1 Entstehung eines Scheinbestandteils
2 Eigentum
3 Scheinbestandteil als bewegliches Wirtschaftsgut
4 Gebäude als Scheinbestandteil
5 Umsatzsteuerliche Behandlung
6 Verwandte Lexikonartikel
Ein Scheinbestandteil entsteht, wenn durch die Baumaßnahme des Mieters Sachen zu einem vorübergehenden Zweck in das Gebäude eingefügt werden. Eine Einfügung zu einem vorübergehenden Zweck ist anzunehmen, wenn die Nutzungsdauer der eingefügten Sachen länger als die voraussichtliche Mietdauer ist, die eingefügten Sachen auch nach ihrem Ausbau nicht nur Schrottwert, sondern noch einen beachtlichen Wiederverwendungswert repräsentieren und nach den gesamten Umständen, insbesondere nach Art und Zweck der Verbindung, damit gerechnet werden kann, dass die eingebauten Sachen später wieder entfernt werden (BMF Schreiben vom 15.1.1976, BStBl I 1976, 66; s.a. R 7.1 Abs. 4 EStR und H 7.1 [Scheinbestandteile] EStH).
Nach § 39 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. Im Falle eines sog. Scheinbestandteils nach § 95 Abs. 2 BGB – Verbindung einer (beweglichen) Sache mit einem Gebäude zu einem vorübergehenden Zweck – ist daher nicht der Gebäudeeigentümer, sondern der einbauende Mieter zivilrechtlicher Eigentümer (und damit auch regelmäßig wirtschaftlicher Eigentümer).
Entsteht durch die Baumaßnahme des Mieters ein Scheinbestandteil, so handelt es sich um ein bewegliches WG des Anlagevermögens (Ausnahme bei Gebäuden; vgl. hierzu → Gebäude auf fremdem Grund und Boden und → Gebäude, Begriff). Die AfA (§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 EStG) richtet sich nach der voraussichtlichen Mietdauer.
Beispiel 1:
Der Mieter teilt die gemieteten Räume seinen Bedürfnissen entsprechend neu auf, indem er große Räume in kleine Räume unterteilt. Dafür verwendet er nach dem Baukastenprinzip vorgefertigte Wandteile. Diese Wände werden zwar mit der vorhandenen Gebäudesubstanz fest verbunden. Sie lassen sich jedoch ohne größere Beschädigung auch wieder ausbauen. Die technische Nutzungsdauer dieser Wände beträgt 20 Jahre. Der Mietvertrag läuft über 10 Jahre. Im Mietvertrag ist vereinbart, dass der Mieter diese Wände beim Auslaufen des Mietvertrags ausbauen darf. Es ist damit zu rechnen, dass dies geschehen und der Mieter die Wände anderweitig verwenden wird, weil sie nach Beendigung des Mietvertrages noch einen beträchtlichen Wert aufweisen werden.
Lösung 1:
Bei den Wänden handelt es sich um Scheinbestandteile, da die Nutzungsdauer der eingefügten Sachen länger als die voraussichtliche Mietdauer ist, die eingefügten Sachen auch nach ihrem Ausbau nicht nur Schrottwert, sondern noch einen beachtlichen Wiederverwendungswert repräsentieren und nach den gesamten Umständen, insbesondere nach Art und Zweck der Verbindung, damit gerechnet werden kann, dass die eingebauten Sachen später wieder entfernt werden. Rechtlicher (und wirtschaftlicher) Eigentümer der Wände ist der Mieter. Er hat sie als bewegliche Wirtschaftsgüter zu aktivieren. Die Scheinbestandteile werden auf die voraussichtliche Mietdauer von 10 Jahren abgeschrieben. Die AfA richtet sich nach § 7 Abs. 1 oder 2 EStG. Auch die Sonder-AfA gem. § 7g Abs. 5 EStG ist möglich, da es sich bei dem Scheinbestandteil um ein bewegliches Wirtschaftsgut handelt.
