1 Allgemeines
2 Betroffene Steuerpflichtige und Steuerarten
3 Anwendungsvoraussetzungen
3.1 Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete
3.2 Betroffene Geschäftsvorgänge
4 Zeitliche Anwendung der Abwehrmaßnahmen des StAbwG
4.1 Anwendung bei erstmaliger Einordnung als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet
4.2 Ende der Einordnung als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet
5 Erhöhte Mitwirkungspflichten nach dem StAbwG
5 Bedeutung des StAbwG für andere Bereiche des Steuerrechts
5.1 Besondere Aufbewahrungsfrist (§ 147a AO)
5.2 Besondere Schätzungsbefugnis des FA (§ 162 AO)
5.3 Zulässigkeit einer Außenprüfung (§ 193 AO)
6 Literaturhinweise
7 Verwandte Lexikonartikel
Das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) vom 25.6.2021 wurde am 30.6.2021 verkündet (BGBl I 2021, 2056) und ist am 1.7.2021 in Kraft getreten. Personen und Unternehmen sollen durch gezielte verwaltungsseitige und materiell-steuerrechtliche Maßnahmen davon abgehalten werden, Geschäftsbeziehungen zu natürlichen oder juristischen Personen in Steuerhoheitsgebieten fortzusetzen oder aufzunehmen, die anerkannte Standards in den Bereichen
Transparenz in Steuersachen,
fairer Steuerwettbewerb und
bei der Umsetzung der verbindlichen BEPS-Mindeststandards
nicht erfüllen. Das Gesetz basiert auf den Schlussfolgerungen des Rates der EU zur sog. Schwarzen Liste sowie den verhandelten Maßnahmen der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung).
Die Regelungen des StAbwG gelten für natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen.
Bis auf die Umsatzsteuer inklusive der Einfuhrumsatzsteuer, die Zölle und die Verbrauchsteuern ist das StAbwG auf alle durch Bundes- oder EU-Recht geregelten Steuern anzuwenden. Die größte Bedeutung dürfte es demnach bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer haben.
Das StAbwG entfaltet für den einzelnen Stpfl. nur dann Wirkung, wenn er Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (Geschäftsvorgänge) unterhält.
Die Ansässigkeit in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet orientiert sich bei natürlichen Personen an deren Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichem Aufenthalt (§ 9 AO). Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ist der Sitz (§ 11 AO) oder der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) maßgebend.
Die Voraussetzungen für ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet sind erfüllt, wenn ein Land
keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleistet (§ 4 StAbwG),
unfairen Steuerwettbewerb betreibt (§ 5 StAbwG) oder
sich nicht zur Umsetzung der Mindeststandards des BEPS-Projekts gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverschiebung verpflichtet hat (§ 6 StAbwG).
Um zu vermeiden, dass jedes FA selbst darüber entscheiden muss, ob diese Voraussetzungen für ein bestimmtes Land erfüllt sind, haben das BMF und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit Zustimmung des Bundesrates gem. § 3 StAbwG eine Verordnung zu erlassen, in der die nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete aufgeführt werden. Falls ein Staat nicht mehr auf der Liste aufgeführt wird, muss in der Verordnung der Zeitpunkt angegeben werden, ab welchem die Voraussetzungen der §§ 4 bis 6 StAbwG weggefallen sind.
Die zuständigen Ministerien haben dazu die Steueroasen-Abwehrverordnung (StAbwV) in der aktuellen Fassung vom 15.12.2023 mit Wirkung vom 21.12.2023 erlassen. Dort sind die folgenden 16 Staaten verzeichnet:
Amerikanisch-Samoa (seit dem 24.12.2021),
Amerikanische Jungferninseln (seit dem 24.12.2021),
Anguilla (seit dem 21.12.2022),
Antigua und Barbuda (seit dem 20.12.2023),
Bahamas (seit dem 21.12.2022),
Belize (seit dem 20.12.2023),
Fidschi (seit dem 24.12.2021),
Guam (seit dem 24.12.2021),
Palau (seit dem 24.12.2021),
Panama (seit dem 24.12.2021),
Russische Föderation (seit dem 20.12.2023),
Samoa (seit dem 24.12.2021),
Seychellen (seit dem 20.12.2023),
Trinidad und Tobago (seit dem 24.12.2021),
Turks- und Caicosinseln (seit dem 21.12.2022),
Vanuatu (seit dem 24.12.2021).
Es handelt sich hierbei um die Staaten, die in der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke in der jeweils aktuellen Fassung gelistet sind.
Vom StAbwG werden Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungen eines Stpfl. in ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet erfasst (§ 7 StAbwG). Hierzu gehören sowohl Zahlungen aus Deutschland heraus als auch Zahlungen nach Deutschland. Zur Abwehr dieser gesetzgeberisch nicht gewollten Geschäftsvorgänge sind folgende Abwehrmaßnahmen vorgesehen:
Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG),
verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG),
Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG),
Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen (§ 11 StAbwG).
Außerdem sieht § 12 StAbwG im Fall von Geschäftsvorgängen in nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten erhöhte Mitwirkungspflichten des inländischen Stpfl. vor.
Unterhält ein Stpfl. eine vom StAbwG erfasste Geschäftsbeziehung in ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet, treten die unter Tz. 3.2 dargestellten Abwehrmaßnahmen und die erhöhten Mitwirkungspflichten ein. Grds. sind die §§ 8 bis 12 StAbwG ab dem 1.1.2022 anzuwenden (§ 13 StAbwG). In Bezug auf Steuerhoheitsgebiete, die am 1.1.2021 nicht auf der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke genannt waren, ist das Gesetz ab dem 1.1.2023 anzuwenden.
Die Aufnahme eines Staates in die StAbwV führt grds. dazu, dass das StAbwG ab Beginn des Folgejahres auf die Geschäftsvorgänge mit diesem Land anzuwenden ist (§ 3 Abs. 2 StAbwG).
Hiervon gibt es jedoch zwei Ausnahmen:
Das Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugsverbot des § 8 StAbwG gilt jedoch erst ab Beginn des vierten Jahres,
die Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen des § 11 StAbwG erst ab Beginn des dritten Jahres
nach Aufnahme in die Liste der nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete.
Für die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung des § 9 StAbwG gelten gem. § 13 Abs. 3 StAbwG besondere Anwendungsregelungen. Sie ist in der aktuellen Gesetzesfassung auf Zwischeneinkünfte anzuwenden, die in einem Wj. der Zwischengesellschaft oder der Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31.12.2021 begonnen hat. Für vorhergehende Wj. ist die in § 13 Abs. 3 Satz 2 StAbwG enthaltene Fassung des § 9 StAbwG maßgebend. Einzelheiten zur verschärften Hinzurechnungsbesteuerung enthalten die Rn. 201 bis 209 des neuen Anwendungsschreibens zum Außensteuergesetz vom 22.12.2023 (BStBl I 2023, Sondernr. 1/2023).
Wird ein Staat nicht länger auf der Liste aufgeführt, endet die Anwendung der Abwehrmaßnahmen und der erhöhten Mitwirkungspflichten bereits rückwirkend mit Beginn des Jahres, in dem er nicht mehr als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet aufgeführt wird (§ 3 Abs. 3 Satz 1 StAbwG).
Der Stpfl. hat im Fall von Geschäftsvorgängen in nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete über die nach § 90 AO bestehenden Mitwirkungspflichten hinaus eine gesteigerte Mitwirkungspflicht (§ 12 StAbwG). Er muss für Geschäftsvorgänge i.S.d. § 7 StAbwG besondere Aufzeichnungen erstellen. Hierzu gehören:
Darstellung der Geschäftsbeziehungen, Übersicht über Art und Umfang dieser Geschäftsbeziehungen, insbes. Wareneinkauf, Dienstleistungen, Darlehensverhältnisse, Versicherungsverhältnisse, Nutzungsüberlassungen sowie Kostenumlagen;
Verträge und vereinbarte Vertragsbedingungen, die den Geschäftsbeziehungen zugrunde liegen, und ihre Veränderung innerhalb des Wj.;
Auflistung von Vereinbarungen mit Bezug zu immateriellen Werten, einschließlich Kostenumlagevereinbarungen sowie Forschungsdienstleistungsvereinbarungen und Lizenzvereinbarungen, sowie Auflistung der immateriellen Werte, die der Stpfl. im Rahmen der betreffenden Geschäftsbeziehungen nutzt oder zur Nutzung überlässt;
die von den Beteiligten im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken sowie deren Veränderungen innerhalb des Wj.;
die eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte;
die gewählten Geschäftsstrategien;
die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, die für die Besteuerung von Bedeutung sind;
die natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar Gesellschafter oder Anteilseigner einer Gesellschaft in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet sind, zu dem der Stpfl. in Geschäftsbeziehung steht; das gilt nicht, soweit mit der Hauptgattung der Aktien der ausländischen Gesellschaft ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer Börse in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens stattfindet oder an einer Börse, die in einem anderen Staat nach § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zugelassen ist.
Diese Aufzeichnungen sind ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kj. an das zuständige FA zu übermitteln sowie in den Fällen der Verpflichtung zum Country-by-Country Reporting (§ 138a AO) auch an das BZSt zu übermitteln (§ 12 Abs. 2 Satz 2 StAbwG).
Für Geschäftsjahre, die vor dem 31.12.2022 begonnen haben, wird es nicht beanstandet, wenn die Aufzeichnungen nach § 12 StAbwG erstmals bis zum 31.12.2024 abgegeben werden (BMF vom 4.6.2024, BStBl I 2024, 915). Die ursprüngliche Nichtbeanstandungsregelung bis 31.5.2024 aus dem BMF-Schreiben vom 21.2.2024 (BStBl I 2024, 253) wurde damit bis Ende 2024 ausgeweitet. Fordert das FA darüber hinaus weitere Unterlagen an, sind die besonderen Fristen des § 90 Abs. 4 AO zu beachten.
Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten des § 12 StAbwG können erhöhte Aufbewahrungspflichten bzw. eine Schätzungs- oder Prüfungsbefugnis des FA auslösen (s. unten unter Tz. 5.1 bis 5.3).
Die Regelungen des StAbwG haben auch in anderen Steuergesetzen Bedeutung, insbes. in der AO. Die Verletzung der Mitwirkungspflichten des § 12 StAbwG durch den Stpfl. gibt dem FA die Befugnis, ihm zusätzliche Mitwirkungspflichten aufzuerlegen oder die Steuer anderweitig (i.d.R. höher) festzusetzen.
Im Bereich der Überschusseinkünfte besteht eine sechsjährige Aufbewahrungspflicht gem. § 147a AO, wenn die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG mehr als 500 000 € im Kj. beträgt. Hierzu kann das FA den Stpfl. unabhängig von der Höhe seiner Überschusseinkünfte verpflichten, wenn er die Richtigkeit seiner Angaben nach § 12 StAbwG nicht an Eides statt versichert (§ 147a Abs. 1 Satz 6 AO).
Verletzt der Stpfl. seine erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 12 StAbwG, sieht § 162 Abs. 2 Satz 3 AO eine widerlegbare Vermutung vor, nach der
er über in Deutschland bisher nicht erklärte Einkünfte aus nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten verfügt bzw.
die erklärten Einkünfte aus einem solchen Staat zu niedrig sind.
Das FA ist folglich in diesen Fällen zur (Hinzu-)Schätzung berechtigt. Zudem ist über § 162 Abs. 4a AO die Festsetzung eines Steuerzuschlags nach § 162 Abs. 4 AO möglich, wenn die Mitwirkungspflichten nach § 12 StAbwG verletzt werden.
Eine Außenprüfung ist ohne Weiteres bei Stpfl. mit land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Einkünften zulässig (§ 193 Abs. 1 AO). Bei anderen Stpfl. ist eine Prüfungsmöglichkeit nur dann gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 193 Abs. 2 AO vorliegen. Im dortigen Katalog findet sich auch eine Möglichkeit des FA, bei Verstößen gegen § 12 StAbwG eine Außenprüfung anzuordnen, ohne dass ein Betrieb i.S.v. § 193 Abs. 1 AO vorliegt (§ 193 Abs. 2 Nr. 3 AO).
Böselager, Grundzüge des Steueroasen-Abwehrgesetzes – Das erklärte Ende von nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten, NWB 2021, 2812; Kölbl/Masannek, Steueroasen-Abwehrgesetz: Gestaltungsbedarf bei Geschäftstätigkeiten in nichtkooperativen Staaten, Ubg 2023, 482; Gebhardt/Krüger/Syska, Anwendungsfragen zum finalen Erlass zum Steueroasen-Abwehrgesetz, IWB 2024, 741.
→ Maßnahmen gegen missbräuchliche Steuergestaltungen mit Auslandsbezug
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