1 Allgemeines
2 Amtliche Vordrucke
2.1 Vordrucke für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2023
2.2 Vordrucke für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2024
3 Eigenhändige Unterschrift im Falle der Vertretung
4 Voranmeldungsverfahren
4.1 Voranmeldungszeitraum
4.1.1 Bestimmung des Voranmeldungszeitraums
4.1.2 Besonderheiten bei Organschaften
4.1.2.1 Beendigung der Organschaft
4.1.2.2 Neu entstandene Organschaften
4.1.3 Nachträgliches Bekanntwerden oder nachträgliche Änderung der Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr
4.1.4 Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldung
4.1.4.1 Allgemeiner Überblick
4.1.4.2 Fälle des § 18 Abs. 4a UStG
4.1.4.3 Gesetzlicher Wechsel von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen nach § 24 UStG zur Regelbesteuerung
4.1.5 Abgabe von Voranmeldungen in Neugründungsfällen
4.1.5.1 Echte Neugründungsfälle ab 1.1.2021
4.1.5.2 Unechte Neugründungsfälle
4.1.5.3 Dauerfristverlängerung in Neugründungsfällen
4.2 Verpflichtung zur Abgabe einer Voranmeldung
4.2.1 Abgabefrist und -verpflichtung
4.2.2 Befreiung von der elektronischen Abgabe
4.2.3 Erstellung von Voranmeldungen durch Personen i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG
4.2.4 Folgen bei verspäteter Abgabe
4.2.5 Folgen bei Nichtabgabe
4.2.5.1 Zwangsgeld
4.2.5.2 Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
4.3 Wirkung einer Steueranmeldung nach § 168 AO
4.4 Sicherheitsleistungen nach § 18f UStG
5 Ordnungswidrigkeit und Straftatbestand bei Nichtzahlung der Umsatzsteuer
6 Dauerfristverlängerung
7 Voranmeldungen in Sonderfällen
7.1 Befreiung von der Abgabe
7.2 Anwendung der Durchschnittssätze nach § 24 UStG
7.3 Beförderungseinzelbesteuerung
7.4 Fahrzeugeinzelbesteuerung
7.5 Vorsteuervergütungsverfahren
7.6 Im Ausland ansässige Unternehmer mit grenzüberschreitender Personenbeförderung
8 Besondere Besteuerungsverfahren – One-Stop-Shop und Import-One-Stop-Shop – ab 1.7.2021
8.1 Allgemeiner Überblick
8.2 Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG
8.2.1 Überblick über die maßgeblichen Umsätze des § 18j UStG
8.2.2 Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates und Anwendung des § 18j UStG
8.2.3 Innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG im Gemeinschaftsgebiet und Anwendung des § 18j UStG
8.2.4 Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j für sonstige Leistungen an Empfänger i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG und Anwendung des § 18j UStG
8.2.5 Erklärungspflichten
8.3 Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18i UStG
8.4 Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG
8.4.1 Allgemeiner Überblick zu Fernverkäufen aus Drittlandsgebieten
8.4.2 Die Anwendung des besonderen Besteuerungsverfahrens nach § 18k UStG im Einzelnen
8.4.2.1 Maßgebliche Lieferungen i.S.d. § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG
8.4.2.2 Steuerbefreiung bei der Einfuhr
8.4.2.3 Benennung eines Vertreters
8.4.2.4 Zulässiger Mitgliedstaat für die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren
8.4.2.5 Erteilung einer individuellen Identifikationsnummer
8.4.2.6 Abgabe einer Steuererklärung nach Ablauf des Besteuerungszeitraums
8.4.3 Nichtanwendung des IOSS (§ 18k UStG) von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €
9 Gesonderte Erklärung innergemeinschaftlicher Lieferungen und bestimmter sonstiger Leistungen im Besteuerungsverfahren
9.1 Grundsätzliches
9.2 Meldepflichtige Leistungen
9.2.1 Innergemeinschaftliche Lieferungen
9.2.2 Im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbrachte Dienstleistungen i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG
9.2.3 Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte
9.3 Diskrepanz zwischen der Umsatzsteuer-Voranmeldung und der Zusammenfassenden Meldung
10 Insolvenzverfahren
11 Literaturhinweise
12 Verwandte Lexikonartikel
Das UStG unterscheidet beim Besteuerungsverfahren das
Voranmeldungsverfahren und das
Jahressteuer-Anmeldungsverfahren (→ Umsatzsteuererklärung).
In beiden Fällen muss der Unternehmer die Steuerschuld (Zahllast/Vergütungsanspruch) für den im Rahmen der o.g. Verfahren vorgeschriebenen Zeitraum selbst berechnen (sog. Selbstveranlagungsprinzip gem. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO). In beiden Fällen hat der Unternehmer die Voranmeldung bzw. die Jahreserklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (§ 87a Abs. 6 sowie §§ 87b bis 87d AO, § 18 Abs. 1 und 3 UStG). In beiden Fällen kann das FA auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Der Unternehmer muss dann die Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgeben. Für die Voranmeldung ist in diesen Fällen im Gegensatz zur Jahreserklärung (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UStG) die eigenhändige Unterschrift des Unternehmers nicht erforderlich. Zur Abgabe von USt-Voranmeldungen s.a. OFD Hannover vom 13.8.2009 (S 7346 – 77 – StO 182, UR 2009, 910, LEXinform 5232309).
Mit BMF-Schreiben vom 21.12.2022 (BStBl I 2022, 1703) werden im USt-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2023 die Vordruckmuster USt 1 A (Umsatzsteuer-Voranmeldung 2023), USt 1 H (Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2023), USt 1 E (Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2023) und USt 5 E (Anleitung zum Antrag auf Dauerfristverlängerung/zur Anmeldung der Sondervorauszahlung 2023) bekannt gegeben.
Durch Art. 16 Nr. 5 i.V.m. Art. 43 Abs. 6 des JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 in § 12 Abs. 3 UStG ein Nullsteuersatz auf die Lieferungen, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Einfuhr und die Installation von bestimmten Solarmodulen einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, eingeführt. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Nullsteuersatzes gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird. Entsprechende Umsätze im Zusammenhang mit der Lieferung oder Installation der o.g. Gegenstände sind in Zeile 14 (KZ 87) des Vordruckmusters USt 1 A einzutragen. Innergemeinschaftliche Erwerbe der o.g. Gegenstände sind in Zeile 26 (Kz 90) des Vordruckmusters USt 1 A anzugeben.
Die auf die jeweilige Bemessungsgrundlage anzuwendenden Durchschnittssätze für Land- und Forstwirte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG; im Kj. 2023: 19 %) sind um die zum Zeitpunkt des Umsatzes aktuellen Sätze für pauschalierte Vorsteuerbeträge (§ 24 Abs. 1 Satz 3 i.V.m Satz 1 Nr. 2 UStG) zu vermindern. Der danach berechnete Prozentsatz ist auf die Bemessungsgrundlage anzuwenden und das Ergebnis als Steuerbetrag in der Zeile 17 (Kz 76/80) des Vordruckmusters USt 1 A 2023 einzutragen.
Hinweis:
Mit Art. 12 Nr. 3 des Achten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (BGBl I 2022, 1838) wird der Durchschnittssatz und die Vorsteuerpauschale des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG ab 1.1.2023 auf 9 % angepasst.
Mit Art. 1 Nr. 5 i.V.m. Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht vom 21.12.2021 (BGBl I 2021, 5250) hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2022 in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG jeweils die Angabe »10,7 %« durch die Angabe »9,5 %« ersetzt. Der neue Wert ist von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in den Zeilen 24 (KZ 76/80) des Vordruckmusters USt 1 A 2022 zu berücksichtigen. Das Vordruckmuster USt 1 E wurde entsprechend angepasst (s.o. die Erläuterungen zum Vordruckmuster für das Kj. 2022).
Nach § 24 Abs. 5 Satz 1 UStG überprüft das Bundesministerium der Finanzen jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes i.S.d. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Die Überprüfung des Durchschnittssteuersatzes hat ergeben, dass nach den maßgeblichen Daten der Jahre 2018 bis 2020 der Durchschnittssatz 9 % beträgt (BT-Drs. 20/3590, 133).
Durch Art. 16 Nr. 10 und Art. 18 Nr. 3 i.V.m. Art. 30 Abs. 6 des JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) wurden mit Wirkung zum 1.1.2023 die allgemeinen Durchschnittssätze nach § 23 UStG sowie §§ 69 und 70 UStDV (inklusive der dazugehörigen Anlagen) gestrichen. Gleichzeitig wurde durch Art. 16 Nr. 11 i.V.m. Art. 30 Abs. 6 des JStG 2022 die Umsatzgrenze zur Inanspruchnahme des Durchschnittssatzes für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in § 23a Abs. 2 UStG auf 45 000 € erhöht. In der Zeile 41 (Kz 63) des Vordruckmusters USt 1 A sind daher ab Januar 2023 ausschließlich Vorsteuerbeträge, die nach den allgemeinen Durchschnittssätzen nach § 23a UStG berechnet wurden, einzutragen.
Mit BMF-Schreiben vom 1.11.2023 (BStBl I 2023, 1970) werden im USt-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2024 die Vordruckmuster USt 1 A (Umsatzsteuer-Voranmeldung 2024), USt 1 H (Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2024), USt 1 E (Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2024) und USt 5 E (Anleitung zum Antrag auf Dauerfristverlängerung/zur Anmeldung der Sondervorauszahlung 2024) bekannt gegeben.
Die Vfg. der OFD Hannover vom 27.1.2003 (S 0321 – 3 – StH 462/S 0321 – 1 – StO 321, DStR 2003, 596, LEXinform 0577290) nimmt zum Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bei Steuererklärungen u.a. in den Fällen, dass ein Bevollmächtigter Beauftragter ist, Stellung (s.a. Abschn. 18.1 Abs. 3 UStAE).
Hinweis:
Die eigenhändige Unterschrift ist nur dann erforderlich, wenn eine unbillige Härte vorliegt und der Unternehmer die USt-Erklärung für das Kalenderjahr nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in herkömmlicher Form – auf Papier – abgibt.
Der Stpfl. kann sich bei allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 80 Abs. 1 Satz 2 AO). Zu diesen Verfahrenshandlungen gehört auch die Abgabe von Steuererklärungen, sodass der Bevollmächtigte grundsätzlich die Steuererklärung im Auftrag des Stpfl. unterzeichnen darf. Sehen jedoch die Einzelsteuergesetze die eigenhändige Unterschrift des Stpfl. vor, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur unter den Voraussetzungen des § 150 Abs. 3 AO zulässig (AEAO zu § 80, Ziff. 3). Das Recht zur gewillkürten Vertretung (§ 80 Abs. 1 AO) wird insoweit eingeschränkt.
Die eigenhändige Unterschrift des zur Abgabe der Steuererklärung Verpflichteten ist u.a. vorgeschrieben:
für die Einkommensteuererklärung (§ 25 Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG),
für die Gewerbesteuererklärung (§ 14 a Satz 3 GewStG),
für die Umsatzsteuererklärung (§ 18 Abs. 3 letzter Satz UStG).
In diesen Fällen genügt die Unterschrift eines Bevollmächtigten nur dann, wenn der Stpfl. infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Ein Fall der längeren Abwesenheit liegt z.B. vor, wenn der Stpfl. sich dauernd im Ausland aufhält oder in das Ausland verzogen ist (BFH vom 10.4.2002 VI R 66/98, BStBl II 2002, 455). Nach Wegfall des Hinderungsgrunds kann verlangt werden, dass der Stpfl. die eigenhändige Unterschrift nachholt (§ 150 Abs. 3 AO). Ein Bevollmächtigter darf die Umsatzsteuererklärung für das Kj. nur dann unterschreiben, wenn die in § 150 Abs. 3 AO bezeichneten Hinderungsgründe vorliegen (Abschn. 18.1 Abs. 3 Satz 2 UStAE).
Ferner ist die Bevollmächtigung offenzulegen. Die verdeckte Stellvertretung reicht nicht aus. Unterschreibt der Bevollmächtigte mit dem Namen des Stpfl., so hat er deshalb auf die Bevollmächtigung hinzuweisen (BFH vom 7.11.1997 VI R 45/97, BStBl II 1998, 54; vom 14.1.1998 X R 84/ 95, BStBl II 1999, 203; vom 10.4.2002 VI R 66/98, BStBl II 2002, 455).
Hat ein Bevollmächtigter die Steuererklärung unterschrieben, bestehen aber Zweifel, ob ein Verhinderungsfall des § 150 Abs. 3 AO vorliegt, so ist der Bevollmächtigte aufzufordern, entweder die Voraussetzungen für seine Unterschriftsleistung nachzuweisen oder die Unterschrift durch den Stpfl. nachholen zu lassen. Weigert sich der Stpfl. ohne zureichenden Grund, die Erklärung nachträglich zu unterzeichnen, so muss daraus geschlossen werden, dass er sie nicht abgeben will. In diesen Fällen können Zwangsgelder angedroht und festgesetzt sowie Verspätungszuschläge auferlegt werden. Ferner sind antragsgebundene Steuervergünstigungen nicht zu gewähren, wenn die Veranlagung nach den Angaben in der nicht mit rechtsgültiger Unterschrift versehenen Steuererklärung durchgeführt wird.
Das UStG sieht nicht vor, dass der Stpfl. die USt-Voranmeldung (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG) eigenhändig zu unterschreiben hat. Auch für die LSt-Anmeldung wird die eigenhändige Unterschrift des ArbG nicht verlangt; die Unterschrift einer zu seiner Vertretung berechtigten Person ist ausdrücklich zugelassen (§ 41a Abs. 1 Satz 3 EStG). Danach reicht es aus, wenn die Erklärung (Anmeldung) von dem steuerlichen Vertreter unterzeichnet wird, der sie erstellt hat. Bei entsprechender Bevollmächtigung kann auch ein Angestellter des steuerlichen Vertreters die Erklärung (Anmeldung) unterzeichnen. Das gilt jedoch nur, wenn der Angestellte zu dem in § 3 StBerG bezeichneten Personenkreis gehört.
Hinweis:
Mit Urteil vom 30.10.2019 (4 K 1715/18, EFG 2020, 571, LEXinform 5022847, rkr.) hat das FG Baden-Württemberg folgen Fall entschieden:
Der Kläger, ein selbstständiger Buchhalter, buchte unter Verwendung eines Buchhaltungsprogramms für seine Mandanten auf der Basis der ihm von diesen zur Verfügung gestellten Unterlagen die laufenden Geschäftsvorfälle, erstellte sodann die Umsatzsteuervoranmeldungen, prüfte und besprach diese mit den Mandanten und übermittelte diese nach deren Zustimmung über ELSTER an das jeweils zuständige FA. Die Mandanten hatten hierzu dem Kläger eine »Übermittlungsvollmacht für Steuerdaten« erteilt. Nach der Übermittlung einer Umsatzsteuervoranmeldung für einen Mandanten wies das beklagte FA den Kläger als Bevollmächtigten zurück, da er unbefugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet habe. Alle künftigen Verfahrenshandlungen für diesen Mandanten blieben ohne Wirkung. Der Kläger machte geltend, das Verbot, Umsatzsteuervoranmeldungen zu fertigen, sei verfassungswidrig. Umsatzsteuervoranmeldungen seien keine abschließenden Meldungen. Es bestünden Korrekturmöglichkeiten.
Entscheidungsgründe:
Ein selbstständiger Buchhalter erbringt mit der Erstellung von USt-Voranmeldungen für Mandanten unbefugt eine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen i.S.v. §§ 2, 5 StBerG. Die Hilfeleistung bei der Anfertigung von USt-Voranmeldungen wird von der Erlaubnisnorm des § 6 Nr. 4 StBerG nicht erfasst; diese Vorschrift kann auch mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht analog angewendet werden.
Die Regelung des § 6 Nr. 4 StBerG ist, soweit sie selbstständigen Buchhaltern keine Befugnis einräumt, für ihre Mandanten USt-Voranmeldungen zu erstellen, verfassungsgemäß (Anschluss an BFH vom 1.3.1983, VII R 27/82, BStBl II 1983, 318 und BFH vom 7.6.2017, II R 22/15, BStBl II 2017, 973) und verstößt auch nicht gegen Unionsrecht.
Die Fertigung einer USt-Voranmeldung ist nicht lediglich ein »mechanisches Rechenwerk«, das sich aufgrund der Nutzung eines entsprechenden Buchhaltungsprogramms »automatisch« aus der laufenden Buchhaltung ergibt. Das für selbstständige Buchhalter geltende Verbot der geschäftsmäßigen Hilfeleistung bei der Erstellung von USt-Voranmeldungen ist aufgrund der Komplexität des Umsatzsteuerrechts geboten, um dem Interesse der Allgemeinheit und gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger Rechnung zu tragen, dass nur solche Berater geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die dazu die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen (s.a. unten den Gliederungspunkt »Erstellung von Voranmeldungen durch Personen i.S.d. § 6 Nr. 4 StBerG«).
In Einzelfällen von besonderer Bedeutung (z.B. bei hohen Vorsteuerüberschüssen) bleibt es dem FA unbenommen, sich an den Stpfl. selbst zu wenden (§ 80 Abs. 3 AO).
Für den Inhalt der Erklärung (Anmeldung) bleibt der Stpfl. auch dann verantwortlich, wenn er mit ihrer Erstellung einen Bevollmächtigten beauftragt hat. Zusätzlich übernimmt der Bevollmächtigte mit seiner Unterschrift die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortung dafür, dass er die erklärten Angaben auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin gewissenhaft überprüft hat.
Die Finanzverwaltung hat in enger Zusammenarbeit mit den Steuerberaterkammern und der Bundessteuerberaterkammer ein Verfahren entwickelt, mit dem Steuerberater den Landesfinanzbehörden auf der Grundlage eines amtlich bestimmten Vollmachtformulars die Daten der ihnen von ihren Mandanten erteilten Vollmachten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz übermitteln können.
§ 80a Abs. 1 AO i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1679) enthält die rechtlichen Rahmenbedingungen für dieses Verfahren. Die Vorschrift tritt am 1.1.2017 in Kraft. Danach ist die elektronische Übermittlung der Vollmachtsdaten an folgende Voraussetzungen geknüpft:
Die zugrunde liegende Vollmacht muss nach amtlich bestimmtem Formular erteilt worden sein.
Die Vollmachtsdaten werden nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelt. Hierbei sind § 87a Abs. 6 und die §§ 87b bis 87d AO zu beachten.
Die übermittelten Daten müssen zutreffend sein. Bei Übermittlung unzutreffender Daten kann eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 383b AO vorliegen.
Im Datensatz ist auch anzugeben, ob und inwieweit dem Bevollmächtigten eine Bekanntgabevollmacht und eine Vollmacht zum Datenabruf bei der Finanzverwaltung erteilt wurde.
Bei Widerruf oder Änderung einer bereits elektronisch übermittelten Vollmacht muss dies vom Bevollmächtigten der Finanzverwaltung unverzüglich nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mitgeteilt werden. Bei unterlassener Übermittlung dieser Information kann eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 383b AO vorliegen.
Nach § 383b AO werden ergänzend zu § 80a AO zwei zusätzliche Bußgeldtatbestände eingeführt.
Ordnungswidrig handelt, wer den Finanzbehörden vorsätzlich oder leichtfertig
entgegen § 80a Abs. 1 Satz 3 AO unzutreffende Vollmachtsdaten übermittelt oder
entgegen § 80a Abs. 1 Satz 4 AO den Widerruf einer nach § 80a Abs. 1 AO übermittelten Vollmacht durch den Vollmachtgeber nicht unverzüglich mitteilt.
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10 000 € geahndet werden.
Voranmeldungszeitraum ist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG grundsätzlich das Kalendervierteljahr. Zu Neugründungsfällen s.u. den Gliederungspunkt 4.1.5 »Abgabe von Voranmeldungen in Neugründungsfällen«.
USt-Zahllast im vorangegangenen Kalenderjahr |
||
bis 7 500 € |
mehr als 7 500 € |
bis 1 000 €; ab 1.1.2025: bis 2 000 € |
Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG). |
Voranmeldungszeitraum ist der Kalendermonat (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG). |
Das FA kann den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG), wenn es sich nicht um einen Neugründungsfall handelt (Abschn. 18.2 Abs. 2 UStAE; s.u. den Gliederungspunkt »Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldung«). |
Abb.: Voranmeldungszeitraum bei USt-Zahllast
Der Voranmeldungszeitraum des laufenden Kalenderjahres bestimmt sich regelmäßig nach der Steuer des Vorjahres. Umsätze des Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers), bleiben unberücksichtigt. Der Voranmeldungszeitraum umfasst grundsätzlich das Kalendervierteljahr. Abweichend hiervon ist Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat, wenn die Steuer für das vorangegangene Kj. mehr als 7 500 € betragen hat (Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 1 bis 6 UStAE).
USt-Überschuss bzw. Vergütungsanspruch im vorangegangenen Kj. |
|
bis 7 500 € |
mehr als 7 500 € |
Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG). |
Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG). Der Unternehmer kann anstelle des Kalendervierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen (§ 18 Abs. 2a Satz 1 UStG). Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer für das laufende Kj. Das Wahlrecht muss der Unternehmer bis zum 10.2. des laufenden Kj. durch Abgabe einer Voranmeldung für den Monat Januar ausüben. Diese Frist kann nicht verlängert werden (Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 7 UStAE). Die Vorschriften der AO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO sind anzuwenden (Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 8 und 9 UStAE). |
Abb.: Voranmeldungszeitraum bei USt-Überschuss
Der Gesetzgeber hat bei den Regelungen des § 18 Abs. 2 und 2a UStG auf die Steuer des vorangegangenen Kj. abgestellt, damit für Unternehmer und Finanzverwaltung bereits zu Beginn des laufenden Kj. der USt-Voranmeldungszeitraum für das laufende Kj. feststeht.
Nach § 18 Abs. 2a Satz 6 UStG ist die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG entsprechend anzuwenden (s.u. den Gliederungspunkt 4.1.5 »Abgabe von Voranmeldungen in Neugründungsfällen«). Nach § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG ist eine Umrechnung der tatsächlichen Vorjahressteuer in eine Jahressteuer in den Fällen vorgesehen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des vorangegangenen Kj. ausgeübt hat. Weiterhin ist in den Fällen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im laufenden Kj. aufnimmt, die voraussichtliche Steuer im laufenden Kj. maßgebend.
Beispiel 1:
Die USt-Zahllast des Unternehmers U betrug im Kj. 12
7 000 €,
7 500 €,
8 000 €,
Überschuss 7 000 €,
Überschuss 8 000 €.
Lösung 1:
Im Fall a), b) und d) ist das Kalendervierteljahr Voranmeldungszeitraum, da die Steuer für das vorangegangene Kj. nicht mehr als 7 500 € beträgt (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG; Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 6 und 7 UStAE).
Im Fall c) ist der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum, da die Steuer im vorangegangenen Kj. 7 500 € überstiegen hat.
Im Fall e) kann der Unternehmer als Voranmeldungszeitraum den Kalendermonat anstelle des Kalendervierteljahrs wählen (§ 18 Abs. 2a UStG). Die Ausübung des Wahlrechts zur monatlichen Abgabe bindet den Unternehmer für das laufende Kj. (§ 18 Abs. 2a Satz 3 UStG). Das Wahlrecht muss der Unternehmer bis zum 10. Februar des laufenden Kj., durch Abgabe einer Voranmeldung für den Kalendermonat Januar, ausüben. Diese Frist kann nicht verlängert werden (Wiedereinsetzung nach § 110 AO ist möglich).
Beispiel 2:
Die USt-Zahllast des Unternehmers U betrug im Kj. 12
1 000 €,
Überschuss 1 500 €.
Lösung 2:
Da die Steuer im Fall a) für das vorangegangene Kj. nicht mehr als 1 000 € betrug, wird der Unternehmer im laufenden Kj. von Amts wegen von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreit (Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStAE).
Beachte:
Mit Art. 23 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Abs. 6 des Wachstumschancengesetzes vom 27.3.2024 (BGBl I 2024 Nr. 108) wird der Schwellenwert des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG von bisher 1 000 € auf 2 000 € angehoben, sodass mehr Unternehmer lediglich jährlich eine USt-Jahreserklärung abgeben müssen (s.a. BT-Drs. 20/8628, 203).
Im Fall b) ist der Unternehmer zur vierteljährlichen Abgabe verpflichtet. Bei einem Überschuss im vorangegangenen Kj. kann sich der Unternehmer auf Antrag von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien lassen (Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 4 und 5 UStAE).
Beachte:
Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen kommt für das Jahr der Aufnahme der Tätigkeit (ab dem Kj. 2021) und das folgende Kj. nicht in Betracht (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 3 UStAE).
Zum Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft s. Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStAE.
Nach Beendigung der Organschaft wird die bisherige Organgesellschaft selbst Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Zur Bestimmung des Voranmeldungszeitraums der bisherigen Organgesellschaft nach Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft bzw. nach dem Ausscheiden der Organgesellschaft aus einer Organschaft wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn grundsätzlich auf die Steuer des vorangegangenen Kj. des bisherigen Organkreises abgestellt wird. Soweit die bisherige Organgesellschaft einen davon abweichenden Voranmeldungszeitraum begehrt, ist eine fiktive anteilige Steuer für das vorangegangene Kj. durch die bisherige Organgesellschaft selbst zu ermitteln.
Hat die Organgesellschaft ihre unternehmerische Tätigkeit als eigenständiges Unternehmen – vor Eintritt in den Organkreis – erst in dem Kj. des Ausscheidens aus dem Organkreis oder in dem diesem Kj. vorangegangenen Kj. aufgenommen, ist – unter Anwendung von § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG – Voranmeldungszeitraum stets der Kalendermonat (Abschn. 18.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Beachte:
Durch Art. 7 Nr. 1 des Dritten Bürokratieentlastungsgesetz vom 22.11.2019 (BGBl I 2019, 1746) wird ab 1.1.2021 bis zum 31.12.2026 auf die Anwendung des § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG verzichtet (s. Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 1 UStAE). Mit Wirkung vom 1.1.2021 wird in § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG eine Umrechnung der tatsächlichen Vorjahressteuer in eine Jahressteuer in den Fällen eingeführt, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des vorangegangenen Kj. ausgeübt hat. Weiterhin wurde geregelt, dass in den Fällen, in denen der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im laufenden Kj. aufnimmt, die voraussichtliche Steuer im laufenden Kj. maßgebend ist. Nach § 18 Abs. 2a Satz 6 UStG ist die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG entsprechend anzuwenden (s.a. BT-Drs. 19/13959, 35).
Beispiel 3:
Lösung 3:
Innerhalb des Organkreises sind Organgesellschaften Teile des einheitlichen Unternehmens eines Unternehmers (hier D; Abschn. 2.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Liegt Organschaft vor, sind die eingegliederten Organgesellschaften (Tochtergesellschaften) ähnlich wie Angestellte des Organträgers (Muttergesellschaft) als unselbstständig anzusehen; Unternehmer ist der Organträger (hier D; Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 6 UStAE).
Nach Beendigung der Organschaft wird die bisherige Organgesellschaft selbst (wieder) Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG (BMF vom 9.4.2013, BStBl I 2013, 517).
GmbH A & D:
Die GmbH A & D hatte ihre unternehmerische Tätigkeit am 1.5.2018 begonnen (Abschn. 2.6 Abs. 1 UStAE). Voranmeldungszeitraum war im Kj. 2018 und 2019 nach § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG der Kalendermonat. Ab dem Kj. 2020 ist der Voranmeldungszeitraum grundsätzlich das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG).
Ab 1.9.2021 wird die Tätigkeit der GmbH A & D nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbstständig ausgeübt. Unternehmer ist der Organträger D (Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 6 UStAE). Zur Bestimmung des Voranmeldungszeitraums der neu entstandenen Organschaft D s. den nachfolgenden Gliederungspunkt.
Zur Bestimmung des Voranmeldungszeitraums der bisherigen Organgesellschaft GmbH A & D nach dem Ausscheiden der Organgesellschaft aus der Organschaft D wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn grundsätzlich auf die Steuer des vorangegangenen Kj. des bisherigen Organkreises abgestellt wird. Soweit die bisherige Organgesellschaft einen davon abweichenden Voranmeldungszeitraum begehrt, ist eine fiktive anteilige Steuer für das vorangegangene Kj. durch die bisherige Organgesellschaft zu ermitteln (Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStAE).
Ein Neugründungsfall des § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG ist nicht gegeben, da die GmbH A & D ihre unternehmerische Tätigkeit nicht im Kj. des Ausscheidens aus dem Organkreis oder in dem diesem Kj. vorangegangenen Kj. aufgenommen hat (s. Abschn. 18.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE; s. GmbH B & D).
GmbH B & D:
Die GmbH B & D hatte ihre unternehmerische Tätigkeit am 1.7.2021 begonnen (Abschn. 2.6 Abs. 1 UStAE). Voranmeldungszeitraum ist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG grundsätzlich das Kalendervierteljahr. Für Neugründungsfälle ist § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG in den Kj. 2021 bis 2026 nicht anzuwenden. Die generelle Verpflichtung zur Abgabe von monatlichen Voranmeldungen gilt in diesem Zeitraum nicht (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 1 UStAE).
Für die Bestimmung des Voranmeldungszeitraums in dem Kj. der Aufnahme der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit (ab 1.7.2021) ist die voraussichtliche Steuer dieses Jahres maßgebend; im folgenden Kj. ist die tatsächliche Steuer des Vorjahres in eine Jahressteuer umzurechnen. Die voraussichtliche Steuer ist zu Beginn der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vom Unternehmer zu schätzen und dem FA mitzuteilen (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 4 und 5 UStAE).
Nach § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG ist die voraussichtliche Steuer ab Beginn der unternehmerischen Tätigkeit am 1.7.2021 für die Bestimmung des Voranmeldungszeitraums maßgebend. D schätzt, dass die Steuer für das laufende Kj. 2021 weniger als 1 000 € beträgt. Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen kommt für das Jahr der Aufnahme der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und das folgende Kj. allerdings nicht in Betracht (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 3 UStAE). Voranmeldungszeitraum ist ab 1.7.2021 das Kalendervierteljahr.
Mit Eingliederung in die Organschaft D am 1.9.2021 wird die unternehmerische Tätigkeit der GmbH B & D unterbrochen und lebt mit Ausscheiden aus der Organschaft am 1.1.2022 wieder auf. Es handelt sich um einen Neugründungsfall des bisherigen § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG, da die GmbH B & D ihre unternehmerische Tätigkeit als eigenständiges Unternehmen – vor Eintritt in den Organkreis – in dem Kj., das dem Ausscheiden aus dem Organkreis vorangeht, aufgenommen hat (Abschn. 18.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Durch Art. 7 Nr. 1 des Dritten Bürokratieentlastungsgesetz vom 22.11.2019 (BGBl I 2019, 1746) wird ab 1.1.2021 bis zum 31.12.2026 auf die Anwendung des § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG verzichtet.
Zum 1.1.2022 wird die am 1.9.2021 unterbrochene Tätigkeit der GmbH B & D wieder aufgenommen. Nach § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG ist die tatsächliche Steuer des vorangegangenen Kj. in eine Jahressteuer umzurechnen. Da auch danach die Jahressteuer weniger als 1 000 € betragen würde, könnte das FA die GmbH von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen und der Entrichtung der Vorauszahlungen befreien. Da es sich aber um einen Neugründungsfall handelt (s. Abschn. 18.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE), kommt für das Jahr der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit (Kj. 2021) und das folgende Jahr (Kj. 2022) eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen nicht in Betracht (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 3 und Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE).
GmbH C & D:
Die GmbH C & D war bereits mit Beginn ihrer Tätigkeit in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert (s.a. Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 7 UStAE). Die unternehmerische Tätigkeit beginnt die GmbH erst mit Ausscheiden aus dem Organkreis am 1.1.2022. Nach § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG schätzt die GmbH ihre voraussichtliche Steuer des laufenden Kj. auf einen Betrag weit über 7 500 €. Damit ist der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum.
Zum Abgabezeitraum von USt-Voranmeldungen für neu entstandene Organschaften nimmt das LfSt Niedersachsen mit Vfg. vom 17.12.2019 (S 7346 – 163 – St 186, LEXinform 7012066) Stellung.
Im Fall von neu entstandenen Organschaften richtet sich der Abgabezeitraum für die USt-Voranmeldungen (§ 18 Abs. 2 UStG) nach der Höhe der Steuer des Organträgers im vorangegangenen Kj. Die Umsätze der jeweiligen Organgesellschaften bleiben außer Betracht.
Organgesellschaften sind nach Abschn. 2.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE Teile des einheitlichen Unternehmens eines Unternehmers (→ Organschaft). Unternehmer ist nur der übergeordnete Organträger. Im Jahr vor der Begründung der Organschaft lagen noch einzelne selbstständige Unternehmen vor. Für die Zahlungsweise ist die Steuer des vorangegangenen Kj. des Unternehmers (Organträger) maßgebend (§ 18 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UStG). Die Verhältnisse eines anderen Unternehmens (der Organgesellschaft[en]) können nicht berücksichtigt werden.
Beachte:
Eine Umrechnung der tatsächlichen Vorjahressteuer in eine Jahressteuer i.S.d. § 18 Abs. 2 Satz 6 UStG ist für den Organträger i.d.R. nicht vorzunehmen, da dieser seine Tätigkeit nicht nur in einem Teil des vorangegangenen Kj. ausgeübt hat (kein Neugründungsfall des Organträgers).
Sollte die Vorjahreszahllast des Unternehmers (Organträgers) nicht mehr als 1 000 € (ab 2025: 2 000 €) betragen, wird der Unternehmer grundsätzlich von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen und Entrichtung von Vorauszahlungen befreit (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass auch bei Umsätzen von weit über 1 000 € (ab 2025: 2 000 €) im ersten Jahr der neu entstandenen Organschaft grundsätzlich keine Voranmeldungen abzugeben sind. In derartigen Fällen kann jedoch der Unternehmer zur vierteljährlichen Abgabe von USt-Voranmeldungen und Entrichtung entsprechender Vorauszahlungen verpflichtet werden bzw. dem Unternehmer die vierteljährliche Abgabe auf Antrag genehmigt werden. Bei neu entstandenen Organschaften handelt es sich um Fälle mit nachhaltigen Veränderungen in der betrieblichen Struktur, für die in Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung vorgesehen ist. Eine Abgabe von monatlichen Voranmeldungen ist in derartigen Fällen trotz teils hoher Zahllasten nicht möglich. Die Umstellung auf den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum erfolgt dann ggf. im folgenden Jahr unter Berücksichtigung der Steuer des vorangegangenen Kj. der Organschaft (s.a. Anmerkung vom 1.4.2020, LEXinform 0889310).
