1 Definition des Steuerbescheids
2 Form des Steuerbescheides
3 Inhalt eines schriftlichen Steuerbescheides
4 Wirksamkeit des Steuerbescheids und Bekanntgabe an Erben
5 Bekanntgabe an Eheleute
6 Bekanntgabe an Bevollmächtigte
7 Bekanntgabe bei Krankheit oder Behinderung eines volljährigen Steuerpflichtigen ab 1.1.2023
8 Zustellung von Bescheiden in der Schweiz per einfache Post
9 Aufgabe des Bekanntgabewillens
10 Ablehnungsbescheide
11 Freistellungsbescheide
12 Literaturhinweise
13 Verwandte Lexikonartikel
Nach § 155 Abs. 1 AO werden Steuern (→ Steuer) von der Finanzbehörde grundsätzlich durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt.
Soweit es gesetzlich vorgeschrieben ist, hat nach § 150 Abs. 1 Satz 3 AO der Stpfl. in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen. In diesem Fall liegt eine → Steueranmeldung vor. Eine Steueranmeldung, die nicht zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung führt, hat mit ihrem Eingang beim FA gem. § 168 Satz 1 AO die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Eine Steuerfestsetzung ist insoweit durch Steuerbescheid nur erforderlich, wenn
die Festsetzung zu einer von der Steueranmeldung abweichenden Steuer führt oder
der Steuer- oder Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt.
Die Steuern sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, grundsätzlich durch schriftlichen Steuerbescheid festzusetzen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Ausnahme dazu stellen Steueranmeldungen dar, in denen eine Festsetzung durch Steuerbescheid nur in den oben genannten Fällen erforderlich ist.
Außerdem kann die Schriftform durch die elektronische Form gem. § 87a Abs. 4 AO ersetzt werden. Dabei ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG zu versehen. Dabei muss das zugrunde liegende Zertifikat oder ein zugehöriges Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Außerdem sind die Daten nach § 87a Abs. 1 Satz 3 AO zur Wahrung des Steuergeheimnisses (→ Steuergeheimnis) in einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln. Die Schriftform kann auch ersetzt werden durch Versendung einer De-Mail-Nachricht nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz, bei der die Bestätigung des akkreditierten Diensteanbieters die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lässt.
§ 157 Abs. 1 AO ermöglicht neben der schriftlichen auch die elektronische Erteilung von Steuerbescheiden.
§ 122a AO regelt die Bekanntgabe elektronischer Verwaltungsakte mittels Datenabruf. Hierzu ist die Einwilligung des Beteiligten oder der von ihm bevollmächtigten Person (z.B. Steuerberater) erforderlich. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Der Widerruf ist gegenüber der Finanzbehörde erst wirksam, wenn er ihr zugeht.
Nach § 122a Abs. 3 AO hat sich die abrufberechtigte Person für den Datenabruf nach Maßgabe des § 87a Abs. 8 AO zu authentisieren.
Nach § 122a Abs. 4 AO gilt ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben (Neuregelung nach dem Postrechtsmodernisierungsgesetz – PostModG – vom 18.7.2024, BGBl I 2024, 234, ab 1.1.2025 vier Tage). Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Finanzbehörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Datenabruf durchgeführt hat. Daher wird aus Nachweisgründen der Abruf protokolliert. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Gelingt der Finanzbehörde der Nachweis des Zugangs der Benachrichtigung nicht und wurden die Daten auch von keiner dazu berechtigten Person abgerufen, gilt der Verwaltungsakt als nicht zugegangen (vgl. AEAO zu § 122a AO Nr. 2; BMF vom 1.11.2021, BStBl I 2021, 2147).
Die Muss-Inhalte eines schriftlichen Steuerbescheides sind
die Schriftform (§ 157 Abs. 1 AO);
der Steuerschuldner (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 119 AO);
Steuerschuld nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO);
ggf. das Steuerjahr (§ 119 Abs. 1 AO);
die erlassende Behörde (§ 119 Abs. 3 AO).
