an den Kommissionär. Der Ort der Lieferung befindet sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG in Frankreich. Da die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, handelt es sich um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Beim Kommissionär liegt am 11.1.09 ein innergemeinschaftlicher Erwerb in Deutschland vor (Ortsvorschrift nach § 3d UStG). Durch einen Verzicht auf die Berücksichtigung des innergemeinschaftlichen Verbringens durch den Kommittenten ist eine Erfassung des französischen Kommittenten in Deutschland nicht erforderlich.
Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 UStG liegt zwischen dem Kommissionär und dem Kommittenten eine Lieferung vor.
Abb.: Einkaufskommission
Zeit und Ort der beiden Lieferungen bestimmen sich nach den allgemeinen Regeln. Die Lieferung des Kommissionärs an den Kommittenten ist zu dem Zeitpunkt ausgeführt, zu dem dem Kommittenten die Verfügungsmacht an dem Kommissionsgut verschafft worden ist. Je nach Vertragsgestaltung zwischen dem Kommissionär und dem Kommittenten kann bereits dann dem Kommittenten die Verfügungsmacht verschafft werden, wenn der Kommissionär das Kommissionsgut erhält. Der Lieferort für die Lieferung des Kommissionärs an den Kommittenten bestimmt sich in diesem Fall nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.
Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) werden mit Wirkung vom 1.1.2020 in § 3 Abs. 6a UStG die Voraussetzungen zur Bestimmung der bewegten Lieferung beim Reihengeschäft eingeführt.
Ein → Reihengeschäft ist unter folgenden Voraussetzungen gegeben:
Mehrere Unternehmer
schließen über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und
der maßgebliche Gegenstand gelangt bei der Beförderung oder Versendung
unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer.
Die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes ist nur einer der Lieferungen zuzuordnen. In diesen Fällen gibt es demnach immer nur eine Beförderungs- oder Versendungslieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt. Bei den übrigen Lieferungen findet keine Beförderung oder Versendung statt; der Ort bestimmt sich in diesen Fällen nach § 3 Abs. 7 UStG (s.u.). Damit ergibt sich für die ausgeführten Lieferungen kein einheitlicher Lieferort. Die Lieferungen finden sowohl zeitlich als auch räumlich gedanklich nacheinander statt (s. Abschn. 3.14. Abs. 5 und 6 UStAE). Zur Ortsbestimmung beim Reihengeschäft s. die ausführliche Kommentierung unter → Reihengeschäft.
Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet (§ 3 Abs. 6 UStG), wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. § 3 Abs. 7 UStG regelt den Ort der Lieferung für den Ausnahmefall (keine Beförderungs- oder Versendungslieferung).
§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG gilt insbes. für Fälle, in denen die Verfügungsmacht z.B. durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB), durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) oder durch Übergabe von Traditionspapieren (Lagerscheine, Ladescheine, Konnossemente, §§ 444, 475 c, 647 HGB) verschafft wird (Abschn. 3.12. Abs. 6 Satz 1 UStAE; → Verschaffung der Verfügungsmacht).
Nach § 3 Abs. 7 Satz 2 wird in den Fällen des § 3 Abs. 6a und 6b UStG, in denen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, der Lieferort für die Lieferungen, die nicht Beförderungs- oder Versendungslieferungen sind, jeweils durch eine gesetzliche Fiktion bestimmt.
Bei Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gilt die Verfügungsmacht dort als verschafft, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt; bei Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung nachfolgen, dort, wo die Beförderung oder Versendung endet (→ Reihengeschäft).
Hinweis:
Mit dem JStG 2020 wird u.a. in § 3 UStG ein neuer Abs. 3a und ein neuer Abs. 6b eingeführt. Neu geregelt wird in Abs. 3a Satz 1 eine Lieferfiktion. Dabei wird ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands im Gemeinschaftsgebiet durch einen Drittlandsunternehmer unterstützt, als Empfänger und gleichzeitig als Lieferer behandelt (s.u. den Gliederungspunkt »Ort der Warenlieferungen im Gemeinschaftsgebiet eines im Drittland ansässigen Unternehmers über eine elektronische Schnittstelle (§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG)«). In § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG wird entsprechend die Lieferfiktion für den Fernverkauf von aus Drittlandsgebieten eingeführten Gegenständen geregelt (s.u. den Gliederungspunkt »Ort der Lieferung bei Fernverkäufen aus Drittlandsgebieten«).
In den Fällen der Lieferfiktion wird nach § 3 Abs. 6b UStG dem »Schnittstellen-Unternehmer« die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung zugeschrieben.
Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG).Wird der Gegenstand der Lieferung hingegen nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG).
Mit Urteil vom 6.12.2007 (V R 24/05, BStBl II 2009, 490) hat der BFH zur Ortsbestimmung beim Kauf auf Probe entschieden, dass § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG den Leistungsort und damit zugleich auch den Zeitpunkt der Leistung für Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 UStG regelt (Abschn. 3.12. Abs. 7 UStAE). Die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 6 und Abs. 7 UStG setzt deshalb bereits das »Umsatzgeschäft« voraus, das zu einer Lieferung gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG führt. Ob die Versendung/Beförderung zu einer Lieferung führt bzw. ob ein »Gegenstand der Lieferung« (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG) versendet/befördert wird, hängt deshalb davon ab, ob Grundlage der Versendung/Beförderung ein Umsatz i.S.d. UStG ist. Es genügt nicht, dass eine Versendung/ Beförderung – erst bei Hinzutreten weiterer Umstände wie z.B. die Billigung des zugesandten Gegenstandes durch den Kunden – zu einem Umsatz i.S.d. UStG führen könnte.
Bei einem Kauf auf Probe liegt bei Versendung der Waren noch kein Leistungsaustausch vor (Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 5 UStAE; → Verschaffung der Verfügungsmacht). Denn erst mit der Billigung der Waren durch die Kunden steht fest, dass die Kunden die Gegenstände behalten werden und bereit sind, hierfür einen Kaufpreis zu entrichten. Demnach entsteht erst mit der Billigung ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung der Ware und dem Kaufpreis. Bis zur Billigung der Warenlieferung durch die Empfänger dürfen diese nicht wie ein Eigentümer beliebig mit den Waren verfahren, denn es steht noch nicht fest, ob sie die Waren zurückzugeben haben. Damit sind den Empfängern bis zu diesem Zeitpunkt weder Substanz noch Wert der Waren übertragen worden (s.a. Abschn. 13.1. Abs. 6 UStAE).
Da beim Kauf auf Probe noch keine Versendung »des Gegenstandes der Lieferung« stattfindet, bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.
Beachte:
Beim Verkauf auf Probe im Versandhandel ist die Ortsregelung des § 3c UStG nicht anzuwenden, da kein Befördern oder Versenden an den Abnehmer stattfindet. Im Fall einer späteren Lieferung (s. Abschn. 13.1. Abs. 6 UStAE) bestimmt sich Ort und Zeitpunkt der Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Die Lieferung wird im Bestimmungsland ausgeführt.
Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet (→ Inland, → Ausland) in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstandes als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der → Einfuhrumsatzsteuer ist.
Der Lieferort wird nur dann in das Inland verlagert, wenn der aus dem Drittlandsgebiet liefernde Unternehmer oder sein Beauftragter Schuldner der → Einfuhrumsatzsteuer ist. Die Beförderung oder Versendung kann dabei vom Lieferer, vom Abnehmer oder von einem vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten durchgeführt werden (Abschn. 3.13. UStAE).
Beispiel 4:
U1 in Basel (Schweiz) liefert an U2 in Ludwigshafen eine Maschine.
U1 versendet die Maschine »unverzollt und unversteuert« an U2;
U1 versendet die Maschine »verzollt und versteuert« an U2;
U2 holt die Maschine bei U1 in der Schweiz ab und lässt sie für sich in Deutschland zum freien Verkehr abfertigen.
Lösung 4:
§ 3 Abs. 8 UStG ist nur anzuwenden, wenn der Lieferer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist (Fall b). Nur im Fall b) liefert U1 in Deutschland steuerbar (§ 3 Abs. 8 UStG) und stpfl. In den Fällen a) und c) liefert U1 nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nicht steuerbar in der Schweiz. S.a. die Beispiele in Abschn. 3.13. Abs. 2 UStAE.
Schuldner der → Einfuhrumsatzsteuer i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gem. § 5 UStG steuerfrei sind (BFH Urteil vom 21.3.2007, V R 32/05, BStBl II 2008, 153; s.a. BMF vom 1.2.2008, BStBl I 2008, 295). Mit Urteil vom 29.1.2015 (V R 5/14, BStBl II 2015, 567) hat der BFH die Rechtsprechung bestätigt und entschieden, dass Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG die Person ist, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Darauf, dass tatsächlich Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist, kommt es nicht an (s.a. BFH Urteil vom 16.6.2015, XI R 17/13, BStBl II 2015, 1024; Anmerkung vom 29.9.2015, LEXinform 0947216; s.a. Abschn. 3.13. Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Die BFH-Urteile betreffen deutsche Versandhändler, die ihre Kunden in Deutschland über ein Versandlager im Drittland belieferten. Für die Lieferungen, die z.T. nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 EUStBV und Art. 27 ZollbefreiungsVO von der EUSt befreit waren, bestimmten die AGB der Versandhändler, dass die Versendung der Waren im Namen und für Rechnung der Kunden durchgeführt wurden. In der Folge gingen die Versandhändler davon aus, dass die den Sendungen zugrunde liegenden Lieferungen gem. § 3 Abs. 6 UStG im Drittland ausgeführt worden seien.
Der BFH hat entschieden, dass die in den AGB enthaltene Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist und deshalb keine hinreichende Vertretungsmacht gegenüber der Zollverwaltung begründet. »Ein durchschnittlicher Käufer muss auf der Grundlage der in den Katalogen einer Anbieterin abgedruckten AGB nicht damit rechnen, dass er mit seiner Bestellung zugleich eine Erklärung abgeben musste und abgab, durch die er seine Vertragspartnerin, die Warenlieferantin, bevollmächtigte, für ihn gegenüber den deutschen Zollbehörden die Erklärung abzugeben, dass abweichend vom gesetzlichen Regeltatbestand des Art. 201 ZK nicht der Anmelder, sondern der Kunde, der Erwerber der Ware, Schuldner der EUSt sei« (Urteil FG Münster vom 14.1.2014, 15 K 2663/10 U, EFG 2014, 688, LEXinform 5016213, Rechtsausführungen bestätigt durch BFH Urteil vom 29.1.2015, V R 5/14, BStBl II 2015, 567). Da somit die Ware tatsächlich von den Versandhändlern angemeldet worden sei, verlagere sich der Ort der Sendungen über § 3 Abs. 8 UStG nach Deutschland. Das gilt auch für die Kleinsendungen, für die keine Einfuhrumsatzsteuer anfällt. In diesem Sinne hat auch das FG München mit Urteil vom 20.2.2013 (3 K 3346/10, EFG 2013, 1437, LEXinform 5015165) entschieden (bestätigt durch BFH Urteil vom 16.6.2015, XI R 17/13, BStBl II 2015, 1024). Weitere Erläuterungen zu den Urteilen s. unter → Einfuhrumsatzsteuer.
