Steuerstundungsmodelle

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Verluste aus Steuerstundungsmodellen i.S.d. § 15b EStG
2.1 Modellhafte Gestaltung i.S.d. § 15b Abs. 2 EStG
2.1.1 Allgemeines zu vorgefertigten Konzepten und modellhafter Gestaltung
2.1.2 Besonderheiten bei Einkünften aus Kapitalvermögen
2.1.3 Besonderheiten bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung
2.1.4 Besonderheiten bei sonstigen Einkünften
2.2 Nichtaufgriffsgrenze i.S.d. § 15b Abs. 3 EStG
2.3 Besondere Anlagemodelle i.S.d. § 15b Abs. 3a EStG
3 Gesonderte Feststellung der nicht ausgleichsfähigen Verluste
4 Verhältnis zu anderen Vorschriften
5 Zeitlicher Anwendungsbereich
6 Verfassungsmäßigkeit der Norm
7 Prüfungsschema
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Gem. § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Die Verluste dürfen nur zukünftige Gewinne aus demselben Steuerstundungsmodell mindern. § 15b EStG schränkt daher sowohl den horizontalen als auch den vertikalen Verlustausgleich ein. Die Anwendung des § 15b EStG setzt zunächst eine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit voraus, d.h. es müssen dem Grunde nach steuerbare und steuerpflichtige Einkünfte vorliegen. Vorrangig ist das Vorliegen einer Gewinn- oder Überschusserzielungsabsicht zu prüfen (→ Liebhaberei). Bei fehlender Gewinnerzielungsabsicht liegen dem Grunde nach schon keine steuerbaren Einkünfte (Verluste) vor.

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Das BMF hat am 17.7.2007 (BStBl I 2007, 542) ein allgemeines Anwendungsschreiben (koordinierter Ländererlass) zu § 15b EStG herausgegeben. Zur Übertragung auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat das BMF mit Schreiben vom 29.1.2008 Stellung genommen (BMF, IV B 2-S 2241-b/07/0001, DStR 2008, 561).

Mit der Abschaffung des § 2b EStG (→ Verlustzuweisungsgesellschaften) und der Neuregelung in § 15b EStG wird durch das Gesetz zur Bekämpfung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen vom 22.12.2005 (BGBl I 2005, 3683) die Attraktivität so genannter Steuerstundungsmodelle eingeschränkt. Die Verluste können nur noch mit späteren positiven Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden. Betroffen sind insbesondere Verluste aus Medienfonds, Schiffsbeteiligungen, New Energy Fonds, Leasingfonds, Wertpapierhandelsfonds, Videogamefonds und geschlossene Immobilienfonds. Nicht von § 15b EStG erfasst werden aber Private Equity und Venture Capital Fonds (→ Wagniskapitalgesellschaften), da diese ihren Anlegern konzeptionell keine Verluste zuweisen (BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 12). Die Beteiligung am jeweiligen Steuerstundungsmodell stellt die Einkunftsquelle dar (BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 13).

Die Anwendung des § 15b EStG ist nicht nur auf gewerbliche Steuerstundungsmodelle beschränkt, sondern gilt bei Verlusten aus den folgenden Bereichen:

  • Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 7 EStG);

  • gewerblichen Steuerstundungsmodellen (§ 15b EStG);

  • selbstständiger Arbeit (§ 18 Abs. 4 Satz 2 EStG);

  • Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 7 EStG);

  • Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 2 EStG);

  • sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG; → Renten).

Ein Steuerstundungsmodell kann nach Auffassung des BFH auch dann vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden (degressive AfA, Sonderabschreibungen) beruhen. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15b EStG steht nicht im Widerspruch zu vom Gesetzgeber geschaffenen Lenkungsmaßnahmen, so der BFH (BFH vom 6.6.2019, IV R 7/16, LEXinform 0950780).

§ 15b EStG gilt allgemein für natürliche Personen (§ 1 EStG) und ist damit auf den Anwendungsbereich des EStG beschränkt. Im Rahmen der Körperschaftsteuer ist die Vorschrift nicht anwendbar. Lediglich für an Steuerstundungsmodellen beteiligte Körperschaften kann es zu einer mittelbaren Anwendung kommen. § 15b EStG gilt für auch für Personengesellschaften bzw. Gemeinschaften im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte. Die Anwendung ist nicht auf die unbeschränkte Steuerpflicht begrenzt.