Das vom Pächter errichtete Gebäude geht nicht nach § 946 BGB in das zivilrechtliche Eigentum des Verpächters über, wenn es sich bei dem Gebäude um einen sog. Scheinbestandteil handelt (§ 95 BGB). Das Gebäude ist Scheinbestandteil, wenn es nach Beendigung des Pachtvertrages entfernt werden muss. Die Absicht der Gebäudeentfernung genügt hier. Der Scheinbestandteil wird im Zusammenhang mit den Gebäuden auf fremden Grund und Boden anders definiert als bei den Mietereinbauten. Der Hersteller des Scheinbestandteils ist zivilrechtlicher Eigentümer des Scheinbestandteils, also der Pächter. Kein Scheinbestandteil im zivilrechtlichen Sinne liegt vor, wenn das Gebäude nach Beendigung des Pachtvertrages entgeltlich oder unentgeltlich vom Verpächter übernommen werden darf. Liegt ein Scheinbestandteil im zivilrechtlichen Sinne vor, liegt auch das wirtschaftliche Eigentum beim Pächter. Der Pächter hat das Gebäude zu aktivieren und nach den Gebäude-AfA Vorschriften abzuschreiben. Wenn ein Scheinbestandteil den bewertungsrechtlichen Gebäudebegriff erfüllt, erfolgt die AfA nach den für Gebäude geltenden Bestimmungen. Die zivilrechtliche Einordnung von Scheinbestandteilen als bewegliche Sachen wird in diesen Fällen für die Zwecke der steuerlichen Abschreibung nicht übernommen. Bei kürzerer tatsächlicher Nutzungsdauer kann auf diese gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschrieben werden, z.B. die Nutzungsdauer bis Abriss des Gebäudes. Zum Nachweis der kürzeren Nutzungsdauer s. auch BMF vom 22.2.2023 (BStBl I 2023, 332) und BFH vom 23.1.2024 (IX R 14/23, BFH/NV 2024, 823).
Beispiel 2:
V vermietet ein Grundstück für 10 Jahre an P. Es wird eine angemessene Miete gezahlt. P lässt auf dem Grundstück eine Lagerhalle für eigenbetriebliche Zwecke errichten. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beträgt 15 Jahre. P hat sich gegenüber V verpflichtet, nach Beendigung des Mietvertrages die Halle abzubrechen. P erhält keine Entschädigung. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Abbruchverpflichtung bestehen nicht.
Lösung 2:
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Scheinbestandteil i.S.d. § 95 BGB. P ist dadurch zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Halle. Er hat die Halle mit seinen HK zu aktivieren und kann gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG grds. auf die technische Nutzungsdauer von 15 Jahren abschreiben. Wegen der Abbruchverpflichtung ist jedoch auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer von 10 Jahren (BFH Urteil vom 4.3.2008, IX R 16/07, BFH/NV 2008, 1310) abzuschreiben.
Hinweis: P muss außerdem eine Rückstellung für die von ihm zu tragende Abbruchkosten bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt dies auch für das Steuerrecht. Die Höhe von → Rückstellungen in der Steuerbilanz bestimmt sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG und nach R 6.11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStR. Dabei sind die voraussichtlichen Abbruchkosten zu schätzen und jährlich in Höhe von 1/10 der Rückstellung zuzuführen (Ansammlungsrückstellung; § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG). Zusätzlich ist die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG vorzunehmen.
Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner bei der Herstellung von Bauwerken. Zu den Bauleistungen gehört nach Abschn. 13b.2. Abs. 5 Nr. 2 UStAE auch der Einbau von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind und der gelieferte Gegenstand nicht ohne größeren Aufwand mit dem Bauwerk verbunden oder vom Bauwerk getrennt werden kann. Dies gilt nicht, wenn es sich hierbei um eine Betriebsvorrichtung i.S.d. § 68 BewG oder ein Scheinbestandteil handelt (BFH Urteil vom 28.8.2014, V R 7/14, BFHE 246, 569, BStBl II 2015, 682).
→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden
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