Gelangt im Rahmen eines Reihengeschäfts der Gegenstand der Lieferungen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, kann eine Verlagerung des Lieferorts nach § 3 Abs. 8 UStG nur für die Beförderungs- oder Versendungslieferung in Betracht kommen (Abschn. 3.13. Abs. 2 Satz 3 UStAE; → Reihengeschäft). Dazu muss derjenige Unternehmer, dessen Lieferung im Rahmen des Reihengeschäfts die Beförderung oder Versendung zuzuordnen ist, oder sein Beauftragter zugleich auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein (Abschn. 3.14. Abs. 15 UStAE). S. die ausführliche Kommentierung und die Beispiele zu → Reihengeschäft unter dem Gliederungspunkt »Warenbewegung im Verhältnis zum Drittland« und dort »Warenbewegung beginnt im Drittland und endet im Inland (Einfuhr)«.
Voraussetzung für das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (→ Reihengeschäft, → Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft) ist u.a., dass die hieran beteiligten Unternehmer in jeweils verschiedenen Mitgliedstaaten für Zwecke der USt erfasst sind (§ 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG). Die Ansässigkeit in einem dieser Mitgliedstaaten ist nicht erforderlich; maßgeblich ist vielmehr, dass der Unternehmer unter der USt-IdNr. auftritt, die ihm von einem dieser Mitgliedstaaten erteilt worden ist. Treten mehrere der an dem Dreiecksgeschäft beteiligten Unternehmer unter der USt-IdNr. desselben Mitgliedstaates auf, liegt kein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor (Abschn. 25b.1. Abs. 3 UStAE).
Beispiel 5:
U1 lässt den Gegenstand bei Grenzübertritt in Frankreich für sich zum freien Verkehr abfertigen und liefert den Gegenstand in Mannheim bei U3 aus.
Lösung 5:
Es handelt sich um ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nach § 25b Abs. 1 UStG.
Der Ort der Lieferung des U1 an U2 gilt nach § 3 Abs. 8 UStG als im Einfuhrland Frankreich gelegen. Die Lieferung des U1 ist als innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 und 3 UStG) steuerfrei. Der innergemeinschaftliche Erwerbe des U2 in Luxemburg gilt als versteuert (§ 25b Abs. 3 UStG).
U2 liefert in Deutschland steuerbar (§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG) und stpfl. An U3. Dieser übernimmt nach § 25b Abs. 2 UStG die Steuerschuld und ist nach Maßgabe von § 25b Abs. 5 UStG insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Mit Art. 14 Nr. 4 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird § 3c UStG für Umsätze ab dem 1.7.2021 geändert. Durch die Änderung wird Art. 2 Nr. 1, 3 bis 5 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der MwStSystRL und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (Abl. L 348 vom 29.12.2017, 7), mit dem Art. 14 Abs. 4 angefügt, Art. 33 geändert, Art. 34 gestrichen und Titel V Kapitel 3a der MwStSystRL neu eingefügt wurde, umgesetzt (BR-Drs. 503/20, 148).
Mit Schreiben vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629) nimmt das BMF Stellung zur Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets und fügt dabei u.a. Abschn. 3c.1. UStAE neu ein.
Zum Anwendungsbereich sowie zum Anwendungsausschluss des § 3c UStG s. die folgende Übersicht.
Anwendungsbereich und Anwendungsausschluss des § 3c UStG § 3c UStG |
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Abs. 1 |
Abs. 2 |
Abs. 3 |
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Innergemeinschaftlicher Fernverkauf |
Einfuhr-Fernverkauf |
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Ortsverlagerung der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs. Zur Definition des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs s. Abschn. 3c.1. Abs. 2 UStAE. |
Ortsverlagerung der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands aus dem Drittlandsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Warenbewegung des Gegenstands an den Erwerber endet. |
Ortsverlagerung der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands aus dem Drittlandsgebiet in den Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung des Gegenstands an den Erwerber endet. S. die Beispiele 1 bis 5 zu Abschn. 3c.1. Abs. 4 UStAE. |
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Ort ist dort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Warenbewegung an den Erwerber befindet (Abschn. 3c.1. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 UStAE). |
Ortsverlagerung in den Mitgliedstaat der Beendigung der Warenbewegung |
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Ist Erwerber eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person (s.o.), ist der Erwerberkreis auf diejenigen Personen beschränkt, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreiten noch auf ihre Anwendung verzichten (§ 3c Abs. 1 Satz 3 UStG; → Innergemeinschaftlicher Erwerb). Unter den weiteren Voraussetzungen des § 3c Abs. 4 UStG ist die Ortsverlagerung des Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn der leistende Unternehmer den Schwellenwert i.H.v. 10 000 € nicht überschritten hat. Es verbleibt bei der Regelung des § 3 Abs. 6 UStG (Abschn. 3c.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Der Unternehmer kann auf die Anwendung der Umsatzsteuerschwelle verzichten (s.u. den Gliederungspunkt »Innergemeinschaftliche Fernverkäufe i.S.d. § 3c Abs. 1 UStG«). S. die Beispiele 1 bis 5 zu Abschn. 3c.1. Abs. 1 UStAE. |
S. das Beispiel zu Abschn. 3c.1. Abs. 3 UStAE. |
• |
wenn die Steuer auf diesen Gegenstand gem. dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist (Abschn. 3c.1. Abs. 4 Satz 1 UStAE; → Voranmeldung) oder |
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bei einem Fernverkauf nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG für die Lieferung, der die Warenbewegung des Gegenstandes gem. § 3 Abs. 6b UStG zugeschrieben wird |
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– |
auch wenn die Steuer auf diesen Gegenstand nicht gem. dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist und |
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ein Unternehmer oder dessen Beauftragte Schuldner der EUSt für die Einfuhr des Gegenstands ist (Abschn. 3c.1. Abs. 4 Satz 2 UStAE). |
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In § 3c Abs. 5 UStG wird geregelt, dass es zu keiner Verlagerung des Orts der Lieferung an den Bestimmungsort kommt, wenn ein neues Fahrzeug geliefert oder für die Lieferung eines Gegenstands die Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 1 oder 2 UStG angewendet wird oder wenn verbrauchsteuerpflichtige Waren an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person geliefert werden (Abschn. 3c.1. Abs. 5 UStAE). |
Mit Änderung des § 3c UStG durch das JStG 2020 wird in § 3c Abs. 1 UStG die Ortsbestimmung für innergemeinschaftliche Fernverkäufe geregelt. Nach § 27 Abs. 33 UStG n.F. ist die Vorschrift des § 3c Abs. 1 UStG erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden.
Der innergemeinschaftliche Fernverkauf ist in Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL sowie in § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG wie folgt definiert:
»Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete an den Erwerber – unter direkter oder indirekter Beteiligung des Lieferers – befördert oder versandt wird« (Abschn. 3c.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Erwerber ist (§ 3c Abs. 1 Satz 3 UStG)
ein in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneter Empfänger:
kein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird,
keine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist,
keine juristische Person, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig ist, bei der die Leistung nicht ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals oder eines Gesellschafters bestimmt ist;
eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person (kein »Vollunternehmer«):
ein Unternehmer, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen,
ein Unternehmer, für dessen Umsätze Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird,
ein Unternehmer, der den Gegenstand zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG festgesetzt ist, oder
eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Die vorgenannten Personen dürfen weder die maßgebliche Erwerbsschwelle überschritten noch auf ihre Anwendung verzichtet haben; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend (Abschn. 3c.1. Abs. 2 Satz 3 ff. UStAE). Zu den Erwerbsschwellen in den EU-Mitgliedstaaten s. Abschn. 3.18. Abs. 4 Satz 7 UStAE.
Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gem. dem Bestimmungslandprinzip an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den o.g. Erwerber (§ 3c Abs. 1 Satz 3 UStG) befindet, sofern nicht der Ausschlusstatbestand des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG greift (Abschn. 3c.1. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Beachte:
Der Transport der Ware darf nicht durch die Abnehmer veranlasst werden. In diesem Fall ist der Lieferort nach § 3 Abs. 6 UStG zu bestimmen.
Nach der Definition des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs in § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG muss der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates an den Erwerber befördert oder versendet werden.
Nach der Änderung des § 3c UStG durch das JStG 2020 fällt auch eine Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist, in den Anwendungsbereich der Ortsvorschrift des § 3c Abs. 1 UStG (Art. 5a EU-VO 282/2011; § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG).
Folgende Fälle sind entsprechend Art. 5a EU-VO 282/2011 als indirekte Beteiligung des Lieferers am Versand oder der Beförderung der Gegenstände anzusehen:
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände wird vom Lieferer als Unterauftrag an einen Dritten vergeben, der die Gegenstände an den Erwerber liefert;
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände erfolgt durch einen Dritten, der Lieferer trägt jedoch entweder die gesamte oder die teilweise Verantwortung für die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber;
der Lieferer stellt dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung, zieht diese ein und leitet sie dann an einen Dritten weiter, der die Versendung oder Beförderung der Waren übernimmt;
der Lieferer bewirbt in jeglicher Weise gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten, stellt den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten her oder übermittelt einem Dritten auf andere Weise die Informationen, die dieser für die Zustellung der Gegenstände an den Erwerber benötigt (Abschn. 3c.1. Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abschn. 3.18. Abs. 4 Satz 8 UStAE).
In § 3c Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Satz 2 UStG wird geregelt, dass es zu keiner Verlagerung des Orts der Lieferung an den Bestimmungsort kommt, wenn
ein neues Fahrzeug geliefert oder
für die Lieferung eines Gegenstands die Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 1 oder 2 UStG angewendet wird oder
die Lieferung eines Gegenstands, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird oder
verbrauchsteuerpflichtige Waren an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person geliefert werden (Abschn. 3c.1. Abs. 5 UStAE).
Beachte:
Die Ausschlussregelung des § 3c Abs. 5 UStG gilt für die Absätze 1 bis 3 des § 3c UStG (s.u. das Beispiel 16).
Beispiel 6:
Unternehmer D aus Landau in der Pfalz betreibt ein Möbelgeschäft. Der französische Privatmann F erwirbt bei D ein komplettes Schlafzimmer, das F von einem von ihm beauftragten französischen Frachtführer in Landau abholen lässt. D hat den maßgeblichen Schwellenwert von insgesamt 10 000 € überschritten (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG; s. den nachfolgenden Gliederungspunkt).
