1 Überblick über die Entstehung der Umsatzsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG
2 Zeitpunkt der Leistungsausführung
2.1 Grundsätzliches
2.2 Lieferzeitpunkt
2.3 Ausführung von sonstigen Leistungen
3 Literaturhinweise:
4 Verwandte Lexikonartikel
Im Bereich des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG ist zwischen der zeitlichen Entstehung des Umsatzsteueranspruches nach vereinbarten Entgelten (Sollversteuerung; Art. 63 i.V.m. Art 64 MwStSystRL) und nach vereinnahmten Entgelten (→ Istversteuerung; Art. 66 MwStSystRL) zu unterscheiden. Die Steuer entsteht gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde (Abschn. 13.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Das gilt auch für unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 1b und 9a UStG (Abschn. 13.1 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Hinweis:
Mit BMF-Schreiben vom 12.4.2023 (BStBl I 2023, 734) hat das BMF u.a. in Abschn. 20.1 das Wort »Besteuerung« durch das Wort »Versteuerung« ersetzt.
Die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG geregelte Istversteuerung von → Anzahlungen ist nur im Rahmen der ansonsten geltenden Sollversteuerung von Bedeutung (s. Abschn. 13.5 UStAE). Ohne Ausnahme entsteht gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG die Steuer insoweit bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Vereinnahmung, wenn die Gegenleistung ganz oder zum Teil vereinnahmt wird, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist (Abschn. 13.1 Abs. 1 Satz 7 UStAE; Art. 65 MwStSystRL). Nur unter den Voraussetzungen des § 20 UStG kann die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet werden.
Anknüpfungspunkt für die Sollversteuerung ist die Ausführung der Leistung. In zeitlicher Hinsicht hat der leistende Unternehmer im Rahmen der Sollversteuerung zunächst die Steuer danach zu berechnen, was als Gegenleistung der Leistungsbewirkung folgen soll (Sollversteuerung). Im Gegensatz zur Istversteuerung hat der leistende Unternehmer in zeitlicher Hinsicht die Steuer nach dem tatsächlich vereinnahmten Entgelt zu berechnen. Im Endeffekt besteht aber zwischen der Soll- und Istversteuerung kein sachlicher Unterschied, da Wertverschiebungen zwischen vereinbartem und tatsächlich vereinnahmtem Entgelt bei der Sollversteuerung nach § 17 UStG sowohl beim leistenden Unternehmer als auch beim Leistungsempfänger korrigiert werden (→ Änderung der Bemessungsgrundlage).
Mit Urteil vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) hat der BFH entschieden, dass Unternehmer nicht verpflichtet sind, USt über mehrere Jahre vorzufinanzieren. Umsatzsteuerrechtlich müssen Unternehmer im Rahmen der sog. Sollversteuerung ihre Leistungen bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung versteuern. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die ihm zustehende Vergütung – bestehend aus Entgelt und Steuerbetrag – bereits vereinnahmt hat. Die Vorfinanzierung der USt entfällt nach § 17 UStG erst dann, wenn der Unternehmer seinen Entgeltanspruch nicht durchsetzen kann. Anders ist es bei der sog. → Istversteuerung. Dort werden solche Liquiditätsnachteile von vornherein dadurch vermieden, dass der Steueranspruch erst für den Voranmeldungszeitraum der Entgeltvereinnahmung entsteht. Zur Istversteuerung sind allerdings nur kleinere Unternehmen und nicht bilanzierende Freiberufler berechtigt.
Beachte:
S. unten die Nachfolgenentscheidung vom 1.2.2022 (V R 37/21, V R 16/19, BStBl II 2022, 860) zum EuGH-Urteil vom 28.10.2021 (C-324/20, LEXinform 0651716).