2. Verluste aus Steuerstundungsmodellen i.S.d. § 15b EStG

2.1. Modellhafte Gestaltung i.S.d. § 15b Abs. 2 EStG

2.1.1. Allgemeines zu vorgefertigten Konzepten und modellhafter Gestaltung

Steuerstundungsmodelle liegen immer dann vor, wenn dem Stpfl. auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten wird, zumindest in der Anfangsphase der Investition die prognostizierten Verluste mit übrigen positiven Einkünften zu verrechnen. Für die Modellhaftigkeit spricht ein vorgefertigtes Konzept, das auf die Erzielung steuerlicher Vorteile aufgrund negativer Einkünfte ausgerichtet ist. Typischerweise, wenn auch nicht zwingend, wird das Konzept mittels eines Anlegerprospekts oder in vergleichbarer Form (z.B. Katalog, Verkaufsunterlagen, Beratungsbögen usw.) vermarktet. Charakteristisch für eine modellhafte Gestaltung ist zudem eine Bündelung von Verträgen und/oder Leistungen durch den Anbieter. S. dazu BMF vom 17.7.2007 (BStBl I 2007, 542, Tz. 7 ff.).

Für die Annahme einer modellhaften Gestaltung i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG ist nach dessen Satz 2 zunächst ein »vorgefertigtes Konzept« erforderlich. Da weder das Gesetz noch seine Begründung diesen Passus definieren, ist sein Bedeutungsgehalt durch Auslegung zu ermitteln (BFH Urteil vom 6.2.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, 465). Der BFH führt in seiner Urteilsbegründung hierzu aus, dass ein Konzept einen Plan für ein bestimmtes Vorhaben als Ergebnis eines Prozesses des Erkennens und Entwickelns von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren strategisch zu planenden Vorhabens voraussetze (so auch Urteil des Hessischen FG vom 17.10.2012, 1 K 2343/08, EFG 2013, 510).

Nicht ausreichend ist, dass die modellhafte Gestaltung auf irgendwie geartete steuerliche Vorteile ausgerichtet ist, vielmehr muss sie darauf gerichtet sein, die Erzielung negativer Einkünfte zu ermöglichen, ohne dass dies im Vordergrund stehen müsste (BFH Urteil vom 6.2.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, 465, Rn. 24)

Der BFH hat weiterhin klargestellt, dass bei Beteiligung an einer Gesellschaft oder Gemeinschaft es als Indiz für das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells gesehen werden kann, dass der Anleger vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstrebe. Dies führe aber nicht soweit, dass generell bei geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft, die ihren Anlegern in der Anfangsphase steuerliche Verluste zuweisen, regelmäßig ein Steuerstundungsmodell anzunehmen wäre, auch wenn die Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit die Möglichkeit haben, auf die Vertragsgestaltung Einfluss zu nehmen (so aber BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 542; BFH Urteil vom 6.2.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, 465).

In einem weiteren Urteil hat der 8. Senat die Auffassung des 4. Senats bestätigt, dass für eine solche modellhafte Gestaltung und das Vorliegen eines vorgefertigten Konzeptes die Passivität des Anlegers (Stpfl.) charakteristisch sei. Daher müsse das vorgefertigte Konzept von einer vom Stpfl. verschiedenen Person erstellt worden sein, einem Anbieter bzw. Initiator (BFH Urteil vom 17.1.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700). Das bloße Aufgreifen einer bekannten Gestaltungsidee führe nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells. Ein vorgefertigtes Konzept liegt nach Auffassung des BFH auch dann nicht vor, wenn der Anleger eine von ihm selbst oder von seinem Berater individuell angepasste Investition umsetze. Der BFH hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass Gestaltungen, die nicht auf einem vorgefertigten Konzept beruhen, weder von § 15b EStG noch als missbilligte Gestaltung von § 42 Abs. 1 AO erfasst werden. Verluste aus solchen Investitionen sind nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen (Einkunftserzielungsabsicht prüfen, vorrangig horizontaler Verlustausgleich, ggf. vertikaler Verlustausgleich sowie Anwendung des § 10d EStG).

Der BFH hat die o.g. Rechtsauffassung aus dem Urteil vom 17.1.2017 für die im Jahr 2006 geltende Fassung des § 15b EStG erneut bestätigt. Bei einer Einzelinvestition erfordert eine modellhafte Gestaltung, dass sich der Stpfl. bei der Entwicklung der Geschäftsidee, der Vertragsgestaltung und der Vertragsumsetzung wie ein passiver Kapitalanleger verhält (BFH vom 16.3.2023, VIII R 10/19, LEXinform 0952380). Im Entscheidungsfall nahmen die Stpfl. nicht nur unwesentlich Einfluss auf die Parameter des Investitionskonzeptes (z.B. durch direkt mit der Bank geführte Verhandlungen über Vergütungen der Bank). Hierdurch wurde nicht lediglich auf eine fertige Investition zugegriffen, sondern auch durch Eigenleistungen eine individuell angepasste Investition entwickelt.

Bei PersGes sind die Anwendungsregelung zu § 15b EStG und die Frage, ob im konkreten Fall die Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell gem. § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG einzuordnen ist, anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen (BFH vom 6.6.2019, IV R 7/16, BStBl II 2019, 513, LEXinform 09050780). Ein Steuerstundungsmodell nach § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG kann auch vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden (degressive AfA, Sonderabschreibungen) beruhen. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15b EStG steht nicht im Widerspruch zu vom Gesetzgeber geschaffenen Lenkungsmaßnahmen, so der BFH in dieser Entscheidung.

Das FG Münster hat in seiner Entscheidung vom 21.2.2020 klargestellt, dass für die Annahme einer modellhaften Gestaltung i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG hinsichtlich der steuerlichen Vorteile nicht die tatsächlich erzielten, sondern die sich aus dem vorgefertigten Konzept ergebenden negativen Einkünfte entscheidend seien (FG Münster vom 21.2.2020, 4 K 794/19). Die Feststellungslast für die Anwendungsvoraussetzung des §§ 15b Abs. 1 i.V.m. 15b Abs. 3 EStG trifft – nach den allgemeinen Regeln – die Finanzverwaltung.

2.1.2. Besonderheiten bei Einkünften aus Kapitalvermögen

In der ursprünglichen Fassung war die Anwendung des § 15b EStG nur auf Verluste aus typisch stillen Gesellschaften übertragbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F.). Die Ausdehnung auf den gesamten § 20 EStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2007 eingeführt, § 20 Abs. 2b EStG a.F. Die Änderung ist erstmals für den VZ 2006 anzuwenden. §§ 15b, 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 37d Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 beinhalten eine zulässige unechte Rückwirkung, soweit danach im Jahr 2006 entstandene negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus einem Steuerstundungsmodell, das der Stpfl. am 20.12.2005 gezeichnet hat, der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG unterliegen (BFH vom 25.3.2021, VIII R 16/18, LEXinform 0951943).

§ 20 Abs. 2b wurde mit Wirkung zum 1.1.2009 § 20 Abs. 7 EStG (Einführung der Abgeltungsteuer).

Zur Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle bei Einkünften aus Kapitalvermögen hat die OFD Magdeburg mit Verfügung vom 22.12.2008 (S 2252–104–St 214) Stellung genommen. Danach ist auf folgende Sachverhalte § 20 Abs. 7 i.V.m. § 15b EStG nicht anwendbar:

  1. Ein Anleger erwirbt festverzinsliche Wertpapiere unter Ausweis von Stückzinsen (negative Einnahmen). Die positiven Erträge (d.h. die Zinsen) werden nach dem 1.1.2009 (also im Anwendungszeitraum der Abgeltungsteuer) fällig. Der Ausweis von Stückzinsen entspricht den Marktusancen und ist erforderlich, damit der bisherige Gläubiger den Gegenwert des ihm zustehenden (anteiligen) Zinsanspruchs realisieren kann.

  2. Ein Anleger erwirbt Investmentfondsanteile unter Zahlung von Zwischengewinnen. Die positiven Kapitalerträge (ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge) fließen nach Einführung der Abgeltungsteuer zu.

Hierbei wurde unterstellt, dass der Erwerb der Wertpapiere mit Eigenkapital finanziert wurde. Für den Fall der kreditfinanzierten Anschaffung von Wertpapieren stellt die OFD Magdeburg klar, dass das Verlustverrechnungsverbot des § 15b Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 7 EStG anzuwenden sei, wenn die negativen Einkünfte höher sind als 10 % des eingesetzten Eigenkapitals (§ 15b Abs. 3 EStG). Daher könnten Verluste aus gezahlten Stückzinsen bzw. Zwischengewinnen im Falle einer entsprechend hohen Fremdfinanzierung erst mit den später zufließenden Kapitaleinnahmen aus dieser Anlage verrechnet werden.

Der BFH hat mit seinem Urteil vom 28.6.2017 (VIII R 57/14, BStBl II 2017, 1144) zur Anwendung des § 15b EStG bei hohen negativen Zwischengewinnen Stellung genommen:

  1. Hohe (negative) Zwischengewinne beim Erwerb von Anteilen an einem Investmentfonds führen nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 20 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 15b EStG.

  2. Eine Einschränkung der Verlustverrechnung folgt auch nicht aus § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG a.F., wenn der Steuerpflichtige positive Einkünfte aus den Fondsanteilen erzielt, die dem progressiven Einkommensteuertarif gem. § 32a EStG unterliegen.

Der BFH hat seine Auffassung zur Anwendung des § 15b EStG auf negative Zwischengewinne bestätigt. Negative Zwischengewinne stellen grundsätzlich keine Verluste i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG dar (BFH vom 7.5.2019, VIII R 29/15, LEXinform 0950520; Anschlussurteil zur o.g. Entscheidung vom 28.6.2017).

Zur Anwendung des § 15b EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bis zum Jahr 2008 vgl. Verfügung der OFD Münster vom 13.7.2010 (S 2210-45-St 22-31).

Zum Vorliegen eines Steuerstundungsmodells im Zusammenhang mit dem Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen vgl. FG Hessen (6.3.2019, 7 K 739/15; Revision anhängig BFH VIII R 10/19).

2.1.3. Besonderheiten bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung

Von der Regelung des § 15b Abs. 1 EStG sind insbesondere geschlossene Immobilienfonds betroffen. Zur Behandlung von geschlossenen Fonds s. BMF vom 20.10.2003 (BStBl I 2003, 546).

Nicht betroffen sind jedoch Bauträgergestaltungen, in denen ein Bauträger ein Objekt im Sanierungsgebiet oder ein Denkmal saniert, für die erhöhte Absetzungen geltend gemacht werden können (→ Abschreibung, → Baudenkmal, → Freigrenzen, Freibeträge, Pausch- und Höchstbeträge, ABC-Form), und bei denen vor Beginn der Sanierung die Grundstücke oder Eigentumswohnungen an Erwerber außerhalb einer Fondskonstruktion veräußert werden. Hier liegt grundsätzlich keine modellhafte Gestaltung vor. Die Erwerber können die erhöhten Absetzungen für die Sanierungsaufwendungen weiterhin steuerlich geltend machen. Sollte der Bauträger neben der Sanierung und dem Verkauf aber auch weitere Dienstleistungen erbringen (z.B. Finanzierung), könnte eine modellhafte Gestaltung gegeben sein (BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 9). Nach Auffassung der Finanzverwaltung reicht hier schon die Inanspruchnahme nur einer Nebenleistung für die Modellhaftigkeit der Anlage aus. In Betracht kommt neben der Finanzierung auch die Gewährung einer Bürgschaft oder auch eine Mietgarantie.

Das Bündel an Haupt-, Zusatz und Nebenleistungen kann aber nur ein Indiz für eine modellhafte Gestaltung sein. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung kann eine solche auch dann vorliegen, wenn nach der Struktur des Modells gerade keine Zusatzleistungen angeboten werden (vgl. zur Beteiligung an einem Investmentfonds FG Münster vom 18.6.2015, 12 K 689/12 F, EFG 2015, 1696, nrkr., Az. BFH VIII R 29/15), so Hallerbach in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 283. Lieferung 12.2017, § 15b EStG, Rn. 30.

2.1.4. Besonderheiten bei sonstigen Einkünften

Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann ein Steuerstundungsmodell auch bei Einzelinvestitionen vorliegen, die Finanzverwaltung führt hier die mit Darlehen gekoppelte Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbetrag als Beispiel an (BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 7 am Ende).

2.2. Nichtaufgriffsgrenze i.S.d. § 15b Abs. 3 EStG

Die Verlustbeschränkung des § 15b Abs. 1 EStG ist dann nicht anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase die prognostizierten Verluste 10 % des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals nicht übersteigen (BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 14 bis 18). Dabei ist das Sonderbetriebsvermögen mit den sich daraus ergebenden Verlusten einzubeziehen. Bei Überschreiten der 10 %-Grenze kommt es dazu, dass Verluste nur noch mit Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden können.

Anfangsphase i.S.d. § 15b Abs. 3 EStG ist der Zeitraum, bis zu dem nach dem Konzept keine nachhaltig positiven Einkünfte erzielt werden. Nicht von der Regelung betroffen sind zudem Verluste, die bei der Konzeption nicht abzusehen waren (z.B. unerwarteter Mietausfall, Verlust oder Beschädigung des Anlageobjekts).

Die Einschränkung steuerwirksamer Verlustverrechnung betrifft ausschließlich Steuerstundungsmodelle, deren Attraktivität für den Anleger vor allem auf den anfänglichen Verlustzuweisungen basiert. Für übliche unternehmerische Aktivitäten ohne solche Zielrichtung ergeben sich dagegen keine steuerlichen Auswirkungen.

Beispiel 1:

Ein Existenzgründer macht in den beiden ersten Jahren Verluste.

Lösung 1:

Dieser Fall ist von der Neuregelung des § 15b EStG nicht betroffen. Es liegt kein Steuerstundungsmodell vor. Die Verluste bleiben in bisherigem Umfang abziehbar. Das gilt insbesondere auch für typische Verlustsituationen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung außerhalb modellhafter Gestaltungen.

Beispiel 2:

S.a. Tz. 18 des BMF-Schreibens vom 17.7.2007 (BStBl I 2007, 542). Anleger A beteiligt sich an einem Windkraftfonds mit 100 000 €. Das Konzept sieht eine 20 %ige Finanzierung der Einlage vor. Die restlichen 80 000 € erbringt A aus seinem Barvermögen. Die Verluste aus dem Gesamthandsvermögen betragen in der Anfangsphase 7 500 €, die modellhaften Zinsen für die Fremdfinanzierung (Sonderbetriebsausgaben) 1 500 €.

Lösung 2:

Der steuerliche Verlust des A beträgt insgesamt 9 000 € und liegt damit oberhalb von 10 % der aufzubringenden Einlage (80 000 €). Die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG ist anzuwenden.

2.3. Besondere Anlagemodelle i.S.d. § 15b Abs. 3a EStG

Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des § 15b EStG durch einen neuen Absatz 3a erweitert. § 15b Abs. 3a EStG gilt unabhängig von den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3.

Ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG soll demnach auch dann vorliegen, wenn bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

  • ein Verlust aus Gewerbebetrieb entsteht oder sich erhöht,

  • auf Grund des Erwerbs von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens,

  • sofort abzugsfähige Betriebsausgaben entstehen,

  • wenn deren Übereignung ohne körperliche Übergabe durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB oder durch Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB erfolgt.

Die Regelung steht im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG. Danach sind die Anschaffungskosten für bestimmte Wirtschaftsgüter erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder der Entnahme als Betriebsausgaben abzugsfähig (z.B. Grundstücke im Umlaufvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere). Werden Wirtschaftsgüter, die unter § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG fallen, angeschafft, entstehen durch die Anschaffung gerade keine sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben. § 15b Abs. 3a EStG ergänzt somit § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG. Der Gesetzgeber wollte mit dem neuen Absatz 3a offensichtlich die sog. »Goldfinger-Modelle« treffen. Anwendung findet § 15b Abs. 3a EStG auf alle Wirtschaftsgüter, die nicht schon unter § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG fallen. Beispielsweise Edelmetalle, Container, Holz, Kunstgegenstände, Melasse (vgl. hierzu Dornheim, DStR 2012, 1581).

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15b Abs. 3a EStG tritt die Rechtsfolge nur bei der Entstehung eines Verlustes oder der Erhöhung eines bereits vorhandenen Verlustes ein. Mindern die Anschaffungskosten der betreffenden Wirtschaftsgüter lediglich einen Gewinn, so ist § 15b Abs. 3a EStG nicht anzuwenden.

Beispiel 3:

Ein Steuerpflichtiger ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Er erzielt aus seiner Tätigkeit einen Gewinn i.H.v. 100 000 €. Er erwirbt Edelmetalle im Wert von 20 000 € (sollen zutreffend Umlaufvermögen sein).

Lösung 3:

Durch die Anschaffungskosten von 20 000 € entsteht kein Verlust, § 15b Abs. 3a EStG ist nicht anwendbar.

Beispiel 4:

Ein Steuerpflichtiger ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Er erzielt aus seiner Tätigkeit einen Gewinn i.H.v. 100 000 €. Er erwirbt Kunstgegenstände im Wert von 120 000 € (sollen zutreffend Umlaufvermögen sein).

Lösung 4:

Durch die Anschaffungskosten von 120 000 € entsteht ein Verlust i.H.v. 20 000 €, § 15b Abs. 3a EStG ist insoweit anwendbar. Der Verlust i.H.v. 20 000 € ist nicht ausgleichsfähig, er ist mit dem Gewinn aus der Veräußerung der Kunstgegenstände verrechenbar, § 15b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 EStG.

Der neu eingeführte Abs. 3a gilt erstmals für Verluste, bei denen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nach dem 28.11.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt worden sind, vgl. § 52 Abs. 25 Satz 10 EStG.

3. Gesonderte Feststellung der nicht ausgleichsfähigen Verluste

Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist nach § 15b Abs. 4 EStG jährlich gesondert festzustellen (→ Gesonderte Feststellung). Ausgangsgröße dafür ist der verrechenbare Verlust des Vorjahres. Der Feststellungsbescheid kann nur insoweit angegriffen werden, als der verrechenbare Verlust gegenüber dem verrechenbaren Verlust des Vorjahres sich verändert hat (BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 26).

Werden verrechenbare Verluste nach § 15b Abs. 4 Satz 5 EStG gesondert und einheitlich festgestellt, gelten für die Klagebefugnis dieselben Grundsätze wie für die Anfechtung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte (BFH vom 20.12.2018, IV R 2/16, LEXinform 0950782).

Der Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG und die gesonderte und einheitliche Feststellung i.S.d. §§ 179 Abs. 1 und Abs. 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind zwei eigenständige Verwaltungsakte, die nach § 15b Abs. 4 Satz 5 EStG verbunden werden können. Hinsichtlich des an eine Personengesellschaft gerichteten, mit dem Gewinnfeststellungsbescheid verbundenen Verlustfeststellungsbescheids nach § 15b Abs. 4 EStG sind neben der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch deren Gesellschafter, für die nicht ausgleichsfähige Verluste festgestellt worden sind, nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt. Klagt nur die Personengesellschaft gegen den Verlustfeststellungsbescheid, sind die betroffenen Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO notwendig beizuladen (BFH vom 6.6.2019, IV R 7/16, LEXinform 09050780).

4. Verhältnis zu anderen Vorschriften

Soweit sich der Anwendungsbereich des § 15b EStG mit § 15 Abs. 4 EStG überschneidet, geht § 15b EStG als speziellere Vorschrift vor.

§ 15b EStG ist gegenüber § 15a EStG die vorrangig anzuwendende Norm. Nach § 15b Abs. 1 Satz 3 EStG ist § 15a EStG insoweit nicht anwendbar. So ist beispielsweise der Verlust eines Kommanditisten eines Steuerstundungsmodells vorrangig nach § 15b EStG zu beurteilen und ggf. bereits nach dieser Vorschrift nicht ausgleichsfähig.

Bei Einkünften, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dem Progressionsvorbehalt unterliegen (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG), ist nach Auffassung der Finanzverwaltung wie folgt vorzugehen:

Die Höhe der ausländischen Einkünfte ist nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln (BFH Urteil vom 22.5.1991, BStBl II 1992, 94). Ein negativer Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG ist ungeachtet § 2a EStG nicht zu berücksichtigen, wenn die ausländischen Verluste aus einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG herrühren (vorrangige Anwendung des § 15b EStG), vgl. BMF vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, Tz. 24.

§ 15b EStG verdrängt als Spezialnorm zur Missbrauchsbekämpfung die allgemeinere Vorschrift § 42 AO. Die Beurteilung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung kann seit Inkrafttreten des § 15b EStG nicht mehr auf § 42 AO gestützt werden. Der BFH hat daher Aufwendungen für die Fondsetablierung im Jahr 2007 nicht als Anschaffungskosten der erworbenen Kommanditbeteiligungen an Schiffsfonds (Zielfonds-Beteiligungen), sondern als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln, ohne dass dem die Abgeltungswirkung des § 5a Abs. 1 EStG entgegenstand (BFH Urteil vom 26.4.2018, IV R 33/15).

5. Zeitlicher Anwendungsbereich

Nach § 52 Abs. 33a EStG ist § 15b EStG nur auf Verluste für Steuerstundungsmodelle anzuwenden, denen der Stpfl. nach dem 10.11.2005 beigetreten ist oder für die nach dem 10.11.2005 mit dem Außenvertrieb begonnen wurde. Der Außenvertrieb beginnt in dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für die Veräußerung der konkret bestimmbaren Fondsanteile erfüllt sind und die Gesellschaft selbst oder über ein Vertriebsunternehmen mit Außenwirkung an den Markt herangetreten ist.

§ 15b Abs. 3a EStG gilt erstmals für Verluste, bei denen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nach dem 28.11.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt worden sind, vgl. § 52 Abs. 25 Satz 10 EStG.

Zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 15b EStG auf geschlossene Fonds hat der BFH mit Urteil vom 1.9.2016 Stellung genommen. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 15b EStG ergibt sich für geschlossene Fonds aus § 52 Abs. 33a Sätze 1 bis 3 EStG 2005. Für den Zeitpunkt des Beitritts ist auf den Tag der rechtsverbindlichen Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags abzustellen (BFH Urteil vom 1.9.2016, IV R 17/13, BStBl II 2016, 1003).

In einer weiteren Entscheidung zum zeitlichen Anwendungsbereich hat der BFH klargestellt, dass die Anwendungsregelung (im Streitfall § 52 Abs. 33a Satz 1 EStG) und die Frage, ob im konkreten Fall die Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell einzuordnen ist, anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen seien (BFH vom 6.6.2019, IV R 7/16, LEXinform 0950780).

6. Verfassungsmäßigkeit der Norm

Bei einer solchen einschränkenden Regelung stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG. In der Literatur werden hinsichtlich einer möglichen Verfassungswidrigkeit vor allem drei Gesichtspunkte untersucht: eine etwaige verfassungswidrige Rückwirkung, eine Unbestimmtheit der Norm sowie der mögliche Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip.

§ 15b EStG ist bezogen auf das Tatbestandsmerkmal einer »modellhaften Gestaltung« hinreichend bestimmt (BFH Urteil vom 6.2.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, 465).

Auch der VIII. Senat des BFH hält § 15b EStG für verfassungsgemäß. Er schließt sich insbesondere der Auffassung des IV. Senats des BFH an, dass § 15b EStG bezogen auf das Tatbestandsmerkmal einer »modellhaften Gestaltung« hinreichend bestimmt ist. Dieser Begriff wird in § 15b Abs. 2 EStG legal definiert und ist einer Auslegung zugänglich (BFH Urteil vom 17.1.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700).

Die Beschränkung des Verlustabzugs bei Steuerstundungsmodellen gem. § 15b EStG unterliegt auch bei Eintritt von Definitiveffekten keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln, so urteilte das FG Hamburg (20.2.2020, 2 K 293/15). Angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 15b EStG scheide auch eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend aus, nur verrechenbare Verluste im Falle des Definitivwerdens als abzugsfähige Verluste zu behandeln, so die weitere Feststellung des FG Hamburg.

7. Prüfungsschema

Abb.: Prüfungsschema § 15a EStG

8. Literaturhinweise

Lüdicke, Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen, DB 2006, 744; Lindberg, § 15b EStG – das endgültige Aus für Steuersparmodelle?, INF 2006, 269; Gragert, Verlustverrechnungsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle, NWB Fach 3, 14775; Fleischmann u.a., Verlustverrechnungsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle, NWB Fach 3, 15165; Hechtner u.a., Besteuerung von Stückzinsen nach den Änderungen durch das JStG 2010 – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 16.12.2010, NWB 2011, 518; Naujok, Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG, BB 2007, 1365; Dornheim, Die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften über den negativen Progressionsvorbehalt, DStR 2012, 1581.

9. Verwandte Lexikonartikel

Baudenkmal

Lebensversicherung

Stille Gesellschaft

Verlustzuweisungsgesellschaften

Renten

Verlustabzug nach § 10d EStG

Verluste

 

Redaktioneller Hinweis:

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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