Eine Änderung der Steuer des vorangegangenen Kj. ist bei der Einordnung im laufenden Kj. zu berücksichtigen, soweit sich die Änderung für dieses Kj. noch auswirkt. Ergibt sich für das Vorjahr nachträglich ein Überschuss zugunsten des Unternehmers von mehr als 7 500 €, ist eine monatliche Abgabe der Voranmeldungen im laufenden Kj. nur möglich, wenn die Antragsfrist nach § 18 Abs. 2a Satz 2 UStG eingehalten wurde (Abschn. 18.2 Abs. 3 UStAE).
Beispiel 4:
Unternehmer U hat für die ersten drei Kalendervierteljahre des Kj. 13 Voranmeldungen i.H.v. insgesamt 4 000 € abgegeben. Die Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr des Kj. 13 steht noch aus. Am 20.3.14 gibt U die Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 13 i.H.v. 3 800 € ab.
Lösung 4:
U ist im Kj. 14 grundsätzlich zur vierteljährlichen Abgabe verpflichtet. Aufgrund der Voranmeldung vom 20.3.14 ergibt sich eine Steuer für das Kj. 13 i.H.v. 7 800 €. Da die tatsächliche Steuer mehr als 7 500 € beträgt, ist U zur monatlichen Abgabe der Voranmeldungen für das Kj. 14 verpflichtet. Diese Änderung ist im laufenden Kj. zu berücksichtigen, soweit sich die Änderung für dieses Kj. noch auswirkt. Die Umstellung auf den monatlichen Voranmeldungszeitraum erfolgt zu Beginn des 2. Kalendervierteljahres (frühestmöglicher Zeitpunkt). Für das 1. Kalendervierteljahr 14 ist die Voranmeldung noch vierteljährlich abzugeben. Eine eventuell gewahrte Dauerfristverlängerung bleibt bestehen. Da U aber ab April monatliche Voranmeldungen abzugeben hat, muss er bis zum 10.5.14 eine Sondervorauszahlung leisten. Die Voranmeldung April muss er dann bis zum 10.6.14 abgeben.
Beispiel 5:
Der Unternehmer U hat für das Kj. 13 monatlich Voranmeldungen abgegeben. Die angemeldete Steuer für das Kj. 13 betrug 8 000 €. Am 20.5.14 gibt U eine berichtigte Voranmeldung für Dezember 13 ab, nach der die Steuer für das Kj. 13 nur noch 7 000 € beträgt. Die Voranmeldung für April 14 hat U bereits am 10.5.14 abgegeben.
Lösung 5:
Nach der erklärten Steuer 13 ist U weiterhin für das Kj. 14 zur monatlichen Abgabe der Voranmeldungen verpflichtet. Da nach der Abgabe der berichtigten Erklärung die Steuer für das Kj. 13 nicht mehr als 7 500 € beträgt, ist U zur vierteljährlichen Abgabe der Voranmeldungen verpflichtet. U hat aber bereits eine Voranmeldung für April 14 abgegeben. Die Umstellung auf den vierteljährlichen Voranmeldungszeitraum wird zu Beginn des 3. Kalendervierteljahres 14 durchgeführt. Für Mai und Juni 14 sind die Voranmeldungen noch monatlich abzugeben. Eine U für die monatliche Abgabe der Voranmeldungen im Kj. 14 gewährte Dauerfristverlängerung bleibt bestehen. Die festgesetzte und am 10.2.14 entrichtete Sondervorauszahlung hat U bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen, für den die Fristverlängerung gilt (§ 48 Abs. 4 UStDV).
Beispiel 6:
Wie Beispiel 5, jedoch hat U am 20.5.14 noch keine Voranmeldung für April 14 abgegeben.
Lösung 6:
Die Umstellung auf den vierteljährlichen Voranmeldungszeitraum erfolgt bereits zu Beginn des 2. Kalendervierteljahres 14, weil noch keine Voranmeldung für einen Kalendermonat des 2. Kalendervierteljahres 14 beim FA abgegeben worden ist.
Beispiel 7:
Unternehmer U hat für das Kj. 13 monatlich Voranmeldungen abgegeben. Die angemeldete Steuer für das Kj. 13 betrug 1 000 €. Am 20.6.14 gibt U eine berichtigte Voranmeldung für Dezember 13 ab, nach der sich ein Überschuss zu seinen Gunsten für das Kj. 13 von 7 800 € ergibt.
Lösung 7:
U ist für das Kj. 14 zur vierteljährlichen Abgabe der Voranmeldungen verpflichtet, da die Steuer für das Kj. 13 nicht mehr als 7 500 € betragen hat. Nach Abgabe der berichtigten Voranmeldung beträgt der Überschuss mehr als 7 500 €. Nach § 18 Abs. 2a UStG hätte U die Möglichkeit, den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum zu wählen. U hätte dann allerdings bis zum 10.2.14 eine Voranmeldung für den ersten Kalendermonat abgeben müssen. Bei Abgabe der berichtigten Voranmeldung am 20.6.14 ist die Antragsfrist nach § 18 Abs. 2a Satz 2 UStG bereits abgelaufen. Unter den Voraussetzungen des § 110 AO kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 8 und 9 UStAE).
Beispiel 8:
Unternehmer U hat für das Kj. 13 monatliche Voranmeldungen abgegeben. Die angemeldete Steuer betrug 7 800 €. Am 25.5.14 gibt U eine berichtigte Voranmeldung für Dezember 13 ab, nach der sich ein Überschuss zu seinen Gunsten für das Kj. 13 von 7 800 € ergibt. U hat die Voranmeldung Januar 14 fristgerecht am 10.2.14 abgegeben.
Lösung 8:
U ist für das Kj. 14 weiterhin zur Abgabe von monatlichen Voranmeldungen verpflichtet, da die Steuer für das vorangegangene Kj. mehr als 7 500 € beträgt.
Nach der Berichtigung muss U grundsätzlich vierteljährlich Voranmeldungen abgeben. Aufgrund des Überschusses von mehr als 7 500 € kann er aber die monatliche Abgabe bis zum 10.2.14 beantragen (§ 18 Abs. 2a Satz 2 UStG). U hat durch die fristgerechte Abgabe der Voranmeldung für Januar 14 die Antragsfrist eingehalten. Deshalb kann er nach Abgabe der berichtigten Voranmeldung für Dezember 13 die Voranmeldungen für das Kj. 14 monatlich abgeben.
Beispiel 9:
Wie Beispiel 8, jedoch hat U die Voranmeldung für Januar 14 erst am 20.2.14 abgegeben. Bis zum 25.5.14 liegen die Voranmeldungen für die Kalendermonate Januar bis April 14 dem FA vor.
Lösung 9:
U hat die Antragsfrist nach § 18 Abs. 2a Satz 2 UStG durch die verspätete Abgabe der Voranmeldung für Januar 14 versäumt. Deshalb kann er für das Kj. 14 nicht mehr zur monatlichen Abgabe der Voranmeldungen optieren. Da U bereits eine Voranmeldung für den Kalendermonat April 14 abgegeben hat, wird die Umstellung auf den vierteljährlichen Voranmeldungszeitraum zu Beginn des 3. Kalendervierteljahres 04 durchgeführt. Für Mai und Juni 04 sind die Voranmeldungen noch monatlich abzugeben.
Nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG kann das FA den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der USt-Voranmeldung befreien, wenn die USt für das vorangegangene Kj. bis zum 31.12.2024 nicht mehr als 1 000 € beträgt.
Beachte:
Mit Art. 23 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Abs. 6 des Wachstumschancengesetzes vom 27.3.2024 (BGBl I 2024 Nr. 108) wird der Schwellenwert des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG von bisher 1 000 € auf 2 000 € angehoben.
Hat sich im Vorjahr kein Überschuss zugunsten des Unternehmers ergeben, ist die Befreiung grundsätzlich von Amts wegen zu erteilen. Die Befreiung von Amts wegen unterbleibt in diesen Fällen nur in begründeten Einzelfällen, z.B.
bei nachhaltiger Veränderung in der betrieblichen Struktur oder
wenn der Steueranspruch gefährdet erscheint oder
im laufenden Jahr mit einer wesentlich höheren Steuer zu rechnen ist oder
in den Fällen des § 18 Abs. 4a UStG oder
im ersten Jahr nach dem gesetzlichen Wechsel von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen nach § 24 UStG zur Regelbesteuerung (vgl. Abschn. 24.1a Abs. 1 Satz 15 UStAE)
(vgl. Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE).
Unabhängig von der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG kann das FA den Unternehmer von der Abgabe der Voranmeldungen befreien, z.B. wenn und soweit in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine USt entsteht (Abschn. 18.6 Abs. 1 Satz 1 UStAE; s.u. den Gliederungspunkt »Voranmeldungen in Sonderfällen«).
Fälle des § 18 Abs. 4a UStG sind (Abschn. 18.2 Abs. 4 UStAE):
innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG);
im Inland stpfl. sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiets ansässigen Unternehmers (§ 13b Abs. 1 UStG), Werklieferungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG und Umsätze, die unter der GrEStG fallen (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG), wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine juristische Person ist;
innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte, wenn der letzte Abnehmer die Steuer schuldet (§ 25b Abs. 2 UStG;
Fahrzeuglieferer (§ 2a UStG).
In einem Antwortschreiben an den Bund der Steuerzahler nimmt das BMF zur Abgabe von USt-Voranmeldungen in den Fällen des § 18 Abs. 4a UStG Stellung (BMF vom 21.6.2019, III C 3 – S 7340/19/10008:001, SIS 19 08 89). In seinem Schreiben weist das BMF ausdrücklich darauf hin, dass die Übermittlung einer USt-Voranmeldung in den Fällen des § 18 Abs. 4a UStG nur erforderlich ist, wenn einer der Tatbestände des § 18 Abs. 4a UStG tatsächlich erfüllt ist. Mit der Anpassung des Abschnitts 18.2 UStAE (BMF vom 14.12.2018, BStBl I 2018, 1402) war insoweit keine rechtliche Änderung verbunden. Die Abgabe einer USt-Voranmeldung war auch vor der klarstellenden Anpassung des Abschn. 18.2 UStAE grundsätzlich erforderlich, sofern einer der Tatbestände des § 18 Abs. 4a UStG erfüllt war. Daran hat sich nichts geändert. Voranmeldungen sind weiterhin nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen Steuer für die in § 18 Abs. 4a UStG genannten Umsätze zu erklären ist. Insbesondere sind sog. Nullmeldungen nicht erforderlich.
Mit Art. 11 Nr. 6 Buchst. a und 7 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG eine Umsatzgrenze i.H.v. 600 000 € eingefügt. Diese ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2021 bewirkt werden (§ 27 Abs. 32 UStG). Sofern der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) für das gesamte Unternehmen im vorangegangenen Kj. mehr als 600 000 € betragen hat, sind nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG die Umsätze im laufenden Kj. zwingend nach der Regelbesteuerung zu versteuern.
Bei einem Übergang zur Regelbesteuerung richtet sich der Voranmeldungszeitraum nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG. Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Übermittlung von Voranmeldungen im ersten Jahr nach dem gesetzlichen Wechsel zur Regelbesteuerung kommt nicht in Betracht (vgl. Abschn. 24.1a Abs. 1 Satz 14 und 15 UStAE i.V.m. Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE jeweils i.d.F. des BMF-Schreibens vom 2.6.2022, BStBl I 2022, 926; s. → Wechsel der Besteuerungsform unter dem Gliederungspunkt »Wechsel der Besteuerungsform bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben«).
Durch Art. 7 Nr. 1 des Dritten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz) vom 22.11.2019 (BGBl I 2019, 1746) wird die Anwendung des § 18 Abs. 2 Satz 4 vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2026 ausgesetzt. Seit der Einführung von § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG im Kj. 2002 wurden die Instrumente der Finanzverwaltung zur Sicherung des Steueraufkommens und zur Aufdeckung von Steuerstraftaten weiterentwickelt, sodass Betrugsfälle im Zusammenhang mit Neugründungen ggf. auch durch andere Kontrollmechanismen durch die Verwaltung aufgedeckt werden können.
Mit Schreiben vom 16.12.2020 (BStBl I 2020, 1379) nimmt das BMF Stellung zur Aussetzung der Pflicht zur monatlichen Übermittlung von Voranmeldungen in Neugründungsfällen und fügt in Abschn. 18.7 UStAE einen neuen Abs. 5 ein.
Beachte:
Für die Bestimmung des maßgeblichen Voranmeldungszeitraums sind ab dem 1.1.2021 die echten Neugründungsfälle wie die bestehenden Altfälle zu behandeln. Für die Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026 gilt die generelle Verpflichtung zur Abgabe von monatlichen Voranmeldungen in Neugründungsfällen nach § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG nicht. Der Voranmeldungszeitraum richtet sich in den vorgenannten Besteuerungszeiträumen in Neugründungsfällen – wie auch in den bestehen Altfällen – nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 1 und 2 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Bestimmung des Voranmeldungszeitraums«), d.h., bei mehr als 7 500 € Zahllast sind monatliche Voranmeldungen abzugeben.
Wichtig:
Die echten Neugründungsfälle unterscheiden sich von den bestehenden Altfällen dadurch, dass eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen für das Jahr der Aufnahme der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und das folgende Kj. nicht in Betracht kommt (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 3 UStAE).
Zu echten Neugründungsfällen bei Gründung oder Beendigung von Organschaften s.o. den Gliederungspunkt »Besonderheiten bei Organschaften« mit Beispielen (s.a. Abschn. 18.7 Abs. 1 UStAE).
Bei Umwandlungen durch Verschmelzung (§ 2 UmwG), Spaltung (§ 123 UmwG) oder Vermögensübertragung (§ 174 UmwG) liegt eine Aufnahme der beruflichen und gewerblichen Tätigkeit vor, wenn dadurch ein Rechtsträger neu entsteht oder seine unternehmerische Tätigkeit aufnimmt. Ein Formwechsel (§ 190 UmwG) führt nicht zu einem neuen Unternehmen, da der formwechselnde Rechtsträger weiter besteht (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Der bei einer Betriebsaufspaltung neu entstehende Rechtsträger fällt unter § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG, wenn durch die Betriebsaufspaltung keine Organschaft begründet wird. Ein Gesellschafterwechsel oder ein Gesellschafteraustritt bzw. -eintritt führt nicht zu einem Neugründungsfall (Abschn. 128.7 Abs. 2 UStAE).
Bei einem örtlichen Zuständigkeitswechsel liegt kein Neugründungsfall vor. Stellt ein bestehendes Unternehmen einen Antrag auf Erteilung einer USt-IdNr., liegt allein deshalb kein Neugründungsfall vor (Abschn. 18.7 Abs. 3 UStAE).
In Neugründungsfällen ist ab dem Kj. 2021 Folgendes zu beachten (§ 18 Abs. 2 Satz 6 UStG):
Im Kj. der Aufnahme der Tätigkeit (Erstjahr) ist die voraussichtliche Steuer dieses Jahres maßgebend. Die voraussichtliche Steuer ist zu Beginn der Tätigkeit vom Unternehmer zu schätzen und dem FA mitzuteilen (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 4 und 5 UStAE). Schätzt der Unternehmer dabei die voraussichtliche Steuer auf mehr als 7 500 €, hat der Unternehmer monatliche Voranmeldungen abzugeben.
Im Folgejahr ist für die Bestimmung des Voranmeldungszeitraums die tatsächliche Steuer des Vorjahres (Erstjahr) in eine Jahressteuer umzurechnen (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 UStAE). Ergibt sich dabei eine umgerechnete tatsächliche Vorjahressteuer von mehr als 7 500 €, hat der Unternehmer in diesem Besteuerungszeitraum (Folgejahr) monatliche Voranmeldungen abzugeben.
Die vorgenannten Grundsätze gelten entsprechend in den Fällen des § 18 Abs. 2a UStG, in denen sich für den Unternehmer eine Erstattung von mehr als 7 500 € ergibt (s. Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 7 UStAE).
USt-Überschuss bzw. Vergütungsanspruch |
|
im Erstjahr voraussichtlicher Überschuss bis 7 500 € |
im Erstjahr voraussichtlicher Überschuss mehr als 7 500 € |
Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG). |
Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG). Der Unternehmer kann anstelle des Kalendervierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen (§ 18 Abs. 2a Satz 1 UStG). Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer für das laufende Kj. Das Wahlrecht muss der Unternehmer bis zum 10.2. des laufenden Kj. durch Abgabe einer Voranmeldung für den Monat Januar ausüben. Diese Frist kann nicht verlängert werden. (Abschn. 18.2 Abs. 1 Satz 7 UStAE). |
im Folgejahr: tatsächlicher hochgerechneter Jahresüberschuss des Erstjahres bis 7 500 € |
im Folgejahr: tatsächlicher hochgerechneter Jahresüberschuss des Erstjahres mehr als 7 500 € |
Voranmeldungszeitraum für das Folgejahr ist das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG). |
Der Unternehmer kann im Folgejahr anstelle des Kalendervierteljahres den Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum wählen (§ 18 Abs. 2a Satz 1 UStG; s.o.). |
Beachte:
Bei Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit im Kj. 2020 muss der Unternehmer monatliche Voranmeldungen abgeben (§ 18 Abs. 2 Satz 4 UStG). Ab dem Besteuerungszeitraum 2021 sind die vorgenannten Grundsätze anzuwenden, wonach nicht die Bestimmungen des § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG, sondern die Regelungen des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG anzuwenden sind (§ 18 Abs. 2 Satz 6 UStG). Im Folgejahr 2021 ist dabei die tatsächliche Steuer des Jahres 2020 in eine Jahressteuer umzurechnen (Abschn. 18.7 Abs. 5 Satz 6 UStAE).
Wichtig:
Die Regelungen des § 18 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 und 2 UStG (s.u. den Gliederungspunkt »Unechte Neugründungsfälle«) werden von der Vereinfachung ab dem Besteuerungszeitraum 2021 nicht erfasst. In diesen Fällen bleibt die Verpflichtung zur Abgabe monatlicher Voranmeldung nach § 18 Abs. 2 Satz 5 UStG bestehen.
Das BMF hat mit Schreiben vom 24.4.2015 (BStBl I 2015, 456) zur Übermittlung von USt-Voranmeldungen bei Aufnahme der selbstständigen gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit einer Vorratsgesellschaft und bei Übernahme eines Firmenmantels Stellung genommen (s.a. Abschn. 18.7 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Durch Art. 9 Nr. 4 i.V.m. Art. 16 Abs. 3 des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – sog. Zollkodex-Anpassungsgesetz – vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417) wurde mit Wirkung vom 1.1.2015 § 18 Abs. 2 Satz 5 UStG angefügt. Danach ist
bei im Handelsregister eingetragenen, noch nicht gewerblich oder beruflich tätig gewesenen juristischen Personen oder PersGes, die objektiv belegbar die Absicht haben, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig auszuüben (Vorratsgesellschaften), und zwar ab dem Zeitpunkt des Beginns der tatsächlichen Ausübung dieser Tätigkeit, und
bei der Übernahme von juristischen Personen oder PersGes, die bereits gewerblich oder beruflich tätig gewesen sind und zum Zeitpunkt der Übernahme ruhen oder nur geringfügig gewerblich oder beruflich tätig sind (Firmenmantel), und zwar ab dem Zeitpunkt der Übernahme,
im laufenden und folgenden Kj. Voranmeldungszeitraum der Kalendermonat. Diese Regelung ist nach § 27 Abs. 21 UStG erstmals auf Voranmeldungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2014 enden.
Damit werden Vorratsgesellschaften ab dem Zeitpunkt des Beginns der tatsächlichen Ausübung der selbstständigen gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und Unternehmer, die einen Firmenmantel übernehmen, verpflichtet, im laufenden und folgenden Kj. ihre Voranmeldungen monatlich abzugeben.
Nach Einführung der Verpflichtung zur monatlichen Übermittlung der Voranmeldung in Neugründungsfällen hat sich gezeigt, dass in Betrugsabsicht handelnde Unternehmer, statt ein Unternehmen neu zu gründen, nunmehr verstärkt Vorratsgesellschaften oder Firmenmäntel erwerben oder übernehmen, um diese für Umsatzsteuerbetrügereien zu nutzen.
Bei der Übernahme von Vorratsgesellschaften erwerben Unternehmer bereits in das Handelsregister eingetragene, noch nicht gewerblich oder beruflich tätig gewesene Gesellschaften, die die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht haben, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig auszuüben.
Bei dem Erwerb von Firmenmänteln erwerben Unternehmer bereits tätig gewesene und damit für Umsatzsteuerzwecke erfasste Gesellschaften, deren Tätigkeit ruht bzw. die nur geringfügig geschäftlich aktiv waren.
Auch in Neugründungsfällen kann → Dauerfristverlängerung bei der USt (§ 18 Abs. 6 UStG i.V.m. §§ 46 bis 48 UStDV) gewährt werden (Abschn. 18.7 Abs. 4 UStAE).
Nach § 18 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat. Auf Antrag kann das FA zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG).
Zur Vermeidung von unbilligen Härten kann das FA auf Antrag zulassen, dass die Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in herkömmlicher Form – auf Papier oder per Telefax – abgegeben werden, wenn eine elektronische Übermittlung für den Unternehmer wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbes. der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine elektronische Übermittlung des amtlichen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Unternehmer nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen (§ 150 Abs. 8 AO, Abschn. 18.1 Abs. 1 UStAE; s.u. BFH vom 14.3.2012, XI R 33/09, BStBl II 2012, 477).
Die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten entbindet den Stpfl. auch für die Monate nicht von der Abgabe von USt-Voranmeldungen, in denen er keine Entgelte vereinnahmt hat. Nur durch die Abgabe dieser USt-Voranmeldungen erlangt das FA die Kenntnis davon, dass nach Ansicht des Stpfl. eine USt nicht entstanden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 UStG; BFH Beschluss vom 4.4.2003, V B 183/02, NFH/NV 2003, 1097).
Mit Urteil vom 14.3.2012 (XI R 33/09; BStBl II 2012, 477) hat der BFH entschieden, dass die Verpflichtung des Unternehmers, die USt-Voranmeldungen dem FA grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, verfassungsgemäß ist (s.a. Urteil FG Thüringen vom 24.2.2016, 3 K 756/15, LEXinform 5019295).
Seit dem 1.1.2005 müssen USt-Voranmeldungen dem FA elektronisch übermittelt werden. Auf Antrag kann das FA zur Vermeidung unbilliger Härten darauf verzichten; dann muss wie bisher eine Papiererklärung eingereicht werden (s.a. Abschn. 18.1 Abs. 1 UStAE). Das FA muss dem Antrag entsprechen, wenn die elektronische Übermittlung für den Unternehmer wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist, etwa weil die Schaffung der technischen Voraussetzungen nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Unternehmer nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen (BFH vom 14.3.2012, XI R 33/09, BStBl II 2012, 477, Rz. 45; AEAO zu § 150 Nr. 4.1.2).
Hinweis:
Die Abgabe der Einkommensteuererklärung durch Datenfernübertragung ist wirtschaftlich unzumutbar, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen. Das hat der BFH mit Urteil vom 16.6.2020 (VIII R 29/19, BStBl II 2021, 290; s. Abschn. 18.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE) entschieden (s.a. AEAO zu § 150 Nr. 4.1.1).
Verfügt der Unternehmer über einen internetfähigen Computer, ist er verpflichtet, die USt-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln. Die Übermittlung der Daten im Elster-Verfahren ist nicht manipulationsanfälliger als das papiergebundene System (Niedersächsisches FG vom 17.3.2009, 5 K 303/08, EFG 2009, 1069, LEXinform 5008225, rkr.).
Ob jemand zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, richtet sich nach dem StBerG, das nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 u.a. auf die Hilfeleistung in Angelegenheiten anzuwenden ist, die durch Bundesrecht geregelte Steuern und Vergütungen betreffen, soweit diese durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Dies trifft auf die Umsatzsteuer zu.
Mit der Frage, ob ein Buchhalter zur Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen berechtigt ist, hat sich der BFH mit Urteil vom 7.6.2017 (II R 22/15, BStBl II 2017, 973) beschäftigt.
Die Hilfeleistung in Steuersachen erfolgt geschäftsmäßig, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbstständigen Beschäftigung zu machen. Selbstständig handelt, wer sich nach eigenem Willen und in eigener Verantwortung, unabhängig von den Weisungen einer übergeordneten Person betätigt (BFH vom 4.10.1995, VII R 38/95, BStBl II 1996, 488). Geschäftsmäßig kann eine Hilfeleistung auch dann sein, wenn sie nur für eine bestimmte Person erfolgt. Dies gilt zumindest dann, wenn sich die Hilfeleistung über einen längeren Zeitraum erstreckt und die einzelnen Tätigkeiten verschiedene Rechtsgebiete berühren (BFH Beschluss vom 8.10.2010, II B 111/10, BFH/NV 2011, 73, LEXinform 5905800).
Die Hilfeleistung in Steuersachen darf gem. § 2 Satz 1 StBerG geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu befugt sind. Andere als die in den §§ 3, 3a, 3d und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen dürfen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG nicht geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbes. nicht geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen.
Nach § 6 Nr. 3 StBerG gilt das Verbot des § 5 StBerG nicht für die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind; hierzu gehören nicht das Kontieren von Belegen und das Erteilen von Buchungsanweisungen.
Gem. § 6 Nr. 4 StBerG gilt das Verbot des § 5 StBerG ferner nicht für das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen, soweit diese Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden, die nach Bestehen der Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des Buchhaltungswesens in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden praktisch tätig gewesen sind. Die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen wird weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des § 6 Nr. 4 StBerG erfasst.
§ 6 Nr. 4 StBerG kann im Hinblick auf seinen klaren Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzung nicht entsprechend auf die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen angewendet werden.
Die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen wird vom Anwendungsbereich des § 6 Nr. 4 StBerG auch dann nicht erfasst, wenn das verwendete Buchführungsprogramm es ermöglicht, die Umsatzsteuervoranmeldungen aufgrund der Buchführung automatisch zu erstellen. Das Fertigen einer Umsatzsteuervoranmeldung stellt kein bloßes mechanisches Rechenwerk dar, wenn sie verantwortlich und unter Berücksichtigung der Regelungen des UStG geschieht. Die bloße unkritische Übernahme der Ergebnisse der Buchführung ohne eigene rechtliche Prüfung genügt nicht den Anforderungen, die das Gesetz an eine Umsatzsteuervoranmeldung stellt. Anderenfalls würde die Verantwortung für die Richtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung auf den Buchführer übertragen werden, der dann auch die Subsumtion der Geschäftsvorfälle unter die einschlägigen Bestimmungen des UStG vorzunehmen hätte. Die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen erfordert ein eigenverantwortliches und sachkundiges Tätigwerden, das auch die kritische Prüfung und eine gesetzesgerechte Auswertung der durch den Buchführer gelieferten Zahlen einschließt. Dass der Gesetzgeber diese Tätigkeit den Personen vorbehält, die aufgrund einer sachgerechten Vorbildung zur Hilfeleistung in Steuersachen zugelassen sind, ist daher kein Eingriff in die Berufsfreiheit, der weitergeht, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen. Ein Buchführungsprogramm kann diese persönliche Tätigkeit bei der Überprüfung der Buchführung nicht ersetzen. Es kann beispielsweise nicht erkennen, ob die in § 15 UStG bestimmten Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und in welchem Voranmeldungszeitraum der Abzug ggf. vorzunehmen ist.
Nach § 7 StBerG hat das FA die Hilfeleistung in Steuersachen zu untersagen. Wird eine Person oder Vereinigung, die als Beistand bei der Anfertigung und Abgabe einer Steuererklärung mitgewirkt hat, vom FA fälschlicherweise als Bevollmächtigte nach § 80 Abs. 7 AO zurückgewiesen, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Der Bescheid ist nach § 128 AO dahin umzudeuten, dass die Zurückweisung die Person oder Vereinigung als Beistand betrifft (s.a. Anmerkung vom 25.7.2017, LEXinform 0948908).
Hinweis:
Mit Urteil vom 30.10.2019 (4 K 1715/18, EFG 2020, 571, LEXinform 5022847, rkr.) hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass die fehlende Befugnis selbstständiger Buchhalter zur Erstellung von USt-Voranmeldungen nicht verfassungs- oder unionsrechtswidrig ist (s. FG Baden-Württemberg Pressemitteilung vom 16.3.2020, LEXinform 0456226). Zur weiteren Urteilsbegründung s.o. den Gliederungspunkt 3 »Eigenhändige Unterschrift im Falle der Vertretung«.
Nach § 152 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 AO gilt die Automatik des § 152 Abs. 5 AO nicht für vierteljährlich oder monatlich abzugebende Steueranmeldungen (AEAO zu § 152 Nr. 7 Abs. 1 Satz 3). In diesen Fällen sind bei der Bemessung des Verspätungszuschlags die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung sowie die Höhe der Steuer zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 8 Satz 2 AO; → Verspätungszuschlag gem. § 152 AO).
Nach § 152 Abs. 2 AO ist u.a. für die USt-Jahreserklärung bei Fristüberschreitung – ohne eine Ermessensentscheidung – ein Verspätungszuschlag festzusetzen (s. → Umsatzsteuererklärung).
Nach § 328 ff. AO kann ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) durchgesetzt werden. Das einzelne Zwangsgeld darf 25 000 € nicht übersteigen (→ Zwangsmittel).
Nach § 162 AO hat das FA die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn sie nicht ermittelt oder berechnet werden können. Gründe für die → Schätzung liegen u.a. vor, wenn
der Stpfl. keine Steuererklärung abgibt,
der Stpfl. nur unvollständige Angaben macht,
der Stpfl. keine Bücher oder Aufzeichnungen vorlegt,
der Stpfl. eine Versicherung an Eides statt verweigert,
der Stpfl. seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO verletzt.
Gem. § 149 Abs. 1 Satz 4 AO bleibt die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung auch nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen weiterhin bestehen. Dies bedeutet, dass ein nachfolgendes Zwangsmittelverfahren oder das Weiterbetreiben eines bereits begonnenen Zwangsmittelverfahrens grundsätzlich möglich ist (→ Zwangsmittel). Davon wird allerdings regelmäßig nur dann Gebrauch gemacht, wenn aufgrund neuerer Erkenntnisse die Finanzbehörden Anhaltspunkte dafür haben, dass die Schätzung zu niedrig sein könnte.
Auch der → Vorsteuerabzug kann nach § 162 AO geschätzt werden. Der Vorsteuerabzug ist materiell-rechtlich eine Steuervergütung. Auf ihn sind daher die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden. Die abziehbaren Vorsteuern sind eine Besteuerungsgrundlage i.S.v. § 199 Abs. 1, § 157 Abs. 2 und § 162 Abs. 1 AO. Eine Vorsteuerschätzung ist jedoch nur insoweit zulässig, als davon ausgegangen werden kann, dass vollständige Unterlagen für den Vorsteuerabzug vorhanden waren (Abschn. 15.11 Abs. 6 UStAE).
Soweit Unterlagen für den Vorsteuerabzug nicht vorhanden sind und auch nicht vorhanden waren oder soweit die Unterlagen unvollständig sind, kommt eine Anerkennung des Vorsteuerabzugs nur aus Billigkeitsgründen in Betracht (§ 163 AO; vgl. BFH vom 30.4.2009, V R 15/07, BStBl II 2009, 744; Abschn. 15.11 Abs. 7 UStAE).
Steuererklärungen, in denen der Unternehmer die Steuer selbst zu berechnen hat, stellen Steueranmeldungen i.S.d. § 150 Abs. 1 Satz 2 AO dar. Dies gilt nicht nur für die USt-Voranmeldungen, sondern auch für die USt-Jahreserklärung, da der Unternehmer nach § 18 Abs. 3 UStG nach Ablauf eines Kj. eine USt-Erklärung abgeben und darin die USt oder den Überschuss zu seinen Gunsten selbst berechnen muss. Eine solche Steueranmeldung steht nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung i.S.v. § 164 AO gleich.
Bei Steueranmeldungen ist nach § 167 AO ein Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 AO nur zu erteilen, wenn die Steuer abweichend von der Steueranmeldung festgesetzt wird. Danach sind die Steueranmeldungen nach zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen zu unterscheiden.
Nicht zustimmungsbedürftige Steueranmeldungen bedürfen keines Steuerbescheides und stehen mit dem Tag des Eingangs beim FA einer Steuerfestsetzung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Die Einspruchsfrist verlängert sich mangels Vorliegens eines schriftlichen Verwaltungsaktes demnach nicht auf ein Jahr (BFH Beschluss vom 25.6.1998, V B 104/97, DStR 1998, 1471).
Zustimmungsbedürftig sind solche Steueranmeldungen, bei denen ein Überschuss erklärt wird oder sich eine Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer ergibt. Eine erstmalige → Steueranmeldung, die zu einer Steuervergütung führt (z.B. Vorsteuerüberschuss), wirkt erst dann als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung, wenn dem Steuerpflichtigen die Zustimmung der Finanzbehörde bekannt wird (§ 168 Satz 2 AO; BFH vom 28.2.1996, BStBl II 1996, 660). Bis dahin ist sie als Antrag auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 und 4 AO) anzusehen (AEAO zu § 168, Tz. 2).
Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt die Steueranmeldung erst dann als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.
Die kassenmäßige Sollstellung eines Rotbetrags ist keine Zustimmung zur Anmeldung i.S.d. § 168 Satz 2 AO; sie darf dem Anmeldenden nicht mitgeteilt werden. Wird der Stpfl. schriftlich über die Zustimmung unterrichtet (z.B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekannt geworden ist (AEAO zu § 168, Tz. 4).
Aus Vereinfachungsgründen kann bei Steueranmeldungen, die zu einer Steuervergütung oder zu einem Mindersoll führen, die Zustimmung allgemein erteilt werden. Auch in diesem Fall stehen die Anmeldungen erst dann einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich, wenn dem Stpfl. die Zustimmung bekannt wird. Wird der Stpfl. schriftlich über die Zustimmung unterrichtet (z.B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekannt geworden ist.
Wird die Zustimmung zur Steueranmeldung nicht erteilt, so ist der Antrag des Stpfl. auf Steuerfestsetzung bzw. auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO durch Bescheid abzulehnen (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO; AEAO zu § 168, Tz. 11).
Steuererklärungen sind nach § 153 Abs. 1 AO durch den Stpfl. zu berichtigen, wenn sie sich als unrichtig oder unvollständig erweisen, das gilt auch für Steueranmeldungen. Ergibt sich durch eine berichtigte Steueranmeldung eine höhere Zahllast oder ein geringerer Erstattungsbetrag und stand die erstmalige Steueranmeldung (ggf. nach Zustimmung) einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, so stellt auch sie eine Steueranmeldung i.S.d. § 168 AO dar, die der Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entspricht. Ergibt sich bei der berichtigten Steueranmeldung eine geringere Zahllast oder ein höherer Erstattungsbetrag, so bedarf sie der Zustimmung und stellt bis dahin einen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO dar.
Zu den folgenden Beispielen siehe Melchior, Steuer & Studium 2006, 554.
Beispiel 10:
Für Januar 12 errechnet der Unternehmer eine an das FA zu entrichtende Zahllast von 1 500 € und gibt fristgerecht seine USt-Voranmeldung beim zuständigen FA ab.
Lösung 10:
Nach § 168 Satz 1 AO steht die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ohne Anhaltspunkte, dass die Voranmeldung unrichtig ist, hat das FA keine Veranlassung, im Bereich der Steuerfestsetzung tätig zu werden, etwa durch Steuerbescheid.
Beispiel 11:
Der Stpfl. erklärt in seiner USt-Voranmeldung für den Monat Januar 12 eine Zahllast von 1 500 €. Aufgrund einer USt-Sonderprüfung ergibt sich eine Zahllast von 2 000 €.
Lösung 11:
Nach § 168 Satz 1 AO führt die Steueranmeldung des Stpfl. zu einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO muss das FA eine diese Steuerfestsetzung ändernde Festsetzung durch Steuerbescheid nach § 155 AO vornehmen. Der Änderungsbescheid steht gem. § 164 Abs. 1 Satz 2 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung, auch wenn eine diesbezügliche Aussage im Steuerbescheid fehlt.
Bei Steueranmeldungen i.S.d. § 18 Abs. 1 und 3 UStG kann nach § 18f UStG die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO im Einvernehmen mit dem Unternehmer von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Dies gilt auch entsprechend für die Festsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn sie zu einer Erstattung führt.
Hinweis:
Die Regelung kann angewendet werden für Voranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) und Umsatzsteuererklärungen für das Kj. (§ 18 Abs. 3 UStG; → Umsatzsteuererklärung), wenn sie zu einer Erstattung angemeldeter Vorsteuerbeträge oder zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Umsatzsteuer (§ 168 Satz 2 AO) führen, und auf Fälle, in denen die Finanzverwaltung von der Voranmeldung oder der Umsatzsteuererklärung für das Kj. des Unternehmers abweicht und dies zu einer Erstattung führt (§ 167 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Zustimmung wird erst mit der Stellung der Sicherheitsleistung wirksam (aufschiebende Bedingung; Abschn. 18f.1 Abs. 2 UStAE).
Bei zweifelhafter Vorsteuerabzugsberechtigung kann die notwendige Prüfung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die Ermittlungsdauer kann zu Liquiditätsschwierigkeiten beim Unternehmer führen. Deshalb kann der Vorsteueranspruch einvernehmlich gegen Sicherheitsleistung zunächst akzeptiert werden. Die Sicherheitsleistung kann längstens für die Dauer der notwendigen Prüfung verlangt werden. Die Verweisung auf § 167 Abs. 1 Satz 1 AO ist erforderlich, um auch in den Fällen, in denen das FA von der Voranmeldung abweicht, die Festsetzung einer Sicherheitsleistung zu ermöglichen.
Die Entscheidung des FA, die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO gegen Stellung einer Sicherheitsleistung zu erteilen, ist eine Ermessensentscheidung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. In Fällen, in denen die bestehenden Zweifel mit einer Umsatzsteuer-Nachschau oder einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kurzfristig ausgeräumt werden können, ist eine Sicherheitsleistung grundsätzlich nicht angezeigt (Abschn. 18f.1 Abs. 3 UStAE). Die Vorschrift ist daher regelmäßig nur in Fällen anzuwenden, in denen die erforderliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Erstattungsbeträge wegen der besonderen Schwierigkeiten des zu beurteilenden Sachverhalts voraussichtlich mehr als sechs Wochen in Anspruch nimmt. Die Anwendung der Regelung darf nicht zu einer Verzögerung bei der Prüfung des Erstattungsanspruchs führen. Die Sicherheitsleistung ist unverzüglich zurückzugeben, wenn der zu sichernde Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen ist (Abschn. 18f.1 Abs. 6 UStAE).
Die Sicherheitsleistung muss nicht zwingend in voller Höhe des zu sichernden Steueranspruchs erbracht werden. Bei der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung sind sowohl das Ausfallrisiko zu Lasten des Fiskus als auch die Liquidität des Unternehmers zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Einzelheiten zum Verfahren wird auf den Anwendungserlass zu den §§ 241 bis 248 AO hingewiesen (Abschn. 18f.1 Abs. 5 UStAE).
Art und Inhalt der Sicherheitsleistung richten sich nach den §§ 241 bis 248 AO. Wegen der einfacheren Handhabung soll der Bankbürgschaft eines allgemein als Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes (§ 244 Abs. 2 AO) in der Regel der Vorzug gegeben werden (Abschn. 18f.1 Abs. 4 UStAE).
Nach § 26a Abs. 1 UStG i.d.F. des JStG 2020 (bisher § 26b UStG) handelt ordnungswidrig, wer entgegen
§ 18 Abs. 1 Satz 4 UStG (s. → Umsatzsteuervorauszahlungen unter dem Gliederungspunkt »Fälligkeit der Vorauszahlungen«),
§ 18 Abs. 4 Satz 1 oder 2 UStG (s. → Umsatzsteuererklärung und dort den Gliederungspunkt »Fälligkeit des Zahlbetrages« sowie »Wirkungsweise nach einer Schätzung«),
§ 18 Abs. 4c Satz 2 UStG bis 30.6.2021 (Mini-One-Stop-Shop für nicht im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer),
§ 18 Abs. 4e Satz 4 UStG bis 30.6.2021 (Mini-One-Stop-Shop für nicht im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer),
§ 18 Abs. 5a Satz 4 UStG (→ Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen bzw. -erwerbe),
§ 18i Abs. 3 Satz 3 UStG (s.u. den Gliederungspunkt 8.3 »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18i UStG«),
§ 18j Abs. 4 Satz 3 UStG (s.u. den Gliederungspunkt 8.2 »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG«) oder
§ 18k Abs. 4 Satz 3 UStG (s.u. den Gliederungspunkt 8.4 »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG«)
eine Vorauszahlung, einen Unterschiedsbetrag oder eine festgesetzte Steuer nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig entrichtet.
Der Bußgeldrahmen des Tatbestands der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens beträgt nach § 26a Abs. 3 UStG 30 000 €.
In § 18 Abs. 6 UStG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, die Fristen für die Abgabe der Voranmeldungen und für die Entrichtung der Vorauszahlungen um einen Monat zu verlängern. Das Verfahren der Dauerfristverlängerung ist in den §§ 46–48 UStDV geregelt. (Abschn. 18.4 UStAE). S. die ausführlichen Erläuterungen unter → Dauerfristverlängerung bei der USt sowie → Insolvenzen und Steuern.
Unabhängig von der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG kann das FA den Unternehmer von der Abgabe der Voranmeldungen befreien, z.B. wenn und soweit in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine Umsatzsteuer entsteht (s.o. den Gliederungspunkt 4.1.4 »Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldung«).
Beispiel 12:
Ein Aufsichtsratsmitglied erhält im Monat Mai eines jeden Jahres vertragsgemäß eine leistungsabhängige → Aufsichtsratsvergütung von 30 000 € (s.a. Abschn. 2.2 Abs. 3a UStAE; BMF vom 29.3.2022, BStBl I 2022, 567; → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt 3.5 »Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern«).
Lösung 12:
Das FA kann das Aufsichtsratsmitglied für die Monate, in denen es keine Entgelte erhält, von der Abgabe der Voranmeldungen befreien. Die Befreiung ist davon abhängig zu machen, dass in den betreffenden Voranmeldungszeiträumen tatsächlich keine USt entstanden ist (Beispiel in Abschn. 18.6 Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen kommt in Neugründungsfällen (§ 18 Abs. 2 Satz 4 UStG) nicht in Betracht (Abschn. 18.6 Abs. 1 Satz 2 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt 4.1.5 »Abgabe von Voranmeldungen in Neugründungsfällen«).
Zu den Durchschnittssätzen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG s. → Land- und Forstwirtschaft.
Unternehmer, die die Durchschnittssätze nach § 24 UStG anwenden, haben unter folgenden Voraussetzungen Voranmeldungen abzugeben (Abschn. 18.6 Abs. 2 UStAE):
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4a UStG sind erfüllt.
Der Land- und Forstwirt wird vom FA besonders aufgefordert.
Der Land- und Forstwirt bewirkt Umsätze von Sägewerkserzeugnissen, für die der Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG gilt (Steuerzahllast = 10 %).
Im Rahmen eines pauschalierenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs werden auch der Regelbesteuerung unterliegende Umsätze ausgeführt (z.B. Lieferungen zugekaufter Erzeugnisse, Erbringung sonstiger Leistungen, die nicht landwirtschaftlichen Zwecken dienen), die nicht unter den Voraussetzungen des Abschn. 24.6 Abs. 2 UStAE aus Vereinfachungsgründen in die Durchschnittssatzbesteuerung einbezogen werden können (Abschn. 18.6 Abs. 2 Nr. 2 UStAE).
Es werden Umsätze von Getränken ausgeführt, für die der Durchschnittssatz von 19 % gilt, und von alkoholischen Flüssigkeiten, die im laufenden Kj. den Betrag von 4 000 € voraussichtlich übersteigen werden (Abschn. 24.6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 UStAE).
Wenn Steuerbeträge nach § 14c UStG geschuldet werden (Abschn. 18.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE).
Grds. müssen die Umsätze, die den Durchschnittssätzen nach § 24 UStG unterliegen und für die eine Steuer nicht zu entrichten ist (Steuerzahllast = 0 €), in den Voranmeldungen nicht aufgeführt werden. Auf die Abgabe von Voranmeldungen kann verzichtet werden (Abschn. 18.6 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
Unternehmer, die die Durchschnittssätze nach § 24 UStG anwenden, müssen unter den folgenden Voraussetzungen keine Voranmeldungen abgeben:
Es werden nur Umsätze ausgeführt, die den Durchschnittsätzen nach § 24 UStG unterliegen und für die sich eine Steuerzahllast von 0 € ergibt.
Es werden im Rahmen eines pauschalierenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs auch der Regelbesteuerung unterliegende Umsätze ausgeführt (z.B. Lieferungen zugekaufter Erzeugnisse, Erbringung sonstiger Leistungen, die nicht landwirtschaftlichen Zwecken dienen), die aber unter den Voraussetzungen des Abschn. 24.6 Abs. 2 UStAE aus Vereinfachungsgründen in die Durchschnittssatzbesteuerung einbezogen werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Umsätze voraussichtlich insgesamt nicht mehr als 4 000 € im laufenden Kj. betragen.
Nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG besteht auch bei einem Land- und Forstwirt die Möglichkeit, den Unternehmer von der Abgabe der Voranmeldungen zu entbinden (s.a. Abschn. 18.6 Abs. 3 Satz 5 UStAE).
S. dazu die Erläuterungen unter → Personenbeförderung sowie in Abschn. 18.8 UStAE.
S. dazu die Erläuterungen unter → Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen bzw. -erwerbe sowie in Abschn. 18.9 UStAE.
S. dazu die Erläuterungen unter → Vorsteuervergütungsverfahren sowie in Abschn. 18.10 bis 18.16 UStAE.
S. dazu die Erläuterungen unter → Personenbeförderung sowie in Abschn. 18.17 UStAE.
Mit der Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets durch das JStG 2020 wird das bestehende Mini-One-Stop-Shop-Verfahren zu einem One-Stop-Shop-Verfahren erweitert (§§ 18i und 18j UStG, bisher §§ 18 Abs. 4e und 18h UStG) und das Import-One-Stop-Shop-Verfahren (§ 18k UStG) eingeführt. In der folgenden Übersicht werden die besonderen Besteuerungsverfahren bis zum 30.6.2021 und ab dem 1.7.2021 gegenübergestellt.
Besondere Besteuerungsverfahren |
|||||
bis 30.6.2021 |
ab 1.7.2021 |
||||
1. |
Umsätze i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG |
§ 18 Abs. 4c UStG (Abschn. 3a.16 Abs. 8 UStAE): Auf Antrag Erfassung nur in einem EU-Mitgliedstaat (§ 18 Abs. 4d UStG; Abschn. 18.7a UStAE). |
1. |
Alle B2C-Dienstleistungen |
§ 18i UStG Zuständig für die Registrierung im Inland ist das BZSt. |
an Nichtunternehmer |
an Nichtunternehmer |
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Unternehmer ansässig: |
Unternehmer ansässig: |
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nicht im Gemeinschaftsgebiet |
nicht im Gemeinschaftsgebiet |
||||
Umsätze ausgeführt: |
Umsätze ausgeführt: |
||||
im Gemeinschaftsgebiet |
im Gemeinschafsgebiet |
||||
Besondere Besteuerungsverfahren |
|||||
bis 30.6.2021 |
ab 1.7.2021 |
||||
2. |
Umsätze i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG |
§ 18 Abs. 4e UStG (Abschn. 3a.16 Abs. 9 UStAE): Auf Antrag Erfassung im Inland (Abschn. 18.7b UStAE). |
2a. |
Alle B2C-Dienstleistungen |
§ 18j Abs. 1 Nr. 2 UStG: Hinsichtlich sonstiger Leistungen an Empfänger im Inland ist die Teilnahme am OSS-Verfahren nur zulässig, soweit der Unternehmer nicht im Inland ansässig ist. |
an Nichtunternehmer |
an Nichtunternehmer |
||||
Unternehmer ansässig: |
Unternehmer ansässig: |
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im übrigen Gemeinschaftsgebiet |
im Gemeinschaftsgebiet |
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Umsätze ausgeführt: |
Umsätze ausgeführt: |
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im Inland |
in einem anderen EU-Mitgliedstaat |
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Besondere Besteuerungsverfahren |
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bis 30.6.2021 |
ab 1.7.2021 |
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3. |
Umsätze i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG |
§ 18h UStG (Abschn. 3a.16 Abs. 10 UStAE): Auf Antrag Erfassung im Inland (Mini-One-Stop-Shop; Abschn. 18h.1 UStAE.) |
Die bisher in § 18 Abs. 4e und § 18h UStG enthaltenen Regelungen werden in § 18j UStG zusammengefasst und modifiziert. |
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an Nichtunternehmer Unternehmer ansässig: im Inland Umsätze ausgeführt: im übrigen Gemeinschaftsgebiet |
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2b. |
Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates (→ Ort der Lieferung und dort Beispiel 11) oder |
§ 18j Abs. 1 Nr. 1 UStG: Auf Antrag Erfassung nur in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind (§ 18j Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 UStG). |
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Innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG im Gemeinschaftsgebiet (→ Ort der Lieferung und dort Beispiel 15 und 17). |
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Besondere Besteuerungsverfahren |
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bis 30.6.2021 |
ab 1.7.2021 |
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3. |
Fernverkäufe nach § 3 Abs. 3a Satz 2 und § 3c Abs. 2 und 3 UStG von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € (→ Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Ort der Lieferung beim Fernverkauf«). |
§ 18k UStG: Auf Antrag Erfassung nur in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind (§ 18k Abs. 2 Satz 1 UStG). |
Hinweis:
Zur Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets zum 1.4.2021 bzw. 1.7.2021 nimmt das BMF mit Schreiben vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629) Stellung.
Ein Unternehmer, der
nach dem 30.6.2021 Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates oder innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 im Gemeinschaftsgebiet erbringt oder
im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und nach dem 30.6.2021 in einem anderen EU-Mitgliedstaat sonstige Leistungen an Nichtunternehmer ausführt,
für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, kann sich dafür entscheiden, an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG teilzunehmen (sog. One-Stop-Shop – EU-Regelung).
Die One-Stop-Shop-Regelung (OSS) stellt eine Erweiterung der Mini-One-Stop-Shop-Regelung dar.
Mini-One-Stop-Shop (MOSS) |
One-Stop-Shop (OSS) |
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Umsätze nach § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG: |
Betroffene Umsätze nach § 18j Abs. 1 UStG: |
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1. |
Telekommunikationsdienstleistungen, |
1. |
Fiktive Lieferungen mittels einer elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG (s.u.), |
2. |
Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, |
2. |
innergemeinschaftliche Fernverkäufe (s.u.), |
3. |
auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen. |
3. |
sonstige Leistungen |
Leistungsempfänger i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG (Nichtunternehmer) |
§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG enthält die Regelung, dass
ein Unternehmer,
der mittels seiner elektronischen Schnittstelle
die Lieferung eines Gegenstands,
dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet,
durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer
an einen in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneten Empfänger (Nichtunternehmer) unterstützt,
so behandelt wird, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert wird (Abschn. 3.18 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE; → Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Lieferfiktion nach § 3 Abs. 3a UStG sowie → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Ort der Warenlieferungen eines im Drittland ansässigen Unternehmers über eine elektronische Schnittstelle [§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG]«).
Beispiel 13:
Unternehmer Chi aus China führt Gegenstände aus China nach Deutschland ein und lagert diese in einem inländischen Lager eines anderen Unternehmers (A) in Deutschland ein. Chi lässt die Gegenstände in den freien Verkehr überführen und entrichtet die deutsche EUSt. Die Waren werden über A direkt an die Privatkunden verkauft.
Aus diesem Lager werden die Gegenstände durch den Unternehmer Chi in dessen Namen und auf dessen Rechnung über die Internetseiten von A an Privatkunden aus Deutschland und Frankreich versandt (Vertragsmodell: »Verkauf durch Händler, Versand durch A«).
Lösung 13:
S. das Beispiel zu → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Ort der Warenlieferungen eines im Drittland ansässigen Unternehmers über eine elektronische Schnittstelle (§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG)«. S.a. die Beispiele 1 und 2 zu Abschn. 3.18 Abs. 2 UStAE).
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 1 und 3 UStG anzuwenden. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG fingiert
Lieferungen des liefernden Unternehmers Chi (nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer) an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle A. Voraussetzung für die Anwendung der Lieferfiktion ist, dass der Schnittstellenbetreiber Unternehmer ist und
Lieferungen des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an die nichtunternehmerischen Endverbraucher.
Der Schnittstellenbetreiber (A) wird gem. § 3 Abs. 3a UStG so behandelt, als ob er die Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung der Gegenstände wird den Lieferungen durch A zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG; Art. 36b MwStSystRL).
Die Lieferungen des Chinesen Chi an A stellen nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG die ruhenden Lieferungen dar. Danach gelten die Lieferung des Chi an A in Deutschland als ausgeführt, da die Versendungen der Gegenstände dort beginnen. Die »fiktiven« Lieferungen des Chinesen Chi an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (A) sind nach § 4 Nr. 4c UStG steuerfrei (Art. 136a i.V.m. Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL; Abschn. 4.4c.1 UStAE).
Unter den Voraussetzungen des § 22a UStG kann sich Chi im Inland durch einen → Fiskalvertreter vertreten lassen.
Mit Beginn der Versendung durch A aus dem Lager in Deutschland an die Kunden in Deutschland tätigt A steuerbare und stpfl. Lieferungen in Deutschland (§ 3 Abs. 6 Satz 1 und 4 UStG). § 3c Abs. 1 UStG findet keine Anwendung, weil die Ware nicht aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates gelangt (§ 3c Abs. 1 Satz 2 UStG).
Die Ortsbestimmung der Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle A an die Privatperson in Frankreich richtet sich nach § 3c Abs. 1 UStG. Danach ist der Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Frankreich).
Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle kann das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1 UStAE) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat der Betreiber der elektronischen Schnittstelle den Umsatz im jeweiligen Bestimmungsland (Frankreich und Deutschland) im allgemeinen Besteuerungsverfahren (Art. 250 bis 261 MwStSystRL bzw. § 18 Abs. 1 bis 4 UStG) zu erklären.
S.a. → Umsatzsteuerhaftung und Meldepflichten im Internethandel, dort unter dem Gliederungspunkt »Haftungsausschluss für Lieferungen, die unter § 3 Abs. 3a UStG fallen« das Beispiel 1.
Die Teilnahme am OSS-Verfahren ist nicht verpflichtend. Die Teilnahme am OSS-Verfahren ist aber nur einheitlich für alle B2C-Leistungen möglich (§ 18j Abs. 1 Satz 4 UStG; Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Ein in der EU ansässiger Unternehmer kann sich nur in seinem Ansässigkeitsstaat zur Teilnahme entscheiden (§ 18j Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG). Im Fall der umsatzsteuerlichen Organschaft kann das Wahlrecht nur durch den Organträger ausgeübt werden (Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Zur Anwendung des OSS-Verfahrens eines Drittlandsunternehmers s. Abschn. 18j.1 Abs. 8 UStAE).
Hinweis:
Zu den Besonderheiten der Wahlrechtsausübung bei der Ausführung sonstiger Leistungen s.u. den Gliederungspunkt 8.2.4 »Besonderes Besteuerungsverfahren nach § 18j für sonstige Leistungen an Empfänger i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG und Anwendung des § 18j UStG«.
Ein Unternehmer, der das besondere Besteuerungsverfahren anwendet, hat der Finanzbehörde eine Steuererklärung innerhalb eines Monats nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums (§ 16 Abs. 1d Satz 1 UStG – Kalendervierteljahr) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (§ 18j Abs. 4 Satz 1 UStG). Für den Fall, dass Deutschland zuständiger EU-Mitgliedstaat ist, sind Informationen zur elektronischen Übermittlung auf den Internetseiten des BZSt (www.bzst.de) abrufbar; der Datenübermittler muss authentifiziert sein (Abschn. 18j.1 Abs. 2 Satz 4 UStAE). In der Steuererklärung hat er die Steuer für den Besteuerungszeitraum selbst zu berechnen. Hierbei hat er die auf den jeweiligen EU-Mitgliedstaat entfallenden Umsätze zu trennen und dem im betreffenden EU-Mitgliedstaat geltenden Steuersatz zu unterwerfen (Abschn. 18j.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Die berechnete Steuer ist am letzten Tag des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Monats fällig und bis dahin vom Unternehmer an die Finanzbehörde zu entrichten (§ 18j Abs. 4 UStG; s. → Umsatzsteuererklärung und dort den Gliederungspunkt »Besteuerungszeiträume im Zusammenhang mit den besonderen Besteuerungsverfahren« sowie → Umsatzsteuervorauszahlungen und dort den Gliederungspunkt »Ordnungswidrigkeit und Straftatbestand bei Nichtzahlung der Umsatzsteuer«).
Beachte:
Bei der nach § 18j Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG zu übermittelnden Steuererklärung handelt es sich nicht um eine Steueranmeldung i.S.d. § 150 Abs. 1 Satz 2, § 168 AO (s. dazu das Urteil des FG Köln vom 3.4.2023, 2 V 211/23, EFG 2023, 1343, LEXinform 5025505, rkr. unter 2.a.dd.). Denn der Gesetzgeber hat diese Vorschriften der AO in § 18j Abs. 7 UStG nicht für anwendbar erklärt, sodass diese Wirkung zumindest bei Erklärungen im Inland registrierter Unternehmer nicht eintritt. Dass die Steuererklärung keine deutsche Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ist, bestätigt zudem Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStVO. Bzgl. der Steuerfestsetzungen und der Änderungen gelten danach die Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates.
Die Steuererklärung i.S.d. § 18j Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG ist erst ab dem Zeitpunkt eine Steueranmeldung i.S.d. § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 AO, zu dem die in ihr enthaltenen Daten von der zuständigen Finanzbehörde des anderen EU-Mitgliedstaates dem BZSt übermittelt und dort in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet wurden (§ 18j Abs. 5 UStG; Abschn. 18j.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
In dem o.g. Urteilsfall des FG Köln hat das BZSt die formell ordnungsgemäß erklärten Steuerdaten des Unternehmers in materieller Hinsicht überprüft und die Weiterleitung der Steuererklärungen sowie die darin enthaltenen Steuerbeträge an die betroffenen Mitgliedstaaten abgelehnt. Nach der Rechtsauffassung des FG Köln (unter 2.a.ee.) lässt sich weder aus § 18j UStG, noch aus der MwStSystRL oder der MwStVO ein solches Prüfungsrecht für den Staat der Registrierung/Identifizierung herleiten.
Zu den Aufzeichnungspflichten s. § 22f Abs. 3 UStG n.F. i.V.m. Art. 54c i.V.m. Art. 63c EU-VO 282/2011 (s.a. Gothmann, UStB 2020, 363).
Der innergemeinschaftliche Fernverkauf ist in Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL sowie in § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG wie folgt definiert:
»Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist
die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung
aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates
in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder
aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet
in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete
an den Erwerber – unter direkter oder indirekter Beteiligung des Lieferers –
befördert oder versandt wird.«
Erwerber ist (§ 3c Abs. 1 Satz 3 UStG) ein in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneter Empfänger (Nichtunternehmer) oder eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person (kein »Vollunternehmer«), die weder die maßgebliche Erwerbsschwelle überschritten noch auf ihre Anwendung verzichtet haben; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend (→ Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Innergemeinschaftliche Fernverkäufe i.S.d. § 3c Abs. 1 UStG« und dort den Gliederungspunkt »Schwellenwert nach § 3c Abs. 4 UStG«).
Die Regelung des § 3c Abs. 1 UStG verlagert den Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gem. dem Bestimmungslandprinzip an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den o.g. Erwerber (§ 3c Abs. 1 Satz 3 UStG) befindet, sofern nicht der Ausschlusstatbestand des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG greift.
Beispiel 14:
Ein deutscher Versandhändler liefert auch in das EU-Ausland. Die Umsätze in Dänemark betragen 7 000 € und in Schweden 6 500 €.
Lösung 14:
Nach der Neuregelung des § 3c Abs. 1 UStG i.d.F. ab 1.7.2021 handelt es sich bei den Umsätzen des Versandhändlers an Privatkunden um einen innergemeinschaftlichen Fernverkauf i.S.d. § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG, da die Gegenstände durch den Lieferer aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (Deutschland) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (Dänemark und Schweden) an den Erwerber befördert oder versendet werden. Die Erwerber in den jeweiligen Mitgliedstaaten sind Privatpersonen und in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG als solche aufgeführt.
Die Ortsregelung des § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG ist anzuwenden, da der leistende Unternehmer seinen Sitz in einem Mitgliedstaat (Deutschland) hat und der Gesamtbetrag der Entgelte an die Empfänger in anderen Mitgliedstaaten insgesamt 10 000 € überschreitet. Als Ort der Lieferung der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe gelten die Orte, an denen sich die Gegenstände bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an die Erwerber befinden. Der deutsche Versandhändler tätigt somit sowohl in Dänemark als auch in Schweden steuerpflichtige Umsätze.
Im Beispielsfall kann der deutsche Versandhändler u.a. für innergemeinschaftliche Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG, die er nach dem 30.6.2021 erbringt, auf Antrag das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG anwenden. Im Inland ansässige Unternehmer können die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur im Inland anzeigen (§ 18j Abs. 2 Satz 2 UStG). Zu dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG s.o. den Gliederungspunkt »Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates und Anwendung des § 18j UStG«.
Beispiel 15:
Unternehmer U ist im Inland ansässig. U veräußert über einen inländischen Schnittstellenbetreiber aus einem Lager im Inland Gegenstände an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich. U überschreitet die Umsatzschwelle von 10 000 € (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG) bzw. verzichtet auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG).
Lösung 15:
S. das Beispiel 3 zu Abschn. 3.18 Abs. 2 UStAE.
Nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG wird keine Lieferung zwischen dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle und der Privatperson fingiert, da U im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG findet keine Anwendung, da die Ware nicht aus dem Drittlandsgebiet eingeführt wurde.
Für die Lieferung des U an die Privatperson findet § 3c Abs. 1 UStG Anwendung. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Frankreich). U kann das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1 UStAE) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat U den Umsatz im Bestimmungsland (hier: Frankreich) im allgemeinen Besteuerungsverfahren (Art. 250 bis 261 MwStSystRL) zu erklären.
Beispiel 16:
Ein in Südkorea ansässiger Händler H veräußert über die eigene Internetseite einen Fernseher an eine Privatperson in Frankreich. Die Ware wird aus dem Lager seiner Betriebsstätte im Inland an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet. Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle von 10 000 € (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG) bzw. verzichtet auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG).
Lösung 16:
S. die Beispiele 3 und 4 in Abschn. 3c.1 Abs. 1 UStAE.
Auf die Lieferung des Händlers H an die Privatperson ist § 3c Abs. 1 UStG anzuwenden. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Frankreich). Der Händler kann das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1 UStAE) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat der Händler den Umsatz im Bestimmungsland (hier: Frankreich) im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären.
Händler H hat die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG gem. § 18j Abs. 2 Satz 2 und 3 UStG im Inland anzuzeigen, da er im Inland eine Betriebsstätte hat.
Beispiel 17:
Ein in Südkorea ansässiger Händler H veräußert über die eigene Internetseite Elektrogeräte an Privatpersonen in der EU. Die Ware wird aus dem Lager in Frankreich an die Privatpersonen in der EU versendet. Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle von 10 000 € (§ 3c Abs. 4 Satz 1 UStG) bzw. verzichtet auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG (§ 3c Abs. 4 Satz 2 UStG).
Lösung 17:
S. die Beispiele 3 und 4 in Abschn. 3c.1 Abs. 1 UStAE sowie das Beispiel 16.
Auf die Lieferung des Händlers H an die Privatperson ist § 3c Abs. 1 UStG anzuwenden. Der Ort der Lieferungen ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der jeweiligen Versendung an die Privatpersonen befindet (hier: jeweils in den Mitgliedstaaten der EU). Der Händler kann das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1 UStAE) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Da der Drittlandsunternehmer im Gemeinschaftsgebiet keine Betriebsstätte hat, ist Frankreich der Mitgliedstaat der Identifizierung, da dort die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 18j Abs. 2 Satz 5 UStG; Art. 369a Nr. 2 Unterabs. 3 i.V.m. Art. 369c MwStSystRL). Andernfalls hat der Händler die Umsätze im jeweiligen Bestimmungsland der EU im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären. Der Unternehmer, der die Sonderregelung des § 18j UStG (Art. 369a MwStSystRL) in Anspruch nimmt, wird in Bezug auf diese Regelung unterliegende steuerbare Umsätze nur in dem Mitgliedstaat der Identifizierung (hier Frankreich) erfasst (Art. 369d Abs. 1 MwStSystRL).
Hinweis:
Mit Schreiben vom 11.5.2022 (III C 3-S 7340-g/22/10002:001, UR 2022, 518, LEXinform 7013219) nimmt das BMF zur Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO im OSS-Verfahren (§ 18j UStG) Stellung.
Im Verfahren One-Stop-Shop (OSS) – EU-Regelung nach § 18j UStG (vgl. Abschn. 18j.1 UStAE) – werden die Registrierungs-, Erklärungs- und Zahlungsdaten von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern (im Beispielsfall 17 in Südkorea), die sich in einem anderen EU-Mitgliedstaat für das Verfahren haben registrieren lassen (im Beispielsfall 17 in Frankreich), aus technischen Gründen dem zentral zuständigen FA übermittelt, welches für in dem Registrierungsmitgliedstaat (Mitgliedstaat der Identifizierung, MSI – im Beispielsfall 17: Frankreich) ansässige Unternehmer zuständig ist (nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 UStZustV das für Frankreich zuständige FA Offenburg). Eine Zuordnung an das FA, das für in dem jeweiligen Drittstaat ansässige Unternehmer nach der UStZustV eigentlich zuständig wäre, ist technisch mittelfristig nicht möglich. Nach § 1 Abs. 2 UStZustV wäre das FA Berlin-Neukölln zuständig, da Unternehmer mit Sitz in Südkorea nicht von § 1 Abs. 1 UStZustV erfasst werden (s. → Umsatzsteuererklärung unter dem Gliederungspunkt »Zuständigkeiten für im Ausland ansässige Unternehmer«).
Beachte:
Durch Art. 2 Nr. 2 der Sechsten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen (s. BR-Drs. 563/22) wird in § 1 UStZustV ein neuer Abs. 2b eingefügt.
Für die Unternehmer mit Sitz außerhalb des Gemeinschaftsgebiets (§ 1 Abs. 2a UStG), die im Gemeinschaftsgebiet weder ihre Geschäftsleitung noch eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte haben und die in einem anderen Mitgliedstaat der EU die Teilnahme an dem Verfahren i.S.d. § 18j UStG angezeigt haben, sind die Abs. 1 und 2 der UStZustV für Zwecke der Durchführung des Verfahrens i.S.d. § 18j UStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Unternehmer in dem Mitgliedstaat als ansässig zu behandeln ist, in dem die Teilnahme angezeigt wurde.
Derzeit richtet sich die Zuständigkeit für die Unternehmer, die im Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Abs. 2a UStG) weder ihren Sitz (§ 11 AO) noch ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) noch eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte (vgl. Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE) haben, danach, in welchem Staat der Unternehmer ansässig ist. Dies gilt sowohl für das allgemeine Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4b UStG) als auch für die besonderen Besteuerungsverfahren (§§ 18i, 18j und 18k UStG). Die derzeitige Regelung führt bei Unternehmern, die im Gemeinschaftsgebiet weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung noch eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte haben und die die Teilnahme an dem Verfahren i.S.d. § 18j UStG (sog. One-Stop-Shop – EU-Regelung) in einem anderen Mitgliedstaat der EU angezeigt haben, im Rahmen des Verfahrens One-Stop-Shop – EU-Regelung zu Problemen. Aufgrund dieser Probleme sind derzeit Zuständigkeitsvereinbarungen nach § 27 AO zu treffen (s.o. das BMF-Schreiben vom 11.5.2022, III C 3-S 7340-g/22/10002:001, UR 2022, 518, LEXinform 7013219). Um diesen Verfahrensschritt zu vermeiden und aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungsökonomie ist es erforderlich, die Zuständigkeit für diese Unternehmer im Verfahren One-Stop-Shop – EU-Regelung insoweit anzupassen (BR-Drs. 563/22, 11 f.).
Das bisherige besondere Besteuerungsverfahren für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG erbringen (sog. Mini-One-Stop-Shop/einzige Kleine Anlaufstelle) wird auf Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates über eine elektronische Schnittstelle, innergemeinschaftliche Fernverkäufe und alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet ausgedehnt (sog. One-Stop-Shop/einzige Anlaufstelle).
Ein Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und nach dem 30.6.2021 u.a. in einem anderen Mitgliedstaat der EU sonstige Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG ausführt, für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, hat anzuzeigen, wenn er an dem besonderen Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG teilnimmt (§ 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG).
Beachte:
Zunächst gilt nach § 3a Abs. 1 UStG (Art. 45 MwStSystRL) für B2C-Dienstleistungen der Grundsatz, dass der Ort der sonstigen Leistung dort ist, von wo aus der Unternehmer (Dienstleistungserbringer) sein Unternehmen betreibt (Unternehmersitz).
Das besondere Besteuerungsverfahren des § 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG ist nur dann anwendbar, wenn für die B2C-Dienstleistungen nicht das Unternehmersitzprinzip des § 3a Abs. 1 UStG, sondern das Empfängersitzprinzip anwendbar ist.
