1 Themenbezug
2 Unwirksame Rechtsgeschäfte (§ 41 AO)
3 § 41 AO und Angehörigenverträge
3.1 Der Grundsatz
3.2 Einzelfälle
3.2.1 Der Ehegattenarbeitsvertrag
3.2.2 Die Familienpersonengesellschaften, insbesondere die Beteiligung der Kinder
3.2.3 Darlehensverträge unter Angehörigen
3.2.4 Angehörigen-Mietverträge
3.2.5 Sonstiges
4 Verträge und Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO)
4.1 Allgemeine Darstellung der Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des § 42 AO
4.2 Feststellung des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten
4.2.1 Feststellung der Unangemessenheit der gewählten Gestaltung
4.2.2 Feststellung der Ungewöhnlichkeit einer Gestaltungsmaßnahme
4.2.3 Feststellung eines fehlenden wirtschaftlichen Zwecks
4.2.4 Überprüfung der Mittel-Ziel-Relation
4.2.5 Vergleich mit einer anderen Gestaltungsmöglichkeit
4.3 Entstehung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten
4.3.1 Gesetzliche Legitimation des entstehenden Steuervorteils
4.3.2 Verteilung der Feststellungslast
4.4 Exkulpation mittels eines Nachweises nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtenswerter außersteuerlicher Gründe
4.4.1 Feststellung beachtenswerter außersteuerlicher Gründe
4.4.2 Ausschluss einer rein steuermindernden Gestaltung
4.5 Rechtsfolge missbräuchlicher Gestaltungen i.S.d. § 42 AO
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel
Unter drei Gesichtspunkten werden die steuerlichen Auswirkungen zivilrechtlicher Gestaltungen diskutiert:
§ 41 AO negiert grundsätzlich die Vor-Frage der zivilrechtlichen Wirksamkeit für die steuerlichen Folgen (»pecunia non olet«);
hiervon (Unbeachtlichkeit der zivilrechtlichen Wirksamkeit) wird eine bedeutende Ausnahme bei Angehörigenverträgen gemacht.
§ 42 AO will die rein steuerlich motivierte Vertragsgestaltung unterbinden und die Regelungsgehalte auf ihren wirtschaftlichen Kern untersuchen.
§ 41 AO regelt die steuerrechtlichen Auswirkungen zivilrechtlich unwirksamer Rechtsgeschäfte. Sie ist ebenso wie § 40 AO Ausfluss der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht. Die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ist steuerlich irrelevant, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftlich eingetretene Ergebnis bestehen lassen (§ 41 Abs. 1 AO). Die Unwirksamkeit kann sich dabei insbes. aus Verstößen gegen Formvorschriften, wegen fehlender Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten oder aus einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) ergeben. § 41 AO setzt allerdings voraus, dass überhaupt ein – wenn auch rechtlich unvollkommenes – Rechtsgeschäft vorliegt (BFH vom 30.5.1997, BFH/NV 1997, 739).
Beispiel 1:
Verkäufer (V) und Käufer (K) eines Grundstücks lassen unter dem Datum 31.12.2007 – als Kaufvertrag bezeichnete – Erklärungen notariell beurkunden. Die Auflassung sollte erst nach Begleichung des vollen Kaufpreises erfolgen. Das FA setzt daraufhin gegen K die GrESt fest. K informiert daraufhin das FA vom Tatbestand des »Schwarz-Verbriefens« (V habe ein zusätzliches Handgeld für den Immobilienerwerb verlangt).
Führt die mangels Beurkundung des vollständigen Vertragsinhalts formunwirksame Übertragung zur Erstattung der GrESt, wenn kurze Zeit später – im Rahmen eines Vergleichs – die Auflassung des Grundstücks zustande kommt und K in das Grundbuch eingetragen wird?
Lösung 1:
Ein Kaufvertrag über ein Grundstück unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der GrESt. Ist der Kaufvertrag ganz oder teilweise nicht notariell beurkundet, so ist er unwirksam (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB). Er wird jedoch seinem ganzen Inhalt nach mit der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch gültig, allerdings mit Wirkung ex nunc, d.h. nicht rückwirkend (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach ständiger Rspr. des BFH kann ein formbedürftiger Grundstückskaufvertrag, der jeglicher notarieller Beurkundung ermangelt, in keinem Falle gem. § 41 Abs. 1 AO der GrESt unterliegen (BFH vom 9.8.1989, BStBl II 1989, 990). Dagegen kann ein infolge unvollständiger Beurkundung nichtiges Rechtsgeschäft grunderwerbsteuerpflichtig sein, wenn eine Heilung nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB möglich ist, also das Rechtsgeschäft seinem ganzen Inhalt nach gültig werden kann. Denn in diesen Fällen können die Vertragsparteien das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten lassen. Der GrESt-Anspruch entsteht dann im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages so, als ob das unwirksame Rechtsgeschäft seinem ganzen Inhalt nach gültige wäre; der Anspruch erlischt nur, wenn die Beteiligten vom Vollzug des unwirksamen Rechtsgeschäfts absehen. Folglich ist der GrESt-Anspruch am 31.12.2007 entstanden. Bei der Bemessungsgrundlage ist auch das »Handgeld« zu berücksichtigen; die Änderung des GrESt-Bescheides erfolgt nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Auf Vereinbarungen unter nahen Angehörigen, Verträge von KapG mit den beherrschenden Gesellschaftern (→ Beherrschender Gesellschafter) und Vereinbarungen zwischen einer PersG und Angehörigen der Gesellschafter ist § 41 Abs. 1 AO nach ständiger Rspr. nicht anzuwenden (allgemein BFH vom 17.2.1998, BStBl II 1998, 349). Aufgrund der fehlenden Interessengegensätze ist bei diesen Fallkonstellationen ein steuerlich irrelevantes Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) nur dann auszuschließen, wenn klare, formwirksame Vereinbarungen im Voraus getroffen und diese Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt werden (vgl. BFH vom 11.3.2003, BStBl II 2003, 627, 629). Die Erfüllung der zivilrechtlichen Formvorschriften ist für die Rspr. der anderweitig nicht zu erbringende Beleg der Ernsthaftigkeit derartiger Vereinbarungen. Die Problematik wird auch unter dem Aspekt der wirksamen Übertragung von Einkunftsquellen unter Angehörigen geführt.