Lösung 6:
D tätigt einen steuerbaren Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Der Ort der Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG und befindet sich in Landau. § 3c Abs. 1 UStG kommt nicht zur Anwendung, da nicht der Lieferer D, sondern der Abnehmer F die Versendung veranlasst. Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG liegt somit nicht vor. Der Umsatz ist auch stpfl. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nicht vor, da der Abnehmer F kein Unternehmer ist und nicht der Erwerbsbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG).
Abwandlung 1:
D lässt die Möbel vereinbarungsgemäß mit eigenem Lkw nach Frankreich zu F transportieren.
Lösung Abwandlung 1:
§ 3c Abs. 1 UStG ist erfüllt, da nun der Lieferer den Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befördert hat und F ein Erwerber i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG ist (Privatmann). Die Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung endet. D muss seinen steuerlichen Pflichten im Bestimmungsland Frankreich nachkommen.
Abwandlung 2:
Die Möbel werden durch eine Spedition zum Kunden transportiert. D stellt dem Kunden F die Transportkosten in Rechnung und leitet sie nach der Zahlung an die Spedition weiter.
Lösung Abwandlung 2:
Da D seinem Kunden F die Transportkosten berechnet und der Spedition weiterleitet, ist von einer indirekten Beteiligung am Transport auszugehen und es liegt ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf von Gegenständen vor. Der Lieferort verlagert sich damit nach § 3c Abs. 1 UStG nach Frankreich, wenn D die Umsatzschwelle von 10 000 € überschreitet oder überschritten hat (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG) bzw. auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG verzichtet (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG; s. das Beispiel in Abschn. 3c.1. Abs. 2 UStAE).
Beispiel 7:
Unternehmer U aus Mannheim liefert PC-Systeme an den Unternehmer P aus Paris. P ist Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG und kein Erwerber i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG. Die PC-Systeme sind für das Unternehmen des P bestimmt.
Lösung 7:
Bei Lieferungen an Abnehmer, die nicht in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannt sind, wird der Ort nicht nach § 3c Abs.1 UStG bestimmt. P ist kein Erwerber i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG. Der Ort der Lieferung des U ist nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG Mannheim und damit ist die Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG ist die Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. In Frankreich stellt der Erwerb der PC-Systeme einen innergemeinschaftlichen Erwerb dar und unterliegt bei P der französischen Erwerbsbesteuerung.
Nach § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG ist eine Umsatzschwelle von 10 000 € im vorangegangenen und im laufenden Kj. maßgeblich (Art. 59c Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL). § 3c Abs. 1 UStG ist nicht anwendbar, wenn der Schwellenwert von 10 000 € nicht überschritten wird bzw. wenn der Unternehmer nicht auf dessen Anwendung verzichtet hat (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG; Abschn. 3c.1. Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE). Diese Umsatzschwelle von 10 000 € wurde bereits durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) in § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG eingeführt (→ Sonstige Leistung unter dem Gliederungspunkt »Ortsverlagerung für sonstige Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 UStG«).
Der Schwellenwert von 10 000 € i.S.d. § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG setzt sich zusammen aus
dem Gesamtbetrag der Entgelte der in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer sowie
den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG (s.a. Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStAE).
Beispiel 8:
Ein deutscher Versandhändler liefert auch in das EU-Ausland. Die Umsätze in Dänemark betragen 7 000 € und in Schweden 6 500 €.
Lösung 8:
Nach § 3c Abs. 1 UStG handelt es sich bei den Umsätzen des Versandhändlers an Privatkunden um einen innergemeinschaftlichen Fernverkauf i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG, da die Gegenstände durch den Lieferer aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Deutschland) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Dänemark und Schweden) an den Erwerber befördert oder versendet werden. Die Erwerber in den jeweiligen Mitgliedstaaten sind Privatpersonen und in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG als solche aufgeführt.
Die Ortsregelung des § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG ist anzuwenden, da der leistende Unternehmer seinen Sitz in nur einem Mitgliedstaat (Deutschland) hat und der Gesamtbetrag der Entgelte an die Empfänger in anderen Mitgliedstaaten insgesamt 10 000 € überschreitet. Als Ort der Lieferung der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe gelten die Orte, an denen sich die Gegenstände bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an die Erwerber befinden. Der deutsche Versandhändler tätigt somit sowohl in Dänemark als auch in Schweden steuerpflichtige Umsätze.
Hinweis:
Der deutsche Versandhändler kann u.a. für innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG, die er nach dem 30.6.2021 erbringt, auf Antrag das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG anwenden. Im Inland ansässige Unternehmer können die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur im Inland anzeigen (§ 18j Abs. 2 Satz 2 UStG). Zu den besonderen Besteuerungsverfahren s. → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Besondere Besteuerungsverfahren – One-stop-shop und Import-one-stop-shop – ab 1.7.2021« und dort den Gliederungspunkt »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG n.F.«.
Die Änderung von § 3a Abs. 5 UStG führte dazu, dass bei Telekommunikationsdienstleistungen, bei Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die von einem Unternehmer, der über eine Ansässigkeit in nur einem Mitgliedstaat verfügt, an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, der Leistungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt (Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder Betriebsstätte, von der die sonstige Leistung ausgeführt wird), wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten sonstigen Leistungen insgesamt 10 000 € im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat und im laufenden Kj. nicht überschreitet (Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStAE).
Mit dem JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird durch die Neufassung des § 3a Abs. 5 Satz 3 sowie des § 3c Abs. 4 UStG die Regelung auf innergemeinschaftliche Fernverkäufe erweitert. Innergemeinschaftliche Fernverkäufe werden neben den Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer erbracht werden, in die Berechnung des Schwellenwerts i.H.v. 10 000 € einbezogen (s. Art. 59c MwStSystRL ab 1.1.2021). Die entsprechende Änderung von § 3a Abs. 5 und § 3c UStG führt dazu, dass bei Telekommunikationsdienstleistungen, bei Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die von einem im Inland ansässigen Unternehmer, der über keine (weitere) Ansässigkeit im übrigen Gemeinschaftsgebiet verfügt, an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, der Leistungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt (Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder Betriebsstätte, von der die sonstige Leistung ausgeführt wird), und bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen der Lieferungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG bestimmt, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten Leistungen den Betrag von 10 000 € im laufenden Kj. nicht überschreitet und im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat (BR-Drs. 503/20, 147 f.).
Der leistende Unternehmer kann auf die Anwendung dieser Umsatzschwelle verzichten (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG) mit der Folge, dass sich der Leistungsort der bezeichneten sonstigen Leistungen stets an dem Ort befindet, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat, bzw. der Lieferungsort der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe stets an dem Ort befindet, wo die Beförderung oder Versendung endet. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für mindestens zwei Kj.
Beispiel 9:
Der deutsche Versandhändler hat im Kj. 22 Elektrogeräte an Privatabnehmer in den Niederlanden ohne USt-IdNr. für 9 500 € (Gesamtbetrag der Entgelte) geliefert. In der Zeit vom 1.1.23 bis zum 10.9.23 beträgt der Gesamtbetrag der Entgelte für Versandhandelsumsätze in den Niederlanden 9 900 €. Am 11.9.23 erbringt er einen weiteren Umsatz an eine niederländische Privatperson von 500 €.
Lösung 9:
Die Umsatzschwelle des Art. 59c MwStSystRL (§ 3c Abs. 4 UStG) beträgt 10 000 €. Bereits für den am 11.9.23 ausgeführten Umsatz verlagert sich der Lieferort in die Niederlande (§ 3c Abs. 1 UStG; s. Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStAE).
Beispiel 10:
Ein Arzt aus Edenkoben (A) tätigt nur Umsätze gem. § 4 Nr. 14 UStG. Er erwirbt im Kj. 23 in Frankreich folgende Wirtschaftsgüter:
von U1 medizinische Geräte für seine Praxis i.H.v. 12 450 €,
von U2 eine Kiste Wein für 60 € und
von U3 ein neues Fahrzeug für 15 000 €.
Der Arzt holt alle Waren persönlich in Frankreich ab.
Lösung 10:
Die französischen Unternehmer tätigen keinen innergemeinschaftlichen Fernverkauf i.S.d. Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL (§ 3c Abs. 1 Satz 2 UStG), da die Gegenstände nicht durch die jeweiligen französischen Lieferer, sondern durch den Abnehmer befördert oder versendet werden. Für die Lieferungen der französischen Unternehmer kommt die Ortsvorschrift des Art. 33 i.V.m. Art. 59c MwStSystRL (§ 3c Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG) nicht zur Anwendung. Der Ort der Lieferungen bestimmt sich nach Art. 32 MwStSystRL (§ 3 Abs. 6 UStG) und befindet sich in Frankreich.
A zählt zu den Unternehmern i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG, da er nur steuerfreie Umsätze tätigt, die zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führen (kein Vollunternehmer). A hat im Kj. 23 für insgesamt 27 510 € Gegenstände aus einem EU-Staat bezogen. Es ist nach § 1a UStG die Versteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs zu prüfen.
Für A ist gem. § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG die Erwerbsschwelle anwendbar. Nach § 1a Abs. 5 UStG gilt die Erwerbsschwelle allerdings nicht für den Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Wein). Verbrauchsteuerpflichtige Waren sind nach § 1a Abs. 5 Satz 2 UStG Mineralöle, Alkohol, alkoholische Getränke und Tabakwaren. Zu den alkoholischen Getränken gehört z.B. auch der Wein, obwohl dieser in Deutschland nicht verbrauchsteuerpflichtig ist. Unter die Erwerbsschwelle fällt daher nur die Anschaffung der medizinischen Geräte i.H.v. 12 450 €. Dieser Erwerb überschreitet folglich nicht die Erwerbsschwelle von 12 500 €. Eine eventuelle Erwerbsbesteuerung ist von dem zu erwartenden Erwerben zu Beginn des Kj. 23 abhängig. Liegt dabei die Erwartung über 12 500 €, so handelt es sich bei der Anschaffung der medizinischen Geräte um einen innergemeinschaftlichen Erwerb. Lag die Erwartung unter 12 500 €, so handelt es sich grds. um keinen innergemeinschaftlichen Erwerb. A hat allerdings die Möglichkeit, auf die Anwendung der Erwerbsschwelle zu verzichten. Diese Entscheidung muss A aber beim ersten innergemeinschaftlichen Erwerb treffen und ist dann daran für zwei Jahre gebunden. Verzichtet A nicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle, so unterliegt der Umsatz in Frankreich der französischen USt. U1 tätigt in Frankreich eine stpfl. Lieferung.
Bei der Anschaffung des Weines hängt die Frage der Erwerbsbesteuerung nicht von der Erwerbsschwelle, sondern lediglich davon ab, ob A den Wein für sein Unternehmen erworben hat. Verwendet A den Wein für unternehmerische Zwecke, so kommt es auf der Seite des A zu einem im Inland steuerbaren und stpfl. innergemeinschaftlichen Erwerb. Für U2 läge in diesem Fall eine in Frankreich steuerbare, aber steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor.
