1 Grundsätzliches zu den Telekommunikationsleistungen in der Umsatzsteuer
2 Telekommunikationsdienstleistungen im Interconnectionverfahren
2.1 Allgemeines
2.2 Telekommunikations-Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG
3 Telekommunikationsdienstleistungen bei Abgabe von Startpaketen im Mobilfunkbereich und bei Abgabe von Zahlkarten
3.1 Allgemeines
3.2 Startpaket im Mobilfunkbereich mit Handy
3.2.1 Startpakete der Netzbetreiber oder Serviceprovider
3.2.2 Abgabe des Startpakets durch einen Netzbetreiber oder Serviceprovider
3.2.3 Vertrieb des Startpakets durch einen selbstständigen Händler
3.2.3.1 Eigenhändler
3.2.3.2 Händler als Vermittler
3.2.4 Entstehung der Umsatzsteuer
3.2.5 Abgabe von »Gratis-Handys« durch den Vermittler von Mobilfunkverträgen
3.3 Startpaket im Mobilfunkbereich ohne Handy
3.3.1 Grundsätzliches
3.3.2 Abgabe des Startpakets durch einen Netzbetreiber oder Serviceprovider
3.3.3 Vertrieb des Startpakets durch einen selbstständigen Händler
3.3.3.1 Auftreten als Eigenhändler bzw. im Rahmen einer Dienstleistungskommission
3.3.3.2 Auftreten als Vermittler
3.3.4 Startguthaben
3.3.5 Entstehung der Umsatzsteuer
3.4 Einzweckguthabenkarte in der Telekommunikation
3.4.1 Allgemeines
3.4.2 Abgabe der Einzweckguthabenkarte durch einen Telefonanbieter
3.4.3 Vertrieb der Einzweckguthabenkarte durch einen selbstständigen Händler
3.4.4 Entstehung der Umsatzsteuer
3.5 Mehrzweckguthabenkarte
3.5.1 Leistungsausführung und Entstehung der Umsatzsteuer
3.5.2 Besteuerung von Restguthaben
4 Leistungsort
4.1 Leistungsort nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG für Katalogleistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG
4.2 Leistungsort nach § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG ab 1.1.2019 für Katalogleistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG
4.3 Verzicht auf die Anwendung des § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG ab 1.1.2019
4.4 Leistungsort nach § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG ab 1.7.2021 für Katalogleistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG
4.5 Ansässigkeitsvermutungen bezüglich des Leistungsempfängers
4.5.1 Allgemeine Grundsätze
4.5.2 Die Ansässigkeitsvermutungen nach der MwStSystRL-DVO im Einzelnen
4.6 Leistungsort für B2B-Katalogleistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG
4.6.1 Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers
4.6.2 Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG
4.7 Zusammenfassende Übersicht zur Ortsbestimmung
5 Verordnung für eine zentrale Anlaufstelle für Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen
5.1 Besondere Besteuerungsverfahren bis 30.6.2021
5.2 Besondere Besteuerungsverfahren ab 1.7.2021
5.3 Ordnungswidrigkeit
6 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
7 Literaturhinweise
Telekommunikationsdienstleistungen sind insbes. von Bedeutung
für die Bestimmung des Leistungsorts i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG (→ Ort der sonstigen Leistung) sowie
für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
Als sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation sind die Leistungen anzusehen, mit denen die Übertragung, die Ausstrahlung oder der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien gewährleistet werden; dazu gehören auch die Abtretung und die Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang (Abschn. 3a.10. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Abschn. 3a.10. Abs. 2 UStAE enthält eine ausführliche Aufzählung der sonstigen Leistungen, die als Telekommunikationsleistungen anzusehen sind. Für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG verweist Abschn. 13b.7b. Abs. 1 UStAE auf die Ausführungen in Abschn. 3a.10. UStAE.
Von den Telekommunikationsleistungen i.S.d. Abschn. 3a.10. Abs. 2 UStAE sind u.a. die über globale Informationsnetze (z.B. Online-Dienste, Internet) entgeltlich angebotenen Inhalte der übertragenen Leistungen zu unterscheiden. Hierbei handelt es sich um gesondert zu beurteilende selbstständige Leistungen, deren Art für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung maßgebend ist (Abschn. 3a.10. Abs. 3 UStAE).
Nicht zu den Telekommunikationsleistungen gehören insbesondere (Abschn. 3a.10. Abs. 4 UStAE):
Angebote im Bereich Onlinebanking und Datenaustausch;
Angebote zur Information (Datendienste, z.B. Verkehrs-, Wetter-, Umwelt- und Börsendaten, Verbreitung von Informationen über Waren und Dienstleistungsangebote);
Angebote zur Nutzung des Internets oder weiterer Netze (z.B. Navigationshilfen);
Angebote zur Nutzung von Onlinespielen;
Angebote von Waren und Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit.
Der Inhalt dieser Leistungen kann z.B.
in der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von bestimmten Rechten (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG),
in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UStG),
in der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Beratung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG),
in der Datenverarbeitung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 UStG),
in der Überlassung von Informationen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 UStG) oder
in einer auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG; Abschn. 3a.12. UStAE), z.B. Ebay oder Amazon (s. → Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a UStG« sowie »Innergemeinschaftlicher Fernverkauf«; → Ort der sonstigen Leistung unter dem Gliederungspunkt »Ortsverlagerung für sonstige Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 UStG« sowie »Leistungsort bei Katalogleistungen«)
bestehen.
Zur Behandlung der Leistungen der Online-Anbieter, die häufig ein Bündel sonstiger Leistungen an ihre Abnehmer erbringen, s. die Erläuterungen und die Beispiele in Abschn. 3a.10. Abs. 5 bis 8 UStAE.
Die Vfg. der OFD Niedersachsen vom 31.7.2015 (S 7100 – 497 – St 171/S 7100 – 894 – St 171, LEXinform 5235682) regelt die umsatzsteuerrechtliche Abwicklung von Telekommunikationsdienstleistungen im Interconnection-Verfahren.
Der Betreiber eines Telekommunikationsnetzes (Teilnehmernetzbetreiber – TNB) hat nach dem Telekommunikationsgesetz in seinem Netz sicherzustellen, dass jeder Nutzer (also der Inhaber eines Telefonanschlusses) dieses Telekommunikationsnetzes die Möglichkeit hat, einen anderen Netzbetreiber für die Übermittlung von Signalen usw. frei anzuwählen. Dieser andere Netzbetreiber wird Verbindungsnetzbetreiber (VNB) genannt, weil er nicht den Telefonanschluss des Nutzers hat. Es ist also zwischen Teilnehmernetzbetreibern (TNB, als Betreiber des Netzes, das den Anschluss zum Nutzer hat) und Verbindungsnetzbetreibern (VNB, deren Netz der Nutzer teilweise genutzt hat) zu unterscheiden. Der TNB ist darüber hinaus verpflichtet, seinem Kunden Zugang zu Leistungen sonstiger Dienstanbieter (DB), die diese über den Netzzugang des TNB erbringen, zu gewährleisten.
Beim Interconnectionverfahren kann der Kunde wählen, ob er dauerhaft (Preselection) oder fallweise (Call-by-call-Selection) Leistungen eines anderen VNB in Anspruch nehmen möchte. In beiden Fällen hat der Kunde ein Wahlrecht, ob er die Telekommunikationsdienstleistungen des VNB direkt von diesem abgerechnet haben möchte oder ob er die Berechnung der Leistungen durch seinen TNB durchführen lässt. Im Rahmen der Ausübung dieses Wahlrechts (auch »Carrier-Selection« genannt) arbeiten der TNB und VNB zusammen (sog. Interconnection).
Beim Premium-Dienst (z.B. 0900-Nummer) erbringt ein sonstiger Anbieter sog. Inhaltsleistungen wie z.B. Verkehrs-, Wetter- oder Börsennachrichten. Der Kunde ruft die Inhaltsleistungen über Service-Rufnummern ab, bei denen i.d.R. ein erhöhtes Verbindungsentgelt anfällt.
Beachte:
Die Leistung des Premium-Dienstanbieters gehört nicht zu den Telekommunikationsleistungen (s. Abschn. 3a.10. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStAE). Es handelt sich dabei um eine auf elektronischen Weg erbrachte sonstige Leistung i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG (Abschn. 3a.12. Abs. 3 Nr. 4 UStAE).
Beim Dienst mit Kostenteilung (z.B. 0180-Nummer) wird das für die Verbindung zu entrichtende Entgelt zwischen dem Angerufenen und dem Anrufer aufgeteilt.
Beachte:
Der TNB erbringt zwei Telekommunikationsdienstleistungen. Gegenüber dem Anrufer stellt er die gewünschte Verbindung her und gegenüber dem Anbieter erbringt der TNB die Leistung, bundesweit zu einem einheitlichen begünstigten Tarif erreichbar zu sein.
Nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) besteht für die Betreiber eines Telekommunikationsdienstes (TNB, z.B. Deutsche Telekom AG) regelmäßig die Pflicht, auch über Leistungen anderer Netzbetreiber (VNB) im Interconnectionverfahren oder sonstiger Dienstanbieter (DB) abzurechnen.
Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlichen Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wurde mit Wirkung zum 1.1.2015 § 3 Abs. 11a in das UStG eingefügt (s.a. BT-Drs. 18/1529; 74 ff.). Die Regelung des § 3 Abs. 11a UStG erfasst sämtliche sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, die der Endverbraucher über den Anschluss eines Teilnehmernetzes in Anspruch nehmen kann.
Für die vom Unternehmer (TNB) abgerechneten Leistungen anderer Anbieter fingiert § 3 Abs. 11a UStG die Voraussetzungen einer Dienstleistungskommission i.S.d. § 3 Abs. 11 UStG. Die Anwendung des § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG gilt nach den Sätzen 2 und 3 des § 3 Abs. 11a UStG nicht, wenn der Anbieter der sonstigen Leistung (z.B. VNB) vom beteiligten Unternehmer (TNB) als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist nach Satz 3 des § 3 Abs. 11a UStG erfüllt, wenn
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung i.S.d. Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung i.S.d. Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Wird die Vermutung wirksam widerlegt, leistet der Anbieter direkt an den Endkunden.
Zur Anwendung des § 3 Abs. 11a UStG s. die ausführliche Kommentierung unter → Dienstleistungskommission und dort unter dem Gliederungspunkt »Gesetzlich normierte Telekommunikations-Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG«.
Das BMF-Schreiben vom 3.12.2001 (BStBl I 2001, 1010) regelt die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen im Zusammenhang mit Startpaketen und Guthabenkarten im Mobilfunkbereich (s.a. BMF vom 15.2.2010, UR 2010, 546, LEXinform 5232648). Die Vfg. der OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 (S 7100 – 407 – St 171, UR 2016, 569, LEXinform 5235878) fasst das BMF-Schreiben zusammen.
Das Startpaket wird von Netzbetreibern und Serviceprovidern für das jeweilige Mobilfunknetz z.B. unter dem Namen Xtra-Card (D1-Netz), CallYa-Card (D2-Netz), Free & Easy Card (E1-Netz) bzw. Loop-Card (E2-Netz) herausgegeben und enthält:
den Anspruch auf Freischaltung (Aktivierung des Anschlusses, Netzzugang),
die Zuteilung einer Rufnummer,
ein Guthaben für die ausschließliche Inanspruchnahme von Telekommunikationsleistungen in bestimmter Höhe und
ein Mobilfunkgerät.
Bereits mit Erwerb des Startpakets legt sich der Kunde auf einen bestimmten Telekommunikationsanbieter (Netzbetreiber oder Serviceprovider) fest. Netze werden zurzeit betrieben von DeTe Mobil/Deutsche Telekom AG, Mannesmann Mobilfunk/Vodafone, E-Plus-Mobilfunk bzw. VIAG Interkom. Bei den Serviceprovidern handelt es sich um Anbieter von Telekommunikationsleistungen, die nicht über eigene Netze verfügen, sondern entsprechende Gesprächszeiten bei den Netzbetreibern »einkaufen« und »wieder verkaufen« (BMF vom 3.12.2001, BStBl I 2001, 1010 unter 1.).
Gibt ein Netzbetreiber oder Serviceprovider das Startpaket unmittelbar an den Kunden ab, liefert er die einheitliche Ware Startpaket an den Kunden. Beim Startpaket steht nicht die Telekommunikationsleistung, sondern das Mobilfunkgerät im Vordergrund und gibt der Leistung das Gepräge (BMF vom 3.12.2001 unter 1.a sowie OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 1.1).
Wird das Startpaket eines Netzbetreibers oder Serviceproviders über im eigenen Namen und für eigene Rechnung auftretende Händler – sog. Eigenhändler – (z.B. andere Serviceprovider oder Elektrofachgeschäfte) an Kunden abgegeben, ist die Lieferung der einheitlichen Ware »Startpaket« auf jeder einzelnen Stufe steuerbar und stpfl. (OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 1.2 Abs. 1).
Tritt der Händler dagegen für den Kunden erkennbar lediglich als Vermittler für den Netzbetreiber oder Serviceprovider auf (Agenturgeschäft), so entstehen zwischen dem Händler und dem Kunden keine Leistungsbeziehungen. Allein der jeweilige Netzbetreiber oder Serviceprovider liefert die einheitliche Ware »Startpaket« an den Kunden. Der Händler vermittelt lediglich die Lieferung für den Netzbetreiber oder Serviceprovider (OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 1.2 Abs. 2). Zur Abgrenzung zwischen Eigenhandlung und Vermittlung s. die Grundsätze in Abschn. 3.7. UStAE (→ Agenturgeschäfte) sowie OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 7.).
Folgende Aspekte sprechen für |
|
Eigenhandel |
Vermittlung |
Der Händler kann über Startpaket / Einzweckguthabenkarte frei verfügen, d.h. er kann sie selbst nutzen, seinem Personal zur Verfügung stellen oder verkaufen. |
Der Händler erhält das Startpaket / Einzweckguthabenkarte zweckgebunden zur Vermittlung der Leistung des Netzbetreibers an den Kunden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Vertragsformularen hinsichtlich der Telekommunikationsleistung eindeutig eine Rechtsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Netzbetreiber ergibt und der Kunde aus dem Produktaufdruck eindeutig den Netzbetreiber erkennen kann. |
Der Händler trägt das Geschäfts- und Absatzrisiko, also die Gefahr des Untergangs oder Verlustes von Startpaket/Einzweckguthabenkarte und des Forderungsausfalls. |
Der Händler trägt kein Geschäfts- und Absatzrisiko. Er kann Startpaket/Einzweckguthabenkarte an den Netzbetreiber zurückgeben, wenn die Veräußerung fehlschlägt. |
Gewährleistungsansprüche des Kunden richten sich gegen den Eigenhändler. |
Gewährleistungsansprüche des Kunden richten sich gegen den Netzbetreiber |
Die Steuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung bzw. Vermittlung ausgeführt worden ist.
Die Aktivierung des Guthabens aus dem Startpaket ist – anders als bei den Guthabenkarten (s.u.) – von einem Netzbetreiber oder Serviceprovider nur dann nicht als Anzahlung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 UStG zu versteuern, wenn er nachweist, dass bei ihm und den folgenden Verkaufsstufen die Lieferung des Startpakets besteuert wurde und das Guthaben Bestandteil des Startpakets war (OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 1.3).
Wenn ein Vermittler von Mobilfunkverträgen dem Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags mit einem Mobilfunkanbieter (Netzbetreiber) »kostenlos« ein Handy oder sonstige Elektronikartikel liefert und er hierfür von dem Netzbetreiber einen Bonus erhält, muss er die Abgabe des Handys nicht als sog. unentgeltliche Wertabgabe mit deren Einkaufspreis versteuern. Er hat vielmehr – neben der Vermittlungsprovision – (lediglich) diesen Bonus der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dies hat der BFH durch Urteil vom 16.10.2013 (XI R 39/12, BStBl II 2014, 1024) entschieden (s. → Agenturgeschäfte unter dem Gliederungspunkt »Abgabe von Gratis-Handys durch Vermittler von Mobilfunkgeräten«).
Die Klägerin vermittelte Mobilfunkverträge zwischen Kunden und verschiedenen Netzbetreibern. Der Kunde konnte gegen eine erhöhte Monatsgebühr Tarife mit »kostenlosem« Handy wählen. Das FA unterwarf die Lieferung dieser Handys mit deren Einkaufspreis als sog. unentgeltliche Wertabgabe der USt. Dem folgte der BFH nicht, weil die Abgabe des Handys wegen des von dem Netzbetreiber dafür gezahlten Bonus nicht unentgeltlich sei (s. Pressemitteilung des BFH Nr. 81/2013 vom 27.11.2013, LEXinform 0440964).
Mit Schreiben vom 4.12.2014 (BStBl I 2014, 1617) nimmt das BMF zur Anwendung des o.g. BFH-Urteils vom 16.10.2013 (XI R 39/12, BStBl II 2014, 1024) Stellung. Das BMF stellt dabei fest, dass die Grundsätze des BFH-Urteils nur unter der Voraussetzung gelten, dass der Vermittler des Mobilfunkvertrags das Mobilfunkgerät oder den sonstigen Elektronikartikel im eigenen Namen an den Kunden liefert. Ein Leistungsaustausch zwischen dem Mobilfunkunternehmen und dem Vermittler des Mobilfunkvertrages besteht insoweit nicht. Eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.v. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG des Vermittlers an den Kunden liegt demnach nicht vor.
Liefert der Vermittler eines Mobilfunkvertrags im eigenen Namen an den Kunden ein Mobilfunkgerät oder einen sonstigen Elektronikartikel und gewährt das Mobilfunkunternehmen dem Vermittler aufgrund vertraglicher Vereinbarung eine von der Abgabe des Mobilfunkgeräts oder sonstigen Elektronikartikels abhängige Provision bzw. einen davon abhängigen Provisionsbestandteil, handelt es sich bei dieser Provision oder diesem Provisionsbestandteil insoweit nicht um ein Entgelt für die Vermittlungsleistung an das Mobilfunkunternehmen, sondern um ein von einem Dritten gezahltes Entgelt i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG für die Lieferung des Mobilfunkgeräts oder des sonstigen Elektronikartikels. Dies gilt unabhängig von der Höhe einer von dem Kunden zu leistenden Zuzahlung (s.a. Abschn. 10.2. Abs. 5 Satz 7 und 8 UStAE).
