1 Gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen
2 Bedeutung der Unternehmereigenschaft
3 Unternehmerbegriff
3.1 Grundsätzliches
3.2 Bruchteilsgemeinschaften
3.2.1 Überblick über die Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung zur Unternehmereigenschaft einer Bruchteilsgemeinschaft
3.2.2 Bestätigung der Unternehmereigenschaft durch das JStG 2022
3.3 »Strohmann« als Unternehmer
3.3.1 Zivilrechtliche Grundsätze
3.3.2 Zurechnung der Umsätze im umsatzsteuerrechtlichen Sinne
3.3.2.1 Grundsätzliches zum leistenden Unternehmer
3.3.2.2 Der weisungsabhängige Strohmann
3.3.2.3 Der weisungsunabhängige Strohmann
3.4 Subunternehmer
3.5 Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern
3.5.1 Bisherige Rechtsprechung und Verwaltungsregelung
3.5.2 Änderung der Rechtsprechung
3.5.3 Änderung der Verwaltungsregelung
3.5.3.1 Definition der Festvergütung
3.5.3.2 Einteilung der Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder
3.5.3.3 Besonderheit für Beamte und andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft
3.5.3.4 Besonderheiten für Ausschussmitglieder
3.5.3.5 Zeitpunkt der Leistung
3.5.3.6 Anwendungs- und Übergangsregelungen
3.6 Unternehmerfiktion bei einer innergemeinschaftlichen Fahrzeuglieferung
3.7 Erbe als Rechtsnachfolger
3.8 Unternehmereigenschaft bei Forschungseinrichtungen
3.9 Unternehmereigenschaft einer britischen Limited
3.10 Betriebsstätten, Zweigniederlassungen bzw. feste Niederlassungen
4 Bescheinigung der Unternehmereigenschaft durch die Finanzbehörden
5 Beginn der unternehmerischen Tätigkeit
5.1 Allgemeine Grundsätze
5.2 Beginn der Unternehmereigenschaft einer Personenvereinigung sowie Unternehmereigenschaft der Gesellschafter
5.3 Beginn der Unternehmereigenschaft einer Kapitalgesellschaft
5.3.1 Überblick über die Gründungsstadien
5.3.2 Vorgründungsgesellschaft
5.3.3 Vorgesellschaft
5.3.4 Fehlende Eintragung im Handelsregister
5.3.5 Umwandlung in eine GmbH
5.3.5.1 Allgemeines
5.3.5.2 Zurechnung der Umsätze
6 Anspruch natürlicher Personen auf Erteilung einer Steuernummer
7 Erfolgloser Unternehmer
8 Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
8.1 Allgemeiner Überblick
8.2 Handel mit Ökopunkten
8.3 Das Halten von Beteiligungen
8.4 Erzeugerorganisationen und Betriebsfonds im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse
8.5 Public-Private-Partnerships (PPP) im Bundesfernstraßenbau
8.5.1 Grundsätzliches zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Verkehrsprojekten
8.5.2 Unternehmerische Tätigkeit nach dem »F-Modell«
8.5.2.1 Rechtliche Ausgestaltung der »F-Modelle«
8.5.2.2 Bauwerk auf fremdem Grund und Boden
8.5.2.3 Übertragung des Straßenbauwerks
9 Nachhaltigkeit
9.1 Allgemeiner Überblick
9.2 Veräußerung von Sammlungen
9.3 Verkäufe über eBay
9.4 Nachhaltigkeit als Energieerzeuger
9.5 Vermietung von Freizeitgegenständen
9.6 Pkw-Vermietung an Arbeitgeber
9.7 Arbeitszimmervermietung an Arbeitgeber
9.8 Liebhaberei
9.9 Betrieb einer Pferdezucht
9.10 Unternehmereigenschaft von Pokerspielern
9.11 Übertragung von Treibhausgasminderungsquoten
9.11.1 Grundsätzliches zum Treibhausgasminderungs-Quotenhandel
9.11.2 Umsatzsteuerliche Behandlung
9.11.3 Ertragsteuerliche Behandlung
10 Selbstständigkeit
10.1 Grundsätzliches
10.2 Selbstständigkeit juristischer Personen
10.2.1 Juristische Personen des öffentlichen Rechts
10.2.2 Juristische Personen des privaten Rechts
10.3 Selbstständigkeit von Personengesellschaften
10.4 Selbstständigkeit natürlicher Personen
10.4.1 Allgemeine Ausführungen
10.4.2 Freischaffende Künstler
10.4.3 Ausländische Handwerker
10.4.4 Ausländische Pflegekräfte
10.4.5 Tätigkeiten in Impf- und Testzentren
10.4.6 Geschäftsführertätigkeiten
10.4.7 Angestellte Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter
11 Einnahmeerzielung
12 Unternehmerrahmen
13 Organschaft
14 Ende der Unternehmereigenschaft
15 Literaturhinweise
16 Verwandte Lexikonartikel
Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL unterliegen u.a. Lieferungen von Gegenständen der Mehrwertsteuer, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaates gegen Entgelt erbringt.
Mit Urteil vom 16.9.2020 (C-312/19, LEXinform 5217160) nimmt der EuGH Stellung zur Bestimmung des Stpfl. (Unternehmers) i.S.d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL.
Nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Nach ständiger Rspr. des EuGH verleihen die in Art. 9 MwStSystRL verwendeten Begriffe, insbes. der Begriff »wer«, dem Begriff »Steuerpflichtiger« eine weite Definition mit dem Schwerpunkt auf der Selbstständigkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem Sinne, dass
alle natürlichen und juristischen Personen,
sowohl öffentliche als auch private,
sowie Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit,
die objektiv die Kriterien dieser Bestimmung erfüllen, als Mehrwertsteuerpflichtige gelten (EuGH C-312/19, Rz. 39; s.u. den Gliederungspunkt »Bruchteilsgemeinschaften«).
Als wirtschaftliche Tätigkeit gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbes. die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen (Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL).
Als Stpfl. gilt auch jede Person, die gelegentlich ein neues Fahrzeug liefert, das durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung an den Erwerber nach einem Ort außerhalb des Gebiets eines Mitgliedstaats, aber im Gebiet der Gemeinschaft versandt oder befördert wird (Art. 9 Abs. 2 MwStSystRL; → Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen bzw. -erwerbe).
Die selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren ArbG durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des ArbG ein Verhältnis der Unterordnung schafft (Art. 10 MwStSystRL).
Der Unternehmerbegriff ist ein Zentralbegriff des Umsatzsteuerrechts. Die Unternehmereigenschaft des § 2 Abs. 1 UStG hat auch insbes. Bedeutung für
die Steuerbarkeit von Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG),
die Bestimmung des Leistungsortes nach § 3a UStG,
den Verzicht von Steuerbefreiungen (§ 9 Abs. 1 UStG),
die Steuerschuldnerschaft (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG),
die Ausstellung von Rechnungen (§ 14 Abs. 2 UStG),
das Aufbewahren von Rechnungen (§ 14b UStG,
die Steuerschuldnerschaft hinsichtlich eines unrichtigen Steuerausweises in einer Rechnung (§ 14c Abs. 1 UStG),
den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG),
die Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 UStG),
das Besteuerungsverfahren (§ 18 UStG),
die Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a UStG),
die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten (§ 22 UStG),
Betreiber einer elektronischen Schnittstelle (§ 22f UStG),
das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (§ 25b UStG),
die Haftung beim Handel über eine elektronische Schnittstelle (§ 25e UStG),
die Erteilung einer USt-IdNr. (§ 27a UStG).
Der Unternehmerbegriff ist in § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG geregelt. Danach ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.
Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Mit Urteil vom 2.8.2018 (V R 21/16, BStBl II 2019, 339, Rz. 22 ff.) hat der BFH entschieden, dass die Teilnahme an Reitturnieren zur Erzielung von Preisgeldern nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs erfolgt (s.u. den Gliederungspunkt »Unternehmereigenschaft von Pokerspielern« sowie → Leistungsaustausch und dort den Gliederungspunkt »Preisgelder«). Im Urteil vom 10.11.2016 (C-432/15, UR 2016, 913, LEXinform 0651500) hat der EuGH entschieden, dass die Teilnahme an einem Wettbewerb (Pferderennen) keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung ist, wenn für die Teilnahme weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur Teilnehmer mit einer erfolgreichen Platzierung ein Preisgeld erhalten; die Ungewissheit einer Zahlung sei geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben (s.a. Abschn. 1.1. Abs. 24 Satz 3 UStAE).
Stellt die Teilnahme an Turnieren zur Erzielung von Preisgeldern keine wirtschaftliche Tätigkeit dar, ist diese Tätigkeit auch nicht zur Begründung der Unternehmerstellung geeignet. Denn bei richtlinienkonformer Auslegung erfordert die Unternehmereigenschaft (»Steuerpflichtiger«) die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 MwStSystRL). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn Leistungen gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG (»Leistungsaustausch«) erbracht werden. Da die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (Erbringung von Leistungen gegen Entgelt) voraussetzt, ist sie ausgeschlossen, wenn es an einem Leistungsaustausch fehlt.
Zur Unternehmereigenschaft bzw. zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen nach einem Zwangsvollstreckungsverfahren hat der EuGH die Vorlagefrage des rumänischen Gerichts mit Urteil vom 20.1.2021 (C-655/19, LEXinform 5217224) beantwortet.
Entscheidungssachverhalt:
A gewährte X mehrere Darlehen, die durch Grundpfandrechte an mehreren Immobilien gesichert waren. Da die Darlehen nicht zurückgezahlt werden konnten, wurden die Immobilien im Kj. 09 versteigert und A erhielt für drei von ihnen den Zuschlag. In den Kj. 10 bis 12 verkaufte A die Immobilien.
Das rumänische Gericht möchte vom EuGH wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. a (§ 3 Abs. 1 UStG) und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL (§ 2 Abs. 1 UStG) dahin auszulegen sind, dass der Umsatz, bei dem eine Person den Zuschlag für eine Immobilie erhält, die in einem zur Beitreibung eines zuvor gewährten Darlehens eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren beschlagnahmt wurde, und die Immobilie später verkauft, eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, und ob diese Person in Bezug auf diesen Umsatz als Stpfl. (Unternehmer) anzusehen ist.
Entscheidungsgründe
Der EuGH weist in Rz. 24 seiner Entscheidung C-655/19 zunächst darauf hin, dass die MwStSystRL der Mehrwertsteuer zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweist, diese Steuer jedoch ausschließlich Tätigkeiten wirtschaftlicher Art betrifft (s.a. Abschn. 1.1. Abs. 3 UStAE). Der Begriff des Unternehmers kann nur unter Bezugnahme auf den Begriff »wirtschaftliche Tätigkeit« i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL (§ 2 Abs. 1 UStG) definiert werden. Als solche Tätigkeit gilt insbes. »die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen«.
Der Begriff »Nutzung« bezieht sich auf alle Vorgänge, die – ungeachtet ihrer Rechtsform – darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen (EuGH C-655/19, Rz. 27).
Keine »Nutzung« eines Gegenstandes stellt z.B.
der bloße Erwerb und der bloße Verkauf eines Gegenstandes (Rz. 28),
die bloße Ausübung eines Eigentumsrechts durch den Inhaber (Rz. 29)
dar.
In seinem Urteil vom 9.7.2015 (C-331/14, UR 2015, 621, LEXinform0589510) hat der EuGH in Bezug auf den Verkauf eines Baugrundstücks bereits klargestellt, dass ein maßgebliches Beurteilungskriterium darin besteht, dass der Betroffene aktive Schritte zur Vermarktung von Grund und Boden unternommen und sich dabei ähnlicher Mittel bedient hat wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Derartige Initiativen erfolgen nämlich normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von PV, sodass die daraus resultierenden Umsätze nicht als bloße Ausübung des Eigentumsrechts angesehen werden können. Solche Initiativen erfolgen vielmehr im Rahmen einer Tätigkeit, die zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, und können somit als wirtschaftlich eingestuft werden (→ Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer unter dem Gliederungspunkt »Teilunternehmerisch genutzte Grundstücke« und dort »Zuordnungsentscheidung« sowie Anmerkung vom 4.8.2015, LEXinform 0947078).
Aus den dem Entscheidungssachverhalt ergibt sich, dass
der Darlehnsgeber A des Ausgangsverfahrens die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsgeschäfte vorgenommen hat, um sein Vermögen wiederherzustellen und seine Forderungen beizutreiben, nachdem die gewährten Darlehen nicht zurückgezahlt worden waren;
der Darlehensgeber A des Ausgangsverfahrens, der die Beitreibung seiner Forderungen und die Wiederherstellung seines Vermögens zum Ziel hat, keine aktiven Schritte zur Vermarktung von Grund und Boden unternommen und sich insbes. keiner ähnlichen Mittel bedient hat wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL.
Beantwortung der Vorlagefrage:
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass der Umsatz, bei dem eine Person den Zuschlag für eine Immobilie erhält, die in einem zur Beitreibung eines zuvor gewährten Darlehens eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren beschlagnahmt wurde, und diese Immobilie später verkauft, für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, wenn dieser Umsatz zur bloßen Ausübung des Eigentumsrechts und der ordnungsgemäßen Verwaltung des PV gehört, sodass diese Person in Bezug auf diesen Umsatz nicht als Stpfl. angesehen werden kann.
Zum Unternehmerbegriff gehört
die Unternehmerfähigkeit,
die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit sowie
der Unternehmerrahmen.
Unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt (s.a. → Arbeitnehmer, → Organschaft). Zur Selbstständigkeit s. Abschn. 2.2. UStAE (s.u. den Gliederungspunkt »Selbstständigkeit natürlicher Personen« und dort »Allgemeine Ausführungen«).
Unternehmer kann jede natürliche und juristische Person und jede Personenvereinigung sein. Der Unternehmer muss weder geschäftsfähig noch handlungsfähig sein. Der Unternehmerbegriff ist nicht von der Rechtsform abhängig, sondern richtet sich nach der Art der Tätigkeit (Abschn. 2.1. Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ist grundsätzlich derjenige, der als Unternehmer nach außen auftritt (s. BFH Beschluss vom 29.1.2008, V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, LEXinform 5904249). Danach sind die (gesamten) Umsätze in einem Saunaclub demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt. Für die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung ist daher unerheblich, ob die Prostituierten innerhalb des Betriebes als ArbN oder Subunternehmer tätig geworden sind. Auch das FG Münster hat mit Urteil vom 28.3.2019 (5 K 956/16, LEXinform 5022164, rkr.) in diesem Sinne entschieden und die in Bordellen ausgeführten Prostitutionsumsätze dem Bordellbetreiber zugerechnet.
Orientierungssatz der Entscheidung 5 K 956/16:
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt es darauf an, ob der Unternehmer als Inhaber eines Bordellbetriebs als Erbringer sämtlicher von Kunden erwarteten Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr aufgetreten ist und nicht nur als Zimmervermieter und Gastwirt. Im Streitfall ist der Stpfl. im Rahmen seiner Werbung als Erbringer ebendieser Dienstleistungen aufgetreten. Der Stpfl. hat mit seinen Bordellen jeweils eine organisatorische Struktur geschaffen und unterhalten, die den gewerbsmäßigen Geschlechtsverkehr der dort tätigen Prostituierten fördern sollte. Er ist damit nicht nur als Zimmervermieter aufgetreten, sondern hat als Erbringer eines vollständigen Leistungspaketes den Bordellbesuchern mit Hilfe der dort tätigen Prostituierten die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr verschafft (s.u. den Gliederungspunkt »Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit« und dort BFH vom 27.9.2018, V R 9/17, BFH/NV 2019, 127 unter »Allgemeiner Überblick«).
Der BGH hat mit Beschluss vom 5.5.2022 (1 StR 475/21, UStB 2023, 13, LEXinform 4249552) zur Bestimmung der Unternehmereigenschaft bei der Erbringung von Prostitutionsleistungen in einem Bordell Stellung genommen.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Für die Frage, ob hinsichtlich der in einem Bordell durch Prostitutionsleistungen erwirtschafteten Umsätze der Bordellbetreiber oder aber die dort jeweils tätige Prostituierte Schuldner(in) der USt gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 UStG und Erklärungspflichtige(r) nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG ist, kommt es darauf an, wer insoweit nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen als Leistungserbringer anzusehen ist. Bei dieser Beurteilung kann auch der Frage, ob beziehungsweise inwieweit die Prostituierte in den Bordellbetrieb eingegliedert ist, Bedeutung zukommen (Rz. 13).
Aufgrund der im Bordell und im Internet veröffentlichten Hinweise sind die Bordellbetreiber nicht als Anbieter und Leistende eines die sexuellen Dienste der Prostituierten einschließenden Gesamtpakets anzusehen. Denn die Hinweise enthielten nicht lediglich eine pauschale – den tatsächlich im Bordell gelebten Verhältnissen widersprechende und damit steuerrechtlich irrelevante (§ 41 Abs. 2 AO) – Behauptung, dass die Prostituierten selbstständig tätig seien; vielmehr forderten die Betreiber die Besucher des Bordells mit den Hinweisen ausdrücklich dazu auf, Art und Umfang der Prostitutionsleistung sowie das hierfür zu zahlende Entgelt ausschließlich mit den Prostituierten auszuhandeln und die Bezahlung direkt mit den Prostituierten abzuwickeln. Damit gaben die Bordellbetreiber gegenüber den Freiern als Kunden (§§ 133, 157 BGB) eindeutig und unmissverständlich zu verstehen, dass sie bezüglich der sexuellen Dienstleistung der Prostituierten nicht Vertragspartner sein wollten. Dementsprechend forderten sie von den Besuchern des Bordells auch lediglich ein pauschales Eintrittsgeld für die Nutzung der Räumlichkeiten einschließlich des Schwimmbads und der Sauna sowie für den Zugang zum Buffet und waren an den Prostitutionserträgen nicht beteiligt. Hingegen schlossen die Prostituierten die Prostitutionsverträge mit den Freiern im eigenen Namen ab. Dem entsprach auch die im Bordell tatsächlich gelebte Übung, weil ausschließlich die Prostituierten die Leistungen und Preise mit den Freiern verhandelten sowie die Vergütung für ihre sexuellen Dienste vollständig vereinnahmten.
Der BGH hat entschieden, dass die Prostituierten – trotz einer gewissen Einbindung in das Gesamtarrangement des Bordells – eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Bordellbetreibers ausüben, wenn sie – wie im Urteilsfall – ihre sexuellen Dienste im eigenen Namen anbieten. Umsatzsteuerschuldnerinnen sind danach die Prostituierten und nicht die Bordellbetreiber.
Beachte:
Zur Zurechnung von Umsätzen in einem Bordell hat der BFH mit Beschluss vom 10.1.2024 (XI B 117/22, UR 2024, 200, LEXinform 4270127) seine bisherige Rspr. u.a. vom 29.1.2008 (V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, LEXinform 5904249, s.o.) bestätigt. Der BFH macht ausdrücklich deutlich, dass sich durch das BGH-Urteil 5.5.2022 (1 StR 475/21, UStB 2023, 13, LEXinform 4249552) daran auch nichts geändert hat.
Zur Zurechnung von Umsätzen beim Betrieb einer Betriebskantine hat der BFH mit Urteil vom 20.10.2021 (XI R 24/20, BFH/NV 2022, 620, LEXinform 0953274) bei Eheleuten folgende Feststellung getroffen: »Ob bei Eheleuten der Ehemann, die Ehefrau oder eine aus den Eheleuten bestehende Gemeinschaft als Unternehmer eine Leistung ausführt oder bezieht, richtet sich danach, wer nach außen auftritt.«
Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung kann auch eine Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG sein (Abschn. 2.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE; BFH Beschluss vom 1.9.2010, XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, LEXinform 5905732). Rechtsfähigkeit i.S.d. BGB ist für die Eigenschaft als Stpfl. i.S.d. UStG nicht erforderlich. Die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstands der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten GbR bedarf es nicht (BFH Urteile vom 25.3.1993, V R 42/89, BStBl II 1993, 729, Rz. 13; vom 23.9.2009, XI R 14/08, BStBl II 2010, 243; BFH Beschluss vom 1.9.2010, XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, Rz. 8). Vermieten die Miteigentümer eines Grundstücks dieses an eine dritte Person, können sie dies als GbR oder Gemeinschaft tun. Umsatzsteuerrechtlich werden die Vermietungsleistungen von der GbR bzw. der Gemeinschaft ausgeführt. Der Gesellschafter bzw. der Teilhaber wird nicht allein durch seine zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter Unternehmer. Nur die GbR bzw. die Gemeinschaft ist (wegen dieser Vermietungsumsätze) Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG. Die Tätigkeit der Personenvereinigung wird im Umsatzsteuerrecht nicht ihrem Mitglied zugerechnet. Eine Mitunternehmerschaft kennt das UStG nicht (Abschn. 2.1. Abs. 2 UStAE).
Ist die Gemeinschaft selbst nicht unternehmerisch tätig, handelt es sich um eine Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft (BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 2021, 825, Rz. 28). Das Vermögen ist dabei den jeweiligen Gesellschaftern zuzurechnen; es erfolgt kein Zwischenerwerb durch die Interessengemeinschaft (Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 7 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021, BStBl I 2021, 2137).
Nach Abschn. 3.5. Abs. 2 Nr. 6 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021 können die Gemeinschafter einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft (vgl. Abschn. 15.2b Abs. 1) über ihren Anteil an dem Gegenstand ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft verfügen und ihn veräußern.
Mit Urteil vom 22.11.2018 (V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, LEXinform 0951786) hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine Bruchteilsgemeinschaft nicht Unternehmer sein kann. Stattdessen sollen die Gemeinschafter als jeweilige Unternehmer anteilig von ihnen zu versteuernde Leistungen erbringen (s.a. Pressemitteilung Nr. 5/2019 vom 6.2.2019, LEXinform 0449319; → Grundstücksgemeinschaften → Unternehmensvermögen; s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 5/2019 vom 6.2.2019, LEXinform 0449319 sowie Anmerkung vom 12.2.2019, LEXinform 0653606).
Beachte:
In Rz. 29 seines Urteils vom 7.5.2020 (V R 1/18, BFH/NV 2020, 1211) hat der BFH seine Rechtsauffassung bestätigt, dass eine Bruchteilsgemeinschaft nicht Unternehmer sein kann, da sie nicht rechtsfähig ist.
Zur Bestimmung des leistenden Unternehmers im Zusammenhang mit einer Einrichtung ohne Rechtspersönlichkeit hat der EuGH mit Urteil vom 16.9.2020 (C-312/19, LEXinform 5217160) Folgendes entschieden:
»Schließt eine natürliche Person mit einer anderen natürlichen Person eine Vereinbarung über eine gemeinsame Tätigkeit im Rahmen einer PersGes ohne Rechtspersönlichkeit,
in deren Rahmen die erste Person im Namen aller Partner zu handeln befugt ist,
jedoch im Verhältnis zu Dritten – wenn sie die Handlungen vornimmt, aus denen die mit dieser PersGes verfolgte wirtschaftliche Tätigkeit besteht – allein und im eigenen Namen auftritt,
so übt diese Person diese Tätigkeit selbstständig aus und ist daher als »Steuerpflichtiger« i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL und als alleinige Schuldnerin der Mehrwertsteuer nach Art. 193 MwStSystRL anzusehen.«
In seinem Urteil vom 16.9.2020 (C-312/19, LEXinform 5217160) hatte der EuGH zu prüfen, ob A als Stpfl. i.S.d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL auftritt und als alleiniger Schuldner der MwSt anzusehen ist.
Entscheidungsgründe:
Zunächst stellt der EuGH in Rz. 39 seiner Entscheidung C-312/19 fest, dass u.a. auch Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit, die objektiv die Kriterien des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL erfüllen, als Mehrwertsteuerpflichtige gelten.
Um zu bestimmen, wer in dem Entscheidungssachverhalt als »Steuerpflichtiger« i.S.d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL anzusehen ist, ist zu ermitteln, wer die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausgeübt hat (EuGH C-312/19, Rz. 40). Dabei muss gewährleistet sein, dass der Erwerber sein eventuell bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug rechtssicher ausüben kann, da er nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL über eine Rechnung mit dem vollständigen Namen und der vollständigen Anschrift des Stpfl. verfügt.
Beachte:
Der EuGH hat nicht entschieden, dass A bereits deswegen zwingend (anteilmäßig) als Unternehmer zu behandeln sei, weil die Gesellschaft keine Rechtspersönlichkeit besitzt und daher nicht als Stpfl. angesehen werden könne (s. BFH vom 22.11.2018, V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, LEXinform 0951786).
Im Gegensatz zur BFH-Rspr. V R 65/17 prüft der EuGH, ob die wirtschaftliche Tätigkeit dem A oder der durch die Vereinbarung über die gemeinsame Tätigkeit begründeten Einrichtung zuzuordnen ist.
Beachte:
M.E. muss nach der EuGH-Entscheidung C-312/19 auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft geprüft werden, ob die wirtschaftliche Tätigkeit mehrwertsteuerrechtlich ihr oder den Gemeinschaftern zuzurechnen ist. Die Tätigkeit ist nicht mangels Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaft zwingend den Gemeinschaftern zuzurechnen (s.a. von Streit, EU-UStB 2020, 112).
M.E. hat der EuGH allerdings entgegen der BFH-Rspr. in seinem Urteil V R 65/17 entschieden, dass, obwohl bei der Bruchteilsgemeinschaft zivilrechtlich im Namen der Teilhaber gehandelt werden muss, nicht zwingend zu folgern ist, dass sie für umsatzsteuerrechtliche Zwecke nicht Unternehmer sein kann.
Mit Schreiben vom 27.10.2021 (BStBl I 2021, 2137) nimmt das BMF Stellung zum Vorsteuerabzug im Fall einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft sowie zur Anwendung der BFH-Urteile vom 28.8.2014 (V R 49/13, BStBl II 2021, 825, s.o.) und vom 31.5.2017 (XI R 40/14, BStBl II 2021, 828).
Unter Zugrundelegung des BFH-Urteils V R 49/13 ändert und ergänzt das BMF den UStAE hinsichtlich der Rechtsstellung der Gemeinschafter im Verhältnis zu ihrer selbst nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft. Dadurch, dass das BMF lediglich seine bisherige Verwaltungsregelung zur nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft ändert und ergänzt gibt das BMF zu erkennen, dass die bisherige Rechtsauffassung zur unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft – trotz der Rechtsprechungsänderung des BFH in seinem Urteil V R 65/17 – weiterhin Bestand hat (s.a. EuGH vom 16.9.2020, C-312/19, LEXinform 5217160). Abschn. 2.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE wurde bisher noch nicht aufgehoben.
Mit Urteil vom 22.11.2018 (V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, LEXinform 0951786, s.o.) hat der V. Senat des BFH entgegen der bis dahin ständigen Rspr. sowie der geltenden Verwaltungsauffassung entschieden, eine Bruchteilsgemeinschaft könne nicht Unternehmer sein.
Mit Art. 16 Nr. 2 des JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) wird § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG neu gefasst: »Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist.«
Die Regelung stellt klar, dass die Unternehmereigenschaft i.S.d. Umsatzsteuerrechts unabhängig davon bestehen kann, ob der Handelnde nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Unternehmer können daher auch nicht rechtsfähige Personengemeinschaften, wie z.B. Bruchteilsgemeinschaften sein. Die Regelung dient der Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (BT-Drs. 20/4729, 166).
Hinweis:
Mit Beschluss vom 28.8.2023 (V B 44/22, BFH/NV 2023, 1388, LEXinform 4264219) hält der BFH an den Urteilen vom 22.11.2018 (V R 65/17, BFH/NV 2019, 359) und vom 7.5.2020 (V R 1/18, BFH/NV 2020, 1211) fest, wonach eine Bruchteilsgemeinschaft keine Leistungen gegen Entgelt als Unternehmer erbringt.
In Rz. 19 seines Beschlusses V B 44/22 hebt der BFH ausdrücklich hervor, dass die Änderung durch das JStG 2022 erst zum 1.1.2023 in Kraft getreten ist. Es ist danach im Streitfall nicht zu entscheiden, ob aus dieser Neuregelung folgt, dass eine Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer Leistungen erbringt, obwohl sie nicht in der Lage ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung auszuüben, und sie zudem kein mit dieser Tätigkeit einhergehendes wirtschaftliches Risiko tragen kann.
Unter einem Strohmanngeschäft versteht man die Einschaltung einer Zwischenperson in die Geschäftsbeziehungen des tatsächlich leistenden Unternehmers. Nach § 164 Abs. 1 BGB wirkt eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Leistender Unternehmer ist in diesen Fällen nicht der Vertreter, sondern der Vertretene. Wird der Vertreter nachhaltig tätig, so führt er sonstige Leistungen (Vermittlungsleistungen) aus.
Zivilrechtlich (§ 164 Abs. 2 BGB) ist der Strohmann Vertragspartner, da der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortritt (verdecktes Geschäft). Der Strohmann wird als tatsächlich nach außen hervortretender Rechtsinhaber von einem anderen (Hintermann), der nicht als Berechtigter auftreten will oder kann, vorgeschoben, um zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung und im wirtschaftlichen Interesse des Hintermanns eine Leistung zu erwerben oder auszuüben (handeln im eigenen Namen auf fremde Rechnung). Umsatzsteuer- und zivilrechtlich kann dabei von wirksam vereinbarten Leistungsbeziehungen ausgegangen werden. Strohmanngeschäfte sind i.d.R. keine Scheingeschäfte i.S.d. § 117 BGB, da der (weisungsunabhängige) Strohmann aus den im eigenen Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäften selbst berechtigt und verpflichtet wird und die Rechtsfolge von den Beteiligten normalerweise auch gewollt ist.
Unternehmer ist grundsätzlich die Person, die im eigenen Namen die Leistungen ausführt. Unerheblich ist, ob für eigene Rechnung geleistet wird. Dies betrifft lediglich das Innenverhältnis (BFH Beschluss vom 20.2.2001, V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152). Ein Strohmann führt Leistungen gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen aus und tritt damit nach außen erkennbar als Leistender auf. Somit spricht auch eine Vermutung dafür, dass er auch die fraglichen Leistungen erbringt (s.a. Saarländisches FG vom 30.10.2013, 1 K 2075/03, LEXinform 5017103, rkr.). Von Bedeutung ist insbes., wer den Kunden gegenüber in Erscheinung tritt und mit ihnen verhandelt, wessen Namen, Anschrift und Bankverbindung die Geschäftsbögen, Firmenstempel usw. enthalten und wen der Kunde nach den ihm bekannten äußeren Umständen als seinen Vertragspartner bezeichnen würde. Ein Strohmann ist allerdings dann nicht der Unternehmer, wenn aufgrund der Kapitalausstattung kein ernsthafter Geschäftsbetrieb möglich ist und sich seine Bedeutung darin erschöpft, dass er seinen Namen und seine Geschäftsadresse zur Verfügung stellt (Abschn. 2.1. Abs. 3 UStAE).
Das »vorgeschobene« Strohmanngeschäft ist dann – zivilrechtlich und umsatzsteuerrechtlich (§ 41 Abs. 2 AO) – unbeachtlich, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien – der Strohmann und der Dritte – einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen (BFH Beschluss vom 31.1.2002, V B 108/01, BStBl II 2004, 622 und FG München vom 23.6.2015, 2 K 1691/12, EFG 2015, 1757, rkr.; kollusives Zusammenwirken zwischen dem Hintermann, dem Strohmann und dem Dritten als Leistungsempfänger).