Hat A dagegen die Kiste Wein für private Zwecke erworben, so liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Die Lieferung ist in Frankreich steuerbar und stpfl.
Der Erwerb des neuen Fahrzeugs fällt nicht unter die Erwerbsschwelle und unterliegt davon unabhängig immer der Erwerbsbesteuerung. Wird der Pkw unternehmerisch genutzt, richtet sich die Erwerbsbesteuerung nach § 1a UStG. Hat er den Pkw zu privaten Zwecken erworben, richtet sich die Erwerbsbesteuerung nach § 1b UStG.
Beispiel 11:
Sachverhalt s. Beispiel 10. A holt die Gegenstände nicht in Frankreich ab, sondern die französischen Unternehmer versenden die Gegenstände an den Arzt.
Lösung 11:
Anschaffung der medizinischen Geräte:
Fällt die Anschaffung der medizinischen Geräte wegen Unterschreitens der Erwerbsschwelle nicht unter § 1a UStG (kein innergemeinschaftlicher Erwerb), so ist § 3c Abs. 1 UStG zu überprüfen.
Es handelt sich um einen innergemeinschaftlichen Fernverkauf i.S.d. Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL durch den französischen Unternehmer U1 (§ 3c Abs. 1 Satz 2 UStG). Der Arzt ist ein Erwerber i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG (Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL), da er die maßgebliche Erwerbsschwelle des § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG i.H.v. 12 500 € nicht überschreitet und auch nicht auf deren Anwendung verzichtet hat (s.a. Abschn. 3c.1. Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Die Anwendung des § 3c Abs. 1 UStG ist von dem Schwellenwert des französischen Unternehmers abhängig. Der Schwellenwert beträgt in allen Mitgliedstaaten einheitlich 10 000 € (Art. 59c MwStSystRL; § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG).
Hat U1 die »Lieferschwelle« von 10 000 € überschritten bzw. auf deren Anwendung verzichtet, gilt die Versendungslieferung als in Deutschland ausgeführt (Art. 33 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL; § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG). U1 muss die Lieferung in Deutschland versteuern.
Hat U1 die »Lieferschwelle« von 10 000 € nicht überschritten und auch nicht auf deren Anwendung verzichtet, tätigt U1 in Frankreich eine steuerbare und stpfl. Lieferung (Art. 32 MwStSystRL, § 3 Abs. 6 UStG). Art. 33 Buchst. a MwStSystRL (§ 3c Abs. 1 UStG) ist nach Art. 59c Abs. 1 MwStSystRL (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG) nicht anzuwenden. U1 stellt A französische USt in Rechnung. Diese Regelung gilt dann, wenn für A kein innergemeinschaftlicher Erwerb gegeben ist. In diesem Fall ist die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung des U1 nicht erfüllt.
Fällt die Anschaffung der medizinischen Geräte unter § 1a UStG (innergemeinschaftlicher Erwerb), so kommt § 3c Abs. 1 UStG nicht zur Anwendung. A ist kein Erwerber i.S.d § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG, da er die Erwerbsschwelle von 12 500 € überschritten hat. U1 tätigt eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Frankreich und A muss die Anschaffung in Deutschland versteuern (→ Innergemeinschaftlicher Erwerb).
Anschaffung der Kiste Wein:
Wenn der Arzt dem französischen Unternehmer U2 keine USt-IdNr. mitteilt, kann U2 davon ausgehen, dass A den Wein nicht für sein Unternehmen erworben hat. Die Lieferung des Weines erfolgt damit an einen in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneten Empfänger (Privatperson). Da auch der Wein durch den Lieferer U2 von Frankreich nach Deutschland an den Empfänger befördert oder versendet wird, liegt ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG vor. Nach § 3c Abs. 1 Satz 1 würde der Ort der Lieferung in Deutschland liegen, da dort die Warenbewegung endet.
Für die Weinlieferung an die Privatperson liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Allerdings gilt der Schwellenwert des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG i.H.v. 10 000 € auch für verbrauchsteuerpflichtige Waren. Wenn U2 den Schwellenwert für die Umsätze in § 3a Abs. 5 Satz 2 und § 3c Abs. 1 UStG i.H.v. 10 000 € überschritten hat, gilt die Ortsregelung des § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG mit der Folge, dass U2 die Lieferung in Deutschland versteuern muss.
Ist der Schwellenwert i.H.v. 10 000 € nicht überschritten, ist nach § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG die Ortsvorschrift des § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG nicht anzuwenden. Die Weinlieferung ist in Frankreich ausgeführt (§ 3 Abs. 6 UStG; Art. 32 MwStSystRL).
Für die Weinlieferung für unternehmerische Zwecke ist der Arzt ein Erwerber i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG, da er eine Person i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG ist, die die maßgebliche Erwerbsschwelle nicht überschritten hat. Die Erwerbsschwelle gilt nicht für verbrauchsteuerpflichtige Waren. Falls U2 mit seinen in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichneten Leistungen sowie der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe (inkl. der Lieferungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren) in allen anderen Mitgliedstaaten die Schwelle von 10 000 € überschritten hat, wäre der Ort der Weinlieferung nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG zu bestimmen und wäre in Deutschland belegen. Damit müsste der Arzt in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb und U2 in Deutschland seine Weinlieferung versteuern. Um diese Doppelbesteuerung zu verhindern, ist in § 3c Abs. 5 Satz 2 UStG bestimmt, dass bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren u.a. der Abs. 1 nicht für Lieferungen an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person gilt. Danach befindet sich der Ort der Weinlieferung in Frankreich. U2 tätigt in Frankreich eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG) und der Arzt in Deutschland einen stpfl. innergemeinschaftlichen Erwerb.
Anschaffung neues Fahrzeug:
Der Erwerb des neuen Fahrzeugs fällt immer unter die Regelung des innergemeinschaftlichen Erwerbs, sodass die Ortsregelung des § 3c UStG niemals zur Anwendung kommt (§ 3c Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG). Das gilt sowohl für Erwerber i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG (Privatpersonen) als auch für solche i.S.d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG. Privatpersonen unterliegen dem innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1b UStG, andere Erwerber müssen den innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a UStG versteuern.
Beispiel 12:
Ein im Inland ansässiger Händler veräußert über die eigene Internetseite einen Fernseher an eine Privatperson in Frankreich. Die Ware wird aus seinem Lager im Inland an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet. Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle von 10 000 € nicht und verzichtet nicht auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG).
Lösung 12:
S. das Beispiel 1 zu Abschn. 3c.1. Abs. 1 UStAE.
Die Lieferung des Händlers an die Privatperson ist gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG im Inland steuerbar und steuerpflichtig. § 3c Abs. 1 UStG ist nach § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anzuwenden, weil der Händler nur in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist und die Umsatzschwelle nicht überschreitet.
Beispiel 13:
Ein im Inland ansässiger Händler H veräußert über die eigene Internetseite Handyzubehör an Privatpersonen im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Die Ware wird von seinem Betriebssitz in Deutschland und aus seinem Lager in Frankreich an den Wohnsitz der Privatpersonen versendet. Die Umsatzschwelle für die Lieferungen von seinem Betriebssitz in Deutschland beträgt 9 000 €, die Umsatzschwelle für seine Verkäufe aus dem Warenlager in Frankreich beträgt 20 000 €.
Lösung 13:
S.a. das Beispiel 5 zu Abschn. 3c.1. Abs. 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629).
Der MwSt-Ausschuss hat am 29.4.2021 Leitlinien zur Berechnung des Schwellenwerts nach Art. 59c Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL veröffentlicht (EU-Kommission 19.4.2021, taxud.c.1(2021)8354974 – 1021, SIS 21 21 38).
Für die Berechnung des Schwellenwerts sind folgende Konstellationen zu beachten:
Fall a:
»Der MwSt-Ausschuss ist fast einstimmig der Auffassung, dass im Fall, wenn ein Stpfl. in einem anderen Mitgliedstaat ein Warenlager unterhält und dieses Warenlager als feste Niederlassung gilt, der Schwellenwert von 10 000 € gem. Art. 59c Abs. 1 Buchst. c der MwSt-Richtlinie im Mitgliedstaat der Niederlassung nicht angewandt werden kann, da der Stpfl. nicht mehr als in nur einem Mitgliedstaat ansässig angesehen werden kann.«
Auf die Lieferungen des Händlers an die Privatpersonen ist § 3c Abs. 1 UStG anzuwenden. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: im übrigen Gemeinschaftsgebiet). Der Händler kann das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1. UStAE; → Voranmeldung) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat der Händler den Umsatz im jeweiligen Bestimmungsland im allgemeinen Besteuerungsverfahren (Art. 250 bis 261 MwStSystRL) zu erklären und muss sich dafür im jeweiligen Bestimmungsland für Umsatzsteuerzwecke registrieren.
Fall b:
»Der MwSt-Ausschuss ist fast einstimmig der Auffassung, dass für die Berechnung des Schwellenwerts im Mitgliedstaat der Niederlassung von 10 000 € nur Fernverkäufe aus dem Mitgliedstaat der Niederlassung zu berücksichtigen sind. Fernverkäufe aus einem anderen Mitgliedstaat, in dem der Lieferer ein Warenlager unterhält, werden daher nach fast einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses nicht berücksichtigt, sofern dieses Warenlager nicht als feste Niederlassung gilt.«
Die deutsche Finanzverwaltung nimmt in Abschn. 6b.1. Abs. 2 Satz 3 und 4 UStAE zur Ansässigkeit eines Unternehmers im Zusammenhang mit der Konsignationslagerregelung wie folgt Stellung:
»Bereits ein im Eigentum des Unternehmers befindliches Lager oder ein durch den Unternehmer angemietetes oder gepachtetes Lager, das mit eigenen Mitteln (z.B. mit eigenem Personal) aus dem Bestimmungsmitgliedstaat betrieben wird, begründet eine solche Ansässigkeit. Eine alleinige Registrierung für mehrwertsteuerliche Zwecke im Bestimmungsmitgliedstaat begründet jedoch noch keine Ansässigkeit.«
Da der Unternehmer seinen Sitz nur in einem Mitgliedstaat hat und der Gesamtbetrag der Entgelte der Fernverkäufe i.H.v. 29 000 € den Schwellenwert i.S.d. § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG von 10 000 € übersteigt, ist § 3c Abs. 1 UStG anzuwenden. Zur weiteren Lösung s.o. Fall a).
Durch die Änderung des § 3c UStG wird Art. 2 Nr. 1, 3 bis 5 und 7 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der MwStSystRL und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl. L 348 vom 29.12.2017, 7), mit dem Art. 14 Abs. 4 MwStSystRL angefügt und Art. 33 MwStSystRL geändert wurde, umgesetzt.
