Verluste bei beschränkter Haftung

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeiner Überblick
2 Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG
3 Bildung eines Korrekturpostens
4 Erweiterter Verlustausgleich des § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG
5 Haftung auf Grund des § 171 Abs. 1 i.V.m. § 172 Abs. 4 HGB
6 Einlageminderung i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 1, 2 sowie 4 und Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG
7 Zeitpunkt der Nachversteuerung
8 Umwandlung der Rechtsstellung
8.1 Vom Kommanditisten zum Komplementär
8.2 Vom Komplementär zum Kommanditisten
9 Anwendungsbereich des § 15a EStG
10 Literaturhinweise

1. Allgemeiner Überblick

Durch § 15a EStG wird die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten bei beschränkt haftenden Mitunternehmern (Kommanditisten) begrenzt (aber zu beachten: Kap. 9 – teilweise sinngemäße Anwendung der Vorschrift § 15a EStG). Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Auch ein Abzug nach § 10d EStG ist nicht möglich (→Verlustabzug nach § 10d EStG). Der Verlust eines beschränkt haftenden Kommanditisten soll sich steuerlich lediglich bis zum Betrag der Einlage bzw. Hafteinlage auswirken (§ 15a Abs. 1 EStG). Die weiteren Verluste sind in späteren Wj. mit Gewinnen aus der Beteiligung an der KG zu verrechnen (§ 15a Abs. 2 EStG). Die verrechenbaren Verluste sind nach § 15a Abs. 4 EStG jährlich gesondert festzustellen.

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Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15a EStG tritt u.a. nur dann ein, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Kapitalkontos ist der Bilanzstichtag des Wj., in welchem dem Kommanditisten der Verlustanteil zuzurechnen ist.

Beispiel 1:

Kommanditist K ist mit einer Hafteinlage i.H.v. 50 000 € an der A-KG beteiligt. Laut Gesellschaftsvertrag soll K insgesamt aber eine Bareinlage von 100 000 € leisten. K hat 100 000 € an die A-KG gezahlt. Im Jahr 01 entfällt auf K ein Verlustanteil von 90 000 €.

Lösung 1:

Kapitalkonto-entwicklung

ausgleichsfähige Verluste

gesondert festgestellte verrechenbare Verluste

(§ 15a Abs. 4 EStG)

geleistete Hafteinlage

50 000 €

»zusätzliche« Einlage

+ 50 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 90 000 €

90 000 €

Kapitalkonto 31.12.01

10 000 €

Der Verlust i.H.v. 90 000 € ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG voll ausgleichsfähig, da das Kapitalkonto nicht negativ geworden ist. Wenn möglich erfolgt zunächst ein horizontaler, dann ein vertikaler Verlustausgleich. Danach ist die Regelung des § 10d EStG zu beachten.

2. Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG

Zweck des § 15a EStG ist es, den steuerrechtlichen Verlustausgleich des Kommanditisten (beschränkt haftenden Gesellschafters) mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen auf den Haftungsbetrag am jeweiligen Bilanzstichtag – als Ausdruck seiner (aktuellen) wirtschaftlichen Belastung – zu begrenzen (BT-Drs. 8/3648, 16; BT-Drs. 8/4157, 3; BFH vom 14.12.1995, IV R 106/94, BStBl II 1996, 226, 230). Die Vorschrift beruht auf einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Typisierung, nach der – sowohl zur Vermeidung »unerwünschter Gestaltungsmöglichkeiten« als auch im Interesse einer möglichst einfachen Handhabung der Vorschrift – aufgrund des Kapitalkontenvergleichs gem. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Grundregel) die Zurechnung ausgleichsfähiger Verluste »grundsätzlich auf den Betrag der geleisteten Einlage« beschränkt wird und ein darüber hinausgehender – d.h. die geleistete Einlage überschreitender – Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (erweiterter Verlustausgleich) daran gebunden ist, dass der Kommanditist mit einer gegenüber der geleisteten Einlage höheren Haftsumme im Handelsregister eingetragen ist und somit im Verhältnis zu den Gläubigern der KG einer sog. überschießenden Außenhaftung unterliegt (§ 171 Abs. 1, § 172 Abs. 1 HGB). Hiernach kann es zwar nicht als allgemein gültiges Element des gesetzgeberischen Plans angesehen werden, in allen denkbaren Fällen eine Kongruenz von Haftungsumfang und steuerrechtlicher Verlustausgleichsmöglichkeit zu gewährleisten. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, dass – entsprechend dem Willen des Gesetzgebers – Einlagen nach Ablauf des Wj., für das verrechenbare Verluste festgestellt wurden, nicht dazu führen, diese in ausgleichsfähige Verluste umzuqualifizieren (vgl. § 15a Abs. 1a EStG).

Beispiel 2:

An der KG sind beteiligt

Kommanditist A (25 %)

Kommanditist B (25 %)

Komplementär C (50 %)

Kapitalkonto: ./. 20 000 €

Kapitalkonto: + 30 000 €

Kapitalkonto: 0 €

Verlust der KG: 200 000 €. Davon entfallen…

./. 50 000 €

./. 50 000 €

./. 100 000 €

Der Verlust i.H.v. 50 000 € ist nicht ausgleichsfähig, da sich das negative Kapitalkonto von A erhöht.

Der Verlust ist i.H.v. 30 000 € ausgleichsfähig, da nur i.H.v. 20 000 € ein negatives Kapitalkonto von B entsteht.

Der Verlust ist in voller Höhe ausgleichsfähig, da § 15a EStG auf den Komplementär keine Anwendung findet.

Beispiel 3:

Kommanditist K ist mit einer Haft- und Pflichteinlage i.H.v. 50 000 € an der A-KG beteiligt. K hat die entsprechende Einlage von 50 000 € im Jahr 01 voll erbracht. Im Jahr 01 entfällt auf K ein Verlustanteil von 45 000 €, im Jahr 02 ein Verlustanteil von 15 000 € und im Jahr 03 ein Gewinnanteil von 22 000 €.

Lösung 3:

Kapitalkonto-entwicklung

ausgleichsfähige Verluste

gesondert festgestellte verrechenbare Verluste (§ 15a Abs. 4 EStG)

geleistete Einlage 01

50 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 45 000 €

45 000 €

31.12.01

5 000 €

abzgl. Verlustanteil 02

./. 15 000 €

5 000 €

10 000 €

31.12.02

./. 10 000 €

zzgl. Gewinnanteil 03

+ 22 000 €

./. 10 000 €

31.12.03

12 000 €

0 €

Die ausgleichsfähigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb betragen im Kj. 01 ./. 45 000 €. Es entsteht kein verrechenbarer Verlust. Die ausgleichsfähigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb betragen im Kj. 02 ./. 5 000 €. Falls kein horizontaler und/oder vertikaler Verlustausgleich möglich ist, werden die Verluste nach § 10d EStG gesondert festgestellt.

Der nicht ausgleichsfähige Verlust i.H.v. 10 000 € wird zum 31.12.02 als verrechenbarer Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG gesondert festgestellt.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betragen im Kj. 03 nach Berücksichtigung des verrechenbaren Verlustes i.H.v. 10 000 € noch 12 000 €. Die Verlustverrechnung erfolgt nach § 15a Abs. 2 EStG.

In seinem Urteil vom 10.11.2022 (IV R 8/19, BStBl II 2023, 332) hat sich der BFH mit der Frage beschäftigt, wann eine freiwillige Einlage Verlustausgleichsvolumen i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG schafft. Einlagen können nämlich den negativen Bestand eines Kapitalkontos verringern und so den Verlustausgleich nach § 15a EStG ermöglichen (BFH vom 10.11.2022, IV R 8/19, BStBl II 2023, 332). Einen solchen Effekt haben zunächst natürlich Pflichteinlagen, zu deren Leistung sich der Kommanditist gesellschaftsvertraglich verpflichtet. Eine freiwillige Einlage schafft nach Ansicht des BFH (Urteil vom 10.11.2022, IV R 8/19, BStBl II 2023, 332) nur dann Verlustausgleichsvolumen, wenn diese in das Gesellschaftsvermögen geleistet wird und gesellschaftsrechtlich, insbes. nach dem Gesellschaftsvertrag, zulässig ist. Aus der expliziten Gestattung von freiwilligen Einlagen im Gesellschaftsvertrag kann sich eine solche hinreichende gesellschaftsrechtliche Grundlage ergeben (BFH vom 10.11.2022, IV R 8/19, BStBl II 2023, 332). Laut BFH aber auch aus den gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Kontenführung (BFH vom 10.11.2022, IV R 8/19, BStBl II 2023, 332); wenn also im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, dass sonstige Einlagen als Teil der Kapitalanteile auszuweisen sind (BFH vom 10.11.2022, IV R 8/19, BStBl II 2023, 332).

3. Bildung eines Korrekturpostens

Zur steuerrechtlichen Behandlung von Einlagen im Rahmen des § 15a EStG hat der BFH in seinen Urteilen vom 14.10.2003 (VIII R 32/01, BStBl II 2004, 359) und vom 26.6.2007 (IV R 28/06, BStBl II 2007, 934) über den Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG hinausgehend entschieden, dass Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wj. der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, regelmäßig zum Ansatz eines Korrekturpostens führen mit der weiteren Folge, dass Verluste späterer Wj. bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Nach dem BMF-Schreiben vom 19.11.2007 (BStBl I 2007, 823) sind die Grundsätze dieser Urteile anzuwenden (H 15a [Einlagen] EstH).

Aufgrund der Anpassung des Gesetzes (§ 15a Abs. 1a EStG) gilt dies aber nur für Einlagen, die vor dem 25.12.2008 geleistet wurden.

Beispiel 4 (Rechtslage für Einlagen vor dem 25.12.2008):

Entwicklung des Kapitalkontos eines Kommanditisten:

Kj. 01

Kj. 02

Kj. 03

Kapitalkonto zum 1.1.

0 €

./. 100 000 €

./. 80 000 €

Einlagen abzgl. Entnahmen

40 000 €

50 000 €

0 €

Verlustanteile

./. 140 000 €

./. 30 000 €

./. 50 000 €

Kapitalkonto zum 31.12

./. 100 000 €

./. 80 000 €

./. 130 000 €

verrechenbare Verluste zum 31.12.

100 000 €

100 000 €

130 000 €

Korrekturposten

20 000 €

0 €

Nach dem BFH-Urteil vom 26.6.2007 (IV R 28/06, BStBl II 2007, 934) ist der verrechenbare Verlust zum 31.12.03 um 20 000 € (= Korrekturposten aus dem Jahr 02 – nicht verbrauchte Einlage von 20 000 €) zu verringern und damit nur auf 30 000 € festzustellen.

Ergänzend zum BMF-Schreiben vom 19.11.2007 (BStBl I 2007, 823) äußert sich die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 16.1.2008 (S 2241a – St 122, BB 2008, 823) zur Umsetzung der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 26.6.2007, IV R 28/06, BStBl II 2007, 934) zur Berücksichtigung von vorgezogenen Einlagen bei Anwendung des § 15a EStG.

In Höhe der Einlage ist nach den oben dargelegten Grundsätzen im Wj. der Einlageleistung ein außerbilanzieller Korrekturposten zu bilden, der zum Verlustausgleich in späteren Wj. herangezogen werden kann. Der Korrekturposten ist eine unselbstständige Besteuerungsgrundlage und mangels gesetzlicher Grundlage nicht Gegenstand eines Feststellungsverfahrens. Einwendungen gegen die Höhe des Korrekturpostens können nur im Verlustentstehungsjahr erhoben werden, in dem der Korrekturposten zum Verlustausgleich verwendet werden soll.

Die Höhe des Korrekturpostens ist in den nachfolgenden Wj. anhand der jeweiligen Einflüsse auf das Kapitalkonto i.S.d. § 15a EStG fortzuentwickeln. Insbesondere ist der Korrekturposten dann zu vermindern, wenn der Stpfl. in einem nachfolgenden Wj. die zuvor getätigte Einlage wieder entnimmt, ohne dass hierdurch eine Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG ausgelöst wird. Wird der Korrekturposten in späteren Wj. zum Verlustausgleich verwendet, so ist insoweit der Korrekturposten zu vermindern.

Mit dem JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) wird der Verlustabzug durch Einlagen in § 15a Abs. 1a EStG eingeschränkt. Die Neuregelung, durch die die Rechtsprechung des BFH sozusagen ausgehebelt wird, gilt für Einlagen, die ab dem 25.12.2008 geleistet werden. Die Ergänzung stellt sicher, dass bei einem negativen Kapitalkonto Einlagen nur noch insoweit zu einem Verlustausgleichsvolumen führen, als es sich um Verluste des Wj. der Einlage handelt. Durch – nachträgliche – Einlagen können somit verrechenbare Verluste der Vorjahre nicht in ausgleichsfähige Verluste umqualifiziert werden. Zudem kann bei einem negativen Kapitalkonto trotz Einlagen kein Verlustausgleichsvolumen für zukünftige Wj. geschaffen werden. Die Regelung dient der Einschränkung von Gestaltungsspielräumen in Form – willkürlicher – Einlagen zur Schaffung von Verlustausgleichsvolumina.

Beispiel 5 (wie oben – aber: Rechtslage für Einlagen ab dem 25.12.2008):

Entwicklung des Kapitalkontos eines Kommanditisten:

Kj. 01

Kj. 02

Kj. 03

Kapitalkonto zum 1.1.

0 €

./. 100 000 €

./. 80 000 €

Einlagen abzgl. Entnahmen

40 000 €

50 000 €

0 €

Verlustanteile

./. 140 000 €

./. 30 000 €

./. 50 000 €

Kapitalkonto zum 31.12

./. 100 000 €

./. 80 000 €

./. 130 000 €

verrechenbare Verluste zum 31.12.

100 000 €

100 000 €

150 000 €

Die Gesetzesänderung in § 15a Abs. 1a EStG hat auf die Lösung des Beispiels folgende Auswirkung:

Durch die Einlage in 02 können verrechenbare Verluste der Vorjahre nicht in ausgleichsfähige Verluste umqualifiziert werden. Im Kj. 02 kann der Kommanditist zudem nur 30 000 € nutzen (Verlustanteil 02 beträgt 30 000 €). Im Kj. 03 entfällt auf den Kommanditisten erneut ein Verlustanteil, der dazu führt, dass sich der negative Bestand des Kapitalkontos noch erhöht. Die nicht verbrauchte Einlage von 20 000 € hat keine Bedeutung. Aufgrund der Erhöhung des negativen Bestands des Kapitalkontos durch den Verlustanteil 03 entsteht kein ausgleichs-/abzugsfähiger Verlust. Die Einlage aus 02 hat nicht dazu geführt, dass das Kapitalkonto einen positiven Bestand ausweist und damit Verlustausgleichsvolumen vorhanden ist. Ein Korrekturposten bzgl. der nicht verbrauchten Einlage konnte aufgrund neuer Rechtslage unter Berücksichtigung der Norm § 15a Abs. 1a EStG nicht gebildet und aufgelöst werden. Ggf. ist § 15a Abs. 2 EStG zu beachten.

Die Änderungen des § 15a EStG sind nach § 52 Abs. 33 Satz 6 EStG a.F. erstmals auf Einlagen anzuwenden, die nach dem Tag der Verkündung des JStG 2009 (ab 25.12.2008) getätigt werden.

4. Erweiterter Verlustausgleich des § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG

Der erweiterte Verlustausgleich entsteht, wenn die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage höher ist als die tatsächlich erbrachte Einlage. Falls die Hafteinlage ganz oder teilweise nicht geleistet ist, haftet der Kommanditist bis zur Höhe der Einlage nach § 171 Abs. 1 HGB gegenüber von Gläubigern der Gesellschaft unmittelbar. Gem. § 171 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB ist die Haftung des Kommanditisten nur dann ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Bis zur Höhe der noch nicht geleisteten Hafteinlage ist ein erweiterter Verlustausgleich bzw. -abzug zulässig, auch wenn der Verlust zur Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führt. Ob ein solcher erweiterter Verlustausgleich/-abzug möglich ist, ist unter Prüfung der Tatbestandsmerkmale des § 15a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 EStG zu beurteilen.

Der erweiterte Verlustausgleich kann trotz fortbestehender Differenz zwischen Haftsumme und Einlage nur einmal beansprucht werden.

Insbes. die Tatbestandsmerkmale des § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG sind zu beachten.

Beispiel 6:

Kommanditist K ist lt. Handelsregister mit einer Hafteinlage i.H.v. 20 000 € an der A-KG beteiligt (Hafteinlage = Pflichteinlage). Als Einlage hat K bisher lediglich 6 000 € erbracht. Im Jahr 01 entfällt auf K ein Verlustanteil von 24 000 € und im Jahr 02 ein Verlustanteil von 10 000 €.

Lösung 6:

Kapitalkonto-entwicklung

ausgleichsfähige Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG

ausgleichsfähige Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG

gesondert festgestellte verrechenbare Verluste

(§ 15a Abs. 4 EStG)

Horizontaler und/oder vertikaler Verlustausgleich sowie Verlustabzug nach § 10d EStG

geleistete Einlage 01

6 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 24 000 €

6 000 €

14 000 €

4 000 €

31.12.01

./. 18 000 €

abzgl. Verlustanteil 02

./. 10 000 €

0 €

0 €

10 000 €

31.12.02

./. 28 000 €

14 000 €

Obwohl K auch im Kj. 02 weiterhin im Außenverhältnis gegenüber Gesellschaftsgläubigern mit 14 000 € haftet, ist der Verlustanteil in voller Höhe lediglich verrechenbar, da K im Vorjahr bereits den erweiterten Verlustausgleich aufgrund der überschießenden Außenhaftung in Anspruch genommen hat.

Leistet der Kommanditist zusätzlich zu der im Handelsregister eingetragenen Pflichteinlage eine weitere Einlage, so kann er im Wege einer steuerlich anzuerkennenden negativen Tilgungsbestimmung ggf. die Rechtsfolge herbeiführen, dass die Haftungsbefreiung nach § 171 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB nicht eintritt. Das führt dazu, dass die Einlage nicht mit der ausstehenden Einlage zu verrechnen ist, sondern im Umfang ihres Wertes die Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos verhindert und auf diese Weise nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zur Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit von Verlusten führt (BFH Urteile vom 11.10.2007, IV R 38/05, BStBl II 2009, 135 sowie vom 16.10.2008, IV R 98/06, BStBl II 2009, 272).

5. Haftung auf Grund des § 171 Abs. 1 i.V.m. § 172 Abs. 4 HGB

Die Einlage eines Kommanditisten, die zurückbezahlt oder entnommen wird, gilt den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet (vgl. § 172 Abs. 4 HGB). Durch zurückbezahlte Einlagen oder durch Entnahmen ist in diesen Fällen das Kapitalkonto unter die Haftsumme abgesunken.

Beispiel 7:

Kommanditist K ist lt. Handelsregister mit einer Hafteinlage i.H.v. 20 000 € an der A-KG beteiligt (Hafteinlage = Pflichteinlage). Als Einlage hat K bisher 6 000 € erbracht. Am 3.11.01 entnimmt K 6 000 €. Im Jahr 01 entfällt auf K ein Verlustanteil von 24 000 € und im Jahr 02 ein Verlustanteil von 10 000 €.

Lösung 7:

Kapital-kontoentwicklung

ausgleichsfähige Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG

ausgleichsfähige Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG

gesondert festgestellte verrechenbare Verluste

(§ 15a Abs. 4 EStG)

Horizontaler und/oder vertikaler Verlustausgleich sowie Verlustabzug nach § 10d EStG

geleistete Einlage 01

6 000 €

abzgl. Entnahme 01

./. 6 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 24 000 €

0 €

20 000 €

4 000 €

31.12.01

./. 24 000 €

abzgl. Verlustanteil 02

./. 10 000 €

0 €

0 €

10 000 €

31.12.02

./. 34 000 €

14 000 €

Durch die Entnahme im Kj. 01 lebt die Haftung des Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern wieder auf. Der Verlustausgleich ist aber gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 EStG möglich.

6. Einlageminderung i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 1, 2 sowie 4 und Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG

Durch die Regelungen des § 15a Abs. 3 EStG soll eine Umgehung des Verlustausgleichsverbots verhindert werden. Durch vorübergehende Erhöhung der Einlage oder der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme könnten Kommanditisten einen höheren Verlustausgleich erreichen und anschließend die Beträge wieder entnehmen bzw. die Haftsumme wieder reduzieren.

In den Sätzen 1, 2 und 4 des § 15a Abs. 3 EStG sind Regelungen zur Einlageminderung und in den Sätzen 3 und 4 des § 15a Abs. 3 EStG Regelungen zur Haftungsminderung zu finden.

Eine Einlageminderung gem. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG liegt vor, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht. Entnahmen und Einlagen innerhalb des Wj. sind dabei zu saldieren. Eine Gewinnhinzurechnung ist allerdings nicht vorzunehmen, soweit auf Grund der Entnahme eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung entsteht oder besteht. Also kommt es infolge der Entnahme zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung (i.S.v. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) wird keine Gewinnhinzurechnung vorgenommen. Des Weiteren ist § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG zu beachten. Der nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG zuzurechnende Betrag darf den Betrag der Anteile am Verlust der Kommanditgesellschaft nicht übersteigen, der im Wj. der Einlageminderung und in den zehn vorangegangenen Wj. ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist. Der Kommanditist muss also in den Vorjahren bzw. im Jahr der Einlageminderung einen ausgleichs- und abzugsfähigen Verlust gem. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG genutzt haben.

Sind die Tatbestandsmerkmale einer Einlageminderung gem. § 15a Abs. 3 EStG erfüllt, entsteht im Jahr der Einlageminderung ein fiktiver Gewinn. Gleichzeitig entsteht ein verrechenbarer Verlust in dieser Höhe (vgl. auch § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG).

Beispiel 8:

Kommanditist K ist mit einer Hafteinlage (= Pflichteinlage) i.H.v. 100 000 € an der in 01 neu gegründeten AB-KG beteiligt (auf die Beteiligungsverhältnisse kommt es hierbei nicht an). Die Hafteinlage von 100 000 € leistet K in 01 sofort an die AB-KG.

In 01 wird dem Kommanditisten K ein Verlustanteil von 120 000 € zugewiesen. In 02 dann ein Verlustanteil von 50 000 €. Zudem tätigt K in 02 eine Entnahme i.H.v. 30 000 €.

Lösung 8:

§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (ausgleichs-/abzugsfähige Verluste)

§ 15a Abs. 2 und Abs. 4 EStG (verrechenbare Verluste)

01.01.01

0 €

zzgl. Hafteinlage 01

100 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 120 000 €

100 000 €

20 000 €

31.12.01

./. 20 000 €

20 000 €

abzgl. Entnahme 02

./. 30 000 €

abzgl. Verlustanteil 02

./. 50 000 €

0 €

50 000 €

31.12.02

./. 100 000 €

70 000 €

Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale einer Einlageminderung gem. § 15a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG erfüllt sind.

K tätigt in 02 eine Entnahme i.H.v. 30 000 €, die dazu führt, dass sich der negative Bestand des Kapitalkontos von K noch erhöht.

Fraglich ist allerdings, ob es infolge der Entnahme zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung kommt. K hat in 01 zunächst die gesamte Hafteinlage an die AB-KG geleistet. Die Entnahme in 02 erfüllt folglich die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Hafteinlage gilt damit aufgrund der Rückzahlung den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Da die Außenhaftung i.H.v. 30 000 € infolgedessen wiederauflebt, ist gem. § 15a Abs. 3 EStG insoweit keine Gewinnhinzurechnung vorzunehmen.

Beispiel 9:

Kommanditist K ist mit einer Hafteinlage i.H.v. 100 000 € an der in 01 neu gegründeten AB-KG beteiligt (auf die Beteiligungsverhältnisse kommt es hierbei nicht an). Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass K eine Einlage von insgesamt 180 000 € leisten muss.

In 01 wird dem Kommanditisten K ein Verlustanteil von 200 000 € zugewiesen. In 02 dann ein Verlustanteil von 50 000 €. Zudem tätigt K in 02 eine Entnahme i.H.v. 130 000 €.

Lösung 9:

§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (ausgleichs-/abzugsfähige Verluste)

§ 15a Abs. 2 und Abs. 4 EStG (verrechenbare Verluste)

1.1.01

0 €

zzgl. Einlage 01

180 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 200 000 €

180 000 €

20 000 €

31.12.01

./. 20 000 €

20 000 €

abzgl. Entnahme 02

./. 130 000 €

30 000 €

abzgl. Verlustanteil 02

./. 50 000 €

0 €

50 000 €

31.12.02

./. 200 000 €

100 000 €

Um die Frage der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG beantworten zu können, sind die Tatbestandsmerkmale einer Einlageminderung gem. § 15a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG zu prüfen.

K tätigt in 02 eine Entnahme i.H.v. 130 000 €, die eindeutig dazu führt, dass sich der negative Bestand des Kapitalkontos von K noch erhöht.

Fraglich ist allerdings, ob es infolge der Entnahme zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung kommt. K hat in 01 zunächst die gesamte Pflichteinlage von 180 000 € an die AB-KG geleistet. Die Entnahme in 02 erfüllt folglich teilweise die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Hafteinlage i.H.v. 100 000 € gilt damit aufgrund der Rückzahlung den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Entsprechend lebt die Außenhaftung i.H.v. 100 000 € wieder auf. In dieser Höhe kann eine Gewinnhinzurechnung nicht erfolgen. Die übrige Entnahme von 30 000 € erfüllt jedoch die Tatbestandsmerkmale des § 15a Abs. 3 EStG. In dieser Höhe lebt die Außenhaftung von K gerade nicht wieder auf. Folglich entsteht ein fiktiver Gewinn von 30 000 €. Gleichzeitig entsteht ein verrechenbarer Verlust in dieser Höhe.

Beispiel 10:

Kommanditist K ist mit einer Hafteinlage i.H.v. 100 000 € an der in 01 neu gegründeten AB-KG beteiligt (auf die Beteiligungsverhältnisse kommt es hierbei nicht an). Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass K eine Einlage von insgesamt 180 000 € leisten muss.

In 01 wird dem Kommanditisten K ein Verlustanteil von 200 000 € zugewiesen. In 02 dann ein Verlustanteil von 50 000 €. Zudem tätigt K in 02 eine Entnahme i.H.v. 200 000 €.

Lösung 10:

§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (ausgleichs-/abzugsfähige Verluste)

§ 15a Abs. 2 und Abs. 4 EStG (verrechenbare Verluste)

1.1.01

0 €

zzgl. Einlage 01

180 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 200 000 €

31.12.01

./. 20 000 €

180 000 €

20 000 €

abzgl. Entnahme 02

./. 200 000 €

80 000 €

abzgl. Verlustanteil 02

./. 50 000 €

0 €

50 000 €

31.12.02

./. 270 000 €

150 000 €

Obwohl K nur eine Einlage von 180 000 € getätigt hat, nimmt K in 02 eine Entnahme von 200 000 € vor. I.H.v. 100 000 € lebt die Außenhaftung gem. § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder auf. Die Entnahme von 80 000 € führt hingegen dazu, dass eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG vorzunehmen ist. Da K im Vorjahr (also in dem gesetzlich vorgesehenen Betrachtungszeitraum) nur einen ausgleichs-/abzugsfähigen Verlust von 180 000 € nutzen konnte, kann die Entnahme, die diesen Betrag überschreitet, nicht zu einer Einlageminderung führen.

Aus Sicht der Finanzverwaltung stellt der überschüssige Betrag von 20 000 € eine sogenannte Mehrentnahme dar. I.H.v. 20 000 € ist ein Korrekturposten (Merkposten) zu bilden. Eine Feststellung dieses Merkpostens erfolgt allerdings nicht. Tätigt K in den folgenden Jahren eine Einlage, stellt diese i.H.v. 20 000 € eine sogenannte Rückführung von Mehrentnahmen dar. Einlagen i.H.v. 20 000 € führen also nicht zu Verlustausgleichsvolumen i.S.v. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG. Bevor Verlustausgleichsvolumen infolge von Einlagen entstehen kann, müssen zunächst die Mehrentnahmen zurückgeführt werden.

Diese Ansicht lehnt das FG Münster (vgl. Urteil vom 13.4.2022, 13 K 141/20, EFG 2022, 1448) jedoch ab (aber: Revisionsverfahren beim BFH unter dem Az. IV R 10/22). Nach Ansicht des FG Münster erfolge keine Rückführung von Mehrentnahmen; jede Einlage des Kommanditisten könne nach den allgemeinen Grundsätzen als Verlustausgleichsvolumen berücksichtigt werden.

Aus Sicht des FG Münsters im Urteil vom 13.4.2022 (EFG 2022, 1448) mit dem Az. 13 K 141/20 F (Revision anhängig beim BFH mit dem Az. IV R 10/22) fehle eine gesetzliche Grundlage für die Ansicht der Finanzverwaltung und damit die Rückführung von Mehrentnahmen. Eine derartige Beschränkung des Verlustausgleichsvolumens sei danach nicht möglich. Einlagen in den Folgejahren führen aus Sicht des FG nicht dazu, dass aufgrund einer vorherigen Mehrentnahme kein Verlustausgleichsvolumen entstehe (nach den allgemeinen Grundsätzen). Das FG Münster weist darauf hin, dass die Auffassung der Finanzverwaltung auch nicht durch eine teleologische Auslegung des § 15a EStG gerechtfertigt werden könne. Die Entscheidung des BFH bleibt allerdings abzuwarten.

Beispiel zur Wiederholung:

Die Kommanditisten A und B sind jeweils mit einer Haftsumme i.H.v. 100 000 € an einer KG beteiligt. A hat davon 100 000 € und B bisher nur 60 000 € in die KG eingelegt. Die Beträge entsprechen den Kapitalkonten. Der jeweilige Verlustanteil in 01 beträgt 100 000 €. In 02 entsteht weder ein Gewinn- noch ein Verlustanteil. In 02 erhält A eine Teilrückzahlung der geleisteten Einlage i.H.v. 40 000 € (Entnahme).

Lösung:

Kommanditist A

Kommanditist B

Kapital-konto

Verlustausgleich

(§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG)

Verlustverrechnung

Kapital-konto

Verlustausgleich

(§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG)

Verlustausgleich

(§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG)

Hafteinlage 01

100 000 €

60 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 100 000 €

./. 100 000 €

31.12.01

0 €

./. 100 000 €

0 €

./. 40 000 €

./. 60 000 €

./. 40 000 €

abzgl. Entnahme 02

./. 40 000 €

0 €

Verlust-/Gewinnanteil 02

0 €

0 €

31.12.02

./. 40 000 €

./. 40 000 €

Bezüglich der Entnahme von 40 000 € erfolgt im Kj. 02 keine Nachversteuerung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG, weil in dieser Höhe gem. § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB die Außenhaftung von A wieder auflebt.

Das FG Köln hat sich in seinem Urteil vom 16.2.2022 mit dem Az. 12 K 509/19 (EFG 2022, 1194) mit der Frage beschäftigt, ob eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a EStG auch dann nicht vorzunehmen ist, soweit eine Haftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 171 Abs. 1 HGB generell besteht. Geklärt werden musste also die Frage, ob eine noch ausstehende Hafteinlage dazu führt, dass eine Gewinnhinzurechnung generell nicht vorzunehmen ist. Das FG Köln (Urteil vom 16.2.2022, 12 K 509/19, EFG 2022, 1194) hat sich dabei auf eine teleologische Reduktion der Vorschrift § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG berufen. Danach sei »die Gewinnhinzurechnung nicht nur ausgeschlossen, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine Haftung nach Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell besteht« (Zitat aus dem Urteil des FG Köln vom 16.2.2022, 12 K 509/19, EFG 2022, 1194, Punkt B.III). Diese Auffassung widerspricht der Meinung der Finanzverwaltung. Weitere Entwicklungen bleiben abzuwarten. Die Revision beim BFH ist unter dem Az. IV R 11/22 anhängig.

Analog zur Behandlung der Einlageminderung kann unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Tatbestandsmerkmale nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG auch dann eine Gewinnzurechnung erfolgen, wenn beispielsweise die im Handelsregister eingetragene Haftsumme des Kommanditisten herabgesetzt wird (aber: Wortlaut des Gesetzes ist zu beachten!) und in den Vorjahren (also im Wj. der Haftungsminderung und den zehn vorangegangenen Wj.) aufgrund einer überschießenden Außenhaftung ein erweiterter Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG in Anspruch genommen wurde. Eine Haftungsminderung i.S.v. § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG liegt aber nicht nur dann vor, wenn die im Handelsregister eingetragene Haftsumme des Kommanditisten herabgesetzt wird. Der Wortlaut des Gesetzes ist zu beachten. Laut Legaldefinition stellt die Minderung des Haftungsbetrags i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG eine Haftungsminderung dar; neben der Herabsetzung der ins Handelsregister eingetragenen Haftsumme sind also noch andere Fallgestaltungen denkbar, die eine Haftungsminderung i.S.d. Gesetzes auslösen.

Beispiel 11:

Kommanditist K ist mit einer Hafteinlage von 100 000 € im Handelsregister eingetragen. Bisher hat K aber nur 10 000 € geleistet. Der Verlustanteil im Kj. 01, der auf K entfällt, beträgt 100 000 €. Im Jahr 02 setzt K die Hafteinlage im Handelsregister auf 30 000 € herab. Ein Gewinn- bzw. Verlustanteil wird K in 02 nicht zugewiesen.

Lösung 11:

Kapitalkonto-entwicklung

ausgleichsfähige Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG

ausgleichsfähige Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG

Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG

gesondert festgestellte verrechenbare Verluste (§ 15a Abs. 4 EStG)

geleistete Hafteinlage

10 000 €

abzgl. Verlustanteil 01

./. 100 000 €

0 €

0 €

31.12.01

./. 90 000 €

10 000 €

90 000 €

Verlust-/Gewinnanteil 02

0 €

31.12.02

./. 90 000 €

70 000 €

70 000 €

Durch die Herabsetzung des Haftungsbetrages von 100 000 € um 70 000 € auf 30 000 € im Handelsregister hat K in 01 im Ergebnis 70 000 € zu viel ausgeglichen. Es kommt daher im Jahr der Haftungsminderung 02 zur Nachversteuerung dieses Betrages und zur Umwandlung in einen verrechenbaren Verlust.

7. Zeitpunkt der Nachversteuerung

In seinem Urteil vom 30.3.2017, IV R 9/15, BStBl II 2017, 896 hat sich der BFH mit der Frage beschäftigt, zu welchem Zeitpunkt eine Nachversteuerung aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos zu erfolgen hat.

Wann genau der Veräußerungsgewinn entstehe, sei § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG a.F. allerdings nicht zu entnehmen. Deshalb müssen die allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätze im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, insbesondere dem Realisationsprinzip, herangezogen werden. Ein Veräußerungsgewinn sei aus Sicht des BFH deshalb in dem Wirtschaftsjahr zu erfassen, in dem feststehe, dass der Kommanditist zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos nicht (mehr) verpflichtet sei. Entscheidend sei im Streitfall nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; sondern es komme erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der Gesellschaft oder, soweit die Gesellschaft schon vor Abschluss des Insolvenzverfahrens ihren Gewerbebetrieb einstellt, im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zu einer Realisierung des Gewinns. Bis zu diesem Zeitpunkt sei es möglich, dass durch etwaige Gewinne oder Handlungen des Insolvenzverwalters das negative Kapitalkonto noch aufgefüllt werde. Der Veräußerungsgewinn entstehe erst dann, wenn die Auffüllung des negativen Kapitalkontos unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht komme.

8. Umwandlung der Rechtsstellung

8.1. Vom Kommanditisten zum Komplementär

Allein aufgrund der Umwandlung der Rechtsstellung eines Kommanditisten in diejenige eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters ist der für ihn bisher festgestellte verrechenbare Verlust (§ 15a Abs. 4 EStG) nicht in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren (Urteil des BFH vom 14.10.2003, VIII R 38/02, BStBl II 2004, 115).

8.2. Vom Komplementär zum Kommanditisten

Wechselt der Komplementär während des Wj. in die Rechtsstellung eines Kommanditisten, so ist die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15a EStG für das gesamte Wj. anzuwenden und damit für den dem Gesellschafter insgesamt zuzurechnenden Anteil am Verlust der KG (Urteil des BFH vom 14.10.2003, VIII R 81/02, BStBl II 2004, 118).

9. Anwendungsbereich des § 15a EStG

§ 15a Abs. 1 EStG gilt unmittelbar für Kommanditisten i.S.v. § 161 Abs. 1 HGB, die Mitunternehmer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind.

Des Weiteren ist aber die besondere Regelung § 15a Abs. 5 EStG zu beachten. Dort ordnet das Gesetz die teilweise sinngemäße Anwendung der Vorschrift § 15a EStG für bestimmte Fallkonstellationen an, wie beispielsweise für atypisch stille Gesellschafter (§ 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG).

Außerdem hat der BFH mit Urteil vom 23.7.2002 (VIII R 36/01, BStBl II 2002, 858) entschieden, dass auch für den typisch stillen Gesellschafter ein negatives Kapitalkonto zu bilden ist (§ 20 Abs.1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG ist § 15a EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ebenfalls sinngemäß anzuwenden. Verluste aus einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden KG und die Verluste aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen KG werden im Hinblick auf ihre Ausgleichs- und Abziehbarkeit gleich behandelt. Weitere Einzelheiten können dem BMF-Schreiben vom 15.9.2020, BStBl I 2020, 919 entnommen werden.

10. Literaturhinweise

Kantwill, Verluste bei beschränkt haftenden Gesellschaftern (§ 15a EStG), Steuer & Studium 2004, 439; Paus, Verluste und negatives Kapitalkonto beim Kommanditisten, NWB Fach 3, 13171.

 

Redaktioneller Hinweis:

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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