Fehlende Muss-Inhalte führen regelmäßig zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 125 Abs. 1 AO. Nichtige Verwaltungsakte sind unwirksam nach § 124 Abs. 3 AO.
Die Soll-Inhalte eines schriftlichen Steuerbescheides sind
die Begründung (§ 121 AO);
die Unterschrift bei manuellen Steuerbescheiden (§ 119 Abs. 3 AO); die Unterschrift ist nicht erforderlich bei formularmäßigen und maschinellen Steuerbescheiden (§ 119 Abs. 4 AO);
die Rechtsbehelfsbelehrung (§ 157 Abs. 1 Satz 3 AO);
ggf. Nebenbestimmungen (§§ 164, 165 AO).
Fehlen Soll-Inhalte, treten unterschiedliche Rechtsfolgen ein.
Ist die Begründung der Steuerfestsetzung unterblieben, insbes. wenn das FA von den erklärten Besteuerungsgrundlagen des Stpfl. abweicht, und versäumt der Stpfl. wegen der fehlenden Begründung die Rechtsbehelfsfrist, gilt die Versäumung nach § 126 Abs. 3 AO als unverschuldet. Folglich kann dann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 2 AO gewährt werden.
Bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung kann der rechtswidrige Steuerbescheid nach § 356 Abs. 2 AO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe angefochten werden.
Zur Wirksamkeit eines Steuerbescheids hat der BFH mit Urteil vom 17.11.2005 (III R 8/03, BStBl II 2006, 287) Stellung genommen. Dabei musste der BFH über die Wirksamkeit eines Steuerbescheids, der an eine Erbengemeinschaft adressiert war, entscheiden.
Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dazu muss er angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Lässt ein Bescheid den Schuldner nicht erkennen oder bezeichnet er ihn so ungenau, dass Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind, kann er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht befolgt werden und ist unwirksam (BFH Urteil vom 23.2.1995, VII R 51/94, BFH/NV 1995, 862).
Bei einem Einkommensteuerbescheid, mit dem Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, handelt es sich inhaltlich und verfahrensrechtlich um zwei selbstständige Bescheide, die nach § 155 Abs. 3 Satz 1 AO in einem Bescheid zusammengefasst sind. Ein zusammengefasster Bescheid kann auch noch nach dem Tod eines Ehegatten gegenüber dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten erlassen werden.
Ist der Ehemann verstorben, richtet sich der zusammengefasste Bescheid zum einen an die Ehefrau als Gesamtschuldnerin und zum anderen an die Erben des Verstorbenen. Jeder der zusammengefassten Bescheide kann für sich beurteilt werden (BFH Urteile vom 24.4.1986, IV R 82/84, BStBl II 1986, 545 und vom 12.5.1992, VIII R 33/88, BFH/NV 1992, 793).
Ein Einkommensteuerbescheid, der sich an die Erben richtet, ist diesen gegenüber nur wirksam, wenn sie namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder sich durch Auslegung des Bescheids ergibt, um wen es sich bei den Erben handelt (BFH Urteil vom 21.1.1999, IV R 27/97, BStBl II 1999, 638).
Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die Steuerschuldner nicht mehr zwingend aus dem Bescheid selbst oder dem Bescheid beigefügten Unterlagen für einen Dritten erkennbar sein (so z.B. noch BFH Urteile vom 28.3.1979, I R 219/78, BStBl II 1979, 718; vom 22.6.1983, I R 55/80, BStBl II 1984, 63; vom 27.11.1984, VIII R 293/81, BFH/NV 1986, 185, und vom 26.3.1991, VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73). Entscheidend ist vielmehr, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH Urteile vom 25.9.1990, IX R 84/88, BStBl II 1991, 120; vom 16.6.1999, II R 36/97, BFH/NV 2000, 170; vom 19.8.1999, IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409, auch BFH Urteil vom 1.12.2004, II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365). Eine Bezugnahme auf einen den Betroffenen bekannten Betriebsprüfungsbericht kann daher ausreichen.