Für die Frage der Zurechnung der Leistung ist von Bedeutung, ob es sich um einen weisungsabhängigen oder weisungsunabhängigen Strohmann handelt. Die Weisungsabhängigkeit führt zur Nichtselbstständigkeit i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Ob Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit anzunehmen ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Innenverhältnis zum Auftraggeber. Ein Strohmann ist nicht deswegen unselbstständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG tätig, weil er im Innenverhältnis den Weisungen des Auftraggebers verpflichtet ist (BFH vom 26.6.2003, V R 22/02, BFH/NV 2004, 233, LEXinform 0594411). Der weisungsabhängige Strohmann ist in das Unternehmen des Hintermannes als ArbN bzw. im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses eingegliedert, sodass das Strohmanngeschäft nur zum Schein vereinbart wurde.
Handelt es sich bei dem Strohmann nicht um eine natürliche, sondern um eine juristische Person, so kommt eine Unselbstständigkeit – die zur Zurechnung der Leistung an den Hintermann führt – nur dann in Betracht, wenn zwischen der Strohmanngesellschaft und der »Hintermann-Gesellschaft« eine Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht.
Ein weisungsabhängiger Strohmann (kein Unternehmer) ist nach § 14 Abs. 2 UStG nicht berechtigt, Rechnungen auszustellen, in denen die USt gesondert ausgewiesen ist. Sind die Leistungen nicht dem Strohmann zuzurechnen und hat er solche Rechnungen erteilt, schuldet er die ausgewiesene Steuer gem. § 14c Abs. 2 UStG. Dies gilt u.a. dann, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 5 UStAE; → Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis). Der Nichtunternehmer schuldet den Steuerbetrag nach § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG, gleichgültig ob er eine Leistung ausführt oder nicht. Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung.
Der unberechtigte Steuerausweis i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG hat Konsequenzen für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers. Wird die USt von einem Nichtunternehmer in Rechnung gestellt, so ist sie nach § 15 Abs. 1 UStG nicht als Vorsteuer abzugsfähig, obwohl sie von dem Nichtunternehmer nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet wird.
Die Rechnung muss grundsätzlich vom leistenden Unternehmer ausgestellt sein. Ein Vorsteuerabzug ist deshalb nicht zulässig, wenn ein anderer im Namen des Leistenden eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilt, ohne vom Leistenden dazu beauftragt zu sein. Der Unternehmer, der die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt hat, muss in der Rechnung (Abrechnungspapier) grundsätzlich mit seinem wirklichen Namen bzw. mit der wirklichen Firma angegeben sein (Abschn. 15.2a. Abs. 2 Sätze 1, 2 und 6 UStAE).
Handelt es sich um einen weisungsunabhängigen Strohmann (Unternehmer), so handelt er im eigenen Namen und für fremde Rechnung (→ Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen). Liegt dem Strohmanngeschäft eine Lieferung zugrunde, handelt es sich um ein Kommissionsgeschäft i.S.d. § 3 Abs. 3 UStG (s.a. Abschn. 3.1. Abs. 3 Satz 7 und 8 UStAE; s.a. EuGH vom 16.9.2020, C-312/19, LEXinform 5217160 sowie Anmerkung vom 16.9.2020, LEXinform 0402235). Liegt dem Strohmanngeschäft die Ausführung einer sonstigen Leistung zugrunde, handelt es sich um eine Dienstleistungskommission i.S.d. § 3 Abs. 11 und 11a UStG (Abschn. 3.15. Abs. 2 Satz 5 UStAE).
Zu den Leistungsbeziehungen des Strohmanns und des Hintermanns in einem Strohmannverhältnis hat der BFH mit Urteil vom 12.5.2011 (V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541, LEXinform 0927917) Stellung genommen.
Zum Handeln des Subunternehmers im Umsatzsteuerrecht hat der BFH mit Beschluss vom 26.11.2019 (V B 70/18, BFH/NV 2020, 388, LEXinform 5908947) Stellung genommen.
Dem Begriff des Subunternehmers kommt im Umsatzsteuerrecht keine eigenständige Bedeutung zu. Er umschreibt unterschiedliche Fallgestaltungen, bei denen der Unternehmer (»Hauptunternehmer«) eine Leistung nicht selbst, sondern unter Einschaltung eines anderen Unternehmers (»Subunternehmer«) erbringt. Auch bei einer Leistungserbringung durch Haupt- und Subunternehmer bestimmen sich Leistender und Leistungsempfänger – wie sonst auch – entsprechend ständiger BFH-Rspr. nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 2021, 825 und vom 22.11.2018, V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, LEXinform 0951786). Maßgeblich ist, wer aus diesem Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Dies ist bei einem Handeln im eigenen Namen der Handelnde und beim Handeln im fremden Namen der – mit Vertretungsmacht – Vertretene (BFH vom 10.8.2016, V R 4/16, BStBl II 2017, 135). Eine Leistungserbringung durch Haupt- und Subunternehmer setzt danach voraus, dass beide ein Rechtsverhältnis zu ihrem jeweiligen Auftraggeber eingehen und dabei im Verhältnis zum jeweiligen Auftraggeber im eigenen Namen tätig sind. Von diesem Handeln des Subunternehmers im eigenen Namen gegenüber dem Hauptunternehmer ist zu unterscheiden, dass der Subunternehmer, wenn er in unmittelbarem Kontakt zum Kunden des Hauptunternehmers tritt, als dessen Gehilfe erscheint und insoweit in dessen Namen handelt. Es ist daher zwischen Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden. Im Innenverhältnis zum Hauptunternehmer handelt der Subunternehmer bei der Erbringung seiner Leistung im eigenen Namen, während er seine Tätigkeit im Außenverhältnis zum Kunden des Hauptunternehmers in dessen Namen als dessen Erfüllungsgehilfe ausübt. Somit leistet der durch den Hauptunternehmer eingeschaltete Subunternehmer umsatzsteuerrechtlich ausschließlich im Innenverhältnis gegenüber seinem Auftraggeber, nicht aber im Außenverhältnis gegenüber dem Kunden des ihn beauftragenden Unternehmers (s.a. Anmerkung vom 27.2.2020, LEXinform 0889217).
Einnahmen, die Stpfl. aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied beziehen, unterlagen als sonstige Leistung der USt. Unerheblich war, ob das Aufsichtsratsmitglied nach erfolgter Wahl, aufgrund eines Entsendungsrechts oder in seiner Eigenschaft als ArbN dem Aufsichtsrat angehörte (Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 7 UStAE a.F.). Nach dem BFH-Urteil vom 27.7.1972 (V R 136/71, BStBl II 1972, 810) war auch die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats einer AG als Arbeitnehmervertreter gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung umsatzsteuerpflichtig (so auch BFH vom 2.10.1986, V R 68/78, BStBl II 1987, 42). Auch ein Kommanditist war als Mitglied eines Beirates, dem vor allem Zustimmungs- und Kontrollrechte übertragen sind, gegenüber der Gesellschaft selbstständig tätig (Abschn. 2.2. Abs. 3 Satz 1 UStAE a.F.; BFH vom 24.8.1994, XI R 74/93, BStBl II 1995, 150). Steuerbar sind auch Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen (vgl. z.B. BFH vom 1.2.2007, V R 69/05, BFH/NV 2007, 1205, und vom 18.3.2004, V R 101/01, BStBl II 2004, 798). Für das Vorliegen eines Leistungsaustausches kommt es nicht auf eine finale Verknüpfung von Leistung und Entgelt an.
Hinweis:
Zur bisherigen umsatzsteuerlichen Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen s. OFD Frankfurt vom 4.4.2014 (S 7100 A – 287 – St 110, LEXinform 5235038).
Nach dem BMF-Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919, s.u.) wird es nicht beanstandet, wenn die bisherigen Regelungen in Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 7 und Abs. 3 Satz 1 UStAE auf Leistungen angewendet werden, die bis einschließlich 31.12.2021 bzw. in einem Geschäftsjahr ausgeführt worden sind, das vor dem 1.1.2022 begonnen hat (BMF vom 29.3.2022, BStBl I 2022, 567 als Ergänzung zum BMF-Schreiben vom 8.7.2021).
Mit Urteil vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) hat der EuGH zur Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds einer niederländischen Stiftung Stellung genommen.
Entscheidungssachverhalt:
O ist Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung, deren Aufsichtsrat die Strategie des Vorstands sowie den allgemeinen Geschäftsgang der Stiftung kontrolliert und aus Mitgliedern besteht, die je für vier Jahre ernannt werden. Personen mit einem Arbeitsvertrag zur Stiftung dürfen dem Aufsichtsrat nicht angehören. Der Aufsichtsrat muss seine Handlungen nicht gegenüber dem Vorstand rechtfertigen. Die Stiftung wird vom Vorstand vertreten. In bestimmten Situationen (z.B. Interessenskonflikt oder Ausscheiden des gesamten Vorstands) übernimmt der Aufsichtsrat oder mehrere Aufsichtsratsmitglieder gemeinsam die Vertretung. Aufsichtsratsmitglieder können nur wegen Fahrlässigkeit i.R.d. Ausübung ihrer Aufgaben oder anderer schwerwiegender Gründe und nur nach Durchlaufen eines speziellen Verfahrens suspendiert oder entlassen werden. Für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erhält O eine Bruttovergütung i.H.v. jährlich knapp 15 000 €, von der Lohnsteuer einbehalten wird. Diese Vergütung hängt weder von der Teilnahme von O an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ab.
Zu entscheiden war, ob die Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Stiftung eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Art. 9 und 10 MwStSystRL darstellt, die selbstständig ausgeübt wird, sodass das betreffende Aufsichtsratsmitglied als Mehrwertsteuerpflichtiger anzusehen ist (s.a. Anmerkung vom 13.6.2019, Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, LEXinform 0402210).
Urteilsbegründung:
Zur Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds nimmt der EuGH folgende Prüfungsreihenfolge vor:
Prüfung der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Art. 9 und 10 MwStSystRL:
Die Tätigkeit ist als »wirtschaftlich« einzustufen, da sie nachhaltig ist und gegen Entgelt (ca. 15 000 €) ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt. Dabei ist es unerheblich ist, dass diese Vergütung nicht nach Maßgabe individueller Leistungen, sondern pauschal und auf jährlicher Basis festgesetzt wird.
Die wirtschaftliche Natur der Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass dieses Mitglied nur ein einziges Mandat ausübt, sofern diese Tätigkeit nachhaltig ist und gegen Entgelt ausgeübt wird (EuGH C-420/18, Rz. 24 bis 31).
Prüfung der unselbstständig ausgeübten Tätigkeit nach Art. 10 MwStSystRL, § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG):
Mit der ausgeübten Tätigkeit ist das Aufsichtsratsmitglied kein Lohn- oder Gehaltsempfänger. Das Verhältnis zwischen einem Mitglied des Aufsichtsrats einer juristischen Person und dieser juristischen Person wird lediglich aufgrund einer Gesetzesfiktion als Arbeitsverhältnis eingestuft, da bei einem solchen Aufsichtsratsmitglied die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt sind.
Das Aufsichtsratsmitglied übt seine Tätigkeit nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags, sondern auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags aus.
Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen besteht kein Unterordnungsverhältnis, da zum einen die Mitglieder eines solchen Aufsichtsrats keinen Weisungen des Vorstands der Stiftung unterliegen, insbes. wenn sie die Modalitäten der Ausübung ihrer Tätigkeit regeln. Die Aufsichtsratsmitglieder sollen die Strategie des Vorstands und den allgemeinen Geschäftsgang der Stiftung auf unabhängige Weise kontrollieren. Diese Aufsichtsfunktion lässt sich nicht mit einem Unterordnungsverhältnis vereinbaren. Die Aufsichtsratsmitglieder sind innerhalb des Aufsichtsrats unabhängig und müssen gegenüber den anderen Aufsichtsratsmitgliedern kritisch handeln.
Es handelt sich nicht um ein Unterordnungsverhältnis i.S.d. Art. 10 MwStSystRL (EuGH C-420/18, Rz. 32 bis 36).
Prüfung der selbstständigen Tätigkeit nach Art. 9 MwStSystRL:
Um zu bestimmen, ob eine Person eine wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 9 MwStSystRL selbstständig ausübt, ist zu prüfen, ob sie sich bei der Ausübung dieser Tätigkeit in einem Unterordnungsverhältnis befindet.
Für die Beurteilung des Vorliegens dieses Unterordnungsverhältnisses ist zu prüfen, ob der Betroffene seine Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt. Die Situation eines Mitglieds des Aufsichtsrats einer Stiftung ist dadurch gekennzeichnet, dass hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied kein hierarchisches Unterordnungsverhältnis gegenüber dem Vorstand dieser Stiftung und dem Aufsichtsrat besteht.
Allerdings handelt das Aufsichtsratsmitglied in der Ausübung seiner Aufgaben als Mitglied des Aufsichtsrats der Stiftung weder in eigenem Namen noch für eigene Rechnung oder in eigener Verantwortung. Wie sich aus der Satzung der Stiftung ergibt, besteht die Tätigkeit als Mitglied dieses Aufsichtsrats in bestimmten Fällen in der rechtlichen Vertretung der Stiftung, was die Befugnis impliziert, die Stiftung insoweit zu verpflichten. Die Aufsichtsratsmitglieder können die dem Aufsichtsrat übertragenen Befugnisse nicht individuell ausüben und für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelten. Somit erweist sich, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats der Stiftung individuell weder die Verantwortung tragen, die sich aus den in gesetzlicher Vertretung der Stiftung vorgenommenen Handlungen des Aufsichtsrats ergibt, noch für Schäden haften, die sie Dritten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben verursachen, und damit nicht in eigener Verantwortung handeln.
Die Situation eines Aufsichtsratsmitglieds zeichnet sich außerdem im Gegensatz zu der eines Unternehmers dadurch aus, dass mit der ausgeübten Tätigkeit keinerlei wirtschaftliches Risiko einhergeht. Ein solches Aufsichtsratsmitglied bezieht nämlich eine feste Vergütung, die weder von seiner Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängt. Daher übt er im Unterschied zu einem Unternehmer keinen nennenswerten Einfluss auf seine Einnahmen oder Ausgaben aus. Überdies scheint eine von einem solchen Aufsichtsratsmitglied in Ausübung seiner Tätigkeit begangene Fahrlässigkeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf seine Vergütung zu haben, da sie nach der Stiftungssatzung nur dann zu seiner Entlassung führen kann, wenn zuvor ein besonderes Verfahren durchgeführt wird.
Bei einer Person, die kein derartiges wirtschaftliches Risiko trägt, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 9 MwStSystRL selbstständig ausübt.
Mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) hat sich der BFH unter Aufgabe seiner bisheriger Rechtsprechung für den Fall der EuGH-Rechtsprechung angeschlossen, dass das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine nicht variable Festvergütung erhält. In diesem Fall ist das Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer selbstständig tätig. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 6/2020 vom 6.2.2020, LEXinform 0456021).
Beachte:
Mit Urteil vom 21.12.2023 (C-288/22, SIS 24 00 84, Kirchinger, UStB 2024, 86) präzisiert der EuGH seine Rspr. vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617). Danach kann ein Mitglied eines Verwaltungsrates einer AG eine nicht selbstständige Tätigkeit ausführen, wenn es eine variable Vergütung erhält.
In Rz. 20 seines Urteils V R 23/19 stellt der BFH ausdrücklich fest, dass es für die Entscheidung keine Rolle spielt, dass sich aufgrund der Verrechnungspflicht der Vergütung auf die Tantieme ein sich hieraus ergebendes Abhängigkeitsverhältnis ergibt. Allein auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) ist das Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG selbstständig tätig (s.a. Anmerkung vom 12.2.2020, LEXinform 0889170).
Mit BMF-Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919) setzt die Finanzverwaltung die vom BFH aufgrund der Rechtsprechung des EuGH vorgegebene Rechtsprechungsänderung um und ergänzt Abschn. 2.2. um einen neuen Abs. 3a UStAE.
Hinweis:
In Abschn. 2.2. Abs. 2 wird Satz 7 und in Abs. 3 wird Satz 1 UStAE gestrichen (s.o. den Gliederungspunkt »Bisherige Rechtsprechung und Verwaltungsregelung«).
Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht selbstständig tätig. Die Vergütung kann sowohl in Geldzahlungen als auch in Sachzuwendungen bestehen (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 1 und 2 UStAE). Das Mitglied eines Aufsichtsrats trägt nicht schon deshalb ein Vergütungsrisiko, weil seine Vergütung nachträglich für mehrere Jahre ausgezahlt wird. Trägt das Mitglied des Aufsichtsrats kein Vergütungsrisiko, ist es nicht deshalb selbstständig tätig, weil es unter den Voraussetzungen des § 116 AktG für pflichtwidriges Verhalten haftet (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 14 und 15 UStAE). Die Aufsichtsratsvergütung ist in solchen Fällen als Einnahme aus einer nicht selbstständigen Tätigkeit nicht umsatzsteuerbar (s. OFD Frankfurt vom 11.5.2022, S 7100 A – 287 – St 110.2, DStR 2022, 2318, LEXinform 7013309 unter 2.).
Beachte:
Mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 29.3.2022 (BStBl I 2022, 567) ergänzt das BMF seine Ausführungen zu der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern im BMF-Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919) und fügt in Abschn. 2.2. Abs. 3a UStAE die neuen Sätze 7 bis 11 ein.
Für den Fall, dass sowohl variable als auch feste Vergütungen gezahlt werden, regelt das BMF-Schreiben in Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 5 UStG eine neue 10 %-Grenze.
Die in Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 1 bis 6 UStAE genannten Tatbestände sind für jedes Mandat eines Aufsichtsrats separat zu prüfen. Ausnahmen von der 10 %-Grenze des Satzes 5 sind in begründeten Fällen möglich Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 18 UStAE).
Beachte:
Zur Ermittlung der 10 %-Grenze hat das BMF mit Schreiben vom 29.3.2022 (BStBl I 2022, 567) die Sätze 7 bis 11 in Abschn. 2.2. Abs. 3a UStAE eingefügt.
Bei Beamten und anderen Bediensteten einer Gebietskörperschaft, die die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung ihres ArbG oder Dienstherren übernommen haben und nach beamten- oder dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die Vergütung bis auf einen festgelegten Betrag an den ArbG bzw. Dienstherren abzuführen, ist es bei einem bestehenden Vergütungsrisiko nicht zu beanstanden, wenn diese allein aufgrund dieser Tätigkeit ebenfalls als nicht selbstständig tätig behandelt werden. Die Aufsichtsratstätigkeit steht in so engem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis, dass sie als Teil der unselbstständigen Tätigkeit angesehen werden muss, auch wenn ein Vergütungsrisiko besteht (OFD Frankfurt vom 11.5.2022, S 7100 A – 287 – St 110.2, DStR 2022, 2318, LEXinform 7013309 unter 2.). Für Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung gilt dies entsprechend, soweit sie im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zur Regierung einem Aufsichtsrat angehören und einer zumindest teilweisen öffentlich-rechtlichen Abführungspflicht unterliegen (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 16 und 17 UStAE; s.a. OFD Frankfurt vom 11.5.2022, S 7100 A – 287 – St 110.2, DStR 2022, 2318, LEXinform 7013309 unter 2.).
Die o.g. Grundsätze des Abschn. 2.2. Abs. 3a Sätze 1 bis 17 UStAE gelten auch für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 AktG bestellt hat und für Mitglieder von anderen Gremien, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder Personenvereinigung dienen (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 18 UStAE).
Beachte:
Die Finanzverwaltung hält die Rspr. des EuGH und des BFH nicht für Gremiumsmitglieder für anwendbar, die einem Gremium angehören, das Leitungsfunktion wahrnimmt. Nach Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 18 gelten die Sätze 1 bis 17 auch …»für Mitglieder von anderen Gremien, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Peron oder Personenvereinigung dienen.«.
Weder der EuGH noch der BFH stellen darauf ab, ob das Gremium, dem das betreffende Mitglied angehört, Leitungsfunktion ausübt. Nach dem EuGH-Urteil vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617; s.o. unter dem Gliederungspunkt »Änderung der Rechtsprechung«) ist allein entscheidend, ob die betreffende Person eine wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 9 MwStSystRL selbstständig ausübt und ob sie sich bei der Ausübung dieser Tätigkeit in einem Unterordnungsverhältnis befindet.
Für die Beurteilung des Vorliegens dieses Unterordnungsverhältnisses ist zu prüfen, ob der Betroffene seine Tätigkeiten
im eigenen Namen,
auf eigene Rechnung und
in eigener Verantwortung ausübt und
ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt.
Mit Urteil vom 19.11.2019 (5 K 282/18, EFG 2020, 1012, LEXinform 5022952, rkr. durch Rücknahme der Revision V R 6/20) hat das Niedersächsische FG unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) die Tätigkeit des Vorsitzenden des Verwaltungsrats eines berufsständischen Versorgungswerks als nicht selbstständig eingestuft. Aufgabe des Verwaltungsrats ist es, das Versorgungswerk zu leiten.
Auch das FG Hamburg hat mit Urteil vom 8.9.2020 (6 K 131/18, EFG 2020, 1880, LEXinform 5023349, rkr.) unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576) und auf das BFH-Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) entschieden, dass ein Vorstandsmitglied einer öffentlich-rechtlich organisierten Berufskammer nicht selbstständig i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL für die Kammer tätig ist.
Abzustellen ist somit auf das Tätigwerden des einzelnen Gremienmitglieds und nicht – wie in Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 18 UStAE gefordert – darauf, wie das Gremium als Ganzes tätig wird (s.a. Kirchinger, UStB 2021, 290).
Maßgeblicher Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds ist der Ablauf des Geschäftsjahrs der Gesellschaft. Erhält ein Aufsichtsratsmitglied für die tatsächliche Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung Auslagenersatz und Sitzungsgeld, ist der maßgebliche Leistungszeitpunkt der Tag der Aufsichtsratssitzung (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 8 und 9 UStAE).
Die Regelungen der BMF-Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919) sowie vom 29.3.2022 (BStBl I 2022, 567) sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die bisher geltenden Regelungen in Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 7 und Abs. 3 Satz 1 UStAE auf Leistungen angewendet werden, die in einem Geschäftsjahr der Gesellschaft ausgeführt worden sind, das vor dem 1.1.2022 begonnen hat.
Es wird ebenfalls nicht beanstandet, wenn ein Beamter oder ein politischer Mandatsträger, der eine Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichts- oder Verwaltungsrats nicht lediglich aufgrund seiner gesellschaftlichen oder politischen Stellung, sondern aufgrund unmittelbarer Verknüpfung mit seinem Amt ausübt, trotz eines vorliegenden Vergütungsrisikos insoweit für Umsätze, die in einem Geschäftsjahr der Gesellschaft ausgeführt worden sind, das vor dem 1.1.2022 begonnen hat, als nicht selbstständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG tätig beurteilt wird.
Tipp:
Die Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds ist u.a. für den Vorsteuerabzug von Bedeutung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Abrechnung der Aufsichtsratsvergütungen oftmals per Gutschrift vorgenommen wird. Bei einer Gutschrift rechnet nicht der Leistende, sondern der Leistungsempfänger über die erhaltene Leistung ab (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG, Abschn. 14.3. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Beispiel 1:
Die Aktiengesellschaft erteilt dem Aufsichtsratsmitglied A eine Gutschrift i.H.v. 15 000 € zzgl. 19 % USt i.H.v. 2 850 € über die für das Kj. 22 fällige Aufsichtsratsvergütung. Nach dem BFH-Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) ist A nicht als Unternehmer tätig.
Fraglich ist, ob eine Gutschrift nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG einer Rechnung gleichsteht und eine Steuerschuld des Gutschriftsempfängers nach § 14c Abs. 2 UStG begründen kann.
Lösung 1:
Mit Urteil vom 16.3.2017 (V R 27/16, BFH/NV 2017, 1143, LEXinform 0950909) musste sich der BFH mit der Steuerentstehung aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises in einer Gutschrift nach § 14c Abs. 2 UStG auseinandersetzen. In der Revisionsentscheidung hat der BFH dazu Stellung genommen, ob fehlerhafte Angaben in einer Gutschrift eine Haftung für die in der Gutschrift ausgewiesene USt auslösen können, wenn die zutreffenden Angaben sich aus einem Vertrag ergeben, auf den in der Gutschrift Bezug genommen wird.
Der BFH führt aus, dass eine Rechnung oder Gutschrift, die zu einem unberechtigten Steuerausweis führt, gewisse Mindestangaben enthalten muss, u.a. zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer (→ Rechnung).
Verweist eine Gutschrift auf einen Vertrag, aus dem sich die Person des Leistenden ergibt, kann diese Bezugnahme der Annahme eines unberechtigten Steuerausweises wegen einer unzutreffenden Bezeichnung des Leistenden entgegenstehen, so der BFH in seiner Entscheidung. Im Entscheidungsfall war aber nicht eindeutig, ob die Gutschrift sich an einen Unternehmer oder eben an einen Nichtunternehmer richtete. Der BFH verwies den Fall an das FG zurück und wies auf Folgendes hin: Falls trotz der Bezugnahme auf den Vertrag die Gutschriften nicht so ausgelegt werden können, dass der Unternehmer in der Gutschrift als Leistender genannt war, muss sich das FG mit der Frage auseinandersetzen, ob eine an einen Nichtunternehmer erteilte Gutschrift überhaupt eine Steuerschuld aufgrund eines Steuerausweises begründen kann. Daran hat der BFH offensichtlich Zweifel, denn er verweist hierzu auf Stadie in Rau/Dürrwächter (UStG § 14c Anm. 101, 251 und 256 f.), der dies verneint.
Mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) hat sich der BFH erneut mit der Steuerentstehung aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises in einer Gutschrift nach § 14c Abs. 2 UStG auseinandergesetzt. Hier klärt der BFH nun eindeutig, dass keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG begründet werden kann, wenn eine Gutschrift entgegen § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist. Eine solche Gutschrift steht einer Rechnung nicht gleich und kann keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen (Leitsatz 2).
Damit eine Gutschrift nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG einer Rechnung gleichsteht und eine Steuerschuld des Gutschriftsempfängers nach § 14c Abs. 2 UStG begründen kann, muss sie über »eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden«. Dabei verweist § 14 Abs. 2 UStG auf den allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 UStG (BFH V R 23/19, Rz. 22 ff.).
Damit fehlt es bei dem Aufsichtsratsmitglied A an der danach erforderlichen Unternehmerstellung. Folglich entsteht bei A keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG und A wird nicht zum Steuerschuldner i.S.d. § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG, der Gutschriftsaussteller hat keinen Vorsteuerabzug, da die Gutschrift nicht einer ordnungsgemäßen Rechnung gleichsteht. Die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG liegen nicht vor, da die abgerechnete Leistung nicht von einem Unternehmer ausgeführt worden ist (s.a. BMF vom 19.8.2021, BStBl I 2021, 1087 unter 1.).
§ 2a UStG enthält eine Unternehmerfiktion. Wer im Inland ein neues Fahrzeug (→ Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen bzw. -erwerbe) liefert, das bei der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, wird gem. § 2a UStG, wenn er nicht Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist, für diese Lieferung wie ein Unternehmer behandelt.
Die Unternehmereigenschaft ist im Umsatzsteuerrecht an die Person des Unternehmers geknüpft. Sie endet daher mit seinem Tod. Die Unternehmereigenschaft kann nicht im Erbgang übergehen (vgl. BFH vom 19.11.1970, V R 14/67, BStBl II 1971, 121). Der Erbe wird nur dann zum Unternehmer, wenn in seiner Person die Voraussetzungen verwirklicht werden, an die das Umsatzsteuerrecht die Unternehmereigenschaft knüpft (Abschn. 2.6. Abs. 5 Satz 1 und 2 UStAE).
Die Eigenschaft des Unternehmensvermögens bleibt jedoch durch den Erbfall unberührt, es geht nicht zwangsläufig in das PV des Gesamtrechtsnachfolgers über. Mit Urteil vom 13.1.2010 (V R 24/07, BStBl II 2011, 241) hat der BFH entschieden, dass der Verkauf von WG, die der Erblasser für sein Unternehmen erworben hat, der USt unterliegt (Abschn. 2.6. Abs. 5 Satz 3 UStAE). Zur Umsatzbesteuerung bei Erbfällen s.a. OFD Karlsruhe vom 12.12.2013 (S 7104 – Karte 7, UR 2014, 240, LEXinform 5234962).
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Erbe eines Rechtsanwalts, der Gesellschafter einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Rechtsanwaltssozietät gewesen war, war eine Erbengemeinschaft geworden. Der Rechtsanwalt hatte einen Pkw zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung an die Sozietät mit Vorsteuerabzug erworben. Die Sozietät überließ den an sie vermieteten Pkw dem Rechtsanwalt wiederum zu dessen beruflicher und privater Nutzung. Nach dem Tod des Rechtsanwalts veräußerte die Erbengemeinschaft das Fahrzeug. Sie war der Auffassung, der Verkauf unterliege nicht der USt, weil sie selbst nicht Unternehmer i.S.d. UStG sei.
Der BFH entschied, dass der Erbe zwar nicht durch Rechtsnachfolge Unternehmer werde. Er trete aber als Rechtsnachfolger in die umsatzsteuerrechtlich noch nicht abgewickelten Rechtsverhältnisse des Erblassers ein. Deshalb unterliege der Verkauf von WG, die dem Unternehmen des Erblassers zugeordnet waren – ebenso wie beim Erblasser – der USt (→ Gesamtrechtsnachfolge sowie Weimann, UStB 2011, 129).
Zur Abgrenzung des unternehmerischen vom nichtunternehmerischen Bereichs der Forschungseinrichtungen hat das BMF mit Schreiben vom 27.1.2023 (BStBl I 2023, 314) Abschn. 2.10. UStAE um die Absätze 10 und 11 ergänzt.
Forschungseinrichtungen sind Einheiten, die Forschungsprojekte oder Forschungsprogramme durchführen. Abhängig von ihrer Organisation können Forschungseinrichtungen rechtlich selbstständige Unternehmer oder unselbstständiger Teil des unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereichs einer anderen rechtlich selbstständigen Einrichtung sein.
Zum unternehmerischen Bereich bei Forschungseinrichtungen gehören
die Eigenforschung,
die Auftragsforschung sowie
der weitere Technologietransfer,
soweit beabsichtigt ist, die Forschungsergebnisse nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu verwenden.
Auch die Grundlagenforschung ist dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen, wenn sie dazu dient, die unternehmerische Verkaufstätigkeit zu steigern und die Marktposition zu stärken (Abschn. 2.10. Abs. 10 Sätze 1 bis 4 UStAE). Etwas anderes gilt, wenn Grundlagenforschung in abgrenzbaren Teilbereichen ohne nachhaltige Einnahmeerzielungsabsicht ausgeübt wird; in diesen Fällen sind die betroffenen Teilbereiche dem nichtunternehmerischen Bereich des Unternehmers zuzuordnen.
Zur Zuordnung von Leistungen zum nichtunternehmerischen Bereich s. Abschn. 2.10. Abs. 10 Sätze 7 ff. UStAE und dort die Beispiele 1 bis 5.