Für die Ortsbestimmung der Lieferung beim Fernverkauf sind zu unterscheiden
Fernverkäufe von aus Drittlandsgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen (Art. 14 Abs. 4 Nr. 2 MwStSystRL; § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG) sowie
innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen (Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL; s. den vorherigen Gliederungspunkt).
Ein Fernverkauf ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber (s.u.) in einem Mitgliedstaat befördert oder versandt wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist (§ 3 Abs. 3a Satz 4 sowie § 3c Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 UStG; s.a. Art. 14 Abs. 4 Nr. 2 MwStSystRL; Abschn. 3.18 Abs. 4 sowie Abschn. 3c.1. Abs. 3 UStAE).
Folgende Fälle sind entsprechend Art. 5a EU-VO 282/2011 als indirekte Beteiligung des Lieferers am Versand oder der Beförderung der Gegenstände anzusehen (Abschn. 3.18. Abs. 4 Satz 8 sowie Abschn. 3c.1. Abs. 3 Satz 2 UStAE):
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände wird vom Lieferer als Unterauftrag an einen Dritten vergeben, der die Gegenstände an den Erwerber transportiert oder transportieren lässt;
die Versendung oder Beförderung der Gegenstände erfolgt durch einen Dritten, der Lieferer trägt jedoch entweder die gesamte oder die teilweise Verantwortung für die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber;
der Lieferer stellt dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung, zieht diese ein und leitet sie dann an einen Dritten weiter, der die Versendung oder Beförderung der Waren übernimmt;
der Lieferer bewirbt in jeglicher Weise gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten, stellt den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten her oder übermittelt einem Dritten auf andere Weise die Informationen, die dieser für die Zustellung der Gegenstände an den Erwerber benötigt (s. BR-Drs. 503/20, 146 f.).
Erwerber ist (§ 3 Abs. 3a Satz 5 sowie § 3c Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 UStG; Abschn. 3.18. Abs. 4 Satz 4 ff. sowie Abschn. 3c.1. Abs. 2 Satz 3 bis 6 und Abs. 3 Satz 2 UStAE)
ein in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneter Empfänger (Nichtunternehmer):
kein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird,
keine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist,
keine juristische Person, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig ist, bei der die Leistung nicht ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals oder eines Gesellschafters bestimmt ist (s.a. Abschn. 3a.1. Abs. 1 Satz 1 UStAE);
eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person:
ein Unternehmer, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen,
ein Unternehmer, für dessen Umsätze Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird (→ Kleinunternehmer),
ein Unternehmer, der den Gegenstand zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG festgesetzt ist (→ Land- und Forstwirtschaft), oder
eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Die vorgenannten Personen dürfen weder die maßgebliche Erwerbsschwelle überschritten noch auf ihre Anwendung verzichtet haben; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend (Abschn. 3c.1. Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 bis 6 sowie Abschn. 3.18. Abs. 4 Satz 4 bis 8 UStAE).
Die Ortsregelung der Fernverkäufe aus dem Drittlandsgebiet ist davon abhängig, ob der Fernverkauf durch einen Schnittstellen-Unternehmer unterstützt wird und die eingeführten Gegenstände in Sendungen höchstens 150 € betragen (§ 3 Abs. 3a Satz 2 UStG). Der Ort der fiktiven Lieferung des Schnittstellen-Unternehmers richtet sich dann nach § 3c Abs. 3 UStG; Art. 33 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL). In anderen Fällen bestimmt sich der Ort der Lieferung bei Fernverkäufen aus Drittländern entweder nach § 3c Abs. 2 oder Abs. 3 UStG (Art. 33 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) oder nach § 3 Abs. 8 UStG (Art. 32 Abs. 2 MwStSystRL).
Die Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG ist nur anzuwenden, wenn der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt.
Die Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.
Beispiel 14:
Unternehmer Chi aus China handelt mit Computerteilen. Er verkauft die Produkte über die Internetseiten von Amazon Services Europe s.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg entsprechend den Bedingungen »Verkauf und Versand durch den Händler«. Chi bietet seine Waren auf dem Amazon-Marktplatz an und versendet sie selbst von China aus an die Kunden in Deutschland. Chi lässt die Gegenstände in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche EUSt. Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) nimmt das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht in Anspruch.
Der Wert der Gegenstände in den jeweiligen Sendungen
beträgt höchstens 150 €
übersteigt den Wert von 150 €.
Lösung 14:
Fall a)
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG anzuwenden, da
Amazon mittels seiner elektronischen Schnittstelle
den Fernverkauf
von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen
in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €
unterstützt (s.a. Abschn. 3.18. Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE).
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a Satz 2 i.V.m. Satz 1 UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG; Art. 36b MwStSystRL; Abschn. 3.18. Abs. 2 Satz 6 UStAE).
Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG würde die bewegte Lieferung des Schnittstellenbetreibers dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Da die Versendung an die Kunden des Chi in China beginnt, wäre die fiktive Lieferung des Schnittstellenbetreibers in China nicht steuerbar.
Um diese Besteuerungslücke für Umsätze ab dem 1.7.2021 zu verhindern, bestimmt sich der Ort der Lieferung in den Fällen des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG für die bewegte Lieferung nach § 3c Abs. 3 Satz 3 UStG. Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet (China) in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet (Deutschland), eingeführt wird, in diesen Mitgliedstaat (Deutschland). Die Lieferung des Schnittstellenbetreibers (Amazon) gilt somit in Deutschland als ausgeführt und ist steuerbar und stpfl.
Die Lieferung des Unternehmers Chi aus China ist somit die ruhende Lieferung. Der Ort dieser Lieferung, die der bewegten Lieferung vorangeht, bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG. Der Ort der Lieferung des Chi befindet sich in China, da dort die Versendung beginnt.
Wenn Chi Schuldner der EUSt ist, käme es nicht zu einer Verlagerung des Lieferorts nach Deutschland nach § 3 Abs. 8 UStG, da die Lieferung des Chi an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) unbewegt ist und der Betreiber der elektronischen Schnittstelle nicht die EUSt schuldet.
Zum Abzug der EUSt als Vorsteuer ist Chi nicht berechtigt, da er eine ruhende Lieferung in Südkorea bewirkt und daher die anschließende Einfuhr im Zuge der bewegten Lieferung nicht für sein Unternehmen ausgeführt wird (s. Abschn. 15.8. Abs. 4 UStAE). Vorsteuerabzugsberechtigt ist der Betreiber der elektronischen Schnittstelle, der die bewegte Lieferung ausführt und dabei so zu behandeln ist, als ob er den Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Voraussetzung ist, dass Chi ihm den Beleg für den Vorsteuerabzug aushändigt (vgl. Abschn. 15.8. Abs. 7 UStAE sowie Abschn. 3c.1. Abs. 4 Satz 2 UStAE und dort das Beispiel 5).
S.o. die Übersicht unter dem Gliederungspunkt »Anwendungsbereich und Anwendungsausschluss des § 3c UStG«.
Beachte:
§ 3c Abs. 3 Satz 1 UStG verlagert den Ort der Lieferung eines Fernverkaufs eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in den EU-Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet, eingeführt wird, in diesen EU-Mitgliedstaat, sofern die Steuer auf diesen Gegenstand gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist (Abschn. 3c.1. Abs. 4 UStAE).
Bei einem Fernverkauf nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG wird durch § 3c Abs. 3 Satz 3 UStG sichergestellt, dass die Ortsverlagerung i.S.d. § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG auch dann eintritt, wenn der Umsatz nicht in dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist sowie ein Unternehmer oder dessen Beauftragter Schuldner der EUSt sein sollte (Abschn. 3c.1. Abs. 4 Satz 2 UStAE und dort das Beispiel 5).
Hinweis:
Zur Kommentierung des besonderen Besteuerungsverfahrens nach § 18k UStG s. → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG n.F.«.
Zur Anwendung des § 18k UStG und zum Abzug der EUSt s. → Einfuhrumsatzsteuer und dort den Gliederungspunkt »Regelung ab 1.7.2021 zur Anwendung der §§ 18 und 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG«.
Fall b)
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG nicht anzuwenden, da der Sachwert der eingeführten Gegenstände 150 € übersteigt. Da die Lieferfiktion für den Schnittstellenbetreiber nicht gilt, tätigt dieser eine elektronische Dienstleistung i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG an den chinesischen Unternehmer Chi. Die Leistung gilt nach § 3a Abs. 2 UStG in China als ausgeführt.
Da die Zollanmeldung für Rechnung des Chi erfolgt, schuldet Chi die EUSt, die er unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen kann.
Unternehmer Chi tätigt eine bewegte Lieferung, deren Ort sich abweichend von § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nach § 3 Abs. 8 UStG bestimmt, da Chi als Lieferer die EUSt schuldet. Die Lieferung wird ins Inland verlagert. Chi tätigt im Inland steuerbare und stpfl. Lieferungen. § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG ist nicht anzuwenden, weil Chi das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht in Anspruch nehmen kann.
Die Ortsbestimmung der Fernverkäufe aus dem Drittland in einen Mitgliedstaat ist abhängig von der Warenbewegung aus dem Drittland bis zum jeweiligen Erwerber.
Beachte:
Ein Fernverkauf i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG ist nicht gegeben, da
der Fernverkauf nicht mittels einer elektronischen Schnittstelle ausgeführt wird oder
der Sachwert der eingeführten Gegenstände 150 € übersteigt.
Zur möglichen Warenbewegung und der daraus resultierenden Ortsbestimmung s. die folgende Übersicht.
Beispiel 15:
Ein in Südkorea ansässiger Händler H veräußert über die eigene Internetseite Handyzubehör (Sachwert: 200 €) an eine Privatperson in Frankreich. Die Ware wird durch H aus dem Lager in Südkorea nach Deutschland versendet, wo die Zollanmeldung erfolgt. Von dort aus wird die Ware weiter an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet.
Lösung 15:
S. das Beispiel zu Abschn. 3c.1. Abs. 3 UStAE.
Da die Ware aus dem Drittlandsgebiet in einen anderen EU-Mitgliedstaat (hier: Deutschland) als den, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes an den Erwerber endet (hier: Frankreich), eingeführt wird, verlagert sich der Ort nach § 3c Abs. 2 Satz 1 UStG an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet (hier: Frankreich). H hat den Umsatz im Bestimmungsland (hier: Frankreich) im allgemeinen Besteuerungsverfahren (Artikel 250 bis 261 MwStSystRL) zu erklären.
Beispiel 16:
Unternehmer Chi aus China führt Ware in Italien ein und versendet sie von dort aus seinem Warenlager unmittelbar zu einem Kunden in Deutschland. Der Abnehmer
steht bereits bei Beginn der Versendung in China fest bzw.
ist in China nicht bekannt.