Das Empfängersitzprinzip gilt bei folgenden B2C-Dienstleistungen (→ Ort der sonstigen Leistung):
§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG: Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück;
§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 und 2 UStG: Kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels;
§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG: Langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels;
§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 UStG: Langfristige Vermietung eines Sportboots;
§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG: Kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen. Die Regelung gilt auch beim Verkauf von Eintrittskarten (Abschn. 3a.6 Abs. 2 UStAE);
§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG: → Restaurationsumsätze;
§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG: Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände (Abschn. 3a.6 Abs. 10 ff. UStAE);
§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG: Vermittlungsleistungen an Nichtunternehmer (Abschn. 3a.7 Abs. 1 UStAE);
§ 3a Abs. 5 Satz 1 UStG: Sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;
§ 3b Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG: Personenbeförderungsleistung;
§ 3b Abs. 1 Satz 3 UStG: Güterbeförderungsleistungen.
Im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer können die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem sie ansässig sind, anzeigen (§ 18j Abs. 1 Satz 2 UStG; Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE). Im Fall der umsatzsteuerlichen Organschaft kann das Wahlrecht nur durch den Organträger ausgeübt werden (Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Hinsichtlich sonstiger Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG im Inland ist eine Teilnahme jedoch nur zulässig, soweit der Unternehmer im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete weder seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat (Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Im Inland ansässige Unternehmer können die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur im Inland anzeigen (Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 6 UStAE).
Merke:
Das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG gilt nicht für Dienstleistungen, die in einem Mitgliedstaat erbracht werden, in dem der Unternehmer seinen Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat (Art. 57c EU-VO 282/2011; s.a. § 18j Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 UStG; Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 UStAE).
Im Fall der umsatzsteuerlichen Organschaft ist das OSS-Verfahren für sonstige Leistungen nur in den Ländern anwendbar, in denen der Organkreis weder einen Sitz noch eine Betriebsstätte hat.
Mit Beschluss vom 3.4.2023 (2 V 211/23, EFG 2023, 1343, LEXinform 5025505, rkr.) nimmt das FG Köln sehr ausführlich zur Anwendung des OSS-Verfahrens bei Organkreisen mit Auslands-Betriebsstätten sowie zum Umfang der Prüfungsbefugnisse der Finanzbehörde (BZSt) bei Teilnahme des Stpfl. (Organschaft) am OSS-Verfahren Stellung (s. Jansen, UStB 2024, 53). Das FG entscheidet dabei gegen die Verwaltungsregelung in Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 UStAE.
Das in § 18j UStG geregelte OSS-Verfahren ist ein besonderes Besteuerungsverfahren, das u.a. von in der EU ansässigen Unternehmern in den Fällen genutzt werden kann, in denen sie im Staat des Verbrauchs von ihnen erbrachter sonstiger Leistungen nicht ansässig sind. Es dient insbes. der Verfahrensvereinfachung, da die teilnehmenden Unternehmer sämtliche unter § 18j UStG fallende Leistungen in einer Erklärung zusammengefasst im Staat ihrer Registrierung erfassen und sich in den anderen EU-Mitgliedstaaten, in denen ihre Leistungen der Steuerpflicht unterliegen, weder jeweils registrieren lassen noch dort unmittelbar Steuererklärungen einreichen müssen.
Danach wäre OG 1 weder in Polen noch in Italien ansässig und könnte sich in Deutschland beim BZSt für die Anwendung des OSS-Verfahrens in den EU-Mitgliedstaaten des Verbrauchs – auch für Polen und Italien – registrieren (§ 18j Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG).
Im Urteilsfall hatte der Organträger (Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE) in den Erklärungen im OSS-Verfahren beim BZSt auch stpfl. Umsätze in Polen und Italien erklärt. Das BZSt leitete weder den Inhalt der Steuererklärungen noch die erhaltenen Steuerbeträge an die betroffenen Mitgliedstaaten weiter. Nach seiner Auffassung sind die vom Organträger abgegebenen Erklärungen im Hinblick auf § 18j Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 UStG inhaltlich nicht zutreffend. Nach der nationalen Verwaltungsregelung in Abschn. 18j.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE ist die Teilnahme am OSS-Verfahren hinsichtlich sonstiger Leistungen an Nichtunternehmer nur für die EU-Mitgliedstaaten, in denen der Unternehmer bzw. im Fall der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft der Organkreis weder einen Sitz noch eine Betriebsstätte hat, möglich.
In seinem Beschluss vom 3.4.2023 (2 V 211/23, EFG 2023, 1343, LEXinform 5025505, rkr.) stellt das FG Köln fest (Orientierungssatz 3), dass es bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen vermag, dass eine Betriebstätte feste Niederlassung einer Organgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat die Erklärung unter das OSS-Verfahren fallender Umsätze für die gesamte Organschaft in diesem Mitgliedstaat ausschließt. Ebenso kann das FG Köln das vom BZSt für sich reklamierte Prüfungsrecht nicht erkennen. Weder aus § 18j UStG unter Berücksichtigung der MwStSystRL noch aus der MwStVO lässt sich ein Prüfungsrecht in materieller Hinsicht für den Staat der Registrierung/Identifizierung herleiten (s.a. Jansen, UStB 2024, 53).
Die Regelungen, wie der Verbrauchsmitgliedstaat die ihm zustehende Umsatzsteuer erhält und wie eine Kontrolle der Unternehmer erfolgen soll, beinhaltet die gleichzeitig verabschiedete Verordnung (EU) 2017/2454 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (ABl L 348 vom 29.12.2017, S. 1). Darüber hinaus enthält die Verordnung (EU) 2019/2026 des Rates vom 21.11. 2019 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich der über elektronische Schnittstellen unterstützten Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen sowie bezüglich der Sonderregelungen für Stpfl., die Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen sowie Fernverkäufe von Gegenständen und bestimmte Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union tätigen (ABl L 313 vom 4.12.2019, S. 14), Durchführungsbestimmungen (Art. 57a bis 63c der EU-VO 282/2011).
Hinweis zur Steuerberechnung nach § 16 Abs. 1d UStG:
Macht ein Unternehmer von § 18j UStG Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr (s. → Umsatzsteuererklärung und dort den Gliederungspunkt »Besteuerungszeiträume im Zusammenhang mit den besonderen Besteuerungsverfahren«).
Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j UStG im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates und der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, sowie der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist.
Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j UStG in einem anderen Mitgliedstaat der EU angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines Mitgliedstaates, der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG und der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist.
§ 16 Abs. 2 UStG ist nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass der Unternehmer die mit diesen Umsätzen zusammenhängenden Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) oder im → Vorsteuervergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG) geltend machen kann. Soweit der Unternehmer im Inland Leistungen nach § 18i Abs. 1 Satz 1 UStG erbringt, ist § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht anzuwenden (§ 18j Abs. 4 Satz 4 UStG).
Beispiel 18:
Ein in Frankreich ansässiger Unternehmer U erbringt ab 1.7.2021 Reparaturleistungen an Gegenständen an Privatkunden in Deutschland, Belgien und Luxemburg. U wählt die Registrierung zum OSS (§ 18j UStG) in Frankreich. Nach § 18j Abs. 2 Satz 1 UStG können im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur in dem Mitgliedstaat der EU, in dem sie ansässig sind, anzeigen.
Lösung 18:
Die Dienstleistungen des U sind steuerbar und stpfl. in Deutschland, Belgien und Luxemburg (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG). Da U das OSS-Verfahren i.S.d. § 18j UStG anwendet (Art. 369a ff. MwStSystRL), muss er seine Dienstleistungen, die er den betreffenden Ländern erbringt, sämtlich über das OSS-Verfahren in Frankreich deklarieren und dort die Mehrwertsteuer entrichten.
Die Beträge in der Umsatzsteuererklärung sind in Euro anzugeben; es sei denn, der EU-Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Leistungsort liegt, sieht die Angabe der Beträge in seiner Landeswährung vor. In den Fällen der Angabe der Beträge in einer vom Euro abweichenden Landeswährung muss der Unternehmer bei der Umrechnung von Werten in diese Währung einheitlich den von der Europäischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskurs des letzten Tags des Besteuerungszeitraums bzw., falls für diesen Tag kein Umrechnungskurs festgelegt wurde, den für den nächsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums festgelegten Umrechnungskurs anwenden (§ 16 Abs. 6 Satz 4 und 5 UStG; Abschn. 18j.1 Abs. 4 UStAE).
S.a. Beispiel 20.
Nach § 18j Abs. 1 Satz 4 UStG ist eine Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU und alle von OSS-Verfahren erfassten Umsätze möglich. Der Unternehmer hat in der OSS-Meldung alle Umsätze zu erfassen, welche in den Anwendungsbereich des OSS-Verfahrens fallen. Hat der Unternehmer z.B. im Inland sowohl Umsätze, die unter das OSS-Verfahren, als auch solche, die nicht unter dieses Verfahren fallen, so muss er die Umsätze strikt trennen (s.a. Fietz u.a., NWB 9/2022, 615 unter III.3.b).
Beispiel 19:
Ein im Inland ansässiger Händler H veräußert über die eigene Internetseite Handyzubehör an eine im Inland ansässige Privatperson. Die Ware wird aus seinem Lager in Frankreich an den Wohnsitz der Privatperson versendet. H verzichtet auf die Anwendung von § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG und nimmt an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG teil.
Lösung 19:
S. Abschn. 3c.1 Abs. 1 Beispiel 5.
Auf die Lieferung des Händlers an die Privatperson ist § 3c Abs. 1 UStG anzuwenden. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Inland). Der Händler hat die Umsätze über das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18j UStG zu erklären. Eine Anmeldung in der deutschen USt-Voranmeldung (Zeile 19 USt 1 A 2022) darf nicht vorgenommen werden (§ 18j Abs. 4 Satz 4 UStG).
Das bisherige besondere Besteuerungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG erbringen (§ 18 Abs. 4c und 4d UStG), wird auf alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet ausgedehnt (§ 18i UStG; vgl. Art. 359 bis 368 MwStSystRL; OSS-Verfahren – Nicht-EU-Regelung, Abschn. 18i.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Um zu vermeiden, dass Unternehmer, die andere Dienstleistungen als Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtunternehmer erbringen, für Mehrwertsteuerzwecke in jedem einzelnen Mitgliedstaat, in dem diese Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, identifiziert werden müssen, wird es Unternehmern, die solche Dienstleistungen erbringen, gestattet, das IT-System für die Registrierung sowie für die Erklärung und Entrichtung der Mehrwertsteuer zu nutzen, sodass die Mehrwertsteuer für diese Dienstleistungen in einem einzigen Mitgliedstaat erklärt und entrichtet werden kann. Zuständige Finanzbehörde für die Registrierungen im Inland ist insoweit das BZSt; die Zuständigkeit der Landesfinanzbehörden für die Bearbeitung der im Rahmen dieses Verfahrens eingereichten Erklärungen bleibt unberührt (§ 18i Abs. 1 UStG).
Eine Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren ist dem Unternehmer nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU und alle sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG im Gemeinschaftsgebiet möglich. Die Anwendung des besonderen Besteuerungsverfahrens kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Besteuerungszeitraums an widerrufen werden. Der Widerruf ist vor Beginn des Besteuerungszeitraums, für den er gelten soll, gegenüber der Finanzbehörde (BZSt) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu erklären.
Ein Unternehmer, der das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18i UStG anwendet, hat der Finanzbehörde, bei der er die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren angezeigt hat, eine Steuererklärung innerhalb eines Monats nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums (§ 16 Abs. 1c Satz 1 UStG: Kalendervierteljahr) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (s. → Umsatzsteuererklärung unter dem Gliederungspunkt »Besteuerungszeiträume im Zusammenhang mit den besonderen Besteuerungsverfahren«). In der Steuererklärung hat er die Steuer für den Besteuerungszeitraum selbst zu berechnen. Der Unternehmer meldet in seiner Steuererklärung die Umsätze und die darauf entfallende Steuer nach den Steuersätzen des jeweiligen Mitgliedstaates an. Die berechnete Steuer ist am letzten Tag des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Monats fällig und bis dahin vom Unternehmer an die Finanzbehörde zu entrichten, bei der der Unternehmer die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren angezeigt hat (§ 18i Abs. 3 UStG; Abschn. 18i.1 Abs. 2 UStAE).
Hinweis zur Steuerberechnung nach § 16 Abs. 1c UStG:
Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18i UStG Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr (s. → Umsatzsteuererklärung unter dem Gliederungspunkt »Besteuerungszeiträume im Zusammenhang mit den besonderen Besteuerungsverfahren«).
Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i UStG im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist.
Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i UStG in einem anderen Mitgliedstaat der EU angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist.
§ 16 Abs. 2 UStG ist nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass der Unternehmer die mit diesen Umsätzen zusammenhängenden Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) oder im → Vorsteuervergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG) geltend machen kann. Soweit der Unternehmer im Inland Leistungen nach § 18i Abs. 1 Satz 1 UStG erbringt, ist § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht anzuwenden (§ 18i Abs. 3 Satz 4 UStG).
Beispiel 20:
S.a. Beispiel 18.
Ein in der Schweiz ansässiger Unternehmer U erbringt ab 1.7.2021 Reparaturleistungen an Gegenständen an Privatkunden in Deutschland, Belgien und Luxemburg. U wählt die Registrierung zum OSS (§ 18i UStG) in Deutschland (s. Abschn. 18i.1 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStAE).
Lösung 20:
Die Dienstleistungen des U sind steuerbar und stpfl. in Deutschland, Belgien und Luxemburg (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG). Da U das OSS-Verfahren i.S.d. § 18i UStG anwendet (Art. 359 ff. MwStSystRL), muss er seine Dienstleistungen, die er den betreffenden Ländern erbringt, sämtlich über das OSS-Verfahren in Deutschland deklarieren und dort die Mehrwertsteuer entrichten
Die Beträge in der Umsatzsteuererklärung sind in Euro anzugeben; es sei denn, der EU-Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Leistungsort liegt, sieht die Angabe der Beträge in seiner Landeswährung vor. In den Fällen der Angabe der Beträge in einer vom Euro abweichenden Landeswährung muss der Unternehmer bei der Umrechnung von Werten in diese Währung einheitlich den von der Europäischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskurs des letzten Tags des Besteuerungszeitraums bzw., falls für diesen Tag kein Umrechnungskurs festgelegt wurde, den für den nächsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums festgelegten Umrechnungskurs anwenden (§ 16 Abs. 6 Satz 4 und 5 UStG; Abschn. 18i.1 Abs. 4 UStAE).
Für Fernverkäufe von Gegenständen nach § 3 Abs. 3a Satz 2 oder § 3c Abs. 2 oder 3 UStG in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 € aus dem Drittlandsgebiet wird ein neuer Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt (§ 18k UStG; vgl. Art. 369l bis 369w MwStSystRL i.d.F. ab 1. Juli 2021).
Die Lieferfiktion des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG ist nur anzuwenden, wenn der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt (→ Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Fernverkäufe aus Drittländern über eine elektronische Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG«).
Zur Anwendung des § 3 Abs. 3a Satz 2 und zu den Ortsregelungen des § 3c Abs. 2 und 3 UStG s. → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Überblick über die Ortsregelung der Fernverkäufe aus Drittländern«.
Ein Unternehmer, der nach dem 30. Juni 2021 als Steuerschuldner Fernverkäufe nach § 3 Abs. 3a Satz 2 oder § 3c Abs. 2 oder 3 UStG in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € im Gemeinschaftsgebiet erbringt, für die er dort die Steuer schuldet und Umsatzsteuererklärungen abzugeben hat, oder ein in seinem Auftrag handelnder im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Vertreter hat anzuzeigen, wenn er an dem besonderen Besteuerungsverfahren teilnimmt (§ 18k Abs. 1 Satz 1 UStG; Abschn. 18k.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Der Anwendungsbereich der Sonderregelung für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen wird auf Verkäufe von Gegenständen mit einem Sachwert von höchstens 150 € beschränkt, die aus einem Drittgebiet oder einem Drittland direkt an einen Erwerber in der Gemeinschaft versandt werden, da diese nach Art. 23 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 zollfrei sind und ab diesem Wert bei der Einfuhr für Zollzwecke eine vollständige Zollanmeldung verlangt wird. Verbrauchsteuerpflichtige Gegenstände werden vom Anwendungsbereich ausgenommen, da die Verbrauchsteuer Teil der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer ist. Zuständige Finanzbehörde für die Registrierungen im Inland ist insoweit das BZSt; die Zuständigkeit der Landesfinanzbehörden für die Bearbeitung der im Rahmen dieses Verfahrens eingereichten Erklärungen bleibt unberührt (§ 18k Abs. 1 UStG).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG ist u.a. die Einfuhr steuerfrei von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €, für die die Steuer im Rahmen des besonderen Besteuerungsverfahrens nach § 18k zu erklären ist und für die in der Anmeldung zur Überlassung in den freien Verkehr die nach Artikel 369q MwStSystRL von einem Mitgliedstaat der EU Union erteilte individuelle Identifikationsnummer des Lieferers oder die dem in seinem Auftrag handelnden Vertreter für diesen Lieferer erteilte individuelle Identifikationsnummer angegeben wird (→ Einfuhrumsatzsteuer).
Einem Unternehmer, der die Sonderregelung für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Anspruch nimmt, ist es gestattet, einen in der Gemeinschaft niedergelassenen Vertreter als Steuerschuldner der Mehrwertsteuer zu benennen, der die Pflichten gemäß der Sonderregelung in seinem Namen und für seine Rechnung erfüllt. Um die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten zu schützen, ist ein nicht in der Gemeinschaft ansässiger Unternehmer, der diese Sonderregelung in Anspruch nimmt, zur Benennung eines Vertreters verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt jedoch nicht, wenn er in einem Land ansässig ist, mit dem die Europäische Union ein Abkommen über gegenseitige Amtshilfe geschlossen hat.
Die Europäische Kommission wird eine Durchführungsverordnung entsprechend Art. 369m Abs. 3 MwStSystRL erlassen, um die Liste der Drittländer festzulegen, mit denen die EU ein Abkommen über gegenseitige Amtshilfe geschlossen hat (s.a. Abschn. 18k.1 Abs. 1 Satz 7 UStAE).
Im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer oder im Auftrag handelnde Vertreter können die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur in dem Mitgliedstaat der EU, in dem sie ansässig sind, anzeigen. Im Inland ansässige Unternehmer oder im Auftrag handelnde Vertreter können die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur im Inland anzeigen (§ 18k Abs. 2 Satz 1 UStG; s.a. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Maßgebliche Rechtsvorschriften für die Rechnungserstellung im besonderen Besteuerungsverfahren für Umsätze nach dem 30.6.2021«).
Eine Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren ist nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU und für alle Fernverkäufe i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 2 oder § 3c Abs. 2 oder 3 UStG möglich; sie gilt ab dem Tag, an dem dem Unternehmer oder dem im Auftrag handelnden Vertreter die nach Art. 369q Abs. 1 oder 3 MwStSystRL erteilte individuelle Identifikationsnummer des Unternehmers bekannt gegeben wurde (Abschn. 18k.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Die Anwendung des besonderen Besteuerungsverfahrens kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Besteuerungszeitraums an widerrufen werden (Abschn. 18k.1 Abs. 6 UStAE).
Ein Unternehmer oder im Auftrag handelnder Vertreter, der das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18k UStG anwendet, hat der zuständigen Finanzbehörde (BZSt) eine Steuererklärung innerhalb eines Monats nach Ablauf jedes Besteuerungszeitraums (§ 16 Abs. 1e Satz 1 UStG; Kalendermonat) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. In der Steuerklärung hat er die Steuer für den Besteuerungszeitraum selbst zu berechnen. Die berechnete Steuer ist am letzten Tag des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Monats fällig und bis dahin vom Unternehmer oder vom im Auftrag handelnden Vertreter an die Finanzbehörde zu entrichten (s. → Umsatzsteuervorauszahlungen unter dem Gliederungspunkt »Ordnungswidrigkeit und Straftatbestand bei Nichtzahlung der Umsatzsteuer«). Soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen nach § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG erbringt, ist § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht anzuwenden (§ 18k Abs. 4 UStG).
Hinweis zur Steuerberechnung nach § 16 Abs. 1e UStG:
Macht ein Unternehmer oder ein in seinem Auftrag handelnder Vertreter von § 18k UStG Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum der Kalendermonat (s. → Umsatzsteuererklärung unter dem Gliederungspunkt »Besteuerungszeiträume im Zusammenhang mit den besonderen Besteuerungsverfahren«).
Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Abs. 3a Satz 2 und § 3c Abs. 2 und 3 UStG, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist.
Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k UStG in einem anderen Mitgliedstaat der EU angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Abs. 3a Satz 2 und § 3c Abs. 2 und 3 UStG auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist.
§ 16 Abs. 2 UStG ist nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass der Unternehmer die mit diesen Umsätzen zusammenhängenden Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) oder im → Vorsteuervergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG) geltend machen kann. Soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen nach § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG erbringt, ist § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nicht anzuwenden (§ 18k Abs. 4 Satz 4 UStG).
Beispiel 21:
Unternehmer Chi aus China handelt mit Computerteilen. Er verkauft die Produkte über die Internetseiten von Amazon Services Europe s.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg entsprechend den Bedingungen »Verkauf und Versand durch den Händler«. Chi bietet seine Waren auf dem Amazon-Marktplatz an und versendet sie selbst von China aus an die Kunden in Deutschland, Frankreich und Belgien.
Der Wert der Gegenstände in den jeweiligen Sendungen beträgt höchstens 150 €.
Lösung 21:
Für Umsätze, die ab 1.7.2021 ausgeführt werden, ist § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG anzuwenden, da
Amazon mittels seiner elektronischen Schnittstelle
den Fernverkauf
von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen
in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €
unterstützt.
Der Schnittstellenbetreiber (Amazon) wird gem. § 3 Abs. 3a Satz 2 i.V.m. Satz 1 UStG so behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Die Beförderung oder Versendung des Gegenstands wird der Lieferung durch Amazon zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG n.F.; Art. 36b MwStSystRL).
Die Lieferung des Unternehmers Chi aus China ist somit die ruhende Lieferung. Der Ort dieser Lieferung, die der bewegten Lieferung vorangeht, bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG. Der Ort der Lieferung des Chi befindet sich in China, da dort die Versendung beginnt.
Wenn Chi Schuldner der EUSt ist, käme es nicht zu einer Verlagerung des Lieferorts nach Deutschland, da die Ortsverlagerung des § 3 Abs. 8 UStG ein Befördern oder Versenden des Lieferers voraussetzt.
Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG würde die bewegte Lieferung des Schnittstellenbetreibers dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Da die Versendung an die Kunden des Chi in China beginnt, wäre die fiktive Lieferung des Schnittstellenbetreibers in China nicht steuerbar.
Um diese Besteuerungslücke für Umsätze ab dem 1.7.2021 zu verhindern, bestimmt sich der Ort der Lieferung in den Fällen des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG für die bewegte Lieferung nach § 3c Abs. 3 UStG. Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlands-gebiet (China) in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet (Deutschland, Frankreich und Belgien), eingeführt wird, in diesen Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich und Belgien). Die Lieferung des Schnittstellenbetreibers (Amazon) gilt somit in Deutschland, Frankreich und Belgien als ausgeführt und ist dort jeweils steuerbar und steuerpflichtig.
Nach § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG kann Amazon an dem besonderen Besteuerungsverfahren teilnehmen. Eine Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren ist nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU und für alle Fernverkäufe möglich. Der in Luxemburg ansässige Unternehmer (Amazon) kann die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren nur in dem Mitgliedstaat der EU, in dem er ansässig ist, anzeigen (Luxemburg; Art. 369p MwStSystRL; § 18k Abs. 2 Satz 1 UStG).
Luxemburg erteilt dem Unternehmer (Amazon), der diese Sonderregelung in Anspruch nimmt, eine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer für die Anwendung dieser Sonderregelung, die er dem Unternehmer elektronisch übermittelt (Art. 369q MwStSystRL). Diese zugeteilte MwSt-IdNr. darf nur für die Zwecke dieser Sonderregelung verwendet werden (Art. 369q Abs. 4 MwStSystRL). S.a. → Einfuhrumsatzsteuer unter dem Gliederungspunkt »Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer in den Fällen des § 3 Abs. 8 UStG« und dort unter »Regelung ab 1.7.2021«).
S.a. das Beispiel 5 zu Abschn. 3c.1 Abs. 4 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629).
Beispiel 22:
Unternehmer Chi aus China führt Ware in Italien ein und versendet sie aus diesem Warenlager unmittelbar zu seinen Kunden in Deutschland, Frankreich und Belgien. Der Abnehmer steht bereits bei Beginn der Versendung in China fest. Die jeweiligen Sendungen an die Kunden überschreiten jeweils den Sachwert von 150 €.
Unternehmer Chi ist Schuldner der EUSt in Italien.
Lösung 22:
S.a. das Beispiel unter → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Fernverkäufe aus Drittländern ohne Unterstützung durch eine elektronische Schnittstelle«.
Von einem feststehenden Abnehmer ist bereits dann auszugehen, wenn der Abnehmer die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (BFH vom 16.11.2016, V R 1/16, BStBl II 2017, 1079; Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 4 UStAE). In diesem Fall steht es der Annahme einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nicht entgegen, wenn die Ware von dem mit der Versendung Beauftragten zunächst in ein inländisches Lager des Lieferanten gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Abnehmer (shipment on hold) herausgegeben wird (BFH vom 30.7.2008, XI R 67/07, BStBl II 2009, 552).
Bei den Warenlieferungen des Unternehmers Chi handelt es sich um Fernverkäufe i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 4 UStG, da die Gegenstände durch den Lieferer aus dem Drittlandsgebiet an Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet werden. Da der Mitgliedstaat der Einfuhr (Italien) vom Mitgliedstaat der Beendigung der Warenbewegungen (Deutschland, Frankreich und Belgien) abweicht, gilt als Ort der Lieferungen der Ort, an dem sich der Gegenstand jeweils bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet (§ 3c Abs. 2 UStG). Die Lieferungen sind in Deutschland, Frankreich und Belgien steuerbar und stpfl.
Obwohl es sich um Fernverkäufe i.S.d. § 3c Abs. 2 UStG handelt, kann Chi das besondere Besteuerungsverfahren i.S.d. § 18k nicht anwenden, da die Fernverkäufe nach § 3c Abs. 2 UStG in Sendungen mit einem Sachwert von mehr als 150 € im Gemeinschaftsgebiet erbracht werden. Die Voraussetzung des § 18k Abs. 1 Satz 1 UStG ist nicht erfüllt. Chi muss sich in den jeweiligen Mitgliedstaat registrieren.
S.a. das Beispiel zu Abschn. 3c.1 Abs. 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629).
Für Fälle, in denen IOSS nicht genutzt wird, werden Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € eingeführt (§ 21a UStG), die von den Personen genutzt werden können, die Waren für Rechnung der jeweiligen Empfänger beim Zoll gestellen (i.d.R. die Beförderer, insbes. Post- bzw. Expresskurierdienstleister; vgl. Art. 369y bis 369zb MwStSystRL).
Die damit eingeführten Sonderregelungen sollen die Erhebung der EUSt bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € aus dem Drittlandsgebiet in Fällen vereinfachen, in denen das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht genutzt wird und die Gegenstände im Mitgliedstaat des Verbrauchs eingeführt werden. Die Regelung gilt nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten (§ 21a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Nutzung der allgemeinen zollrechtlichen Verfahren (s.a. Abschn. 21a.1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 1.4.2021, BStBl I 2021, 629).
Weitere Erläuterungen zu den Voraussetzungen des § 21a UStG s. → Einfuhrumsatzsteuer.
Mit der Regelung in § 18b UStG soll sichergestellt werden, dass die Angaben über innergemeinschaftliche Lieferungen und bestimmte sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG in den USt-Voranmeldungen bzw. USt-Erklärungen (an das zuständige Finanzamt) mit den Angaben übereinstimmen, die in den Zusammenfassenden Meldungen (an das BZSt) zu machen sind, um einen Abgleich der Daten zu ermöglichen. Die Vorschrift ergänzt somit gleichermaßen § 18 wie auch § 18a UStG (Raudszus, in: Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, 5. A., LEXinform 2300869).
Innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG; → Innergemeinschaftliche Lieferung) sind nach § 18b Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UStG in dem Voranmeldungszeitraum zu erklären, in dem die Rechnung ausgestellt wird, spätestens jedoch in dem Voranmeldungszeitraum, in dem der Monat endet, der auf die Lieferung folgt. Über die in Zeile 18 der USt-Voranmeldung einzutragenden Umsätze sind Zusammenfassende Meldungen an das BZSt auf elektronischem Weg zu übermitteln. Außerdem sind diese Umsätze grundsätzlich dem Statistischen Bundesamt monatlich für die Intrahandelsstatistik zu melden (Anleitung zur USt-Voranmeldung 2024 USt 1 E).
Beachte:
Innergemeinschaftliche Lieferungen, die der Unternehmer nicht richtig, vollständig oder fristgerecht in der Zusammenfassenden Meldung angibt, sind stpfl. (s. Abschn. 4.1.2 Abs. 2 und 3 UStAE) und ausschließlich in den Zeilen 12 bis 15 bzw. 45 einzutragen.
Sonstige Leistungen, für die sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt und für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, sind in Zeile 34 der USt-Voranmeldung USt 1 A 2024 einzutragen. Für den umgekehrten Fall, dass der Unternehmer Leistungsempfänger einer derartigen sonstigen Leistung ist, sieht der Vordruck die Zeile 29 zur Eintragung vor. Über die in Zeile 34 einzutragenden sonstigen Leistungen sind Zusammenfassende Meldungen an das BZSt auf elektronischem Weg zu übermitteln (s.a. Abschn. 3a.16 Abs. 7 UStAE).
Bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (§ 25b UStG) hat der erste Abnehmer Zeile 32 der USt-Voranmeldung USt 1 A 2024 auszufüllen (§ 18b Satz 1 Nr. 3 UStG), wenn für diese Lieferungen der letzte Abnehmer die Steuer schuldet. Einzutragen ist die Bemessungsgrundlage (§ 25b Abs. 4 UStG) seiner Lieferungen an den letzten Abnehmer. Die Steuer, die der letzte Abnehmer nach § 25b Abs. 2 UStG für die Lieferung des ersten Abnehmers schuldet, ist in Zeile 46 einzutragen (s.a. Abschn. 25b.1 Abs. 7 – Beispiel – UStAE).
Nach § 18b Satz 5 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, die Voranmeldung zu berichtigen, wenn er erkennt, dass Angaben zu Umsätzen i.S.d. § 18b Satz 1 UStG unrichtig oder unvollständig sind. Mit Schreiben vom 5.11.2019 (BStBl I 2019, 1041) hat das BMF den Vordruck USt 1 ZS – Aufforderung zur Abgabe einer berichtigten USt-Voranmeldung/-erklärung nach § 18b UStG – neu bekannt gegeben.
Das FA teilt dabei dem Stpfl. mit, dass er im Zusammenhang mit der Abgabe von Zusammenfassenden Meldungen dem BZSt mitgeteilt habe, keine innergemeinschaftlichen Lieferungen, keine steuerpflichtigen sonstigen Leistungen i.S.v. § 3a Abs. 2 UStG, für die der Leistungsempfänger in einem anderen EU-Mitgliedstaat die Steuer dort schuldet, bzw. keine Umsätze im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nach § 25b Abs. 2 UStG ausgeführt zu haben. Das FA weist den Stpfl. darauf hin, dass er demgegenüber derartige Umsätze in der USt-Voranmeldung/Umsatzsteuererklärung erklärt hat und fordert deshalb den Stpfl. auf, eine berichtigte USt-Voranmeldung/Umsatzsteuererklärung abzugeben.
Das FA weist den Stpfl. noch auf Folgendes hin: »Auf die Verpflichtung, die ursprüngliche USt-Voranmeldung/Umsatzsteuererklärung unverzüglich zu berichtigen, wenn nachträglich erkannt wird, dass hierin unrichtige Angaben zu den o.g. Umsätzen enthalten sind (§ 18b Satz 5 UStG), weise ich hin. Sollten Sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, gehe ich davon aus, dass Sie die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a UStG zu Unrecht in Anspruch genommen haben bzw. bei den steuerpflichtigen sonstigen Leistungen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG nicht vorgelegen haben und es sich um im Inland zu versteuernde Leistungen handelt.«
Zur Bearbeitung der USt in Insolvenzfällen nimmt die Vfg. der OFD Hannover vom 28.5.2004 (S 7340 – 152 – StH 442 /S 7340 – 68 – StO 352, UR 2005, 628) u.a. auch zum Voranmeldungsverfahren Stellung. Der USt-Grundkennbuchstabe kann vom FA erst ungültig gesetzt werden, wenn die Unternehmereigenschaft des Schuldners erloschen ist. Bis dahin besteht die Verpflichtung zur Abgabe von USt-Voranmeldungen und USt-Jahreserklärungen fort. Aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse hat ab Verfahrenseröffnung der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners unter der ihm erteilten zweiten Steuernummer die Verpflichtungen zur Abgabe der umsatzsteuerlichen Erklärungen und zur Entrichtung der Umsatzsteuerzahlungen zu erfüllen. Dies gilt auch für unter der alten Steuernummer abzuwickelnde Voranmeldungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (s.a. → Insolvenzen und Steuern).
Der für die Abgabe von USt-Voranmeldungen unter der neuen Steuernummer maßgebliche Voranmeldungszeitraum bestimmt sich gem. § 18 Abs. 1 und 2 UStG nach der Höhe der USt des Schuldners im Vorjahr. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Laufe eines Kj. gilt für die Zeit ab Insolvenzeröffnung unverändert die bisherige Zahlungsweise weiter. Das gilt bei Bestellung eines qualifizierten vorläufigen Insolvenzverwalters für die Zeit ab dessen Bestellung sinngemäß.
Sind für die Dauer des Insolvenzverfahrens nur geringe Umsätze zu erwarten, so kann im Einzelfall – abweichend von der Verpflichtung des Insolvenzschuldners – die Abgabe vierteljährlich genügen. Von der Möglichkeit, ihn von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG zu befreien, ist grundsätzlich kein Gebrauch zu machen (OFD Frankfurt vom 4.11.2009, S 7340 A – 85 – St 11, SIS 10 40 63, Rz. 96).
Melchior, Die Anmeldung von Umsatzsteuer und Lohnsteuer, Steuer & Studium 2006, 554; Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Sterzinger, Umsetzung der zweiten Stufe des MwSt-Digitalpakets, UStB 2020, 288; Fietz u.a., Innergemeinschaftlicher Fernverkauf und EU-OSS-Verfahren – Hinweise zur praktischen Umsetzung und Vermeidung von Fallstricken, NWB 9/2022, 615; Ramb, OSS und IOSS – Fernverkauf ohne und mit elektronischer Schnittstelle – Sieben prüfungs- und praxisrelevante Fälle, NWB 9/2021, 620.
→ Abgabefristen von Steuererklärungen
→ Dauerfristverlängerung bei der USt
→ Verspätungszuschlag gem. § 152 AO
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