Zur Abgrenzung der unternehmerischen von den nichtunternehmerischen Bereichen bei Forschungseinrichtungen kann aus Vereinfachungsgründen das in Abschn. 2.10. Abs. 11 Satz 2 UStAE dargestellte Berechnungsschema angewendet werden.
Zu den zivilrechtlichen Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU und des Ablaufs des Übergangszeitraums (sog. Brexit) auf Gesellschaften in der Rechtsform einer »private company limited by shares« (Limited) und der hinsichtlich der Bekanntgabe von Verwaltungsakten und des Vollstreckungsverfahrens zu ziehenden Folgerungen ist das BMF-Schreiben vom 30.12.2020 (BStBl I 2021, 46) ergangen.
Bis zum Ablauf dieses Übergangszeitraums, der am 31.12.2020 endete, unterliegt ein in Deutschland ansässiges Unternehmen (d.h. insbes. eine gewerbliche Gesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland) britischer Rechtsform dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit und ist somit in Deutschland als eine rechtsfähige Gesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen.
Nach dem Ablauf des Übergangszeitraums ist das Vereinigte Königreich wie jeder andere Drittstaat zu behandeln. Zu den rechtlichen Konsequenzen der zivil- und steuerrechtlichen Behandlung einer britischen Limited mit Ablauf des Übergangszeitraums am 31.12.2020 nimmt das BMF in seinem Schreiben vom 30.12.2020 (BStBl I 2021, 46) unter II. Stellung.
Für eine Limited mit Geschäftsleitung in Deutschland hat der Brexit zur Folge, dass sie – mangels Gründung der Gesellschaft nach deutschen Rechtsvorschriften – in Deutschland zivilrechtlich nicht mehr nach ihrem Gründungsstatut behandelt und deshalb nicht mehr als Limited anerkannt wird. Unerheblich für die zivilrechtliche Anerkennung ist, ob für die Limited eine Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister eingetragen ist (Tz. II.1 Abs. 6 des BMF-Schreibens vom 30.12.2020).
Die betreffende Gesellschaft wird dann zivilrechtlich – sofern mehrere Personen an ihr beteiligt sind – als eine der in Deutschland zur Verfügung stehenden Auffangrechtsformen behandelt, das heißt als OHG oder als GbR.
Ist nur eine Person an der Gesellschaft beteiligt, tritt zivilrechtlich der bisherige Alleingesellschafter als natürliche oder juristische Person an die Stelle der Limited. Betreibt die Limited ein Handelsgewerbe i.S.v. § 1 Abs. 2 HGB, ist diese Person Kaufmann i.S.d. Handelsgesetzbuchs (Abs. 7 und 8 des BMF-Schreibens vom 30.12.2020).
Das FinMin Schleswig-Holstein weist mit Erlass vom 10.3.2022 (VI 3510 – S 7104 – 167, UR 2022, 555, SIS 22 09 97) darauf hin, dass eine in Deutschland zivilrechtlich nicht rechtsfähige Limited Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sein kann (s.a. oben die Erläuterungen unter dem Gliederungspunkt »Bruchteilsgemeinschaften«).
Zum Unternehmen gehören sämtliche Betriebe oder berufliche Tätigkeiten desselben Unternehmers (Abschn. 2.7. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Danach können Zweigniederlassungen (vgl. § 13 HGB), Betriebsstätten (§ 12 AO; → Betriebsstätte) bzw. feste Niederlassungen (vgl. u.a. Art. 192a MwStSystRL) als solche nicht Unternehmer sein. Diese Gebilde sind stets unselbstständige Teile eines Unternehmens (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG; s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG, Rz. 88).
Beachte:
Bei einer Leistung an eine inländische feste Niederlassung eines in einem Drittstaat ansässigen Unternehmers gilt grundsätzlich der Sitz dieser Niederlassung als Leistungsort (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG, Art. 44 Satz 2 MwStSystRL; → Ort der sonstigen Leistung).
Der umsatzsteuerrechtliche Betriebsstättenbegriff wird in Abschn. 3a.1. Abs. 3 UStAE definiert. Betriebsstätte i.S.d. Umsatzsteuerrechts ist
jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage,
die der Tätigkeit des Unternehmers dient und
über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügt, der für die autonome Erbringung der Leistungen erforderlich ist.
Dazu
muss die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügen,
müssen von der Einrichtung aus Verträge abgeschlossen werden können,
muss die Rechnungslegung von dort erfolgen,
müssen die Aufzeichnungen dort erfolgen,
müssen die Entscheidungen dort getroffen werden, z.B. über den Wareneinkauf,
damit von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der jeweiligen Leistung möglich ist.
Zum Begriff der Betriebsstätte (nationales Recht) bzw. festen Niederlassung (Unionsrecht) im Umsatzsteuerrecht hat der BFH mit Urteil vom 29.4.2020 (XI R 3/18, BFH/NV 2020, 1204, LEXinform 0951949) ausführlich Stellung genommen.
Im Urteilsfall vom 29.4.2020 (XI R 3/18, BFH/NV 2020, 1204) erbrachte der Unternehmer Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige, nicht unternehmerisch tätige, Personen. Der Unternehmer konnte dabei auf eine Infrastruktur aus Personal und Büroräumen zurückgreifen, die von den jeweiligen Auftraggebern für Zwecke der Auftragsabwicklung zur Verfügung gestellt worden war (s. Jacobs, UR 2020, 701).
Nach Auffassung des FG (29.11.2017, 7 K 7228/15, EFG 2018, 500, LEXinform 5020788) erfordere die feste Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der Leistungen ermöglicht. Die bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit genügten nicht. Das bloße Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners reiche nicht aus, um die erforderliche Verfügungsmacht zu begründen. Dies gelte selbst dann, wenn die Tätigkeit zeitlich wiederholt oder sogar dauerhaft erbracht wird.
Zur Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte bzw. der festen Niederlassung verweist der BFH in seinem Urteil XI R 3/18 in Rz. 36 ff. auf die EuGH- (u.a. EuGH vom 16.10.2014, C-605/12, UR 2014, 937, LEXinform 0589417, Rz. 58) und auf die BFH-Rechtsprechung (u.a. BFH Beschluss vom 15.2.2017, XI R 21/15, BFH/NV 2017, 769, LEXinform 0950720).
Eine Definition der Betriebsstätte bzw. festen Niederlassung enthält Art. 11 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15.3.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (DVO (EU) Nr. 282/2011). Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO definiert dabei die feste Niederlassung, die in der Lage ist, für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung Dienstleistungen zu empfangen und auch dort zu verwenden (»passive« leistungsempfangende feste Niederlassung). Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO definiert die feste Niederlassung, die in der Lage ist, Dienstleistungen zu erbringen (»aktive« leistungsausführende feste Niederlassung).
Hinweis:
Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer »passiven« leistungsempfangenen festen Niederlassung i.S.d. Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO s. EuGH vom 7.4.2022 (C-333/20, UR 2022, 339 mit Anmerkung von Monfort, UR 2022, 344; s.u.).
Im Urteilsfall XI R 3/18 hat der BFH eine »aktive« leistungsausführende feste Niederlassung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 MwSt-DVO anerkannt, weil der Unternehmer umfassenden Zugriff auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistung ermöglicht.
Für das Vorliegen einer festen Niederlassung sind folgende Grundsätze zu beachten (BFH Beschluss vom 15.2.2017, XI R 21/15, BFH/NV 2017, 769, LEXinform 0950720, Rz. 20 ff. sowie vom 29.4.2020, XI R 3/18, BFH/NV 2020, 1204, LEXinform 0951949, Rz. 37):
Für die Annahme einer festen Niederlassung in einem Staat ist es nicht erforderlich, dass der Stpfl. dort über Personal verfügt, das bei ihm selbst angestellt ist, oder über Sachmittel, die sich in seinem Eigentum befinden. Es würde zu Missbrauch einladen, wenn ein Stpfl. allein dadurch die Besteuerung von Dienstleistungen von einem Mitgliedstaat in den anderen verlagern könnte, indem er seinen Personalbedarf über verschiedene Dienstleister deckte. Gleiches gilt für Sachmittel.
Auch wenn eine feste Niederlassung nicht zwingend eigenes Personal und eigene technische Ausstattung erfordert, muss dem Stpfl. jedoch – aufgrund des Erfordernisses eines hinreichenden Grads an Beständigkeit der Niederlassung – eine vergleichbare Verfügungsgewalt über das Personal und die Sachmittel zustehen.
Ein Stpfl. kann zwar nicht als solcher eine feste Niederlassung eines anderen Stpfl. darstellen; dies schließt aber nicht aus, dass ein Stpfl. engen und beständigen Zugriff auf die personelle und technische Ausstattung eines anderen Stpfl. hat, der auch gleichzeitig für die dadurch begründete feste Niederlassung in anderer Hinsicht ein Dienstleistungserbringer sein kann.
Im Urteilsfall XI R 3/18 war der Unternehmer nicht nur im Rahmen der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben frei, sondern er hatte auch umfassenden Zugriff auf die ihm zur Verfügung gestellten Räume (er hatte jederzeit Zutritt), ferner hatte er Einfluss auf Beschaffungsentscheidungen und die Auswahl von Personal, das seinen dienstlichen Weisungen zu folgen hatte. Diese »Einrichtung« verfügte erkennbar über einen ausreichenden Bestand an Personal- und Sachmitteln, der für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich war; sie wies einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur auf, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der vom Unternehmer geschuldeten Dienstleistungen ermöglichte (s.a. Abschn. 3a.1. Abs. 3 UStAE).
Dass die Personal- und Sachmittel dem Unternehmer von einem Dritten gerade nur für dieses Projekt und lediglich für dessen Dauer gestellt wurden, steht der Annahme einer festen Niederlassung des Unternehmers nicht entgegen.
Für die Annahme einer festen Niederlassung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen personellen Mittel und Betriebsmittel ständig vorhanden sind und diese Niederlassung damit einen gewissen Bestand hat. Darauf, dass sich der Einsatz des Unternehmers lediglich auf bestimmte Besteuerungszeiträume (hier: Dezember 2007 bis November 2010) erstreckte, kommt es nicht an.
Von diesen Grundsätzen geht offensichtlich auch die Finanzverwaltung aus, wenn nach dem in Abschn. 3a.1. Abs. 3 Satz 4 UStAE gebildeten Beispiel die erforderliche beständige Struktur (bereits) vorliegt, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügt, von hier aus Verträge abgeschlossen werden können, Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgen und Entscheidungen getroffen werden, z.B. über den Wareneinkauf.
Mit Urteil vom 7.4.2022 (C-333/20, UR 2022, 339) hat der EuGH zum Vorliegen einer »passiven« leistungsempfangenen festen Niederlassung i.S.d. Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO entschieden.
Sachverhalt und Problemstellung:
Eine AG in Deutschland vermarktete pharmazeutische Erzeugnisse durch rumänische Arzneimittelgroßhändler in Rumänien.
Die deutsche AG und die rumänische Gesellschaft R – Tochtergesellschaft der AG – schlossen einen Vertrag über Marketing, Regulierung, Werbung und Vertretungsdienstleistungen. R verpflichtete sich, die Erzeugnisse der deutschen Gesellschaft in Rumänien aktiv zu bewerben, u.a. durch Marketingaktivitäten.
Die AG hielt 95 % der Anteile der rumänischen R. Die AG war die einzige Kundin der Tochtergesellschaft R in Rumänien.
Die rumänische Gesellschaft R stellte der deutschen AG die betreffenden Dienstleistungen ohne Mehrwertsteuer in Rechnung, da sie davon ausging, dass der Ort dieser Dienstleistungen in Deutschland liege (§ 3a Abs. 2 UStG).
Die rumänische Finanzverwaltung verlagerte den Ort der der Dienstleistungen der R nach Rumänien, da die deutsche AG dort über eine feste Niederlassung verfügt habe.
Das rumänische Vorlagegericht möchte wissen, ob Art. 44 MwStSystRL und Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO dahin auszulegen sind, dass eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat deshalb über eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügt, weil diese Gesellschaft dort eine Tochtergesellschaft hat, die ihr personelle und technische Ausstattung gemäß Verträgen zur Verfügung stellt, nach deren Maßgabe sie ihr exklusiv Marketing-, Regulierungs-, Werbe- und Vertretungsdienstleistungen erbringt, die geeignet sind, unmittelbar das Volumen ihrer Verkäufe zu beeinflussen.
Problemlösung:
Der EuGH stellt in Rz. 30 seiner Entscheidung C-333/20 fest, dass es für die Prüfung der Frage, ob eine feste Niederlassung i.S.v. Art. 44 Satz 2 MwStSystRL (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG) vorliegt, nicht auf den stpfl. Dienstleistungserbringer, sondern auf den stpfl. Empfänger der Dienstleistung abzustellen ist.
Wie bereits oben erläutert, definiert Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO die feste Niederlassung, die in der Lage ist, für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung Dienstleistungen zu empfangen und auch dort zu verwerten (»passive« leistungsempfangende feste Niederlassung).
Für das Vorliegen einer »passiven« leistungsempfangenen festen Niederlassung sind nach Rz. 31 der Entscheidung C-333/20 zwei Kriterien zu prüfen:
Eine feste Niederlassung muss einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur aufweisen (Rz. 32 ff.).
Eine solche Niederlassung zeichnet sich durch eine Struktur aus, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die an sie erbracht werden, zu empfangen und diese für den eigenen Bedarf ihrer Tätigkeit zu verwenden (Rz. 49 ff.).
Zu 1: Aus der gefestigten Rspr. ergibt sich, dass der Begriff »feste Niederlassung« einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand verlangt (EuGH vom 28.6.2007, C-73/06, UR 2007, 654 Rz. 54 und die dort angeführte Rspr.).
Der EuGH stellt fest (Rz. 39), dass es zwar möglich ist, dass eine Tochtergesellschaft die feste Niederlassung ihrer Muttergesellschaft darstellt, eine solche Einstufung aber von den in der MwSt-DVO und insbes. in deren Art. 11 MwSt-DVO genannten materiellen Voraussetzungen abhängt, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten zu prüfen sind.
Das Vorliegen einer festen Niederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats kann daher nicht aus dem bloßen Umstand hergeleitet werden, dass diese Gesellschaft dort eine Tochtergesellschaft besitzt. Es kommt vielmehr entscheidend auf die Verfügungsbefugnis des Stpfl. über die personelle und technische – eigene oder fremde – Ausstattung an. Zwar ist es für die Annahme, dass ein Stpfl. in einem anderen Mitgliedstaat über eine Struktur verfügt, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweist und von der personellen und technischen Ausstattung her geeignet ist, nicht erforderlich, dass er über eine eigene personelle oder technische Ausstattung verfügt. Er muss jedoch befugt sein, über diese personelle und technische Ausstattung in derselben Weise zu verfügen, als wäre sie seine eigene, beispielsweise auf der Grundlage von Dienstleistungs- oder Mietverträgen, durch die ihm diese Ausstattung zur Verfügung gestellt wird und die nicht kurzfristig gekündigt werden können (Rz. 41).
Die deutsche Gesellschaft verfügte in Rumänien nicht über eine eigene personelle und technische Ausstattung, sondern diese personelle und technische Ausstattung gehörte der rumänischen Gesellschaft. Die deutsche Gesellschaft hatte jedoch einen ständigen und ununterbrochenen Zugang zu dieser Ausstattung, da der geschlossene Vertrag über Marketing-, Regulierungs-, Werbe- und Vertretungsdienstleistungen nicht kurzfristig gekündigt werden konnte. Auf der Grundlage dieses Vertrags stellte die rumänische Gesellschaft der deutschen Gesellschaft u.a. technische Ausstattung zur Verfügung (Computer, Betriebssysteme und Kraftfahrzeuge), jedoch vor allem Personal mit mehr als 200 Beschäftigten, darunter insbes. über 150 Verkaufsvertreter.
Zwischenergebnis:
Nach diesen Grundsätzen verfügt die deutsche Gesellschaft in Rumänien über eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweist.
Zu 2.: Als zweites Kriterium für die Feststellung des Vorliegens einer festen Niederlassung ist zu prüfen, wonach sich eine solche Niederlassung durch eine Struktur auszeichnet, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die an sie erbracht werden, zu empfangen und diese für den eigenen Bedarf ihrer Tätigkeit zu verwenden (Rz. 49).
Eine »passive« feste Niederlassung muss von der personellen und technischen Ausstattung in der Lage sein, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.
Wichtig:
Die personelle und technische Ausstattung, die der deutschen Gesellschaft von der rumänischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurde ist identisch mit derjenigen, mit deren Hilfe die rumänische Gesellschaft die Dienstleistungen für die deutsche Gesellschaft erbringt.
Dieselbe Ausstattung kann jedoch nicht gleichzeitig für die Erbringung und für den Empfang derselben Dienstleistungen verwendet werden (Rz. 54).
Ergebnis:
Die deutsche Gesellschaft verfügt in Rumänien nicht über eine feste Niederlassung, da sie in diesem Mitgliedstaat keine Struktur hat, die ihr erlaubt, dort von der rumänischen Gesellschaft erbrachte Dienstleistungen zu empfangen und diese für ihre wirtschaftliche Tätigkeit des Verkaufs und der Lieferung pharmazeutischer Erzeugnisse zu verwenden (s.a. Anmerkung vom 4.5.2022, LEXinform 0402270).
In einem weiteren Urteil vom 13.6.2024 (C-533/22 – Adient –, UR 2024, 532) nimmt der EuGH zu einem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen Stellung. Der Sachverhalt betrifft – wie im Entscheidungsfall C-333/20 – eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine Konzerngesellschaft verfügt.
Entscheidungssachverhalt C-533/20
Im Urteilsfall C 533/20 gehören Adient Deutschland und die SC Adient Automotive România SRL (im Folgenden: Adient Rumänien) beide zur Adient-Unternehmensgruppe, die auf die Herstellung und den Vertrieb von Sitzen und anderen Komponenten für Kraftfahrzeuge spezialisiert ist.
Adient Deutschland und Adient Rumänien schlossen einen Dienstleistungsvertrag, der sowohl Verarbeitungsdienstleistungen für Polsterkomponenten dieser Sitze als auch Hilfsdienstleistungen umfasste. Die Verarbeitungsdienstleistungen bestehen für Adient Rumänien darin, die von Adient Deutschland für die Herstellung von Autositzbezügen bereitgestellten Rohstoffe zuzuschneiden und zu nähen. Die von Adient Rumänien erbrachten Hilfsdienstleistungen bestehen u.a. in der Entgegennahme, Lagerung, Kontrolle und Verwaltung der Rohstoffe und in der Lagerung der Fertigprodukte. Adient Deutschland bleibt während des gesamten Herstellungsprozesses Eigentümerin der Rohstoffe, Halbfertigprodukte und Fertigprodukte. Für die von Adient Rumänien an sie erbrachten Dienstleistungen verwendete sie ihre deutsche MwSt-IdNr.
Adient Rumänien war der Ansicht, dass die Dienstleistungen, die sie aufgrund des mit Adient Deutschland geschlossenen Vertrags erbringe, an dem Ort erbracht worden seien, an dem diese Gesellschaft, die Empfängerin dieser Leistungen, ansässig sei, und stellte Rechnungen ohne MwSt aus, da diese Leistungen ihrer Ansicht nach in Deutschland zu besteuern waren.
Die rumänische Steuerverwaltung war der Auffassung, dass die Empfängerin der von Adient Rumänien erbrachten Dienstleistungen eine in Rumänien gelegene feste Niederlassung von Adient Deutschland sei. Sie schloss daraus, dass Adient Rumänien verpflichtet sei, MwSt auf diese Leistungen zu erheben, und erließ gegen diese Gesellschaft einen Steuerbescheid.
Außerdem war die Steuerverwaltung der Ansicht, Adient Deutschland könne, da sie über eine feste Niederlassung in Rumänien verfüge, nicht über die ihr von den deutschen Behörden zugeteilte MwSt-IdNr. identifiziert werden und sei verpflichtet, sich als in Rumänien ansässiger Stpfl. zu registrieren.
Entscheidungsgründe
Nach Rz. 54 des EuGH-Urteils C-533/20 sind Art. 44 MwStSystRL und Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO dahin auszulegen, dass bei einem mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat (Deutschland) hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat (Rumänien) ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes dieser Dienstleistungen nicht davon auszugehen ist, dass es in diesem letztgenannten Mitgliedstaat (Rumänien) allein deshalb über eine feste Niederlassung verfügt, weil die beiden Unternehmen derselben Unternehmensgruppe angehören oder zwischen ihnen ein Dienstleistungsvertrag besteht.
Der EuGH verweist auf sein Urteil C-333/20 (s.o.), indem er feststellt, dass für die Prüfung der Frage, ob eine feste Niederlassung i.S.v. Art. 44 MwStSystRL vorliegt, auf den stpfl. Empfänger der in Rede stehenden Dienstleistung abzustellen ist (s. EuGH C-533/20, Rz. 56).
Wie bereits in seinem Urteil C-333/20 gelangt der EuGH auch in seiner Entscheidung C-533/20 zu dem Ergebnis, dass die Art. 44 MwStSystRL sowie die Art. 11 MwSt-DVO dahin auszulegen sind, dass ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Dienstleistungen empfängt, keine feste Niederlassung in diesem letztgenannten Mitgliedstaat hat, wenn sich die personelle und technische Ausstattung, über die es in diesem Mitgliedstaat verfügt, nicht von derjenigen unterscheidet, mit der die Dienstleistungen an das erstgenannte Unternehmen erbracht werden, oder wenn diese personelle und technische Ausstattung nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sicherstellt (s.a. Prätzler, UStB 2024, 272).
Beachte:
Nach dem EuGH-Urteil vom 3.6.2021 (C-931/19, LEXinform 4232229; Anmerkung vom 25.3.2021, LEXinform 0402254) stellt eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung i.S.d. Art. 44 und 45 MwStSystRL dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungserbringung mit der Vermietung verfügt.
Im Urteilsfall vermietete eine Gesellschaft (G) mit Sitz und Geschäftsleitung in Jersey eine ihr gehörende Immobilie in Österreich umsatzsteuerpflichtig an zwei in Österreich ansässige Unternehmer.
Für die Zwecke dieser Umsätze, bei denen es sich um ihre einzigen in Österreich handelte, beauftragte G ein österreichisches Hausverwaltungsunternehmen, das Dienstleister und Lieferanten vermitteln, die Mieten und Betriebskosten abrechnen, die Geschäftsaufzeichnungen führen und die Umsatzsteuer-Meldedaten vorbereiten sollte. Diese Leistungen wurden von dem beauftragten Unternehmen in anderen Räumlichkeiten als denjenigen der G gehörenden Immobilie erbracht.
G behielt jedoch die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung von Mietverhältnissen sowie über deren wirtschaftliche und rechtliche Konditionen, über die Durchführung von Investitionen und Reparaturmaßnahmen sowie deren Finanzierung, über die Auswahl von Dritten zur Erbringung anderer Vorleistungen und schließlich die Auswahl, Beauftragung und Überwachung der Hausverwaltung selbst.
Während G der Ansicht war, dass sie für ihre Vermietungstätigkeit im Zusammenhang mit der Immobilie in Ermangelung einer festen Niederlassung in Österreich keine USt schulde, war das FA der Auffassung, dass eine vermietete Immobilie eine solche feste Niederlassung darstelle, und setzte daher USt zu Lasten von G fest.
In Rz. 45 seiner Entscheidung C-931/19 gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass eine Immobilie, bei der keinerlei personelle Ausstattung vorhanden ist, die zu autonomem Handeln befähigt, nicht die von der Rspr. aufgestellten Kriterien für die Einstufung als feste Niederlassung erfüllt.
Als Folge der Entscheidung wird die auf die Vermietung entfallende USt durch den jeweiligen Leistungsempfänger geschuldet (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Hinweis:
Fraglich ist, ob die in Abschn. 13b.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE enthaltene Verwaltungsregelung nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 3.6.2021 (C-931/19, LEXinform 4232229) noch anwendbar ist. Danach wären Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und stpfl. vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln.
Zur Ausstellung von Unternehmerbescheinigungen hat die OFD Frankfurt am 29.3.2021 (S 7340 A– 94 – St 112, UR 2021, 452) eine Vfg. herausgegeben.
Umsatzsteuerlich geführte Firmen beantragen häufig bei dem für sie zuständigen FA die Ausstellung einer Bescheinigung, die – sei es formlos, sei es in Form einer sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung, sei es als »Nachweis der Eintragung als Stpfl. (Unternehmer)« – bestätigen soll, dass sie Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sind.
Die Unternehmerbescheinigung wird von den Firmen gegenüber ihren »Vertragspartnern« als Nachweis dafür verwendet, dass es sich bei ihnen nicht um ein Schein- oder Strohmannunternehmen handelt, aus deren Rechnungen ein Vorsteuerabzug nicht zulässig wäre (→ Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis).
Die Ausstellung solcher Unternehmerbescheinigungen erweist sich insbes. in Fällen als problematisch, in denen der Rechnungsaussteller die berechnete Leistung – wie es bei »Subunternehmern« in der Baubranche (soweit § 13b UStG keine Anwendung findet) oder bei in Karussellgeschäften eingebundenen Firmen vorkommt – tatsächlich nicht selbst erbringt oder nur zum Schein bewirkt hat. Die Unternehmerbescheinigung soll in diesen Fällen der Verschleierung von Umsatzsteuerbetrügereien dienen.
Nach ständiger Rspr. des BFH trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast für das Vorhandensein der den Anspruch begründenden Tatsachen, also auch für die Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers. Steht fest, dass der Rechnungsaussteller kein Unternehmer ist, entfällt grds. der Vorsteuerabzug. Einen Schutz des guten Glaubens daran, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind, sieht das UStG nicht vor (vgl. BFH vom 8.7.2009, XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256).
Zu den Aufgaben der FÄ gehört es nicht, im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung von Unternehmer- oder Unbedenklichkeitsbescheinigungen etwa die Zuverlässigkeit von steuerlich geführten Personen oder ihre tatsächliche Unternehmereigenschaft zu prüfen. Die Ausstellung von Unternehmerbescheinigungen nach dem Muster USt 1 TN ist daher abzulehnen, soweit diese nicht
zur Vorlage bei zentralen Erstattungsbehörden im Vorsteuer-Vergütungsverfahren in Drittstaaten dienen oder
für Zwecke der umsatzsteuerlichen Registrierung im Ausland benötigt werden.
Mit BMF-Schreiben vom 14.5.2010 (BStBl I 2010, 517) wird der neue Vordruck USt 1 TN veröffentlicht. Mit Schreiben vom 18.11.2022 (BStBl I 2022, 1592) hat das BMF das Vordruckmuster USt 1 TN neu bekannt gegeben.
Unternehmern werden auf Antrag die steuerliche Erfassung und die Unternehmereigenschaft nur in nachfolgenden Fällen bescheinigt:
bei der Neuaufnahme zur Vorlage beim BZSt zur beschleunigten Zuteilung einer USt-IdNr.,
zur Vorlage bei zentralen Erstattungsstellen im Vorsteuer-Vergütungsverfahren in Drittstaaten (Vordruck USt 1 TN),
für Zwecke der umsatzsteuerlichen Registrierung im Ausland (Vordruck USt 1 TN),
zur Vorlage beim Auftraggeber einer Leistung zum Nachweis der Ansässigkeit im Inland gem. § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG (Vordruck USt 1 TS),
zur Vorlage beim Betreiber eines elektronischen Marktplatzes nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG (Antrag auf Erteilung eines Bescheinigung Vordruck USt 1 TJ; Bescheinigung Vordruck USt TI; BMF vom 17.12.2018, BStBl I 2018, 1432 zum Vordruckmuster USt 1 TJ und zur Bescheinigung USt 1 TI sowie BMF vom 28.1.2019, BStBl I 2019, 106, Rz. 4 ff.; → Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel).
Beachte:
Durch Art. 14 Nr. 12, 16, 17 und 22 Buchst. a des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wurden die §§ 18e, 22f, 25e und 27 Abs. 25 UStG geändert. Die Änderungen treten gem. Art. 50 Abs. 6 des o.g. Gesetzes am 1.7.2021 in Kraft.
Mit Schreiben vom 20.4.2021 (BStBl I 2021, 705) nimmt das BMF zur Umsatzsteuerhaftung beim Handel mit Waren im Internet ab 1.7.2021 Stellung. Gleichzeitig wird mit Wirkung vom 1.7.2021 Abschn. 22f.1. bis 22f.3. UStAE neu eingefügt.
Das BMF-Schreiben vom 17.12.2018 zum Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften; Vordruckmuster USt 1 TJ – Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG – und Vordruckmuster USt 1 TI – Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG – BStBl I 2018, 1432 – sowie das BMF-Schreiben vom 28.1.2019 zur Haftung für Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet (§§ 22f, 25e und 27 Abs. 25 UStG) – BStBl I 2019, 106 – und das BMF-Schreiben vom 7.10.2019 zur Haftung für die Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet (§§ 22f, 25e und 27 Abs. 25 UStG); Vordruckmuster USt 1 TM – Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung über die Erfassung als Stpfl. (Unternehmer) i.S.v. § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG – BStBl I 2019, 1005 – treten mit Wirkung zum 1.7.2021 außer Kraft.
Die nach § 22f Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung erteilte Bescheinigung als Nachweis über die steuerliche Erfassung des liefernden Unternehmers wird für Lieferungen, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden, als Nachweis über die steuerliche Erfassung nicht mehr anerkannt. Bis zum 15.8.2021 wird es jedoch nicht beanstandet, wenn der Betreiber anstelle der dem Unternehmer nach § 27a UStG erteilten USt-IdNr. die diesem nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung erteilte Bescheinigung über die Erfassung als Stpfl. (Unternehmer) vorhält (Abschn. 22f.1. Abs. 2 Satz 4 und 5 UStAE).
Die Ausstellung anderer umsatzsteuerlicher Bescheinigungen ist abzulehnen (s.a. LfSt Bayern 8.4.2019, S 0270.1.1 – 4/18 SIS 19 03 75; OFD Karlsruhe vom 5.4.2011, S 7340/5, UR 2011, 878; OFD Niedersachsen vom 22.6.2017, S 7340 – 209 – St 183, UR 2017, 944).
Mit Schreiben vom 24.8.2021 (BStBl I 2021, 1527) hat das BMF zur umsatzsteuerlichen Erfassung von im Ausland ansässigen Unternehmern ab dem Besteuerungszeitraum 2021 neue Vordruckmuster eingeführt.
Mit Schreiben vom 6.12.2023 (BStBl I 2023, 2089) hat das BMF die Vordruckmuster neu bekanntgegeben.
Hinweis:
Mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 5.3.2024 (LEXinform 7013871) hat das BMF das Merkblatt zur Besteuerung von Umsätzen bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen mit Kraftomnibussen, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind, neu bekannt gegeben.
Für die Registrierung ausländischer Unternehmer, die grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen durchführen, stehen die folgenden Vordrucke zur Verfügung (s.a. Abschn. 18.17. Abs. 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 5.3.2024, LEXinform 7013870):
FsEAusUN |
Fragebogen zur umsatzsteuerlichen Erfassung von im Ausland ansässigen Unternehmern |
FsEEBlPersb |
Einlageblatt zum Fragebogen zur umsatzsteuerlichen Erfassung von im Ausland ansässigen Unternehmern (Personenbeförderungen) |
Die Vordrucke können Sie auch auf der Internetseite https://www.formulare-bfinv.de/ffw online unter der Formular ID 034800 und 034804 herunterladen (BMF vom 5.3.2024, LEXinform 7013871, Rz. 11).