Auch das BVerfG nahm sich der Thematik der steuerlichen Anerkennung von Angehörigenverträgen an (Beschluss vom 7.11.1995, BStBl II 1996, 34). Das plakative Stichwort hierfür heißt »faktisches Familiensplitting«, wenn damit gleichzeitig die Progressionskappung und die mehrfache Nutzung der Grundfreibeträge (Mehrfachveranlagung!) verbunden ist. In den beiden Hauptgruppen der Angehörigenverträge (Ehegattenarbeitsverträge und Familienpersonengesellschaften) sind neben dem Fremdvergleich und der zusätzlichen steuerlichen Qualifikation vor allem zu prüfen:
zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages (eindeutige und ernsthafte Vereinbarungen) – nachträgliche Vereinbarungen sind steuerschädlich;
tatsächlicher Vollzug (diese Prüfungsstation wird hier mit abgehandelt).
Die Prüfungsreihenfolge ist ständiger »Wegbegleiter« in der Beurteilung von Angehörigenverträgen (BFH-Beschluss vom 27.6.2002, BFH/NV 2002, 1443 sowie zuletzt BFH vom 25.10.2004, BFH/NV 2005, 339 für nachträgliche Mehrarbeitsvergütung mitarbeitender Angehöriger).
Die Problemkonzentration auf Ehegattenarbeitsverträge entspricht heute weitgehend der wirtschaftlichen Realität. Im Unterschied zu der Interessenlage bei den Familien-PersG werden bei dem angestellten Ehegatten im Betrieb des Unternehmer-Ehegatten auch sozialversicherungs-rechtliche Gründe eine Rolle spielen.
Beispiel 2:
O, ein selbstständiger Orthopäde, ist verheiratet mit der 21-jährigen »gelernten« Masseuse M. O schließt mit M einen »Unterstützungsvertrag« ab, kraft dessen M für die Mitarbeit als Sprechstundenhilfe (wahlweise als Krankengymnastin) 100 € brutto/Stunde erhält. Vereinbart und in der Buchhaltung des O abgerechnet werden 60 Stunden/Woche. Monatlich werden somit nach Abzug der LSt und der Sozialversicherungsbeiträge (insgesamt 50 %) 12 000 € auf ein sog. »Oder-Konto« der Ehegatten überwiesen.
Der Abzug der Lohnzahlungen als BA gem. § 4 Abs. 4 EStG hängt von der Anerkennung des Ehegattenarbeitsverhältnisses O–M ab.
Lösung 2:
1. Zivilrechtliche Wirksamkeit (bzw. ernsthafte und eindeutige Vereinbarung
Entgegen § 41 AO und in Widerspruch zu dem grundsätzlichen Konkurrenzverständnis zwischen Zivilrecht und Steuerrecht wird für Ehegattenarbeitsverträge die zivilrechtliche Wirksamkeit (»Ernsthaftigkeit«) postuliert.
Einem rechtlichen Missverständnis entsprang dabei die frühere Praxis der Verwaltung, nur schriftliche Vereinbarungen anzuerkennen. Unabhängig von der Nachweispflicht für den Stpfl. sieht die einfachgesetzliche Ausgangslage des BGB für Dienst- und Arbeitsverträge keine Schriftform vor, so dass heute an dieser Stelle nur noch Fragen der Geschäftsfähigkeit diskutiert werden können. Vorliegend sind keine Hinderungsgründe ersichtlich.
2. Tatsächlicher Vollzug
Unter diesem Stichwort haben nach früherer Rspr. alle jene Zahlungsvorgänge hiergegen verstoßen, bei denen keine strenge Trennung der Vermögenssphären des Unternehmer-Ehegatten und des AN-Ehegatten ersichtlich war. Noch heute werden in der Verwaltungsanweisung (H 4.8 EStH) hierunter Fälle als steuerschädlich subsumiert (wie z.B. die Überweisung auf ein »Und-Konto« der Ehegatten = Mitverfügungsrecht beider Ehegatten), die nach der neueren BVerfG-Erkenntnis zum »Oder-Konto« (alleiniges Verfügungsrecht beider Ehegatten) nicht mehr haltbar erscheinen. Das BVerfG – und ihm folgend die Verwaltung (vgl. BVerfG vom 7.11.1995, BStBl II 1996, 34 sowie die Rezeption der Verwaltung in H 4.8 EStH) – war gegen eine Verselbständigung der »Kontoführung« als eigenes Tatbestandsmerkmal. Den anderen Faktoren (ernsthafte Vereinbarung und Durchführung bei angemessenem Entgelt) kommt eine vorrangige Bedeutung zu. Es sind demnach an dieser Stelle nur noch die Fälle auszugrenzen, bei denen der Arbeitnehmer-Ehegatte gar kein Mitverfügungsrecht über das Konto hat (BFH vom 4.10.1996, BFH/NV 1997, 347) oder eine tatsächliche Zahlung nicht stattfindet.
Selbstredend muss eine Überprüfung des Arbeitsverhältnisses ergeben, dass der Arbeitnehmer-Ehegatte tatsächlich im Betrieb des Unternehmer-Ehegatten gearbeitet hat. Hierzu zählt auch, dass die vereinbarte Tätigkeitsbeschreibung und das tatsächliche Arbeitsgebiet übereinstimmen (BFH vom 10.10.1997, BFH/NV 1998, 448). Vorliegend führen beide Tätigkeitsbereiche (Sprechstundenhilfe und Krankengymnastin) zur Aberkennung des Arbeitsverhältnisses, da M nicht über die erforderlichen Vorbildungsvoraussetzungen verfügt.
Die weiteren Prüfungsstationen, insb. der erfolglose Drittvergleich, führen zu dem gleichen Ergebnis.
Als Fazit und Folge der Nichtanerkennung ist – entsprechend der Wertung des § 12 EStG – der Lohn nicht als BA abzugsfähig; der Gewinn des O erhöht sich dementsprechend.
Als Nachtrag ist anzufügen, dass die aufgezeigten Grundsätze auch gegenüber einem Arbeitgeber-Ehegatten gelten, der eine beherrschende Stellung in einer Ehegatten-PersG innehat (R 4.8 Abs. 2 EStR). Umgekehrt würde bei einer Gemeinschaftspraxis von zwei Orthopäden das Gehalt der M anzuerkennen sein, wenn es dem Ehegatten O gelingt, seinen gleichberechtigten Partner von der Notwendigkeit der Mitarbeit der M zu überzeugen.
Von größerer wirtschaftlicher Bedeutung sind die Familien-PersG. Rein formal sind die identischen Prüfungsstationen zu durchlaufen. Wird die Beteiligung der Kinder dem Grunde nach für gut geheißen, erfolgt/e eine zusätzliche quantitative Prüfung, mit der in freier Rechtsfindung ein Übermaß an Gewinn abgeschöpft wird/wurde.
Beispiel 3: (Erwachsenen-KG)
Nach bestandener Gesellenprüfung nimmt der Vater ab 1.1.01 den 19-jährigen Sohn S in seine Schreinerei (KG) als weiteren Kommanditisten auf. Es wird vereinbart, dass der Sohn ein Jahr gegen Gewinnbeteiligung arbeitet, dafür die Hälfte seines für die Mitarbeit zugewiesenen festen Gewinnanteils ausbezahlt bekommt und die andere Hälfte (10 T€) durch Verrechnung mit seinem Kapitalkonto als Einlage erbringt. S ist für den technischen Bereich mitverantwortlich und erhält eine – seinem Anteil entsprechende – Gewinn- und Verlustbeteiligung.
Fälle wie das vorliegende Beispiel (Erwachsenen-KG) bereiten weder gesellschaftsrechtliche noch steuerrechtliche Probleme.
Lösung 3:
In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht bestehen gegen die Aufnahme eines Familienangehörigen in eine KG nach §§ 161, 105 HGB keine Bedenken. Es ist unproblematisch, wenn der Neugesellschafter seine Einlageverpflichtung durch »Stehenlassen« des ihm zustehenden Gehalts erfüllt. Wichtig ist, dass aufgrund der Haftungsregelungen der §§ 171 f. HGB der Wert der Dienstleistung korrekt ermittelt ist. 20 T€ Jahresgehalt (und davon die Hälfte als Einlage) erscheinen angemessen. Am Ende des Jahres hat S gem. § 171 Abs. 1 i.V.m. § 172 Abs. 1 HGB die Einlage geleistet, so dass ab 31.12.01 keine persönliche Haftung des S besteht. Das Kapitalkonto weist eine Einlage von 10 T€ auf; dies wird – in Relation zu den Kapitalkonten der anderen Gesellschafter – die Beteiligungsquote des S am Ergebnis der KG und an den stillen Reserven darstellen.
In steuerrechtlicher Hinsicht bestehen gegen die Aufnahme des S keine Bedenken, soweit nicht durch atypische Klauseln die Merkmale der unternehmerischen Initiative (hier: mitverantwortlich für den technischen Bereich) und des Risikos (hier: anteilige Ergebnisbeteiligung) in Frage gestellt werden. S ist auch steuerlich als Mitunternehmer zu qualifizieren, der gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt.
Die nächsten (und eigentlichen) Prüfungsstationen markieren gleichzeitig die neuralgischen Punkte.
Beispiel 4: Die Minderjährigen-KG
Die aus dem Stpfl. (V) und seiner Ehefrau (M) bestehende KG nimmt die 16-jährige Tochter (T) als Kommanditistin auf. Die von der Tochter zu erbringende Einlage i.H.v. 25 T€ wird ihr vom Vater geschenkt, indem dieser den Betrag am 24.12.07 von seinem Kapitalkonto abbucht. Am 27.12.07 wird T im HR als Kommanditistin eingetragen. V sucht zur Beurkundung einen Notar (N) auf, der ihm mitteilt, dass eine Beurkundung wegen Vollzuges der Schenkung nicht erforderlich sei. N weist V allerdings auf die Notwendigkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung sowie auf die Beteiligung eines Abschluss-(Ergänzungs-)pflegers hin. Beides wird Ende Februar 08 nachgeholt. Können der T anteilige Gewinne der Jahre 07 und 08 zugewiesen werden?
Lösung 4:
In diesem Beispiel entscheiden drei (Standard-) Formfragen über die Wirksamkeit des Grundgeschäfts, i.e. die Aufnahme der T in die KG in dieser Reihenfolge:
1. Wirksame Schenkung?
Nach §§ 516, 518 Abs. 1 BGB benötigen vertragliche Schenkungsversprechen der notariellen Beurkundung, sollen sie einen gültigen Rechtsgrund darstellen. Nach § 518 Abs. 2 BGB wird der Mangel durch den Vollzug geheilt.
Konkret stellt sich die Frage, ob mit der Abbuchung vom Kapitalkonto des V und der gleichzeitigen Einbuchung des Betrages von 25 T€ auf dem neu errichteten Kapitalkonto der T die Schenkung vollzogen ist. In ständiger Rspr. geht der BFH bei Außengesellschaften (KG, OHG u.a.) bei dieser Form der Übertragung von einem Vollzug aus, während dies bei Innengesellschaften (Unterbeteiligung, stille Gesellschaft) und bei bloßen Kapitalbeteiligungen nicht der Fall sein soll (BGHZ 7, 174 sowie BFH vom 27.1.1994, BStBl II 1964, 635). Der eigentliche Grund für diese unterschiedliche Rechtsprechungspraxis liegt in der Publikationswirkung, die nur bei Außengesellschaften durch die Eintragung im HR erzeugt wird. Vorliegend ist der Mangel der Form spätestens durch die Eintragung im HR geheilt.
2. Beteiligung des Familiengerichts
Gem. § 1643 i.V.m. § 1822 Nr. 3 BGB benötigen die Eltern für die Beteiligung der Kinder an einer »Erwerbs«-Gesellschaft die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (heute: Genehmigung des Familiengerichts).
Wird, wie im vorliegenden Fall, die Genehmigung später beigeholt, so gehen die Meinungen über die Rechtsfolgen auseinander:
Nach älterer Rspr. (Urteil des BFH vom 5.3.1981, BStBl II 1981, 435, zitiert in H 15.9 EStH) ist allenfalls bei »unverzüglich« eingeholter Genehmigung eine (nach § 184 BGB vorgesehene) heilende Rückwirkung für das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft möglich.
Nach neuerer Rspr. (Urteile des BFH vom 13.7.1999, BStBl II 2000, 386 und vom 7.6.2006, BFH/NV 2006, 2279 – Nichtanwendungserlass des BMF vom 2.4.2007, DB 2007, 945 – soll ein zivilrechtlicher Formfehler dann unbeachtlich sein, wenn den Beteiligten die Unkenntnis nicht angelastet werden kann und eine evtl. fehlende Genehmigung »zeitnah« beigebracht wird. Der Entscheidung vom 13.7.1999, der an einer anderen Stelle (H 4.8 EStH) auch die Verwaltung folgt, kann in Übereinstimmung mit der Rspr. anderer Senate des BFH zur Einhaltung von Formvorschriften nur gefolgt werden. Entscheidend ist dabei, dass die zivilrechtlichen Formvorschriften keinen (vor allem keinen steuerlichen) Selbstzweck verfolgen. Wird aber der Schutzzweck (hier: umfangreiche Fremdprüfung der Kindesinteressen) durch die Verspätung nicht verletzt, kann das Steuerrecht nicht weiter gehen als das Zivilrecht.
Als vorläufiges Fazit wirkt die in Februar 02 erwirkte Genehmigung auf den 24.12.07 zurück.
3. Beteiligung des Ergänzungspflegers
Mit den gleichen Argumenten (keine Verletzung des Schutzzweckes: Verbot des Insichgeschäfts) ist auch die spätere Einschaltung des Ergänzungspflegers unschädlich, wenn dadurch kein unzumutbarer Dauerzustand erzeugt wird.
Fazit: T sind ab 24.12.07 etwaige Gewinnanteile aus der KG für das Jahr 07 zuzurechnen. Weiter zurück (1.1.07) kann das Steuerrecht nicht gehen, auch wenn es zivilrechtlich vereinbart worden wäre.
Exkurs: Der tatsächliche Vollzug der Familien-Personengesellschaft
Vom zivilrechtlichen Vollzugsproblem nach § 518 BGB zu unterscheiden ist der Fall, dass die deklarierten Gewinnanteile der Kinder von den Eltern in Eigenregie verwaltet werden. Bei minderjährigen Kindern ist dabei zu berücksichtigen, dass die Eltern die Vermögensfürsorge für die Kinder haben, worunter auch die Gewinnanteile aus der Familien-PersG gehören. Ein Vollzug ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn diese Gewinnanteile getrennt vom übrigen Elternvermögen (z.B. auf eigenen Konten der Kinder) aufbewahrt werden und mit ihnen nicht ausschließlich die sonst anfallenden Unterhaltsaufwendungen beglichen werden.
4. Der Fremdvergleich
Unter dem Aspekt des Fremdvergleichs werden vor allem Klauseln im Gesellschaftsvertrag diskutiert, bei denen die Rspr. annimmt, dass sie unter Dritten nicht vereinbart worden wären. Z.T. wird diese Prüfung vermengt mit der nächsten Prüfungsstation, bei der es um die steuerliche Qualität des aufgenommenen Familienmitgliedes als Mitunternehmer geht.
Aus der umfangreichen Rspr. des BFH wird vor allem auf diejenigen Problemklauseln hingewiesen, zu denen aus naheliegenden Gründen des Fortbestandes des Unternehmens gern gegriffen wird.
Buchwertklauseln: Die Schädlichkeit der Buchwertklausel ist auf die Fälle zu beschränken, in denen diese nur bei Ausscheiden des Angehörigen greift oder etwa auch in dem Fall zum Tragen kommt, in dem der Angehörige ohne Weiteres ausgeschlossen werden kann. Andererseits kann die Buchwertklausel bei eigener Kündigung des Angehörigen oder bei dessen Ausschluss aus wichtigem Grunde nicht per se zur Aberkennung des Mitunternehmerstatus führen.
Rückfallklauseln (bzw. bedingte Weiterleitungsklauseln): Bei diesen wächst die Beteiligung bei Vorliegen bestimmter Gründe den Altgesellschaftern an oder sie wird auf neue Gesellschafter übertragen. Während die generelle Vereinbarung (»freier Widerruf«) sicher keinem Drittvergleich standhält, bestehen bestimmte auslösende Gründe wie z.B. Notfall des Schenkers oder grober Undank (§§ 528, 530 BGB) die Drittvergleichsprüfung.
5. Die Mitunternehmerqualität
Jedes in eine PersG aufgenommene Familienmitglied muss die persönliche Voraussetzung der Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) erfüllen. Als »Faustformel« der Rspr. dient dabei die Formulierung, dass die Rechtsposition des aufgenommenen Kindes mindestens mit dem Regelstatut des HGB für einen Kommanditisten vergleichbar sein muss (BFH vom 24.7.1986, BStBl II 1987, 54). Darunter zählen ein begrenztes Widerspruchsrecht (§ 164 HGB) und ein Einsichtsrecht in die Bücher (§ 166 HGB).
In den folgenden Fällen war für den BFH/das BMF nicht einmal dieser Mindeststatus gewahrt:
Bei einer im Vorhinein (auf das Alter der Volljährigkeit) befristeten Gesellschafterstellung (BFH vom 29.1.1976, BStBl II 1976, 324).
Einseitiges Kündigungsrecht des elterlichen Komplementärs bei Erreichen der Volljährigkeit des aufgenommenen Kindes (BMF vom 5.10.1989, BStBl I 1989, 378).
Zusätzlich wird – als Überleitung zur letzten Prüfungsstation – eine angemessene Gewinnverteilung für erforderlich gehalten.
6. Die Prüfung der Höhe nach (Quantifizierungsmaßstab)
In der Praxis steht die Überprüfung der Angemessenheit der Gewinnanteile im Vordergrund.
Bei schenkweiser Übertragung einer Mitunternehmerstellung (KG-Beteiligung, atypisch stille Beteiligung etc.) wird nach der Rspr. von einer angemessenen Durchschnittsrendite von 15 % ausgegangen (BFH vom 24.7.1986, BStBl II 1987, 54). Der Prozentsatz wird auf den tatsächlichen Wert der Beteiligung bezogen, ein nicht mitarbeitendes Kind wird dabei unterstellt. Genauer wird ausgeführt, dass sich die Angemessenheit der Gewinnverteilungsabrede nach den Verhältnissen bei Vertragsschluss orientiert und dabei auf einen Zeitraum von fünf Jahren abzustellen ist.
Der tatsächliche Wert der Beteiligung ist aus dem gesamten Unternehmenswert abzuleiten und berücksichtigt somit auch den Geschäftswert im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sowie entsprechende (günstige wie unvorteilhafte) Abfindungsregelungen. Bei der Prüfung, ob der 15 %ige Anteil überschritten wird, ist auf den künftig zu erwartenden Restgewinnanteil (d.h. nach Abzug von Sondervergütungen für die Geschäftsführung) abzustellen. Der errechnete Wert bleibt grundsätzlich so lange maßgeblich, bis eine Veränderung eintritt, die auch unter Dritten zu einer geänderten Gewinnverteilung führen würde. Durch den ursprünglichen Prognosezeitraum von fünf Jahren ist indirekt auch ein Zeitrahmen für die Überprüfung der getroffenen Verteilung mitgeteilt.
Mit einer besonders häufig vorkommenden Fallgruppe wird man in diesem Zusammenhang bei der Kombination aus → Darlehen und Schenkung konfrontiert.
Beispiel 5:
V lässt aus Privatmitteln seinem Sohn S einen Beitrag von 100 T€ zukommen, den dieser alsbald dem Betrieb des V als verzinsliches Darlehen zur Verfügung stellt. Zwischen der (nicht notariell beurkundeten) Übertragung des Betrages und der betrieblichen Wiederverwendung der Valuta liegt ein Zeitraum von einem Tag (Variante: 100 Tage). V macht die Zinsen i.H.v. 6 000 €/Jahr als BA gem. § 4 Abs. 4 EStG geltend. Die Skepsis der Verwaltung gegen schenkweise begründeten Darlehensforderungen ist in mehreren BMF-Schreiben dokumentiert (BMF vom 1.12.1992 (BStBl I 1992, 729) sowie vom 25.5.1993 (BStBl I 1993, 410) und stimmt mit der zurückhaltenden Aufnahme durch die BFH-Rspr. (BFH vom 9.10.200,1 BFH/NV 2002, 334) überein.
Lösung 5:
1. Für die Verwaltung besteht bei einer gegenseitigen Abhängigkeit von Schenkung und Wiederverwendung des Betrages als betriebliches Darlehen dann eine unwiderlegbare Vermutung für eine nicht anzuerkennende Aufteilung einer Einkunftsquelle, wenn
beide Verträge in einer Urkunde oder kurz nacheinander abgeschlossen werden oder wenn
die spätere Darlehensverwendung zur Bedingung (Auflage) der Schenkung gemacht wurde (Rz. 9 des BMF-Schreibens vom 1.12.1992, BStBl I 1992, 729).
Rein begrifflich liegt in diesen Fällen ein befristetes Schenkungsversprechen vor, dem die betriebliche Veranlassung abgesprochen wird.
2. Demgegenüber begründen Absprachen hinsichtlich der Modalitäten der Darlehensverwendung (wie z.B. der Kündigungsvorbehalt des Schenkers) nur eine widerlegbare Vermutung für die schädliche Abhängigkeit (Rz. 10).
3. Steuerunschädlich sind danach nur diejenigen Geschäfte, bei denen durch eine Trennung der Vermögenssphären von Eltern und Kindern in zeitlicher und sachlicher Hinsicht der Schenker entreichert und der Beschenkte tatsächlich bereichert erscheint (Rz. 11).
Als vorläufiges Fazit führt allenfalls die Variante (100 Tage Unterbrechung) bei unterstelltem Vollzug der Schenkung (§ 518 Abs. 1 BGB) zum BA-Abzug der Zinsen. Ansonsten liegen nicht abzugsfähige Unterhaltszahlungen gem. § 12 Nr. 2 EStG vor. Der Gewinnanteil des Schenkers erhöht sich um diesen Betrag. Zwei jüngere Urteile des BFH distanzieren sich von der Automatik der Verwaltungslösung. Im Urteil vom 18.1.2001 (BStBl II 2001, 393) wird der Verwaltung generell die Autorität abgesprochen, unwiderlegbare Vermutungen aufzustellen; ganz speziell folgt der BFH nicht der Schädlichkeitsvermutung bei der Verwendung einer einzigen Urkunde, wenn zwischen beiden Geschäften nur eine kurze Zeit liegt.
Noch weitergehend lässt der BFH im Urteil vom 15.4.1999 (BStBl II 1999, 524) erkennen, dass für ihn die Mittelherkunft der wiederverwendeten Darlehensbeträge von entscheidender Bedeutung ist. Stammen somit die Beträge nicht aus (vorherigem) BV oder stammen sie von dem Elternteil, der über keine betriebliche Einkunftsquelle verfügt, so ist danach der Anfangsverdacht über eine unzulässige Abhängigkeit beider Verträge widerlegt.
In diese vermeintliche Auflockerung der starren Grundsätze zugunsten einer einzelfallorientierten Rspr. ist aber mit dem Urteil vom 22.2.2002, BStBl II 2002, 685 (und zahlreichen bestätigenden Folgeurteilen) eine formalistische Renaissance eingekehrt. Immer dann, wenn – auch bei längerem Abstand zwischen Schenkung und späterer Darlehensverwendung – ein Gesamtplan ersichtlich ist, der bei beiden Verträgen (Darlehen und Schenkung) auf eine sachliche Verknüpfung schließen lässt, können die Zinsen nicht als BA anerkannt werden.
Konträr zu der rigiden Praxis bei den Angehörigenverträgen im betrieblichen Bereich sind – wie schon mehrfach aufgezeigt – Rspr. und Verwaltung sehr großzügig bei Vertragsgestaltungen unter Angehörigen im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Kennzeichnend dafür sind allein Diktion und Gegenstand von R 21.4 EStH. In einer Art »Beweislastumkehr« werden die vergleichbaren Themen zu den Gesellschafts- und Darlehensverträgen unter Angehörigen abgehandelt (Einbeziehung der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft; Mängel des Mietvertrages; Mittelherkunft der Miete etc.).
Besonders weit ging die Rspr., als sie bei der Vermietung an unterhaltsberechtigte Angehörige selbst dann keinen Gestaltungsmissbrauch diagnostizierte, da die Miete mit dem geschuldeten Barunterhalt verrechnet wurde (BFH-Urteil vom 16.1.1996, BStBl II 1996 bei getrennt lebenden Ehegatten und BFH-Urteil vom 19.10.1999, BStBl II 2000, 224 im Verhältnis der Eltern zu ihren unterhaltsberechtigten Kindern).
Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung der Fallgruppen ist nicht ersichtlich.
Im Jahre 2003 hat der BFH mit zwei Urteilen zu erkennen gegeben, wie die künftige Rspr. in der Beurteilung von Angehörigen-Mietverträgen aussehen könnte. Danach ist ein Mietverhältnis steuerlich dann nicht mehr anzuerkennen, wenn nicht abgeschlossene Wohnräume im Elternhaus an volljährige unterhaltsberechtigte Kinder vermietet werden (BFH vom 16.1.2003, BStBl II 2003, 301). Eine verbilligte Vermietung an sich steht der Anerkennung nicht im Wege (BFH vom 22.7.2003, BStBl II 2003, 806).
Im BMF-Schreiben vom 16.9.2004 (BStBl I 2004, 922) sind die o.g. Grundsätze der Angehörigenverträge auf die Wirtschaftsüberlassungsverträge (wiederkehrende Leistungen gegen Übertragung von PV/BV) übertragen worden.
»Die echte Steuerumgehung fängt genau dort an, wo die Auslegungskunst zu versagen beginnt.« Aus diesem Grund sind insbes. die nachfolgenden Maßnahmen hinsichtlich eines Missbrauches rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO zu prüfen. Zur Feststellung eines solchen Missbrauches erfolgt an dieser Stelle eine allgemeine Darstellung des diesbezüglich einschlägigen § 42 AO. Dieser sieht vor, dass »das Steuergesetz nicht durch den Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden kann«. Zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals »umgehen« kann folgender Grundsatz der Rechtsprechung herangezogen werden: »Von einer Umgehung ist auszugehen, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an ihrem erstrebten Ziel – unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.« Der Stpfl. führt demnach die Gestaltungsmaßnahme ausschließlich zur Reduktion seiner Steuerzahllast durch, ohne dass die Gestaltung relativierende wirtschaftliche Gründe enthält.
Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liegt vor, wenn eine unangemessene Gestaltung gewählt wird, die beim Stpfl. oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehen Steuervorteil führt. Daher ist zunächst die Unangemessenheit einer Gestaltungsmaßnahme anhand von der durch die Rechtsprechung entwickelten Maßstäben zu überprüfen. Der Leitsatz des in 2003 bezüglich der »Anteilsrotation« ergangenen BFH-Urteils vom 27.10.2005 (BFH/NV 2004, 925) bildet den Kern zur Beurteilung der Unangemessenheit einer Gestaltungsmaßnahme: »Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorgesehene typische Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll. Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt insbesondere dann zutage, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck dient. Dient die Gestaltung hingegen wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten nicht auf seine Angemessenheit beurteilt werden.«
Die Adjektive »unangemessen« und »ungewöhnlich« deuten an, dass der Gesetzgeber »einen typischen Weg zur Erreichung des wirtschaftlichen Ziels vorgibt«. Hierunter lässt sich eine »übliche, einfache und durch die Rechtsordnung gebotene Gestaltungsmaßnahme« verstehen. Der »typische« Weg entspricht nach Auffassung der Literatur der einfachsten Gestaltungsmaßnahme, die ein verständiger Dritter wählen würde. Würde dieser eine identische Maßnahme zur Lösung eines vergleichbaren wirtschaftlichen Problems verwenden, kann die Gestaltung nicht rechtsmissbräuchlich sein. Im Gegensatz hierzu erweisen sich ungewöhnliche Gestaltungsweisen gem. einhelliger Auffassung in der Literatur und des BFH als »umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt«. Sie sind oftmals nicht der Ausdruck des originären wirtschaftlichen Zwecks. An dieser Stelle erscheint es jedoch fraglich, ob die Gutachter der Gestaltungsmaßnahme sämtliche mögliche Gestaltungsmaßnahmen abschätzen können. Dieses wäre ex tunc jedoch erforderlich, wenn die Rechtsprechung einen »vom Gesetzgeber vorgesehenen typischen rechtlichen und tatsächlichen Gestaltungsweg« vorsieht.
Die ständige Rechtsprechung erkennt die Gestaltungsfreiheit des Stpfl. grds. an. Diese kann jedoch nicht zur Umsetzung von Gestaltungen verwendet werden, die keinem wirtschaftlichen Zweck dienen. Gegenteilig muss gem. der Auffassung des BFH jede Gestaltung »einen wirtschaftlich vernünftigen Zweck« verfolgen. Somit muss bei der Anwendung von § 42 AO der steuerliche Zweck einer Gestaltung ermittelt und dann in der weiteren Rechtsanwendung beachtet werden. Wird mit der Gestaltung erkennbar kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt, ist sie ex tunc als unangemessen zu bewerten und braucht nicht der weiteren Rechtsanwendung zugrunde gelegt werden.
Als weitere Maßnahme zur Feststellung der Unangemessenheit einer Gestaltung kann diese mit ihrem angestrebten Ziel in eine »Mittel-Ziel-Relation« gebracht werden. Ein Missbrauch wird hierbei auch angenommen, wenn die rechtliche Ausgestaltung der Maßnahme nicht zur Erreichung des erwünschten Zwecks angemessen ist. Generiert eine solche Maßnahme bei Durchführung der Gestaltung hohe Aufwendungen und ist ihr zukünftiger Ertrag unsicher oder nur im geringen Ausmaß nachweisbar, wird sie ebenfalls als »unangemessen« i.S.d. § 42 AO bewertet werden.
Zur finalen Bewertung der Angemessenheit einer Gestaltung bedarf es eines Vergleiches mit anderen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis erzielen. Generieren diese weniger Aufwand als die ursprünglich durch den Stpfl. intendierte Maßnahme und sind einfacher zu praktizieren, wird die Finanzbehörde diesen den Vorzug gegenüber der Gestaltung des Stpfl. geben. Ist aufgrund der Individualität der Gestaltungsmaßnahme keine andere Gestaltung praktikabel, muss die durch den Steuerpflichtigen durchgeführte Gestaltung als alternativlos bewertet werden. Dies lässt jedoch keinen Rückschluss auf ihre Unangemessenheit zu. Sollte sie ausschließlich auf die Vermeidung von Steuern gerichtet sein und keinem wirtschaftlichen Zweck dienen, liegt ex tunc ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor. Ob es zur Feststellung eines etwaigen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten eine Missbrauchsabsicht erforderlich ist, ist ungeklärt. Die h.M. bejaht diesen Vorsatz indirekt, indem sie eine »mit Umgehungsabsicht unternommene Handlung« (in fraudem legis agere) voraussetzt. Das Vorliegen einer solchen Absicht ist jedoch von untergeordneter Bedeutung. Nach Auffassung des BFH ist es für die Anwendung von § 42 AO nicht entscheidend, dass der Stpfl. gutgläubig, rechtsunwissend, unerfahren oder ungeschickt gehandelt hat.
Des Weiteren muss die Gestaltung zur Entstehung eines nicht vom Gesetz vorgesehenen Steuervorteils beim Stpfl. oder einem Dritten bejaht werden können. Ein Steuervorteil i.d.S. ist »jede Differenz, die sich bei der Betrachtung von mindestens zwei rechtl. Gestaltungen in steuerlicher Hinsicht ergibt«. Der Vergleichsumfang enthält somit einen steuerlichen Belastungsvergleich zwischen einer angemessenen und einer unangemessenen Gestaltung sowie den daraus resultierenden steuerlichen Folgen. Der Anwendungsbereich von § 42 AO ist eröffnet, wenn durch die Gestaltungsmaßnahme weniger Steuern zu zahlen sind als bei Durchführung einer angemessenen Gestaltung. Des Weiteren können Steuervorteile i.S.d. § 42 Abs. 2 Satz 1 AO neben Steuervergütungen und Steuererstattungen auch als zu geringe Steueransprüche, die aus einer Gestaltung resultieren, qualifiziert werden. Hierbei reduziert sich durch den entstehenden Steuervorteil die Steuerschuld des Stpfl. auf maximal null. Ein Steuervorteil wird auch angenommen, wenn die Entstehung oder Verwirklichung des Steueranspruches in die Zukunft verlagert wird.
Nach der Feststellung eines entstehenden Steuervorteils ist zu prüfen, ob dieser von Gesetzes wegen vorgesehen ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, »wenn der Tatbestand einer Norm erfüllt ist, mit der der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten durch steuerliche Anreize fördern wollte«. Des Weiteren ist an dieser Stelle zu prüfen, ob die Höhe des entstehenden Steuervorteils relevant ist. Hierbei ist sowohl zwischen der absoluten Höhe und der relativen Höhe eines Steuervorteils zu differenzieren. Fraglich ist, ob die Entstehung eines der absoluten Höhe nach geringfügigen, nicht von Gesetzes wegen vorgesehenen Steuervorteils vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG eine weitreichende Rechtsfolge i.S.e. Nichtanerkennung einer rechtlichen Gestaltung auslösen kann.
Hinsichtlich der Feststellung eines Steuervorteils ist das gestufte Beweislastverfahren des § 42 AO für Finanzamt und Steuerpflichtigen gleichermaßen relevant. Zunächst muss die Umgehung des Steuergesetzes mittels einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung dem Stpfl. durch die Finanzverwaltung nachgewiesen werden. Dieser Nachweis entspricht in der Realität überwiegend einer unterschiedlichen Würdigung von Tatsachen durch Finanzbehörde und Stpfl. Ein Nachweisproblem der Finanzbehörden ist somit weitestgehend ausgeschlossen. Hat die Finanzbehörde den Nachweis geführt, ist der Stpfl. zum Nachweis der maßgebenden außersteuerlichen Gründe verpflichtet. Analog zur erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nimmt der Gesetzgeber an, dass nur der Stpfl. dazu fähig ist, die für ihn maßgebenden außersteuerlichen Gründe der Gestaltung nachzuweisen. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, lässt sich daraus schließen, dass außersteuerliche Gründe nicht vorliegen. Zum Nachweis außersteuerlicher Gründe ist es ausreichend, wenn der Stpfl. die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit seiner Gestaltung durch einen Indizienbeweis erschüttert. Trotz dieser Beweislastumkehr sind die Finanzbehörden und Finanzgerichte weiter gem. des Amtsermittlungsgrundsatzes dazu verpflichtet, »unter dem Vorbehalt des Möglichen und Zumutbaren zugunsten des Steuerpflichtigen die beachtlichen außersteuerlichen Gründe zu ermitteln«. Führen diese Ermittlungen nicht zur Aufklärung beachtlicher außersteuerlicher Gründe, geht diese »Non-liquet-Situation« gem. § 292 Satz 1 ZPO auf den Stpfl. über. Hierbei ist der Stpfl. – im Gegensatz zur Vergangenheit – dazu verpflichtet, die vollständige Beweisführung für beachtenswerte außersteuerliche Gründe zu übernehmen.
Durch Nachweis beachtenswerter außersteuerlicher Gründe kann es gelingen, die Annahme eines Missbrauches rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu erschüttern. Der Gesetzgeber bietet diese Möglichkeit in Form des Wortlautes von § 42 Abs. 2 Satz 2 an. Hiernach liegt kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor, »wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind«. Außersteuerliche Gründe können jedoch nur ein Indiz für die Angemessenheit einer Gestaltung darstellen. Die Berücksichtigung dieser Gründe richtet sich danach, »ob die Verfolgung dieser Gründe nach den Wertungen des Gesetzgebers steuerlich zu berücksichtigen sind«. Außersteuerliche Gründe umfassen bspw. wirtschaftliche, rechtliche oder private Gründe. Eine Berücksichtigung dieser Gründe ist jedoch ausgeschlossen, wenn sie primär eine Steuerersparnis begründen sollen.
Der Leitsatz des BFH-Urteils vom 6.3.1985, BStBl II 1985, 494 spiegelt diese Auffassung des Gesetzgebers bezüglich einer Anerkennung außersteuerlicher Gründe wider: »Zwar steht es den Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, bei der Gestaltung ihrer geschäftlichen Verhältnisse Formen zu wählen, die ihnen die Zahlung von Steuern ersparen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung eines solchen Vorgangs ist indessen, dass [sic!] für diesen Geschehensablauf wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe gegeben sind.« Zur Feststellung nicht beachtenswerter außersteuerlicher Gründe enthält der AEAO eine Definition für die Feststellung der Unbeachtlichkeit außersteuerlicher Gründe. Diese sollen vorliegen, »wenn sie im Vergleich zum Ausmaß der Unangemessenheit der Gestaltung und den vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteilen nicht wesentlich oder sogar nur von untergeordneter Bedeutung sind«.
Im Umkehrschluss muss der Steuerpflichtige wesentliche Gründe von übergeordneter Bedeutung der Finanzbehörde nachweisen, um eine Anerkennung seiner Gestaltung zu erreichen. Die Feststellung der wirtschaftlichen Unangemessenheit erfolgt insbesondere dann, »wenn die Rechtsgestaltung keinen [sic!] wirtschaftlichen Zweck dient. Dient die Gestaltung hingegen wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten der Beteiligten nicht auf seine Angemessenheit beurteilt werden«. Die Auffassung des Gesetzgebers lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Durchführung einer Gestaltungsmaßnahme ist nicht rechtsmissbräuchlich, sofern neben der Reduktion der Steuerzahllast weitere, für den Geschäftsablauf bedeutendere Auswirkungen die Gestaltung begründen.
Gegensätzlich zur indiziellen Wirkung außersteuerlicher Gründe ist die Absenz maßgebender außersteuerlicher Gründe maximal ein Indiz für die Unangemessenheit der Gestaltungsmaßnahme. Sie ist explizit nicht dazu geeignet, eine solche Unangemessenheit festzustellen. Kein Stpfl. kann von Gesetzes wegen dazu verpflichtet werden, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass ein Steueranspruch entsteht. Vielmehr steht es ihm frei, die Steuer zu vermeiden und eine Gestaltung zu wählen, die eine geringere Steuerbelastung verursacht. Dennoch muss die Gestaltung auf einem wirtschaftlichen Grund basieren, da sie nicht ausschließlich der Steuerminderung dienen darf. Ist ein solcher Grund, unter fehlender Berücksichtigung der Steuerersparnis nicht erkennbar, ist die Gestaltung unangemessen. Im Umkehrschluss reicht ein erheblicher außersteuerlicher Grund bereits aus, um die Unangemessenheit der Gestaltung zu verneinen.
Sollte die Reduktion der Steuerzahllast der exklusive Grund für die Steuergestaltung sein, wird diese durch die Finanzverwaltung nicht anerkannt werden. Es ist daher zu prüfen, welche Rechtsfolgen aus dem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten resultieren. Wird ein Verstoß gegen § 42 AO bejaht, entsteht der Steueranspruch so, »wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht«. Hiernach wird nicht die Gestaltung des Stpfl., sondern eine fiktive angemessene Gestaltung der Besteuerung zugrunde gelegt. Der angemessene Teil der tatsächlichen Gestaltung des Stpfl. ist beizubehalten; der unangemessene Teil wird durch eine fiktive, angemessene Gestaltung ersetzt.
Die erfolgte textliche Darstellung des Prüfungsschemas lässt sich – wie folgt – grafisch darstellen:
Gassner, Das allgemeine und das besondere Umgehungsproblem im Steuerrecht, Festschrift Kruse 2001, 183; Neuere Entwicklungen in der BFH-Rspr. zu § 42 AO, StbJb 2000/2001, 61; Hohhaus/Eickmann, Beteiligung an vermögensverwaltenden Familien-KG, BB 2004, 1707.
Zur Neufassung des § 42 AO: Brockmeyer, Bedenkliche Neufassung des § 42 Abs. 1 AO im Referentenentwurf des JStG 2008, DStR 2007, 1325 (1326); Schmidt-Keßeler, Steuergestaltung ist kein Missbrauch, DStR-KR 2007, 29; Geck/Messner, ZEV-Report Steuerrecht, ZEV 2007, 373; Burwitz, Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) – Regierungsentwurf eines JStG 2008 vom 8.8.2007, NZG 2007, 659; Hey, Grenzen steuerlicher Gestaltungsfreiheit, DStR 2014, 8; Vogel, Die Auslegung privatrechtlich geprägter Begriffe im Ertragsteuerrecht, Baden-Baden 2015; BR-Drs. 544/07, 106; Schwarz in Schwarz, AO, § 42 Rn 33.
→ Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO
→ Verträge zwischen Angehörigen
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