Schulden mehrere Stpfl. eine Steuer als → Gesamtschuldner i.S.d. § 44 AO, so können gegen sie gem. § 155 Abs. 3 Satz 1 AO zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit den zusammengefassten Bescheiden können auch Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AO verbunden werden, wie z.B. die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gem. § 152 AO (→ Verspätungszuschlag gem. § 152 AO). Bei der Zusammenfassung von zwei Steuerbescheiden handelt es sich nur formal um eine – nur äußerlich gemeinsame – Festsetzung.
Ehegatten sind im Fall der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer nach § 26b EStG stets Gesamtschuldner. Für eine wirksame Bekanntgabe an beide Ehegatten reicht es gem. § 122 Abs. 7 AO aus, wenn ihnen eine Ausfertigung des Steuerbescheids an die gemeinsame Anschrift übermittelt wird. Beide Ehegatten sind Empfänger des Steuerbescheids und daher im Anschriftenfeld als Inhaltsadressaten (→ Steuerpflichtiger) zu nennen.
Eine weitere Möglichkeit der Bekanntgabe ist die Übermittlung des Steuerbescheids an einen der Ehegatten zugleich mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten (§ 122 Abs. 6 AO). Die Ehegatten müssen mit dieser Bekanntgabe einverstanden sein. Diese Bekanntgabe kommt insbes. in den Fällen in Betracht, in denen die Bekanntgabe nicht nach § 122 Abs. 7 AO erfolgen kann, weil die Ehegatten keine gemeinsame Anschrift haben.
Eine Einzelbekanntgabe an jeden Ehegatten ist insbes. erforderlich, wenn
keine gemeinsame Anschrift besteht und kein Einverständnis zur Bekanntgabe nach § 155 Abs. 4 AO vorliegt,
bekannt ist, dass zwischen den Ehegatten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen,
dies nach § 122 Abs. 7 Satz 2 AO beantragt worden ist.
Der einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erteilte Auftrag zur Erstellung und Einreichung der Steuererklärungen schließt i.d.R. seine Bestellung als Empfangsbevollmächtigter nicht ein (BFH Urteil vom 30.7.1980, I R 148/79, BStBl II 1981, 3).
Bevollmächtigter kann auch der Vollmachtnehmer einer sog. Vorsorgevollmacht sein. Eine Vorsorgevollmacht ist eine allgemeine rechtsgeschäftliche Vollmacht. Durch die Vorlage der Vorsorgevollmacht beim FA, in der die Befugnis zur Vertretung gegenüber Behörden eingeräumt ist, ist der Vollmachtnehmer für das Besteuerungsverfahren Bevollmächtigter i.S.d. § 80 AO (BMF vom 27.9.2019, IV A 3-S 0062/19/10009:001, FMNR415000019, BStBl I 2019, 946; vgl. AEAO zu § 122 Tz. 1.7.2).
Hat der Stpfl. dem FA ausdrücklich mitgeteilt, dass er seinen Vertreter auch zur Entgegennahme von Steuerbescheiden ermächtigt, sind diese grundsätzlich dem Bevollmächtigten bekanntzugeben (BFH Urteil vom 5.10.2000, VII R 96/99, BStBl II 2001, 86). Dies gilt auch, wenn der Stpfl. dem FA eine Vollmacht vorgelegt hat, nach der der Bevollmächtigte berechtigt ist, für den Stpfl. rechtsverbindliche Erklärungen entgegenzunehmen (BFH Urteil vom 23.11.1999, VII R 38/99, BStBl II 2001, 463; vgl. auch AEAO zu § 122 Tz. 1.7.3). Wird ein Verwaltungsakt dem betroffenen Stpfl. bekanntgegeben und hierdurch eine von ihm erteilte Bekanntgabevollmacht zugunsten seines Bevollmächtigten ohne besondere Gründe nicht beachtet, wird der Bekanntgabemangel durch die Weiterleitung des Verwaltungsakts an den Bevollmächtigten geheilt. Die Einspruchsfrist beginnt dann in dem Zeitpunkt, in dem der Bevollmächtigte den Verwaltungsakt nachweislich erhalten hat (BFH Urteil vom 8.12.1988, IV R 24/87, BStBl 1989 II S. 346; vgl. auch AEAO zu § 122 Tz. 1.7.4).