Die bisher in Abschn. 18.17. Abs. 3 und 4 UStAE a.F. aufgeführten Vordruckmuster USt 1 TU und USt 1 TV treten mit Wirkung zum 1.4.2024 außer Kraft. Mit BMF-Schreiben vom 5.3.2024 (LEXinform 7013870) werden die Abschn. 16.2., 18.8. und 18.17. UStAE geändert.
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Die Unternehmereigenschaft beginnt mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden unter folgenden Voraussetzungen:
die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen muss ernsthaft beabsichtigt sein (Verwendungsabsicht) und
die Ernsthaftigkeit dieser Absicht muss durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden (Abschn. 2.6. Abs. 1 UStAE).
Die Unternehmereigenschaft entfällt nicht rückwirkend, wenn es später nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen kommt – es sei denn, es handelt sich um Betrug oder Missbrauch –. Vorsteuerbeträge können dann nicht zurückgefordert werden (Abschn. 2.6. Abs. 1 UStAE).
Abb.: Nachweis der Ernsthaftigkeit des Beginns der unternehmerischen Tätigkeit
Eine unternehmerische Tätigkeit kann schon beginnen, wer nach der Aufforderung eines späteren Auftraggebers ein Angebot für eine Lieferung oder eine sonstige Leistung gegen Entgelt abgibt (BFH vom 18.11.1999, V R 22/99, BStBl II 2000, 241).
Vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben tätigt. Für geleistete Anzahlung ist für den Vorsteuerabzug auf seine Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung abzustellen (BFH vom 17.5.2001, V R 38/00, BStBl II 2003, 434; Abschn. 15.12. Abs. 1 bis 3 und 5 UStAE).
Mit Urteil vom 22.3.2012 (C-153/11, LEXinform 0589340, s. Anmerkung Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München vom 22.3.2012, LEXinform 0401812) hat der EuGH entschieden, dass Art. 168 Buchst. a MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass ein Stpfl., der als solcher ein Investitionsgut erworben und es dem Unternehmensvermögen zugeordnet hat, berechtigt ist, die auf den Erwerb dieses Gegenstands entrichtete Mehrwertsteuer in dem Steuerzeitraum abzuziehen, in dem der Steueranspruch entstanden ist, auch wenn der Gegenstand nicht sofort für unternehmerische Zwecke verwendet wird. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob der Stpfl. das Investitionsgut für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat, und ggf. zu prüfen, ob eine betrügerische Praxis vorliegt.
Personenvereinigungen und PersGes sind Unternehmer, wenn sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG erfüllen. Das gilt auch dann, wenn eine Gesellschaft oder Gemeinschaft nachhaltig, zur Erzielung von Einnahmen nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Zur Selbstständigkeit s. Abschn. 2.2. Abs. 5 UStAE. Die Beteiligung an einer PersGes begründet für sich allein nicht die Unternehmereigenschaft des Gesellschafters (Abschn. 2.3. Abs. 2 UStAE).
Soweit der Gesellschafter daneben eine weitergehende Geschäftstätigkeit ausübt, die für sich die Unternehmereigenschaft begründet, ist diese vom nichtunternehmerischen Bereich zu trennen. Unternehmer, die neben ihrer unternehmerischen Betätigung auch Beteiligungen an anderen Gesellschaften halten, können diese Beteiligungen grundsätzlich nicht dem Unternehmen zuordnen. Bei diesen Unternehmern ist deshalb eine Trennung des unternehmerischen Bereichs vom nichtunternehmerischen Bereich geboten. Dieser Grundsatz gilt für alle Unternehmer gleich welcher Rechtsform (Abschn. 2.3. Abs. 2 UStAE, → Unternehmensvermögen).
Von der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit sind die nichtunternehmerischen Tätigkeiten zu unterscheiden. Diese Tätigkeiten umfassen die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne und die unternehmensfremden Tätigkeiten (Abschn. 2.3. Abs. 1a UStAE). Zu den nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne gehören u.a. das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen (Abschn. 2.3. Abs. 1a Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Die PersGes erbringt bei der Aufnahme eines Gesellschafters – u.a. bei der Gründung – an diesen keinen steuerbaren Umsatz (Abschn. 1.6. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Zum Beginn der Unternehmereigenschaft (Einnahmeerzielungsabsicht) einer KapGes s. OFD Frankfurt vom 31.10.2007 (S 7104 A – St 11, LEXinform 5231253).
Hinsichtlich der Begründung der Unternehmereigenschaft bei KapGes ist nicht auf den zivilrechtlichen Entstehungszeitpunkt der Gesellschaft, sondern allein auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 UStG abzustellen. Hierbei ist i.d.R. zu unterscheiden zwischen
der Vorgründungsgesellschaft,
der Vorgesellschaft und
der eingetragenen KapGes.
Die Vorgründungsgesellschaft besteht bis zum Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages. Als PersGes der Gründer (in Form einer GbR oder OHG) ist sie ein eigenständiges Rechtssubjekt und somit nicht mit der Vorgesellschaft bzw. der eingetragenen KapGes identisch. Rechte und Verbindlichkeiten müssen daher einzeln auf die KapGes übertragen werden.
Bei der Beurteilung der Unternehmereigenschaft einer Vorgründungsgesellschaft sind folgende Fälle zu unterscheiden:
Die Vorgründungsgesellschaft erbringt selbst nachhaltige Leistungen:
Führt die Vorgründungsgesellschaft selbst nachhaltige Leistungen gegen Entgelt aus (z.B. weil die unternehmerische Tätigkeit bereits in diesem Gründungsstadium aufgenommen wird oder weil ein bestehendes Unternehmen eines Gründers von der Vorgründungsgesellschaft übernommen und fortgeführt wird), ist die Unternehmereigenschaft der Vorgründungsgesellschaft zu bejahen. Dies hat zur Folge, dass sie unter den weiteren Voraussetzungen des § 15Abs. 1 UStG hinsichtlich der von ihr bezogenen Leistungen vorsteuerabzugsberechtigt ist.
Die Vorgründungsgesellschaft führt selbst keine Leistungen aus:
Zum Leistungsbezug und zum Vorsteuerabzug einer Vorgründungsgesellschaft sowie zur Anwendung des BFH-Urteils vom 11.11.2015 (V R 8/15, BStBl II 2022, 288, s.u.) hat das BMF mit Schreiben vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 650) Stellung genommen. Dabei werden in Abschn. 15.2b. Abs. 3 UStAE die bisherigen Sätze 8 und 9 gestrichen. Dafür wird nach Abs. 3 ein neuer Abs. 4 mit der Zwischenüberschrift »Leistungsbezug durch Vorgründungsgesellschaft oder Gesellschafter« angefügt.
Führt eine PersGes nur Vorbereitungshandlungen für die noch zu gründende KapGes aus und überträgt sie nach deren Gründung die bezogenen Leistungen in einem Akt entgeltlich auf die KapGes, so wird die PersGes nach dem Urteil des BFH vom 15.7.2004 (VR 84/99, BStBl II 2005, 155) und dem EuGH-Urteil vom 29.4.2004 (C-137/02, UR 2004, 362) unternehmerisch tätig. Obwohl die PersGes nur ein einziges Geschäft ohne Wiederholungsabsicht ausführt, ist von einer nachhaltigen unternehmerischen Betätigung auszugehen, da in diesem Fall für die Beurteilung der Nachhaltigkeit die von der KapGes beabsichtigten Umsätze maßgebend sind. Der PersGes steht daher der Vorsteuerabzug für die bezogenen Leistungen zu (s. Abschn. 15.2b. Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 12.4.2022, BStBl I 2022, 650).
Der BFH hat in seinem Urteil vom 11.11.2015 (V R 8/15, BStBl II 2022, 288) entschieden, dass der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.
Im Streitfall ging es um einen ArbN (Kläger), der über eine von ihm zu gründende GmbH eine unternehmerische Tätigkeit aufnehmen wollte. Die GmbH sollte die Betriebsmittel einer anderen Firma im Rahmen eines Unternehmenskaufs erwerben. Der Kläger wurde hierfür durch eine Unternehmensberatung für Existenzgründer und einen Rechtsanwalt beraten. GmbH-Gründung und Unternehmenskauf unterblieben. Der Kläger ging gleichwohl davon aus, dass er zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt sei.
Nach der BFH-Entscheidung wäre der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, wenn er beabsichtigt hätte, das Unternehmen selbst zu kaufen, um es als Einzelunternehmer zu betreiben. Dies gilt auch für den Fall einer erfolglosen Unternehmensgründung. Als Gesellschafter einer – noch zu gründenden – GmbH bestand für den Kläger kein Recht auf Vorsteuerabzug. Zwar kann auch ein Gesellschafter den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, wenn er Vermögensgegenstände erwirbt, um diese auf die GmbH zu übertragen (Investitionsumsatz). Daher kommt ein Vorsteuerabzug z.B. dann in Betracht, wenn er ein Grundstück erwirbt und dann in die GmbH einlegt. Demgegenüber waren die im Streitfall vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen nicht übertragungsfähig (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 25/2016 vom 16.3.2016, LEXinform 0444219).
Mit BMF-Schreiben vom 12.4.2022 (LEXinform 7013126) erläutert das BMF, was unter dem Begriff »Investitionsumsatz« zu verstehen ist (Abschn. 15.2b. Abs. 4 Satz 4 ff. UStAE).
Unter den Begriff »Investitionsumsatz« fallen dabei Vermögenswerte (bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen), die die Vorgründungsgesellschaft bzw. der Gesellschafter tatsächlich an die Gesellschaft überträgt und die von dieser für ihre wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden. Der vom BFH verwendete erläuternde Klammerzusatz »Investitionsgüter« ist dabei nicht einschränkend so zu verstehen, dass er nur WG umfasst, sondern kann auch sonstige Leistungen umfassen, sofern diese die Voraussetzungen für einen Investitionsumsatz erfüllen.
Die Vorgründungsgesellschaft bzw. der Gesellschafter ist durch den Investitionsumsatz in Bezug auf diesen ausnahmsweise und unter den übrigen Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dafür genügt es, dass die Eigenschaft der Vorgründungsgesellschaft bzw. des Gesellschafters als Unternehmer aus diesem Investitionsumsatz resultiert. Gleiches gilt, wenn der Investitionsumsatz zwar beabsichtigt ist, aber nur deshalb nicht tatsächlich erfolgt, weil eine geplante Gesellschaftsgründung scheitert. Auch in diesem Fall kann dem erfolglosen Gesellschafter bzw. der Vorgründungsgesellschaft der Vorsteuerabzug aus einem Investitionsumsatz zustehen.
Von einem Investitionsumsatz abzugrenzen sind bezogene Leistungen, die generell nicht an die Gesellschaft übertragen werden können (so der Sachverhalt im BFH-Urteil V R 8/15, s.o.), sondern z.B. durch den Gesellschafter selbst genutzt oder verbraucht werden, oder die zwar von der Gesellschaft genutzt, aber nicht tatsächlich an sie übertragen werden (vgl. BFH vom 26.8.2014, XI R 26/10, BStBl II 2021, 881, zum Erwerb eines Mandantenstammes durch den Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR).
Als Vorgesellschaft bezeichnet man die gegründete, aber noch nicht eingetragene KapGes. Die Vorgesellschaft besteht also in dem Zeitraum zwischen Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages und der Eintragung in das Handelsregister.
Nach der ständigen Rspr. des BFH ist diese Vorgesellschaft nach den gleichen steuerlichen Grundsätzen zu behandeln wie die nachfolgend eingetragene KapGes (Übernahme der im Zivilrecht entwickelten Identitätstheorie in das Steuerrecht). Somit kann auch die Unternehmereigenschaft der Vorgesellschaft mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages i.d.R. unterstellt werden.
Die an diese Gesellschaft erbrachten Leistungen werden so behandelt, als seien sie an die eingetragene KapGes bewirkt worden, mit der Folge, dass ihr auch der Vorsteuerabzug aus diesen Leistungen – soweit auch die übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind – zusteht (→ Vorsteuerabzug).
Sollte es ausnahmsweise nicht zur Eintragung und somit nicht zur Entstehung der endgültigen KapGes kommen, so sind die Vorgründungsgesellschaft und die Gründungsgesellschaft (Vorgesellschaft) als einheitliches Rechtssubjekt anzusehen.
Zur Zurechnung der Umsätze sowie zum Vorsteuerabzug bei der Umwandlung eines Einzelunternehmens oder einer PersGes durch Übertragung des Geschäftsvermögens auf eine GmbH nimmt die OFD Frankfurt mit Vfg. vom 17.12.2015 (S 7104 A – 52 – St 110, DStR 2016, 539, LEXinform 5235889) Stellung.
Die Umwandlung eines Einzelunternehmens oder einer PersGes durch Übertragung des Geschäftsvermögens auf eine GmbH wird zivilrechtlich erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam, da die GmbH erst mit der Eintragung entsteht (§§ 10, 11 GmbH-Gesetz).
Ertragsteuerlich ist es zulässig, den Vorgang der Umwandlung einer PersGes in eine GmbH rückwirkend (i.d.R. bis zu 8 Monate vor der Anmeldung zur Eintragung) zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 6 UmwStG).
Bei der Frage der Zurechnung der laufenden Umsätze ist aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht darauf abzustellen, wer bei der Ausführung der Umsätze der leistende Unternehmer war. Die Beurteilung der Unternehmereigenschaft steht somit nicht zur rechtsgeschäftlichen Disposition, sondern richtet sich ausschließlich danach, ob die Tatbestandsmerkmale des § 2 UStG erfüllt sind. Die ertragsteuerlich zulässige Möglichkeit der rückwirkenden Berücksichtigung der Umwandlung ist umsatzsteuerlich nicht statthaft. Grundsätzlich werden die Umsätze bis zur Eintragung von dem bisherigen Unternehmen ausgeführt.
Bis zur Eintragung in das Handelsregister werden die Leistungen daher i.d.R. noch von der PersGes bzw. dem Einzelunternehmen erbracht, da die GmbH rechtlich noch nicht existent ist. Dem übernehmenden Unternehmen (= GmbH) sind folglich die Umsätze erst von dem Zeitpunkt an zuzurechnen, zu dem es seine Tätigkeit aufgenommen und selbst Umsätze ausgeführt hat. Entsprechendes gilt auch für den Vorsteuerabzug.
Beteiligt sich das übernehmende Unternehmen jedoch schon vor der Eintragung – also vor dem zivilrechtlichen Entstehungszeitpunkt – als GmbH am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und erfüllt somit die Tatbestände des § 2 Abs. 1 UStG, kann nicht auf den zivilrechtlichen Entstehungszeitpunkt abgestellt werden, sondern muss – soweit die GmbH tatsächlich auch zur Eintragung gelangt – auf den Zeitpunkt abgestellt werden, ab dem das Unternehmen faktisch nach außen als GmbH in Erscheinung tritt.
Die Unternehmereigenschaft des übertragenden Unternehmens endet mit dem letzten Tätigwerden, d.h. zu dem Zeitpunkt, zu dem sämtliche mit dem Unternehmen verbundenen Rechtspositionen auf die GmbH übertragen werden.
Nach dem BFH-Urteil vom 23.9.2009 (II R 66/07, BStBl II 2010, 712) haben natürliche Personen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke ohne Bindungswirkung der Erteilung für die spätere Festsetzung von USt oder für USt-Vorauszahlungen. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i.S.d. § 2 UStG auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; ein solcher Anspruch ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG. Der Leistungsempfänger seinerseits kann das Recht auf Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nur ausüben, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Enthält die Rechnung weder eine dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer noch dessen USt-IdNr., kann der Vorsteuerabzug nicht ausgeübt werden (s.a. Abschn. 14.5. Abs. 5 UStAE).
Die Steuernummer dient danach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Stpfl. und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung nicht vorgeschrieben ist. Der Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht demgemäß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber (BFH Beschluss vom 17.7.2019, V B 28/19, BFH/NV 2019, 1141, LEXinform 5908875, Rz. 19).
Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke besteht bereits dann, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Da, wie dargelegt, die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke regelmäßig Voraussetzung für ein solches Tätigwerden ist, kann sie nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine entsprechende Tätigkeit bereits aufgenommen wurde. Lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen kann die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgelehnt werden. Der Missbrauch muss sich dabei auf die Umsatzsteuer beziehen und kann insbes. in dem offenkundig verfolgten Ziel bestehen, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Lieferungen oder Leistungen zu Unrecht in Anspruch nehmen zu können. Ausländerrechtliche oder arbeitsmarktpolitische Fragen können bereits wegen der insoweit fehlenden Zuständigkeit der Finanzämter nicht berücksichtigt werden.
Die Versagung einer derartigen Steuernummer zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen ist nur verhältnismäßig, wenn sie auf ernsthaften Anzeichen beruht, nach denen objektiv davon auszugehen ist, dass es wahrscheinlich ist, dass die dem Stpfl. zugeteilte Steuernummer in betrügerischer Weise verwendet werden wird. Für die Versagung der Steuernummer reicht es daher nicht aus, dass der Unternehmer in der Vergangenheit steuerlich unzuverlässig gewesen ist (BFH Beschluss vom 17.7.2019, V B 28/19, BFH/NV 2019, 1141, LEXinform 5908875; s.a. Anmerkung vom 11.9.2019, LEXinform 0881793).
Das BMF hat sich mit Schreiben vom 1.7.2010 (BStBl I 2010, 625) zur Anwendung des BFH-Urteils vom 23.9.2009 (II R 66/07, BStBl II 2010, 712) geäußert (Abschn. 14.5. Abs. 5 Satz 9 UStAE). Danach werden Anträge auf umsatzsteuerliche Erfassung auf Schlüssigkeit und Ernsthaftigkeit überprüft. Bestehen Zweifel an der Existenz des Unternehmens, sind weitere Maßnahme, wie z.B. die Vorlage weiterer Unterlagen, die Durchführung einer unangekündigten Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG, erforderlich. Allein eine Erklärung des Antragstellers, ein selbstständiges, gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, ist nicht ausreichend. Das FA hat auch unter Beachtung des BFH-Urteils Anträge auf umsatzsteuerliche Erfassung zeitnah und umfassend zu prüfen. Zu den Missbrauchsfällen, in denen die Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke abzulehnen ist, zählt der BFH insbes. die Fälle mit dem offenkundig verfolgten Ziel, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Leistungen zu Unrecht in Anspruch zu nehmen. Allerdings ist der Missbrauch nicht auf diese Fälle beschränkt.
Mit Urteil vom 26.1.2012 (14 K 2242/11, LEXinform 5013323, rkr.) hat das FG München entschieden, dass es im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung einer Steuernummer nicht Aufgabe des FA ist zu überprüfen, ob es sich bei dieser Tätigkeit tatsächlich um eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. UStG handelt, zumal der Stpfl. bereits Einnahmen aus der Tätigkeit erzielt.
Auch das Sächsische FG hat mit Urteil vom 13.8.2014 (8 K 650/14, LEXinform 5016976, rkr.) entschieden, dass der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke bereits dann besteht, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen (hier: Erbringung von Trockenbauleistungen). Lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen (z.B. zur Erlangung des Vorsteuerabzugs für privat bezogene Leistungen) kann die Erteilung der Steuernummer abgelehnt werden.
Bei einem erfolglosen Unternehmer handelt es sich um einen Stpfl. mit einem Unternehmen im Gründungsstadium. Dieser begehrt zunächst den → Vorsteuerabzug für die Gegenstände und Dienstleistungen, die er für sein Unternehmen verwenden will. Hinterher stellt sich heraus, dass es sich um Fehlmaßnahmen handelte und es zu keinem Ausgangsumsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr.1 UStG kommt.
Mit Beschluss vom 27.8.1998 (V R 18/97, BFH/NV 1999, 428, LEXinform 0550014, UR 1999, 26) hat der BFH dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Nach der Rspr. des EuGH (EuGH vom 29.2.1996, C-110/94, INZO, UR 1996, 116) können selbst die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Art. 4 der 6. RLEWG (nunmehr Art. 9 der MwStSystRL) angesehen werden. Die Steuerbehörde hat die in diesem Zusammenhang erklärte Absicht des Unternehmers zu berücksichtigen. Die danach zuerkannte Eigenschaft als Stpfl. kann grundsätzlich nicht wegen Eintritts oder Nichteintritts bestimmter Ereignisse nachträglich aberkannt werden (Grundsatz der Rechtssicherheit). Das gilt auch für den Vorsteuerabzug aus den Investitionsmaßnahmen.
Ist nach diesen Grundsätzen das Recht auf Vorsteuerabzug (Art. 17 der 6. RLEWG) (nunmehr Art. 167 der MwStSystRL) aus sog. Gründungsinvestitionen auch dann aufgrund der Absicht, zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen, zuzusprechen, wenn der Finanzbehörde bereits bei der erstmaligen Steuerfestsetzung bekannt ist, dass die beabsichtigte, zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich nicht aufgenommen wurde?
Mit Urteil vom 8.6.2000 (C-400/98, BStBl II 2003, 452) hat der EuGH die Fragen des BFH wie folgt beantwortet: Die Art. 9 und 167 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer, die für Umsätze entrichtet worden ist, die im Hinblick auf die Ausübung geplanter wirtschaftlicher Tätigkeiten getätigt wurden, selbst dann fortbesteht, wenn der Steuerverwaltung bereits bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer bekannt ist, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit, die zu steuerbaren Umsätzen führen sollte, nicht ausgeübt werden wird. Als Stpfl. und somit als Unternehmer gilt, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt. Da er als Unternehmer handelt, hat er das Recht auf sofortigen Abzug der für Investitionsausgaben, die für die Zwecke seiner beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigt wurden, geschuldeten oder entrichteten USt und braucht die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens nicht abzuwarten. Die Folge aus diesem Urteil ist, dass bereits die Vorbereitungshandlungen als »erstmalige Verwendung« i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG anzuerkennen sind. Im Falle von Baumaßnahmen kann daher eine andere tatsächliche Gebäudeverwendung als während der Investitionsphase geplant (z.B. eine steuerfreie Vermietung anstelle einer Eigennutzung für die stpfl. Unternehmertätigkeit) nicht zu einer rückwirkenden (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) Versagung des während der Bau- und Investitionsphase in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs, sondern zu einer zeitanteiligen Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG führen (→ Vorsteuerberichtigung). Die rückwirkende Aberkennung des Vorsteuerabzugs in Betrugs- oder Missbrauchsfällen wird vom EuGH ausdrücklich zugelassen. Zur möglichen Schadensersatzpflicht des Landes wegen rechtswidriger Versagung der Anerkennung der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmereigenschaft in der Aufbauphase des Unternehmens s. BGH vom 12.5.2011 (III ZR 59/10, LEXinform 5211219).
In Abschn. 2.6. UStAE bringt die Finanzverwaltung zum Ausdruck, dass die Absicht grundsätzlich für das Vorliegen der Unternehmereigenschaft genügt, wobei jedoch in den Absätzen 2 bis 4 unterschiedliche Fallgruppen genannt werden. Je nach Fallgruppe sollen unterschiedliche Kriterien bei der Einordnung helfen, ob die Vorbereitungshandlungen tatsächlich einer unternehmerischen Nutzung zuzurechnen sind (s.o.).
Zum Umfang des Vorsteuerabzugs beim Leistungsbezug nimmt der BFH mit Urteil vom 22.2.2001 (V R 77/96, BStBl II 2003, 426) Stellung. Danach bestimmt die tatsächliche oder bei Leistungsbezug beabsichtigte Verwendung des Gegenstandes oder der sonstigen Leistung zur Ausführung besteuerter Umsätze den Umfang des Vorsteuerabzugs und ist Grundlage für eine Vorsteuerberichtigung in so genannten Folgejahren.
Nach dem BFH-Urteil vom 22.3.2001 (V R 46/00, BStBl II 2003, 433) reicht es für den Vorsteuerabzug aus, dass der Unternehmer die Absicht hat, auf die Steuerbefreiung zu verzichten. Dies gilt auch für Leistungsbezüge, die – durch Fehlmaßnahmen – in keine Ausgangsumsätze eingehen.
Nach dem BFH-Urteil vom 22.3.2001 (V R 39/00, BFH/NV 2001, 1153, LEXinform 0591548, UR 2001, 361) ist der Vorsteuerabzug auch dann zu gewähren, wenn der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorhat, die im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs beabsichtigten Verwendungsumsätze gem. § 24 Abs. 4 UStG der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Ob es zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt, ist für den Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs regelmäßig unbeachtlich.
Vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben tätigt. Für geleistete Anzahlung ist für den Vorsteuerabzug auf seine Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung abzustellen (BFH vom 17.5.2001, V R 38/00, BStBl II 2003, 434). Ist eine Grundstücksvermietung beabsichtigt, kommt es darauf an, ob der Unternehmer das Grundstück steuerfrei vermieten oder auf die Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung verzichten will. Im erstgenannten Fall ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, im letztgenannten Falle nicht (vgl. Auffassung der Verwaltung in Abschn. 9.1. Abs. 5 UStAE).
Zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei einem teilweise erfolglosen Betrieb einer zu stpfl. und steuerbefreiten Umsätzen genutzten Cafeteria in einem Altenheim hat der EuGH mit Urteil vom 9.7.2020 (C-374/19, LEXinform 0651674) nach einem Vorabentscheidungsbeschluss des BFH vom 27.3.2019 (V R 61/17, DStR 2019, 984, LEXinform 5022089) entschieden, dass der zum Teil erfolglose Unternehmer zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs (im Urteilsfall zu 90 %) verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten der Cafeteria eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze ebendort getätigt und die Cafeteria somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat (s.a. → Vorsteuerberichtigung sowie Anmerkung vom 9.7.2020, Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, LEXinform 0402233).
Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setzt voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinn erbracht werden (Abschn. 2.3. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nachhaltig ausgeübt, wenn sie auf Dauer zur Erzielung von Entgelten angelegt ist (Abschn. 2.3. Abs. 5 UStAE, s.o. zu erfolglosem Unternehmer).
Zur wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Art. 9 MwStSystRL im Allgemeinen sowie zur wirtschaftlichen Tätigkeit einer politischen Partei im Besonderen hat der EuGH mit Urteil vom 6.10.2009 (C-267/08 – SPÖ Landesorganisation Kärnten, UR 2009, 760, LEXinform 0589193) entschieden, dass Art. 9 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass Tätigkeiten der Außenwerbung der Unterorganisation einer politischen Partei eines Mitgliedstaats nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sind. Nach Art. 9 MwStSystRL gilt als Stpfl., wer eine der in Abs. 1 Unterabs. 2 dieses Artikels genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbstständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Der Begriff »wirtschaftliche Tätigkeiten« wird dahin definiert, dass davon alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden und auch Leistungen erfasst sind, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen. Dazu ist zu beachten, dass Art. 9 MwStSystRL der Mehrwertsteuer zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweist, aber doch ausschließlich Tätigkeiten mit wirtschaftlichem Charakter betrifft.
Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setzt voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinn ausgeführt werden. Betätigungen, die sich nur als Leistungen im Rechtssinn, nicht aber zugleich auch als Leistungen im wirtschaftlichen Sinne darstellen, werden von der USt nicht erfasst (Abschn. 2.3. Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE).
Beachte:
Nach dem BFH-Urteil vom 29.9.2022 (V R 29/20, BStBl II 2023, 986) kann der Erwerb eines Pkw zur langfristigen Überlassung an den freiberuflich tätigen Ehegatten eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit begründen. Durch die Vorschaltung z.B. eines Angehörigen wird diesem der Vorsteuerabzug ermöglicht, den der Leistungsempfänger nicht hätte, da er die Leistung zur Erbringung steuerfreier Umsätze verwenden würde.
Im Urteilsfall hatte die finanziell unabhängige Ehefrau einen Pkw erworben und diesen mittels Leasingvertrags entgeltlich ihrem Ehemann zu angemessenen Konditionen zur Nutzung seiner beruflichen Tätigkeit als selbstständiger Arzt überlassen. Die gesamte unternehmerische Tätigkeit der Ehefrau beschränkte sich auf die Pkw-Überlassung. In geringem Umfang nutzte die Ehefrau das Fahrzeug auch selbst für Privatfahrten.
Wichtig ist, so der BFH in Rz. 46 seines Urteils V R 29/20, dass der vorgeschaltete Ehegatte die Vermieterstellung aus eigener finanzieller Kraft wahrnehmen kann. Danach liegt bei einem finanziell unabhängigen Vermieter-Ehegatten selbst dann kein Rechtsmissbrauch vor, wenn dessen Vorschaltung den Vorsteuerabzug erst ermöglicht, weil der Ehegatte als Nichtunternehmer oder als Unternehmer mit steuerbefreiten Umsätzen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Im Übrigen handelte es sich nicht um die Vermietung eines Gegenstands, der dem unmittelbaren Familienbedarf diente (s.a. Ulbrich, UR 2023, 217).
Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist dabei i.d.R. derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (BFH vom 30.9.1999, V R 8/99, BFH/NV 2000, 353, LEXinform 0590005). Schuldner der USt aus einem → Leistungsaustausch ist derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist (BFH Beschluss vom 17.10.2003, V B 111/02, BFH/NV 2004, 235, LEXinform 0594409). Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (s.a. FG München vom 17.2.2016, 3 K 2395/13, EFG 2016, 934, rkr.).
Allein die durch eine Vollmacht eines Unternehmers legitimierte Entgegennahme von Zahlungen durch eine andere Person reicht nicht dazu aus, diese Person als leistenden Unternehmer anzusehen.
Zur Zurechnung von Prostitutionsumsätzen hat der BFH mit Urteil vom 27.9.2018 (V R 9/17, BFH/NV 2019, 127, LEXinform 0951332) entschieden, dass für die Zurechnung von in einem Bordell oder FKK-Club erbrachten Prostitutionsumsätzen die allgemeinen Grundsätze gelten, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Leistung dem unmittelbar Handelnden oder dem Unternehmer, in dessen Unternehmen er eingegliedert ist, zuzurechnen ist. Entscheidend ist, ob der Unternehmer nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und deren Unterbringung das Bordell betreibt. Dabei kann maßgebend sein, ob der Unternehmer z.B. in seiner Werbung als Inhaber eines Bordells oder eines bordellähnlichen Betriebs als Erbringer sämtlicher vom Kunden erwarteten Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr aufgetreten ist. S. BGH vom 5.5.2022 (1 StR 475/21, UStB 2023, 13, LEXinform 4249552) unter dem Gliederungspunkt »Unternehmerbegriff« und dort unter »Grundsätzliches«. Im Urteilsfall waren die Prostituierten als Unternehmerinnen und danach als Umsatzsteuerschuldnerinnen zu behandeln und nicht die Bordellbetreiber (s.a. Vogt, UR 2022, 790).
Mit rechtskräftigem Urteil vom 8.11.2000 hat das FG Hessen (6 K 4774/96, EFG 2001, 599) zum hobbymäßig betriebenen Weinhandel entschieden, dass ein jahrelang mit Verlusten betriebener Weinhandel nur dann die Unternehmereigenschaft begründet, wenn er sich deutlich von einer Selbstversorgung und einer Versorgung des privaten Bekannten- und Freundeskreises abhebt.
Nach dem rechtskräftigen Urteil des Hessischen FG vom 16.2.2016 (1 K 2513/12, EFG 2016, 937, LEXinform 5019065) lösen Betrugs- und Untreuehandlungen unter Vortäuschung fiktiver Geschäfte keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen aus (s.a. Anmerkung vom 31.5.2016, LEXinform 0947841 sowie Pressemitteilung Hessisches FG vom 9.5.2016, LEXinform 0444436).
Von der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit sind die nichtunternehmerischen Tätigkeiten zu unterscheiden. Diese Tätigkeiten umfassen die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne und die unternehmensfremden Tätigkeiten (Abschn. 2.3. Abs. 1a UStAE). S. dazu die Erläuterungen unter → Vorsteuerabzug und → Unternehmensvermögen.
Zur Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln hat der BGH in mehreren Urteilen Stellung bezogen. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend (BGH Beschluss vom 24.2.2005, III ZB 36/04, DB 2005, 1375, LEXinform 1534949; BGH vom 15.11.2007, III ZR 295/06, DStR 2008, 2512, LEXinform 5210745; aber auch EuGH Urteile vom 9.11.2016, C-149/15, LEXinform 5214771, Rz. 32 und vom 3.9.2015, C-110/14, LEXinform 5213621, insbes. Rz. 21). Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, insbes. das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss an. In bestimmten Fällen kann es allerdings auch ausreichen, dass dem Käufer vor oder bei Vertragsschluss der Eindruck vermittelt wird, er erwerbe die Kaufsache von einem Unternehmer (EuGH vom 9.11.2016, C-149/15, Rz. 34–45).
Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden können. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt ein selbstständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist (BGH vom 27.9.2017, VIII ZR 271/16, BB 2017, 2625, LEXinform 1664614 zum Gebrauchtwagenverkauf).
Nach dem BGH-Urteil vom 18.10.2017 (VIII ZR 32/16, LEXinform 5215620) ist die Veräußerung eines vom Verkäufer privat genutzten Pferdes regelmäßig nicht als Unternehmergeschäft zu qualifizieren. Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus dem Umstand, dass die selbstständige berufliche Tätigkeit des Veräußerers als Reitlehrer und Pferdeausbilder dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist. Der Verkauf des Dressurpferdes erfolgte nicht »in Ausübung« dieser Tätigkeit.
Eine Vermutung dafür, dass alle vorgenommenen Rechtsgeschäfte eines Unternehmers »im Zweifel« seinem geschäftlichen Bereich zuzuordnen sind, besteht nicht.
Ein Handeln »in Ausübung« der gewerblichen oder der selbstständigen beruflichen Tätigkeit setzt voraus, dass es gerade in einem hinreichend engen Zusammenhang mit eben dieser erfolgt. Ein solcher (tätigkeitsspezifischer) Zusammenhang besteht zwischen einer Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdetrainer auf der einen Seite und dem Verkauf eines Dressurpferdes auf der anderen jedoch nicht ohne Weiteres, sondern ist allenfalls äußerlicher Natur (s.a. BGH Pressemitteilung Nr. 161/2017 vom 18.10.2017, LEXinform 0447262).
Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 7.7.2020 (S 7100 A – 266 – St 110, UR 2021, 369, SIS 21 07 80) nimmt Stellung zu umsatzsteuerlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Handel von »Ökopunkten«. Werden Erlöse aus dem Ökopunkte-Handel von steuerbegünstigten Körperschaften erzielt, so wird damit ein stpfl. wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb begründet (Vfg OFD Frankfurt vom 6.8.2019 (S 0184 A – 20 – St 53, DStR 2019, 2542, SIS 19 18 20; → Leistungsaustausch). In dem Fall, in dem eine gemeinnützige Einrichtungen Ökopunkte verkauft und die Erlöse dem ideellen Bereich zuordnen kann, sind die Umsätze dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG; OFD Frankfurt vom 7.7.2020, S 7100 A – 266 – St 110, UR 2021, 369, SIS 21 07 80, Tz. 2.1 letzter Absatz).
Das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ist keine unternehmerische Tätigkeit (Abschn. 2.3. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Wer sich an einer Personen- oder KapGes beteiligt, übt zwar eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus. Gleichwohl ist er im Regelfall nicht Unternehmer i.S.d. UStG, weil Dividenden und andere Gewinnbeteiligungen aus Gesellschaftsverhältnissen nicht als umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen sind.
Steuerpflichtiger A |
Steuerpflichtiger B |
Steuerpflichtiger C |
|
ist ausschließlich an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt |
ist einer Gesellschaft beteiligt und |
übt daneben eine weitergehende Geschäftstätigkeit aus. |
ist ausschließlich an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt. |
Begründung der Unternehmereigenschaft |
Die Beteiligung wurde i.S. eines gewerblichen Wertpapierhandels gewerbsmäßig erworben und veräußert oder |
||
Privatbereich z.B. auch eine Finanzholding |
Nichtunternehmerischer Bereich |
Unternehmerischer Bereich |
die Beteiligung wurde im Zusammenhang mit einem unternehmerischen Grundgeschäft erworben, gehalten und veräußert. Die Beteiligung erfolgt auch zum Zweck des unmittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht. |
Der Stpfl. ist kein Unternehmer. |
Die Beteiligung kann grundsätzlich nicht dem Unternehmen zugeordnet werden. |
Der Stpfl. wird als Unternehmer tätig. Er muss die Beteiligung seinem Unternehmen zuordnen (Abschn. 15.2b. Abs. 3 i.V.m. Abschn. 2.3. Abs. 4 UStAE). Die Veräußerung erfolgt im Rahmen des Unternehmens und ist grundsätzlich nach § 4 Nr. 8 Buchst. e oder f UStG steuerfrei. Zur Unternehmereigenschaft einer Holding s. → Vorsteuerabzug unter dem Gliederungspunkt »Vorsteuerabzug beim Halten von Beteiligungen«. |
Abb.: Erwerb, Halten und Veräußern von Beteiligungen
Beachte:
Mit BMF-Schreiben vom 7.2.2023 (BStBl I 2023, 322) werden in Abschn. 2.3. Abs. 4 UStAE die Sätze 5 bis 7 neu eingefügt.
Danach sind Finanzinvestoren, die (sanierungsreife) Gesellschaften erwerben, um sie nach erfolgter Sanierung gewinnbringend zu veräußern, insoweit Unternehmer. Der Erwerb und das Halten der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung sind unabdingbare Voraussetzungen für die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung wird daher im unternehmerischen Bereich des Finanzinvestors gehalten.
Zum Vorsteuerabzug aus Aufwendungen, die mit der Ausgabe von gesellschaftsrechtlichen Anteilen gegen Bareinlage oder gegen Sacheinlage zusammenhängen, s. das BMF-Schreiben vom 4.10.2006 (BStBl I 2006, 614; → Mitunternehmerschaft).
Zur Unternehmereigenschaft eines Stpfl., der als Kommanditist einer GmbH & Co. KG an einem Solarpark beteiligt ist und der Gesellschaft Strom überlässt, hat das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 9.10.2014 (6 K 1704/12, EFG 2015, 86, LEXinform 5017088, rkr.) entschieden, dass der Stpfl. im Urteilsfall nicht als Unternehmer gehandelt hat.
Die Gesellschaft wurde für die Dauer des Betriebs der Solaranlage gegründet. Zweck der Gesellschaft ist unter anderem, die Infrastruktur für den Betrieb des Solarparks in betriebsbereitem Zustand zu halten und ein Erlöspooling zwischen den Kommanditisten zu gewährleisten. Der bestehende Einspeisevertrag lautet auf die GmbH & Co. KG. Der Stpfl. verfügte über keinen eigenen Zähler. Der tatsächlich vom Stpfl. an die Gesellschaft gelieferte Strom war infolgedessen nicht messbar.
Das FG Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil die Auffassung des FA bestätigt, wonach der Stpfl. keine unternehmerische Tätigkeit ausübt und damit nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Photovoltaikanlage und den damit zusammenhängenden Kosten berechtigt ist. Der Stpfl. hat nach Auffassung des Gerichts mit seiner Stromlieferung an die Gesellschaft vielmehr einen Gesellschafterbeitrag erbracht.
Mit Beschluss vom 11.6.2015 (V B 140/14, BFH/NV 2015, 1442, LEXinform 5908147) hat der BFH die Beschwerde des Stpfl. als unbegründet zurückgewiesen (s.a. Erlass der FinBeh. Hamburg vom 21.8.2015, S 7104 – 2012/005 – 51, UR 2016, 410, LEXinform 5236018).
Das LfSt Niedersachsen nimmt mit Vfg. vom 24.8.2023 (S 7100 – St 171, 2257/2023, UR 2023, 854) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Erzeugerorganisationen und Betriebsfonds im Rahmen der gemeinsamen Markorganisation für Obst und Gemüse Stellung (s.a. → Land- und Forstwirtschaft).
Eine Erzeugerorganisation im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse ist eine Vermarktungsgesellschaft in der Rechtsform einer Genossenschaft oder GmbH. Sie erwirbt die gesamte Obst- und Gemüseproduktion der in ihr zusammengeschlossenen Erzeuger (Mitglieder) gegen Entgelt und veräußert diese Ware entgeltlich an Dritte. Sie ist damit Unternehmerin. Einen ideellen Bereich, in dem die Erzeugerorganisation für die allgemeinen Belange ihrer Mitglieder tätig wird, gibt es regelmäßig nicht.
Eine anerkannte Erzeugerorganisation (Art. 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1182/07 des Rates vom 26.9.2007 und Art. 125a und 125b der Verordnung (EG) Nr. 1234/07 des Rates vom 22.10.2007) kann Betriebsfonds einrichten (Art. 8 und 103a der vorgenannten Verordnungen). Ein Betriebsfonds wird mit finanziellen Mitteln gespeist, die im Rahmen eines genehmigten operationellen Programms zu verwenden sind (s.a. BFH vom 22.1.2020, XI R 26/19, BStBl II 2020, 421, Rz. 20).
In den Betriebsfonds fließen die finanziellen Beiträge der Mitglieder und die finanziellen Beihilfen der EG. Die finanziellen Beiträge der Mitglieder bemessen sich nach den tatsächlich vermarkteten Obst- und Gemüsemengen oder dem Wert dieser Mengen. Der Entwurf eines operationellen Programms muss Ausführungen zur Berechnungsweise und Höhe der finanziellen Beiträge der Mitglieder enthalten. Die Beihilfe der EG bemisst sich nach den tatsächlichen finanziellen Beiträgen der Mitglieder.
Jeder Betriebsfonds ist Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Er wird für Zwecke der USt als selbstständige Einrichtung angesehen, ist selbst jedoch kein Unternehmer. Denn der Betriebsfonds finanziert lediglich das operationelle Programm oder legt vorübergehend noch nicht benötigte Geldmittel an. Diese Geldverwaltungstätigkeiten sind keine Leistungen im wirtschaftlichen Sinn. Soweit der Betriebsfonds finanzielle Beiträge der Mitglieder und Beihilfen der EG vereinnahmt, liegen deshalb mangels Leistungsaustausch nicht steuerbare echte Zuschüsse vor.
Verwaltet die Erzeugerorganisation den Betriebsfonds und erhält sie dafür von dem Betriebsfonds einen Kostenersatz, erbringt sie eine steuerbare und stpfl. Leistung an den Betriebsfonds. Dem Betriebsfonds steht aus dieser Leistung mangels Unternehmereigenschaft kein Vorsteuerabzug zu.
Hinweis:
Hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung von sog. Marktgebühren, die eine Erzeugerorganisation beim Ankauf von Lebensmitteln von ihren Mitgliedern für die Vermarktung der Lebensmittel erhebt, wird auf das BMF-Schreiben v. 20.6.2023 (BStBl I 2023, 1123) i.V.m. Abschn. 1.1. Abs. 26 UStAE hingewiesen.
Mit dem Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private – Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz – FStrPrivFinG – vom 30.8.1994 (BGBl I 1994, 2243) hat der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen für Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung von öffentlichen Straßen durch Dritte (Konzessionäre) geschaffen und für die Nutzung der nach diesen Vorschriften errichteten Verkehrsprojekte bzw. Streckenabschnitte das Recht zur Erhebung von Maut eingeführt. Daneben soll mittels der nach dem Gesetz über die Erhebung streckenbezogener Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen – Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge – ABMG – vom 5.4.2002 (BGBl I 2002, 1234) die Verkehrsinfrastruktur verbessert werden. Hierzu können für den Bau und die Unterhaltung öffentlicher Straßen Private eingesetzt werden.
Durch die Ausdehnung der Maut auf Bundesstraßen hat sich das ABMG überholt und wurde mit den zur Bemautung von Bundesstraßen ergänzten Regelungen und zusammen mit der Mauthöheverordnung (MautHV) im Rahmen des Gesetzes über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen – Bundesfernstraßenmautgesetz – BFStrMG – vom 12.7.2011 (BGBl I 2011, 1378) konstitutiv neu gefasst.
Hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Verkehrsprojekte ist zwischen den Verkehrsprojekten, die von Privaten im Rahmen des FStrPrivFinG errichtet und betrieben werden (»F-Modelle«) und den Autobahnstreckenabschnitten, die von Privaten zunächst errichtet und auch im verkehrsrechtlichen Sinne betrieben werden, bei denen jedoch der Bund Betreiber im steuerrechtlichen Sinne bleibt (»A-Modelle«), zu unterscheiden.
Mit Schreiben vom 30.3.2022 (BStBl I 2022, 568) hat sich das BMF zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Verkehrsprojekten durch Public-Private-Partnerships (PPP) im Bundesfernstraßenbau geäußert. In dem Schreiben werden folgende Themen behandelt und ist wie folgt gegliedert:
F-Modelle nach dem FStrPrivFinG;
Errichtung und Erhalt von Streckenabschnitten – A-Modelle.
Nach dem A-Modell für den mehrspurigen Autobahnausbau in der Variante Mischmodell ist vorgesehen, dass ein Privater (»Konzessionsnehmer«) den Bau bzw. den Ausbau eines Autobahnstreckenabschnitts (»Konzessionsstrecke«) sowie dessen Erhalt für die Dauer eines Vertragszeitraums von 30 Jahren übernimmt und als Gegenleistung neben einer im Einzelfall vereinbarten sog. Anschubfinanzierung einen Teilbetrag der auf diesem Streckenabschnitt vom Streckenbetreiber/Bund (»Konzessionsgeber«) erhobenen Maut erhält. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht ist dabei zwischen dem Bau bzw. Ausbau des Streckenabschnitts und dem anschließenden Erhalt der Strecke zu unterscheiden.
Das Recht zum Betreiben des Streckenabschnitts verbleibt beim Bund.
Der Bau bzw. Ausbau des Streckenabschnitts stellt umsatzsteuerrechtlich eine → Werklieferung dar. Diese wird nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG im Inland ausgeführt und ist damit steuerbar und mangels Steuerbefreiung auch stpfl.
Mit der Bauabnahme bei Fertigstellung und Übergabe des Streckenabschnitts wird die Verfügungsmacht darüber auf den Bund übertragen (→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden). Denn dieser ist von Beginn an bürgerlich-rechtlicher Eigentümer gewesen und kann von diesem Zeitpunkt an auch wirtschaftlich über den Abschnitt verfügen.
Mauterhebung nach dem BFStrMG.
Die Maut ist an das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) zu entrichten, das einem Privaten die Errichtung und den Betrieb eines Systems zur Erhebung der Maut übertragen kann (§ 4 BFStrMG).
Die Erhebung von Maut auf den Streckenabschnitten ist dem Bund eigentümlich, da die Aufgabe dem BAG gesetzlich zugewiesen ist. Nach dem BFStrMG ist die Erhebung der Maut dem Bund vorbehalten, da einem Privaten nur die Errichtung und der Betrieb des Mauterhebungssystems übertragen werden kann. Mit der Erhebung der Maut wird der Private hingegen nur beauftragt. Mautgläubiger ist nach § 2 Abs. 2 BFStrMG der Bund.
Die Maut wird durch den Bund auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erhoben. Der Bund gewährt gegen Zahlung einer Maut Zugang zu einer Straße, die nicht als im Wettbewerb zu der Erhebung von Mautgebühren durch Private im Rahmen des FStrPrivFinG (vgl. 1.) stehend anzusehen ist. Eine Behandlung des Bundes als Nichtunternehmer für die Gewährung des Zugangs zu einer Straße gegen Zahlung einer Maut nach dem BFStrMG führt somit nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S.d. § 2b UStG, sodass die Leistung nicht der USt unterliegt.
Bei Beauftragung eines Privaten mit der Errichtung und dem Betrieb des Mauterhebungssystems durch das BAG handelt dieser für eigene, unternehmerische Zwecke. Er erbringt mit der Mauterhebung für den Betreiber des Streckenabschnitts im steuerrechtlichen Sinne (Bund) diesem gegenüber steuerbare und dem allgemeinen Steuersatz unterliegende sonstige Leistungen und kann daher Vorsteuern aus der Errichtung und dem Betrieb des Mauterhebungssystems unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UstG abziehen. Leistungsbeziehungen zwischen dem Privaten und den Nutzern des Streckenabschnitts (Mautschuldner nach § 2 BFStrMG) bestehen insoweit nicht.
Änderung des UStAE.
Nach § 1 FStrPrivFinG können Private die Aufgabe des Neu- und Ausbaus von Bundesfernstraßen auf der Grundlage einer Mautgebührenfinanzierung wahrnehmen. Hierzu können Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen einem Privaten übertragen werden; hoheitliche Befugnisse gehen dabei nicht auf den Privaten über. Zur Finanzierung derartiger Verkehrsprojekte sind die jeweiligen Landesregierungen und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr jedoch ermächtigt, diesen Privaten durch Rechtsverordnung mit dem Recht zur Erhebung einer Mautgebühr zu beleihen; das Aufkommen daraus steht dem Privaten (Konzessionär) selbst zu. Er unterliegt allerdings der Aufsicht der obersten Landesstraßenbaubehörde bzw. einer dieser nachgeordneten Behörde, die auch Trägerin der Straßenbaulast bleibt.
Die für die Durchführung des Konzessionsvertrages erforderlichen Grundstücke werden dem Konzessionär von der öffentlichen Hand (i.d.R.) unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Der Konzessionär errichtet darauf auf eigene Kosten das entsprechende Verkehrsbauwerk zur Nutzung für sein Unternehmen, ohne für diese Nutzung eine Miete oder Pacht zu bezahlen. Da das Verkehrsbauwerk nach Ablauf des 30-jährigen Konzessionszeitraums aufgrund der vereinbarten Erhaltungspflicht nicht wirtschaftlich verbraucht ist und dem Konzessionsgeber ab diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen wird, dient es nicht nur vorübergehenden Zwecken (vgl. § 95 BGB). Der Konzessionsgeber erlangt zwar sofort das zivilrechtliche Eigentum an dem Bauwerk (vgl. §§ 946, 94 BGB), dennoch behält der Konzessionär für die Dauer der Überlassung die Verfügungsmacht darüber.
Die Verfügungsmacht geht erst mit Ablauf des Konzessionszeitraums auf den Konzessionsgeber über (vgl. BMF vom 23.7.1986 BStBl I 1986, 432; → Gebäude auf fremdem Grund und Boden). Mit der Errichtung, dem Unterhalt, dem Betrieb und der Finanzierung der Konzessionsstrecke wird der Konzessionär zu eigenen unternehmerischen Zwecken tätig. Diese bestehen ausschließlich darin, der Öffentlichkeit die Nutzung des Verkehrsbauwerks gegen Entgelt zu ermöglichen.
Die von den Straßennutzern zu entrichtende Mautgebühr ist Gegenleistung dafür und unterliegt damit der USt. Die Steuer entsteht insoweit mit der Erbringung der Leistung. Eine Leistung an den Konzessionsgeber (öffentliche Hand) liegt insoweit nicht vor.
Mit der Übertragung des Straßenbauwerks nach Ablauf des Konzessionszeitraums erbringt der Konzessionär gegenüber der öffentlichen Hand eine Lieferung. Diese wird nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG im Inland ausgeführt und ist damit steuerbar. Die Steuerpflicht dieser Übertragung ist davon abhängig, ob eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG in Betracht kommt. Im Falle der unentgeltlichen Übertragung ergibt sich die Steuerbarkeit aus § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG; auf Abschn. 4.9.1. UStAE wird hingewiesen.
Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nachhaltig ausgeübt, wenn sie auf Dauer zur Erzielung von Entgelten angelegt ist (Abschn. 2.3. Abs. 5 UStAE). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. Die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale müssen gegeneinander abgewogen werden. Als Kriterien für die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit kommen insbes. in Betracht (s.a. BFH vom 26.4.2012, V R 2/11, BStBl II 2012, 634):
mehrjährige Tätigkeit,
planmäßiges Handeln,
auf Wiederholung angelegte Tätigkeit,
die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes,
Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses,
langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis,
Intensität des Tätigwerdens,
Beteiligung am Markt,
Auftreten wie ein Händler,
Unterhalten eines Geschäftslokals,
Auftreten nach außen, z.B. gegenüber Behörden.
Zur Abgrenzung der nachhaltigen von der nicht nachhaltigen Tätigkeit eines Unternehmers s. Abschn. 2.3. Abs. 6 Satz 1 UStAE zur Nachhaltigkeit sowie Satz 2 zur nicht nachhaltigen Tätigkeit.
Mit Urteil vom 15.9.2011 (C-180/10 und C-181/10, UR 2012, 519, LEXinform 0589277) hat der EuGH zum Verkauf von Grundstücken als wirtschaftliche Tätigkeit Stellung genommen. Unternimmt eine Person zur Vornahme von Grundstücksverkäufen aktive Schritte zum Vertrieb von Grund und Boden, indem sie sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S.d. europäischen Mehrwertsteuerrechts, übt sie eine »wirtschaftliche Tätigkeit« aus und ist folglich als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen.
In den beiden EuGH-Verfahren war streitig, ob der Verkauf von Grundstücken durch einen Nichtunternehmer bzw. durch einen pauschalierenden Landwirt der USt unterliegen kann. Bei den Grundstücken handelte es sich um landwirtschaftliche Flächen, die durch einen geänderten Bebauungsplan einer Nutzung durch eine Bebauung mit Ferienunterkünften zugeführt werden sollten. Die Kläger des Ausgangsverfahrens begannen die Grundstücke nach und nach zu verkaufen.
Der EuGH sieht darin keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Mehrwertsteuerrechts. Die Veräußerung erfolgte im Rahmen der bloßen Ausübung des Eigentums (Vermögensverwaltung) und ist daher keine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit. Auch die Zahl und der Umfang der Verkäufe spielen allein keine Rolle für die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Eine vor den Verkäufen vorgenommene Parzellierung ist für diese Frage ebenfalls unerheblich. Zudem kommt es nicht auf den Zeitraum und die Höhe der erzielten Umsätze an. Zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit kann es jedoch kommen, wenn der Veräußerer aktive Schritte zum Vertrieb des Grund und Bodens unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleister. Für die Beurteilung spielt es im Übrigen auch keine Rolle, dass es sich bei den Grundstücken zum Teil um land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen handelte (Anmerkung vom 13.10.2011, LEXinform 0941043).
Zur Frage, ob der Erbe einer Kunstsammlung bei deren entgeltlicher Veräußerung nachhaltig tätig und dadurch zum Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne wird, s. BFH vom 24.11.1992 (V R 8/89, BStBl II 1993, 379). Insbes. die Nachhaltigkeit ist anhand einer Reihe verschiedener Kriterien zu beurteilen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen Nachhaltigkeit sprechen.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte von seinem Vater von Todes wegen dessen private Sammlungen erhalten (Kunstgegenstände, Bilder, Schmucksachen, Luxusgegenstände, Sammlungsstücke und Briefmarkensammlung). Danach begann er, diese Gegenstände in größerem Umfang zu veräußern. Die Erlöse von insgesamt rund 114 000 € verwendete er zum Erwerb privaten Grundbesitzes und für seine Pilotenausbildung.
Das FA unterwarf diese Erlöse mit dem vollen Steuersatz der USt. Das FG behandelte die Umsätze als nicht steuerbar, da der Kläger sich nicht wie ein Händler verhalten habe und somit kein Unternehmer sei. Er habe nicht An- und Verkäufe planmäßig mit der auf Güterumschlag gerichteten Absicht getätigt. Er sei in dem Geschäftszweig der Kunstbranche nie hauptberuflich tätig gewesen, sondern habe völlig andere berufliche Interessen verfolgt. Er habe weder gezielt für seine Verkäufe geworben noch etwas hinzugekauft, um die Erlöse zu steigern. Besonders bedeutsam sei, dass der Kläger die verkauften Antiquitäten und Kunstgegenstände nicht nach und nach angeschafft, sondern geerbt habe.
Mit seiner Entscheidung weist der BFH die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das untypische Händlerverhalten sowie die nebenberufliche Tätigkeit des Klägers sind für die Unternehmereigenschaft des Klägers nicht von Bedeutung. Die unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG braucht nicht hauptberuflich zu sein. Für die Unternehmereigenschaft von Bedeutung können insbes. folgende Umstände sein:
Zahl der Verkäufe und der verkauften Gegenstände,
Dauer der Verkaufstätigkeit,
Höhe der Erlöse,
Werbung,
Benutzung des elterlichen Ladenlokals,
Auftreten des Klägers nach außen,
Verwertung von Kenntnissen und Kontakten aus dem Kunst- und Antiquitätenhandel und
Ausbildung des Klägers.
Nach den Vorgaben des BFH dürfte der Kläger als Unternehmer anzusehen sein.
Mit Urteil vom 15.3.2002 (V B 137/01, BFH/NV 2002, 1503, LEXinform 0593096) nimmt der BFH zu den An- und Verkäufen eines Sammlers als nachhaltige Tätigkeit Stellung. Bei der Überprüfung der Unternehmereigenschaft ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für und gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Es sind u.a. zu würdigen:
die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens,
die Beteiligung am Markt,
die Zahl der ausgeführten Umsätze,
das planmäßige Tätigwerden,
das Unterhalten eines Geschäftslokals.
Dabei kann auch das Auftreten wie ein Händler von Bedeutung sein.
Ein Münzsammler, der aus der Versteigerung seiner Sammlung (an zahlreiche Ersteigerer) einen Erlös von ca. 95 000 € erzielt, ist nur dann Unternehmer, wenn er sich anlässlich des Aufbaus der Sammlung wie ein Händler verhalten hat (BFH vom 16.7.1987, X R 48/82, BStBl II 1987, 752). Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 29.6.1987 (X R 23/82, BStBl II 1987, 744) für einen Briefmarkensammler entschieden, dass dieser nur dann als Unternehmer anzusehen sei, wenn er sich wie ein Händler verhält. Im Rahmen einer aus privaten Neigungen begründeten und fortgeführten Sammlung wird der Briefmarken- und der Münzsammler nicht dadurch einem Händler vergleichbar, dass er Einzelstücke veräußert (wegtauscht), Teile der Sammlung umschichtet oder die Sammlung teilweise oder vollständig veräußert.
Wenn auch im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass das Sammeln dem umsatzsteuerrechtlich unbeachtlichen Eigenleben zuzurechnen ist, besteht doch die Möglichkeit, dass auch ein Händler seiner Veräußerungstätigkeit ein Ansammeln vorschaltet. Für ein Händlerverhalten spricht es allerdings, wenn schon beim Erwerb der Sammlungsstücke deren Veräußerung eingeplant wurde. Auch kann eine private Sammlertätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt in ein Händlerverhalten umschlagen. Es wird regelmäßig nur aus den äußeren Umständen darauf geschlossen werden können, ob die Sammlungsstücke zwecks Güterumschlags oder aus privaten Neigungen erworben worden sind. So wird für Briefmarken, Münzen und andere Sammlungsstücke, die im Wesentlichen nur einen Liebhaberwert haben (anders als bei Gebrauchsgegenständen wie z.B. Teppichen), regelmäßig anzunehmen sein, dass sie aus privaten Neigungen zusammengetragen werden.
Mit Urteil vom 27.1.2011 (V R 21/09, BStBl II 2011, 524) bestätigt der BFH seine Urteile vom 29.6.1987 (X R 23/82, BStBl II 1987, 744) und vom 16.7.1987 (X R 48/82, BStBl II 1987, 752), indem er feststellt, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende unternehmerische wirtschaftliche Tätigkeit gegenüber einer privaten Sammlertätigkeit (hier: beim Aufbau einer Fahrzeugsammlung und ihrer museumsartigen Einlagerung in einer Tiefgarage) voraussetzt, dass sich der Sammler bereits während des Aufbaus der Sammlung wie ein Händler verhält (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 31/11 vom 13.4.2011, LEXinform 0436372 sowie den folgenden Gliederungspunkt).
Mit Urteil vom 26.4.2012 (V R 2/11, BStBl II 2012, 634) hat der BFH entschieden, dass beim Verkauf einer Vielzahl von Gebrauchsgegenständen über mehrere Jahre über die Internet-Plattform eBay eine nachhaltige, unternehmerische und damit umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit vorliegen kann.
Die Klägerin veräußerte über eBay (→ eBay und andere Plattformbetreiber) Gegenstände unterschiedlicher Produktgruppen (u.a. Briefmarken, Puppen, Modelleisenbahnen, Kunstgewerbe, Schreibgeräte, Porzellan, Software, Fotoartikel, Teppiche) sowie Gegenstände, die sich keiner gesonderten Produktgruppe zuordnen ließen. Hieraus erzielte sie über Jahre Umsätze von bis zu 35 000 € im Jahr. Das FA behandelte die Verkäufe als nachhaltige und somit unternehmerische Tätigkeit. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die grundsätzliche Frage, ob es sich bei derartigen Verkäufen über eBay um eine unternehmerische Tätigkeit handeln kann, bejahte der BFH. Er hat dabei seine Rspr. fortgeführt, wonach die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen ist, wobei eine Reihe verschiedener, nicht abschließend festgelegter Kriterien zu würdigen ist. Die Würdigung des FG, wonach die vorliegende Verkaufstätigkeit nachhaltig ist, sei möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (s.a. Pressemitteilung des BMF Nr. 34/12 vom 16.5.2012, LEXinform 0437941, s.a. Roth, NWB 2012, 1966).
Mit Urteil vom 12.5.2022 (V R 19/20, BFH/NV 2023, 101, LEXinform 0952808) hat der BFH entschieden, dass ein Verkäufer, der auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über eBay veräußert, eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich eine unternehmerische stpfl. Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ausübt.
Die Klägerin erwarb bei Haushaltsauflösungen Gegenstände und verkaufte diese über einen Zeitraum von fünf Jahren auf der Internet-Auktions-Plattform »eBay« in ca. 3 000 Versteigerungen und erzielte daraus Einnahmen von ca. 380 000 €.
Der BFH hat unter Hinweis auf sein Urteil vom 26.4.2012 (V R 2/11 BStBl II 2012, 634, s.o.) entschieden, dass dies als nachhaltige Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen ist. Der BFH hat in seiner Zurückverweisung dem FG aber aufgegeben, bisher fehlende Feststellungen zur → Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nachzuholen. Danach wird bei einem Wiederverkäufer, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert und an den diese Gegenstände – wie hier im Rahmen von privaten Haushaltsauflösungen – geliefert wurden, ohne dass dafür USt geschuldet wurde, der Umsatz nicht nach dem Verkaufspreis, sondern nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt. Fehlende Aufzeichnungen über Einkäufe stehen nach dem Urteil des BFH der Differenzbesteuerung nicht zwingend entgegen, sodass dann zu schätzen sein kann. Ist auf dieser Grundlage die Differenzbesteuerung anzuwenden, kommt es zu einer erheblichen Minderung des Steueranspruchs (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 54/2022 vom 10.11.2022, LEXinform 0462998).
Mit Urteil vom 12.8.2015 (XI R 43/13, BStBl II 2015, 919) nimmt der BFH Stellung zur Umsatzsteuerbarkeit des Verkaufs von Gegenständen über eine Handelsplattform im Internet (s.a. Anmerkung vom 29.9.2015, LEXinform 0947206). Nach Ansicht des BFH liegt im Rahmen der eBay-Verkäufe eine unternehmerische bzw. wirtschaftliche Tätigkeit vor. Maßgebliches Beurteilungskriterium dafür ist, dass aktive Schritte zur Vermarktung unternommen werden. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Verkäufer sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Derartige Maßnahmen erfolgen nach Ansicht des BFH normalerweise nicht im Rahmen der reinen Verwaltung von PV.
Die Verkäufe sind nicht vergleichbar mit der Auflösung einer Sammlung (s.o.). Nach der Sammlerrechtsprechung des BFH (Urteile vom 29.6.1987, X R 23/82, BStBl II 1987, 744 und vom 16.7.1987, X R 48/82, BStBl II 1987, 752) sind Münz- und Briefmarkensammler keine umsatzsteuerlichen Unternehmer. Aus Sicht des BFH geht dieser Vergleich jedoch fehl; bei einem Sammler gehören An- und Verkaufsakte dazu, um die Sammlung weiter auszubauen. Diese auf Vervollständigung und Bestandsvermehrung abzielenden An- und Verkaufs- oder Tauschvorgänge sind auch bei Wiederholung nicht als Umsatzakte anzusehen.
Das FG Köln hat mit Urteil vom 4.3.2015 (14 K 188/13, EFG 2015, 1103, LEXinform 5017742, rkr.) entschieden, dass der Verkauf von Bierdeckeln bei eBay zu einer unternehmerischen Tätigkeit führt. Der Kläger hatte Bierdeckel im Internet zum Verkauf angeboten. Außerdem verkaufte er in geringem Umfang gebrauchtes Spielzeug sowie Bildkarten. Die Gegenstände hatte er u.a. auch von seinem Vater geerbt. Mit dem Verkauf erzielte er zwischen 2005 und 2008 Umsätze zwischen ca. 18 000 € und 66 000 €. In den einzelnen Jahren verkaufte er bis zu 15 000 Artikel (s.a. Pressemitteilung des FG Köln vom 30.4.2015, LEXinform 0443148 und Anmerkung vom 14.5.2015, LEXinform 0946859).
Zu den besonderen Pflichten für Betreiber einer elektronischen Schnittstelle nach § 22f Abs. 1 UStG sowie zur Umsatzsteuerhaftung beim Handel über eine elektronische Schnittstelle nach § 25e UStG s. das BMF-Schreiben vom 20.4.2021, BStBl I 2021, 705 sowie → Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel.
Beachte:
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022 (BGBl I 2022, 2730) tritt ab 1.1.2023 mit Art. 1 das Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen (Plattformen-Steuertransparenzgesetz – PStTG) in Kraft.
Zu Anwendungsfragen zum Plattformen-Steuertransparenzgesetz nimmt das BMF mit Schreiben vom 2.2.2023 (BStBl I 2023, 241) Stellung.
Mit dem Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) vom 20.12.2022 (BGBl 2022 I, 2730) wurde eine Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen und der grenzüberschreitende, automatische Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten eingeführt. Das PStTG beinhaltet ausschließlich steuerliches Verfahrensrecht. Es berührt die übrigen Steuergesetze nicht. Insbes. hat das PStTG keine Auswirkung auf die Gesetze, die einzelne Steuerarten betreffen und Regelungen beispielsweise zum Steuersubjekt, Steuerobjekt, der Bemessungsgrundlage oder dem Steuertarif enthalten (beispielsweise das EStG, KStG, GewStG, UStG), nach denen sich die Besteuerung von Einkünften bzw. Umsätzen bestimmt (BMF vom 2.2.2023, BStBl I 2023, 241 unter Allgemeines).
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des eBay-Handels s. Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: eBay, 117. Erg. Lfg., Loseblatt, Schäffer-Poeschel Verlag.
Netzbetreiber sind verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen und den gesamten aus diesen Anlagen angebotenen Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas vorrangig abzunehmen und zu übertragen. Das Betreiben einer solchen Anlage durch sonst nicht unternehmerisch tätige Personen ist daher unabhängig von der leistungsmäßigen Auslegung der Anlage und dem Entstehen von Stromüberschüssen eine nachhaltige Tätigkeit und begründet die Unternehmereigenschaft. Sofern nur gelegentlich Strom in das allgemeine Stromnetz abgegeben wird, ist der Anlagenbetreiber nicht Unternehmer (s.a. Abschn. 2.5. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Zur Unternehmereigenschaft beim Betrieb von Anlagen und der Erzeugung von Strom oder Wärme (z.B. Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke) s. OFD Karlsruhe vom 13.8.2019 (S 7104 – Karte 1, UR 2019, 665).
Zur wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Betrieb einer PV-Anlage auf dem Dach eines Wohnhauses und entgeltliche Lieferung des erzeugten Stroms an das Netz trotz eigenen höheren Stromverbrauchs s. EuGH vom 20.6.2013 (C-219/12, UR 2013, 620, LEXinform 0589413 sowie Pressemitteilung des EuGH Nr. 75/13 vom 20.6.2013, LEXinform 0439849). Weitere Erläuterungen s. unter → Photovoltaikanlage.
Bei der Vermietung von Gegenständen, die ihrer Art nach sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden können (insbes. Freizeitgegenstände), müssen alle Aspekte der Nutzung geprüft werden (Abschn. 2.3. Abs. 7 Satz 1 UStAE). Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit einer solchen Vermietungsleistung s. Abschn. 2.3. Abs. 7 Satz 3 UStAE.
Ein ArbN kann mit der Vermietung seines Pkw an den ArbG selbstständig (unternehmerisch) tätig werden. Ob die Mietzahlungen des ArbG an den ArbN ertragsteuerrechtlich als Arbeitslohn qualifiziert werden können, spielt umsatzsteuerrechtlich keine Rolle (BFH vom 11.10.2007, V R 77/05, BStBl II 2008, 443). Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG ist die Mindestbemessungsgrundlage zu beachten (→ Pkw-Vermietung an Arbeitgeber).
Leistet der ArbG Zahlungen für ein im Haus oder in der Wohnung des ArbN gelegenes Büro, das der ArbN für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn – umsatzsteuerrechtlich Nichtselbstständig gem. § 2 Abs. 2 UStG – und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – umsatzsteuerrechtlich Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 UStG – danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt (BFH vom 11.1.2005, IX R 72/01, BFH/NV 2005, 882, LEXinform 5900635; BFH vom 9.6.2005, IX R 4/05, BFH/NV 2005, 2180, LEXinform 5901502).
Zur Anwendung des BFH-Urteils vom 16.9.2004 (VI R 25/02, BStBl II 2006, 10) s. das BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 13.12.2005 (BStBl I 2006, 4; aufgehoben durch BMF vom 18.4.2019, BStBl I 2019, 461; → Arbeitszimmerüberlassung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber).
Dient die Nutzung in erster Linie den Interessen des ArbN, so ist davon auszugehen, dass die Zahlungen des ArbG als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des ArbN erfolgt sind. Die Einnahmen sind dementsprechend als Arbeitslohn zu erfassen. So verhält es sich, wenn der ArbN im Betrieb des ArbG über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers vom ArbG lediglich gestattet oder geduldet wird.
Wird der betreffende Raum jedoch v.a. im betrieblichen Interesse des ArbG genutzt und geht dieses Interesse – objektiv nachvollziehbar – über die Entlohnung des ArbN und über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinaus, so ist anzunehmen, dass die betreffenden Zahlungen auf einer neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung beruhen.
Die Feststellungslast für den Nachweis eines betrieblichen Interesses an der Nutzung des betreffenden Raumes trägt der Stpfl. (vgl. BFH vom 16.9.2004, VI R 25/02, BStBl II 2006, 10).
Die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 5.3.2001 (S 7100/21, DStR 2001, 665, LEXinform 0575636) nimmt zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Überlassung von Räumen im eigenen Haus an den ArbG Stellung.
Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist für die USt, ESt und GewSt nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BFH vom 2.12.1998, X R 83/96, BStBl II 1999, 534, vom 11.10.2007, V R 77/05, BStBl II 2008, 443 sowie H 19.0 [Allgemeines] LStH; Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Eine Bindung an die ertragsteuerrechtliche Beurteilung besteht für das Umsatzsteuerrecht jedoch nicht (BFH vom 10.3.2005, V R 29/03, BStBl II 2005, 730 unter II.a).
Die Abgrenzung der unternehmerischen Vermietungstätigkeit zur nichtselbstständigen Tätigkeit des ArbN kann somit nicht nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 18.4.2019 (BStBl I 2019, 461) vorgenommen werden (s.a. BFH vom 11.10.2007, V R 77/05, BStBl II 2008, 443 unter II.1.a.bb).
Der BFH weist in seinem Urteil V R 77/05 explizit darauf hin, dass die ertragsteuerrechtliche Überprüfung des vorrangigen Interesse des ArbG an der Vermietung des WG für die USt nicht entscheidungserheblich ist, weil dies lediglich die ertragsteuerrechtliche Abgrenzung betrifft (BFH vom 11.10.2007, V R 77/05, BStBl II 2008, 443 unter II.1.a.dd).
Beachte:
Die unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 UStG ist auch dann gegeben, wenn ertragsteuerrechtlich eine negative Überschussprognose vorliegt.
Die Tätigkeit muss auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen liegt vor, wenn diese im Rahmen eines Leistungsaustauschs ausgeübt wird. Die Unternehmereigenschaft setzt grds. voraus, dass Lieferungen oder sonstige Leistungen gegen Entgelt bewirkt werden (s.a. Abschn. 2.3. Abs. 8 UStAE).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist gewerblich oder beruflich – als Voraussetzung für die Unternehmereigenschaft – jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht fehlt, Gewinn zu erzielen. Für die Annahme der Unternehmereigenschaft kommt es somit nicht darauf an, mit welchem Ergebnis eine Tätigkeit ausgeübt wird, sondern darauf, ob die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 UStG erfüllt sind. Wenn Nachhaltigkeit gegeben ist (vgl. hierzu Abschn. 2.3. Abs. 5 UStAE), kann nach geltendem Recht die Unternehmereigenschaft somit auch durch eine – aufgrund von Dauerverlusten – ertragsteuerlich als → Liebhaberei eingestufte Tätigkeit erlangt werden (s.a. Abschn. 2.3. Abs. 8 UStAE sowie Art. 9 MwStSystRL).
Hinweis:
Mit Urteil vom 25.3.2021 (5 K 3037/19, LEXinform 5023821) das FG Münster zu den Voraussetzungen, unter denen eine Hundezüchterin zur umsatzsteuerpflichtigen Unternehmerin wird, Stellung genommen. Mit Beschluss vom 31.8.2021 (XI B 33/21, LEXinform 4241454) hat der BFH die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG Münster als unzulässig verworfen.
Eine Unternehmereigenschaft kann bei richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 1 USG auch gegeben sein, wenn ertragsteuerlich Liebhaberei vorliegt. Denn Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL setzt keinen bestimmten Zweck und kein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis der Tätigkeit voraus. Eine »wirtschaftliche Tätigkeit« ist deshalb auch nicht mit der Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit gleichzusetzen; Letztere ist deshalb kein Abgrenzungsmerkmal für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit.
Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Vermögensverwaltung oder eine unternehmerische Betätigung vorliegt, sind allein die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Insbesondere zu würdigen sind die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, die Vielfalt des Warenangebots.
Im Urteilsfall 5 K 3037/19 wurde mit den Verkäufen von Hunden aus der Hundezucht eine wirtschaftliche, d.h. nachhaltige gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ausgeübt, da die Stpfl. – auch wenn die Hundezucht ihr langjähriges Hobby und ein für sie wichtiger persönlicher Lebensinhalt war – ähnlich wie ein Händler agiert hat.
Es ist auch vor dem Hintergrund des Neutralitätsprinzips als Ausprägung des Gebotes der Wettbewerbsgleichheit systemgerecht, die Umsätze der Stpfl. der USt zu unterwerfen – sofern sie die Kleinunternehmergrenzen des § 19 Abs. 1 UStG übersteigen. Das Neutralitätsprinzip gebietet, Umsätze bzw. Anbieter gleichartiger Waren und Dienstleistungen gleichermaßen mit Umsatzsteuer zu belasten. Vorliegend besteht ein zumindest potenzieller Wettbewerb mit anderen Züchtern (s.a. FG Münster Mitteilung vom 17.5.2021, LEXinform0460627; s.a. Anmerkung vom 9.2.2022, LEXinform 0887930).
Zum Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen hat der BFH mit Urteil vom 12.2.2009 (V R 61/06, BStBl II 2009, 828) Folgendes entschieden: Eine Kommanditgesellschaft, die nachhaltig mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, eine Pferdezucht betreibt, ist umsatzsteuerrechtlich Unternehmer, auch wenn die Gewinnerzielungsabsicht fehlt. Der Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen dient bei typisierender Betrachtung nicht in vergleichbarer Weise wie die ausdrücklich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Gegenstände (Jagd, Fischerei, Segel- oder Motorjacht) einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung. Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsverbots nach § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG liegen in einem derartigen Fall nicht vor (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 44/09 vom 3.6.2009, LEXinform 0434114).
Der BFH hat mit Urteil vom 30.8.2017 (XI R 37/14, BStBl II 2019, 336) entschieden, dass ein professioneller »Berufspokerspieler« keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbringt, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der (bloßen) Teilnahme am Pokerspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehlt der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang (s.a. Abschn. 1.1. Abs. 24 Satz 3 UStAE; s.a. Salewski u.a., UStB 2020, 266).
Die Teilnahme an einem Pokerspiel ist jedoch eine im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt. In einem solchen Fall ist die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 66/2017 vom 25.10.2017, LEXinform 0447292; → Leistungsaustausch unter dem Gliederungspunkt »Preisgelder«; s.o. den Gliederungspunkt »Unternehmerbegriff« und dort »Grundsätzliches«).
Mit Vfg. vom 29.3.2022 (S 2240/S 2256/S 2257 A – St 32 1, UR 2022, 556, SIS 22 09 06) nimmt das LfSt Rheinland-Pfalz zur Besteuerung von Prämien aus der Treibhausgasminderungs-Quote Stellung (s.a. FinMin Schleswig-Holstein vom 11.5.2022, VI 358 – S 7279 – 033, DStR 2022, 1497, SIS 22 11 67).
Seit 2019 sind die Emissionseinsparungen von (reinen) Elektrofahrzeugen auf die sog. Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) anrechenbar. Mit jeder Kilowattstunde, die an einem Ladepunkt geladen wird, geht eine Treibhausgasminderung einher, die als THG-Quote an quotenverpflichtete Unternehmen verkauft werden kann.
Seit dem 1.1.2022 sind alle Betreiber von Ladepunkten Eigentümer der THG-Quote und damit berechtigt, diese weiterzuverkaufen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 TMinQuotBestV1). Als Ladepunktbetreiber gilt danach jede Person, auf die das reine Batterieelektrofahrzeug zugelassen ist. Mit Beginn des Jahres 2022 und aktuell bis zum Jahr 2030 kann somit jeder Fahrzeugbesitzer eines Batteriefahrzeugs von der THG-Quote profitieren und mit seinem Fahrzeug Geld verdienen, indem er die eingesparten CO2-Emissionen »verkauft«. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug privat oder gewerblich genutzt wird, es gekauft, geleast oder finanziert wurde. Einzig notwendig ist die Eintragung als Halter im Fahrzeugschein. Die maximale Vergütung richtet sich dabei nach der Fahrzeugklasse, da unterschiedliche Fahrzeugklassen auch unterschiedlich viel Emission einsparen. Die Höhe der Einsparung wird jedes Jahr typisiert für jede Fahrzeugklasse neu berechnet. Neben einer Eigenvermarktung gibt es aktuell bereits diverse Ankäufer der THG-Quote, bei denen sich Fahrzeughalter registrieren können und die die Vermarktung der THG-Quote zu Großhandelspreisen für die Fahrzeughalter übernehmen (vgl. z.B.: https://www.elektroauto-news.net/thg-quote-barpraemie). Für den Erhalt der Prämie (zwischen 250 € bis 300 €) muss nur der Fahrzeugschein hochgeladen werden.
Die THG-Quote wird nicht mit dem Erwerb des Fahrzeuges »mitangeschafft«, sodass insoweit weder eine neben dem Elektrofahrzeug bezogene weitere (Haupt-)Leistung noch ein anteilig darauf entfallender Vorsteuerbetrag aus der Anschaffung des Elektrofahrzeugs vorliegt.
Überträgt eine Privatperson ihre vom Umweltbundesamt bescheinigte Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) aus einem auf sie zugelassenen und ihrem nichtunternehmerischen Bereich zugeordneten oder für den nichtunternehmerischen Bereich bezogenen Elektrofahrzeug jährlich oder für mehrere Jahre gegen eine Vergütung an einen Ankäufer, handelt es sich dabei um keine nachhaltige Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG.
Überträgt ein Unternehmer seine vom Umweltbundesamt bescheinigte THG-Quote aus einem auf ihn zugelassenen und seinem Unternehmen zugeordneten oder für sein Unternehmen bezogenen Elektrofahrzeug jährlich oder für mehrere Jahre gegen eine Vergütung an einen Ankäufer, handelt es sich dabei um einen Teil der unternehmerischen Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG des Unternehmers.
Der Handel mit THG-Quoten (An- und Weiterverkauf) stellt eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG dar (s.a. Klein, NWB 44/2022, 3093).
Zur ertragsteuerlichen Behandlung der Prämien aus der Treibhausgasminderungsquote s. LSF Sachsen vom 27.6.2022 (213 – S 7104/35/3 – 2022/31649, DB 2022, 1868, SIS 22 13 41).
Gehört das Elektrofahrzeug zum Betriebsvermögen, stellen die Prämien nach allgemeinen Grundsätzen Betriebseinnahmen dar.
Bei privaten Elektrofahrzeugen stellt die Quote weder eine Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG noch ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG dar. Daher unterliegt die Prämienzahlung im PV als nicht steuerbare Leistung nicht der Einkommensteuer.
Der Begriff der Selbstständigkeit ist im Gesetz nicht definiert. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG enthalten Negativabgrenzungen, in denen definiert wird, wann eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt wird.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) i.S.v. § 2b UStG sind insbes. die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände), die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, die Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern und sonstige Gebilde, die aufgrund öffentlichen Rechts eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Dazu gehören neben Körperschaften auch Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, z.B. Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen kirchliche Orden juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, vgl. BFH vom 8.7.1971 (V R 1/68, BStBl II 1972, 70). Auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts ist die Vorschrift des § 2b UStG analog anzuwenden. Ob eine solche Einrichtung eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ist grundsätzlich nach deutschem Recht zu beurteilen. Das schließt jedoch nicht aus, dass für die Bestimmung öffentlich-rechtlicher Begriffe die ausländischen Rechtssätze mit herangezogen werden (Abschn. 2.11. Abs. 1 UStAE).
Die Unternehmereigenschaft der jPöR bestimmt sich nach den allgemeinen Regelungen des § 2 Abs. 1 UStG (Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL). Danach sind jPöR grds. als Unternehmer anzusehen, wenn sie selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausüben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welcher Art die entsprechenden Einnahmen sind. Auch Leistungen, für die als Gegenleistung Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erhoben werden, können wirtschaftliche Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG sein (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL).
Sind jPöR wirtschaftlich i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG tätig, gelten sie jedoch gleichwohl nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (§ 2b Abs. 1 Satz 1 UStG). Dies gilt nicht, sofern eine Behandlung der jPöR als Nichtunternehmer im Hinblick auf diese Tätigkeiten zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG; BMF vom 16.12.2016, BStBl I 2016, 1451, Rz. 4 und 5).
Beachte:
Mit Urteil vom 12.5.2016 (C-520/14, UR 2016, 543, LEXinform 5214050) hat der EuGH zur Unternehmereigenschaft einer Gemeinde i.S.d. Art. 9 MwStSystRL Stellung genommen. Art. 9 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass eine Gebietskörperschaft, die eine Leistung (im Urteilsfall eine Schülertransportleistung) dergestalt erbringt, dass die Beiträge hierfür nur einen geringfügigen Teil der anfallenden Kosten decken, der Rest jedoch aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und damit keine Stpfl. ist.
Der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird, ist jedoch unerheblich, wenn es darum geht, einen Umsatz als »entgeltlichen Umsatz« zu qualifizieren. Dieser Begriff setzt nämlich lediglich das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung voraus, die der Stpfl. tatsächlich erhalten hat.
Für die Feststellung, ob eine Dienstleistung so erbracht worden ist, dass diese Tätigkeit als gegen ein Entgelt erfolgt und somit als eine wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist, sind alle Umstände zu prüfen, unter denen die Tätigkeit erfolgt ist.
Der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende die fragliche Dienstleistung erbringt, und den Umständen, unter denen eine derartige Dienstleistung gewöhnlich erbracht wird, kann somit eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt.
In dieser Hinsicht ist zum einen festzustellen, dass die Gemeinde über die Beiträge, die sie erhält, nur einen kleinen Teil der anfallenden Kosten deckt. Die Beiträge werden nämlich nicht von jedem Nutzer geschuldet und nur von einem Drittel von ihnen gezahlt, sodass ihr Betrag nur 3 % der gesamten (Transport)kosten deckt. Der verbleibende Teil wird mit öffentlichen Mitteln finanziert. Ein solcher Unterschied zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen deutet darauf hin, dass der Beitrag der Eltern eher einer Gebühr als einem Entgelt gleichzusetzen ist.
Aus einer solchen Asymmetrie folgt, dass es an einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen dem gezahlten Betrag und der Erbringung der Dienstleistungen fehlt. Damit weist der Zusammenhang zwischen der von der Gemeinde erbrachten (Transport-)Dienstleistung und dem zu entrichtenden Gegenwert nicht die erforderliche Unmittelbarkeit auf, um diesen Gegenwert als ein Entgelt für diese Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ansehen zu können. (s.a. Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, Anmerkung vom 12.5.2016, LEXinform 0401926).
In Rz. 35 seiner Entscheidung C-520/14 weist der EuGH allerdings darauf hin, dass allein die von ihm in Rz. 33 f. angesprochene »Asymmetrie« zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen in Gestalt eines Kostendeckungsgrades von 3 % nicht ausreicht, um das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszuschließen und die Unternehmereigenschaft zu verneinen (s.a. Küffner, UR 2017, 302).
Hinsichtlich der im Urteilsfall C-520/14 durchgeführten Schülerbeförderung durch eine Gemeinde stellt der EuGH ferner darauf ab, ob die Gemeinde diese Leistungen auf dem allgemeinen Markt für Beförderungsleistungen anbietet oder selbst als Endverbraucher von Beförderungsleistungen in Erscheinung tritt, die sie bei Transportunternehmen, mit denen sie Vertragsbeziehungen hat, erwirbt und die sie den Eltern von Schülern im Rahmen der Daseinsvorsorge zur Verfügung stellt.
Unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 12.5.2016 (C-520/14, UR 2016, 543, LEXinform 5214050) hat der BFH mit Urteil vom 15.12.2016 (V R 44/15, BFH/NV 2017, 707, LEXinform 0950669) entschieden, dass eine jPöR nur dann Unternehmer ist, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamttätigkeit heraushebt (s.a. Anmerkung vom 28.3.2017, LEXinform 0948590 sowie Anmerkung von Küffner, UR 8/2017, 304). Der V. Senat hat aber die Rechtssache mit dem Prüfauftrag an das FG zurückverwiesen. Das FG muss prüfen, ob die Gemeinde das Sportzentrum entsprechend den EuGH-Grundsätzen C-520/14 vermietet. Neben dem Gesichtspunkt der »Asymmetrie« muss die Gemeinde aber auch wie ein Endverbraucher auftreten.
Der XI. Senat nimmt in seinem Urteil vom 28.6.2017 (XI R 12/15, BFH/NV 2017, 1400, LEXinform 0950454) ebenfalls Bezug auf das EuGH-Urteil C-520/14 sowie aber auch auf das Urteil des V. Senats vom 15.12.2016 (V R 44/15, BFH/NV 2017, 707). Nach der Entscheidung des XI. Senats ist eine Gemeinde zum teilweisen Vorsteuerabzug aus den HK einer Sporthalle berechtigt, die sie (auch) Vereinen gegen eine nicht kostendeckende Nutzungspauschale überlässt, wenn die Prüfung aller Umstände ergibt, dass der für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Entgelt nicht gelöst ist.
Im Urteilsfall tritt die Gemeinde – anders als die Gemeinde im EuGH-Urteil C-520/14 – nicht nur selbst als Endverbraucher von auf dem allgemeinen Markt erworbenen Leistungen in Erscheinung, die sie im Rahmen der Daseinsvorsorge (ortsansässigen) Vereinen zur Verfügung stellt. Vorliegend hat die Gemeinde eine Sporthalle errichtet, um diese neben dem Schulsport an Dritte gegen Entgelt zu überlassen. Insoweit entspricht ihre Tätigkeit nicht dem Bild eines Endverbrauchers, sondern dem eines am Markt teilnehmenden Unternehmers. Da es auf den Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit insoweit nicht ankommt, steht dem nicht entgegen, dass die annähernd kostenfreie Überlassung der Sporthalle vornehmlich Zwecken des Vereinssports (nur) in der Gemeinde dient.
Das von der Gemeinde erhobene Entgelt i.H.v. 1,50 € je Stunde und Hallenteil ist zudem angemessen und für (gemeindeeigene) Mehrzweckhallen allgemein üblich, entspricht der in den Nachbargemeinden durchgeführten Praxis und wird auch von der Gemeindeprüfungsanstalt nicht beanstandet. Die Bedingungen, unter denen die Gemeinde ihre Dienstleistung erbringt, unterscheiden sich mithin nicht von denen, unter denen die Tätigkeit der Sporthallenüberlassung von Gemeinden üblicherweise vorgenommen wird (vgl. dazu EuGH-Urteil C-520/14, Rz. 35).
Der BFH hat durch Urteil vom 10.11.2011 (V R 41/10, BStBl II 2017, 869) entschieden, dass nachhaltig und gegen Entgelt erbrachte Leistungen der öffentlichen Hand der USt unterliegen, wenn diese Tätigkeiten auf zivilrechtlicher Grundlage oder – im Wettbewerb zu Privaten – auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ausgeführt werden. Dabei reicht es aus, wenn die Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand zu einer nicht nur unbedeutenden Wettbewerbsverzerrung führen würde.
Im Streitfall begehrte eine Gemeinde den Vorsteuerabzug für die Errichtung einer Sport- und Freizeithalle. Die Gemeinde nutzte die Halle für den Schulsport ihrer Schulen, überließ die Halle aber auch gegen Entgelt an private Nutzer sowie an eine Nachbargemeinde für den dortigen Schulunterricht. Der BFH hat die Umsatzsteuerpflicht der Tätigkeiten mit Ausnahme der Nutzung für den eigenen Schulsport bejaht. Die Gemeinde ist deshalb zum anteiligen Abzug der Vorsteuer entsprechend der Verwendungsabsicht bei Errichtung der Halle berechtigt.
Von allgemeinem Interesse ist die Klarstellung, dass auch sog. Beistandsleistungen, die zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wie z.B. Gemeinden, erbracht werden, stpfl. sind, sofern es sich um Leistungen handelt, die auch von Privatanbietern erbracht werden können. Entgegen der derzeitigen Besteuerungspraxis können danach z.B. auch die Leistungen kommunaler Rechenzentren umsatzsteuerpflichtig sein (s.a. § 2b Abs. 3 UStG).
Mit dem Urteil setzt der BFH seine jüngere Rspr. fort, nach der auch die privatrechtlich erteilte Erlaubnis zum Aufstellen von Automaten in Universitäten (BFH vom 15.4.2010, V R 10/09, BStBl II 2017, 863) oder die Überlassung von Pkw-Stellplätzen in Tiefgaragen durch eine Gemeinde auf hoheitlicher Grundlage als entgeltliche Umsätze der USt unterliegen (BFH vom 1.12.2011, V R 1/11, BStBl II 2017, 834; s.a. Strahl, UR 2012, 381).
Das FG Münster hat mit Urteil vom 16.4.2013 (15 K 227/10 U, EFG 2013, 1266, LEXinform 5015140) entschieden, dass eine Ärztekammer als juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der sog. externen Qualitätssicherung Krankenhaus nicht unternehmerisch i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG tätig wird. Mit Urteil vom 10.2.2016 (XI R 26/13, BStBl II 2017, 587) hat der BFH die Rechtsausführungen des FG Münster bestätigt.
Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 18.10.2018 (1 K 1458/18, LEXinform 5021695, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 30/19, LEXinform 0952640) entschieden, dass der Betrieb von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde als nichtunternehmerische Tätigkeit zu behandeln ist. Die mit der sog. Kurtaxe entgoltenen Leistungen einer Gemeinde in ihrer Gesamtheit »Betrieb von Kureinrichtungen« können nicht von privaten Anbietern erbracht werden, da private Anbieter nicht in der Lage sind, das gleiche Bedürfnis der Kurgäste zu befriedigen.
Mit Beschluss vom 15.12.2021 (XI R 30/19, BStBl II 2022, 577) hat der BFH dem EuGH die Frage nach der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. EuGH: C-344/22, LEXinform 0954298). »Übt eine Gemeinde, die aufgrund einer kommunalen Satzung von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten (Kurgäste), für die Bereitstellung von Kureinrichtungen (zum Beispiel Kurpark, Kurhaus, Wege) eine Kurtaxe (in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag) erhebt, mit der Bereitstellung der Kureinrichtungen an die Kurgäste gegen Kurtaxe auch dann eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL aus, wenn die Kureinrichtungen ohnehin für jedermann (und daher zum Beispiel auch für nicht kurtaxepflichtige Einwohner oder andere nicht kurtaxepflichtige Personen) frei zugänglich sind?«
Mit Urteil vom 13.7.2023 (C-344/22, LEXinform 0954298) hat der EuGH entschieden, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch die Gemeinde keine steuerbaren Dienstleistungen gegen Entgelt darstellen, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
In seiner Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil C-344/12 schließt sich der BFH mit Urteil vom 18.10.2023 (XI R 21/23, BFH/NV 2024, 609, LEXinform 0954791) der EuGH-Entscheidung an.
In einem weiteren Urteil vom 6.12.2023 (XI R 33/21, BFH/NV 2024, 615, LEXinform 0954021) hat der XI. Senat des BFH erneut über den Vorsteuerabzug einer Kurgemeinde entschieden.