Unternehmer Chi ist Schuldner der EUSt in Italien.
Lösung 16:
Fall a)
Von einem feststehenden Abnehmer ist bereits dann auszugehen, wenn der Abnehmer die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (BFH vom 16.11.2016, V R 1/16, BStBl II 2017, 1079; Abschn. 1a.2. Abs. 6 Satz 4 UStAE). In diesem Fall steht es der Annahme einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nicht entgegen, wenn die Ware von dem mit der Versendung Beauftragten zunächst für kurze Zeit in ein inländisches Auslieferungslager, das nicht in den Anwendungsbereich der Konsignationslagerregelung nach § 6b UStG fällt, gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Abnehmer (shipment on hold) herausgegeben wird (BFH vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552; s.a. Abschn. 3.12. Abs. 7 UStAE).
Bei den Warenlieferungen des Unternehmers Chi handelt es sich um Fernverkäufe i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 4 UStG, da die Gegenstände durch den Lieferer aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet werden. Da der Mitgliedstaat der Einfuhr (Italien) vom Mitgliedstaat der Beendigung der Warenbewegung (Deutschland) abweicht, gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet (§ 3c Abs. 2 UStG). Die Lieferung ist in Deutschland steuerbar und stpfl.
S.a. das Beispiel unter → Voranmeldung unter dem Gliederungspunkt »Die Anwendung des besonderen Besteuerungsverfahrens nach § 18k UStG im Einzelnen«.
Fall b)
Das Verbringen der Ware aus China in das Warenlager nach Italien ist ein nichtsteuerbarer Vorgang.
Mit der Entnahme aus dem Lager und mit Beginn der Beförderung oder Versendung an den Erwerber in dem jeweiligen EU-Staat tätigt Chi in dem jeweiligen Mitgliedstaat eine steuerbare und stpfl. Lieferung (§ 3 Abs. 6 UStG).
Mit Einführung des § 3 Abs. 3a UStG durch Art. 14 Nr. 2 Buchst. a des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird Art. 14a MwStSystRL in nationales Recht umgesetzt. Nach § 27 Abs. 33 UStG i.d.F. des JStG 2020 ist § 3 Abs. 3a UStG erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden.
§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG enthält die Regelung, dass ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneten Empfänger (Nichtunternehmer) unterstützt, so behandelt wird, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert wird (→ Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Lieferfiktion nach § 3 Abs. 3a UStG).
Dem Begriff der elektronischen Schnittstelle i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG (Art. 14a MwStSystRL) ist ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, sodass in den Anwendungsbereich der Vorschriften nicht nur elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale fallen, sondern auch alle anderen vergleichbaren elektronischen Mittel (§ 3 Abs. 3a Satz 3 UStG). Zur Definition der elektronischen Schnittstelle s. Abschn. 3.18. Abs. 3 UStAE; → Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel).
Zu den Meldepflichten digitaler Plattformbetreiber s. das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022 (BGBl I 2022, 2730). Ab 1.1.2023 tritt mit Art. 1 das Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen (Plattformen-Steuertransparenzgesetz – PStTG) in Kraft.
Zu Anwendungsfragen zum Plattformen-Steuertransparenzgesetz nimmt das BMF mit Schreiben vom 2.2.2023 (BStBl I 2023, 241) Stellung.
Das PStTG verpflichtet die Betreiber von Online-Verkaufsplattformen, Informationen zu den auf ihren Plattformen agierenden Anbietern und deren Umsätze an das BZSt zu melden (→ eBay und andere Plattformbetreiber unter dem Gliederungspunkt »Plattformen-Steuertransparenzgesetz«).
Beispiel 17:
Unternehmer Chi aus China führt Gegenstände aus China nach Deutschland ein und lagert diese in einem Lager von Amazon in Deutschland ein. Chi lässt die Gegenstände in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche EUSt. Aus diesem Lager werden die Gegenstände durch den Unternehmer Chi in dessen Namen und auf dessen Rechnung über die Internetseiten von Amazon an Privatkunden aus Deutschland und Frankreich versandt (Vertragsmodell: »Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon«). Amazon überschreitet die Umsatzschwelle von 10 000 € (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG ab 1.7.2021).
Chi hat die Lieferschwelle in Frankreich
überschritten bzw.
nicht überschritten und auch nicht auf deren Anwendung verzichtet.
Lösung 17:
a) Die Lieferschwelle in Frankreich ist überschritten
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 1 und 3 UStG anzuwenden (s.a. Abschn. 3.18. Abs. 1 und 2 UStAE und dort die Beispiele 1 bis 4). § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG fingiert
eine Lieferung des liefernden Unternehmers Chi an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle – Amazon –. Voraussetzung für die Anwendung der Lieferfiktion ist, dass der Schnittstellenbetreiber Unternehmer ist und
eine Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den nichtunternehmerischen Endverbraucher i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG.
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG; Art. 36b MwStSystRL). Die Ortsbestimmung der Lieferungen des Betreibers der elektronischen Schnittstelle (Amazon) an die Privatpersonen in Frankreich richtet sich nach § 3c Abs. 1 UStG. Danach ist der Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Frankreich). Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle kann das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1. UStAE) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat der Betreiber der elektronischen Schnittstelle den Umsatz im Bestimmungsland (hier: Frankreich) im allgemeinen Besteuerungsverfahren (Art. 250 bis 261 MwStSystRL) zu erklären (s.a. das Beispiel 1 in Abschn. 3.18. Abs. 2 UStAE).
Die Lieferungen des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an die Privatpersonen in Deutschland sind gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG im Inland steuerbar und stpfl. § 3c Abs. 1 UStG findet keine Anwendung, weil die Ware nicht aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates gelangt (vgl. § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG). Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle kann das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1. UStAE) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat der Betreiber der elektronischen Schnittstelle den Umsatz in Deutschland im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) zu erklären (s.a. das Beispiel 2 in Abschn. 3.18. Abs. 2 UStAE).
Die Lieferung des Chinesen Chi an Amazon stellt nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die ruhende Lieferung dar. Danach gilt die Lieferung des Chi an Amazon in Deutschland als ausgeführt, da die Versendung des Gegenstands dort beginnt. Die »fiktive« Lieferung des Chinesen Chi an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (Amazon) ist nach § 4 Nr. 4c UStG n.F. steuerfrei (Art. 136a MwStSystRL).
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist die Haftung i.S.d. § 25e UStG in den Fällen, in denen der Betreiber der elektronischen Schnittstelle Schuldner der Umsatzsteuer ist (§ 3 Abs. 3a UStG), ausgeschlossen (§ 25e Abs. 1 Halbsatz 2 UStG; → Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel).
Zum Online-Handel mit Amazon s. DATEV-Serviceinformation unter LEXinform 1003857.
S.a. das Beispiel unter → Voranmeldung zu dem Gliederungspunkt »Besondere Besteuerungsverfahren – One-stop-shop und Import-one-stop-shop ab 1.7.201« und dort unter »Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates«.
In den folgenden Übersichten werden die Auswirkungen der Unterstützungsleistungen der Schnittstellenbetreiber auf die Ortbestimmungen aufgezeigt.
Zu beachten ist noch, dass unter den Voraussetzungen des § 25e UStG der Schnittstellenbetreiber für die nicht entrichtete Steuer des Händlers haftet (→ Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel).
Abb. 1: Unterstützung der Lieferungen an Unternehmer
Abb. 2: Unterstützung der Lieferungen an die in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannten Personen
Abb. 3: Unterstützung der Lieferungen an die in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG genannten Privatpersonen
Nach § 3d UStG gelten für den innergemeinschaftlichen Erwerb zwei Erwerbsorte. Der innergemeinschaftliche Erwerb wird bewirkt:
in dem Gebiet des Mitgliedstaates, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (§ 3d Satz 1 UStG), und auch
in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, wenn der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine USt-IdNr. dieses Mitgliedstaates verwendet hat, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist (§ 3d Satz 2 UStG).
Bei jedem innergemeinschaftlichen Erwerb ist der Erwerbsort der Ort, an dem sich der Gegenstand am Ende der Warenbewegung befindet. Verwendet der Erwerber die von diesem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., ist für die Bestimmung des Erwerbsortes ausschließlich § 3d Satz 1 UStG anzuwenden.
Befindet sich das Beförderungs- bzw. Versendungsende in einem anderen Gemeinschaftsgebiet, ist die Erwerbsumsatzsteuer grundsätzlich in diesem Gemeinschaftsgebiet anzumelden. Verwendet der Leistungsempfänger eine USt-IdNr. eines anderen Mitgliedstaates, kann er den Erwerb in dem Ausstellerland der USt-IdNr. anmelden. Wird er in dem Gemeinschaftsgebiet, in dem der Warenweg endet, zur Anmeldung herangezogen, entfällt die Anmeldung im Ausstellerland (Regelfall). Mit dieser Regelung soll eine eventuelle Doppelbelastung, insbes. aber eine doppelte Meldepflicht vermieden werden.
Der EU-Mitgliedstaat, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb bewirkt wird oder als bewirkt gilt, nimmt seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der umsatzsteuerlichen Behandlung des Vorgangs im EU-Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstandes wahr. Dabei ist unbeachtlich, ob der Umsatz bereits im EU-Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung besteuert wurde. Etwaige Anträge auf Berichtigung einer vom Abgangsstaat festgesetzten Steuer werden von diesem Staat nach dessen nationalen Vorschriften bearbeitet (Abschn. 3d.1. Abs. 2 UStAE).
Beispiel 18:
Der belgische Unternehmer B bestellt bei dem deutschen Unternehmer D eine Baumaschine. D hat die Maschine nicht vorrätig und gibt die Bestellung weiter an den spanischen Hersteller SP. Alle Beteiligten treten unter der USt-IdNr. ihres Landes auf. SP befördert die Baumaschine mit eigenem Lkw nach Belgien und übergibt sie dort an B.
Lösung 18:
S.a. Beispiel in Abschn. 25b.1. Abs. 5 UStAE.
Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft i.S.d. § 25b Abs. 1 UStG vor (→ Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft), weil der erste Lieferer den Gegenstand der Lieferung befördert. Die Beförderung ist der ersten Lieferung (SP an D) zuzuordnen. Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. Satz 1 Spanien (Beginn der Beförderung). Die Lieferung ist als innergemeinschaftliche Lieferung in Spanien steuerfrei. Der Erwerb des Gegenstandes unterliegt bei D grundsätzlich der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, da die Beförderung dort endet (§ 3d Satz 1 UStG), und in Deutschland, da D seine deutsche USt-IdNr. Verwendet (§ 3d Satz 2 UStG). Zur Verwendung einer USt-IdNr. Vgl. Abschn. 3a.2. Abs. 10 UStAE (Abschn. 3d.1. Abs. 3 UStAE).
Der innergemeinschaftliche Erwerb des D gilt so lange in Deutschland als bewirkt, bis D nachweist, dass der Erwerb in Belgien besteuert worden ist. Ein Abzug dieser USt als Vorsteuer ist ausgeschlossen (Abschn. 3d.1 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abschn. 15.10. Abs. 2 Satz 2 UStAE). Durch den Nachweis der Besteuerung in Belgien erfolgt eine Entlastung von der USt durch eine Änderung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. Zum Nachweis der Besteuerung im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung oder Versendung s. Abschn. 3d.1. Abs. 4 Satz 3 ff. UStAE.
Die zweite Lieferung (D an B) ist eine ruhende Lieferung. Lieferort ist nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG Belgien, da sie der Beförderungslieferung nachfolgt. Die Lieferung des D ist nach belgischem Recht zu beurteilen.
Die Lieferung eines Gegenstandes sowie die Ausführung von Restaurationsleistungen
an Bord eines Schiffes oder
in einem Luftfahrzeug oder
in einer Eisenbahn,
während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebietes
gelten im jeweiligen Gemeinschaftsgebiet als ausgeführt. Der Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet gilt als Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung (Abschn. 3e.1. UStAE).
Der Ort der Lieferung ist nach § 3e UStG im Inland belegen, wenn die Beförderung im Inland beginnt und die Beförderung im Inland bzw. im übrigen Gemeinschaftsgebiet endet (Abschn. 3e.1. Satz 1 UStAE).
Beispiel 19:
Eine Eisenbahn fährt von Berlin über Prag nach Kiew. Während der Fahrt werden entsprechende Gegenstände veräußert und Restaurationsleistungen verzehrt.
Lösung 19:
Der Teil der Beförderungsstrecke zwischen dem ersten Abgangsort im Gemeinschaftsgebiet (Berlin) und dem letzten Ankunftsort im Gemeinschaftsgebiet (letzter Haltepunkt vor der Grenze zur Ukraine) stellt eine Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets dar. Für die Lieferungen und die Restaurationsleistungen, die in der Eisenbahn zwischen Berlin und bis zum letzten Haltepunkt vor der Ukraine erfolgen, ist § 3e UStG anzuwenden mit der Folge, dass als Leistungsort Berlin anzusehen ist. Für die Umsätze ab dem Grenzübertritt zur Ukraine sind die allgemeinen Ortsvorschriften anzuwenden.
Durch das JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) wurde § 3e UStG um Restaurationsleistungen während der o.g. Transfers ergänzt. Für die sonstigen Restaurationsleistungen gilt als Ortvorschrift § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG.
Mit Beschluss vom 23.10.2003 (V R 30/02, UR 2004, 236) hat der BFH dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen folgenden Inhalts vorgelegt:
Sind Aufenthalte eines Schiffes in Häfen von Drittstaaten, bei denen die Reisenden das Schiff nur kurzfristig, z.B. zu Besichtigungen, verlassen können, aber keine Möglichkeit besteht, die Reise zu beginnen oder zu beenden, »Zwischenaufenthalte außerhalb der Gemeinschaft« i.S.d Art. 37 MwStSystRL?
Mit Urteil vom 15.9.2005 (C-58/04, BStBl II 2007, 150) hat der EuGH die Rechtsfrage bejaht. Danach sind Aufenthalte eines Schiffes in Häfen von Drittländern, bei denen die Reisenden das Schiff, und sei es nur für kurze Zeit, verlassen können, »Zwischenaufenthalte außerhalb der Gemeinschaft« i.S.d. Art. 37 MwStSystRL.
In seiner Nachfolgeentscheidung vom 20.12.2005 (V R 30/02, BStBl II 2007, 139) hat der BFH wie folgt entschieden: Lieferungen von Gegenständen während einer Kreuzfahrt an Bord eines Schiffes sind grundsätzlich steuerbar, wenn die Kreuzfahrt in der Bundesrepublik Deutschland beginnt und dort oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet endet. Ausgenommen von der Steuerbarkeit sind lediglich Lieferungen während eines Zwischenaufenthalts des Schiffes in Häfen von Drittländern, bei denen die Reisenden das Schiff, und sei es auch nur für kurze Zeit, verlassen können (s.a. Abschn. 3e.1. Satz 2 ff. UStAE).
Der Anwendungsbereich des § 3e UStG erfasst sämtliche Lieferungen, die an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets bewirkt werden. Aus dem Gesetzeswortlaut ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 3e UStG auf Waren zur Mitnahme an Bord beschränken wollte (BFH Beschluss vom 2.2.2010, XI B 36/09, BFH/NV 2010, 1500, LEXinform 5905581).
Snacks, kleine Süßigkeiten und Getränke, die an Bord eines Flugzeugs während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets gegen gesondertes Entgelt abgegeben werden, werden nach § 3e UStG am Abgangsort des Flugzeugs geliefert; eine Nebenleistung zur Flugbeförderung liegt nicht vor (BFH Urteil vom 27.2.2014, V R 14/13, BStBl II 2014, 869 und Abschn. 3e.1. Satz 5 UStAE i.d.F des BMF-Schreibens vom 10.12.2014, BStBl I 2014, 1622).
Hinweis:
Die BFH-Entscheidung vom 27.2.2014 betrifft Sachverhalte, bei denen Ware an Bord von Flugzeugen bei Flügen innerhalb der EU aufgrund eigenständiger Kaufverträge geliefert wird. Bei Flügen in Drittländer sind derartige Lieferungen nicht steuerbar, wenn sie erst nach Verlassen des deutschen Luftraums erbracht werden.
Nicht zu entscheiden hatte der BFH über die Regelverpflegung, die der Fluggast bereits aufgrund des Beförderungsvertrages als Nebenleistung zur Flugbeförderung beanspruchen kann. Diese Verpflegungsleistungen werden in der Praxis als Annex zur Flugbeförderung behandelt und bleiben dann bei grenzüberschreitenden Flügen aufgrund eines sog. Besteuerungsverzichts unbesteuert. Dies gilt gleichermaßen für EU- wie auch für Drittlandsflüge (Pressemitteilung des BFH Nr. 39/2014 vom 4.6.2014, LEXinform 0441918).
Beachte:
Bei der Abgabe von Snacks, kleinen Süßigkeiten und Getränken handelt es sich um Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG. Es handelt sich insbes. nicht um die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme einer sonstigen Leistung in Betracht kommen kann.
Das Vorliegen einer sonstigen Leistung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Fluggesellschaft Speisen und Getränke an die von ihr sitzend beförderten Fluggäste abgab. Denn als Dienstleistungselement ist bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden nicht zu berücksichtigen, wenn es nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern (→ Restaurationsumsätze).
Nach § 3e Abs. 2 UStG ist Beförderung i.S.d. Abs. 1 jede Beförderung im Gemeinschaftsgebiet ohne Zwischenaufenthalt im Drittlandsgebiet, z.B. ein Flug von Düsseldorf (Abgangsort) nach Madrid (Ankunftsort) über die Schweiz (ohne Zwischenlandung in der Schweiz).
Bei einer Schiffsreise von Hamburg (Abgangsort) nach New York (Ankunftsort) bestimmt sich der Ort der Lieferung und der sonstigen Leistung nicht nach § 3e UStG, da keine Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets stattfindet. Gilt der Abgangsort des Beförderungsmittels nicht als Ort der Lieferung oder Restaurationsleistung, bestimmt sich der Ort nach § 3 Abs. 6 bis 8 UStG bzw. nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG (Abschn. 3e.1. Satz 4 i.V.m. Abschn. 3a.6 Abs. 9 UStAE).
Durch Art. 5 Nr. 1 bis 4, 6 und 10 des EURLUmsG vom 9.12.2004 (BGBl I 2004, 3310, BStBl I 2004, 1158) wurde § 3g UStG eingefügt und wurden die §§ 3, 3a, 5 und 13b UStG geändert. Die Rechtsänderungen sind nach Art. 22 Abs. 5 des EURLUmsG mit Wirkung vom 1.1.2005 in Kraft getreten. Im Rahmen des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wurde der Anwendungsbereich des § 3g UStG auf die Lieferung von Wärme und Kälte ausgedehnt.
Elektrizität, Gas, Wärme und Kälte werden für Zwecke der Mehrwertsteuer als Gegenstände behandelt (Abschn. 3.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE), weshalb der Ort ihrer Lieferung bei grenzüberschreitenden Umsätzen gem. Art. 38 MwStSystRL zu bestimmen ist.
Um zu einem echten Elektrizitäts- und Gasbinnenmarkt ohne mehrwertsteuerliche Hindernisse zu gelangen, soll als Ort der Lieferung von Gas – über das Erdgasverteilungsnetz –, von Elektrizität, von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze vor der Stufe des Endverbrauchs der Ort gelten, an dem der Erwerber den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat (Birgel in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, § 3g, 337 ff. 4. A.).
Die Lieferung von Elektrizität, Gas, Wärme oder Kälte auf der Stufe des Endverbrauchs, also vom Unternehmer und Verteiler an den Endverbraucher, soll an dem Ort besteuert werden, an dem der Erwerber die Gegenstände tatsächlich nutzt und verbraucht, damit gewährleistet ist, dass die Besteuerung im Lande des tatsächlichen Verbrauchs erfolgt. Dies ist normalerweise der Ort, an dem sich der Zähler des Erwerbers befindet (Art. 39 MwStSystRL; § 3g Abs. 2 UStG; Abschn. 3g.1. Abs. 5 UStAE).
Das BMF hat ein Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität und der damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen herausgegeben (BMF vom 1.8.2005, BStBl I 2005, 849). Das BMF-Schreiben wurde bzgl. der Regelungen zum Ort der Lieferung von Gas oder Elektrizität in Abschn. 3g.1. UStAE übernommen. Ergänzend zu dem BMF-Schreiben vom 1.8.2005 (BStBl I 2005, 849) hat die OFD Frankfurt mit Vfg. vom 22.6.2006 (S 7100 A – 223 – St 11, UR 2006, 662) zum Ort der Lieferung von Gas oder Elektrizität und damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen Stellung genommen. Das BMF nimmt mit Schreiben vom 7.6.2006 (IV A 5 – S 7124 – 5/06, UR 2007, 122) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Bilanzausgleichs und des zwischenstaatlichen Differenzausgleichs, der Netzverluste bei der Übertragung von Elektrizität sowie des Eigenbedarfs selbsterzeugter Mengen an Erdgas bzw. Elektrizität Stellung.
§ 3g UStG ist in Bezug auf Gas für alle Druckstufen und in Bezug auf Elektrizität für alle Spannungsstufen anzuwenden. Bezüglich der Lieferung von Gas ist die Anwendung der Sonderregelung auf Lieferungen über das Erdgasnetz beschränkt. Kavernen- oder Porenspeicheranlagen zur Speicherung von Erdgas sind technisch und räumlich unmittelbar mit den Leitungen des Erdgasnetzes verbunden. Die in diesem System vorhandenen Gasmengen sind physisch nicht voneinander abgrenzbar und unterliegen einer unkontrollierten Vermischung innerhalb des Verbundes. Die Speicheranlagen bilden dadurch mit dem angeschlossenen Erdgasleitungsnetz eine Einheit und sind Teil dieses Netzes i.S.d. § 3g UStG. Der Ort der Lieferung von Mindest- und Arbeitsgas in mit dem Netz verbundenen Erdgasspeichern – ohne eine tatsächliche Ausspeicherung von Gas – bestimmt sich folglich unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen nach § 3g UStG (BMF vom 23.1.2017, BStBl I 2017, 108 sowie Abschn. 3g.1. Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Die Sonderregelung findet z.B. keine Anwendung auf den Verkauf von Gas in Flaschen oder die Befüllung von Gastanks mittels Tanklastzügen (Abschn. 3g.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität ist danach zu unterscheiden, ob diese Lieferung
an einen Unternehmer, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Gegenstände in deren Lieferung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Gegenstände von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Wiederverkäufer von Gas oder Elektrizität), oder
an einen anderen Abnehmer
erfolgt (Abschn. 3g.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Die Haupttätigkeit des Unternehmers in Bezug auf den Erwerb von Gas über das Erdgasverteilungsnetz oder von Elektrizität besteht dann in deren Lieferung, d.h. im Wiederverkauf dieser Gegenstände, wenn der Unternehmer mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiterveräußert. Lieferungen von Elektrizität, die als Nebenleistung erfolgen (vgl. Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE), gelten nicht als weiterveräußert in diesem Sinne. Der eigene Gas- bzw. Elektrizitätsverbrauch des Unternehmers ist von untergeordneter Bedeutung, wenn nicht mehr als 5 % der erworbenen Menge zu eigenen (unternehmerischen sowie nichtunternehmerischen) Zwecken verwendet werden. Die Bereiche »Gas« und »Elektrizität« sind dabei getrennt, jedoch für das gesamte Unternehmen i.S.d. § 2 UStG zu beurteilen. In der Folge werden grenzüberschreitende Leistungen zwischen Unternehmensteilen, die als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln sind und die nach § 3g Abs. 3 UStG auch keinen Verbringungstatbestand erfüllen, in diese Betrachtung einbezogen. Außerdem ist damit ein Unternehmer, der z.B. nur im Bereich »Elektrizität« mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiterveräußert und nicht mehr als 5 % zu eigenen Zwecken verwendet, diese Voraussetzungen aber für den Bereich »Gas« nicht erfüllt, nur für Lieferungen an ihn im Bereich »Elektrizität« als Wiederverkäufer anzusehen (Abschn. 3g.1. Abs. 2 UStAE).
Maßgeblich sind die Verhältnisse im vorangegangenen Kj. Verwendet der Unternehmer zwar mehr als 5 %, jedoch nicht mehr als 10 %, der erworbenen Menge an Gas oder Elektrizität zu eigenen Zwecken, ist weiterhin von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen, wenn die im Mittel der vorangegangenen drei Jahre zu eigenen Zwecken verbrauchte Menge 5 % der in diesem Zeitraum erworbenen Menge nicht überschritten hat (Abschn. 3g.1. Abs. 3 UStAE).
Anderer Abnehmer ist ein Abnehmer, der nicht Wiederverkäufer ist (Abschn. 3g.1 Abs. 3 Satz 8 UStAE).
Bei der Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte an einen Wiederverkäufer gilt entweder der Ort, von dem aus dieser sein Unternehmen betreibt, oder – wenn die Lieferung an eine Betriebsstätte des Wiederverkäufers ausgeführt wird – der Ort dieser Betriebsstätte als Ort der Lieferung (Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL). Eine Lieferung erfolgt an eine Betriebsstätte, wenn sie ausschließlich oder überwiegend für diese bestimmt ist; Abschn. 3a.2. Abs. 4 UStAE gilt sinngemäß. Dementsprechend ist auf die Bestellung durch und die Abrechnung für Rechnung der Betriebsstätte abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wie und wo der Wiederverkäufer die gelieferten Gegenstände tatsächlich verwendet (vgl. § 3g Abs. 1 UStG). Somit gilt diese Regelung auch für die für den eigenen Verbrauch des Wiederverkäufers gelieferte Menge. Dies ist insbes. von Bedeutung bei der Verwendung für eigene Zwecke in eigenen ausländischen Betriebsstätten und ausländischen Betriebsstätten des Organträgers; auch insoweit verbleibt es bei der Besteuerung im Sitzstaat, soweit nicht unmittelbar an die ausländische Betriebsstätte geliefert wird (Abschn. 3g.1. Abs. 4 UStAE).
Bei der Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte an einen anderen Abnehmer wird grundsätzlich auf den Ort des tatsächlichen Verbrauchs dieser Gegenstände abgestellt (Art. 39 Abs. 1 MwStSystRL; § 3g Abs. 2 UStG). Das ist regelmäßig der Ort, wo sich der Zähler des Abnehmers befindet. Sollte der andere Abnehmer die an ihn gelieferten Gegenstände nicht tatsächlich verbrauchen (z.B. bei Weiterverkauf von Überkapazitäten), wird insoweit für die Lieferung an diesen Abnehmer der Verbrauch gem. § 3g Abs. 2 Satz 2 UStG dort fingiert, wo dieser sein Unternehmen betreibt oder eine Betriebsstätte hat, an die die Gegenstände geliefert werden (Art. 39 Abs. 2 MwStSystRL). Im Ergebnis führt dies dazu, dass im Falle des Weiterverkaufes von Gas über das Erdgasnetz, Elektrizität, Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze für den Erwerb dieser Gegenstände stets das Empfängerortprinzip gilt. Da Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte allenfalls in begrenztem Umfang gespeichert werden, steht regelmäßig bereits bei Abnahme von Gas über das Erdgasnetz, Elektrizität, Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze fest, in welchem Umfang ein Wiederverkauf erfolgt (Abschn. 3g.1. Abs. 5 UStAE).
Hinweis:
Der MwSt-Ausschuss hat Leitlinien zu den auf Transaktionen im Zusammenhang mit dem Aufladen von Elektrofahrzeugen anwendbaren MwSt-Vorschriften veröffentlicht (EU-Kommission 19.4.2021, taxud.c.1(2021)6657618 – 1018, SIS 21 21 37).
Der MwSt-Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass in einer typischen Wertschöpfungskette des Aufladens von Elektrofahrzeugen, in der es einen Ladepunktbetreiber (»Charge Point Operator«/CPO) und einen Mobilitätsanbieter (»Mobility Provider«/eMP) gibt, der CPO als Lieferer von Elektrizität i.S.v. Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL an den eMP und der eMP wiederum als Erbringer derselben Lieferung von Elektrizität an den Fahrer anzusehen ist.
Nach einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses sollte davon ausgegangen werden, dass der eMP in dieser Konstellation als stpfl. Wiederverkäufer i.S.v. Art. 38 Abs. 2 MwStSystRL handelt. Aus diesem Grunde ist der Mehrwertsteuerausschuss einstimmig der Auffassung, dass der Ort als Ort der Lieferung von Elektrizität durch den CPO an den eMP gelten sollte, an dem der steuerpflichtige Wiederverkäufer (d.h. der eMP) den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 38 Abs. 1 MwStSystRL hat.
Der MwSt-Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass – gem. Art. 39 MwStSystRL – der Ort als Ort der Lieferung von Elektrizität durch den eMP an einen Fahrer, der sein Fahrzeug auflädt, gelten sollte, an dem der Fahrer die Gegenstände tatsächlich nutzt oder verbraucht, d.h. am Ort des Ladeterminals.
Durch die spezielle Ortsregelung für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, Elektrizität, Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze wird klargestellt, dass Lieferungen dieser Gegenstände keine bewegten Lieferungen sind. Daraus folgt, dass
weder eine Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG
noch eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG
vorliegen kann.
Bei Lieferungen unter den Bedingungen von § 3g Abs. 1 oder Abs. 2 UStG liegt weder
ein innergemeinschaftliches Verbringen noch
ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.
Die Einfuhr von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität, von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG steuerfrei, da der Ort der grenzüberschreitenden Lieferung im Inland gelegen und die Besteuerung des Verbrauchs im Inland gewährleistet ist.
§ 3g UStG gilt auch im Verhältnis zum Drittlandsgebiet; die Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG ist demgegenüber mangels Beförderung oder Versendung ausgeschlossen. Die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität, von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze aus dem Drittlandsgebiet in das Inland ist damit im Inland steuerbar und stpfl.; die → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 5 Satz 1 UStG ist zu beachten (Abschn. 13b.1. UStAE). Die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität, von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze aus dem Inland in das Drittlandsgebiet ist eine im Inland nicht steuerbare Lieferung (Abschn. 3g.1. Abs. 6 UStAE).
Beispiel 20:
Die Stadtwerke Rheinland GmbH in Aachen beziehen von der Fa. Gasprom in Moskau Gas über das Erdgasnetz.
Lösung 20:
Der Ort der Lieferung der Fa. Gasprom ist der Empfängerort in Aachen (§ 3g Abs. 1 Satz 1 UStG). Aufgrund der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 UStG schulden die Stadtwerke Rheinland GmbH die USt aus der Lieferung der Fa. Gasprom. Die Einfuhr des Gases über das Erdgasleitungsnetz ist einfuhrumsatzsteuerfrei (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG).
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Hummel, Umsatzsteuerrechtliche Risiken im grenzüberschreitenden Stromhandel, UR 2012, 584; Pommerin u.a., Ort der Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinne bei Versandapotheken und privaten Endabnehmern, UStB 2012, 204; Hammerl u.a., Innergemeinschaftlicher Versandhandel, NWB 21/2014, 1564; Frye, Ort und Zeitpunkt der Beförderungs- oder Versendungslieferung, UR 2013, 889; 1753; Walkenhorst, Ort der Lieferung Teil I und II, UStB 6/2017, 182 und 7/2017, 208; Sterzinger, Umsetzung der zweiten Stufe des MwSt-Digitalpakets, UStB 2020, 288; Sterzinger, Änderungen des UStG, der UStDV und der EUStBV durch das sog. Jahressteuergesetz 2020, UR 24/2020, 941; Ramb, OSS und IOSS – Fernverkauf ohne und mit elektronischer Schnittstelle, SteuerStud 9/2021, 620; Fietz u.a., Innergemeinschaftlicher Fernverkauf und EU-OSS-Verfahren, NWB 9/2022, 615.
→ Innergemeinschaftlicher Erwerb
→ Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft
→ Konsignationslager: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer
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