Der Streitfall betraf einen Bauunternehmer, für dessen Leistungen Gewährleistungsfristen von zwei bis fünf Jahren bestanden. Die Kunden waren vertraglich bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist zu einem Sicherungseinbehalt von 5 bis 10 % der Vergütung berechtigt. Der Kläger hätte den Einbehalt nur durch Bankbürgschaft abwenden können, war aber nicht in der Lage, entsprechende Bürgschaften beizubringen. Das FA und das FG sahen den Kläger im Rahmen der Sollversteuerung als verpflichtet an, seine Leistung auch im Umfang des Sicherungseinbehalts zu versteuern. Eine Uneinbringlichkeit liege entsprechend bisheriger Rechtsprechung nicht vor, da die Kunden keine Mängelansprüche geltend gemacht hätten.
Dem folgt der BFH nicht. Der Unternehmer soll mit der USt als indirekter Steuer nicht belastet werden. Mit diesem Charakter der USt ist eine Vorfinanzierung für einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus sieht es der BFH als erforderlich an, im Verhältnis von Soll- und Istversteuerung den Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren. Daher ist von einer Steuerberichtigung nach § 17 UStG bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung auszugehen (Pressemitteilung des BFH Nr. 9/2014 vom 4.2.2014, LEXinform 0441274).
Nach dem BMF-Schreiben vom 3.8.2015 (BStBl I 2015, 624) sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) wie folgt anzuwenden:
Entgeltforderungen, die auf sog. Sicherungseinbehalte für Baumängel beruhen, sind grundsätzlich uneinbringlich, da der Unternehmer die insoweit bestehenden Entgeltansprüche ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich und tatsächlich nicht durchsetzen kann (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 UStAE; → Änderung der Bemessungsgrundlage »Uneinbringlichkeit aufgrund eines Sicherungseinbehalts«). Soweit der Unternehmer jedoch eine vollständige Entgeltzahlung bereits mit Leistungserbringung für die Fälle beanspruchen kann, in denen er die Gewährleistungsansprüche seiner Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft gesichert hat oder ihm eine derartige Bürgschaftsgestellung möglich war, liegt hingegen keine Uneinbringlichkeit vor. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen für eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit nachzuweisen. Aus den Nachweisen muss sich leicht und einwandfrei ergeben, dass für jeden abgeschlossenen Vertrag konkrete, im Einzelnen vom Unternehmer begehrte Gewährleistungsbürgschaften beantragt und abgelehnt wurden (s.a. Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE; Anmerkung vom 25.8.2015, LEXinform 0652711).
Soweit der Unternehmer unter den zuvor genannten Voraussetzungen, die Entgeltansprüche zulässig als uneinbringlich behandelt, hat der Leistungsempfänger die Vorsteuer aus den jeweiligen Leistungsbezügen entsprechend zu berichtigen. Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, dem Leistungsempfänger die Behandlung seiner Ansprüche mitzuteilen. Das FA des Unternehmers ist jedoch berechtigt, das FA des Leistungsempfängers auf die Behandlung der offenen Entgeltansprüche, als uneinbringlich hinzuweisen (Abschn. 17.1 Abs. 5 Sätze 10 und 11 UStAE).
In Fortsetzung seiner Rspr. vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) hat der BFH mit Beschluss vom 21.6.2017 (V R 51/16, BStBl II 2022, 849) dem EuGH Fragen bezüglich der Vorfinanzierungsverpflichtung der USt durch den leistenden Unternehmer zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der BFH zweifelt an der Pflicht zur Vorfinanzierung der USt durch den zur Sollversteuerung verpflichteten Unternehmer. Auf seine Vorlage soll der EuGH insbes. entscheiden, ob der Stpfl. verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.
Vorlagesachverhalt:
Die Klägerin war im bezahlten Fußball als Spielervermittlerin tätig. Sie unterlag der sog. Sollversteuerung, bei der der Unternehmer die USt bereits mit der Leistungserbringung unabhängig von der Entgeltvereinnahmung zu versteuern hat. Bei der Vermittlung von Profifußballspielern erhielt sie Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilte. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen. Das FA ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr 12 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits im Kj. 12 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 15 beanspruchen konnte (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 59/2017 vom 20.9.2017, LEXinform 0447110).
In seiner Entscheidung vom 29.11.2018 (C-548/17, UR 2019, 70, LEXinform 0651550) weist der EuGH in Rz. 26 ausdrücklich darauf hin, dass nach Art. 63 MwStSystRL Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Dienstleistung erbracht wird. Der EuGH macht damit deutlich, dass er keinesfalls die Sollversteuerung einschränkt. Gleichzeitig verweist der EuGH aber auch auf die Relevanz des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL (Rz. 24; der BFH lässt diese Norm außer Betracht). Nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL sind Dienstleistungen als »bewirkt« anzusehen, wenn sie »zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben«. Diese Dienstleistungen gelten als mit Ablauf des Zeitraums erbracht, auf den sich diese Zahlungen beziehen (Rz. 27).
Zur Anwendung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL verweist der EuGH auf sein Urteil vom 3.9.2015 (C-463/14, UR 2015, 781, LEXinform 0589525, Rz. 45 ff.), wonach es sich um Dauerleistungen handeln muss, die durch wiederkehrend gezahlte Pauschalbeträge vergütet werden. Mit Ablauf jedes Zeitraums, auf den sich die Zahlungen beziehen, hat die Leistung als i.S.v. Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL bewirkt zu gelten. Da der Steuertatbestand und der Steueranspruch nach Art. 63 MwStSystRL von dem Zeitpunkt abhängen, zu dem die Dienstleistung erbracht wird, treten folglich mit Abschluss jedes dieser Zeiträume auch diese beiden Ereignisse ein (C-463/14, Rz. 50).
Im Urteilsfall C-548/17 vom 29.11.2018 (Rz. 29) ist es nach der Entscheidung des EuGH grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung tatsächlich zu den Leistungen zählt, die i.S.v. Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL »zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben«.
Der EuGH gibt dem BFH in Rz. 30 eine Entscheidungshilfe, indem er darauf hinweist, dass dies bei einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in der Vermittlung eines Spielers an einen Verein für eine bestimmte Anzahl von Spielzeiten besteht und durch unter einer Bedingung stehende Ratenzahlungen über mehrere Jahre nach der Vermittlung vergütet wird, der Fall zu sein scheint (vgl. entsprechend Urteil vom 3.9.2015, C-463/14, UR 2015, 781, LEXinform 0589525, Rz. 49).
Hinweis:
Mit Urteil vom 26.6.2019 (V R 8/19 – V R 51/16 –, BStBl II 2022, 854, Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 29.11.2018, C-548/17, UR 2019, 70, LEXinform 0651550) hat der BFH entschieden, dass sich Unternehmer bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL berufen können. Der BFH hat sich der Rechtsauffassung des EuGH angeschlossen.
Nach Auffassung des BFH ist die Sollversteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG nicht unionsrechtskonform, sodass sich die Klägerin im vorliegenden Fall unmittelbar auf Art. 64 der MwStSystRL berufen kann. Entsprechend war die Versteuerung für die im Streitjahr erbrachten Vermittlungsleistung nicht in diesem Veranlagungszeitraum, sondern erst im Veranlagungszeitraum der Vereinnahmung zu versteuern. Nach der Auffassung des BFH setzt Art. 64 MwStSystRL keine wirtschaftlich teilbare Leistung voraus, sondern die Teilbarkeit des Entgelts würde genügen.
In der Urteilsbegründung stellt sowohl der EuGH als auch der BFH darauf ab, dass die vereinbarten Ratenzahlungen unter der Bedingung des Fortbestands der vermittelten Leistung (Abschluss des Spielervertrags) über mehrere Jahre erfolgten. Es ist also die Vermittlung einer Dauerleistung notwendig und die Ratenzahlungsvereinbarung muss unter einer Bedingung (hier dem Fortbestand der vermittelten Leistung) stehen.
Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass:
nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL die Leistung keine Vermietung eines Gegenstandes oder den Ratenkauf eines Gegenstands umfassen darf und dass
die USt auch weiterhin im Zeitpunkt der Leistungserbringung entsteht, wenn die Zahlung des vereinbarten Entgelts nicht unter einer zukünftig zu erfüllenden Bedingung steht. Dabei ist die Abgrenzung zu reinen Ratenzahlungsvereinbarungen zu beachten. Dies gilt insbesondere für Vermietungs- und Leasingfälle, bei denen der Zeitpunkt der Steuerentstehung unter Beachtung des Abschnitts 3.5 Abs. 5 bis7 UStAE zu bestimmen ist (s.a. Anmerkung vom 18.10.2019, LEXinform 0880499).
Beachte:
Die Entscheidung vom 26.6.2019 (V R 8/19 – V R 51/16 –, BStBl II 2022, 854) ist aufgrund der neuesten Rspr. des BFH in seinem Urteil vom 1.2.2022 (V R 37/21, V R 16/19, BStBl II 2022, 860, s.u.) insoweit überholt. S.u. BMF vom 14.12.2022 (BStBl I 2022, 1688).
Zur Steuerentstehung bei der ratenweisen Zahlung von bereits ausgeführten Vermittlungsleistungen hat der BFH mit Beschluss vom 7.5.2020 (V R 16/19, BStBl II 2021, 884) dem EuGH erneut Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. EuGH: C-324/20; Vorinstanz FG Rheinland-Pfalz vom 26.3.2019, 3 K 1816/18, EFG 2019, 835, LEXinform 5022015).
Vorlagesachverhalt:
Mit Honorarvereinbarung vom 7.11.12 steht dem Unternehmer U eine Honorarzahlung von 1 Mio. € zzgl. USt zu. Diese Honorarvereinbarung bezieht sich auf eine Vermittlungsleistung eines Grundstücksverkaufs, die im Zeitraum Januar bis September des Kj. 12 erbracht wurde. Die Honorarvereinbarung sieht vor, dass das Honorar in fünf Teilbeträgen von jeweils 200 000 € zzgl. USt im Abstand von jeweils einem Jahr fällig und ab 30.6.13 zu zahlen sind.
Mit Rechnung vom 27.6.13 hat Unternehmer U dem Auftraggeber »vereinbarungsgemäß den ersten Teilbetrag laut der Honorarvereinbarung vom 7.11.12 in Rechnung gestellt und mitgeteilt, dass der Rechnungsbetrag zum 30.6.13 zur Zahlung fällig sei. In gleicher Weise hat U dem Auftraggeber mit Rechnung vom 30. Juni 14 den zweiten Teilbetrag in Rechnung gestellt.
Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz sowie Vorlagefragen des BFH:
Die nach dem ersten Teilbetrag von 200 000 € in den Jahren nach dem Kj. 13 fälligen Raten aus der Honorarvereinbarung sind – unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674, s.o.) uneinbringlich i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG. Die Grenze der Zumutbarkeit der Vorfinanzierung der USt durch den Unternehmer sei überschritten, da sich Leistungserbringung und Entgeltzahlung über mehr als zwei Veranlagungszeiträume erschrecke. Art. 64 MwStSystRL sei in diesem Fall nicht einschlägig.
Nach Auffassung des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 7.5.2020 (V R 16/19, BStBl II 2021, 884) könnte nach dem bloßen Wortlaut des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL die Vorschrift zu bejahen sein. Der BFH hat allerdings Zweifel an der Auslegung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass diese Bestimmung eine Ratenzahlungsvereinbarung, wie sie auch im Streitfall besteht, für den Fall der Lieferung durch Ratenverkauf von ihrem Anwendungsbereich ausschließt. Einen vergleichbaren Ausschlusstatbestand enthält Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL für Dienstleistungen, wie im Streitfall, nicht. Hierdurch käme es zu einer Gleichbehandlung von Lieferungen und Dienstleistungen.
Weiter weist der BFH darauf hin, dass der vorliegende Streitfall einen rechtserheblichen Unterschied zur Fallgestaltung der Rs. C-548/17 aufweist. So ging es in der Rs. C-548/17 um Zahlungsansprüche, die vom Vorliegen einer Bedingung abhingen. Das Vorliegen dieser Bedingung zum vorgesehenen Zeitpunkt war bei der Erbringung der Vermittlungsleistung ungewiss.
Demgegenüber liegt im Streitfall V R 16/19 (BStBl II 2021, 884) nur eine Befristung, nicht aber eine Bedingung vor, deren Eintritt ungewiss ist. Wie bei einem Ratenverkauf stand damit das Bestehen des Zahlungsanspruchs zum vorgesehenen Zeitpunkt fest.
Das nationale Recht enthält keine Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL entsprechende Regelung. Daher ist von einer Steuerentstehung bereits mit der Leistungserbringung im Streitjahr auszugehen. Dem würde diese Bestimmung entgegenstehen, wenn sie in der Weise auszulegen ist, dass sie bei Dienstleistungen auch auf Ratenzahlungsvereinbarungen anzuwenden ist.
Bei Nichtanwendung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL möchte der BFH mit seiner 2. Vorlagefrage wissen, ob von einer Nichtbezahlung i.S.v. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auszugehen ist, wenn der Stpfl. bei der Erbringung seiner Leistung vereinbart, dass diese in fünf Jahresraten zu vergüten ist und das nationale Recht für den Fall der späteren Zahlung eine Berichtigung vorsieht, durch die die vorherige Minderung der Steuerbemessungsgrundlage nach dieser Bestimmung wieder rückgängig gemacht wird.
Für den Streitfall ist daher bedeutsam, ob es mit der Aufgabe eines Steuereinnehmers vereinbar ist, bei einer am 7.11.12 bereits erbrachten Leistung für dieses Jahr von einer Steuerentstehung (bei Verneinung der ersten Frage) ohne Minderung der Steuerbemessungsgrundlage auszugehen, obwohl diese Leistung nach der zu diesem Zeitpunkt getroffenen Vereinbarung durch fünf jährlich zu erfolgende Zahlungen mit erstmaliger Fälligkeit zum 30.6.13 vergütet werden sollte. Es käme dann zu einer Vorfinanzierung der Steuer durch den Unternehmer U im Kj. 12, obwohl die Vereinnahmung der Gegenleistung erst später über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgte.
Entscheidung des EuGH mit Urteil vom 28.10.2021 (C-324/20, LEXinform 0651716):
Der EuGH hat festgestellt, dass Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt. Aus der Rspr. des EuGH kann nicht abgeleitet werden, dass Art. 64 Abs. 1 der Richtlinie auch bei einmaligen Leistungen Anwendung finden kann (EuGH C-324/20, Rz. 50). Denn die Fälle, in denen der EuGH die Anwendbarkeit dieser Bestimmung bejaht hat, betrafen Dienstleistungen, die während bestimmter Zeiträume auf der Grundlage vertraglicher Beziehungen erbracht wurden, die Dauerschuldverhältnisse begründeten, sei es die Vermietung eines Fahrzeugs (EuGH vom 16.2.2012, C-118/11, UR 2012, 230, LEXinform 0589329), die Erbringung von Rechts-, Wirtschafts- und Finanzberatung (EuGH vom 3.9.2015, C-463/14, UR 2015, 781, LEXinform 0589525 und vom 15.9.2016, C-516/14, UR 2016, 795, LEXinform 5214370) oder auch die Vermittlung eines Spielers an einen Fußballverein und dessen dortigen Verbleib (EuGH vom 29.11.2018, C-548/17, UR 2019, 70, LEXinform 0651550, s.o.).
Es liefe daher Art. 63 MwStSystRL zuwider, wenn man einem Stpfl., der eine einmalige Leistung erbracht und gleichzeitig für die Vergütung dieser Leistung eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hat, die Möglichkeit einräumen würde, sich für die Anwendung von Art. 64 Abs. 1 dieser Richtlinie zu entscheiden und somit den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld und der Fälligkeit der Mehrwertsteuer selbst zu bestimmen.
Zudem ist Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie dahingehend auszulegen, dass bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit nicht als Nichtbezahlung des Preises im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann und deshalb nicht zu einer Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage führen kann (s.a. Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 6 UStAE).
Nachfolgeentscheidung vom 1.2.2022 (V R 37/21, V R 16/19, BStBl II 2022, 860) zum EuGH-Urteil vom 28.10.2021 (C-324/20, LEXinform 0651716):
Der BFH hat entschieden, dass die Vereinbarung einer Ratenzahlung keine Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG begründet. Damit erweist sich das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 26.3.2019 (3 K 1816/18, s.o.), wonach bei einer hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Besteuerungszeiträume gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG Uneinbringlichkeit anzunehmen ist, als unzutreffend.
Die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht somit bei der Berechnung nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (Art. 63 MwStSystRL). Daher schuldet der Lieferer oder der Dienstleistungserbringer dem Fiskus die Mehrwertsteuer, selbst wenn er von seinem Kunden noch keine Zahlung für den bewirkten Umsatz erhalten hat (EuGH C-324/20, Rz. 54). Dementsprechend kommt eine Einschränkung der Sollversteuerung dergestalt, dass der Unternehmer nur bereits fällige Entgeltansprüche zu versteuern hat, nicht in Betracht. Der EuGH sieht insoweit den Umstand, dass die Stpfl. die Mehrwertsteuer, die sie an den Staat zu entrichten haben, vorfinanzieren müssen, wenn sie einmalige Leistungen erbringen, deren Vergütung ratenweise erfolgt, als unbeachtlich an (EuGH C-324/20, Rz. 51; BFH V R 37/21, Rz. 20).
Eine Ratenzahlungsvereinbarung begründet auch nicht das Vorliegen von Teilleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG (Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL). Diese liegen nur vor, wenn das Entgelt bei einer wirtschaftlich teilbaren Leistung separat vereinbart worden ist.
Der EuGH hat entschieden, dass eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt. Der EuGH begründet dies damit, dass Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL nur Leistungen mit »kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter« (EuGH C-324/20, Rz 45) erfasst, die in den Zeiträumen erbracht werden, auf die sich die hierfür erfolgenden Zahlungen beziehen.
Auf dieser Grundlage entspricht der nationale Begriff der Teilleistung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG zumindest im Regelfall den Begrifflichkeiten des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL, da es sich bei der wirtschaftlich teilbaren Leistung um eine Leistung mit einem »kontinuierlichen oder wiederkehrenden Charakter« handelt, wie die vom EuGH (C-324/20, Rz. 50) als Anwendungsfälle von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL angeführten Beispiele der Fahrzeugvermietung oder der Erbringung von Rechts-, Wirtschafts- und Finanzberatungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zeigen. Diese sind auch nach nationalem Recht als Teilleistungen anzusehen (s.a. Anmerkung vom 8.6.2022, LEXinform 0653949).
Zur Bedeutung des EuGH-Urteils vom 28.10.2021 (C-324/20, LEXinform 0651716) sowie zur Nachfolgeentscheidung des BFH vom 1.2.2022 (V R 37/21, V R 16/19, BStBl II 2022, 860) hat das BMF mit Schreiben vom 14.12.2022 (BStBl I 2022, 1688) wie folgt reagiert und den UStAE in Abschn. 13.1 Abs. 1, Abs. 4 sowie Abschn. 17.1 Abs. 5 entsprechend geändert:
»Mit Urteil vom 1.2.2022 (V R 37/21 (V R 16/19), BStBl II 2022, 860) hat der BFH entschieden, die Steuerentstehung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG sei nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt (s. Abschn. 13.1 Satz 3 UStAE). Eine Teilleistung i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, bei der für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird, erfordere eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter (s. Abschn. 13.4 Satz 4 UStAE). Der nationale Begriff der Teilleistung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG entspreche zumindest im Regelfall den Begrifflichkeiten des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL, da es sich bei der wirtschaftlich teilbaren Leistung um eine Leistung mit einem »kontinuierlichen oder wiederkehrenden Charakter« handele. Eine Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG auf eine einmalige Leistung gegen bloße Ratenzahlung sei ausgeschlossen (s. Abschn. 13.4 Satz 5 UStAE).
Dadurch entfielen die Zweifel an einer zutreffenden Umsetzung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL durch den nationalen Teilleistungsbegriff, die zuvor aufgrund des EuGH-Urteils vom 29.11.2018 (C-548/17 UR 2019, 70, LEXinform 0651550) entstanden seien.«
Maßgeblich für die Sollversteuerung ist, dass im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung eine Gegenleistung vereinbart wurde, somit ein steuerbarer Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG – gegen Entgelt – gegeben ist (→ Leistungsaustausch). Ist die Entgeltsvereinbarung noch nicht konkret bestimmt, ist das vereinbarte Entgelt eventuell zu schätzen.
Zur Anwendung der Sollversteuerung s.a. → Istversteuerung. Zum Wechsel s. → Wechsel der Besteuerungsart.
Bei der Sollversteuerung ist der Zeitpunkt, zu dem die → Rechnung erstellt oder das Entgelt vereinnahmt wurde, unbeachtlich (Abschn. 13.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE). In der Praxis dürfte aber die Rechnungserstellung für die Erfassung der USt im maßgeblichen Voranmeldungszeitraum sehr wohl von Bedeutung sein. Entgegen dem Gesetzeszweck wird in vielen Fällen die USt erst in dem Voranmeldungszeitraum deklariert, in dem die Rechnung erteilt und nicht in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung ausgeführt wurde.
Der Zeitpunkt der Leistung ist entscheidend, für welchen Voranmeldungszeitraum ein Umsatz zu berücksichtigen ist (Abschn. 13.1 Abs. 1 Satz 6 UStAE). Das Gesetz selbst sagt aber nichts zu dem Zeitpunkt der Ausführung der Leistung. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungsausführung (→ Leistung) ist in Lieferungen (→ Lieferung) und sonstige Leistungen (→ Sonstige Leistung) zu unterscheiden.
Das BMF-Schreiben vom 26.9.2005 (BStBl I 2005, 937) nimmt zum Leistungszeitpunkt Stellung. Die Angabe des Leistungszeitpunkts ist nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG Bestandteil der ordnungsgemäßen → Rechnung.
Das BMF führt Folgendes aus: »In den Fällen, in denen der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet wird, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Soweit es sich um eine Lieferung handelt, für die der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt wird, ist in der Rechnung als Tag der Lieferung der Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung anzugeben. Dieser Tag ist auch maßgeblich für die Entstehung der Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG« (s.a. Abschn. 13.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE und → Ort der Lieferung). Nach dem BFH-Urteil vom 6.12.2007 (V R 24/05, BStBl II 2009, 490 unter II.1.b.) regeln die Abs. 6 und 7 des § 3 UStG den Leistungsort und zugleich auch den Zeitpunkt der Leistung (s.a. Abschn. 13.1 Abs. 2 Satz 2 und Abschn. 3.12 Abs. 7 UStAE); dies gilt hinsichtlich der Verschaffung der Verfügungsmacht auch in den Fällen einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, in denen der Liefergegenstand nach dem Beginn der Beförderung oder Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager gelagert wird (Abschn. 3.12. Abs. 7 Satz 1 UStAE).
Lieferungen von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser sind erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln. Die während des Ablesezeitraums geleisteten Abschlagszahlungen der Tarifabnehmer sind nicht als Entgelt für Teilleistungen anzusehen; sie führen jedoch bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums ihrer Vereinnahmung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG zur Entstehung der Steuer (Abschn. 13.1 Abs. 2 Satz 3 und 4 UStAE).
Sonstige Leistungen (→ Sonstige Leistung), insbes. Werkleistungen, sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt (Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE). Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen, z.B. Duldungs- oder Unterlassungsleistungen (vgl. Abschn. 3.1 Abs. 4 UStAE), ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt, es sei denn, die Beteiligten hatten Teilleistungen (vgl. Abschn. 13.4 UStAE) vereinbart.
von Streit, Paradigmenwechsel bei (Teilen) der Sollbesteuerung, UStB 2/2019, 49; von Streit, Alles wieder beim Alten? Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 28.10.2021 – C-324/20, UStB 2022, 47; Stadie, Umsatzsteuerrechtliche Uneinbringlichkeit bei Ratenzahlungen (EuGH-Entscheidung vom 28.10.2021 – C-324/20), UR 2022, 1.
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
→ Wechsel der Besteuerungsform
Redaktioneller Hinweis:
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