Im Urteilsfall XI R 33/21 erhebt eine Gemeinde aufgrund einer kommunalen Satzung von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten (Kurgäste), für die Bereitstellung von Kureinrichtungen eine Kurabgabe (in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag). Die Kurabgabe ist unabhängig davon zu zahlen, ob und in welchem Umfang die Einrichtungen genutzt werden. Der Kurabgabepflichtige erhält nach Zahlung der Kurabgabe vom Beherbergungsbetrieb eine Gästekarte. Diese ist auf Verlangen des Aufsichtspersonals vorzuzeigen. Sie gilt für die Dauer eines ununterbrochenen Aufenthalts. Daneben existiert eine erhöhte Tageskurabgabe, die von jedem, der bei der Kontrolle keine gültige Gästekarte vorweisen kann, an die Kontrolleure der Kurverwaltung zu entrichten ist.
In Abgrenzung zum EuGH-Urteil C-344/12 und zum BFH-Urteil XI R 21/23 hat der BFH mit Urteil vom 6.12.2023 (XI R 33/21, BFH/NV 2024, 615, LEXinform 0954021) entschieden, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe ein steuerbarer Umsatz gegen Entgelt ist, wenn die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind. Nach der Satzung der Gemeinde können die Kureinrichtungen nicht von jedermann frei und unentgeltlich genutzt werden. Eine Nutzung der Kureinrichtungen ohne Berechtigungsnachweis führt zur Kurtaxepflicht als Tagesgast.
Eine KapGes ist stets selbstständig, wenn sie nicht nach § 2 Abs. 2 UStG in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist; dies gilt insbes. hinsichtlich ihrer gegen Entgelt ausgeübten Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen gegenüber einer PersGes (BFH vom 6.6.2002, V R 43/01, BStBl II 2003, 36). Auch das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer führt nicht zur Unselbstständigkeit (Abschn. 2.2. Abs. 6 UStAE). Eine juristische Person (GmbH) verliert ihre Selbstständigkeit nach der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur bei finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung in das Unternehmen eines Organträgers (→ Organschaft).
Eine PersGes des Handelsrechts ist stets selbstständig (Abschn. 2.2. Abs. 5 UStAE).
Hinweis:
Am 1.1.2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.2021 (BGBl I 2021, 3436) in Kraft.
Durch Art. 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023 (BGBl I 2023 Nr. 411; BT-Drs. 20/9782 – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses) wird u.a. mit den §§ 14a und 39 Abs. 2 Nr. 2 AO eine Anpassung an die mit dem MoPeG eintretenden Rechtsänderungen vorgenommen.
§ 705 Abs. 2 BGB n.F. führt die Legaldefinition der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen Gesellschaft in das Gesetz ein. »Die Gesellschaft kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft [§§ 705 bis 739 BGB]), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft [ §§ 740 bis 740c BGB])«.
Nach § 719 Abs. 1 BGB entsteht eine rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), sobald sie
mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt,
spätestens aber mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister.
Für einen Beginn der Teilnahme am Rechtsverkehr muss die GbR – nach dem Willen aller Gesellschafter – als solche (d.h. im eigenen Namen) nach außen in Erscheinung treten. Dies kann durch vorbereitende Rechtsgeschäfte geschehen, wie z.B. die Eröffnung eines Geschäftskontos (GbR als Kontoinhaber) oder die Anmietung von Geschäftsräumen (GbR als Mieter), aber auch schon durch Verteilung von Prospekten (GbR offeriert Lieferungen oder Leistungen). Unzureichend sind Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschafter und GbR, der Gesellschafter untereinander oder der Gesellschafter mit Dritten. Die Anmeldung der GbR als Gewerbebetrieb nach § 138 Abs. 1 AO sowie die Übermittlung des Fragebogens nach § 138 Abs. 1b AO reichen für sich allein ebenfalls nicht aus.
Handelt ein Gesellschafter eigenmächtig »im Namen der GbR«, bevor die GbR rechtsfähig geworden ist (§ 719 Abs. 1 BGB), haftet er als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann in diesem Fall zudem eine Scheingesellschaft entstehen, bei der sich die Haftung ihrer vermeintlichen Gesellschafter nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen beurteilt.
Eine Vereinbarung, dass die GbR erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, ist Dritten gegenüber (also auch gegenüber Finanzbehörden) unwirksam (§ 719 Abs. 2 BGB; s.a. AEO zu § 14a Nr. 3 i.d.F. des BMF-Schreibens vom 29.12.2023, BStBl I 2024, 12, s.u.).
§ 713 BGB n.F. ersetzt den geltenden § 718 BGB, der zusammen mit § 719 und § 738 BGB die Grundlage für das historisch überholte Gesamthandsprinzip bildet. Ausgangspunkt des Gesamthandsprinzips war die in § 718 BGB a.F. ausdrücklich artikulierte Vorstellung, dass das dem gemeinsamen Zweck gewidmete oder bei Zweckerfüllung erworbene Vermögen den Gesellschaftern gemeinsam gehört. Mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft ist das Gesamthandsprinzip unter dem Gesichtspunkt der Vermögenstrennung entbehrlich geworden. § 713 BGB n.F. stellt daher klar, dass das dem gemeinsamen Zweck gewidmete wie auch das daraufhin erworbene Vermögen nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern der Gesellschaft selbst gehört (BT-Drs. 19/27635, 148).
Wichtig:
Von der Neuregelung nicht betroffen sind die Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaften der §§ 741 ff. BGB.
Mit Schreiben vom 29.12.2023 (BStBl I 2024, 12) passt das BMF den AEAO an die Rechts-änderungen durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz und die damit zusammenhängenden Änderungen der AO durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz an.
Während das BGB die Gesellschaften in rechtsfähige und nicht rechtsfähige unterteilt (s.o.), spricht § 14a AO nicht von Gesellschaften, sondern von Personenvereinigungen. § 14a AO definiert die Personenvereinigungen i.S.d. AO und der Steuergesetze.
Personenvereinigungen in diesem Sinne sind danach Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit zur Verfolgung eines gesetzlich zulässigen Zwecks (§ 14a Abs. 1 AO). Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit (z.B. AG, GmbH, eingetragener Verein i.S.d. § 21 BGB, wirtschaftlicher Verein i.S.d. § 22 BGB) sind keine Personenvereinigungen i.S.d. § 14a AO (AEAO zu § 14a Nr. 1).
Die Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit sind nach § 14a Abs. 2 und 3 AO zu unterscheiden in
rechtsfähige (§ 14a Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AO; z.B. Vereine ohne Rechtspersönlichkeit, rechtsfähige Gesellschaften wie OHG, KG),
nicht rechtsfähige (§ 14a Abs. 3 Nr. 1 bis 3AO; z.B. Bruchteilsgemeinschaften nach § 741 BGB oder Erbengemeinschaften).
Die Aufzählung rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen in § 14a Abs. 2 und 3 AO ist nicht abschließend (AEAO zu § 14a Nr. 2).
Mit Schreiben vom 22.3.2024 (BStBl I 2024, 694) nimmt das BMF weitere Anpassungen des AEAO an das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz und das Kreditzweitmarktförderungsgesetz vor. Dabei wird im AEAO zu § 14a eine neue Nr. 8 angefügt. Es geht dabei um die Abgrenzung einer rechtsfähigen (§ 14a Abs. 2 AO) von einer nicht rechtsfähigen (§ 14a Abs. 3 AO) Personenvereinigung. Von Bedeutung ist die Abgrenzung insbes. bei der Bekanntgabe von Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung (§§ 183, 183a AO).
Wichtig:
Die Unterscheidung in rechtsfähige bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigungen hat für die Umsatzsteuer keine Bedeutung.
In der folgenden Übersicht werden die wesentlichen Änderungen zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaften durch das MoPeG aufgezeigt.
Die Aufgabe des Gesamthandsprinzips hat – wie auch die zukünftige Unterscheidung in rechtsfähige bzw. nicht rechtsfähige Gesellschaften – keine Auswirkung auf die USt. Mit der Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG durch das JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) macht der Gesetzgeber deutlich, dass jedes Rechtsgebilde Unternehmer sein kann, unabhängig davon, ob dieses Rechtsgebilde nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist.
Ob eine Personenvereinigung i.S.d. § 14a AO Stpfl. i.S.d. § 33 Abs. 1 AO ist, bestimmt sich jeweils nach dem materiellen Steuerrecht (AEAO zu § 14a Nr. 7).
Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist für die Umsatz-, die Einkommen- und die Gewerbesteuer grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Dabei kommt der sozial-, arbeits- und einkommensteuerrechtlichen Beurteilung zwar indizielle Bedeutung zu. Eine rechtliche Bindung besteht dabei aber weder an die sozial- und arbeitsrechtliche noch an die ertragsteuerrechtliche Beurteilung (BFH vom 10.3.2005 V R 29/03, BStBl II 2005, 730). Die Frage, ob eine Tätigkeit selbstständig oder nicht selbstständig ausgeübt wird, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beantworten (vgl. z.B. BFH vom 10.3.2005, V R 29/03, BStBl II 2005, 730; BFH Beschluss vom 19.2.2008, XI B 205/07, BFH/NV 2008, 1210, LEXinform 5904355). Die für und gegen die Selbstständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, sind gegeneinander abzuwägen (BFH Beschluss vom 17.10.2003, V B 80/03, BFH/NV 2004, 379 und BFH vom 29.6.2000, V R 28/99, BStBl II 2000, 597).
Mit Urteil vom 25.6.2009 (V R 37/08, BStBl II 2009, 873) nimmt der BFH zur Selbstständigkeit bzw. zur Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG Stellung. Dabei stellt der BFH u.a. die Kriterien der Selbstständigkeit und der Nichtselbstständigkeit gegenüber.
Für die persönliche Selbstständigkeit sprechen danach
die Selbstständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit,
Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko),
Unternehmerinitiative,
Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb,
geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern.
Zu den Voraussetzungen für einen umsatzsteuerlich selbstständigen Unternehmer s.a. den Beschluss des FG München vom 14.1.2010 (14 V 2234/09, LEXinform 5009875).
Gegen die Selbstständigkeit der Tätigkeit sprechen
Weisungsgebundenheit bezüglich
Ort,
Zeit und
Inhalt der Tätigkeit,
feste Arbeitszeiten,
Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort,
feste Bezüge,
Urlaubsanspruch,
Anspruch auf sonstige Sozialleistungen,
Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall,
Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern,
Eingliederung in den Betrieb,
Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs,
Ausführung von einfachen Tätigkeiten, die regelmäßig weisungsgebunden sind.
Besondere Bedeutung kommt dem Handeln auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung und dem Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko) zu. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbstständigkeit; ist der Stpfl. von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt, spricht dies gegen Selbstständigkeit (BFH vom 10.3.2005, V R 29/03, BStBl II 2005, 730).
Wie der BFH in seinem Urteil vom 25.6.2009 (V R 37/08, BStBl II 2009, 873) weiter ausführt, schließen sich im Regelfall Unternehmerstellung und Beitragspflicht zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung aus (vgl. auch § 1 Abs. 3 LStDV). Während die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG eine selbstständige Tätigkeit voraussetzt, sind unselbstständig tätige Arbeiter und Angestellte zur Arbeitslosenversicherung und Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder in ihrer Berufsausbildung beschäftigt und damit gleichfalls unselbstständig tätig sind, zur Rentenversicherung beitragspflichtig. Auch wenn keine Bindung an die sozial- und arbeitsrechtliche Beurteilung besteht (BFH vom 10.3.2005, V R 29/03, BStBl II 2005, 730 und BFH Beschlüsse vom 28.2.2002, V B 31/01, BFH/NV 2002, 957; vom 9.1.2004, V B 140/03, BFH/NV 2004, 543; vom 17.2.2006, V B 103/05, BFH/NV 2006, 1361), muss festgestellt werden, aufgrund welcher Umstände im Einzelnen ein Unternehmer sozialversicherungspflichtig sein kann. Dabei sind Entscheidungen der zuständigen Sozialversicherungsträger über die Sozialversicherungspflicht von Beschäftigungsverhältnissen grundsätzlich zu berücksichtigen (BFH vom 6.6.2002, VI R 178/97, BStBl II 2003, 34), ohne dass ihnen aber für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung rechtliche Bindungswirkung zukommt.
Indiz, aber nicht in erster Linie ausschlaggebend, kann die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbstständig oder unselbstständig sein. Nicht entscheidend ist aber, ob sich der Vergütungsschuldner seiner Stellung als ArbG entziehen will (BFH vom 19.1.2017, V R 47/15, BFH/NV 2020, 931, LEXinform 0950711).
Entscheidend für die Beurteilung bei qualifizierten persönlichen Dienstleistungen sind die Einbringung in den Betrieb, die vertraglichen Vereinbarungen und das Bestehen eines Unternehmerrisikos (vgl. BFH vom 22.6.2016, V R 46/15, BFH/NV 2016, 1530, LEXinform 0950616).
Hinweis:
Zur Arbeitnehmereigenschaft bzw. zur Selbstständigkeit eines Praxisvertreter hat das LAG Köln mit Beschluss 6.5.2022 (9 Ta 18/22, DStR 2022, 1673, LEXinform 4247266) entschieden, dass die Arbeitnehmereigenschaft nach § 611a Abs. 1 BGB voraussetzt, dass er zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dies ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen. Dabei ist es weder erforderlich, dass alle den Typus »Arbeitsvertrag« kennzeichnenden Merkmale vorliegen, noch gibt es ein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss, damit man von persönlicher Abhängigkeit sprechen kann. Dogmatischer Ausgangspunkt ist insoweit nicht ein tatbestandlich scharf umrissener Arbeitnehmerbegriff, sondern eine typologische Bestimmung des ArbN.
Wichtig:
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang – so das LAG unter 3.b. seiner Entscheidung, dass der Arzt (Praxisvertreter) nach der Vereinbarung der Parteien nicht als angestellter Arzt, sondern »freiberuflich« tätig werden und selbst die Steuern und Sozialbeiträge abführen sollte. Denn zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nach der ständigen Rspr. des BAG nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragspartner ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben.
Im Urteilsfall sprechen die folgenden Fallgestaltungen für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses:
Gem. den vertraglichen Vereinbarungen war der Praxisvertreter (Arzt) nicht berechtigt, seine Arbeitszeiten frei einzuteilen. Sie waren ihm detailliert einschließlich der Lage und Dauer der Pausen für insgesamt vier Arbeitstage/Woche vorgegeben. Der Arzt war aufgrund der Vereinbarung nicht mehr i.S.d. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB berechtigt war, seine Arbeitszeit zu bestimmen.
Von Bedeutung ist, dass der Arzt aufgrund der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten faktisch nicht die Möglichkeit hatte, in beachtlichem Umfang für weitere Auftraggeber tätig zu sein und dementsprechend werbend am Markt aufzutreten. Das aber wäre ein typisches Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit. Für weitere ärztliche oder sonstige berufliche Tätigkeiten hätten dem Arzt nur der Freitag und das Wochenende zur Verfügung gestanden.
Von Bedeutung ist, dass der Praxisvertreter (Arzt) über keine eigenen Betriebsmittel verfügte, sondern die Einrichtungen und Betriebsmittel der Praxis nutzte. Auch wenn dies nicht zwingend eine abhängige Beschäftigung begründet und der Arztvertreter die Arbeitszeiten der Mitarbeiter geändert, Möbel umgeräumt und sich als »Chef« geriert hat, ist doch festzustellen, dass der Arztvertreter in die Arbeitsabläufe der Praxis voll eingegliedert war. Die Tätigkeit des Arztvertreters war von der Praxis des Vertretenen geprägt, in deren Dienst er seine Arbeit verrichtete. Seine Arbeitsleistung war insoweit fremdbestimmt, weil sie sich als funktionsgerechte, dienende Teilhabe am Arbeitsprozess darstellte.
Entscheidend für ein Arbeitsverhältnis spricht schließlich, dass der Arztvertreter kein nennenswertes unternehmerisches Risiko trug, wie es für Selbstständige typisch ist. Zu einer erforderlichen eigenverantwortlichen Gestaltung der ärztlichen Tätigkeit gehört es nämlich, dass der Arzt ein wirtschaftliches Risiko trägt. Es muss maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt. Der Arztvertreter hingegen erhielt seine Vergütung von dem Vertretenen. Eine Abrechnung gegenüber den behandelten Patienten oder deren Kostenträgern nahm nicht er, sondern ausschließlich der Vertretene vor. Dass der Arztvertreter hälftig an den sog. IGEL-Leistungen beteiligt war, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht.
Bei den IGEL-Leistungen handelt es sich oftmals um Leistungen, deren Nutzen (noch) nicht ausreichend belegt ist und die daher in der ärztlichen Versorgung nicht im Vordergrund stehen. Die Beteiligung an den IGEL-Leistungen bot dem Arztvertreter daher keine wirkliche Chance, durch unternehmerisches Geschick und verantwortungsvolle Patientenbetreuung seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend hätte entscheidend hätte beeinflussen können. Erst recht hätten die hälftigen IGEL-Honorare nicht ausgereicht, eine eigene auskömmliche Altersversorgung aufzubauen.
Dass der Arztvertreter innerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten aufgrund der Abwesenheit des vertretenen Arztes seinen medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen gestalten konnte, im Wesentlichen keinen Einzelanweisungen des Vertreten unterlag und IGEL-Verträge und -Rezepte nach eigener Entscheidung ausgegeben bzw. abgeschlossen hatte, liegt an der Eigenart der ärztlichen Praxisvertretung und spricht nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Denn Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten kann das Weisungsrecht aufs Stärkste eingeschränkt sein.
Auch der Umstand, dass der Arztvertreter eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschließen musste, ändert an der Unselbstständigkeit der Tätigkeit nichts. Diese Verpflichtung wurzelt nicht in der Selbstständigkeit einer ärztlichen Tätigkeit, sondern ist berufsrechtlicher Natur. Ärzte sind seit jeher verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Ohnehin handelt es sich bei der Berufshaftpflichtversicherung nur um einen Aspekt, der die ärztliche Tätigkeit nicht entscheidend prägt.
Nach dem BFH-Urteil vom 19.1.2017 (V R 47/15, BFH/NV 2020, 931, LEXinform 0950711) kann die Tätigkeit eines freischaffenden Künstlers, der Gefangene in der sozialtherapeutischen Abteilung einer JVA kunsttherapeutisch betreut, aufgrund folgender Indizien als lediglich »scheinselbstständig« zu beurteilen sein:
Einbindung über einen mehrjährigen Zeitraum in den Gefängnisalltag sowie in die hierarchische Struktur der JVA,
Weisungsgebundenheit,
feste Arbeitszeiten,
festgelegter Arbeitsort,
vorgegebene Arbeitsbedingungen einschließlich der Vorgabe der Teilnehmer an den Therapieprogrammen.
Im Urteilsfall V R 47/15 war der Künstler im Rahmen seiner therapeutischen Tätigkeit nichtselbstständig tätig, sodass die Voraussetzungen einer Unternehmerstellung i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG nicht vorlagen.
Trotz vorliegender Gewerbeanmeldungen, der Ausstellung von Rechnungen und nicht festgelegter Arbeitszeiten können zu Sanierungsarbeiten eingesetzte polnische Handwerker lohnsteuerrechtlich als ArbN – und somit umsatzsteuerrechtlich als Nichtselbstständige – behandelt werden. Entscheidend ist die Lage der Gesamtumstände (FG Düsseldorf vom 21.10.2009, 7 K 3109/07, LEXinform 5010807, rkr.). Zwar hatten alle Handwerker unstreitig ein Gewerbe angemeldet und Rechnungen ausgestellt, aber bereits die Art der Abrechnung spricht für eine unselbstständige Tätigkeit. Sämtliche Rechnungen sind zeitraumbezogen. Die Rechnungen sind jeweils am ersten eines Monats erstellt worden und rechnen über den Vormonat ab. Die zeitraumbezogene Abrechnung ist typisch bei einem Arbeitsverhältnis. Auch die Höhe der monatlich abgerechneten Beträge war grundsätzlich – unabhängig von der erbrachten Leistung der Handwerker – gleichbleibend. Regelmäßig konnte in einem Monat, in dem voll gearbeitet wurde, über einen Betrag i.H.v. ca. 2 000 € bis 2 400 € abgerechnet werden. Die monatliche Abrechnungsweise zeigt deutlich, dass die Handwerker hier insoweit kein Unternehmerrisiko getragen haben, denn sie konnten – unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt eine Arbeit abgeschlossen war und unabhängig davon, ob das Ergebnis ihrer Arbeit zu beanstanden war oder nicht bereits dann mit monatlich gleichbleibenden Zahlungseingängen rechnen, wenn sie ihre Arbeitskraft in dem Monat zur Verfügung gestellt hatten.
Zur Umsatzsteuerpflicht der Vermittlung von osteuropäischen Pflegekräften sowie zur Unternehmereigenschaft der Pflegekräfte selbst hat das FG Niedersachsen mit Urteil vom 20.11.2014 (5 K 32/13, EFG 2015, 1232, UStB 2015, 185, LEXinform 5017852) entschieden, dass die Pflegekräfte selbstständig tätig sind. Im Urteilsfall waren folgende Umstände von besonderem Gewicht für die Selbstständigkeit der Tätigkeit der Pflegekräfte:
Die Tätigkeit der Betreuungskräfte werden auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung ausgeübt. So haben die Betreuungskräfte selbst mit den Pflegebedürftigen oder deren Vertreter den Betreuungsvertrag abgeschlossen und somit hieraus einen eigenen Anspruch auf Zahlung des »Betreuungsgeldes«.
Des Weiteren tragen die Betreuungskräfte auch das Unternehmerrisiko, dem ein besonderes Gewicht zukommt. Dies gilt insbes. für das Vergütungsrisiko. Sollten die Betreuungsbedürftigen bzw. deren Vertreter nicht das »Betreuungsgeld« zahlen, tragen die Betreuungskräfte selbst das Ausfallrisiko bzgl. dieser Gelder.
Auch äußert sich das von den Betreuungskräften zu tragende Unternehmerrisiko darin, dass sie keinen Anspruch gegen die Vermittlungsfirma (Agentur) auf Urlaub oder auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hatten. Wurde eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies nämlich auch für eine Selbstständigkeit.
Für das von den Betreuerinnen zu tragende Unternehmerrisiko spricht des Weiteren der Vergütungsausfall im Krankheits- oder Todesfall des Betreuungsbedürftigen. Die Betreuungskräfte hatten keinen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Entgelts, wenn die zu pflegende Person verstarb oder ins Krankenhaus kam. Erst mit der Vereinbarung eines neuen Betreuungsvertrages erhielten sie wieder ein »Betreuungsgeld«. Zwar mag der Regelfall gewesen sein, dass die Betreuungskräfte im direkten Anschluss an eine solche Situation wieder eine neue Arbeitsstelle erhalten haben; gleichwohl war nicht ausgeschlossen, dass ein Vergütungsausfall eintreten konnte.
Für die Annahme eines Unternehmerrisikos spricht weiter, dass die Pflegekräfte im Zusammenhang mit der Erbringung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei »Kundeninsolvenz« trugen.
Die Betreuungskräfte unterlagen in der alltäglichen Arbeit nicht einer Weisungsgebundenheit bzgl. Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit. Die Tätigkeit in den Haushalten der Pflegebedürftigen war so gestaltet, dass die Pflegekräfte selbstständig den Haushalt führten. Sie trugen allein die Verantwortung bzgl. der einzelnen Tätigkeiten. Die Agentur hatte keine Kenntnis über die tatsächlichen Abläufe zwischen den Betreuten und den Betreuerinnen. Diese wurden zwischen dem Betreuten und der Betreuungskraft direkt abgesprochen.
Weiterhin spricht auch für die Selbstständigkeit der Tätigkeit der Betreuungskräfte, dass deren Tätigkeit nicht einer »Kontrolle« durch die Agentur unterlag. Sie konnten auch in eigener Entscheidung für Ersatz sorgen. Auch diese Möglichkeit spricht für eine selbstständige Tätigkeit.
Weiterhin spricht für die Selbstständigkeit der Betreuungskräfte, dass sie von der Agentur sozialrechtlich als Selbstständige behandelt wurden. Ihr Gewerbe wurde bei den Gemeinden angemeldet. Die Agentur hatte auch eine sozialversicherungsrechtliche Anmeldung nicht vorgenommen. Diese sozialrechtliche Behandlung als Selbstständige spricht ebenfalls als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.
Auch die Gestaltung der Festsetzung der Betreuungsvergütung als eine Leistung, die von der Höhe der Servicegebühr unabhängig war, spricht für die Selbstständigkeit. Denn insoweit wird damit eine strenge Trennung zwischen der Betreuungsvergütung aufgrund des Betreuungsvertrages und der Servicegebühr aufgrund des Dienstleistungsvertrages dokumentiert
Zwar sah die Betreuungsvereinbarung zwischen der Pflegekraft und dem Pflegebedürftigen die Regelung von Arbeitszeiten vor (Rund-um-die-Uhr-Betreuung – 40 Arbeitsstunden pro Woche, 8 Arbeitsstunden pro Tag); jedoch ergibt sich daraus keine feste Arbeitszeit i.S.d. BFH-Rspr. (BFH vom 30.5.1996, V R 2/95, BStBl II 1996, 493 und vom 14.6.1985, VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 661). Die Betreuungskräfte konnten innerhalb dieser Grenzen weitgehend selbst ihre Arbeitszeit bestimmen.
Die Rechtsausführungen des FG Niedersachsen wurden durch das BFH-Urteil vom 11.11.2015 (V R 3/15, BFH/NV 2016, 795, LEXinform 0950155) bestätigt.
Zu den Tätigkeiten des Personals in regionalen Impf- oder Testzentren und mobilen Impf- oder Testteams zur Durchführung von Impfungen gegen SARS-CoV-2 und von Tests zur Feststellung einer SARS-CoV-2-Infektion nimmt die OFD Frankfurt mit Vfg. vom 15.3.2021 (S 2331 A – 49 – St 210, LEXinform 7012706) Stellung (s.a. LfSt Rheinland-Pfalz vom 1.4.2021, S 2331/S 2121 A – St 6/St 31 3, SIS 21 11 66).
Personen, die in regionalen Impfzentren oder mobilen Impfteams beschäftigt sind (ärztliches und anderes Personal), üben insoweit regelmäßig eine nichtselbstständige Tätigkeit aus. Gleiches gilt für Personen, die in einem Testzentrum i.S.d. Coronavirus-Testverordnung oder einem dort angegliederten mobilen Testteam tätig werden.
Hierfür spricht insbes., dass
die Mitarbeiter weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit sind,
die Mitarbeiter notwendigerweise eng mit anderen Mitarbeitern zusammenarbeiten,
die Mitarbeiter in die Organisation des Impfzentrums/Impfteams bzw. Testzentrums/Testteams eingegliedert sind,
die Organisation und Durchführung der Tätigkeit vorgegeben wird,
die Mitarbeiter kein eigenes Kapital einsetzen,
Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden,
die Mitarbeiter ihre Arbeitskraft schulden, nicht aber einen Arbeitserfolg.
Der Einordnung als nichtselbstständige Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen eine nichtselbstständige Tätigkeit ausdrücklich ausgeschlossen werden oder ausdrücklich eine selbstständige Tätigkeit vorliegen soll. Auf die arbeitsrechtliche oder sozialversicherungsrechtliche Behandlung kommt es ebenfalls nicht an. Die an diese Beschäftigten gezahlten Vergütungen unterliegen folglich dem Lohnsteuerabzug.
In der Praxis werden häufig Honorarverträge geschlossen. Unterbleibt der Lohnsteuerabzug aufgrund solcher getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und ist für die Tätigkeit nach §§ 130, 131 SGB IV keine Beitragspflicht zur Sozialversicherung gegeben, erfolgt die Besteuerung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens; eine nachträgliche Erhebung der Lohnsteuer kommt insoweit aus Vereinfachungsgründen nicht in Betracht.
Die nichtselbstständig in den regionalen Impfzentren und den Testzentren sowie in den jeweils angegliederten mobilen Teams beschäftigten Personen sind keine Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG. Insoweit fällt keine Umsatzsteuer an.
Die Einnahmen von Beschäftigten, die nebenberuflich im Dienst einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallenden Einrichtung in einem Impfzentrum/Testzentrum oder mobilen Impfteam/Testteam im Impf- oder Testbereich (Aufklärung, Impfung, Test) bei der Durchführung von Impfungen gegen SARSCoV-2 oder Tests mitwirken, sind für die VZ 2020 und 2021 nach § 3 Nr. 26 EStG begünstigt. Nebenberuflichkeit ist gegeben, wenn die Tätigkeit – bezogen auf das Kj. – nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nimmt und nicht als Teil der Haupttätigkeit anzusehen ist (R 3.26 Abs. 2 LStR).
Die Einnahmen von Beschäftigten, die keine qualifizierte Tätigkeit mit und gegenüber Menschen verrichten (z.B. Impfzentren-Leitung, Infrastruktur), sind für die VZ 2020 und 2021 nach § 3 Nr. 26a EStG begünstigt, wenn die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift im Einzelfall erfüllt sind.
Das BMF-Schreiben vom 31.5.2007 (BStBl I 2007, 503) nimmt zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen eines Gesellschafters Stellung. Die Grundsätze des BMF-Schreibens und die dort genannten Beispiele sind im Wesentlichen in Abschn. 1.6. Abs. 3 bis 6 und Abschn. 2.2. UStAE enthalten.
Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 12.12.2008 (S 7100 A – 82 – St 110, UR 2009, 500, LEXinform 5232039) nimmt zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft Stellung und ergänzt die Ausführungen des BMF-Schreibens vom 31.5.2007 (BStBl I 2007, 503).
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Leistungen richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt,
die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft abgegolten werden oder
die gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind.
Sonderentgelt liegt dann vor, wenn
die Geschäftsführungsvergütung unabhängig vom Betriebsergebnis gewährt wird. Dies gilt auch dann, wenn ein sog. Mischentgelt vorliegt (vgl. Abschn. 1.6. Abs. 5 UStAE);
die Vergütung bei der Gewinnermittlung der Gesellschaft als Aufwand behandelt wurde oder sich mangels einer Buchführungspflicht der Gesellschaft gleichwohl ergebnismindernd (z.B. als WK bei Vermietungsgesellschaften) auswirkt;
ein Management-Fee gezahlt wird (Abschn. 1.6. Abs. 4 Beispiel 6 UStAE). Management-Fee ist eine jährliche Verwaltungsgebühr, die direkt aus dem Fondsvermögen abgezogen wird, um Kosten der Fondsgesellschaft und des Fondsmanagements zu decken. Sie wird an die Fondsleitung für die Verwaltung des Anlagefonds gezahlt;
es sich aus den Gesamtumständen des Einzelfalls und nach den Vorstellungen der Gesellschafter ergibt (insbes. bei der Fondsverwaltung und Anlageberatung), auch wenn die Leistung als Vorabgewinn behandelt wurde (s.a. Abschn. 1.6. Abs. 4 Satz 7 Beispiel 7 UStAE);
eine Haftungsvergütung gewährt wird (s.a. Abschn. 1.6. Abs. 6 mit Beispiel UStAE; BFH vom 3.3.2011, V R 24/10, BStBl II 2011, 950 und BMF vom 14.11.2011, BStBl I 2011, 1158).
Keine Sonderentgelte sind
Sonderzahlungen, die nur im Falle eines Gewinns der Gesellschaft gezahlt werden;
isolierte Haftungsvergütungen. Nach Abschn. 1.6. Abs. 6 UStAE kann auch die isolierte Haftungsvergütung Gegenstand eines Leistungsaustauschs sein (s.o.). Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn eine gegen Sonderentgelt erbrachte isolierte Haftungsübernahme vor dem 1.1.2012 als nicht umsatzsteuerbar behandelt wird (BMF vom 14.11.2011, BStBl I 2011, 1158). Diese Übergangsregelung kann nicht auf Fälle angewendet werden, in denen die Komplementär-GmbH Geschäftsführungs- oder Vertretungsleistungen gegen Sonderentgelt erbracht und daneben eine Haftungsvergütung erhalten hat (s.a. Vfg. OFD Karlsruhe vom 15.1.2013, S 7100, LEXinform 5234711; FG Schleswig-Holstein vom 27.4.2016, 4 K 108/13, LEXinform 5019043);
Entnahmen, zu denen der Gesellschafter nach seinem Anteil an der Gesellschaft berechtigt ist. Ausgenommen hiervon sind vereinbarte garantierte Entnahmerechte, die bei Übersteigen des Gewinnanteils nicht zu einer Rückzahlungsverpflichtung führen (Abschn. 1.6. Abs. 4 Satz 12 und 13 UStAE).
Natürliche Personen, die als Gesellschafter Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen ausführen, werden unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG selbstständig tätig. Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist nach Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 1 UStAE für die USt, ESt und GewSt nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, dabei ist nach Abschn. 2.2. Abs. 1 Satz 5 UStAE das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend.
Die nach denselben Grundsätzen zu beurteilende Frage der Selbstständigkeit oder Nichtselbstständigkeit natürlicher Personen führt bei zutreffender rechtlicher Würdigung regelmäßig ertragsteuerrechtlich und umsatzsteuerrechtlich zu gleichen Ergebnissen. Dies gilt jedoch nicht, wenn Vergütungen für die Ausübung einer bei Anwendung dieser Grundsätze nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit in ertragsteuerlicher Hinsicht aufgrund der Sonderregelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu Gewinneinkünften umqualifiziert werden. Diese Regelung dient lediglich der möglichst einheitlichen Ertragsbesteuerung von Einzel- und Mitunternehmern und beinhaltet keine Aussage zur Selbstständigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG.
Beispiel 2:
A ist Geschäftsführer und einziger Gesellschafter der vom ihm gegründeten GmbH. A hat mit der Gesellschaft einen Arbeitsvertrag geschlossen, nach dem er ein festes Monatsgehalt und einmal jährlich ein Urlaubsgeld i.H.v. 8 % seines Jahresgehalts erhält. Von seinem Gehalt behält die GmbH LSt und Sozialversicherungsbeiträge ein. Er ist der einzige ArbN der Gesellschaft.
Lösung 2:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem EuGH-Urteil vom 18.10.2007 (C-355/06, UR 2007, 889, LEXinform 5210676). S.a. die Erläuterungen unter → Organschaft.
Eine natürliche Person, die aufgrund eines Arbeitsvertrags mit einer stpfl. Gesellschaft, deren einziger Gesellschafter, Geschäftsführer und Mitarbeiter sie im Übrigen ist, alle Arbeiten im Namen und auf Rechnung dieser Gesellschaft ausführt, gilt selbst nicht als Stpfl. i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL.
Als ArbN kann A kein Organträger sein. S.a. die Anmerkung von Widmann, UR 2007, 891.
Mit Urteil vom 14.4.2010 (XI R 14/09, BStBl II 2011, 433) hat der BFH klargestellt, dass auch ein geschäftsführender Komplementär einer KG umsatzsteuerrechtlich unselbstständig sein kann (s.a. Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 3 UStAE).
Beispiel 3:
S.a. Beispiel 2 in Abschn. 2.2. Abs. 2 UStAE.
Der Kommanditist einer KG erhält von dieser eine Tätigkeitsvergütung für seine Geschäftsführungsleistung gegenüber der KG. Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsvertrag geschlossen, der u.a. Urlaubsanspruch, feste Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Weisungsgebundenheit regelt und bei Anwendung der für das Ertrag- und Umsatzsteuerrecht einheitlichen Abgrenzungskriterien zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führen würde.
Lösung 3:
Einkommensteuerrechtlich erzielt der Kommanditist aus der Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; umsatzsteuerrechtlich ist er dagegen nicht selbstständig tätig.
Beispiel 4:
S.a. Beispiel 3 in Abschn. 2.2. Abs. 2 UStAE.
Ein bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG angestellter Geschäftsführer, der gleichzeitig Kommanditist der KG ist, erbringt Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen gegenüber der GmbH.
Lösung 4:
Aus ertragsteuerrechtlicher Sicht wird unterstellt, dass die Tätigkeit selbstständig ausgeübt wird; die Vergütung für die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistung gegenüber der Komplementär-GmbH gehört zu den Einkünften als (selbstständiger) Mitunternehmer der KG und wird zu gewerblichen Einkünften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG umqualifiziert. In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ist die Frage der Selbstständigkeit jedoch weiterhin unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zu beurteilen.
Nach dem BFH-Urteil vom 14.5.2008 (XI R 70/07, BStBl II 2008, 912) können Geschäftsführungs- und Vertreterleistungen des Mitglieds eines Vereinsvorstandes gegenüber dem Verein gegen Gewährung von Aufwendungsersatz im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschs erbracht werden. Bei Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens liegt keine ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG vor.
Eine entgeltliche Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar ist, liegt dann vor, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Entgeltliche Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen sind auch dann steuerbar, wenn es sich bei dem Leistenden um ein Organ des Leistungsempfängers handelt.
Seine frühere Rspr., nach der das Handeln als Organ einer PersGes nicht Gegenstand eines entgeltlichen Leistungsaustausches sein konnte, hat der BFH durch Urteil vom 6.6.2002 (V R 43/01, BStBl II 2003, 36) aufgegeben. Die Aufgabe der Organwalter-Rspr. ist über die in dem BFH-Urteil vom 6.6.2002 (V R 43/01, BStBl II 2003, 36) bereits entschiedene Fallgestaltung bei PersGes hinaus im Hinblick auf die Rechtsformneutralität der USt allgemein zu beachten.
Gegen die Steuerbarkeit kann nicht angeführt werden, dass es sich bei der gewährten Vergütung um einen bloßen »Auslagen- und Kostenersatz« handelt. Denn selbst wenn dies zuträfe, würde der bloße Aufwendungsersatz nach ständiger Rspr. ausreichen, um das Vorliegen eines Entgelts zu begründen (vgl. z.B. BFH Urteile vom 7.3.1996, V R 29/93, BFH/NV 1996, 858; vom 18.3.2004, V R 101/01, BStBl II 2004, 798; vom 16.1.2003, V R 92/01, BStBl II 2003, 732; vom 11.4.2002, V R 65/00, BStBl II 2002, 782; vom 1.2.2007, V R 69/05, BFH/NV 2007, 1205, LEXinform 5903462).
Der Vereinspräsident war als Unternehmer auch selbstständig tätig. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG handeln natürliche Personen nicht selbstständig, wenn sie in einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Dabei ist nach der Rspr. des BFH das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Dementsprechend sind die für und gegen die Selbstständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kommt es für die Beurteilung der Selbstständigkeit von Geschäftsführungsorganen nicht darauf an, ob die natürliche Person berechtigt ist, Zeit, Umfang und Ort der Tätigkeit nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Entscheidend ist vielmehr die inhaltliche Weisungsgebunden- oder Weisungsfreiheit. So sind z.B. die Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG selbstständig tätig, da sie keinen Weisungen unterliegen. Ebenso handeln die Mitglieder des Beirats einer KG sowie Mitglieder einer an Weisungen nicht gebundenen Kommission selbstständig. Im Urteilsfall ergibt sich die Selbstständigkeit der durch den Präsidenten gegenüber dem Verein ausgeübten Tätigkeit bereits daraus, dass er seine Tätigkeit als Mitglied und Präsident des Vereinsvorstands weitgehend weisungsfrei ausübte. Ob und in welchem Umfang der Stpfl. darüber hinaus ein Unternehmerrisiko zu tragen hatte, spielt daher keine Rolle. Ebenso wie bei einem Aufsichtsratsmitglied kommt es in diesem Fall für die Begründung der Unternehmereigenschaft nicht auf den Einsatz eigenen Kapitals oder eine schwankende Höhe der Einnahmen oder Ausgaben an.
Zur Abgrenzung der selbstständigen von der nichtselbstständigen Geschäftsführertätigkeit s.a. das Urteil des FG Köln vom 19.9.2006 (6 K 2049/05, LEXinform 5003620).
Beispiel 5:
Mit Wirkung ab 25.2.2024 gründen die beiden Unternehmer A und B die A & B OHG in Landau/Pfalz. A war bisher als selbstständiger Architekt und B als Bauunternehmer tätig. Die OHG bebaut als Bauträger ausschließlich eigene Grundstücke zum Zwecke des Verkaufs.
A veräußert sein Architekturbüro im Zusammenhang mit der OHG-Gründung an den Architekten X. Die Veräußerung umfasst sämtliche Praxisgegenstände, die Büroausstattung sowie den gesamtem Mandantenstamm. Das Gebäude des A in der Landauer Innenstadt, in dem das Architekturbüro betrieben wird, behält A und vermietet die bisher eigengenutzten Praxisräume ab 1.2.2024 langfristig für 10 Jahre an X. Für die Übernahme der Architektenpraxis zahlt X an A 800 000 €.
Zur Gründung der OHG bringt A die 800 000 € in bar in die OHG ein.
B verständigt sich mit A darauf, dass er statt Barvermögen sein bisherigen Bauunternehmen in die OHG einbringt. Ein unabhängiger Gutachter schätzt den Wert des Unternehmens auf 800 000 €.
Als Geschäftsführer führt A die steuerlichen und finanziellen Geschäfte der OHG und erhält dafür eine monatliche Vergütung von 5 000 €.
B kümmert sich um das Kaufen, Bebauen und Verkaufen der Grundstücke. Seine Tätigkeit ist mit seiner Beteiligung am Gewinn der OHG abgegolten.
Lösung 5:
Ab 25.2.2024 ist die OGH Unternehmerin nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG (Abschn. 2.2. Abs. 5 Satz 1 UStAE).
A begründet allein mit dem Erwerben seiner Beteiligung an der OHG keine Unternehmerstellung (Abschn. 2.3. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Mit der Bareinlage, die A an die OHG leistet, findet zwischen A und der OHG kein Leistungsaustausch statt (Abschn. 1.6. Abs. 1 Satz 3 UStAE). Auch die OHG erbringt mit der Aufnahme des Gesellschafters A an diesen keinen steuerbaren Umsatz (Abschn. 1.6. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Bei der Übertragung des Architekturbüros auf X handelt es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG. Entscheidend ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Erwerber dies auch beabsichtigt (Abschn. 1.5. Abs. 1 Satz 2 UStAE; → Geschäftsveräußerung).
Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt z.B. auch dann vor, wenn einzelne wesentliche WG, insbes. auch die dem Unternehmen dienenden Grundstücke, nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den Erwerber gewährleistet ist (vgl. BFH vom 15.10.1998, V R 69/97, BStBl II 1999, 41 und vom 4.7.2002, V R 10/01, BStBl II 2004, 662). Hierfür reicht eine langfristige Vermietung oder Verpachtung für z.B. acht Jahre aus (Abschn. 1.5. Abs. 3 Satz 2 und 3 UStAE).
Mit der Vermietung der Immobilie in Landau ist A (ab dem 1.2.2024) weiterhin Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG. Ab dem 25.2.2024 erweitert A seine Unternehmertätigkeit mit der Geschäftsführertätigkeit für die OHG. Die Geschäftsführertätigkeit wird gegen Sonderentgelt ausgeführt und ist damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet (Abschn. 1.6. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE).
B ist bis zum Ablauf des 24.2.2024 Unternehmer mit seinem Bauunternehmen. Mit der Übertragung seines Unternehmens zum 25.2.2024 auf die OHG endet seine unternehmerische Tätigkeit (Abschn. 2.6. Abs. 6 Satz 1 UStAE). Das bloße Erwerben der OHG-Beteiligung begründet allein keine unternehmerische Tätigkeit (Abschn. 2.3. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Auch mit der Geschäftsführertätigkeit wird B nicht zum Unternehmer, da die Tätigkeit als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft abgegolten und nicht gegen ein Sonderentgelt ausgeführt wird (Abschn. 1.6. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE).
Die Sacheinlage seines Bauunternehmens in die OHG stellt für B eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG dar. Die bisherige Bautätigkeit des B wird von der OHG fortgeführt, da die OGH eigene Grundstücke bebaut.
Hinweis:
Zur Unternehmertätigkeit s. Nürnberg, Übungsklausur aus dem Umsatzsteuerrecht, SteuerStud 7/2024, 447.
Zur Qualifizierung der Einkunftsart eines angestellten Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter nimmt das BMF-Schreiben vom 28.7.2009 (BStBl I 2009, 864) Stellung (Vfg. der OFD Frankfurt vom 20.1.2010, S 7104 A – 81 – St 110, DStR 2010, 2135, SIS 10 27 81). Die von einem für eine Rechtsanwaltskanzlei als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt ausgeführten Umsätze sind der Kanzlei zuzurechnen. Dies gilt sowohl für einen – ausschließlich als Insolvenzverwalter tätigen – angestellten Rechtsanwalt als auch für einen an der Kanzlei als Gesellschafter beteiligten Rechtsanwalt, selbst wenn dieser ausschließlich als Insolvenzverwalter tätig ist und im eigenen Namen handelt. Die Rechtsanwaltskanzlei rechnet über diese Umsätze im eigenen Namen und unter Angabe ihrer eigenen Steuernummer ab (§ 14 Abs. 4 UStG).
Zwischen der Rechtsanwaltskanzlei und dem Rechtsanwalt findet insofern kein Leistungsaustausch statt.
Die Tätigkeit muss auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen liegt vor, wenn diese im Rahmen eines Leistungsaustausches (→ Leistungsaustausch) ausgeübt wird. Die Unternehmereigenschaft setzt grundsätzlich voraus, dass Lieferungen oder sonstige Leistungen gegen Entgelt bewirkt werden (Abschn. 2.3. Abs. 8 Satz 4 UStAE). Bei einem vorübergehenden Verzicht auf Einnahmen kann i.d.R. nicht bereits eine unentgeltliche nichtunternehmerische Tätigkeit angenommen werden (BFH vom 7.7.2005, V R 78/03, BStBl II 2005, 849; Abschn. 2.3. Abs. 8 Satz 5 UStAE).
Mit Urteil vom 7.9.2006 (V R 6/05, BStBl II 2007, 148) hat der BFH entschieden, dass ein Testamentsvollstrecker, der über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl von Handlungen vornimmt, regelmäßig nachhaltig und damit unternehmerisch tätig wird; dies gilt auch bei einer »Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung« (Anschluss an BFH-Urteile vom 26.9.1991, V R 1/87, BFH/NV 1992, 418, und vom 30.5.1996, V R 26/93, BFH/NV 1996, 938, LEXinform 0135768). Die unternehmerische Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers unterliegt auch dann der USt, wenn sie aus privatem Anlass aufgenommen wurde; die Rspr. des EuGH zur »nur gelegentlichen« Ausführung von Umsätzen durch Nutzung privater Gegenstände kann hierzu nicht erweiternd angewendet werden.
Maßgeblich für die Unternehmereigenschaft ist nicht die tatsächliche Einnahmeerzielung, sondern die Einnahmeerzielungsabsicht (Abschn. 2.6. Abs. 1 UStAE). Die Ernsthaftigkeit dieser Absicht muss durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. Der Nachweis der Ernsthaftigkeit der Unternehmertätigkeit und somit der Einnahmeerzielungsabsicht ist abhängig von den bezogenen Leistungen.
Eine zunächst angenommene Unternehmereigenschaft ist nur dann nach § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2 oder § 173 Abs. 1 AO durch Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung rückgängig zu machen, wenn später festgestellt wird, dass objektive Anhaltspunkte für die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs nicht vorlagen, die Verwendungsabsicht nicht in gutem Glauben erklärt wurde oder ein Fall von Betrug oder Missbrauch vorliegt (Abschn. 2.6. Abs. 3 Satz 4 UStAE).
Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche, d.h. nachhaltige und auf Einnahmeerzielung gerichtete selbstständige Tätigkeit des Unternehmers (sog. Einheitstheorie). Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Tätigkeiten in einem organisatorischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander stehen (Abschn. 2.7. Abs. 1 UStAE).
Beispiel 6:
Unternehmer A besitzt in Stuttgart eine Nachtbar, in Ludwigsburg eine Gaststätte und in Heilbronn eine Metzgerei.
Lösung 6:
Umsatzsteuerrechtlich gehören zum Unternehmen des A die Nachtbar in Stuttgart, die Gaststätte in Ludwigsburg und die Metzgerei in Heilbronn. Dass evtl. einkommensteuerrechtlich die drei Geschäftsbetriebe gesondert geführt werden können, bzw. gesonderte Buchführungen vorliegen, spielt umsatzsteuerrechtlich keine Rolle.
Folge dieser Annahme eines einzigen Unternehmens ist z.B., dass alle Umsätze, die von den einzelnen Geschäftsbetrieben ausgeführt worden sind, in einer USt-Voranmeldung oder USt-Erklärung zusammengefasst werden müssen.
Örtlich zuständig ist dabei das FA, in dessen Bezirk der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 21 AO). Das Unternehmen wird i.d.R. von dem Ort aus betrieben, wo sich die geschäftliche Oberleitung (Büro, Chefzimmer) befindet.
Befindet sich die geschäftliche Oberleitung im o.g. Fall in Heilbronn, ist das FA Heilbronn für die USt-Erklärungen zuständig. Dies gilt somit auch für die Umsätze der Geschäftsbetriebe in Stuttgart und Ludwigsburg.
Werden zwischen den einzelnen Geschäftsbetrieben Waren »verkauft«, handelt es sich umsatzsteuerrechtlich um Innenumsätze. Diese Innenumsätze sind umsatzsteuerrechtlich ein nicht steuerbarer Vorgang (Abschn. 2.7. Abs. 1 Satz 3 UStAE). Ein USt-Ausweis in Rechnungen darf in diesen Fällen nicht erfolgen, ist aber auch nicht schädlich (s. Abschn. 14.1. Abs. 4 UStAE). Die »Rechnungen« für Innenumsätze mit gesondertem Steuerausweis berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug (Abschn. 15.2a. Abs. 12 UStAE).
Zum Rahmen des Unternehmens gehören nicht nur die Grundgeschäfte, sondern auch die Neben- und Hilfsgeschäfte (Abschn. 2.7. Abs. 2 UStAE). Als Nebengeschäft werden Leistungen erbracht, die neben der Haupttätigkeit (Grundgeschäfte) anfallen und mit dieser in einem sachlichen Zusammenhang stehen, ihr aber untergeordnet sind.
Nach dem EuGH-Urteil vom 13.6.2013 (C-62/12, UR 2013, 626, LEXinform 0589399, s.o. unter »Verkäufe über eBay«) ist Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen, dass eine natürliche Person, die bereits für ihre Tätigkeit als selbstständiger Gerichtsvollzieher mehrwertsteuerpflichtig ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als Stpfl. anzusehen ist, sofern diese Tätigkeit eine Tätigkeit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL darstellt. Danach muss auch die gelegentlich ausgeübte Tätigkeit eine wirtschaftliche Tätigkeit sein.
Beispiel 7:
Die K-GmbH ist die geschäftsführende Komplementär-GmbH der A GmbH & Co. KG (A-KG). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der K-GmbH sowie alleiniger Kommanditist der A-KG ist K. Die K-GmbH erhält als Komplementär-GmbH eine Haftungsvergütung von 2 500 € im Jahr und verzichtet auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung.
Im Kj. 25 erwirbt die K-GmbH von der B KG ein Fahrzeug zu einem Kaufpreis i.H.v. 319 327,73 € zzgl. 60 672,27 € USt und von der C GmbH ein Fahrzeug zu einem Kaufpreis i.H.v. 125 966,38 € zzgl. 23 933,62 € USt. In der Bilanz der K-GmbH werden die Fahrzeuge im Umlaufvermögen als sonstige Vermögensgegenstände aktiviert.
In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen macht die K-GmbH allein Vorsteuerbeträge geltend, die fast ausschließlich auf die Anschaffung der Fahrzeuge entfallen.
Das FA lässt den Vorsteuerabzug nicht zu. Im Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrzeuge habe kein objektiver und zweifelsfrei erkennbarer Zusammenhang mit einer beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit der K-GmbH bestanden. Die K-GmbH sei nur als Komplementär-GmbH tätig und erziele hieraus eine Haftungsvergütung. Eine Zuordnung der angeschafften Fahrzeuge zum unternehmerischen Bereich sowie der entsprechende Vorsteuerabzug schieden danach aus. Es sei ferner ungewöhnlich, einer Komplementär-GmbH Vermögen in solcher Höhe zuzuführen.
Des Weiteren sei die Anschaffung der Fahrzeuge nicht im Zuge einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt, weil es sich hierbei unter Berücksichtigung der Rspr. des EuGH um nur private Vermögensverwaltung handele, nämlich um den bloßen Erwerb und Verkauf einzelner Gegenstände. Es fehlten die notwendigen Nachweise der Durchführung bewährter Vertriebsmaßnahmen oder eines aktiven Tätigwerdens, die im Anschaffungszeitpunkt den Rückschluss auf eine wirtschaftliche Tätigkeit zuließen. Die Anschaffungen der Fahrzeuge stünden in keinem nachgewiesenen Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Anderenfalls ergäbe sich für Luxusgegenstände ein grenzenloser Vorsteuerabzug, der nicht i.S.d. Gesetzgebers sei. Ferner seien die Fahrzeuge als limitierte Auflagen namhafter Automobilhersteller als Sammlerstücke – wie bei Münz- und Briefmarkensammlern – anzusehen.
Das FG gab der Klage der K-GmbH statt (FG Baden-Württemberg vom 27.7.2021, 1 K 1268/18, EFG 2022, 438). Die K-GmbH sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, da sie als geschäftsführende Komplementär-GmbH der A KG Unternehmerin sei. Ihr Unternehmen umfasse die gesamte gewerbliche Tätigkeit, wozu auch nur gelegentliche Tätigkeiten wie der Erwerb der beiden Fahrzeuge als Wertanlage mit dem Ziel eines späteren Verkaufs – und damit mit Einnahmenerzielungsabsicht – gehörten. Die K-GmbH habe die Fahrzeuge mit Verkaufsabsicht erworben, was für den Vorsteuerabzug ausreiche.
Lösung 7:
Der Sachverhalt und die Lösung entsprechen dem BFH-Urteil vom 8.9.2022 (V R 26/21, BStBl II 2023, 361).
Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbes. die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen (Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 MwStSystRL). Der Begriff »Nutzung« i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL bezieht sich auf alle Vorgänge, die – ungeachtet ihrer Rechtsform – darauf abzielen, aus einem Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Allerdings sind der bloße Erwerb und der bloße Verkauf eines Gegenstands keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, da das einzige Entgelt aus diesen Vorgängen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf des Gegenstands besteht (BFH V R 26/21, Rz. 14).
Nach der Entscheidung des BFH (Rz. 22) begründet der Erwerb der Fahrzeuge als solcher bei eigenständiger Betrachtung keine wirtschaftliche oder unternehmerische Tätigkeit der K-GmbH. Anhaltspunkte dafür, dass sie über den bloßen Erwerb und den Verkauf der Fahrzeuge hinaus die Absicht hatte, die Fahrzeuge unternehmerisch zu verwenden, liegen nicht vor. Etwaige Tätigkeiten, die über ein Handeln zur Veräußerung privater Gegenstände hinausgingen oder auf eine unternehmerische Nutzung hindeuteten, sind nicht manifestiert. Die K-GmbH hat beide Fahrzeuge tatsächlich nicht genutzt. Sie standen verschlossen, abgedeckt und nicht zugelassen in einer Halle.
Der Erwerb der Fahrzeuge ist auch nicht als Erweiterung der Haupttätigkeit der K-GmbH anzusehen. Zwar erbringt die K-GmbH stpfl. Leistungen der Geschäftsführung und Haftungsübernahme gegenüber der A KG, für die sie eine Festvergütung erhält, und ist danach Unternehmerin i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Die Fahrzeugerwerbe sind jedoch keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung ihrer steuerbaren Tätigkeit, die gleichfalls zu einem Handeln als Stpfl. führt. Die Tätigkeit der K-GmbH in Bezug auf die Fahrzeuge unterscheidet sich nicht von einem privaten Erwerb eines Vermögenswertes durch eine Sammlerin, der unverändert ggf. gewinnbringend infolge Zeitablaufs veräußert werden soll (s.a. Anmerkung vom 18.1.2023, LEXinform 0888753).
Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt sind. Liegt Organschaft vor, sind die untergeordneten juristischen Personen (Organgesellschaften, Tochtergesellschaften) ähnlich wie Angestellte des übergeordneten Unternehmens (Organträger, Muttergesellschaft) als unselbstständig anzusehen; Unternehmer ist der Organträger (Abschn. 2.8. Abs. 1 UStAE; → Organschaft).
Organträger kann jeder Unternehmer sein. Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann Organträger sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist (Abschn. 2.8. Abs. 2 Satz 1 und 2 UStAE). Als Organgesellschaften kommen regelmäßig nur juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht (Abschn. 2.8. Abs. 2 Satz 4 UStAE). Zur Eingliederung einer PersGes s. Abschn. 2.8. Abs. 5a UStAE mit Beispielen (s.a. Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort »Organschaft«, 125. EL.).
Die Unternehmereigenschaft endet mit dem letzten Tätigwerden (Abschn. 2.6. Abs. 6 UStAE). Der Zeitpunkt der Einstellung oder Abmeldung eines Gewerbebetriebs ist unbeachtlich. Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem (aufgegebenen) Betrieb in Zusammenhang stehen. Die spätere Veräußerung von Gegenständen des BV oder die nachträgliche Vereinnahmung von Entgelten gehören noch zur Unternehmertätigkeit.
Die Besteuerungsart beeinflusst den Besteuerungszeitraum. Der Zeitpunkt, zu dem der letzte entgeltliche Umsatz ausgeführt wurde, ist für die Bestimmung des abgekürzten Besteuerungszeitraumes bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) maßgebend. Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) ist der Zeitpunkt der Vereinnahmung des letzten Entgeltes für das Ende des verkürzten Besteuerungszeitraumes maßgebend (OFD Magdeburg vom 10.9.2014, S 7345 – 2 – St 243, UR 2014, 954, LEXinform 5235340).
Eine Einstellung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn
der Unternehmer nur einen seiner Betriebe (Unternehmensteil) aufgibt,
Anhaltspunkte vorliegen, dass nach der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit im betreffenden Kj. andere steuerbare Umsätze (z.B. steuerfreie Vermietungsumsätze) getätigt werden,
die unternehmerische Tätigkeit nur vorübergehend unterbrochen wird bzw. während eines Teils des Jahres ruht, weil die Absicht besteht, das Unternehmen weiterzuführen oder in absehbarer Zeit wieder aufleben zu lassen (z.B. Saison-Geschäfte wie Eisdielen, Vermietung von Strandkörben).
Nach den Ausführungen der OFD Frankfurt in ihrer Vfg. vom 31.10.2007 (S 7104 A – 47 – St 11, LEXinform 5231253) endet grundsätzlich die unternehmerische Tätigkeit, wenn der Unternehmer nachhaltig keine Umsätze mehr ausführt. Eine GmbH kann daher, auch wenn sie zivilrechtlich noch fortbesteht, die Unternehmereigenschaft verlieren, wenn sie auf Dauer gesehen keine Umsätze mehr ausführt.
Eine Gesellschaft besteht als Unternehmerin so lange fort, bis alle Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehört, beseitigt sind (BFH Beschluss vom 1.9.2010, XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, LEXinform 5905732).
Die Unternehmereigenschaft einer GmbH ist weder von ihrem Vermögensstand noch von ihrer Eintragung im Handelsregister abhängig. Eine aufgelöste GmbH kann auch noch nach ihrer Löschung im Handelsregister Umsätze im Rahmen ihres Unternehmens ausführen.
Der Verzicht auf eine unternehmerische Tätigkeit gegen »Entschädigung bzw. Schadensersatz« kann eine sonstige Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sein (BFH vom 6.5.2004, V R 40/02, BStBl II 2004, 854). In dem entschiedenen Fall hatte der Stpfl. verzichtet, sein Amt als Testamentsvollstrecker weiter auszuüben.
Mit Urteil vom 3.3.2005 (C-32/03 – I/S Fini H, UR 2005, 433) hat der EuGH zur Unternehmereigenschaft nach Einstellung des Unternehmens Folgendes entschieden: Art. 9 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass derjenige, der seine wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt hat, aber für die Räume, die er für diese Tätigkeit genutzt hatte, wegen einer Unkündbarkeitsklausel im Mietvertrag weiterhin Miete und Nebenkosten zahlt, als Stpfl. i.S. dieser Vorschrift anzusehen ist und die Vorsteuer auf die entsprechenden Beträge abziehen kann, soweit zwischen den geleisteten Zahlungen und der wirtschaftlichen Tätigkeit ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht und feststeht, dass keine betrügerische oder missbräuchliche Absicht vorliegt. In dem entschiedenen Fall stand der Firma von Oktober 03 bis September 08 ein Recht auf Vorsteuerabzug zu, obwohl das Unternehmen in dieser Zeit nicht betrieben wurde.
Englisch, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen, UR 2007, 290; Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Roth, Unternehmereigenschaft bei Verkauf von Sammlungsstücken, NWB 2012, 1966; Weimann, Veräußerung ererbter Unternehmensgüter durch selbst nicht unternehmerisch tätige Erben, UStB 2011, 129; Roth u.a., Abgrenzung zwischen Privatveräußerung und unternehmerischer Tätigkeit, UR 2014, 169; Jaster u.a., Die umsatzsteuerliche Behandlung von Vermögensverwaltungsleistungen, UStB 2013, 23; Meurer, Unternehmer oder Nicht-Unternehmer, das ist hier die Frage?, UStB 2012, 164; Salewski u.a., Der professionelle Spieler als Unternehmer, UStB 2020, 266; Jacobs, Betriebsstätte und feste Niederlassung im Umsatzsteuerrecht – Zugleich Anmerkung zu BFH vom 29.4.2020, XI R 3/18, UR 2020, 701; Kirchinger, Kehrtwende im Umgang mit Aufsichtsrats- und Gremienvergütungen aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht – Eindeutiges, Zweifelsfragen und Gestaltungserwägungen, UStB 2021, 290; Vogt, Sind die Umsätze der Prostituierten dem Besitzer/Betreiber des Clubs/Bordells oder der einzelnen Prostituierten zuzurechnen? – Anmerkung zu dem BGH-Beschl. v. 5.5.2022 – 1 StR 475/21, UR 2022, 790; Bihler, Die Umsatzbesteuerung von Aufsichtsratsmitgliedern, NWB 25/2022, 1770; Ulbrich, Praxisrelevante Aspekte beim sog. (Ehegatten-)Vorschaltmodell, UR 2023, 217; Klein, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Handels mit Treibhausgasminderungsquoten, NWB 44/2022, 3093. Nürnberg, Unternehmer nach § 2 UStG und umsatzsteuerliche Organschaft, SteuerStud 7/2024, 435.
→ Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden