1 Zivilrechtliche Regelungen
1.1 Gegenstand der Verjährung
1.2 Regelmäßige Verjährungsfrist
1.2.1 Dauer der Verjährungsfrist
1.2.2 Beginn der Verjährung
1.3 Besondere Verjährungsfristen
1.3.1 Dauer der Verjährungsfristen
1.3.2 Beginn der besonderen Verjährungsfristen
1.4 Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn
1.4.1 Hemmung
1.4.2 Ablaufhemmung
1.4.3 Neubeginn der Verjährung
1.4.4 Hemmungswirkung einer Klageerhebung nach § 204 BGB
1.5 Vertragliche Vereinbarungen
1.6 Wirkung der Verjährung
2 Verjährung im Steuerrecht
3 Verwandte Lexikonartikel
Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, unterliegt der Verjährung (§ 194 BGB).
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB drei Jahre. Die dreijährige Regelverjährung gilt für alle Ansprüche des BGB, für die nicht besondere Verjährungsvorschriften bestehen.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem
der Anspruch entstanden ist und
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB).
Ein Anspruch entsteht regelmäßig mit der Fälligkeit.
Das HGB und das BGB kennen unterschiedliche weitere Verjährungsfristen von
3 Monaten nach § 61 Abs. 2 HGB bei Schadensersatzansprüchen bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot;
6 Monaten nach § 548 Abs. 1 BGB bei Ansprüchen aus Mietverträgen;
2 Jahren
nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB bei Mängelansprüchen des Käufers;
nach § 479 Abs. 1 BGB bei Rückgriffsansprüchen des Unternehmers gegenüber seinem Lieferanten;
nach § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB bei Mängelansprüchen;
nach § 651g Abs. 2 BGB bei Ansprüchen des Reisenden;
5 Jahren
nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Mängelansprüchen des Käufers bei Bauwerken bzw. Baustoffen;
nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Mängelansprüchen an einem Bauwerk;
10 Jahren
nach § 196 BGB bei Rechten an einem Grundstück;
nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB bei bestimmten Schadensersatzleistungen;
30 Jahren
nach § 197 BGB bei Herausgabe aus Eigentum, rechtskräftig festgestellte Ansprüche, Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, im Insolvenzverfahren festgestellte vollstreckbare Ansprüche sowie Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung;
nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB bei einem dinglichen Recht eines Dritten, aufgrund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann;
nach § 199 Abs. 2 BGB bei Schadensersatzansprüchen, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an;
nach § 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB bei sonstigen Schadensersatzansprüchen ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis.
Die Verjährungsfrist von Ansprüchen, die nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist (§ 200 BGB).
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB). Das Fristende verschiebt sich um den Zeitraum der Hemmung nach hinten.
Die Verjährung wird gehemmt
durch Verhandlungen (§ 203 BGB), die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein;
durch Rechtverfolgung (§ 204 BGB);
durch Leistungsverweigerungsrecht (§ 205 BGB);
durch höhere Gewalt (§ 206 BGB);
wegen familiären und ähnlichen Gründen (§ 207 BGB);
wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 208 BGB).
Die Ablaufhemmung regelt den Nichteintritt der Verjährung bis zum Ablauf der Frist nach dem Wegfall des Hindernisses. Zur Ablaufhemmung siehe auch → Festsetzungsverjährung und AEAO zu § 171 AO.
Das BGB nennt Ablaufhemmungen in
§ 203 Satz 2 BGB. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein;
§ 204 Abs. 2 BGB. Die Ablaufhemmung beträgt sechs Monate;
§ 210 BGB. Die Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen beträgt sechs Monate;
§ 211 BGB. Die Ablaufhemmung in Nachlassfällen beträgt ebenfalls sechs Monate;
§ 479 Abs. 2 BGB. Die Ablaufhemmung im Zusammenhang mit Rückgriffsansprüchen endet spätestens fünf Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Lieferant die Sache dem Unternehmer abgeliefert hat.
Den Neubeginn der Verjährung regelt § 212 Abs. 1 BGB. Die Verjährung beginnt erneut, wenn
der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.
Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag wird durch die Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch bezüglich solcher Pflichtverletzungen gehemmt, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht sind (BGH vom 13.6.2023, XI ZR 464/21, WM 2023, 1415).
Verjährungsfristen können grundsätzlich abweichend von den gesetzlichen Regelungen vertraglich gestaltet werden. § 202 BGB schränkt die Vertragsfreiheit allerdings ein. Eine weitere Einschränkung enthält § 475 Abs. 2 BGB bezüglich der Mängelgewährleistungsansprüche (nicht weniger als zwei Jahre bzw. ein Jahr).
Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern. Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners (§ 214 BGB).
Durch Verjährung erlöschen Ansprüche aus dem → Steuerschuldverhältnis (§ 47 AO). Das Gesetz unterscheidet zwischen der → Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO) und der → Zahlungsverjährung (§§ 228 bis 232 AO). Durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) wurde die Strafverfolgungsverjährung nach § 376 Abs. 1 AO für die in § 370 Abs. 3 AO genannten besonders schweren Fälle der → Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre verlängert. Durch das JStG 2020 wurde die Verjährungsfrist auf 15 Jahre erhöht (§ 376 AO i.d.F. vom 21.12.2020; gültig ab 29.12.2020). Dadurch wird eine entsprechende Verfahrensweise mit der zehnjährigen Festsetzungsverjährungsfrist im Fall der Steuerhinterziehung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO erreicht. In den übrigen, in § 370 Abs. 3 AO nicht genannten Fällen, verbleibt es bei der Verfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB von fünf Jahren.
Mit einer Ergänzung in § 376 Abs. 1 AO wird gesetzlich klargestellt, dass auch bei der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen und der dort vorgesehenen 10-jährigen Verjährungsfrist die Ruhensregelung des § 78b Abs. 4 StGB anwendbar ist (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz). Nach § 376 Abs. 3 AO wurde die absolute Verjährungsfrist für Fälle des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO auf das Zweieinhalbfache (bisher: das 2-Fache) der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert. Beide Neuregelungen (Abs. 1 und Abs. 3) sind auf alle Fälle anwendbar, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (gültig ab 29.12.2020) eine Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Ausführliche Erläuterungen s. → Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO) und → Zahlungsverjährung (§§ 228 bis 232 AO).
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