Treten Angehörige der steuerberatenden Berufe für einen Stpfl. gegenüber Finanzbehörden auf, wird auch vor der Einfügung des § 80 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1679) mit Wirkung vom 1.1.2017 die ordnungsgemäße Bevollmächtigung ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht vermutet (BFH vom 16.3.2022, VIII R 19/19, BStBl II 2022, 459). Diese Vermutung gilt trotz Vorliegens einer auf bestimmte Zeiträume beschränkten schriftlichen Vollmacht auch für außerhalb der schriftlichen Vollmacht liegende Zeiträume, wenn der Angehörige der steuerberatenden Berufe für diese Zeiträume gegenüber dem FA wie ein Bevollmächtigter auftritt.
Die wirksame Bekanntgabe eines an einen Bevollmächtigten adressierten schriftlichen Verwaltungsakts, der im Inland durch die Post übermittelt wird und diesem tatsächlich zugeht, ist nicht davon abhängig, dass die Außenvollmacht des Bevollmächtigten im Bekanntgabezeitpunkt noch besteht (BFH vom 8.2.2024, VI R 25/21, BFH/NV 2024, 873, LEXinform 0954132). Nach § 80 Abs. 1 Satz 3 AO wird der Widerruf der Vollmacht der Finanzbehörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht. Bis zu diesem Zeitpunkt kann das FA noch wirksam Verfahrenshandlungen i.S.v. § 80 Abs. 1 Satz 2 AO gegenüber dem Bevollmächtigten vornehmen. Der Bekanntgabevermutung gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO (Neuregelung nach dem Postrechtsmodernisierungsgesetz – PostModG – vom 18.7.2024, BGBl I 2024, 234, ab 1.1.2025 vier Tage) steht daher nicht entgegen, dass das FA nach der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post durch das bei ihm danach eingegangene Schreiben von dem Widerruf der Vollmacht durch die KG Kenntnis erlangt hat.
Die mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 (BGBl I 2022, 882; mit Wirkung ab 1.1.2023) verbundene Reform der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften des Betreuungsrechts ist auf das Ziel ausgerichtet, im Vorfeld und innerhalb der rechtlichen Betreuung eine konsequent an der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen orientierte Anwendungspraxis zu gestalten, die den Betroffenen im Wege der Unterstützung zur Ausübung seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit befähigt (s. BMF vom 18.5.2022, BStBl I 2022, 662).
Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht nach § 1814 Abs. 1 BGB für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer). Der Betreuer ist gesetzlicher Vertreter des Betreuten i.S.d. § 34 Abs. 1 AO (AEAO zu § 122, Tz. 2.2.4). Soweit bzw. solange der Betreuer gegenüber der Finanzbehörde noch keine Erklärungen nach § 1823 BGB und/oder § 53 Abs. 2 ZPO abgegeben hat, ist ein dem Betreuten selbst bekannt gegebener Bescheid wirksam. Hat der Betreuer entweder von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 BGB Gebrauch gemacht oder eine Ausschließlichkeitserklärung nach § 53 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 79 Abs. 3 AO abgegeben, sind Bescheide ab diesem Zeitpunkt ausschließlich dem Betreuer als Bekanntgabeadressaten bekannt zu geben. Inhaltsadressat bleibt der Betreute. Wird der Bescheid nach Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung dem Betreuten bekannt gegeben, ist er unwirksam; eine Heilung des Bekanntgabemangels ist nicht möglich (vgl. Nr. 4.1.3 des AEAO zu § 122).
Eine Zustellung (nicht Bekanntgabe) von Einkommensteuerbescheiden an einen in der Schweiz wohnhaften Stpfl. unmittelbar durch die Post durch einfachen Brief ist völkerrechtlich erstmals für Besteuerungszeiträume ab dem 1.1.2018 zulässig (BFH vom 8.3.2022, VI R 37/19, BStBl II 2023, 547). Die Schweiz leistet abkommensgemäß keine Amtshilfe bei der Zustellung von Schriftstücken im Zusammenhang mit Steuern, hat jedoch auch nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zustellung durch die Post nicht zu gestatten.
Die Bekanntgabe eines Steuerbescheides setzt grundsätzlich einen Bekanntgabewillen voraus. Ein Bekanntgabewille kann aufgegeben werden, bevor der Bescheid den Herrschaftsbereich der Behörde verlässt. Ein trotzdem bekanntgewordener Verwaltungsakt ist unwirksam, wenn der Umstand, dass die Bekanntmachung nicht mehr vom Willen des zuständigen Amtsträgers gedeckt wird, klar und eindeutig, z.B. durch einen Aktenvermerk, dokumentiert wird. Es ist geboten, dass die Finanzbehörde dem Stpfl. oder seinem Vertreter zeitnah und inhaltlich eindeutig diesen Wegfall des Bekanntgabewillens mitteilt (z.B. telefonische Mitteilung, Telefax oder elektronische Mitteilung; vgl. FG Köln vom 17.6.2021, 15 K 888/18, EFG 2021, 1876; Rev. BFH IX R 38/21).
Stellt der Stpfl. einen Antrag auf Steuerfestsetzung und wird dieser Antrag abgelehnt, liegt ein Ablehnungsbescheid vor. Ablehnungsbescheide sind den Steuerbescheiden nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO gleichgestellt. Damit sind z.B. die Vorschriften über die Form (§ 157 AO), Verjährung (→ Festsetzungsverjährung), Korrekturvorschriften (→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden) und Rechtsbehelfe (→ Einspruchsverfahren) anwendbar.
Die Freistellung von der Steuer erfolgt gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO durch einen Freistellungsbescheid. Freistellungsbescheide sind begrifflich Steuerbescheide, die nach dem Willen des FA den Stpfl. verbindlich davon unterrichten, dass eine Steuer von ihm aufgrund des geprüften Sachverhalts dem Grunde nach überhaupt nicht oder für einen bestimmten Veranlagungszeitraum nicht gefordert werde (BFH Urteil vom 16.10.1991, I R 65/90, BStBl II 1992, 322). Sofern bei Rentnern durch vor dem Jahr 2005 ergangene Mitteilungen des FA, sie seien nicht mehr zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet, ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein sollte, ist dieser mit dem Inkrafttreten des AltEinkG entfallen. Der Regelungsgehalt eines Freistellungsbescheids besteht darin, den Stpfl. davon zu unterrichten, dass von ihm eine Steuer aufgrund des geprüften Sachverhalts entweder überhaupt nicht oder für einen bestimmten Veranlagungszeitraum nicht gefordert werden kann. Der Hinweis, künftig müsse keine Steuererklärung mehr abgegeben werden, erfüllt diese Voraussetzungen nicht (BFH Beschluss vom 15.10.2014, X B 38/14, BFH/NV 2015, 156).
Baum, Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, NWB 37/2015, 2707; Baum, Erweiterung der Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation im Besteuerungsverfahren, NWB 41/2015, 3010; Schulze, Rechtsprechungsradar Verfahrensrecht (AO), SteuerStud 7/2023, 434.
→ Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
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