Wird zwischen dem Mobilfunkunternehmen und dem Vermittler ein Vertrag geschlossen, nach dem das Mobilfunkunternehmen dem Vermittler eine (Abschluss-)Provision unabhängig von der Abgabe eines Mobilfunkgeräts (vertragliche Entkopplung) an den Endkunden zahlt, stellt die Provision insgesamt Entgelt für die Vermittlungsleistung dar (Abschn. 10.2. Abs. 5 Satz 9 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 23.1.2024, LEXinform 7013831).
Weist der Vermittler des Mobilfunkvertrags gegenüber dem Mobilfunkunternehmen gleichwohl hierfür einen Steuerbetrag gesondert in der Rechnung aus, schuldet der Vermittler den insoweit ausgewiesenen Steuerbetrag wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 UStG. Ein Vorsteuerabzug des Mobilfunkunternehmens ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG insoweit unzulässig.
Mit Kauf und Übergabe des Startpakets erhält der Kunde das Recht, von dem Netzbetreiber den Abschluss eines Mobilfunkvertrages zu den angegebenen Konditionen zu verlangen. Die Konditionen beinhalten die jeweilige Mobilfunkrufnummer, das Gesprächsguthaben und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers. Außerdem verschafft der Netzbetreiber dem Kunden die Verfügungsmacht an der SIM-Karte. Diese enthält die Daten für die Aktivierung des Mobilfunkanschlusses und den Zugang zum Netzbetreiber (BMF vom 15.2.2010, LEXinform 5232648 unter 1.a; OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 2.).
Durch den Verkauf des Startpakets verschafft der Telekommunikationsanbieter dem Erwerber keinen unmittelbaren Anspruch auf bestimmte Telekommunikationsleistungen, sondern einen Anspruch auf Abschluss eines Mobilfunkvertrags zu bestimmten Konditionen. Er begründet insbes. keinen vertraglichen Anspruch auf Telekommunikationsleistungen im Gegenwert des Nennbetrags des Gesprächsguthabens. Denn der Anspruch hierauf entsteht effektiv erst im späteren Zeitpunkt des Abschlusses des Mobilfunkvertrags. Daher stellt der Kaufpreis des Startpakets in Höhe des Nennbetrags des Gesprächsguthabens umsatzsteuerrechtlich auch keine an den Telekommunikationsanbieter geleistete Anzahlung für Telekommunikationsleistungen dar.
Der Mobilfunkvertrag kommt erst durch Anmeldung des Kunden beim Telekommunikationsanbieter und anschließende Freischaltung des Mobilfunkanschlusses bzw. Aktivierung der SIM-Karte zustande. Die Beziehung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger hinsichtlich der Telekommunikationsleistungen muss zivilrechtlich also zunächst noch begründet werden (BMF vom 15.2.2010, LEXinform 5232648 unter 3.).
Die Abgabe eines Startpakets ohne Mobilfunkgerät stellt eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung dar (Abschn. 3.5. Abs. 3 Nr. 15 UStAE).
Vertraglich erhält der Kunde nicht nur die Verfügungsmacht an der SIM-Karte, sondern vorrangig das Recht auf Abschluss des Mobilfunkvertrags. Das Recht wird nicht ohne Verkauf und Übergabe der SIM-Karte an den Kunden übertragen. Die SIM-Karte verbrieft insofern den Anspruch des Karteninhabers auf Abschluss des Mobilfunkvertrags mit dem Netzbetreiber und ist Träger der erforderlichen Zugangsdaten, um den Vertrag zu schließen und den Zugang zum Netzbetreiber herzustellen. Ohne die Aktivierung durch den Netzbetreiber bietet sie keinen Nutzen für Telekommunikationsleistungen.
Aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist entscheidend, dass er nicht nur die Sache »SIM-Karte« erhält, sondern dass er den Abschluss eines Mobilfunkvertrags vom Netzbetreiber verlangen kann. Er weiß, dass der Besitz der SIM-Karte allein ihn noch nicht zur Inanspruchnahme von Telekommunikationsleistungen berechtigt. Die SIM-Karte ist für ihn Mittel zum Zweck, um den Zugang zum Netzbetreiber und die Aktivierung der SIM-Karte sicherzustellen. Die spätere Nutzung der SIM-Karte für Telekommunikationsleistungen prägt aus seiner Sicht nicht die Leistung des Händlers.
Nach alledem gibt die SIM-Karte der Leistung nicht das Gepräge. Ihre Lieferung ist Bestandteil der einheitlich zu beurteilenden sonstigen Leistung Startpaket, die durch die Gewährung des Anspruchs auf Abschluss des Mobilfunkvertrags charakterisiert wird. Die Übereignung der SIM-Karte ist mit der Übertragung des Rechts so eng verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Denn das Recht ergibt sich aus dem Eigentum an dem Startpaket und ist von der SIM-Karte nicht zu trennen.
Die Leistung stellt eine sonstige Leistung auf dem Gebiet der Telekommunikation dar. Zu den sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation gehört insbesondere die Verschaffung von Zugangsberechtigungen zu den Mobilfunknetzen (Abschn. 3a.10. Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b UStAE; BMF vom 15.2.2010, LEXinform 5232648 unter 1.b; OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 2.1).
Gibt ein Netzbetreiber das Startpaket über einen im eigenen Namen und für eigene Rechnung auftretenden Händler an Kunden ab, tritt der Händler mit Übergabe des Startpakets den Anspruch gegen den Netzbetreiber auf Gewährung des Zugangs zum Mobilfunknetz an den Kunden ab und erbringt damit ebenfalls eine sonstige Leistung auf dem Gebiet der Telekommunikation. Wird der Händler dabei für fremde Rechnung tätig, gilt die Telekommunikationsleistung als an ihn und von ihm erbracht (§ 3 Abs. 11 UStG; BMF vom 15.2.2010, LEXinform 5232648 unter 2.c; OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 2.2 Abs. 1).
Zur Weiterveräußerung von Telekommunikationsdienstleistungen in eigenem Namen und für eigene Rechnung sowie zur Abgrenzung zur Abgabe bloßer Guthabenkarten hat das FG Düsseldorf mit Urteil vom 2.10.2015 (5 K 15/13, LEXinform 5019545; Rechtsausführungen bestätigt durch BFH Beschluss vom 17.5.2017, V R 42/16, BFH/NV 2017, 1465, LEXinform 0950997) Folgendes entschieden: Die von einem Vertriebsunternehmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vorgenommene Abgabe von SIM-Starterpaketen eines Telekommunikationsanbieters ist – anders als die Abgabe bloßer Guthabenkarten (s.u.) – nicht lediglich als Vermittlung einer Leistung des Telekommunikationsanbieters an den Erwerber des Starterpakets, sondern als Weiterveräußerung von Telekommunikationsdienstleistungen und daher auf jeder Stufe als umsatzsteuerbare und -stpfl. Leistung zu beurteilen.
Tritt der Händler dagegen für den Kunden erkennbar lediglich als Vermittler für den Netzbetreiber auf, so entstehen zwischen dem Händler und dem Kunden keine Leistungsbeziehungen. Allein der Netzbetreiber gewährt dem Kunden das Recht auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages. Der Händler vermittelt lediglich diese Leistung für den Netzbetreiber. Dies ist insbes. der Fall, wenn der Telekommunikationsanbieter den Händler (z.B. Discounter) ausdrücklich zum Handeln in seinem Namen und für seine Rechnung bevollmächtigt. Bei dem Vertrieb durch einen Discounter wird die Vertretungsmacht des Discounters dem Kunden eindeutig durch einen Produktaufdruck bekannt gegeben. Dadurch ist umsatzsteuerrechtlich grds. eine Vermittlung des Verkaufs des Startpakets vom Telekommunikationsanbieter an den Kunden durch den Discounter gegeben.
Der Einzelhändler/Discounter erhält das Startpaket zweckgebunden zur Vermittlung einer Leistung des Telekommunikationsanbieters an den Erwerber. Er kann nicht frei über das Startpaket verfügen. Insbes. kann er es nicht selbst nutzen oder etwa seinem Personal zur Verfügung stellen, anstatt es zu verkaufen. Die Sache »Mobilfunk-Startpaket«, insbes. die SIM-Karte, steht (zumindest bis zum Verkauf) weiterhin im Eigentum des Telekommunikationsanbieters. Der Anspruch auf Abschluss eines (vergünstigten) Mobilfunkvertrags entsteht erst im Zeitpunkt der Übereignung des Mobilfunk-Startpakets an den Erwerber.
Voraussetzung für eine Vermittlung ist weiterhin, dass der vertretene Unternehmer das Geschäfts- und Absatzrisiko hinsichtlich der vermittelten Leistung trägt. Der Telekommunikationsanbieter muss daher die Gefahr des Untergangs oder des Verlustes der Mobilfunk-Startpakete tragen. Im Fall des Einzugs des Entgelts für Kartenguthaben per Lastschrift-Einzugsverfahren muss er auch das Risiko des Forderungsausfalls tragen. Macht der Endkunde einen Anspruch auf Mängelgewährleistung geltend, muss sich dieser vertraglich gegen den Telekommunikationsanbieter richten. Wenn der Einzelhändler die Mobilfunk-Startpakete nicht veräußern kann, muss er sie an den Telekommunikationsanbieter zurückgeben können (BMF vom 15.2.2010, LEXinform 5232648 unter 2.c; OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 2.2 Abs. 2).
Das Startguthaben stellt eine in den Vertragskonditionen enthaltene Zugabe dar, die der Netzbetreiber dem Kunden gewährt. Sie ist bei wirtschaftlicher Betrachtung Teil der sonstigen Leistung Gewährung des Anspruchs auf Abschluss des Mobilfunkvertrages und in Anlehnung der Grundsätze in Abschn. 3.3. Abs. 15 ff. UStAE umsatzsteuerlich ohne Belang.
Die USt entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungserbringung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Die sonstige Leistung besteht hier in der Gewährung eines Anspruchs auf Abschluss eines Mobilfunkvertrags einschließlich Zugang zu einem Mobilfunknetz. Diese sonstige Leistung ist in dem Zeitpunkt erbracht, in dem die Sache »Mobilfunk-Startpaket« vom Telekommunikationsanbieter an den Erwerber übereignet worden ist und der Anspruch auf Abschluss des Mobilfunkvertrags vom Telekommunikationsanbieter an den Erwerber gewährt worden ist.
Der Erwerber hat in diesem Zeitpunkt eine geldwerte Gegenleistung für den Kaufpreis erlangt. Er kann über das Mobilfunk-Startpaket sofort frei verfügen. Das bedeutet, dass er das Startpaket auch verschenken oder weiter verkaufen kann. Denn der Mobilfunkvertrag kommt erst mit der Person zustande, die sich bei dem Telekommunikationsanbieter anmeldet und ein Kundenkonto aktivieren lässt.
Dem Mobilfunk-Startpaket kommt also bereits vor dem Abschluss des Mobilfunkvertrags ein konkreter wirtschaftlicher Wert zu. Das Mobilfunk-Startpaket ist im Ergebnis wie ein frei handelbarer Gutschein über eine sonstige Leistung zu behandeln. Im Fall der Abgabe eines solchen Gutscheins führt die Abgabe selbst zur Steuerentstehung, nicht erst die spätere Erbringung der im Gutschein verkörperten Dienstleistung. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers hat er mit dem Erwerb des Mobilfunk-Startpakets eine konkrete Leistung erhalten, die für ihn auch einen unmittelbar nutzbaren Marktwert hat.
Insofern ist die Abgabe des Mobilfunk-Startpakets im Zeitpunkt der Veräußerung desselben durch den Telekommunikationsanbieter (ggf. vertreten durch den Einzelhändler) als sonstige Leistung zu erfassen und der entsprechende Umsatz zu versteuern. Der Telekommunikationsanbieter hat im Zeitpunkt der Abgabe des Mobilfunk-Startpakets eine sonstige Leistung erbracht, die im entsprechenden Voranmeldungszeitraum zu versteuern ist (BMF vom 15.2.2010, LEXinform 5232648 unter 4.; OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 unter 2.3 und 2.4).
Gleiches gilt für den als Vermittler auftretenden Händler. Es kommt nicht darauf an, wann der Mobilfunkvertrag tatsächlich abgeschlossen wird.
Die umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe einer Einzweckguthabenkarte in der Telekommunikation ist im BMF-Schreiben vom 24.9.2012 (BStBl I 2012, 947) geregelt (s.a. Abschn. 3.5. Abs. 3 Nr. 15 Satz 4 UStAE).
Eine Einzweckguthabenkarte (Monofunktionskarte oder auch Calling Card) ist eine Telefonkarte, die keinen Speicherchip enthält, sondern lediglich über aufgedruckte Informationen verfügt. Der Kunde kann sich mit einer auf der Einzweckguthabenkarte aufgedruckten Nummer über das System des Telefonanbieters in das Netz eines Netzbetreibers einwählen. Nach Eingabe seiner auf der Einzweckguthabenkarte verbrieften PIN-Nummer und der Rufnummer seines Gesprächspartners kann er das gewünschte Gespräch führen. Auf diese Weise kann er das Gesprächsguthaben in Höhe des Nennwerts der Einzweckguthabenkarte verbrauchen.
Bei der entgeltlichen Abgabe von Telefonkarten,
mit denen es dem Abnehmer ermöglicht wird, Anrufe über die zur Verfügung gestellte Infrastruktur zu tätigen,
bei denen die Verwendung des Guthabens für andere Leistungen technisch ausgeschlossen ist und
die alle zur Tätigung der Anrufe notwendigen Informationen enthalten,
handelt es sich um die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Diese Leistungen werden bereits mit der Abgabe der Telefonkarten ausgeführt; wann das Guthaben tatsächlich für Telefongespräche in Anspruch genommen wird, ist unerheblich.
Der Telefonanbieter liefert die Einzweckguthabenkarte nicht, da das wirtschaftliche Interesse des Kunden nicht darauf gerichtet ist, die Verfügungsmacht an der Karte zu erlangen, sondern darauf, mit Hilfe der auf der Karte befindlichen Information telefonieren zu können. Der Telefonanbieter erbringt sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Er führt die Leistungen bereits mit der Abgabe der Einzweckguthabenkarte aus. Es kommt nicht darauf an, wann der Kunde telefoniert.
Gibt der Telefonanbieter die Einzweckguthabenkarte über einen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelnden Händler ab, erbringt er an den Händler und der Händler an den Kunden jeweils eine Telekommunikationsleistung (so auch BFH Urteil vom 10.8.2016, V R 4/16, BStBl II 2017, 135 sowie Anmerkung vom 2.11.2016, LEXinform 0948224). Dagegen erbringt der betreffende Anbieter keine zweite entgeltliche Dienstleistung an den Endnutzer, wenn dieser, nachdem er die Telefonkarte erworben hat, von dem Recht Gebrauch macht, mit Hilfe der Informationen auf der Karte Anrufe zu tätigen (EuGH Urteil vom 3.5.2012, C-520/10, BStBl II 2012, 755). Wird der Händler für fremde Rechnung tätig, gilt die Telekommunikationsleistung als an ihn und von ihm erbracht (§ 3 Abs. 11 UStG). Handelt er im fremden Namen und für fremde Rechnung, vermittelt er die Telekommunikationsleistung für den Telefonanbieter (s.o.).
Die Steuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung (§ 13 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 UStG), also sowohl für die Telekommunikationsleistung als auch für die Vermittlungsleistung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Kunde die Einzweckguthabenkarte erhält.
Der Erwerb einer Multifunktionskarte, die zur Inanspruchnahme unterschiedlicher Leistungen benutzt werden kann (z.B. Telefondienstleistungen, Parken in Parkhäusern, Benutzung von Parkscheinautomaten, Inanspruchnahme von Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr), erschöpft sich in dem Umtausch eines Zahlungsmittels »Bargeld« in ein anderes Zahlungsmittel »elektronisches Geld«.
Eine Besteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG kommt danach nicht in Betracht. Die Zahlung für den Erwerb der Mehrzweckguthabenkarte stellt keine Vorauszahlung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG dar, da im Zeitpunkt der »Vorauszahlung« die Dienstleistung nicht genau bestimmbar ist (BFH vom 10.4.2019, XI R 4/17, BStBl II 2019, 635).
Hinweis:
Zur Unterscheidung zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen s. → Gutscheine unter dem Gliederungspunkt »Unterschied zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen«. Zur Definition der Mehrzweckguthabenkarte s.a. BFH vom 10.4.2019 (XI R 4/17, BStBl II 2019, 635, Rz. 28 sowie Abschn. 3.17. UStAE).
Mit Urteil vom 10.4.2019 (XI R 4/17, BStBl II 2019, 635) hat der BFH zur Besteuerung von Restguthaben bei Prepaid-Verträgen entschieden, dass die dem Provider bei Prepaid-Verträgen endgültig verbliebenen Restguthaben nachträgliches Entgelt für die eröffnete Nutzung der von ihm zur Verfügung gestellten Infrastruktur sind, die insbes. die mobile Erreichbarkeit der Prepaid-Kunden ermöglichte.
Entscheidungssachverhalt:
Die Klägerin erbrachte u.a. Telekommunikationsdienstleistungen auf der Grundlage von sog. Prepaid-Verträgen (Zugang zu ihrem Mobilfunknetz). Nach Aktivierung des Mobilfunkanschlusses konnte der Kunde sein Prepaid-Guthaben mittels verschiedener Bezahlsysteme jederzeit wieder aufladen. Dieses Guthaben konnte er für Leistungen der Klägerin (z.B. Telefonie, Short-Message-Service -SMS-, mobiles Internet) oder für Leistungen von Drittanbietern (z.B. Klingeltöne, Fahrkarten, Getränkeautomaten) einsetzen. Für die Leistungserbringung eines Drittanbieters an den Kunden belastete die Klägerin das Prepaid-Guthaben mit dem entsprechenden Bruttoentgelt, das sie an den Drittanbieter weiterleitete.
Im Rahmen eines »aktivitätsorientierten Deaktivierungsverfahrens« machte die Klägerin von ihrem Recht Gebrauch, die grundsätzlich zeitlich unbefristet geschlossenen Prepaid-Verträge zu kündigen. In diesem Fall konnte sich der Kunde, nachdem die Klägerin die betreffende SIM-Karte deaktiviert hatte, das Restguthaben erstatten lassen oder eine neue SIM-Karte beantragen, auf welche die Klägerin das Restguthaben umbuchte. Erfolgte weder eine Erstattung noch eine Umbuchung des Restguthabens, buchte die Klägerin dieses Guthaben des Kunden in ihrer Handels- und Steuerbilanz erfolgswirksam aus. Die Klägerin, die bei der Umsatzbesteuerung der aufgeladenen Guthaben ab dem Besteuerungszeitraum von der »Anzahlungsbesteuerung« auf die »nachträgliche Verbrauchsbesteuerung« übergegangen war, hat die erfolgswirksam ausgebuchten Restguthaben nicht der Umsatzsteuer unterworfen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin kann als Plattformbetreiberin angesehen werden, die ihren Kunden auch im Rahmen der hier in Rede stehenden Prepaid-Verträge u.a. eine technische Infrastruktur (insbesondere in Gestalt eines Mobilfunkanschlusses und einer Rufnummer) zur Verfügung stellt und den Kunden damit einen wirtschaftlichen Vorteil (Leistung) erbringt. Insbesondere waren die Kunden der Klägerin hierdurch mobil erreichbar. Diese Leistung war Teil des aus einem Leistungsbündel bestehenden Prepaid-Vertrages.
Dieser Leistungsbestandteil wurde zwar zunächst nicht »gegen Entgelt« erbracht. Die endgültig nicht zurückgeforderten Restguthaben aus den Prepaid-Verträgen führen jedoch zu einem nachträglichen Entgelt für die eröffnete Nutzung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Infrastruktur, die insbes. die mobile Erreichbarkeit der Prepaid-Kunden ermöglichte.
Die der Klägerin verbliebenen Restguthaben stellen bei wirtschaftlicher Betrachtung eine »Überzahlung« auf die bisher unentgeltlich in Anspruch genommene Leistung, die von ihr zur Verfügung gestellte Infrastruktur nutzen zu können, dar. Ein anderer Rechtsgrund für diese Überzahlungen ist für den BFH nicht ersichtlich. Nur der Prepaid-Vertrag kann Rechtsgrund für die geleistete Überzahlung sein. War jedoch das Restguthaben weder durch Umbuchung noch Erstattung aufgebraucht, verblieb es endgültig bei der Klägerin. Bei den bei der Klägerin endgültig verbliebenen Restbeträgen handelt es sich um zusätzliche Aufwendungen und damit Bestandteil des Entgelts, da sie wegen des Anspruchsgrundes, der der Leistung zugrunde liegt, gezahlt werden. Dieses kann, da das Entgelt für die anderen Telekommunikationsdienstleistungen fest vereinbart war (und teilweise rechtlich bestimmt ist), nur dem bisher unentgeltlichen Zurverfügungstellen der Infrastruktur zugerechnet werden. Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu einem bestimmten Telefonat, einem bestimmten Klingelton oder einer anderen Leistung besteht nicht (BFH XI R 4/17, Rz. 41).
Danach hat sich im Streitfall die Bemessungsgrundlage für den zunächst »unbepreisten« zum Zeitpunkt der erfolgswirksamen Ausbuchung der in Rede stehenden endgültig nicht zurückgeforderten Restguthaben nachträglich erhöht. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ist nicht nur auf den Fall der Minderung, sondern auch auf eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage anwendbar.
Die Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG setzt im Übrigen keine vertragliche Vereinbarung voraus. Die Steuerbemessungsgrundlage ist vielmehr jedes Mal dann zu vermindern, wenn der Stpfl. nach Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Setzt die Minderung der Bemessungsgrundlage keine Änderung der Vertragsbeziehungen voraus, gilt dies entsprechend für die im Streitfall bejahte Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die (zunächst unentgeltliche) sonstige Leistung, die die Klägerin erbracht hat (s.a. Anmerkung vom 31.7.2019, LEXinform 0881695).
Ab 1.1.2015 wird der Ort von B2C-Telekommunikations-Dienstleistungen nach Art. 58 MwStSystRL und § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG neu geregelt (Art. 58 MwStSystRL neu gefasst mit Wirkung ab 1.1.2015 durch RL 2008/8/EG vom 12.2.2008, ABl. EU Nr. L 44, 11). Danach gilt einheitlich der Ort als Leistungsort, an dem der Leistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wurden die Katalogleistungen des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 bis 13 UStG mit Wirkung zum 1.1.2015 aufgehoben. Der Leistungsort dieser in § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 UStG aufgeführten Leistungen an Nichtunternehmer bestimmt sich ab 1.1.2015 nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG (Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStAE). Die sonstige Leistung wird dort ausgeführt, wo der Empfänger seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat.
Durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) wird § 3a Abs. 5 UStG um die Sätze 3 bis 5 ergänzt. Durch die Änderung des § 3a Abs. 5 UStG wird Art. 1 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der MwStSystRL und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl. L 348 vom 29.12.2017, 7), mit dem Art. 58 MwStSystRL neu gefasst wurde, umgesetzt.
Das BMF-Schreiben vom 14.12.2018 (BStBl I 2018, 1429) nimmt zur Umsetzung des MwSt-Digitalpakets zum 1.1.2019 durch das des Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 Stellung und ändert die entsprechenden Abschnitte des UStAE (s. insbes. Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStAE). Die maßgeblichen Änderungen sind auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden.
Die Änderung von § 3a Abs. 5 UStG führt dazu, dass bei Telekommunikationsdienstleistungen, bei Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die von einem Unternehmer, der über eine Ansässigkeit in nur einem Mitgliedstaat verfügt, an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, der Leistungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt (Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder Betriebsstätte, von der die sonstige Leistung ausgeführt wird), wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten sonstigen Leistungen insgesamt 10 000 € im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat und im laufenden Kj. nicht überschreitet (§ 3a Abs. 5 Satz 3 UStG). Sobald der maßgebliche Gesamtbetrag i.H.v. 10 000 € im laufenden Kj. überschritten wird, verlagert sich der Leistungsort an den Ort nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG; dies gilt bereits für den Umsatz, der zur Überschreitung des Gesamtbetrags führt (Abschn. 3a.9a. Satz 1 Nr. 1 Satz 1 bis 3 UStAE mit Beispiel).
§ 3a Abs. 5 Satz 3 UStG gilt nicht, wenn der leistende Unternehmer gegenüber dem FA bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4 UStG, vgl. Abschn. 19.2. Abs. 6 UStAE), bzw. solange ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO besteht (vgl. Abschn. 9.1. Abs. 3 Satz 1 UStAE), erklärt, dass er auf die Anwendung von § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG verzichtet; diese Erklärung gilt vom Beginn des Kj. an, für das der Unternehmer sie abgegeben hat, und bindet ihn für mindestens zwei Kj. (§ 3a Abs. 5 Satz 4 und 5 UStG). Die Erklärung ist an keine besondere Form gebunden; sie gilt auch als abgegeben, wenn der leistende Unternehmer die Voraussetzungen nach § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG erfüllt, jedoch weiterhin die Regelung nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG anwendet. Nach Ablauf der Zweijahresfrist kann der Unternehmer die Verzichtserklärung mit Wirkung zu einem vom Unternehmer festgelegten Zeitpunkt widerrufen; der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kj., für das er gelten soll, bzw. solange ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO besteht, zu erklären (Abschn. 3a.9a. Satz 1 Nr. 1 Satz 4 ff. UStAE).
Mit Art. 14 Nr. 3 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird durch die Änderung des § 3a UStG Art. 2 Nr. 6 und 7 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der MwStSystRL und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl. L 348 vom 29.12.2017, S. 7), mit dem Art. 58 MwStSystRL geändert und Titel V Kapitel 3a der MwStSystRL (Art. 59a MwStSystRL) neu eingefügt wurde, umgesetzt.
Nach § 3a Abs. 5 UStG in der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung befindet sich der Leistungsort bei Telekommunikationsdienstleistungen, bei Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die an Nichtunternehmer erbracht werden, grundsätzlich an dem Ort, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Seit 1. Januar 2019 sieht § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG auf Grund der Änderung von Art. 58 MwStSystRL einen Schwellenwert i.H.v. 10 000 € vor, bis zu dem diese Dienstleistungen weiterhin der Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers unterliegen. Dadurch sollten Kleinstunternehmen mit Sitz in nur einem EU-Mitgliedstaat, die solche Dienstleistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten erbringen, von der Erfüllung mehrwertsteuerlicher Pflichten in anderen Mitgliedstaaten entlastet werden.
Ab 1.7.2021 wird die Regelung auf innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG (vgl. Änderungen zum § 3c UStG unter → Ort der Lieferung) erweitert. Innergemeinschaftliche Fernverkäufe werden neben den Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer erbracht werden, in die Berechnung des Schwellenwerts i.H.v. 10 000 € einbezogen.
Die entsprechende Änderung von § 3a Abs. 5 und § 3c UStG (→ Ort der Lieferung) führt dazu, dass bei Telekommunikationsdienstleistungen, bei Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, die von einem im Inland ansässigen Unternehmer, der über keine (weitere) Ansässigkeit im übrigen Gemeinschaftsgebiet verfügt, an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, der Leistungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3a Absatz 1 UStG bestimmt (Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt oder Betriebsstätte, von der die sonstige Leistung ausgeführt wird), und bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen der Lieferungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG bestimmt, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten Leistungen den Betrag von 10 000 € im laufenden Kj. nicht überschreitet und im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat.
Der leistende Unternehmer kann auf die Anwendung dieser Umsatzschwelle verzichten mit der Folge, dass sich der Leistungsort der bezeichneten sonstigen Leistungen stets an dem Ort befindet, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat, bzw. der Lieferungsort der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe stets an dem Ort befindet, wo die Beförderung oder Versendung endet. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für mindestens zwei Kj. (s. → Ort der sonstigen Leistung unter dem Gliederungspunkt »Leistungsort bei Katalogleistungen« und dort »Katalogleistungen des § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG«).
Zu den Vermutungen bezüglich des Ortes des Dienstleistungsempfängers ist die unmittelbar geltende MwStSystRL-DVO 282/2011 vom 15.3.2011 (ABl. EU Nr. L 77, 1) zu beachten. Bei der Umsetzung des MwSt-Digitalpakets zum 1.1.2019 ist auch die MwStSystRL-DVO 2017/2459 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der MwStSystRL-DVO Nr. 282/2011, mit der der Art. 24b der MwStSystRL-DVO 282/2011 neu gefasst wurde, zu beachten.
Das BMF-Schreiben vom 14.12.2018 (BStBl I 2018, 1429) nimmt zur Umsetzung des MwSt-Digitalpakets zum 1.1.2019 durch das des Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 Stellung und ändert die entsprechenden Abschnitte des UStAE (zur Ansässigkeitsvermutung s. insbes. Abschn. 3a.9a. Abs. 5 Satz 2 ff. UStAE). Die maßgeblichen Änderungen sind auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden.
Die Ansässigkeitsvermutungen der Art. 24a und 24b EU-VO 282/2011 wurden durch die Finanzverwaltung in Abschn. 3a.9a. Abs. 3 bis 7 UStAE umgesetzt. Die Neufassung des Art. 24b mit Wirkung vom 1.1.2019 durch die VO 2017/2459 vom 5.12.2017 wurde durch das BMF-Schreiben vom 14.12.2018 (BStBl I 2018, 1429) in Abschn. 3a.9a .Abs. 5 Satz 2 ff. UStAE umgesetzt.
Die folgende Übersicht zeigt die Ansässigkeitsvermutungen der Art. 24a und 24b EU-VO 282/2011 auf und stellt diesen die Verwaltungsregelungen des Abschn. 3a.9a. Abs. 3 ff. UStAE gegenüber.
Ansässigkeitsvermutung nach |
||
EU-VO 282/2011/UStAE: |
||
Art. 24a Abs. 1/Abschn. 3a.9a. Abs. 3 Satz 1: |
||
• |
Leistungserbringung an Orten wie Telefonzellen, WLAN-Hot-Spots, Internetcafés, Restaurants. |
|
• |
Leistungsempfänger muss an diesem Ort physisch anwesend sein. |
|
• |
Der Leistungsempfänger gilt an diesem Ort als ansässig. |
|
Art. 24a Abs. 2/Abschn. 3a.9a. Abs. 3 Satz 2: |
||
• |
Leistungserbringung an Bord eines Schiffes, eines Flugzeugs oder in einer Eisenbahn, |
|
• |
während des innerhalb des Gemeinschaftsgebiets stattfindenden Teils einer Personenbeförderung. |
|
• |
Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet gilt als Leistungsort. |
|
Art. 24b Abs. 1 Buchst. a/Abschn. 3a.9a. Abs. 4 Nr. 1 |
||
• |
Leistungserbringung an einen Nichtunternehmer über dessen Festnetzanschluss. |
|
• |
Der Leistungsempfänger gilt am Ort des Festnetzanschlusses ansässig |
|
Art. 24b Abs. 1 Buchst. b/Abschn. 3a.9a. Abs. 4 Nr. 2 mit Beispiel |
||
• |
Leistungserbringung an einen Nichtunternehmer über ein mobiles Telekommunikationsnetz. |
|
• |
Der Leistungsempfänger gilt in dem Land als ansässig, das durch den Ländercode der bei Inanspruchnahme dieser Leistung verwendeten SIM-Karte bezeichnet wird. |
|
Art. 24b Abs. 1 Buchst. c/Abschn. 3a.9a. Abs. 4 Nr. 3 |
||
• |
Leistungserbringung an einen Nichtunternehmer, |
|
• |
für die ein Decoder oder ein ähnliches Gerät, eine Programm- oder Satellitenkarte verwendet wird. |
|
• |
Der Leistungsempfänger gilt an dem Ort als ansässig, an dem sich der Decoder oder das ähnliche Gerät befindet. Ist dieser Ort unbekannt, gilt der Leistungsempfänger an dem Ort als ansässig, an den die Programm- oder Satellitenkarte vom leistenden Unternehmer zur Verwendung gesendet worden ist. |
|
Art. 24b Abs. 1 Buchst. d/Abschn. 3a.9a. Abs. 5 Satz 1 |
||
• |
Leistungserbringung unter anderen als den oben bezeichneten Bedingungen. |
|
• |
Der Leistungsempfänger gilt an dem Ort als ansässig, der vom leistenden Unternehmer unter Darlegung von zwei einander nicht widersprechenden Beweismitteln als solcher bestimmt worden ist. |
|
Zu den gültigen Beweismittel s. Art. 24f/Abschn. 3a.9a. Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 bis 6 |
||
Art. 24b Abs. 2/Abschn. 3a.9a Abs. 5 Satz 2 i.d.F. des BMF-Schreibens vom 14.12.2018 (BStBl I 2018, 1429) |
||
Erleichterung bei der Erbringung von Beweismitteln: |
||
• |
Erbringung eines Beweismittels (statt zwei Beweismittel) nach Art. 24f / Abschn. 3a.9a Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 bis 5 |
|
• |
von einer an der Erbringung der sonstigen Leistung beteiligten Person, |
|
• |
bei der es sich weder um den leistenden Unternehmer noch um den Leistungsempfänger handelt. |
|
• |
Leistungsempfänger an dem Ort ansässig, den der leistende Unternehmer auf Grundlage dieses Beweismittels bestimmt, |
|
– |
wenn der Nettoumsatz der entsprechenden Leistungen in allen anderen Mitgliedstaaten |
|
– |
den Schwellenwert von 100 000 € im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat und im laufenden Kj. nicht überschreitet. |
|
Art. 24b Abs. 3/Abschn. 3a.9a. Abs. 5 Satz 3 i.d.F. des BMF-Schreibens vom 14.12.2018 (BStBl I 2018, 1429) |
||
• |
Der Schwellenwert wird in einem Kj. überschritten. |
|
• |
Die Erleichterung des Art. 24b Abs. 2/Abschn. 3a.9a Abs. 5 Satz 2 gilt solange nicht mehr, bis die Bedingungen wieder erfüllt sind. |
Der leistende Unternehmer kann regelmäßig davon ausgehen, dass ein im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist, wenn dieser dem leistenden Unternehmer keine USt-IdNr. mitgeteilt hat (Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-VO 282/2011 vom 15.3.2011, ABl EU Nr. 77, 1; Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Beachte:
Der Mehrwertsteuer-Ausschuss der EU hat Leitlinien zur Bedeutung der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer veröffentlicht (EU-Kommission vom 13.4.2018, taxud.c.1(2018)7386249 – 956, SIS 18 20 78).
Der MwSt-Ausschuss erkennt einstimmig an, dass unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL der Besitz einer Mehrwertsteuer-IdNr. keine Voraussetzung für den Status eines Steuerpflichtigen ist und dass daher das Nichtvorliegen einer solchen Nummer nicht automatisch bedeutet, dass eine Person nicht den Status eines Stpfl. hat.
Gleichzeitig bestätigt der MwSt-Ausschuss einstimmig, dass die Mehrwertsteuer-IdNr. eines Leistungsempfängers, der seinen Status als Stpfl. nachweisen muss, als sehr wichtiges Indiz für den Leistungserbringer gelten muss.
Der MwSt-Ausschuss erkennt einstimmig an, dass Art. 18 der MwSt-Durchführungsverordnung (VO (EU) Nr. 282/2011) Elemente enthält, auf die der Leistungserbringer sich im Zuge hinreichender Anstrengungen stützen kann, um den Status eines Leistungsempfängers als Stpfl. oder Nichtsteuerpflichtigen zu überprüfen.
Der MwSt-Ausschuss betont einstimmig, dass gem. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 der MwSt-Durchführungsverordnung der Erbringer von Telekommunikations-, Rundfunk- oder elektronisch erbrachten Dienstleistungen einen Dienstleistungsempfänger ohne weitere Prüfung als Nichtsteuerpflichtigen behandeln kann, wenn dieser ihm seine individuelle Mehrwertsteuer-IdNr. nicht mitgeteilt hat.
Gleichzeitig erkennt der MwSt-Ausschuss einstimmig an, dass der Dienstleistungserbringer nicht verpflichtet ist, einen Dienstleistungsempfänger, der seine Mehrwertsteuer-IdNr. nicht angegeben hat, als nichtsteuerpflichtig zu behandeln.
Dieser Fall ist zwar in der MwSt-Durchführungsverordnung nicht geregelt, der MwSt-Ausschuss ist jedoch fast einstimmig der Auffassung, dass die Beweislast beim Dienstleistungserbringer liegt und dass er, um Haftungsprobleme zu vermeiden, über ausreichende Informationen zur Bestätigung des Status des Dienstleistungsempfängers als Stpfl. verfügen muss.
Der MwSt-Ausschuss ist fast einstimmig der Auffassung, dass ein Erbringer von Telekommunikations-, Rundfunk- oder elektronisch erbrachten Dienstleistungen, der einen Dienstleistungsempfänger, der keine Mehrwertsteuer-IdNr. angegeben hat, als Stpfl. behandeln möchte, über eindeutige Hinweise darauf verfügen muss, dass der Leistungsempfänger stpfl. ist.
Der MwSt-Ausschuss ist fast einstimmig der Auffassung, dass diese Hinweise materieller und nicht rein formaler Art sein müssen – eine einfache Klausel in einem zwischen Dienstleistungserbringer und -empfänger geschlossenen Vertrag ist daher nicht ausreichend. Im Fall eines Widerspruchs zwischen vertraglichen Vereinbarungen und der wirtschaftlichen Realität ist nach fast einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses letztere maßgebend.
Der MwSt-Ausschuss ist fast einstimmig der Auffassung, dass der Erbringer von Telekommunikations-, Rundfunk- oder elektronisch erbrachten Dienstleistungen, um als in gutem Glauben handelnd gesehen zu werden, im Rahmen seiner Möglichkeiten geeignete Nachweise vom Dienstleistungsempfänger verlangen und geeignete Kontrollen durchführen muss.
Wenn der Dienstleistungserbringer aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Dienstleistungsempfängers über keine ausreichenden Nachweise für den Status dieses Empfängers verfügt und dies für die Frage der Steuerschuldnerschaft von Belang ist, muss der Leistungserbringer nach fast einstimmiger Auffassung des MwSt-Ausschusses die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen, um als in gutem Glauben handelnd zu gelten.
Der MwSt-Ausschuss ist fast einstimmig der Auffassung, dass Korrekturen nur möglich sind, wenn der Dienstleistungsempfänger kooperiert und ausreichende Nachweise erbracht hat.
Achtung: Bitte beachten Sie, dass Leitlinien, die vom MwSt-Ausschuss herausgegeben werden, lediglich die Ansichten eines beratenden Ausschusses wiedergeben. Sie stellen weder eine offizielle Auslegung des Unionsrechts dar, noch stimmt ihnen die Europäische Kommission unbedingt zu. Sie binden weder die Europäische Kommission noch die Mitgliedstaaten, denen es freisteht, sie nicht zu befolgen.
Ist der Empfänger dieser sonstigen Leistung ein Leistungsempfänger i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG, wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt bzw. die juristische Person ihren Sitz hat (§ 3a Abs. 2 UStG; vgl. Abschn. 3a.9a. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStAE; → Sonstige Leistung).
Netzbetreiber |
Unternehmer mit Sitz in Deutschland |
Unternehmer mit Sitz in EU |
Unternehmer mit Sitz in Drittland |
Kunde |
|||
Ort der Telekommunikationsdienstleistung |
|||
Privatperson mit Wohnsitz in Deutschland |
Deutschland § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG. |
Ab 1.7.2021: Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j Abs. 1 Nr. 2 UStG (Abschn. 18j.1. UStAE; → Voranmeldung). |
Deutschland § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG. |
Bei Anwendung des § 18j UStG gelten für die Rechnungserteilung nach § 14 Abs. 7 Satz 3 UStG die Vorschriften des anderen Mitgliedstaates (Abschn. 14.1. Abs. 6 Satz 5 UStAE). |
Ab 1.7.2021: Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18i UStG (Abschn. 18i.1. UStAE; → Voranmeldung). |
||
Kleinstunternehmer (Gesamtentgelte an Empfänger in anderen Mitgliedstaaten max. 10 000 €) mit Sitz in nur einem EU-Staat (Leistungsempfänger in einem anderen EU-Staat): |
|||
Unternehmersitz § 3a Abs. 1 UStG (§ 3a Abs. 5 Satz 3 UStG; Art. 58 Abs. 2 MwStSystRL; Art. 58 und 59c MwStSystRL). |
|||
Privatperson mit Wohnsitz in anderem EU-Staat |
EU-Staat des Leistungsempfängers § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG. Ab 1.7.2021: Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j Abs. 1 Nr. 2 UStG (Abschn. 18j.1. UStAE; → Voranmeldung). |
ohne Bezug zu Deutschland |
ohne Bezug zu Deutschland; Ausnahme: § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG bei ausschließlicher Nutzung im Inland |
Bei Anwendung des § 18j UStG gelten für die Rechnungserteilung die Vorschriften des § 14 Abs. 1 bis 6 UStG (Abschn. 14.1. Abs. 6 Satz 6 UStAE). |
|||
Kleinstunternehmer (Gesamtentgelte an Empfänger in anderen Mitgliedstaaten max. 10 000 €) mit Sitz in nur einem EU-Staat (Leistungsempfänger in einem anderen EU-Staat) |
|||
Unternehmersitz § 3a Abs. 1 UStG (§ 3a Abs. 5 Satz 3 UStG; Art. 58 Abs. 2 MwStSystRL; Art. 58 und 59c MwStSystRL. |
|||
Privatperson mit Wohnsitz im Drittland |
Drittland § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG |
ohne Bezug zu Deutschland |
ohne Bezug zu Deutschland; Ausnahme: § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG bei ausschließlicher Nutzung im Inland (s.u. Beispiel 1). |
Unternehmer mit Sitz in Deutschland |
Deutschland § 3a Abs. 2 UStG |
Deutschland § 3a Abs. 2 UStG |
Deutschland § 3a Abs. 2 UStG |
Leistungsempfänger ist Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 12 i.V.m. Abs. 5 Satz 6 UStG i.d.F. des JStG 2020. |
Leistungsempfänger ist Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 UStG. |
Leistungsempfänger ist Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG. |
|
Unternehmer mit Sitz in anderem EU-Staat |
EU § 3a Abs. 2 UStG |
ohne Bezug zu Deutschland |
ohne Bezug zu Deutschland |
Unternehmer mit Sitz im Drittland |
Drittland § 3a Abs. 2 UStG |
ohne Bezug zu Deutschland |
ohne Bezug zu Deutschland |
Beispiel 1:
Der Sachverhalt entspricht dem des Vorabentscheidungsersuchens des österreichischen BFG an den EuGH (C-593/19, LEXinform 4228579).
SK Telecom ist ein in Südkorea ansässiges Mobilfunkunternehmen. SK Telecom stellte einigen ihrer Kunden, die ebenfalls in Südkorea ansässig waren und sich vorübergehend in Österreich aufhielten, Mobilfunkdienstleistungen zur Verfügung. Um diesen Kunden während des Aufenthalts in Österreich die Benutzung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellte ein österreichischer Netzbetreiber SK Telecom sein Netz gegen Verrechnung von Benutzungsgebühren plus österreichische Mehrwertsteuer (20 %) zur Verfügung. SK Telecom wiederum verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaming-Gebühren. SK Telecom stellte daraufhin einen Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer, die ihr vom österreichischen Netzbetreiber in Rechnung gestellt worden war. Das FA versagte die Erstattung. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die von SK Telecom ihren Kunden verrechneten Roaming-Gebühren gem. der österreichischen Verordnung über die Verlagerung des Leistungsorts in Österreich mehrwertsteuerpflichtig seien, weil die entsprechenden Telekommunikationsdienstleistungen in Südkorea keiner der österreichischen Mehrwertsteuer vergleichbaren Steuer unterlägen. Da SK Telecom in Österreich stpfl. Umsätze durchgeführt habe, stehe ihr die Erstattung der bezahlten Mehrwertsteuer im vereinfachten Erstattungsverfahren (→ Vorsteuervergütungsverfahren) nicht zu.
Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 59a Buchst. b MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat den Ort von Roamingleistungen, die die Nutzung eines in diesem Mitgliedstaat bestehenden Mobilfunknetzes ermöglichen, in sein Gebiet verlagern kann, wenn diese Roamingleistungen von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an Nutzer erbracht werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Drittland haben, sich aber vorübergehend im Gebiet des Mitgliedstaats aufhalten.
Entscheidung des EuGH vom 15.4.2021 (C-593/19, LEXinform 4228579):
Die dem Sachverhalt zugrunde liegende Roamingleistung umfasst für Mehrwertsteuerzwecke zwei Dienstleistungen.
Die erste Dienstleistung betrifft nur Telekommunikationsunternehmen, nicht aber Telefonnutzer (Verhältnis B2B). Ein im Roamingland (Österreich) tätiger Netzbetreiber öffnet gegen Zahlung einer Gebühr sein Netz für einen im Herkunftsland ansässigen Mobilfunkbetreiber (SK Telecom mit Sitz in Südkorea).
Auf diese B2B-Dienstleistung erhob der österreichische Netzbetreiber die österreichische Mehrwertsteuer. SK Telekom stelle dafür einen Antrag auf Erstattung dieser Mehrwertsteuer (Vorsteuervergütungsverfahren).
Achtung: Bei dem gesonderten Steuerausweis für die B2B-Dienstleistung handelt es sich um einen unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG (Art. 203 MwStSystRL) für einen nicht steuerbaren Umsatz. Der Ort der B2B-Dienstleistung befindet sich nach Art. 44 MwStSystRL in Südkorea (§ 3a Abs. 2 UStG).
Die zweite Dienstleistung betrifft das Verhältnis zwischen dem Mobilfunkbetreiber des Herkunftslands (SK Telecom) und den Telefonnutzern, die seine Dienste vertraglich in Anspruch nehmen (Verhältnis B2C). Dieser Betreiber untervermietet den Netzzugang, den er zuvor im Rahmen der ersten Leistung erhalten hatte, an Nutzer, die sich im Roamingland (Österreich) aufhalten.
Die Zulässigkeit des Vorsteuervergütungsverfahrens ist vom Ort der zweiten Dienstleistung abhängig:
Entweder befindet sich der Ort der zweiten Dienstleistung in Österreich.
In diesem Fall muss SK Telecom für die ihren Vertragskunden verrechneten Beträge die österreichische Mehrwertsteuer entrichten, wobei sie die für die erste Leistung gezahlte österreichische Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen kann oder
der Ort der zweiten Dienstleistung befindet sich in Südkorea.
In diesem Fall wird für diese Leistung keine österreichische Mehrwertsteuer geschuldet, und SK Telecom hat Anspruch auf Erstattung der für die erste Leistung gezahlten Vorsteuer.
SK Telekom ist der Auffassung, dass man die einzelnen von derselben SIM-Karte ausgehenden Verbindungen nicht aufspalten könne. Demnach seien die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Roamingleistungen Teil einer einheitlichen Mobilfunkdienstleistung an ihre Nutzer, die in Südkorea erbracht werde und in der Union nicht der Mehrwertsteuer unterliege.
Nach Auffassung des Generalanwalts lassen sich Roamingleistungen wie die im Ausgangsverfahren, die darin bestehen, in einem anderen Land als dem Herkunftsland Zugang zu einem Mobilfunknetz zu bieten, objektiv von den Mobilfunkdienstleistungen trennen, die im Herkunftsland erbracht werden (EuGH C-593/19, Rz. 37).
Bei den Roamingleistungen handelt es sich um Telekommunikationsleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 MwStSystRL (EuGH C-593/19, Rz. 29). Aus Art. 58 MwStSystRL ergibt sich, dass als Ort von Telekommunikationsdienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen, der außerhalb der Union ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Union hat, der Ort gilt, an dem dieser Nichtsteuerpflichtige ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, d.h. ein Ort außerhalb der Union (in Südkorea). Vereinfacht ausgedrückt, sieht diese Bestimmung vor, dass Telekommunikationsdienstleistungen, die an Nichtsteuerpflichtige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Union erbracht werden, nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.
Art. 59a MwStSystRL eröffnet den Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen von diesem Grundsatz abzuweichen, indem sie den Ort dieser Dienstleistungen in ihr Gebiet verlagern (s. § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG). Art. 59a Buchst. b MwStSystRL verlangt eine »tatsächliche Nutzung oder Auswertung« der betreffenden Dienstleistung im Gebiet des Mitgliedstaates (EuGH C-593/19, Rz. 30).
Nichtsteuerpflichtige werten die an sie erbrachten Dienstleistungen jedoch nicht aus, was eine wirtschaftliche Tätigkeit implizieren würde, sondern nutzen sie lediglich. Folglich ist diese Bestimmung notwendigerweise dahin auszulegen, dass sie die tatsächliche Nutzung oder Auswertung von Dienstleistungen im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats verlangt.
Nach Auffassung des EuGHs besteht aber kein Zweifel daran, dass Roamingleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich genutzt werden. Bereits aus der Natur der Roamingleistungen ergibt sich, dass ihre tatsächliche Nutzung oder Auswertung notwendigerweise im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erfolgt, wenn sich die Kunden von SK Telecom dort vorübergehend aufhalten (EuGH C-593/19, Rz. 39).
Ergebnis:
Art. 59a Buchst. b MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die die Nutzung eines in einem Mitgliedstaat bestehenden Mobilfunknetzes ermöglichen und von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an Nutzer erbracht werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Drittland haben, sich aber vorübergehend im Gebiet des Mitgliedstaats aufhalten, als tatsächliche Nutzung oder Auswertung im Gebiet des Mitgliedstaats anzusehen sind (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Beachte:
Mit BMF-Schreiben vom 17.12.2021 (BStBl I 2021, 2504) wurde in Abschn. 3a.14. Abs. 3a UStAE neu eingefügt. »Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das inländische Mobilfunknetz, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, sind als Dienstleistungen anzusehen, die im Inland genutzt oder ausgewertet werden (vgl. EuGH vom 15.4.2021, C-593/19, SK Telecom). Für die Behandlung als im Inland ausgeführte Roamingleistung ist es unbeachtlich, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistung nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegt (vgl. EuGH vom 15.4.2021, C-593/19, SK Telecom)«.
Für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer werden u.a. in § 18h und § 18 Abs. 4e UStG Vereinfachungsregelungen geschaffen. Mit Schreiben vom 11.12.2014 (BStBl I 2014, 1631) nimmt das BMF Stellung zum Leistungsort bei Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen an Nichtunternehmer (§ 3a Abs. 5 UStG) sowie zum besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c, 4e und § 18h UStG ab 1.1.2015.
Die über die kleine einzige Anlaufstelle übermittelten Erklärungen ergänzen die Umsatz-steuererklärungen, die der Stpfl. nach Maßgabe der nationalen Vorschriften bei den für ihn zuständigen nationalen Finanzbehörden abgibt.
Die kleine einzige Anlaufstelle kann sowohl
von in der EU ansässigen Stpfl. (EU-Regelung; Art. 369a bis 369k MwStSystRL; §§ 18 Abs. 4e und 18h UStG) als auch
von nicht in der EU ansässigen Steuerpflichtigen (Nicht-EU-Regelung; Art. 358a bis 369 MwStSystRL; § 18 Abs. 4c UStG)
in Anspruch genommen werden. Ohne diese Anlaufstelle müsste sich der Anbieter in jedem Mitgliedstaat, in dem er Dienstleistungen für seine Kunden erbringt, umsatzsteuerlich registrieren lassen. Stpfl. können selbst entscheiden, ob sie die Anlaufstelle nutzen wollen.
Mit der Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird das bestehende Mini-One-Stop-Shop-Verfahren zu einem One-Stop-Shop-Verfahren erweitert (§§ 18i und 18j UStG, bisher §§ 18 Abs. 4e und 18h UStG) und das Import-One-Stop-Shop-Verfahren (§ 18k UStG) eingeführt (s. → Voranmeldung, Gliederungspunkt »Besondere Besteuerungsverfahren«).
Mit Art. 14 Nr. 19 und 20 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) werden die Bußgeldvorschriften der §§ 26a und 26b UStG mit Wirkung zum 1.7.2021 neu gefasst. Dabei wird der ursprüngliche § 26b UStG modifiziert und als neuer Abs. 1 in den § 26a UStG integriert und um Verweise auf alle in §§ 18, 18i, 18j, 18k UStG neu aufgenommenen Entrichtungsgebote ergänzt. Durch die Streichung des Tatbestandsmerkmals »in einer Rechnung i.S.v. § 14 UStG ausgewiesene Umsatzsteuer« wird künftig allein die vorsätzliche Nichtzahlung bzw. nicht vollständige Zahlung der festgesetzten und zu entrichtenden USt bis zum Ablauf des Fälligkeitstages geahndet. Der bisher in Abs. 2 des § 26a UStG geregelte Bußgeldrahmen wird Abs. 3; dabei wird die bisher in § 26b Abs. 2 UStG geregelte Bußgeldhöhe modifiziert und in den neuen Abs. 3 des § 26a UStG integriert. Der ursprüngliche Bußgeldrahmen des Tatbestands der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens nach dem bisherigen § 26b Abs. 2 UStG wird in der Neufassung des § 26a Abs. 3 UStG von 50 000 € auf 30 000 € gemindert.
Die Ordnungswidrigkeit des § 26a Abs. 2 Nr. 3 UStG (bisher § 26a Abs. 1 Nr. 3 UStG) kann mit einer Geldbuße bis zu 1 000 € (bisher 500 €), in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße – wie bisher – bis zu 5 000 € geahndet werden.
Durch Art. 12 Nr. 4 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird zum 1.1.2021 in § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation neu eingeführt.
Mit BMF-Schreiben vom 23.12.2020 (BStBl I 2021, 92) wird Abschn. 13b.7b. UStAE neu eingefügt.
Beachte:
Telekommunikationsleistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern fallen weiterhin unter die Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
Nach § 13b Abs. 5 Satz 6 UStG i.d.F. des JStG 2020 wird der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Telekommunikationsdienstleistungen auf Unternehmer, deren Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und deren eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Wiederverkäufer), beschränkt (Abschn. 13b.7b. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Dadurch wird vermieden, dass Unternehmer, die Telekommunikationsdienstleistungen nur als Nebenleistungen erbringen oder die solche Leistungen lediglich erwerben, ohne sie weiter zu veräußern, von der Regelung betroffen sind. S. die Kommentierung zu → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Loseblatt; Eilers u.a., Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Zugabe von Mobiltelefonen beim Abschluss eines Mobilfunkvertrages, UR 24/2013, 933; Sterzinger, Ort der an einen Nichtunternehmer erbrachten elektronischen Dienstleistung, UStB 7/2014, 213; Pfefferle u.a., Umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mobilfunkverträgen, NWB 22/2013, 1724.
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden