1 Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 1 UStG
2 Zum Vorsteuerabzug berechtigter Personenkreis
2.1 In- und ausländische Unternehmer
2.2 Kleinunternehmer
2.3 Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen
2.3.1 Land- und Forstwirte
2.3.2 Körperschaft, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG
2.4 Reiseleistungen
2.5 Wiederverkäufer
2.6 Der private Fahrzeuglieferer
2.7 Beteiligung an einer Steuerhinterziehung
3 Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
3.1 Allgemeine Voraussetzungen
3.2 Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung
3.3 Rechnungsberichtigung für den Vorsteuerabzug
3.4 Entstehung und Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs
3.4.1 Nationales Recht
3.4.2 EU-Regelung versus nationale Regelung
3.5 Vorsteuerabzug der gesetzlich geschuldeten Steuer
3.6 Unternehmerisch bedingte Eingangsleistungen
3.7 Rechtsprechungsübersicht über die Zuordnung von Eingangsleistungen
3.7.1 Allgemeine Grundsätze zur unmittelbaren bzw. mittelbaren Zuordnung
3.7.2 Betriebsveranstaltungen
3.7.3 Anforderungen an eine entgeltliche Nutzungsüberlassung
3.7.4 Vorsteuerabzug und private Verwendung im Rahmen eines Ehegatten-Vorschaltmodells
3.7.5 Vorsteuerabzug und Personalabbau
3.7.6 Überlassung von Geschäftsführerwohnungen mit Einrichtung
3.7.7 Vorsteuerabzug eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GbR aus dem Erwerb eines Mandantenstamms
3.7.8 Vorsteuerabzug aus Umzugskosten
3.7.9 Vorsteuerabzug einer Gemeinde
3.7.9.1 Gemischte Nutzung eines Marktplatzes
3.7.9.2 Eingangsleistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion
3.7.9.3 Vorsteuerabzug bei Kureinrichtungen
3.7.10 Beispiele
3.8 Vorsteuerabzug für steuerehrliche Lieferkettenunternehmer
3.9 Versagung des Vorsteuerabzugs bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung gem. § 25f UStG
3.10 Anzahlungen
3.11 Kleinbetragsrechnungen und Fahrausweise
3.12 Leistung eines Unternehmers
3.12.1 Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistenden
3.12.2 Scheinname oder Scheinfirma
4 Vorsteuerabzug bei Gesellschaften sowie Gemeinschaften
4.1 Unterscheidung zwischen Gesellschaften und Gemeinschaften
4.1.1 Zivilrechtliche Unterscheidung
4.1.1.1 Regelung ab 1.1.2024
4.1.1.2 Regelung bis 31.12.2023
4.1.2 Auswirkung auf die Umsatzsteuer
4.2 Grundsätzliches zum Rechnungsadressat für den Vorsteuerabzug
4.3 Maßgeblicher Leistungsempfänger
4.4 Beispiele
4.5 Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft
4.6 Zusammenfassende Übersicht
4.7 Vorsteuerabzug einer Vorgründungsgesellschaft
5 Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG
6 Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 UStG
6.1 Allgemeiner Grundsatz
6.2 Abzug der Erwerbsumsatzsteuer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG
6.3 Abzug der Steuer für Leistungen i.S.d. § 13b UStG gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG
6.4 Abzug der vom Auslagerer geschuldeten Steuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 5 UStG
7 Sonderregelungen zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG
7.1 Der Vorsteuerabzug für Repräsentationsaufwendungen i.S.d. § 4 Abs. 5 EStG im Überblick
7.2 Geschenke an Geschäftsfreunde
7.3 Bewirtungskosten
7.4 Gästehäuser sowie Aufwendungen für Jagd, Fischerei usw.
7.4.1 Umsatzsteuerliche Abgrenzung zu den Geschenken an Geschäftsfreunde
7.4.2 Gästehäuser
7.4.3 Aufwendungen für Jagd, Fischerei usw.
7.4.3.1 Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG im Überblick
7.4.3.2 Anschaffung und Unterhaltung einer Segelyacht
7.4.3.3 Ähnliche Zwecke i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG
7.4.3.3.1 Betrieb einer Pferdezucht
7.4.3.3.2 Veranstaltung von Golfturnieren
7.4.3.3.3 Aufwendungen für Herrenabende
7.5 Unangemessene Aufwendungen i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG
7.6 Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG
8 Sonderregelungen zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG
9 Vorsteuerabzug bei Fahrzeugen
10 Vorsteuerausschluss und Vorsteueraufteilung
10.1 Allgemeine Grundsätze zum Vorsteuerausschluss
10.2 Vorsteueraufteilung
10.2.1 Unionsrecht
10.2.2 Grundsätzliches zur Vorsteueraufteilung
10.2.3 Die einzelnen Vorsteuergruppen
10.2.4 Überblick über die möglichen Aufteilungsschlüssel
10.2.5 Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel
10.2.6 Erleichterungen bei der Vorsteueraufteilung
10.2.7 Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken
10.2.8 Vorsteuerabzug bei Mietereinbauten
11 Vorsteuerabzug aus Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausgabe von Aktien zur Börseneinführung eines Unternehmens
12 Vorsteuerabzug für die rechtliche Beratung einer Personengesellschaft anlässlich ihrer Gründung
13 Vorsteuerabzug beim Halten von Beteiligungen
14 Vorsteuerabzug beim Veräußern von Beteiligungen
15 Vorsteuerabzug einer Kapitalanlagegesellschaft
16 Vorsteuerabzug bei Vereinen
17 Aufzeichnungen für den Vorsteuerabzug
18 Sicherheitsleistungen bei Vorsteuerüberhängen
19 Vorsteuerabzug aus Billigkeitsgründen
20 Literaturhinweise
21 Verwandte Lexikonartikel
Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1 UStG unter folgenden Voraussetzungen möglich:
Hinweis:
Mit dem JStG 2024 (Gesetzentwurf der Bundesregierung) ist geplant, mit Art. 22 Nr. 2 Buchst. a die Umsatzsteuerlagerregelung des § 4 Nr. 4a UStG aufzuheben. Als Folgeänderung dazu wird in § 15 Abs. 1 Satz 1 UStGE die Nr. 5 aufgehoben.
Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzsteuerlagerregelung für nur wenige Wirtschaftsbeteiligte im Verhältnis zu dem damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand soll die Umsatzsteuerlagerregelung abgeschafft werden. Die Abschaffung der Umsatzsteuerlagerregelung setzt eine diesbezügliche Empfehlung des Bundesrechnungshofes in seiner Prüfung »Risiken im Zusammenhang mit Umsatzsteuerlagern« um (Regierungsentwurf zum JStG 2024, 214).
Abb.: Abziehbare Vorsteuerbeträge
Zur Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen s. → Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer und → Unternehmensvermögen.
Hinweis:
Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UStG ist die Vorsteuer abziehbar. Die abziehbare Vorsteuer ist nicht abzugsfähig, wenn der Unternehmer bestimmte steuerfreie oder bestimmte nicht steuerbare Umsätze ausführt (§ 15 Abs. 2 UStG; Abschn. 15.12. Abs. 1 UStAE).
Verwendet der Unternehmer die bezogenen Leistungen, für die die Vorsteuer abziehbar ist, sowohl für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG ausschließen, hat er die abziehbaren Vorsteuerbeträge in einen abzugsfähigen und einen nicht abzugsfähigen Teil aufzuteilen (§ 15 Abs. 4 UStG; Abschn. 15.16. Abs. 1 UStAE; s.u.).
Nur der → Unternehmer i.S.d. §§ 2 und 2a UStG – nicht der Nichtunternehmer –, der eine Lieferung oder sonstige Leistung im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit empfängt (Leistungsempfänger), ist gem. § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt (Abschn. 15.1. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Abziehbar sind hierbei auch Vorsteuerbeträge, die vor der Ausführung von Umsätzen oder die nach Aufgabe des Unternehmens anfallen, sofern sie der unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind. Zum Beginn und Ende der Unternehmereigenschaft s. → Unternehmer, → Kleinunternehmer und Abschn. 2.6. UStAE.
Beispiel 1:
Die Eheleute M und F sind je zur Hälfte Miteigentümer eines unbebauten Grundstücks, auf dem ein Hotelgebäude errichtet werden sollte. Das Projekt scheiterte an der Finanzierbarkeit. Bei der Grundstücksgemeinschaft sind jedoch bereits Vorsteuerbeträge für die erbrachten Planungsleistungen des Architekten i.H.v. 7 000 € angefallen. Dieser Betrag wird von der Grundstücksgemeinschaft beim FA als Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Lösung 1:
Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass die Grundstücksgemeinschaft als Unternehmerin i.S.v. § 2 UStG anerkannt werden kann. Grundsätzlich beginnt hierbei die Unternehmereigenschaft bereits mit den Vorbereitungshandlungen (Abschn. 2.6. Abs. 1 UStAE). Dies gilt auch bei einer erfolglosen Unternehmensgründung (→ Unternehmer). Eine erfolglose Unternehmensgründung liegt vor, wenn ernsthaft mit einer unternehmerischen Tätigkeit begonnen worden ist, es aber zu keiner Ausführung von Umsätzen kommt. Nach der Rspr. des EuGH in seinem Urteil vom 29.2.1996 (C-110/94, BStBl II 1996, 655) bleibt auch bei einer erfolglosen Unternehmensgründung die Unternehmereigenschaft bestehen. Aus diesem Grunde können die angefallenen Vorsteuerbeträge auch in diesen Fällen geltend gemacht werden. Der Vorsteuerabzug wird nur dann versagt, wenn die Finanzverwaltung zu der Auffassung kommt, dass es sich nicht um eine ernst gemeinte Unternehmensgründung handelt.
Eine Schulung, die der Gründung eines Unternehmens vorausgeht, ist grds. noch keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG und berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug aus den für die Schulung bezogenen Leistungen. Anderes gilt für Leistungsbezüge im Zusammenhang mit einer Schulung, die unmittelbar auf einen bestimmten selbstständigen Beruf vorbereitet (BFH Beschluss vom 19.12.2002, V B 164/01, BFH/NV 2003, 521, LEXinform 0593524).
Ein Vorsteuerabzug kann auch von einer Person, die früher die persönlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllte, dann noch geltend gemacht werden, wenn sie inzwischen die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit aufgegeben hat, die Vorsteuern aber Leistungen betreffen, die an das eingestellte Unternehmen gerichtet worden sind (vgl. hierzu auch Abschn. 15.1. Abs. 1 Satz 2 und Abschn. 2.6. Abs. 6 UStAE).
Beispiel 2:
Unternehmer A hat seinen Gewerbebetrieb am 1.10.15 eingestellt und ist seitdem als ArbN tätig. Im Kj. 16 erhält er eine Rechnung mit gesondertem USt-Ausweis über einen Wareneinkauf im September 15. A erkennt die nachträgliche Forderung an und begleicht die Rechnung.
Lösung 2:
A ist berechtigt, die ihm nachträglich gesondert berechnete USt beim FA als Vorsteuerabzug geltend zu machen. Der Wareneinkauf war noch seiner damaligen unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen.
Beispiel 3:
Rechtsanwalt R hat zum 31.12.03 seine selbstständige Tätigkeit eingestellt. Im Kj. 05 findet bei R eine Außenprüfung betr. die Kj. 01–03 statt. R zieht für die Schlussbesprechung seinen ehemaligen Steuerberater hinzu. Dieser stellt ihm nach erfolgter Schlussbesprechung am 20.9.05 folgende Rechnung aus:
Steuerberatung, Schlussbesprechung |
|
5 Stunden à 100 € |
500 € |
zuzüglich 19 % USt |
95 € |
insgesamt |
595 € |
Lösung 3:
Hierbei handelt es sich um eine Leistung, die noch an das ehemalige Unternehmen des R erbracht worden ist. Aus diesem Grunde muss auch hier der Vorsteuerabzug noch anerkannt werden.
Hinweis:
Nach Art. 213 Abs. 1 MwStSystRL hat jeder Stpfl. die Aufnahme, den Wechsel und die Beendigung seiner Tätigkeit als Stpfl. anzuzeigen. Mit Urteil vom 12.9.2018 (C-69/17, UR 23/2018, 918, LEXinform 0651573) hat der EuGH entschieden, wonach es dem EU-Recht entgegensteht, wenn die Steuerverwaltung einem Stpfl., der in einem Zeitraum Erwerbe getätigt hat, in dem seine MwSt-IdNr. gelöscht war, weil er keine Steuererklärungen abgegeben hatte, das Recht auf Vorsteuerabzug allein aus dem Grund versagt, dass die Erwerbe während des Zeitraums der Deaktivierung der IdNr. stattfanden. Der Vorsteuerabzug kann nicht versagt werden, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind und das Vorsteuerabzugsrecht nicht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird.
Zum Rechnungserfordernis als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Vorsteuerabzug«. S. dort auch EuGH vom 21.10.2021 (C-80/20, LEXinform 0953157).
Zum Vorsteuerabzug berechtigt sind auch im Ausland ansässige Unternehmer, die entweder
im Inland keine Umsätze oder nur Umsätze ausführen, die in § 59 UStDV genannt sind oder
im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführen
und dafür im Inland Leistungen empfangen haben, für die die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind. Zu entscheiden ist dabei die Frage, ob die im Ausland ansässigen Unternehmer ihre abziehbaren Vorsteuerbeträge im → Vorsteuervergütungsverfahren (§§ 59 bis 61a UStDV) oder im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG) geltend zu machen haben (s.a. Abschn. 15.1. Abs. 2 und Abschn. 18.15. UStAE).
→ Kleinunternehmer sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (s. Abschn. 15.2. Abs. 3 Nr. 3 UStAE), wenn sie der Sonderregelung des § 19 Abs. 1 UStG unterliegen (§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG); dies gilt auch, wenn sie bei einem unzulässigen Ausweis der Steuer für ihre eigenen Umsätze diese Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG schulden (Abschn. 15.1. Abs. 4 UStAE).
Nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG werden die Vorsteuerbeträge pauschal auf bestimmte Prozentbeträge der Bemessungsgrundlage für die pauschal besteuerten Umsätze festgesetzt, denen sie zuzurechnen sind. Der pauschal besteuerte Land- und Forstwirt ist dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt; der Höhe nach sind dem Vorsteuerabzug zwei Grenzen gezogen: Vorsteuerbeträge sind nur pauschal nach Durchschnittssätzen (§ 24 Abs. 1 Satz 3 UStG) der Bemessungsgrundlage der land- und forstwirtschaftlichen Ausgangsumsätze abziehbar (Abschn. 15.1. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abschn. 24.7. Abs. 2 und 3 UStAE, → Land- und Forstwirtschaft und → Allgemeine Durchschnittssätze).
Beachte:
Der Anwendungsbereich der Durchschnittssätze ist nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe solcher Unternehmer begrenzt, deren Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kj. nicht mehr als 600 000 € betragen hat (s. Abschn. 24.1a Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Bei einem Land- und Forstwirt erfolgt der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 UStG nach den allgemeinen Regelungen, sondern nach Durchschnittssätzen nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG (s.a. Abschn. 15.2 Abs. 3 Nr. 5 UStAE).
Wendet ein Unternehmer für seine im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze die Durchschnittssatzregelung für pauschalierende Landwirte nach § 24 UStG an, ist nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ein weiterer Vorsteuerabzug ausgeschlossen (s.a. BFH vom 13.11.2013, XI R 2/11, BStBl II 2014, 543).
S.a. das Beispiel zu Abschn. 24.7. Abs. 2 UStAE.
Falls ein Unternehmer einen der Vorsteuerpauschalierung unterliegenden landwirtschaftlichen Betrieb i.S.v. § 24 Abs. 1 UStG und einen weiteren der Regelbesteuerung unterliegenden Gewerbebetrieb unterhält, gelten für die Inanspruchnahme eines etwa begehrten – anteiligen – Vorsteuerabzugs die Grundsätze des BFH-Urteils vom 13.11.2013 (XI R 2/11, BStBl II 2014, 543; Anmerkung vom 23.1.2014, LEXinform 0944507; Abschn. 15.1. Abs. 3 Satz 2 und 3 UStAE).
Unternehmer, die von der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG zu den allgemeinen Vorschriften des UStG übergegangen sind, können den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG für gesondert in Rechnung gestellte Steuerbeträge für Lieferungen und sonstige Leistungen vornehmen, die nach dem Zeitpunkt an sie ausgeführt worden sind, zu dem sie zur allgemeinen Besteuerung übergingen (s. Abschn. 24.1a. Abs. 3 i.V.m. Abschn. 15.1. Abs. 5 UStAE; → Wechsel der Besteuerungsform).
Der Vorsteuerabzug ist bis zum Zeitpunkt des Übergangs durch die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung abgegolten (s.a. Abschn. 19.5. Abs. 10 Satz 2 UStAE). S. die ausführliche Kommentierung zu dem Stichwort → Land- und Forstwirtschaft unter dem Gliederungspunkt »Vorsteuerabzug beim Wechsel der Besteuerungsform«.
Zur Vorsteuerpauschalierung des § 23a UStG (Abschn. 15.1. Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abschn. 15.2. Abs. 3 Nr. 4 UStAE) s. → Allgemeine Durchschnittssätze sowie → Wechsel der Besteuerungsform.
Bewirkt der Unternehmer Reiseleistungen i.S.d. § 25 Abs. 1 UStG, ist er nicht berechtigt, die ihm in diesen Fällen für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuern abzuziehen (§ 25 Abs. 4 UStG, Abschn. 15.2 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. Abschn. 25.4. UStAE). S. dazu die Erläuterungen unter → Reiseleistungen nach § 25 UStG.
Ein Wiederverkäufer, der für die Lieferung beweglicher körperlicher Gegenstände die Differenzbesteuerung des § 25a Abs. 2 UStG anwendet, kann die entstandene Einfuhrumsatzsteuer sowie die Steuer für die an ihn ausgeführte Lieferung nicht als Vorsteuer abziehen (§ 25a Abs. 5 UStG, Abschn. 15.2. Abs. 3 Nr. 7 UStAE). S. dazu die Erläuterungen unter → Differenzbesteuerung.
Wer als Nichtunternehmer oder als Unternehmer nicht im Rahmen seines Unternehmens ein neues Fahrzeug (→ Innergemeinschaftlicher Erwerb, → Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen bzw. -erwerbe) in das übrige Gemeinschaftsgebiet liefert, wird für diese Lieferung wie ein Unternehmer behandelt (§ 2a UStG). Seine Lieferung ist als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei (§ 6a UStG). Sein Abnehmer hat im Bestimmungsland den innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern, auch wenn dieser kein Unternehmer ist. Das gelieferte Neufahrzeug wird dadurch mit der USt des Bestimmungslandes belastet. Um das gelieferte Neufahrzeug von deutscher USt (USt des Ursprungslands) zu entlasten, wird dem Lieferer ein eingeschränkter Vorsteuerabzug eingeräumt (§ 15 Abs. 4a UStG).
Beispiel 4:
Privatmann P aus Stuttgart erwirbt im Kj. 07 ein neues Fahrzeug in Deutschland zu einem Preis von 50 000 € zuzüglich 9 500 € USt. Nach zwei Monaten veräußert er den Pkw nach Frankreich an einen dort ansässigen Abnehmer für 40 000 €.
Lösung 4:
Die Lieferung gilt als steuerfreie Lieferung. P wird als fiktiver Unternehmer behandelt. P kann einen fiktiven Vorsteuerabzug i.H.v. maximal 19 % von 40 000 € = 7 600 € geltend machen. Der Erwerber muss den Erwerb im Bestimmungsland der dortigen USt unterwerfen. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber eine Privatperson ist. Gem. § 1b Abs. 4a UStG hat auch der als fiktiver Unternehmer anzusehende Fahrzeuglieferer (§ 2a UStG) eine Voranmeldung und eine Steuererklärung abzugeben. Voranmeldungszeitraum ist grundsätzlich der Kalendermonat.
In Fällen der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung ist eine Versagung des Vorsteuerabzugs nach § 25f UStG zu prüfen (Abschn. 15.2. Abs. 3 Nr. 8 i.V.m. Abschn. 25f.1. UStAE; s.u. den Gliederungspunkt 3.9 »Versagung des Vorsteuerabzugs bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung gem. § 25f UStG«).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Lieferungen und sonstigen Leistungen unter folgenden Voraussetzungen gegeben:
→ Unternehmer können
die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG (→ Rechnung, → E-Rechnung)
gesondert ausgewiesene, gesetzlich geschuldete Steuer
für Lieferungen (→ Lieferung) oder sonstige Leistungen (→ Sonstige Leistung),
die von anderen Unternehmern
für ihr Unternehmen (→ Unternehmer, → Unternehmensvermögen) ausgeführt worden sind (→ Leistungsaustausch),
abziehen.
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelt, dass der Unternehmer u.a. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen kann. Der Begriff »geschuldet« i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG könnte im Lichte des EuGH-Urteils Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136 vom 10.2.2022 (C-9/20, LEXinform 0651702, Rz. 49) sowie des Art. 167 MwStSystRL dahingehend zu verstehen sein, dass die Steuer schon geschuldet werden muss, um als Vorsteuer abgezogen werden zu können (und daher vom Leistungsempfänger noch nicht abgezogen werden darf, solange sie vom Leistenden noch nicht geschuldet wird; s. BFH vom 12.7.2023, XI R 5/21, BFH/NV 2024, 257, LEXinform 0953502, Rz. 41; s.u. den Gliederungspunkt 3.4 »Entstehung und Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs«).
Zu der Anforderung »handelsübliche Bezeichnung« nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG hat das BMF mit Schreiben vom 1.12.2021 (BStBl I 2021, 2486) Stellung genommen (s. BFH vom 10.7.2019, XI R 28/18, BStBl II 2021, 961). Unter Zugrundelegung der BFH-Rspr. hat das BMF mit Schreiben vom 1.12.2021 (BStBl I 2021, 2486) Abschn. 14.5. Abs. 15 sowie Abschn. 15.2a. Abs. 4 UStAE an die BFH-Entscheidungen angepasst (s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Umfang und Art der sonstigen Leistung«).
Der Leistungsempfänger muss im Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten → Rechnung sein, in der die Angaben vollständig und richtig sind (s.a. Abschn. 15.2a. Abs. 6 UStAE). Diese Voraussetzungen müssen insgesamt erfüllt sein (Abschn. 15.2. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 und Satz 2 UStAE).
Die Bezahlung der Eingangsleistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für den Vorsteuerabzug; Ausnahmen bestehen bei Anzahlungen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG; s.u. die Gliederungspunkte 3.4 »Entstehung und Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs« sowie 3.10 »Anzahlungen«).
Ohne die Pflichtangaben (§ 14 Abs. 4 UStG) in der Rechnung ist grds. kein Vorsteuerabzug möglich. Der Leistungsempfänger hat die in der Rechnung enthaltenen Angaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Dabei ist allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (Abschn. 15.2a. Abs. 6 Satz 1 und 2 UStAE).
Mit Schreiben vom 7.9.2021 (BStBl I 2021, 1591) hat das BMF zur Beurteilung des Verhältnisses der nach § 14 Abs. 4 UStG erforderlichen Rechnungsangaben und der Verwendung eines Aliasnamens nach § 5 Abs. 6 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) Stellung genommen (s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Die Pflichtangaben im Einzelnen« und dort »Verwendung eines Aliasnamens und einer Zustellanschrift nach dem ProstSchG«).
Zu den Pflichtangaben in der Rechnung s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Die Pflichtangaben im Einzelnen«.
Mit Schreiben vom 18.9.2020 (BStBl I 2020, 976) nimmt das BMF ausführlich Stellung zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung sowie zum Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung. Unter Berücksichtigung der EuGH- und BFH-Rspr. wird in Abschn. 15.2a. UStAE ein neuer Abs. 1a eingefügt und Abs. 7 neu gefasst.
Das Recht auf Vorsteuerabzug kann ausnahmsweise auch geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer im Besitz einer Rechnung ist, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde. Der Vorsteuerabzug ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes auch zu gewähren, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen (vgl. EuGH vom 15.9.2016, C-516/14, UR 2016, 795, LEXinform 5214370; s.a. FG Berlin-Brandenburg vom 4.5.2022, 2 K 2193/21, EFG 2022, 1241, LEXinform 5024745, Rev. eingelegt, Az. beim BFH: XI R 17/22). Der Unternehmer kann daher durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die USt tatsächlich entrichtet hat. Aus dieser Rspr. folgt aber insbes. nicht, dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung geltend gemacht werden kann (vgl. Rz. 39 ff des BFH-Urteils vom 15.10.2019, V R 14/18, BStBl II 2020, 596). Der Nachweis über die tatsächliche Entrichtung der Steuer kann nämlich nur über eine Rechnung oder deren Kopie (vgl. Abschn. 15.11. Abs. 1 Satz 4 UStAE) mit offen ausgewiesener USt erfolgen. Ohne diesen Ausweis verbleiben Zweifel, ob und in welcher Höhe die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten ist und damit, ob die Steuer tatsächlich entrichtet worden ist. Entscheidend ist, dass die vorgelegten Beweismittel eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen durch die Finanzbehörden ermöglichen (vgl. BFH vom 12.3.2020, V R 48/17, BStBl II 2020, 604), andernfalls ist die Kontrollfunktion nicht erfüllt. Es besteht keine Pflicht der Finanzbehörden, fehlende Informationen selbst von Amts wegen zu ermitteln (Abschn. 15.2a. Abs. 1a UStAE).
Mit Gerichtsbescheid vom 23.3.2022 (5 K 2093/20, LEXinform 0462179) hat des FG Münster entschieden, dass ein Vorsteuerabzug aus von der Steuerfahndung festgestellten Schwarzeinkäufen nicht möglich ist, wenn keine entsprechenden Rechnungen vorliegen (s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Allgemeiner Überblick zu den Inhaltsvoraussetzungen einer Rechnung«).
Nach dem EuGH-Urteil vom 9.12.2021 (C-154/20, LEXinform 0651711) ist der Vorsteuerabzug dem Leistungsempfänger zu versagen, wenn er in dem Fall, dass der Lieferer bzw. der Leistende nicht namhaft gemacht worden ist, nicht nachweist, dass dieser Unternehmer war. Dies gilt jedoch nur, sofern unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und der vom Leistungsempfänger vorgelegten Informationen die für die Prüfung, ob der wahre Lieferer bzw. Leistungserbringer Unternehmer war, erforderlichen Angaben fehlen. Für die Ablehnung des Vorsteuerabzugs ist insoweit nicht erforderlich, dass die Steuerverwaltung nachweist, dass der Leistungsempfänger eine Mehrwertsteuerhinterziehung begangen hat oder wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine Hinterziehung einbezogen war. S.a. unten den Gliederungspunkt 19 »Vorsteuerabzug aus Billigkeitsgründen«.
Ist eine Rechnung nicht ordnungsmäßig und kann auch kein Nachweis i.S.v. Abschn. 15.2a. Abs. 1a UStAE (s. den vorhergehenden Gliederungspunkt) geführt werden, ist sie für das Recht auf einen Vorsteuerabzug zu berichtigen (Abschn. 15.2a. Abs. 7 UStAE).
Der BFH gelangt in seinem Urteil vom 20.10.2016 (V R 26/15, BStBl II 2020, 593) zu dem Ergebnis, dass ein »Dokument« nur dann als rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung angesehen werden kann, wenn zumindest die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG und somit folgende Angaben enthalten sind (Mindestangaben):
Angaben zum Rechnungsaussteller,
Angaben zum Leistungsempfänger,
Angaben zur Leistungsbeschreibung,
Angaben zum Entgelt und
Angaben zur gesondert ausgewiesenen USt.
Hierfür reicht es aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (Abschn. 15.2a. Abs. 7 Satz 6 UStAE).
Das Recht auf Vorsteuerabzug aus einer mit Rückwirkung berichtigten Rechnung ist grds. in dem Zeitpunkt auszuüben, in dem die Leistung bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag. Abweichend hiervon kann bei einem zu niedrigen Steuerausweis in der ursprünglichen Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug in Höhe der Differenz zwischen dem zu niedrigen Steuerbetrag, für den ein Vorsteuerabzug bereits vorgenommen wurde, und dem zutreffenden Steuerbetrag erst dann ausgeübt werden, wenn der Leistungsempfänger im Besitz einer Rechnung ist, die den Steuerbetrag in zutreffender Höhe ausweist.
Wird eine Rechnung berichtigt, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht rückwirkend berichtigungsfähig ist, kann der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt und die zu berichtigenden Angaben an den Rechnungsempfänger übermittelt hat (Abschn. 15.2a. Abs. 7 UStAE).
Zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei berichtigten Rechnungen s. die ausführlichen Erläuterungen zu → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Rechnungsberichtigung«.
Das Recht auf Vorsteuerabzug des Unternehmers entsteht dem Grunde und der Höhe nach bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 6 UStAE), d.h. wenn der Gegenstand geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird. Der Vorsteuerabzug ist nach dem europäischen Mehrwertsteuerrecht mithin daran geknüpft, dass die Leistung tatsächlich bewirkt wird, was der Stpfl. nachzuweisen hat; die Gut- oder Bösgläubigkeit des Stpfl., der den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen möchte, ist insoweit demnach ohne Relevanz für den Vorsteuerabzug. Steht also fest, dass die betreffenden Gegenstände, für deren Kauf der Vorsteuerabzug beansprucht wird, tatsächlich nicht geliefert worden sind, ist der Vorsteuerabzug zu versagen. Ein Recht auf Vorsteuerabzug resultiert insbes. nicht aus einer Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist (EuGH vom 27.6.2018, C-459/17, C-460/17, UR 2018, 684, LEXinform 0651554; Anmerkung vom 27.6.2018, LEXinform 0401982).
Das Vorsteuerabzugsrecht ist für den Voranmeldungszeitraum (Besteuerungszeitraum) auszuüben, in dem die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, also
die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde oder
eine Anzahlung geleistet worden ist
und der Stpfl. die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann (EuGH vom 29.4.2004, C-152/02, UR 2004, 323, LEXinform 0168936; BFH vom 1.12.2010, XI R 28/08, BStBl II 2011, 994 sowie BFH vom 13.2.2014, V R 8/13, BStBl II 2014, 595).
Die Vorsteuer kann nicht – auch nicht wahlweise – in einem späteren Besteuerungszeitraum geltend gemacht werden (BFH vom 13.2.2014, V R 8/13, BStBl II 2014, 595, Rz. 25; Abschn. 15.2. Abs. 2 Satz 7 UStAE).
Der Leistungsempfänger muss die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht haben, besteuerte Verwendungsumsätze auszuführen (BFH Beschluss vom 28.10.2020, XI B 26/20, BFH/NV 2021, 536, LEXinform 4226123, Rz. 17). Kommt es aufgrund von Umständen, die vom Willen des Leistungsempfängers unabhängig sind, nicht zu den beabsichtigten Umsätzen, bleibt der Vorsteuerabzug sogar endgültig bestehen (s.a. Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 13 UStAE). Allerdings kann der Stpfl. die Verwendungsentscheidung nicht »offen halten«. Wegen der zeitgleichen Entstehung von Steueranspruch und Vorsteuerabzugsanspruch muss sich der Unternehmer sofort entscheiden, für welche Ausgangsumsätze er die empfangenen Eingangsleistungen verwenden will. Ohne die Sofortentscheidung des Unternehmers über die beabsichtigten Verwendungsumsätze kann der Vorsteuerabzugsanspruch dem Grunde und der Höhe nach nicht beurteilt werden. Eine Verwendungsabsicht in Gestalt einer aufschiebend bedingten Verwendungsabsicht ist nicht möglich (s.u. den Gliederungspunkt 10.1 »Allgemeine Grundsätze zum Vorsteuerausschluss«).
Hinweis:
Mit Urteil vom 7.7.2022 (C-194/21, LEXinform 4251807) hat der EuGH in einem niederländischen Verfahren entschieden, dass eine nachträgliche Vornahme des ursprünglich versäumten und nun verfristeten Vorsteuerabzugs aufgrund der Vorschriften zur Vorsteuerberichtigung (Art. 184 f. MwStSystRL; § 15a UStG) nicht möglich ist (s.a. Anmerkung vom 4.5.2022, LEXinform 0402282; s.a. Heinrichshofen, UStB 2022, 241).
Der Tenor der EuGH-Entscheidung lautet wie folgt:
»Die Art. 184 und 185 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass sie es nicht untersagen, einem Stpfl., der es versäumt hat, vor Ablauf der vom nationalen Recht vorgesehenen Ausschlussfrist das Recht auf Abzug der Vorsteuer für den Erwerb eines Gegenstands oder einer Dienstleistung auszuüben, die Möglichkeit zu verwehren, diesen Abzug später bei der ersten Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung zum Zweck besteuerter Umsätze im Wege einer Berichtigung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn weder ein Rechtsmissbrauch noch ein Betrug noch ein Steuerausfall festgestellt wurden.«
Anmerkung:
Auch in Deutschland hätte der Kläger kein Recht auf Vorsteuerabzug; s. Abschn. 15.12. UStAE.
Für den Vorsteuerabzug kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Bei jedem Leistungsbezug muss der Unternehmer über die beabsichtigte Verwendung der bezogenen Leistung sofort entscheiden. Maßgeblich ist regelmäßig die erste Leistung oder die erste unentgeltliche Wertabgabe, in die die bezogene Leistung Eingang findet (Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 7 ff. UStAE).
Sind die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht schon im Zeitpunkt des Leistungsbezugs, sondern erst nach Beginn der tatsächlichen erstmaligen Verwendung erfüllt, z.B. weil die zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung vor Beginn der tatsächlichen erstmaligen Verwendung noch nicht vorgelegen hat, kann die Vorsteuer erst abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG insgesamt vorliegen. Auch hierbei beurteilt sich die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach der Verwendung im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (Abschn. 15a.4. Abs. 2 UStAE mit Beispielen; s.a. → Vorsteuerberichtigung).
Bei Anzahlungen für Leistungen ist die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung maßgeblich (BFH vom 17.5.2001, V R 38/00, BStBl II 2003, 434 und Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 14 UStAE; s.u. den Gliederungspunkt 3.10 »Anzahlungen«).
Mit Urteil vom 10.2.2022 (C-9/20, LEXinform 0651702) hat der EuGH die deutsche Praxis verworfen, dass der Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Leistung möglich ist, auch wenn der Leistende als Istversteuerer sein Entgelt noch nicht erhalten hat und damit seine USt noch nicht entstanden ist (s. EuGH C-9/20, Rz. 37; s.a. → Istversteuerung).
Entscheidungssachverhalt:
Im Vorlageverfahren des FG Hamburg vermietete die Klägerin, eine Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts, stpfl. ein Gewerbegrundstück, das sie ihrerseits ebenfalls stpfl. gemietet hatte. Leistungszeiträume für die Vermietungsleistungen waren jeweils die Kalendermonate. Sowohl die Grundstückseigentümerin als auch die Klägerin versteuerten nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG; Kassenbuchführung). Mit dem Mietvertrag verfügte die Grundstücksgemeinschaft über eine ordnungsgemäße Dauerrechnung. Die Klägerin zahlte ihre Mieten für die Jahre 09 bis 12 erst in den Jahren 13 bis 16 und machte den Vorsteuerabzug unabhängig von den monatlichen Leistungszeiträumen für die Voranmeldungszeiträume geltend, in denen die Mietzahlungen erfolgt sind (Kj. 13 bis 16).
Im Anschluss an eine USt-Sonderprüfung erkannt das FA den Vorsteuerabzug nicht an. Nach Auffassung des FA war der Vorsteuerabzug bereits mit der Ausführung der Umsätze – hier der jeweils monatlichen Überlassung des Grundstücks in den Jahren 09 bis 12 – entstanden und hätte jeweils für den entsprechenden Zeitraum geltend gemacht werden müssen. Infolge zwischenzeitlich eingetretener Verjährung konnte die Vorsteuer in den Änderungsbescheiden für vergangene Jahre (Kj. 09 und 10) nicht mehr berücksichtigt werden. Hiergegen richtete sich die auf den Unionsrechtsverstoß gestützte Klage (s. FG Hamburg Mitteilung vom 31.3.2020, LEXinform 0456333).
Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg:
Zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Leistung durch einen Istversteuerer hat das FG Hamburg mit Beschluss vom 10.12.2019 (1 K 337/17, EFG 2020, 233, LEXinform 5022657) Stellung genommen und hat gleichzeitig das Verfahren ausgesetzt und die Frage der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht dem EuGH im Wege des Vorabersuchens vorgelegt (s.a. FG Hamburg Mitteilung vom 31.3.2020, LEXinform 0456333).
Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG entsteht das Recht zum Vorsteuerabzug, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wann der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer entsteht. Insbes. kommt es nicht darauf an, ob der Leistungserbringer die USt gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG nach vereinbarten Entgelten berechnet (Sollversteuerer) oder ob er sie gem. § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten berechnet (Istversteuerer). Zwar entsteht der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer in den Fällen des § 20 UStG (Istversteuerer) gem. § 13 Abs. 1 Buchst. b UStG erst, wenn der Leistungserbringer das Entgelt vereinnahmt. Die Vorschrift des § 20 UStG hat aber keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sich das Recht zum Vorsteuerabzug aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur auf die »gesetzlich geschuldete Steuer« bezieht. Hieraus folgt nicht, dass der Vorsteueranspruch voraussetzt, dass der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer bereits entstanden sein muss. Durch dieses Merkmal wird im Wesentlichen klargestellt, dass ein nach dem UStG steuerbarer und stpfl. Umsatz vorliegen muss und eine unzutreffend ausgewiesene Steuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ist es auch unerheblich, ob er selbst nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten besteuert wird. Von der in Art. 167a MwStSystRL vorgesehenen Möglichkeit, den Vorsteuerabzug bei Istversteuerern von der Entrichtung des Entgelts abhängig zu machen, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.
Mit seiner ersten Vorlagefrage an den EuGH möchte das FG wissen, ob das Recht zum Vorsteuerabzug gem. Art. 167 MwStSystRL ausnahmslos immer erst dann entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, oder ob die Mitgliedstaaten von diesem Grundsatz abweichen dürfen, wenn im nationalen Recht von der fakultativen Regelung des Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL Gebrauch gemacht worden ist und der Steueranspruch gegen den Leistenden nach nationalem Recht somit erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts entsteht.
Nach nationalem Recht entsteht der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers auch dann schon mit der Ausführung des Umsatzes, wenn der Leistungserbringer ein Istversteuerer ist und das Entgelt noch nicht erhalten hat. Der Leistungsempfänger erwirbt dann einen Vorsteueranspruch, obwohl der Leistungserbringer die entsprechende Umsatzsteuer noch nicht schuldet.
In Rz. 40 seiner Entscheidung C-9/20 stellt der EuGH fest, dass Art. 167 MwStSystRL die allgemeine Regel aufstellt, wonach das Recht des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht.
Im Zusammenhang mit Art. 167 MwStSystRL steht die Vorschrift des Art. 63 MwStSystRL. Nach Art. 63 MwStSystRL treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.
Zwischenfazit:
Fall 1:
In Abwandlung des Entscheidungssachverhalts erbringt ein Sollversteuerer U (Monatszahler) u.a. im Monat Mai 05 stpfl. Vermietungsleistungen an einen Sollversteuerer S. S verfügt über eine ordnungsgemäße Dauerrechnung über 1 000 € zzgl. 19 % = 190 € gesondert ausgewiesener USt. S zahlt die Miete am 30.6.05.
Nationale Regelung:
Der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer U entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG mit Ablauf der Voranmeldungszeitraum Mai. Das Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers S entsteht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG im Mai, da die Leistung ausgeführt worden ist. Unerheblich ist, wann der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer entsteht.
EU-Regelung:
Der Steuertatbestand und der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer U tritt nach Art. 63 MwStSystRL zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Leistung bewirkt wird, hier am 31.5.05. Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht des Erwerbers S auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch gegen den Vermieter U auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht.
Der EuGH gelangt in Rz. 49 seiner Entscheidung vom 10.2.2022 (C-9/20, LEXinform 0651702) zu dem Ergebnis, dass der Stpfl. das Recht auf Vorsteuerabzug erlangen kann, sobald der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer entsteht (Art. 167 MwStSystRL).
Der EuGH stellt fest (Rz. 60), dass der nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL Gebrauch gemacht hat, indem er in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG vorgesehen hat, dass die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind.
Gleichzeitig stellt der EuGH fest, dass die Bundesrepublik Deutschland von der fakultativen Regelung des Art. 167a MwStSystRL keinen Gebrauch gemacht hat.
Art. 167a MwStSystRL bestimmt, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen einer fakultativen Regelung vorsehen können, dass das Recht auf Vorsteuerabzug eines Stpfl., bei dem ausschließlich ein Steueranspruch gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eintritt, erst dann ausgeübt werden darf, wenn der entsprechende Lieferer oder Dienstleistungserbringer die Mehrwertsteuer auf die dem Stpfl. gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen erhalten hat.
Art. 167a MwStSystRL wurde mit dem Ziel in die Mehrwertsteuerrichtlinie eingefügt, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, für Stpfl., die die Mehrwertsteuer im Rahmen einer fakultativen Kassenbuchführungsregelung (Istversteuerer) abrechnen, die kleinen Unternehmen die Entrichtung der Steuer erleichtert, eine Ausnahme in Bezug auf den Zeitpunkt anzuwenden, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden kann (EuGH C-9/20, Rz. 53).
Fazit:
Fall 2:
Im Entscheidungssachverhalt erbringt ein Istversteuerer U (Monatszahler) u.a. im Monat Mai 05 stpfl. Vermietungsleistungen an einen Istversteuerer S. S verfügt über eine ordnungsgemäße Dauerrechnung über 1 000 € zzgl. 19 % = 190 € gesondert ausgewiesener USt. S zahlt die Miete am 30.6.05.
Nationale Regelung:
Der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer U entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 UStG mit Ablauf der Voranmeldungszeitraum Juni. Das Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers S entsteht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG im Mai, da die Vermietungsleistung ausgeführt worden ist. Nach deutschem Recht ist der Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Leistung möglich, auch wenn der Leistende als Istversteuerer sein Entgelt noch nicht erhalten hat und damit seine USt noch nicht entstanden ist.
EU-Regelung nach der Entscheidung C-9/20:
Der Steuertatbestand und der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer U tritt nach Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Preis durch U vereinnahmt worden ist, hier am 30.6.05. Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht des Mieters S auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch gegen den Vermieter U auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht, hier am 30.6.05.
Nach der Entscheidung des EuGH (Rz. 62) ist das Recht der Grundstücksgemeinschaft auf Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Vereinnahmung des Preises durch den Vermieter entstanden (s.a. Masuch u.a., NWB 15/2022, 1032 sowie Schumann, UR 2022, 481).
Fall 3:
Ein Istversteuerer U (Monatszahler) erbringt u.a. im Monat Mai 05 stpfl. Vermietungsleistungen an einen Sollversteuerer S. S verfügt über eine ordnungsgemäße Dauerrechnung über 1 000 € zzgl. 19 % = 190 € gesondert ausgewiesener USt. S zahlt die Miete am 30.6.05.
S. dazu die Ausführungen in Fall 2.
Fall 4:
Ein Sollversteuerer U (Monatszahler) erbringt u.a. im Monat Mai 05 stpfl. Vermietungsleistungen an einen Istversteuerer S. S verfügt über eine ordnungsgemäße Dauerrechnung über 1 000 € zzgl. 19 % = 190 € gesondert ausgewiesener USt. S zahlt die Miete am 30.6.05.
Nationale Regelung:
Der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer U entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG mit Ablauf der Voranmeldungszeitraum Mai. Das Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers S entsteht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG im Mai, da die Vermietungsleistung ausgeführt worden ist.
EU-Regelung nach der Entscheidung C-9/20:
Der Steuertatbestand und der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer U tritt nach Art. 63 MwStSystRL zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Leistung bewirkt wird, hier am 31.5.05. Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht des Erwerbers S auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch gegen den Vermieter U auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht (so auch nationale Regelung).
Beachte:
Da die Bundesrepublik Deutschland von der fakultativen Regelung des Art. 167a MwStSystRL keinen Gebrauch gemacht hat, ist für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug die Grundregelung des Art. 167 MwStSystRL anzuwenden. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht somit nicht bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes (nationale Regelung), wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG) erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist. Oder positiv ausgedrückt entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 167 MwStSystRL erst, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht – im Fall der Istversteuerung somit im Voranmeldungszeitraum der Vereinnahmung des Entgelts (EuGH C-9/20, Rz. 50 ff.).
Mit Urteil vom 12.7.2023 (XI R 5/21, BFH/NV 2024, 257, LEXinform 0953502) hat der BFH zur Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug wie folgt entschieden:
»Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Istbesteuerung noch keine USt entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Stpfl., sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland.« (s. → Istversteuerung unter dem Gliederungspunkt 4.6 »Widerruf und Genehmigungsverweigerung«; s. Casper u.a., NWB 8/2024, 526).
Nach der BFH-Entscheidung XI R 5/21 (Leitsatz 2) bleibt es offen, ob der Begriff »geschuldet« i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG im Lichte des EuGH-Urteils C-90/20 (Rz. 49) sowie der Art. 167, Art. 179 Satz 1 MwStSystRL eine zeitliche Komponente enthält und deshalb dahingehend zu verstehen ist, dass die USt vom Leistenden schon geschuldet werden muss, um vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden zu können (und daher vom Leistungsempfänger noch nicht abgezogen werden darf, solange sie vom Leistenden noch nicht geschuldet wird).
Ausblick:
Mit dem JStG 2024 (Gesetzentwurf der Bundesregierung) ist geplant, mit Art. 22 Nr. 8 Buchst. a das EuGH-Urteil vom 10.2.2022 (C-9/20, s.o.) in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStGE in nationales Recht umzusetzen.
Die Änderung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dient dazu, zukünftig in diesen Fällen auch den Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges im Gesetz klarzustellen. Dabei wird zukünftig zwischen den verschiedenen möglichen Zeitpunkten eines Vorsteuerabzugs (aus der Rechnung eines Sollversteuerers, aus der Rechnung eines Istversteuerers oder aus einer Anzahlungsrechnung) unterschieden.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStGE ist die Vorsteuer abziehbar, wenn der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt und
die Leistung ausgeführt worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) berechnet oder,
soweit eine Zahlung auf eine ausgeführte Leistung geleistet worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) berechnet, oder
soweit eine Zahlung vor Ausführung der Leistung geleistet worden ist.
In den Fällen des Buchst. b muss zukünftig die Rechnung des leistenden Unternehmer nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStGE die Angabe »Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten« enthalten, sofern dieser die Steuer nach § 20 UStG berechnet. So erhält der Rechnungsempfänger die notwendige Information, um den zutreffenden Zeitpunkt für seinen Vorsteuerabzug bestimmen zu können.
Hinweis:
Wie in dem vorangegangenen Gliederungspunkt 3.4 bereits erläutert, bleibt es nach dem BFH-Urteil vom 12.7.2023 (XI R 5/21, BFH/NV 2024, 257, LEXinform 0953502, Leitsatz 2) offen, ob der Begriff »geschuldet« i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG im Lichte des EuGH-Urteils C-90/20 (Rz. 49) sowie der Art. 167, Art. 179 Satz 1 MwStSystRL eine zeitliche Komponente enthält und deshalb dahingehend zu verstehen ist, dass die USt vom Leistenden schon geschuldet werden muss, um vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden zu können (und daher vom Leistungsempfänger noch nicht abgezogen werden darf, solange sie vom Leistenden noch nicht geschuldet wird).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist nur die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt worden sind als Vorsteuer abziehbar. Ein Vorsteuerabzug ist damit nicht zulässig, soweit der die → Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14c UStG schuldet (→ Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis). Abziehbar sind nur die Steuerbeträge, die nach dem deutschen UStG geschuldet werden.
Ob eine gesetzlich geschuldete Steuer i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegt, bestimmt sich unter Berücksichtigung des Unionsrechts. Sieht das nationale Recht für eine Leistung den ermäßigten Steuersatz vor, während sie nach dem Unionsrecht dem Regelsteuersatz unterliegt, kann sich der zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts berufen und – bei Vorliegen der weiteren z.B. rechnungsmäßigen Voraussetzungen – den Vorsteuerabzug nach dem für ihn günstigeren Regelsteuersatz in Anspruch nehmen (BFH Urteil vom 24.10.2013, V R 17/13, BStBl II 2015, 513 sowie Pressemitteilung des BFH Nr. 3/2014 vom 8.1.2014, LEXinform 0441126).
Zur Vorsteuervergütung innerhalb der EU s. Abschn. 15.2. Abs. 1 UStAE sowie die Erläuterungen unter → Vorsteuervergütungsverfahren.
Beispiel 5:
Unternehmer U erhält für die Inanspruchnahme einer Leistung für sein Unternehmen von einem anderen Unternehmer eine Rechnung i.H.v. 16 000 € zzgl. 19 % USt i.H.v. 3 140 €. U zahlt den Betrag von 19 140 €.
Lösung 5:
Aus dem Leistungsbezug hat U grundsätzlich den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Allerdings ist der Vorsteuerabzug auf die gesetzlich geschuldete USt beschränkt (Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Der leistende Unternehmer hat zu viel USt gesondert ausgewiesen (16 000 € × 19 % = 3 040 €). Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG berechnet sich die gesetzlich geschuldete USt aus dem Betrag, den der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger für die Leistung erhält – hier: 19 140 € – abzüglich der gesetzlich geschuldeten USt – hier: 19 140 € : 119 × 19 = 3 056 €. U kann diesen Betrag als Vorsteuer abziehen. Die Differenz zu der für die ausgeführte Leistung geschuldete Steuer von (3 140 € ./. 3 056 € =) 84 € schuldet der leistende Unternehmer nach § 14c Abs. 1 UStG. Ein Vorsteuerabzug ist damit nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14c UStG schuldet (→ Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis).
Mit Urteil vom 19.11.2009 (V R 41/08, BFH/NV 2010, 562, LEXinform 5009542) hat der BFH über die Höhe des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen entschieden, in denen der Steuersatz und damit auch die USt unzutreffend angegeben wurden. Weist der Rechnungsaussteller in einer Rechnung den Regelsteuersatz (19 %) aus, obwohl die gelieferte Ware tatsächlich nur dem ermäßigten Steuersatz (7 %) unterliegt, war umstritten, ob dieser Fehler zur gänzlichen Versagung des Vorsteuerabzugs führt. Anders als die Vorinstanz entschied der BFH, dass dem Leistungsempfänger in solchen Fällen der in dem überhöhten Steuerbetrag enthaltene (gesetzlich geschuldete) Betrag als Vorsteuer zusteht. Dieser beträgt 7 % des in der Rechnung ausgewiesenen Nettobetrages (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 6/10 vom 27.1.2010, LEXinform 0434910). Die Höhe des Vorsteuerabzugs ergibt sich in diesem Fall somit nicht durch Herausrechnen des ermäßigten Steuersatzes aus den jeweiligen Bruttobeträgen, sondern auf der Grundlage der in den Rechnungen ausgewiesenen und damit die Bemessungsgrundlage bildenden Nettobeträge. Der sich danach ergebende Steuerbetrag darf den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag nicht übersteigen (s.a. Anmerkung vom 4.2.2010, LEXinform 0926246).
Nach dem BFH-Urteil vom 28.8.2014 (V R 49/13, BFH/NV 2015, 128, LEXinform 0934369) ist auch eine zu niedrig ausgewiesene USt eine gesetzlich geschuldete Steuer und – sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen – als Vorsteuer abziehbar.
Ein Unternehmer, der für Zwecke des Vorsteuerabzugs als Leistungsempfänger anzusehen ist, ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 1 UStAE). Nur für Eingangsleistungen, die in das Unternehmensvermögen eingehen, ist die Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbar.
Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Empfang der Leistung, diese ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S.v. § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er hiermit mittelbar Ziele verfolgt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen (BFH vom 9.12.2010, V R 17/10, BStBl II 2012, 53 sowie vom 13.1.2011, V R 12/08, BStBl II 2012, 61, Abschn. 15.15. und Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 5 UStAE).
Beachte:
Im Zuge der Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 16.9.2020 (C-528/19, UR 2020, 840, LEXinform 0589961) in der Rechtssache Mitteldeutsche Hartstein-Industrie sowie unter Zugrundelegung des EuGH-Urteils vom 1.10.2020 (C-405/19, LEXinform 5217169) hat der BFH mit Urteil vom 16.12.2020 (XI R 26/20, XI R 28/17, BStBl II 2024, 146) seine bisherige Rspr. zum Vorsteuerabzug und zur unentgeltlichen Zuwendung geändert. Danach können »mittelbare« Zusammenhänge für den Vorsteuerabzug ausreichen. Der EuGH hatte klargestellt, dass die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs nicht droht, wenn die Eingangsumsätze für die wirtschaftliche Tätigkeit des Stpfl. unerlässlich und als Kostenelemente der stpfl. Ausgangsumsätze anzusehen sind.
Die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs, den u.a. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG verhindern wollen, droht nicht, wenn
die Eingangsleistung vor allem für Bedürfnisse des Stpfl. genutzt wird,
sie für das Unternehmen erforderlich ist und nicht darüber hinausgeht,
die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind und
der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist (zur letzten Voraussetzung s. EuGH vom 1.10.2020, C-405/19, LEXinform 5217169, Rz. 29).
Eine Besteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG und § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG kommt unter diesen Voraussetzungen infolge einer unionsrechtskonformen Reduktion des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG nicht in Betracht (s. → Unentgeltliche Wertabgabe unter dem Gliederungspunkt 4.6.5 »Ausbaumaßnahmen an öffentlichen Straßen«).
Zur Anwendung der Rspr. vom 16.12.2020 (XI R 26/20, XI R 28/17, BStBl II 2024, 146, s.o. unter Beachte) zum Vorsteuerabzug bei »mittelbarer« Verwendung nimmt das BMF mit Schreiben (koordinierter Ländererlas) vom 24.1.2024 (BStBl I 2024, 213) Stellung und ergänzt dabei den UStAE in Abschn. 3.2. um einen neuen Abs. 4 und fügt in Abschn. 15.2b. einen neuen Abs. 2a ein (s.a. Fietz u.a., BMF folgt geänderter Rspr. zum Vorsteuerabzug, NWB 21/2024, 1461).
Nach dem BFH-Urteil vom 7.12.2022 (XI R 16/21, BFH/NV 2023, 788, LEXinform 0953662) ist nicht nur die Verwendung der vom Stpfl. bezogenen Eingangsleistung maßgebend für den Vorsteuerabzug, sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes (s.a. Strahl, NWB 16/2023, 1097 sowie Heinrichshofen, UStB 2023, 144).
Entscheidungssachverhalt:
Der Kläger installierte im Kj. 09 eine PV-Anlage auf dem Dach seines privat genutzten Hauses. Er lieferte den von der PV-Anlage erzeugten Strom umsatzsteuerpflichtig an den zuständigen Netzbetreiber, ordnete die PV-Anlage rechtzeitig vollständig einem Unternehmen zu und nahm den vollen Vorsteuerabzug für die PV-Anlage in Anspruch. Im Kj. 19 (Streitjahr) wurde festgestellt, dass aufgrund der unsachgemäßen Montage der PV-Anlage im Kj. 09 das Dach beschädigt ist. Durch das nicht fachgerechte Anbohren der Ziegel konnte Feuchtigkeit in das Dach eindringen. Zivilrechtliche Ansprüche des Klägers gegen die Montagefirma der PV-Anlage sind verjährt. Der Kläger ließ auf eigene Kosten den Schaden in dem Umfang, in dem es erforderlich war, reparieren.
FA und FG ließen den begehrten Vorsteuerabzug aus der Schadensregulierung nicht zu. Das FG war davon überzeugt, dass ein unternehmerisch entstandener Schaden repariert worden sei, der ausschließliche Entstehungsgrund daher in der unternehmerischen Sphäre des Klägers liege und die Reparatur Teil der Kostenelemente der Ausgangsumsätze der PV-Anlage sei. Dies führe aber nicht dazu, dass die Eingangsleistung ausschließlich unternehmerisch genutzt werde. Die zukünftige Nutzung liege nach der Berechnung gem. der Rspr. des BFH unter 10 %, sodass die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Recht erfolgt sei.
Entscheidungsgründe:
Der BFH gewährte den vollen Vorsteuerabzug. Entscheidend hierfür war, dass der ausschließliche Entstehungsgrund für die streitigen Vorsteuerbeträge in der unternehmerischen Sphäre des Klägers lag und die Reparaturkosten Teil der Kostenelemente der Ausgangsumsätze der PV-Anlage waren. Der Schaden an dem ansonsten voll funktionsfähigen Dach war ausschließlich durch die unsachgemäße Montage der PV-Anlage im Kj. 09 entstanden und die Reparatur erfolgte nur in dem hierfür erforderlichen Umfang und damit nur auf einer Dachseite. Dies genügt für eine Bejahung des Vorsteuerabzugs nach Maßgabe des ausschließlichen Entstehungsgrunds.
Die zukünftige Nutzung des reparierten Gegenstands hingegen ist für den Vorsteuerabzug jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Unternehmer über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem PV kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird. Es liefe dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zuwider, wenn ein Stpfl. für Ausgaben, die für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze erbracht wurden, deshalb die Mehrwertsteuer tragen müsste, weil einem Dritten durch diese Ausgaben ein nebensächlicher Vorteil entsteht, wie dies z.B. der Fall wäre, wenn der Kläger die PV-Anlage auf einem angemieteten Hausdach betrieben hätte und dieses hierbei beschädigt worden wäre. Für den Privatbereich des Unternehmers kann insoweit nichts anderes gelten (s.a. Anmerkung vom 19.4.2023, LEXinform 0888967).
Gem. Art. 168 Buchst. a MwStSystRL ist der Stpfl., soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Stpfl. geliefert bzw. erbracht wurden oder werden.
Zur Bedeutung des Begriffs »verwendet« hat der EuGH mit Urteil vom 25.11.2021 (C-334/20, LEXinform 0953654) Stellung genommen. Danach setzt die Anwendung von Art. 168 Buchst. a MwStSystRL einen Eingangsumsatz voraussetzt, der seinerseits der Mehrwertsteuer unterliegt (Rz. 25).
Art. 168 Buchst. a MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass ein Stpfl. die Vorsteuer für Werbedienstleistungen in Abzug bringen kann, sofern eine derartige Erbringung von Dienstleistungen einen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsatz i.S.v. Art. 2 MwStSystRL darstellt und mit einem oder mehreren stpfl. Ausgangsumsätzen oder der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Stpfl. als allgemeine Aufwendungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht, ohne dass der Umstand zu berücksichtigen wäre, dass der für derartige Dienstleistungen in Rechnung gestellte Preis gegenüber einem von der nationalen Steuerbehörde definierten Referenzwert überhöht ist oder dass diese Dienstleistungen nicht zu einer Steigerung des Umsatzes des Stpfl. geführt haben.
Nach dem EuGH-Urteil vom 22.10.2015 (C–126/14, UR 2015, 910, LEXinform 5213710) besteht ein Vorsteuerabzugsrecht für die Aufwendungen, die für die Erstellung eines kostenfrei von der Öffentlichkeit nutzbaren Freizeitweges anfallen, wenn die Möglichkeit besteht, besteuerte Umsätze zu erzielen.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Eine juristische Person (P) mit Gewinnerzielungsabsicht, deren Geschäftstätigkeiten u.a. in der Bereitstellung von Unterkünften, Verpflegung und Getränken, sowie in der Organisation von Messe-, Kongress- und Freizeitveranstaltungen bestehen schloss mit dem Landwirtschaftsministeriums eine Finanzierungsvereinbarung, in der sich P verpflichtete, das Projekt »Freizeit- und Entdeckungsweg« durchzuführen sowie der Öffentlichkeit kostenfreien Zugang zu diesem Weg anzubieten. Der Abzug der Vorsteuer aus den Aufwendungen für die Anlegung des Wegs wurde abgelehnt, weil man am unmittelbaren direkten Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und Ps wirtschaftlicher Tätigkeit zweifelte.
Der EuGH gelangte zu der Überzeugung, dass Unternehmer auch bei einer kostenfreien Verwendung von Investitionsgütern den Vorsteuerabzug geltend machen können (s.a. Sterzinger, Anmerkung zum EuGH-Urteil C-126/14, UR 2015, 914). Der EuGH betont zunächst, dass Gegenstände und Dienstleistungen nicht sofort für eine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet zu werden brauchen. Hat jemand die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, i.S.v. Art. 9 Abs. 1 der MwStSystRL eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben und tätigt er für diese Zwecke Investitionsausgaben, dann handelt er als Stpfl. und hat das Recht zum sofortigen Vorsteuerabzug für diese Investitionen, sofern die beabsichtigten Umsätze das Abzugsrecht eröffnen.
Im vorliegenden Fall ergibt es sich, dass der betreffende Freizeitweg als Mittel zur Erbringung mehrwertsteuerlicher Leistungen (z.B. dem Verkauf von Getränken, Souvenirs etc.) an die ihn nutzenden Besucher diente. P erfüllt mithin die nötigen Voraussetzungen. Das hieraus folgende Recht zum Vorsteuerabzug wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Freizeitweg nach der abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung für einen gewissen Zeitraum kostenfrei zugänglich sein muss. Denn dies hindert P nicht, die anderen genannten Leistungen i.R. ihrer wirtschaftlich Tätigkeit entgeltlich zu erbringen (s.a. Anmerkung vom 22.10.2015, LEXinform 0401918).
S.a. EuGH vom 16.9.2020 (C-528/19, UR 2020, 840, LEXinform 0589961, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie) sowie vom 1.10.2020 (C-405/19, LEXinform 5217169; → Unentgeltliche Wertabgabe unter dem Gliederungspunkt 4.6.5 »Ausbaumaßnahmen an öffentlichen Straßen«).
Mit Urteil vom 16.12.2020 (XI R 26/20, XI R 28/17, BStBl II 2024, 146, s.o.) hat der BFH entschieden, dass einem Unternehmer der Vorsteuerabzug auch dann zustehen kann, wenn er eine Leistung bezieht, um diese an einen Dritten unentgeltlich weiter zu liefern und zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen. Dies setzt aber voraus, dass die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich bzw. unerlässlich ist, um diesen Zweck zu erfüllen, und die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind und der Vorteil des Dritten (im Urteilsfall: der Allgemeinheit) allenfalls nebensächlich ist. Nur insoweit reicht eine mittelbare Veranlassung für den Vorsteuerabzug aus (Abschn. 15.2b. Abs. 2a Satz 1 bis 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 24.1.2024, BStBl I 2024, 213).
Zur Leistungsempfängerschaft bei der Veräußerung von Anteilen s. BFH Beschluss vom 30.4.2014 (XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239, LEXinform 0928951). Zur Leistungsempfängerschaft s. den Fundstellennachweis in Rz. 17 und 20 des BFH-Beschlusses vom 30.4.2014.
Leistungsempfänger i.S.d. UStG ist grds. derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Schuldverhältnis) als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Nicht maßgeblich ist dagegen u.a., wem die empfangene Leistung wirtschaftlich zuzuordnen ist (BFH vom 20.10.1994, V R 96/92, BFH/NV 1995, 459) oder wer sie bezahlt hat. Die bloße Übernahme der Kosten einer Leistung an einen Dritten führt nicht zum Recht auf Vorsteuerabzug des Zahlenden. Im Rahmen der Ermittlung, wer Leistungsempfänger ist, ist das Abrechnungspapier nur ein Beweisanzeichen.
Empfänger einer Leistung kann allerdings auch derjenige sein, an den der Leistende eine Leistung tatsächlich erbracht hat, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein.
Für die Frage, ob eine Leistung für das Unternehmen vorliegt, sind grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Umsatzes an den Unternehmen maßgebend (Abschn. 15.2b. Abs. 3 Satz 3 UStAE). Objekt der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers ist grundsätzlich jeder Leistungsbezug, d.h. jeder Gegenstand und jede sonstige Leistung (Abschn. 15.2c. Abs. 9 UStAE).
Nach dem EuGH-Urteil vom 21.2.2013 (C-104/12, DStR 2013, 411, LEXinform 0589394) eröffnen Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines stpfl. Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer. Der Unternehmer kann die Steuer für solche Leistungen als Vorsteuer berücksichtigen, die von einem anderen Unternehmer »für sein Unternehmen« ausgeführt worden sind. Der Strafverteidiger hat die Leistungen nicht für das Unternehmen, sondern für die Privatperson erbracht. Die Anwaltsdienstleistungen dienen direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen des Beschuldigten, der wegen in seinem persönlichen Verhalten liegenden Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt wurde. Die Strafverfolgungsmaßnahmen waren nur gegen ihn persönlich und nicht gegen das Unternehmen gerichtet (s.a. Nachfolgeentscheidung des BFH vom 11.4.2013, V R 29/10, BStBl II 2013, 840 und OFD Magdeburg vom 22.7.2013, S 7300 – 137 – St 24, UR 2014, 168, LEXinform 5234926, Anmerkung vom 25.7.2013, LEXinform 0944009 sowie Pressemitteilung des BFH Nr. 40/13 vom 17.7.20103, LEXinform 0440500).
Zum Vorsteuerabzug aus Rechtsanwaltskosten zur Prüfung von Haftungsansprüchen in der Insolvenz hat der BFH mit Urteil vom 18.9.2019 (XI R 19/17, BStBl II 2020, 172) entschieden, dass auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens angefallene Rechtsanwaltskosten grundsätzlich abzugsfähig sind, auch wenn keine Ausgangsumsätze mehr getätigt werden. Dann richtet sich der Anteil der abziehbaren Vorsteuer nach der ehemals von dem Stpfl. ausgeübten Tätigkeit (→ Insolvenzen und Steuern).
Hinweis:
Auch nach Beendigung der unternehmerischen Tätigkeiten sollte für angefallene Leistungen der Vorsteuerabzug weiterhin geprüft werden. Die Vorsteuer aus den Leistungen für die Abwicklung des Geschäftsbetriebs ist im Verhältnis der ehemals getätigten Umsätze abzugsfähig. Dies gilt insbes. für Vorsteuer aus den Leistungen des Steuerberaters, die regelmäßig auch nach Beendigung des Geschäftsbetriebs anfallen.
Im Insolvenzverfahren berechtigen sämtliche Leistungen, die für die Beendigung des Unternehmens erforderlich sind, zum Vorsteuerabzug und sollten daher stets vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (s. Anmerkung vom 28.1.2020, LEXinform 0653708).
Die unter den Stichwörtern → Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer und → Unternehmensvermögen ausführlich dargestellten Zuordnungsvoraussetzungen zum Unternehmensvermögen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Abb.: Zuordnungsvoraussetzungen zum Unternehmensvermögen
Hinweis:
Zum Zeitpunkt und zur Dokumentation der Zuordnungsentscheidung sowie zu den Folgen aus dem EuGH-Urteil vom 14.10.2021 (C 45/20, C-46/20, BStBl II 2024, 461) sowie den BFH-Urteilen vom 4.5.2022 (XI R 28/21, XI R 3/19, BStBl II 2024, 447 und XI R 29/21, XI R 7/19, BStBl II 2024, 450) und vom 29.9.2022 (V R 4/20, BStBl II 2024, 454) nimmt das BMF mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 17.5.2024 (BStBl I 2024, 916) Stellung und ändert bzw. ergänzt entsprechend Abschn. 15.2c. UStAE.
Die Zuordnung zum Unternehmen kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Unternehmer beim Erwerb oder bei der Herstellung des Gegenstands ganz oder teilweise als solcher handelt. Die Zuordnungsentscheidung ist eine innere Tatsache, die erst durch äußere Beweisanzeichen erkennbar wird. Sie kann somit auch konkludent (implizit) zum Ausdruck kommen (Abschn. 15.2c. Abs. 14 Satz 3 bis 5 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17.5.2024).
Das Fehlen eines Vorsteuerabzugs in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum, in dem der Gegen-stand erworben wurde, lässt für sich genommen aber nicht den Schluss zu, dass sich der Stpfl. dafür entschieden hat, den betreffenden Gegenstand nicht seinem Unternehmen zuzuordnen (vgl. EuGH vom 14.10.2021, C-45/20 und C-46/20, BStBl II 2024, 461; Abschn. 15.2c. Abs. 17 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17.5.2024).
Lässt die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nicht auf die Zuordnung zum Unternehmen an sich oder deren Umfang schließen, sind andere nach außen hin objektiv erkennbare Beweisanzeichen heranzuziehen (Abschn. 15.2c. Abs. 16 Satz 7 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17.5.2024). Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Beweisanzeichen für eine Zuordnung vor, können diese dem FA auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden. Fehlt es an objektiven Beweisanzeichen für eine Zuordnung, ist demgegenüber eine ausdrückliche Mitteilung an das FA innerhalb der Dokumentationsfrist erforderlich (Abschn. 15.2c. Abs. 16 Satz 7 bis 9 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17.5.2024).
Beispiele für andere objektiv erkennbare Beweisanzeichen der Zuordnung zum Unternehmensvermögen sind in Abschn. 15.2c. Abs. 17 Satz 6 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens von 17.5.2024 aufgeführt.
Der Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht. Beabsichtigt er bereits bei Empfang der Leistung, diese ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Leistung i.S.v. § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er hiermit mittelbar Ziele verfolgt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen (BFH Urteil vom 9.12.2010, V R 17/10, BStBl II 2012, 53; Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abschn. 15.15, Abschn. 15.2c. Abs. 1 Satz 2 sowie Abschn. 3.3 Abs. 1 Satz 7 UStAE – Zuordnungsverbot; → Unternehmensvermögen).
Im Zuge der Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 16.9.2020 (C-528/19, UR 2020, 840, LEXinform 0589961) in der Rechtssache Mitteldeutsche Hartstein-Industrie sowie unter Zugrundelegung des EuGH-Urteils vom 1.10.2020 (C-405/19, LEXinform 5217169) hat der BFH mit Urteil vom 16.12.2020 (XI R 26/20, XI R 28/17, BStBl II 2024, 146) seine bisherige Rspr. zum Vorsteuerabzug und zur unentgeltlichen Zuwendung geändert. Danach können »mittelbare« Zusammenhänge für den Vorsteuerabzug ausreichen (s. die Kommentierung unter dem vorangegangenen Gliederungspunkt). S.a. das BMF mit Schreiben (koordinierter Ländererlas) vom 24.1.2024 (BStBl I 2024, 213; → Unentgeltliche Wertabgabe unter dem Gliederungspunkt 4.6.5 »Ausbaumaßnahmen an öffentlichen Straßen«).
Zum Vorsteuerabzug bei → Betriebsveranstaltungen ab VZ 2015 hat der BFH mit Urteil vom 10.5.2023 (V R 16/21, BStBl II 2023, 1023) entschieden, dass der Unternehmer nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er Leistungen für sog. Betriebsveranstaltungen (hier: Weihnachtsfeier) bezieht und diese nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt sind (s.a. Abschn. 3.2. Abs. 4 Satz 3 2. Spiegelstrich UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 24.1.2024, BStBl I 2024, 213).
Für den Vorsteuerabzug aus Betriebsveranstaltungen ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die hierfür bezogenen Leistungen ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienten oder durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt sind (BFH V R 16/21, Rz. 23 ff.).
Eine Betriebsveranstaltung dient i.d.R. lediglich dazu, das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern. Danach liegt ein ausschließlicher Zusammenhang der für den Betriebsausflug bezogenen Leistungen zum privaten Bedarf des Personals und damit zu einer Entnahme nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Handelt es sich danach um einen zur Entnahmebesteuerung führenden Betriebsausflug, ist der Unternehmer nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG unterbleibt, weil es sich um eine »Aufmerksamkeit« i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handelt. Aufgrund des dann fehlenden unmittelbaren Zusammenhangs zu einem konkreten Ausgangsumsatz ist über den Vorsteuerabzug nach der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers zu entscheiden (BFH V R 16/21, Rz. 25).
Der Begriff der Aufmerksamkeit ist gesetzlich nicht definiert und findet auch keine wortgetreue Stütze im Unionsrecht. Diese »Aufmerksamkeit« kann nach dem Umsatzsteuerrecht auch durch einen festen Betrag mittels einer Freigrenze definiert werden. Im Gegensatz zum Einkommensteuerrecht hält der BFH für die Umsatzbesteuerung an der 110-€-Grenze – allerdings weiterhin als Freigrenze – fest. Für die Ermittlung dieser 110-€-Freigrenze sind die Kosten des äußeren Rahmens einer Betriebsveranstaltung jedenfalls dann in die Berechnung der Freigrenze einzubeziehen, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt.
Nach Rz. 37 f. der BFH-Entscheidung V R 16/21 sind die Gesamtkosten des ArbG zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer und nicht auf die angemeldeten Teilnehmer aufzuteilen. Auf den angemeldeten, aber nicht teilnehmenden ArbN entfallen danach keinerlei Aufwendungen, für die ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen könnte (s.a. Anmerkungen vom 1.8.2023, LEXinform 0654068 und vom 4.8.2023, LEXinform 0882368).
Zu den Anforderungen an eine entgeltliche Nutzungsüberlassung hat der BFH mit Beschluss vom 22.6.2022 (XI R 35/19, LEXinform 0952637) entschieden, dass bei einem jährlichen Pachtentgelt von 1 € und erheblichen Aufwendungen auf den Pachtgegenstand die Entgeltverpflichtung so sehr in den Hintergrund tritt, dass der Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Entgelt gelöst ist. Der »Verpächter« ist dann aus Eingangsleistungen für den so überlassenen Gegenstand nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass die Vertragsparteien später das Pachtentgelt auf 10 000 € erhöhen, aber diese Pachterhöhung zugleich durch eine Zuschusserhöhung ausgleichen (s.a. Anmerkung vom 16.11.2022, LEXinform 0888636).
Erwirbt ein im Übrigen nicht unternehmerisch tätiger Ehegatte mit Eigenmitteln einen Pkw und verleast er diesen zu fremdvergleichbaren Bedingungen an den als Arzt selbstständig tätigen anderen Ehegatten, ist er nach dem Urteil des BFH vom 29.9.2022 (V R 29/20, BStBl II 2023, 986) → Unternehmer und als solcher zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Vorsteuerabzug des Vermieters eines Pkw ist nicht systemwidrig und daher auch nicht missbräuchlich. Dies gilt bei einer Vermietung unter Ehegatten jedenfalls für die Vermietung von Pkw, die nicht dem unmittelbaren Familienbedarf dienen (s. Korn, NWB 3/2023, 165 sowie Anmerkung vom 18.1.2023, LEXinform 0888752).
Zum Vorsteuerabzug für eine Outplacement-Beratung eines Unternehmers bezieht sich der BFH in seinem Urteil vom 30.6.2022 (V R 32/20, BStBl II 2023, 45) in Rz. 24 auf die EuGH-Entscheidung vom 1.10.2020 (C-405/19, LEXinform 5217169) und hat entschieden, dass der Unternehmer, der für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen bezieht, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbes. durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Für den Unternehmer bestand ein vorrangiges Unternehmensinteresse, hinter dem das Interesse des Beschäftigten an der Outplacement-Beratung zurücktrat. Dies ist für Zwecke des Vorsteuerabzugs nach den für die Entnahmebesteuerung maßgeblichen Kriterien zu beurteilen.
Das Interesse des Unternehmers am Personalabbau überwiegt den Vorteil, der sich für die dort Beschäftigten an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ergab. So ist es jedenfalls dann, wenn es um die Begründung neuer Arbeitsverhältnisse für unkündbar und unbefristet Beschäftigte geht. Bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen kann davon ausgegangen werden, dass sich das Interesse an der Begründung neuer Arbeitsverhältnisse nicht aus dem Wunsch des Beschäftigten nach einem Arbeitgeberwechsel, sondern aus dem unternehmerischen Ziel erklärte, Beschäftigte, deren gegenwärtige Betätigung aus unternehmerischen Gründen beendet werden sollte, denen aber nicht gekündigt werden konnte, davon zu überzeugen, einer Auflösung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zuzustimmen. Den Beschäftigten wurde ein von ihnen ursprünglich nicht gewünschter Vorteil aus unternehmerischen Gründen quasi aufgedrängt. Dass Beschäftigte von sich aus Arbeitsverhältnisse neu begründen wollten, hat das FG nicht festgestellt und wird auch nicht mit der Revision geltend gemacht (BFH V R 32/20, Rz. 21).
Das Kriterium des ausschließlichen Entstehungsgrundes, das für den Unternehmer bestehende Recht auf Vorsteuerabzug, ergab sich aus dem unternehmerischen Ziel des Personalabbaus, nicht aber aus einem Zuwendungswillen gegenüber den Beschäftigten. Der Unternehmer entschied, welche Beschäftigten welche Qualifizierungsleistungen in Anspruch nehmen konnten. Die Leistungen standen damit nicht allen Beschäftigten offen. So waren z.B. Beschäftigte von dem Angebot ausgeschlossen, die sich selbst für einen Beschäftigungswechsel interessierten, die der Unternehmer aber in seinem Unternehmen halten wollte (s.a. Anmerkung vom 18.10.2022, LEXinform 0653987 sowie Brill, NWB 42/2022, 2950).
Überlässt der Unternehmer einem Geschäftsführer unentgeltlich einen Wohn-Pavillon einschließlich Einrichtung, liegt dies auch dann nicht im überwiegend unternehmerischen Interesse, wenn einkommensteuerrechtlich die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben wären (BFH vom 8.10.2014, V R 56/13, BStBl II 2022, 33).
Mit Beschluss vom 20.2.2013 (XI R 26/10, BStBl II 2013, 464) hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von der GbR einen Teil des Mandantenstammes nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen, zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstammes berechtigt sein kann.
Mit Urteil vom 13.3.2014 (C-204/13, DStR 2014, 592, LEXinform 0589431; Anmerkung vom 8.5.2014, LEXinform 0944809) lässt der EuGH den Vorsteuerabzug nicht zu. Grds. muss für den Vorsteuerabzug ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz und einem oder mehreren entsprechenden Ausgangsumsätzen bestehen. Die unentgeltliche Überlassung des Mandantenstamms an die neue GbR ist keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Mehrwertsteuerrechts.
Hinweis:
Die negativen Folgen für den Vorsteuerabzug wären vermeidbar gewesen, wenn der Gesellschafter den Mandantenstamm entgeltlich an die GbR überlassen hätte.
Der EuGH hat aber offengelassen, ob im Streitfall ein Recht auf Vorsteuerabzug deshalb gegeben sein kann, weil der Kläger möglicherweise den fraglichen Mandantenstamm selbst im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer neu gegründeten Gesellschaft erworben hat, und dass die Kosten, die sich aus diesem Erwerb ergeben, zu den allgemeinen Aufwendungen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zu zählen sind.
In der Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 13.3.2014 (C-204/13, DStR 2014, 592, LEXinform 0589431) hat der BFH mit Urteil vom 26.8.2014 (XI R 26/10, BStBl II 2021, 881) entschieden, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von der GbR durch Realteilung gegen Entgelt einen Teil des Mandantenstammes zu dem Zweck erwirbt, diesen anschließend einer von ihm gegründeten neuen Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, nur dann zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstammes berechtigt sein kann, wenn er diesen Mandantenstamm selbst im Rahmen seiner (beabsichtigten) unternehmerischen Tätigkeit als Geschäftsführer der neuen Steuerberatungs-GbR erworben hat und die Kosten aus diesem Erwerb zu den allgemeinen Aufwendungen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer gehören (s.a. Anmerkung vom 11.12.2014, LEXinform 0946433).
Zum Vorsteuerabzug der vom ArbG übernommenen Maklerkosten hat der BFH mit Urteil vom 6.6.2019 (V R 18/18, BStBl II 2020, 293) entschieden, dass es sich bei der Übernahme von → Umzugskosten durch den ArbG im Rahmen einer Konzernumstrukturierung nicht um Leistungen im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes handelt, da die Übernahme der Umzugskosten durch den ArbG nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Arbeitsleistung der ArbN steht, sondern vorgelagert erst dazu dient, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die ArbN die Arbeitsleistung erbringen können (→ Sachbezüge).
Eine steuerbare unentgeltliche Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG liegt hinsichtlich vom ArbG übernommenen Maklerkosten nicht vor, wenn der persönliche Vorteil des ArbN gegenüber dem Bedarf des Unternehmers nebensächlich ist und von diesem überlagert wird (s.a. Abschn. 3.4. Abs. 1 Satz 3 UStAE). Dies ist der Fall, wenn die Übernahme der Maklerkosten im Interesse einer schnellen Konzernumstrukturierung ausschließlich Mitarbeitern gewährt wird, die an Konzernstandorten beschäftigt sind, deren Lage es unter keinen Umständen erlaubt, ohne Umzug die Arbeit am neuen Konzernstandort aufzunehmen. Ist die Umzugskostenübernahme durch vorrangige unternehmerische Interessen veranlasst, so steht ein zwar bestehender, aber hinter den Bedürfnissen des Unternehmens zurücktretender persönlicher Vorteil einem Vorsteuerabzug aus den dem ArbG erteilten Rechnungen nicht entgegen (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 64/2019 vom 10.10.2019, LEXinform 0450417 sowie Anmerkung vom 15.10.2019, LEXinform 0653677).
Hinweis:
Überwiegt bei der Übernahme dieser Kosten das Interesse des ArbG, liegt keine umsatzsteuerliche Leistung des ArbG an seinen ArbN vor. Gleichzeitig hat der ArbG aus Eingangsleistungen, die im Zusammenhang mit den übernommenen Umzugskosten stehen, einen Vorsteuerabzug. Voraussetzung ist, dass der ArbG als Leistungsempfänger in den Maklerrechnungen bezeichnet ist.
Im Gegenzug dürfte von einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung auszugehen sein, wenn das Interesse des ArbN überwiegt. In diesem Fall ist von einer unentgeltlichen Wertabgabe – ertragsteuerlich Entnahme – auszugehen. Ein Vorsteuerabzug seitens des ArbG ist ausgeschlossen (Abschn. 15.15. Abs. 1 UStAE; BFH V R 18/18, Rz. 26).
Aufgrund des BFH-Urteils V R 18/18 hat das BMF (koordinierter Ländererlass) vom 3.6.2020 (BStBl I 2020, 546) Abschn. 1.8. Abs. 4 Satz 3 UStAE entsprechend geändert.
Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde bei gemischter Nutzung eines Marktplatzes hat der BFH mit Urteil vom 3.8.2017 (V R 62/16, BStBl II 2021, 109) entschieden, dass eine Stadt, die ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche wie auch für hoheitliche Zwecke verwendet, diesen nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen kann und deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (s.a. BMF vom 18.1.2021, BStBl I 2021, 121 u.a. zur Neufassung des Abschn. 15.19. Abs. 2 UStAE).
Beachte:
Nach dem BMF-Schreiben vom 25.5.2022 (BStBl I 2022, 843) sind die Regelungen des BMF-Schreibens vom 18.1.2021 (BStBl I 2021, 121) erst für Leistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2017 bezogen worden sind. Für Leistungen, die bis zum 31.12.2017 bezogen worden sind, ist der UStAE in der bis zum 17.1.2021 geltenden Fassung anzuwenden.
Mit Urteil vom 20.10.2021 (XI R 10/21, BFH/NV 2022, 543, LEXinform 0953524) hat der BFH entschieden, dass der sog. Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) dann in Betracht kommen kann, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen. Für die Gemeinde bedeutet das im Ergebnis, dass sich ihre Baukosten für die Hängeseilbrücke deutlich reduzieren.
Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung muss zwischen dem Leistenden (hier: der Gemeinde) und dem Leistungsempfänger (hier: den Nutzern der Hängeseilbrücke) ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies hat der BFH bejaht. Er sah in der Vereinnahmung von Parkgebühren einen unmittelbaren Zusammenhang zur Bereitstellung der Hängeseilbrücke (s. BFH Pressemitteilung Nr. 11/2022 vom 17.3.2022, LEXinform 0461888).
Mit Urteil vom 18.10.2023 (XI R 21/23, BFH/NV 2024, 609, LEXinform 0954791) hat der BFH zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus dem Fremdenverkehr entschieden. Die Gemeinde sah die Kurtaxe als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit (Kurbetrieb) an und begehrte den Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen, die mit dem Fremdenverkehr zusammenhingen.
Im Urteilsfall XI R 21/23 erhebt eine Gemeinde aufgrund einer kommunalen Satzung von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten (Kurgäste), für die Bereitstellung von Kureinrichtungen (z.B. Kurpark, Kurhaus, Wege) eine Kurtaxe (in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag). Diese Einrichtungen sind für jedermann frei zugänglich; eine Kurkarte wird zum Eintritt nicht benötigt.
Mit Beschluss vom 15.12.2021 (XI R 30/19, BStBl II 2022, 577) hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage nach der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Mit Urteil vom 13.7.2023 (C-344/22, LEXinform 0954298) hat der EuGH entschieden, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch die Gemeinde keine steuerbaren Dienstleistungen gegen Entgelt darstellen, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.
In seiner Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil C-344/12 schließt sich der BFH mit Urteil vom 18.10.2023 (XI R 21/23, BFH/NV 2024, 609, LEXinform 0954791) der EuGH-Entscheidung an.
In einem weiteren Urteil vom 6.12.2023 (XI R 33/21, BFH/NV 2024, 615, LEXinform 0954021) hat der XI. Senat des BFH erneut über den Vorsteuerabzug einer Kurgemeinde entschieden.
Im Urteilsfall XI R 33/21 erhebt eine Gemeinde aufgrund einer kommunalen Satzung von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten (Kurgäste), für die Bereitstellung von Kureinrichtungen eine Kurabgabe (in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag). Die Kurabgabe ist unabhängig davon zu zahlen, ob und in welchem Umfang die Einrichtungen genutzt werden. Der Kurabgabepflichtige erhält nach Zahlung der Kurabgabe vom Beherbergungsbetrieb eine Gästekarte. Diese ist auf Verlangen des Aufsichtspersonals vorzuzeigen. Sie gilt für die Dauer eines ununterbrochenen Aufenthalts. Daneben existiert eine erhöhte Tageskurabgabe, die von jedem, der bei der Kontrolle keine gültige Gästekarte vorweisen kann, an die Kontrolleure der Kurverwaltung zu entrichten ist.
In Abgrenzung zum EuGH-Urteil C-344/12 und zum BFH-Urteil XI R 21/23 hat der BFH mit Urteil vom 6.12.2023 (XI R 33/21, BFH/NV 2024, 615, LEXinform 0954021) entschieden, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe ein steuerbarer Umsatz gegen Entgelt ist, wenn die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind. Nach der Satzung der Gemeinde können die Kureinrichtungen nicht von jedermann frei und unentgeltlich genutzt werden. Eine Nutzung der Kureinrichtungen ohne Berechtigungsnachweis führt zur Kurtaxepflicht als Tagesgast.
Beispiel 6:
Eine Universität, die neben ihren steuerfreien Bildungsleistungen auch stpfl. Umsätze tätigt, wird teilweise durch Schenkungen und Stiftungen finanziert. Die Gelder werden in einen Fonds eingestellt und dann angelegt. Die Universität beantragt den Abzug der anteiligen Vorsteuer auf die Gebühren, die sie für die Verwaltung dieses Fonds entrichtet hat und macht geltend, dass die Erträge aus diesem Fonds zur Finanzierung ihrer Gesamttätigkeit verwendet werden.
Lösung 6:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem EuGH-Urteil vom 3.7.2019 (C-316/18, UR 2019, 628, LEXinform 0651620).
Nach ständiger Rspr. ist ein Stpfl. nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, besteht. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb eines Gegenstands oder einer Dienstleistung entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigte Ausgabe zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehört (EuGH C-316/18, Rz. 25).
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Stpfl. auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten der fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Stpfl. gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind, da derartige Kosten direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Stpfl. zusammenhängen.
Die Universität handelt im Rahmen der Sammlung und der Vereinnahmung von Spenden und Stiftungen nicht als Stpfl. Um als Stpfl. angesehen werden zu können, muss eine Person nämlich wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, d.h. Tätigkeiten, die gegen Entgelt ausgeübt werden. Da Spenden und Stiftungen, die im Wesentlichen aus persönlichen Motiven, zu wohltätigen Zwecken und in nicht vorhersehbarer Weise geleistet werden, nicht Gegenleistung einer wirtschaftlichen Tätigkeit sind, fällt ihre Sammlung und Vereinnahmung nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Daraus folgt, dass die auf etwaige Kosten im Zusammenhang mit der Vereinnahmung von Spenden und Stiftungen entrichtete Vorsteuer unabhängig von dem Grund, aus dem diese Spenden und Stiftungen vereinnahmt wurden, nicht abzugsfähig ist (EuGH C-316/18, Rz. 29).
Beispiel 7:
Ein Arzt hat ausschließlich nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfreie Umsätze aus Heilbehandlungsleistungen und kauft einen Pkw, den er privat und unternehmerisch nutzt.
Lösung 7:
Der Arzt führt keine Umsätze aus, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Der Vorsteuerabzug aus den Kosten der Anschaffung und Nutzung des Pkw für die unternehmerische und private Verwendung ist deshalb ausgeschlossen. Die private Verwendung führt zu keiner steuerbaren unentgeltlichen Wertabgabe (s.a. Beispiel 1 und 2 zu Abschn.15.2c. Abs.2 Nr.2 Buchst. b UStAE).
Beispiel 8:
Unternehmer U erwirbt einen Rasenmäher, den er zu 65 % für unternehmerische und zu 35 % für nicht unternehmerische Zwecke nutzt.
Lösung 8:
Für den Vorsteuerabzug sind drei Varianten möglich (Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE).
Variante 1:
U ordnet den Rasenmäher (einheitlicher Gegenstand) zu 100 % seinem unternehmerischen Bereich zu:
voller Vorsteuerabzug;
bezüglich der Privatnutzung liegt eine stpfl. unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vor;
die Veräußerung wäre voll stpfl.
Variante 2:
U ordnet den Rasenmäher zu 100 % seinem nichtunternehmerischen Bereich zu:
kein Vorsteuerabzug aus den AK;
die Vorsteuer aus den Reparatur- und Wartungskosten ist zu 65 % abzugsfähig (Abschn. 15.2c. Abs. 3 UStAE);
die Veräußerung ist nicht steuerbar;
eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG liegt nicht vor.
Variante 3:
U ordnet den Rasenmäher zu 65 % seinem unternehmerischen und zu 35 % seinem nichtunternehmerischen Bereich zu:
die Vorsteuer ist zu 65 % abzugsfähig;
keine Besteuerung der privaten Nutzung;
die Veräußerung ist zu 65 % steuerbar und stpfl. (Abschn. 15.2c. Abs. 4 Satz 6 UStAE).
Hinweis:
Die Veräußerung eines WG, dessen Erwerb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte, der aber dem Unternehmen zugeordnet wurde, ist – anders als eine Entnahme – steuerbar, auch wenn der Unternehmer erklärt, diesen Umsatz nicht versteuern zu wollen (BFH Urteil vom 2.3.2006, V R 35/04, BStBl II 2006, 675 → Unternehmensvermögen).
Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (Abschn. 25f.1. Abs. 1 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 15.6.2022, BStBl I 2022, 1001). Ein Unternehmer, der alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug – sei es eine Umsatzsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug – einbezogen sind, kann auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (Abschn. 25f.1. Abs. 4 Satz 1 UStAE). Der Umstand, dass eine Lieferung an einen Unternehmer vorgenommen wird, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen (BFH vom 19.4.2007, V R 48/04, BStBl II 2009, 315; Abschn. 15.2. Abs. 2 Satz 4 ff. UStAE).
Weitere ausführliche Kommentierung s. das Stichwort → Karussellgeschäfte unter dem gleichnamigen Gliederungspunkt.
Durch Art. 12 Nr. 19 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wird mit § 25f UStG eine neue Vorschrift zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges insbes. in Form von Ketten- oder Karussellgeschäften geschaffen (s.a. Wäger, UR 2/2020, 45 sowie Grommes, UR 4/2020, 135). Die Vorschrift ist erstmals auf Voranmeldungs- und Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 enden (§ 27 Abs. 30 UStG).
Mit Schreiben vom 15.6.2022 (BStBl I 2022, 1001) nimmt das BMF Stellung zur Versagung des Vorsteuerabzugs und zur Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung und fügt die Abschn. 25f.1. und Abschn. 25f.2. neu in den UStAE ein (s.a. Spilker, Anwendungsbereich und Rechtsfolgen des § 25f UStG, UR 2023, 589).
Zur Anwendung des § 25f UStG s. die Kommentierung im Stichwort → Karussellgeschäfte.
Zu den Voraussetzungen des vorgezogenen Vorsteuerabzug in den Fällen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bei Zahlungen vor Empfang der Leistung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG) s. → Anzahlungen.
Für den Vorsteuerabzug kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 7 UStAE). Bei Anzahlungen für Leistungen ist die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung maßgeblich (Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 14 UStAE und BFH vom 17.5.2001, V R 38/00, BStBl II 2003, 434).
Zur Vorsteuerberichtigung bei Anzahlungen s. → Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis unter dem Gliederungspunkt 3.4 »Rechnungsberichtigung«.
Hinweis:
Unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 30.6.2015 (VII R 30/14, BStBl II 2022, 246) und vom 22.8.2019 (V R 50/16, BStBl II 2022, 290) nimmt das BMF mit Schreiben vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 652) zum Direktanspruch in der USt Stellung. Dabei wird in Abschn. 15.11. UStAE ein neuer Abs. 8 eingefügt.
Weitere Erläuterungen dazu s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Direktanspruch des Leistungsempfängers gegen den Fiskus«.
Bei einer Schlussrechnung ergibt sich der abzugsfähige Vorsteuerbetrag aus der ausgewiesenen USt abzüglich der bereits in den Abschlagsrechnungen enthaltenen USt (BFH vom 5.9.2019, V R 38/17, BStBl II 2022, 696). Hat der leistende Unternehmer in einer Endrechnung die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge nicht nach § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG abgesetzt, ist die zu hoch ausgewiesene USt nicht als Vorsteuer abziehbar (BFH vom 11.4.2002, V R 26/01, BStBl II 2004, 317; Abschn. 15.2a. Abs. 8 UStAE).
Bei Kleinbetragsrechnungen i.S.d. § 33 UStDV (Rechnungen bis zu einem Gesamtbetrag von 250 €, → Rechnung) und bei Fahrausweisen (Rechnungen i.S.d. § 34 UStDV) kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, wenn er den Rechnungsbetrag in Entgelt und Steuerbetrag aufteilt (§ 35 Abs. 1 und 2 UStDV). Zur Vorsteuerberechnung mittels Faktors bzw. Divisors s. Abschn. 15.4. UStAE.
Bei der Aufteilung in Entgelt und Steuerbetrag ist der Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG (19 %) anzuwenden, wenn in der Rechnung dieser Steuersatz angegeben ist. Der Regelsteuersatz ist anzugeben, wenn die Beförderungsleistung nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG unterliegt (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 UStDV). Zum Vorsteuerabzug bei Fahrausweisen s. Abschn. 15.5. UStAE.
Hinweis:
Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 21.12.2019 (BGBl I 2019, 2886) wurde § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG geändert. Danach unterliegt der Schienenbahnverkehr – unabhängig von der Beförderungsstrecke – dem ermäßigten Steuersatz. Bis zum 31.12.2019 galt der ermäßigte Steuersatz nur dann, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km betrug.
Die Rechnung muss grundsätzlich vom leistenden Unternehmer oder vom Leistungsempfänger (Gutschrift) ausgestellt sein (s.a. BFH Urteil vom 30.4.2009, V R 15/07, BStBl II 2009, 744). Der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen USt ist grundsätzlich nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind (so auch BFH vom 10.9.2015, V R 17/14, BFH/NV 2016, 80, LEXinform 0934699). Die Angaben im Abrechnungspapier müssen eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen (§ 31 Abs. 2 UStDV). Zum Nachweis der Unternehmereigenschaft s. die Erläuterungen unter → Unternehmer.
Der BFH hat in seinen Urteilen vom 13.6.2018 (XI R 20/14, BStBl II 2018, 800) und vom 21.6.2018 (V R 25/15, BStBl II 2018, 809 sowie V R 28/16, BStBl II 2018, 806) in Änderung seiner vorherigen Rspr. entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist (Abschn. 15.2a. Abs. 2 Sätze 6 und 7 UStAE). Diese Änderung der Rspr. beruhte auf dem EuGH-Urteil vom 15.11.2017 (C-374/16 und C-375/16, UR 2017, 970, LEXinform 0651521).
Mit seinem Urteil vom 5.12.2018 (XI R 22/14, BStBl II 2020, 418) hat der BFH diese Aussage dahingehend präzisiert, dass für die Prüfung des Rechnungsmerkmals »vollständige Anschrift« der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich ist. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den den Vorsteuerabzug begehrenden Leistungsempfänger (Abschn. 14.5. Abs. 2 Satz 5 UStAE).
Weiterhin hat der BFH mit seinem Urteil vom 14.2.2019 (V R 47/16, BStBl II 2020, 424) entschieden, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug eine Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer erforderlich ist, was der Rspr. des EuGH, derzufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen, entspricht. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Steuerverwaltungen die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts kontrollieren können (Abschn. 15.2a. Abs. 2 Satz 3 UStAE).
Mit Schreiben vom 13.7.2020 (BStBl I 2020, 644) wird der UStAE an die Rspr. angepasst.
Der Unternehmer, der die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt hat, muss in der Rechnung grundsätzlich mit seinem wirklichen Namen bzw. mit der wirklichen Firma angegeben sein (§ 31 Abs. 2 UStDV). Bei der Verwendung eines unzutreffenden und ungenauen Namens (z.B. Scheinname oder Scheinfirma) kann der Vorsteuerabzug ausnahmsweise zugelassen werden, wenn der tatsächlich leistende Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar aus dem Abrechnungspapier ersichtlich ist (vgl. BFH Urteil vom 7.10.1987, X R 60/82, BStBl II 1988, 34). Diese Ausnahmekriterien sind eng auszulegen. S. dazu Abschn. 15.2a. Abs. 2 Satz 10 Nr. 1 bis 4 i.V.m. Abschn. 15.11. Abs. 3 Satz 3 UStAE sowie → Rechnung.
Am 1.1.2024 trat das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.2021 (BGBl I 2021, 3436) in Kraft.
Durch Art. 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023 (BGBl I 2023 Nr. 411; BT-Drs. 20/9782 – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses) wird u.a. mit den §§ 14a und 39 Abs. 2 Nr. 2 AO eine Anpassung an die mit dem MoPeG eintretenden Rechtsänderungen vorgenommen.
§ 705 Abs. 2 BGB n.F. führt die Legaldefinition der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen Gesellschaft in das Gesetz ein. »Die Gesellschaft kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft [§§ 705 bis 739 BGB]), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft [§§ 740 bis 740c BGB])«. Es handelt sich nicht mehr um Gesamthandsvermögen (bisher §§ 718, 719 BGB a.F.), sondern nach § 705 Abs. 2 i.V.m. § 713 BGB n.F. um Vermögen der Gesellschaft. S.a. die ausführliche Kommentierung unter → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt »Selbstständigkeit von Personengesellschaften«.
Wichtig:
Von der Neuregelung nicht betroffen sind die Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaften der §§ 741 ff. BGB.
Mit Schreiben vom 29.12.2023 (BStBl I 2024, 12) passt das BMF den AEAO an die Rechtsänderungen durch das Personengesellschaftsrechtsreformgesetz und die damit zusammenhängenden Änderungen der AO durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz an.
Während das BGB die Gesellschaften in rechtsfähige und nicht rechtsfähige unterteilt (s.o.), spricht § 14a AO nicht von Gesellschaften, sondern von Personenvereinigungen. § 14a AO definiert die Personenvereinigungen i.S.d. AO und der Steuergesetz.
Personenvereinigungen in diesem Sinne sind danach Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit zur Verfolgung eines gesetzlich zulässigen Zwecks (§ 14a Abs. 1 AO). Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit (z.B. AG, GmbH, eingetragener Verein i.S.d. § 21 BGB, wirtschaftlicher Verein i.S.d. § 22 BGB) sind keine Personenvereinigungen i.S.d. § 14a AO (AEAO zu § 14a Nr. 1).
Die Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit sind nach § 14a Abs. 2 und 3 AO zu unterscheiden in
rechtsfähige (§ 14a Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AO; z.B. Vereine ohne Rechtspersönlichkeit, rechtsfähige Gesellschaften wie OHG, KG),
nicht rechtsfähige (§ 14a Abs. 3 Nr. 1 bis 3AO; z.B. Bruchteilsgemeinschaften nach § 741 BGB oder Erbengemeinschaften).
Die Aufzählung rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen in § 14a Abs. 2 und 3 AO ist nicht abschließend (AEAO zu § 14a Nr. 2).
Mit Schreiben vom 22.3.2024 (DStR 2024, 770, LEXinform 7013889) nimmt das BMF weitere Anpassungen des AEAO an das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz und das Kreditzweitmarktförderungsgesetz vor. Dabei wird im AEAO zu § 14a eine neue Nr. 8 angefügt. Es geht dabei um die Abgrenzung einer rechtsfähigen (§ 14a Abs. 2 AO) von einer nicht rechtsfähigen (§ 14a Abs. 3 AO) Personenvereinigung. Von Bedeutung ist die Abgrenzung insbes. bei der Bekanntgabe von Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung (§§ 183, 183a AO).
Wichtig:
Die Unterscheidung in rechtsfähige bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigungen hat für die Umsatzsteuer keine Bedeutung.
Gesellschaften (GbR, OHG usw.) bilden Eigentum zur gesamten Hand (Gesamthandseigentum). Gesamthandseigentum – und somit eine Gesellschaft – liegt vor, wenn über den Erwerb z.B. eines Grundstücks hinaus ein gemeinsamer wirtschaftlicher Zweck i.S.v. § 705 BGB verfolgt wird (s.a. BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 825, Rz. 25 bis 29).
Der gemeinsame Zweck muss über das bloße Anschaffen, Halten und Benutzen (§§ 744 ff. BGB) eines Gegenstandes hinausgehen.
Die Übertragung von Gegenständen in das Gesamthandsvermögen hat einen Wechsel der Rechtszuständigkeit zur Folge. Die Mitglieder sind an dem gemeinschaftlichen Vermögen nicht mehr gegenständlich, sondern nur noch ziffernmäßig zur gesamten Hand beteiligt (Grobshäuser/Maier/Kies, Besteuerung der Gesellschaften – Finanz und Steuern Band 7, 47 ff., 4. A.; § 718 Abs. 1 BGB; BFH vom 22.11.2007, V R 5/06, BStBl II 2008, 448). Erbringen diese Gesellschaften Leistungen mit dem eigenen Gesamthandsvermögen, liegen Leistungen der Gesellschaft, nicht aber Leistungen der Gesellschafter vor.
Bruchteilsgemeinschaften i.S.d. § 741 ff. BGB sind Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, insbes. keine Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 825, Rz. 25). Wie oben erläutert, ist das Recht der Gemeinschaften der §§ 741 ff. BGB nicht von der Gesetzänderung durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz ab 1.1.2024 betroffen. Wie bisher handelt es sich um nicht rechtsfähige Personenvereinigungen (s. § 14a Abs. 3 AO).
Mit Urteil vom 22.11.2018 (V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, LEXinform 0951786) hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. entschieden, dass eine Bruchteilsgemeinschaft nicht Unternehmer sein kann. Stattdessen sollen die Gemeinschafter als jeweilige Unternehmer anteilig von ihnen zu versteuernde Leistungen erbringen (s.a. Pressemitteilung Nr. 5/2019 vom 6.2.2019, LEXinform 0449319 sowie Anmerkung vom 12.2.2019, LEXinform 0653606).
Die Aufgabe des Gesamthandsprinzips hat – wie auch die Unterscheidung in rechtsfähige bzw. nicht rechtsfähige Gesellschaften – keine Auswirkung auf die Umsatzsteuer. Mit der Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG durch das JStG 2022 vom 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294) macht der Gesetzgeber deutlich, dass jedes Rechtsgebilde Unternehmer sein kann, unabhängig davon, ob dieses Rechtsgebilde nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Ob eine Personenvereinigung i.S.d. § 14a AO Stpfl. i.S.d. § 33 Abs. 1 AO ist, bestimmt sich jeweils nach dem materiellen Steuerrecht (AEAO zu § 14a Nr. 7).
Eine Lieferung oder sonstige Leistung wird grds. an diejenige Person ausgeführt, die aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt oder verpflichtet ist. Leistungsempfänger ist somit regelmäßig der Auftraggeber oder Besteller einer Leistung (Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG). Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ist u.a. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass der umsatzsteuerliche Leistungsempfänger in der Rechnung bezeichnet ist. Es ist jede Bezeichnung des Leistungsempfängers ausreichend, die eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung seines Namens und seiner Anschrift ermöglicht (Abschn. 15.2a. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE).
Für den Vorsteuerabzug müssen aus den Rechnungen der erhaltenen Eingangsleistungen der Name und die Anschrift u.a. des Leistungsempfängers eindeutig hervorgehen (§ 31 Abs. 2 UStDV). Eine Lieferung oder sonstige Leistung wird grundsätzlich an diejenige Person ausgeführt, die aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt oder verpflichtet ist (vgl. BFH vom 28.8.2013, XI R 4/11, BStBl II 2014, 282). Der Vorsteuerabzug steht also dem Unternehmer zu, der als Leistungsempfänger eine auf ihn lautende Rechnung mit gesondert ausgewiesener Steuer besitzt (s.a. BFH vom 7.11.2000, V R 49/99, BStBl II 2008, 493 unter II.1.). Leistungsempfänger ist somit regelmäßig derjenige, der aus dem der Leistung zugrundeliegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber oder Besteller einer Leistung berechtigt und verpflichtet ist (Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE; s.a. BFH vom 1.10.1998, V R 31/98, BStBl II 2008, 497 unter II.2.a und b). Diese grundsätzliche Anknüpfung des Umsatzsteuerrechts an das Zivilrecht bei der Bestimmung des Leistungsempfängers ist insbes. im Interesse des Leistenden (Auftragnehmers) geboten. Denn die zivilrechtliche Rechtslage ist u.a. maßgebend dafür, wem gegenüber er eine Rechnung über von ihm ausgeführte stpfl. Lieferungen oder sonstige Leistungen erteilen darf bzw. muss (BFH V R 49/99 unter II.2.).
Bei gemeinschaftlicher Auftragserteilung durch mehrere Personen ist entscheidend, ob die Personenmehrheit als solche eine (umsatzsteuerrechtlich) eigenständige Rechtsperson – Gesellschaft oder wirtschaftlich tätige Gemeinschaft – ist oder ob sie lediglich gemeinschaftlich verbunden ist (Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft; s. BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 825, Rz. 28; s.u.). Wenn sowohl die Gemeinschaft als auch die Gemeinschafter Unternehmer sind, muss festgestellt werden, ob die Gemeinschaft oder der Gemeinschafter den Vorsteuerabzug aus einem Leistungsbezug nach § 15 Abs. 1 UStG beanspruchen kann. Denn der Vorsteuerabzug kann nicht beiden Unternehmern gleichzeitig zustehen (vgl. BFH vom 19.12.1991 V R 35/87, BFH/NV 1992, 569; Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 5 und 6 UStAE).
Eine Gesellschaft kann aus einer Rechnung, die nur auf einen Gesellschafter ausgestellt ist, keinen Vorsteuerabzug vornehmen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf die Gesellschaft als Leistungsempfänger enthält (Abschn. 15.2a. Abs. 3 Satz 4 UStAE).
Beispiel 9:
Die A-GbR, bestehend aus den Gesellschaftern A und B zu jeweils 50 %, vermietet landwirtschaftliche Geräte an Landwirte. Die Geräte bilden bis zum 31.12.2023 nach §§ 718, 719 BGB a.F. Gesamthandseigentum der GbR.
Ab 1.1.2024 ersetzt § 713 BGB n.F. den geltenden § 718 BGB a.F. § 713 BGB n.F. stellt klar, dass das dem gemeinsamen Zweck gewidmete wie auch das daraufhin erworbene Vermögen nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern der Gesellschaft selbst gehört (BT-Drs. 19/27635, 148).
Im Auftrag der GbR beauftragt A am 5.6.20 die Werkstatt W, den Traubenvollernter zu reparieren. Am 19.6.20 erhält A eine Rechnung von W über die Reparatur i.H.v. 2 000 € zzgl. 19 % USt i.H.v. 380 €. Die Rechnung erhält keinen Hinweis auf die Gesellschaft als Leistungsempfänger.
Lösung 9:
Mit der gemeinschaftlichen Auftragserteilung der Reparatur ist die Gesellschaft Leistungsempfänger. Leistungsempfänger ist somit regelmäßig derjenige, der aus dem der Leistung zugrundeliegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber oder Besteller einer Leistung berechtigt und verpflichtet ist (Abschn. 15.2b Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE). Da aber nicht die GbR, sondern lediglich der Gesellschafter A als Leistungsempfänger bezeichnet ist, handelt es sich nicht um eine ordnungsgemäße Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG. Die GbR kann aus einer Rechnung, die nur auf einen Gesellschafter ausgestellt ist, keinen Vorsteuerabzug vornehmen, da auch die Rechnung keinen Hinweis auf die GbR als Leistungsempfänger enthält (Abschn. 15.2a. Abs. 3 Satz 4 UStAE).
A kann ebenfalls keinen Vorsteuerabzug vornehmen, da
er nicht Leistungsempfänger ist (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) und
die Leistung nicht für sein Unternehmen ausgeführt wurde (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG; Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 1 UStAE).
Die Maschinen sind Unternehmensvermögen der GbR.
Beispiel 10:
Die A-GbR, bestehend aus den Gesellschaftern A und B zu jeweils 50 %, vermietet landwirtschaftliche Geräte an Landwirte. Die Geräte bilden Gesamthandseigentum der GbR (s.o. Beispiel 9). Gesellschafter A nutzt den Traubenvollernter der GbR zu 30 % in seinem eigenen Weinbautrieb.
Im Auftrag der GbR beauftragt A am 5.6.20 die Werkstatt W, den Traubenvollernter zu reparieren. Am 19.6.20 erhält A eine Rechnung von W über die Reparatur i.H.v. 2 000 € zzgl. 19 % USt i.H.v. 380 €. Die Rechnung erhält keinen Hinweis auf die Gesellschaft als Leistungsempfänger.
Lösung 10:
Wie oben unter Lösung 9 dargestellt, ist die GbR Leistungsempfänger. Die GbR kann aus einer Rechnung, die nur auf einen Gesellschafter ausgestellt ist, keinen Vorsteuerabzug vornehmen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf die Gesellschaft als Leistungsempfänger enthält (Abschn. 15.2a. Abs. 3 Satz 4 UStAE).
Als Unternehmer ist der Gesellschafter A für Zwecke des Vorsteuerabzugs ebenfalls als Leistungsempfänger anzusehen. Wird ein nicht zum Unternehmen gehörender Gegenstand gelegentlich dem Unternehmen überlassen, können die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Gegenstands anfallenden Vorsteuern (z.B. Vorsteuerbeträge aus Betrieb und Wartung eines nicht dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands) im Verhältnis der unternehmerischen zur unternehmensfremden Nutzung abgezogen werden. A kann somit 30 % der in Rechnung gesondert ausgewiesenen USt i.H.v. 380 € = 114 € als Vorsteuer geltend machen (Abschn. 15.2c. Abs. 3 Satz 2 UStAE).
Abwandlung Beispiel 10:
A lässt den Traubenvollernter reparieren, weil der Schaden während eines Einsatzes in seinem Weinberg eingetreten ist.
Lösung Abwandlung:
Vorsteuerbeträge, die unmittelbar und ausschließlich auf die unternehmerische Verwendung des Gegenstands entfallen (z.B. die Steuer für den Bezug von Kraftstoff anlässlich einer betrieblichen Fahrt oder Vorsteuerbeträge aus Reparaturaufwendungen in Folge eines Unfalls während einer unternehmerisch veranlassten Fahrt), können unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG in voller Höhe abgezogen werden (Abschn. 15.2c. Abs. 3 Satz 3 UStAE).
Beispiel 11:
Die Landwirte A und B errichten eine GbR. Die GbR erwirbt einen Traubenvollernter, den A und B jeweils ausschließlich in ihrem Betrieb einsetzen. Die GbR selbst tätigt keinerlei Umsätze. Die Rechnung aus der Anschaffung der Vollernters ist auf die GbR ausgestellt. Lediglich A hat nach § 24 Abs. 4 UStG auf die Anwendung der Durchschnittssätze verzichtet.
Lösung 11:
Zu Sachverhalt und Lösung s. das BFH-Urteil vom 3.11.2005 (V R 53/03, BFH/NV 2006, 841).
Sowohl A als auch B sind als Inhaber eigener landwirtschaftlicher Betriebe Unternehmer; der Vollernter dient beiden Unternehmern zur Erzielung von Umsätzen im Rahmen ihres jeweiligen Unternehmens.
Wenn eine Personenmehrheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit nicht der Steuer unterliegt und daher keine Vorsteuer abziehen kann, muss ein solches Abzugsrecht den Mitgliedern der Personenmehrheit einzeln zugestanden werden, sofern sie Unternehmer sind (vgl. EuGH vom 21.4.2005, C-25/03, BStBl II 2007, 23, Rz. 57). Auch nach der Rspr. des BFH kann die jeweilige natürliche Person mit ihrem Anteil an der Personenmehrheit Leistungsempfänger sein (vgl. BFH vom 1.8.2002, V R 19/00, BFH/NV 2003, 209 unter II.2. und vom 6.10.2005, V R 40/01, BStBl II 2007, 13).
Bei gemeinsamem Erwerb durch mehrere Personen in Form einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Gemeinschaft (Bruchteilsgemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und die selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. UStG ausübt; s. BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 825, Rz. 26) sind die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen (BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 2021, 825; s.a. Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 7 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021, BStBl I 2021, 2137).
Nach diesen Grundsätzen sind die Gesellschafter A und B und nicht die GbR Leistungsempfänger. Soweit bei gemeinsamem Erwerb durch mehrere Personen der einzelne Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen ist (vgl. Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 7 UStAE) und Miteigentum an einem Gegenstand erwirbt, steht dem Gemeinschafter das Zuordnungswahlrecht bezogen auf seinen Anteil am Miteigentum zu (Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 5 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021, BStBl I 2021, 2137). Der Vorsteuerabzug des Gesellschafters B ist nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG auf den maßgeblichen Durchschnittssatz für die Umsätze i.S.d. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG begrenzt; ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt.
Beispiel 12:
Die Eheleute M und F erwerben jeweils zur Hälfte ein Grundstück und errichten darauf einen Neubau.
M und F gründen eine OHG und führen als M u. F-OHG Beratungsleistungen aus. Die OHG nutzt 24 % des Neubaus für die Beratungstätigkeit. Im Übrigen nutzen die Eheleute M und F das Grundstück für private Wohnzwecke. Die OHG erbringt für die Nutzung des Grundstücks keine Gegenleistung. Das Gebäude wird weder ganz noch teilweise in das Gesamthandsvermögen der OHG übertragen.
Die Eheleute M und F machen die Vorsteuer für die Errichtung des durch die OHG genutzten Gebäudeteils als »Grundstücksgemeinschaft M und F« geltend.
Lösung 12:
Zu Sachverhalt und Lösung s. das BFH-Urteil vom 6.9.2007 (V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, LEXinform 0587502).
M u. F-OHG:
Das Gebäude ist kein Gesamthandsvermögen der OHG. Der OHG steht aus der Errichtung des Neubaus somit kein Vorsteuerabzug zu. Die OHG ist nicht Leistungsempfänger (s.a. Abschn. 15.20. Abs. 1 Satz 3 UStAE).
M u. F-Grundstücksgemeinschaft:
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind nur Unternehmer aus bezogenen Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt. Eine entgeltliche – unternehmerische – Leistungstätigkeit kann sich aus einer Nutzungsüberlassung ergeben (s.a. Abschn. 1.6. Abs. 7 UStAE). Eine i.S.v. § 2 UStG unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit der Gesellschaft liegt nur vor, wenn die Nutzungsüberlassung selbst gegen Entgelt erfolgt.
Die Grundstücksgemeinschaft ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie nutzt das von ihr errichtete Gebäude weder ganz noch im Umfang der Überlassung an die OHG zur Erbringung entgeltlicher Leistungen. Die Nutzungsüberlassung an die OHG erfolgt unentgeltlich.
Der BFH hat mit Urteil vom 28.8.2014 (V R 49/13, BStBl II 2021, 825) entschieden, dass (nur) die unentgeltliche Überlassung eines in Bruchteilsgemeinschaft erworbenen Gegenstands an einen der Gemeinschafter weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft begründet (s.a. Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 9 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021, BStBl I 2021, 2137).
M und F persönlich in ihrer Eigenschaft als Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft:
Kommt einer Personenmehrheit keine eigene Rechtspersönlichkeit zu und ist diese Personenmehrheit nicht als Unternehmer anzusehen, sodass die Personenmehrheit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, können die Mitglieder der Personenmehrheit bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Dies setzt aber voraus, dass das jeweilige Mitglied der Personenmehrheit aufgrund der von ihm persönlich ausgeübten Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Eine unternehmerische Tätigkeit des Mitglieds einer Miteigentümergemeinschaft kann sich z.B. daraus ergeben, dass der Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil der Gemeinschaft entgeltlich zur Nutzung überlässt (vgl. hierzu BFH vom 16.5.2002, V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347); Abschn. 1.6. Abs. 7 Nr. 1 UStAE mit Beispielen).
Die Eheleute M und F haben als Miteigentümer der Gemeinschaft ihre Miteigentumsanteile nicht an die Gemeinschaft gegen Entgelt überlassen. Eine Zuordnung des Gebäudemiteigentums zu eigenen Unternehmenszwecken scheidet aus.
M und F als Gesellschafter der OHG:
Die unternehmerische Tätigkeit der OHG ist weder der Grundstücksgemeinschaft noch M und F persönlich zuzurechnen. Im Gegensatz zum EStG, das nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Gesellschafter einer OHG als Mitunternehmer ansieht, müssen Gesellschaft und Gesellschafter umsatzsteuerrechtlich ihre Unternehmerstellung jeweils eigenständig begründen (BFH Beschluss vom 9.3.1989, V B 48/88, BStBl II 1989, 580). Im Hinblick auf die Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer gilt dieses Trennungsprinzip gleichermaßen für KapGes und PersGes und auch Miteigentümergemeinschaften. Danach können weder die Grundstücksgemeinschaft noch M und F einen Unternehmerstatus und eine sich hieran anknüpfende Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus der Tätigkeit der OHG ableiten.
Wer sich an einer PersGes oder KapGes beteiligt, übt zwar eine »Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen« aus. Gleichwohl ist er im Regelfall nicht Unternehmer i.S.d. UStG, weil Dividenden und andere Gewinnbeteiligungen aus Gesellschaftsverhältnissen nicht als umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen sind. Soweit daneben eine weitergehende Geschäftstätigkeit ausgeübt wird, die für sich die Unternehmereigenschaft begründet, ist diese vom nichtunternehmerischen Bereich zu trennen (Abschn. 2.3. Abs. 2 Satz 2 bis 4 UStAE).
Für die Unternehmereigenschaft einer PersGes ist es unerheblich, ob ihre Gesellschafter Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 2. HS UStG kann auch eine Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer sein (Abschn. 2.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE). Rechtsfähigkeit i.S.d. BGB ist für die Eigenschaft als Stpfl. i.S.d. UStG nicht erforderlich. Die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstands der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten GbR bedarf es nicht (BFH vom 25.3.1993, V R 42/89, BStBl II 1993, 729, Rz. 13; vom 23.9.2009, XI R 14/08, BStBl II 2010, 243; BFH Beschluss vom 1.9.2010, XI S 6/10, BFH/NV 2010, 2140, Rz. 8).
Nach dem BFH-Urteil vom 28.8.2014 (V R 49/13, BStBl II 2021, 825) wird allein durch die gemeinschaftliche Anschaffung eines Wirtschaftsguts durch zwei oder mehr Unternehmer keine GbR begründet, weil hiermit kein gemeinschaftlicher wirtschaftlicher Zweck i.S.v. § 705 BGB a.F. verfolgt wird. Dieser wirtschaftliche Zweck mit der Folge der Unternehmenseigenschaft liegt gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL nur vor, wenn entgeltlich Lieferungen oder Dienstleistungen erbracht werden.
Hinweis:
Mit Schreiben vom 27.10.2021 (BStBl I 2021, 2137) nimmt das BMF Stellung zum Vorsteuerabzug im Fall einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft sowie zur Anwendung der BFH-Urteile vom 28.8.2014 (V R 49/13, BStBl II 2021, 825, s.o.) und vom 31.5.2017 (XI R 40/14, BStBl II 2021, 828).
Wird die Gemeinschaft selbst nicht unternehmerisch tätig, handelt es sich um eine Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft (BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 2021, 825, Rz. 28). Es erfolgt kein Zwischenerwerb durch die Interessengemeinschaft. Die Gesellschafter sind vielmehr als Leistungsempfänger des jeweiligen Miteigentumsanteils anzusehen (BFH V R 49/13, Rz. 32). Die Gemeinschafter einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft können über ihren Anteil an dem Gegenstand ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft verfügen und ihn veräußern (Abschn. 3.5. Abs. 2 Nr. 6 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021, BStBl I 2021, 2137; BFH vom 28.8.2014, V R 49/13, BStBl II 2021, 825).
Eine Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft ist weder eine Gesellschaft, noch übt sie eine eigene wirtschaftliche – und somit keine unternehmerische Tätigkeit – aus (BFH V R 49/13, Rz. 25 bis 29).
Bereits mit Urteil vom 3.11.2005 (V R 53/03, BFH/NV 2006, 841; s.o. Beispiel 11) hat der BFH entschieden, dass eine nicht unternehmerisch tätige GbR umsatzsteuerrechtlich nicht Leistungsempfänger sein kann. Leistungsempfänger sind die Gesellschafter. Jedem der Gesellschafter steht unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG der Vorsteuerabzug entsprechend seinem Anteil an der GbR zu (Abschn. 15.2b. Abs. 1 Satz 7 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.10.2021, BStBl I 2021, 2137; s.a. → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt 3.2 »Bruchteilsgemeinschaften«).
Die folgende Übersicht gibt einen Überblick zur Vorsteuerabzugsberechtigung bei Gesellschaften und Gemeinschaften. S.a. die ausführliche Darstellung unter → Grundstücksgemeinschaften sowie die Erläuterungen unter → Gebäude auf fremdem Grund und Boden.
Abb.: Vorsteuerabzugsberechtigung bei Gesellschaften/Gemeinschaften (1)
Abb.: Vorsteuerabzugsberechtigung bei Gemeinschaften (2)
Zum Leistungsbezug und zum Vorsteuerabzug einer Vorgründungsgesellschaft sowie zur Anwendung des BFH-Urteils vom 11.11.2015 (V R 8/15, BStBl II 2022, 288) hat das BMF mit Schreiben vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 650) Stellung genommen. Dabei werden in Abschn. 15.2b. Abs. 3 UStAE die bisherigen Satz 8 und 9 gestrichen. Dafür wird nach Abs. 3 ein neuer Abs. 4 mit der Zwischenüberschrift »Leistungsbezug durch Vorgründungsgesellschaft oder Gesellschafter« angefügt. S. dazu die ausführlichen Erläuterungen zu → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt »Beginn der Unternehmereigenschaft einer Kapitalgesellschaft« und dort »Vorgründungsgesellschaft«.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG kann ein Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs s. → Einfuhrumsatzsteuer.
Für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 UStG ist nicht Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger im Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten → Rechnung ist (EuGH Urteil vom 1.4.2004, C-90/02, UR 2004, 367, LEXinform 0168954; Abschn. 15.10. Abs. 1 UStAE).
Der Erwerber kann die für den innergemeinschaftlichen Erwerb geschuldete USt als Vorsteuer abziehen, wenn er den Gegenstand für sein Unternehmen bezieht und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (→ Innergemeinschaftlicher Erwerb).
Ein Unternehmer kann die auf ihn als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG übergegangene Steuer (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers; → Rechnung) als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehen, wenn er Leistungen nach § 13b Abs. 1 und 2 UStG für sein Unternehmen empfangen hat und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug zulassen. Zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers s. die Verwaltungsregelungen in Abschn. 13b.15. UStAE.
Beispiel 13:
D ist als Dirigent selbstständig tätig. Er übt seine Tätigkeit in Konzert-, Opern- und Theaterhäusern im Inland und im Ausland aus. Die zuständige Landesdirektion bescheinigte ihm unbefristet, die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG zu erfüllen. Für die Vermittlung von Engagements in Spanien, Italien und in den Niederlanden stellten zwei im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Irland und Italien) ansässige Künstleragenturen dem D Provisionen in Rechnung, die auch bezahlt wurden. D beantragt den Vorsteuerabzug aus diesen Vermittlungsleistungen.
Lösung 13:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 22.8.2019 (V R 14/17, BStBl II 2020, 720).
Die Agenturen haben als im Ausland ansässige Unternehmer Vermittlungsleistungen an den D erbracht, die nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerbar sind. Die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge schuldet D als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG. Die Beträge könnten aber nicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, weil sie zur Verwendung für Leistungen im Ausland bezogen worden sind, die im Inland steuerfrei wären (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG).
Erteilt der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine Rechnung, die entgegen § 14a Abs. 5 Satz 1 UStG nicht die Angabe »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« enthält (vgl. Abschn. 13b.14. Abs. 1 UStAE), ist dem Leistungsempfänger dennoch der Vorsteuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zu gewähren, da nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG das Vorliegen einer Rechnung nach §§ 14, 14a UStG nicht Voraussetzung für den Abzug der nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldeten Steuer als Vorsteuer ist (Abschn. 13b.15. Abs. 2 UStAE).
S. → Umsatzsteuerlagerregelung sowie das BMF-Schreiben vom 28.1.2004 (BStBl I 2004, 242; Abschn. 4.4a.1. UStAE). Ist der Auslagerer der Abnehmer der letzten vor der Auslagerung liegenden Lieferung, kann er die von ihm nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG geschuldete USt als Vorsteuer abziehen, wenn er die Lieferung für sein Unternehmen bezieht und zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG). Der Vorsteuerabzug ist unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG auch ohne gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung möglich (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG; Abschn. 15.10. Abs. 1 UStAE).
Hinweis:
Mit dem JStG 2024 (Gesetzentwurf der Bundesregierung) ist geplant, mit Art. 22 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 45 Abs. 10 die Umsatzsteuerlagerregelung des § 4 Nr. 4a UStG ab 1.1.2026 aufzuheben. Als Folgeänderung dazu wird in § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG die Nr. 5 aufgehoben.
Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzsteuerlagerregelung für nur wenige Wirtschaftsbeteiligte im Verhältnis zu dem damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand soll die Umsatzsteuerlagerregelung abgeschafft werden. Die Abschaffung der Umsatzsteuerlagerregelung setzt eine diesbezügliche Empfehlung des Bundesrechnungshofes in seiner Prüfung »Risiken im Zusammenhang mit Umsatzsteuerlagern« um (Regierungsentwurf zum JStG 2024, 214).
Mit der Streichung des § 4 Nr. 4a UStG entsteht die USt künftig bereits auf vorheriger Stufe – mit bzw. während einer Einlagerung des Gegenstandes.
Beispiel 14:
Ein unter die Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG fallender Gegenstand ist in einem Umsatzsteuerlager im Inland eingelagert. Unternehmer A liefert den Gegenstand an den Unternehmer B und B an den Unternehmer C. B versendet den Gegenstand aus dem Umsatzsteuerlager an C.
Lösung 14:
Bisher ist die Lieferung des A an B steuerfrei nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 UStG. Die Lieferung des B an C ist stpfl. (§ 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG). Steuerschuldner ist B (§ 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG). B stellt C eine Rechnung aus, in der er die USt gesondert ausweist. Erfüllt die Rechnung die Anforderungen des § 14 UStG, kann C die gesondert ausgewiesene USt unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Mit der geplanten Aufhebung des § 4 Nr. 4a UStG wäre ab 1.1.2026 die Lieferung des A an B steuerbar und stpfl. Die USt entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist B zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Wie bisher ist die Lieferung des B an C steuerbar und stpfl., da kein Fall des § 4 UStG vorliegt. Steuerschuldner ist B nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. C ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Beispiel 15:
Ein unter die Anlage 1 zu § 4 Nr. 4a UStG fallender Gegenstand ist in einem Umsatzsteuerlager im Inland eingelagert. Unternehmer A liefert den Gegenstand an den Unternehmer B und B an den Unternehmer C. C holt den Gegenstand aus dem Umsatzsteuerlager ab.
Lösung 15:
Die Lieferung des A an B ist steuerfrei nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 UStG. Ebenso ist zunächst die Lieferung des B an C steuerfrei. Im Zeitpunkt, in dem der Gegenstand das Umsatzsteuerlager verlässt, wird die Lieferung des B an C stpfl. (§ 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG). Steuerschuldner ist C (§ 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG). C hat den Umsatz in seiner USt-Voranmeldung anzumelden. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG kann C diese Steuer als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz1 Nr. 5 UStG).
Mit der geplanten Aufhebung des § 4 Nr. 4a UStG wären ab 1.1.2026 sowohl die Lieferung A an B als auch die von B an C steuerbar und stpfl. Unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 6a UStG könnte auch ein Reihengeschäft vorliegen. A als auch B sind Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sind sowohl A als auch B zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Nach § 15 Abs. 1a UStG sind Vorsteuerbeträge aus Leistungen für das Unternehmen (vgl. insbes. Abschn. 15.2a., 15.2b. und 15.2c. UStAE, → Unternehmensvermögen und Abschn. 15.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE) nicht abziehbar, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 1 EStG: Geschenke an Personen, die nicht ArbN des Unternehmers sind (→ Unentgeltliche Wertabgabe);
Nr. 2 EStG: Bewirtungsaufwendungen (→ Bewirtungsaufwendungen). Angemessene und nachgewiesene Bewirtungsaufwendungen berechtigen auch insoweit zum Vorsteuerabzug, als § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG einen Abzug als BA ausschließt (Abzugsverbot von 30 % der angemessenen und nachgewiesenen Aufwendungen, Vorsteuerabzug aus 100 % der angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen). S.a. das Beispiel unter → Bewirtungsaufwendungen;
Nr. 3 EStG: Aufwendungen für Gästehäuser;
Nr. 4 EStG: Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segelyachten oder Motoryachten sowie für ähnliche Zwecke;
Nr. 7 EStG: andere dort genannte unangemessene Aufwendungen, die die Lebensführung berühren
oder des § 12 Nr. 1 EStG gilt. Vom Vorsteuerausschluss ausgenommen sind Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.
Die Regelung des § 15 Abs. 1a UStG bezieht sich nicht auf die Tatbestände des § 4 Abs. 5
Nr. 5 EStG: Mehraufwendungen für Verpflegung;
Nr. 6 EStG: Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte, für Familienheimfahrten wegen einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung;
Nr. 6a EStG: betrieblich veranlasste Übernachtungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung;
Nr. 6b EStG: Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (→ Häusliches Arbeitszimmer).
Für diese vorgenannten Aufwendungen kann der Unternehmer beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug beanspruchen (Abschn. 15.6. Abs. 1 UStAE).
Für die Abgrenzung der nicht abziehbaren Aufwendungen gelten die ertragsteuerrechtlichen Grundsätze in R 4.10 EStR. Maßgeblich ist, ob der Aufwand seiner Art nach von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG erfasst wird (BFH Urteil vom 2.7.2008, XI R 66/06, BStBl II 2009, 206). Die tatsächliche ertragsteuerrechtliche Behandlung ist für den Bereich der USt nicht bindend (Abschn. 15.6. Abs. 2 UStAE).
Die Versagung des Vorsteuerabzugs für ertragsteuerrechtlich angemessene Bewirtungsaufwendungen allein wegen nicht eingehaltener Formvorschriften für den Nachweis für BA (einzelne und getrennte Aufzeichnung nach § 4 Abs. 7 EStG, vgl. R 4.11 EStR) ist aber nicht zulässig. Für den Vorsteuerabzug gelten die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG (Abschn. 15.6. Abs. 2 Satz 5 und 6 UStAE).
Hinweis:
Das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG trifft nur dann zu, wenn die betreffenden Aufwendungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dem Unternehmen zuzuordnen sind (Abschn. 15.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Liefert der Unternehmer Gegenstände, für die er den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG nicht in Anspruch nehmen konnte, sind diese Lieferungen in die Bemessung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 28 UStG nicht einzubeziehen. Dies gilt auch, wenn das Unternehmen erst durch die Veräußerungstätigkeit entsteht (BFH vom 26.9.2019, V R 27/19, BFH/NV 2020, 67, LEXinform 0952401; s. → Gesamtumsatz unter dem Gliederungspunkt »Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 3 UStG« und dort »Ermittlungsschema«; s.a. Kurzbeitrag vom 3.12.2019 unter LEXinform 0653692).
Beispiel 16:
Unternehmer U erwirbt im Voranmeldungszeitraum Januar Gegenstände, die als Geschenke an Geschäftsfreunde vorgesehen sind. Der Wert der einzelnen Gegenstände beträgt 65 € zzgl. 12,35 € USt.
Beachte:
Durch Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 35 Abs. 4 des Wachstumschancengesetzes vom 27.3.2024 (BGBl I 2024 Nr. 108) wird ab 1.1.2024 die Freigrenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG von bisher 35 € auf 50 € angehoben.
Lösung 16:
S.a. Beispiel 19.
Für die Bemessung der 50 €-Freigrenze für Geschenke nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG sind die Anschaffungs- oder HK einschließlich eines umsatzsteuerrechtlich nicht abziehbaren Vorsteuerbetrages maßgebend; dabei bleibt § 15 Abs. 1a UStG unberücksichtigt (R 9b Abs. 2 Satz 3 und R 4.10 Abs. 3 Satz 1 EStR).
Die unentgeltliche Zuwendung von Gegenständen an Geschäftsfreunde stellt dann eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG dar, wenn es sich nicht um Geschenke von geringem Wert handelt. Derartige Geschenke von geringem Wert liegen vor, wenn die AK oder HK der dem Empfänger im Kj. zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 € (Nettobetrag ohne USt) nicht übersteigen (Abschn. 3.3. Abs. 11 UStAE). D.h., Geschenke von geringem Wert werden nicht für eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG verwendet.
Hinweis:
Durch das BMF-Schreiben vom 12.7.2024 (BStBl I 2024, 1131) wird in Abschn. 3.3. Abs. 11 UStAE ab 1.1.2024 der Betrag von 35 € durch den Betrag von 50 € ersetzt.
Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung bereits bei Leistungsbezug für einen einheitlichen Gegenstand zu treffen ist (Abschn. 15.2c. Abs. 16 Satz 1 UStAE). Da der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug die bezogene Leistung (Geschenk) nicht für seine unternehmerische Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für die Erbringung einer unentgeltlichen Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG zu verwenden beabsichtigt, ist er nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistung nicht für sein Unternehmen bezogen wurde (Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abschn. 15.15. Abs. 1 mit Beispiel 1 UStAE). Wegen des mangelnden Vorsteuerabzugs unterbleibt eine anschließende Wertabgabenbesteuerung (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
Hinweis:
Der Vorsteuerabzug im Beispielsfall entfällt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und nicht nach § 15 Abs. 1a UStG.
Ist bei einem Geschenk der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG ausgeschlossen, so kann die Schenkung nicht den Tatbestand der unentgeltlichen Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG erfüllen, da Satz 2 dieser Bestimmung nicht zutrifft (Stadie in: Rau/Dürrwächter, USt, 186. Lieferung 04.2020, § 15 UStG, Rz. 1325).
Ertragsteuerrechtlich gehört die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abziehbare Vorsteuer nach § 9b Abs. 1 EStG zu den AK (s.a. R 9b Abs. 2 Satz 3 EStR; Schmidt/Weber-Grellet, ESt § 9b, Rz. 2 ff.). Für die Bemessung der Freigrenze ist damit auf den Bruttowert i.H.v. 77,35 € abzustellen. Die Freigrenze von 50 € wird überschritten.
Im Gegensatz dazu gehört die nach § 15 Abs. 1a UStG nicht abziehbare Vorsteuer nicht zu den AK, sondern unterliegt dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 3 EStG (R 9b Abs. 3 EStR). § 9b EStG findet insoweit keine Anwendung.
S. die Verwaltungsregelungen in Abschn. 15.6. Abs. 4 und 5 UStAE und das Beispiel 6 dazu sowie die ausführlichen Erläuterungen unter → Unentgeltliche Wertabgabe.
Beispiel 17:
Siehe Sachverhalt Beispiel 16. Der Wert der einzelnen Gegenstände beträgt 58,31 € (darin enthaltene Vorsteuer 19 % = 9,31 €). S.a. H 9b [Freigrenze für Geschenke nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, Beispiele] EStH.
Lösung 17:
Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich um ein Geschenk von geringem Wert, da die AK oder HK der dem Empfänger im Kj. zugewendeten Gegenstände insgesamt 50 € (Nettobetrag ohne USt) nicht übersteigen (Abschn. 3.3. Abs. 11 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 12.7.2024). D.h., Geschenke von geringem Wert werden nicht für eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG verwendet. Der Unternehmer ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vorsteuer ist abziehbar (Abschn. 15.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE mit Beispielen).
Ertragsteuerrechtlich ist für die Bemessung der Freigrenze auf den Nettowarenwert i.H.v. 49 € abzustellen, da die Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbar ist. Die Freigrenze von 50 € wird nicht überschritten.
Das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG tritt nicht ein, da die Aufwendungen für das Geschenk nicht unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen. Die abziehbare Vorsteuer ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und 3 UStG auch abzugsfähig.
Beispiel 18:
Siehe Sachverhalt Beispiel 17. Der Unternehmer tätigt ausschließlich steuerfreie Umsätze
nach § 4 Nr. 14 UStG bzw.
nach § 4 Nr. 1 Buchst. a und b UStG
Lösung 18:
Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich um ein Geschenk von geringem Wert, da die AK oder HK der dem Empfänger im Kj. zugewendeten Gegenstände insgesamt 50 € (Nettobetrag ohne USt) nicht übersteigen (Abschn. 3.3. Abs. 11 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 12.7.2024). D.h., Geschenke von geringem Wert werden nicht für eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG verwendet. Der Unternehmer ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vorsteuer ist abziehbar (Abschn. 15.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE mit Beispielen).
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist die Vorsteuer nicht abzugsfähig.
Ertragsteuerrechtlich ist für die Bemessung der Freigrenze auf den Bruttowert i.H.v. 58,31 € abzustellen, da die Vorsteuer nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig wäre. Die Freigrenze von 50 € wird überschritten.
Das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG tritt ein, da die Aufwendungen für das Geschenk unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen. Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG bleibt der Vorsteuerabzug erhalten.
Ertragsteuerrechtlich ist für die Bemessung der Freigrenze auf den Nettowert i.H.v. 49,00 € abzustellen, da die Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abzugsfähig ist. Die Freigrenze von 50 € wird nicht überschritten.
Das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG tritt nicht ein, da die Aufwendungen für das Geschenk nicht unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen. Die abziehbare Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG auch abzugsfähig.
Beispiel 19:
Unternehmer U erwirbt im Voranmeldungszeitraum Januar eine Eintrittskarte, die als Geschenk an einen Geschäftsfreund vorgesehen ist. Der Wert der Eintrittskarte beträgt 65 € zzgl. 12,35 € USt. U tätigt ausschließlich Abzugsumsätze.
Lösung 19:
S.a. Beispiel 16
Der Vorsteuerausschluss und die Freigrenze gelten nicht nur für Sachgeschenke, sondern auch für Geschenke in Form anderer geldwerter Vorteile (z.B. Eintrittsberechtigungen zu kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen; Abschn. 15.6. Abs. 4 Satz 6 UStAE).
Die Abgabe der Eintrittskarte erfolgt aus unternehmerischen Gründen und ist daher ein der Art nach nicht steuerbarer Vorgang, da § 3 Abs. 9a UStG Wertabgaben aus unternehmerischen Gründen nicht erfasst. Da es an einem steuerbaren Ausgangsumsatz fehlt, dem der Leistungsbezug direkt und unmittelbar zugeordnet werden kann, ist für den Vorsteuerabzug die Gesamttätigkeit des U maßgeblich. Die Vorsteuer ist abziehbar (Abschn. 15.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE mit Beispiel 1 Buchst. b) und auch abzugsfähig.
Ertragsteuerrechtlich ist für die Bemessung der Freigrenze auf den Nettowarenwert i.H.v. 65 € abzustellen, da die Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbar und abzugsfähig ist. Die Freigrenze von 50 € wird überschritten. Die nach § 15 Abs. 1a UStG nicht abziehbare Vorsteuer bleibt bei der Ermittlung der AK unberücksichtigt (R 9bAbs. 2 Satz 3 EStR). Die nach § 15 Abs. 1a UStG nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge unterliegen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG (R 9b Abs. 3 EStR).
Das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG tritt ein, da die Aufwendungen für das Geschenk unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen. Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen.
S. die Verwaltungsregelungen in Abschn. 15.6. Abs. 6 und 7 UStAE sowie die Erläuterungen unter → Bewirtungsaufwendungen.
Beispiel 20:
Der selbstständige Unternehmensberater U macht Vorsteuern i.H.v. 641 € für von ihm getätigte Bewirtungsaufwendungen aus Geschäftsessen mit seinen Geschäftspartnern geltend. Das FA lehnt jedoch den Vorsteuerabzug ab, da die erforderlichen Eintragungen zum Anlass und zu den Teilnehmern der Bewirtung nicht auf den Bewirtungsbelegen vorgenommen worden seien.
Lösung 20:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem rechtskräftigen Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 9.4.2019 (5 K 5119/18, EFG 2019, 1142, LEXinform 5022206; s.a. Anmerkung vom 25.9.2019, LEXinform 0881821).
Nach Meinung des FG muss § 15 Abs. 1a UStG bei Bewirtungsaufwendungen dahingehend unionsrechtskonform ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen die einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten für Bewirtungsaufwendungen (z.B. ein fehlender Bewirtungsbeleg) nicht zugleich zur Versagung des Vorsteuerabzugs führt; entscheidend ist insoweit vielmehr, ob die unternehmerische Verwendung der Bewirtungsleistungen nachgewiesen und die Aufwendungen nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen zu beurteilen sind.
Die Versagung des Vorsteuerabzugs allein auf der Grundlage der Nichteinhaltung von Formvorschriften – unabhängig davon, ob der Stpfl. die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nachweisen kann – stellt eine mit dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz nicht zu vereinbarende Belastung des Stpfl. dar. Danach kann bei Verletzung der Nachweispflichten des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 EStG die Vorsteuer abgezogen werden (s.a. Abschn. 15.2a. Abs. 1a UStAE).
Mit Urteil vom 27.4.2020 (5 K 1722/18, LEXinform 5023097) hat das FG Münster allerdings entschieden, dass der Nachweis der Bewirtungsaufwendungen in der von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 EStG vorgeschriebenen Weise zu erfolgen hat, damit die Vorsteuer abgezogen werden kann.
Die Abgabe von sonstigen Leistungen erfolgt aus unternehmerischen Gründen und ist daher ein der Art nach nicht steuerbarer Vorgang, da § 3 Abs. 9a UStG Wertabgaben aus unternehmerischen Gründen – im Gegensatz zu § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG bei Gegenständen (Geschenke) – nicht erfasst. Daher fehlt es an einem steuerbaren Ausgangsumsatz, dem die Leistungsbezüge direkt und unmittelbar zugeordnet werden können. Sind die Leistungsbezüge dem Unternehmen zuzuordnen, ist die Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbar (s.a. Abschn. 15.15. Abs. 1 und Beispiel 1 UStAE.
Die Aufwendungen für Gästehäuser (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG) und der damit im Zusammenhang stehende Vorsteuerabzug sind wie folgt zu behandeln:
Abb.: Aufwendungen für Gästehäuser – Vorsteuerabzug
Hinweis:
Nach dem BFH-Urteil vom 24.5.2023 (XI R 37/20, BStBl II 2024, 223) greift das Betriebsausgabenabzugsverbot für Gästehäuser i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht ein, wenn sich am Ort der Ferienunterkunft eine Betriebsstätte des Unternehmers befindet.
Zu den nicht abziehbaren Aufwendungen für Gästehäuser gehören sämtliche mit dem Gästehaus in Zusammenhang stehende Ausgaben (R 4.10 Abs. 11 Satz 1 EStR). Zu den Aufwendungen gehören neben den Kapital-, Miet- oder Pachtzinsen und Schuldzinsen die AfA (R 4.10 Abs. 11 Satz 1 EStR), der Erhaltungsaufwand, aber auch die Personalkosten. Weiterhin gehören dazu die Planungskosten und die Notar- und Grundbuchamtgebühren, wenn ein Gästehaus hergestellt oder angeschafft wurde (s.a. Hoffmann/Nacke in Littmann/Bitz/Pust, ESt, § 4 Rn. 1703 ff., 15. A.).
Die Vorschrift greift nicht ein, wenn der Stpfl. das Gästehaus mit Gewinnerzielungsabsicht, etwa als Pension, betreibt (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG). Werden also dem Gast, der auch ein Geschäftsfreund sein kann, die »normalen« Beherbergungs- und Bewirtungspreise berechnet, so kommt das Abzugsverbot nicht zur Anwendung. Als Folge davon ist § 15 Abs. 1a UStG nicht anwendbar.
Nicht abziehbar sind nach § 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG die Aufwendungen für die Ausübung einer Jagd oder einer Fischerei, für das Halten oder Benutzen von Segelyachten oder Motoryachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen.
Bei der Anschaffung z.B. einer Segelyacht ist zunächst zu überprüfen, ob der Stpfl. allein mit der Anschaffung der Segelyacht seine unternehmerische Tätigkeit begründen möchte und die Anschaffung der Yacht als Vorbereitungshandlung seiner unternehmerischen Tätigkeit anzusehen ist. Dabei sind die Grundsätze des Abschn. 2.6. Abs. 3 UStAE zu beachten. Soweit Vorbereitungshandlungen ihrer Art nach typischerweise zur nichtunternehmerischen Verwendung oder Nutzung bestimmt sind (z.B. der Erwerb eines Wohnmobils, Segelschiffs oder sonstigen Freizeitgegenstands), ist bei dieser Prüfung ein besonders hoher Maßstab anzulegen. Lassen sich diese objektiven Anhaltspunkte nicht an Amtsstelle ermitteln, ist zunächst grundsätzlich nicht von der Unternehmereigenschaft auszugehen. Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit den Aufwendungen für die Segelyacht sind daher nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abziehbar.
Stellt die Segelyacht dagegen → Unternehmensvermögen dar, können die Aufwendungen unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG fallen. Dies ist dann der Fall, wenn die Vermietung ohne Gewinnabsicht (Liebhaberei) erfolgt. Die damit im Zusammenhang stehende Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 1a UStG nicht abziehbar (Abschn. 15.6. Abs. 8 Satz 2 UStAE; Mindermann u.a., NWB 17/2017, 1295).
Nach dem BFH-Urteil vom 21.5.2014 (V R 34/13, BStBl II 2014, 914) steht der Vorsteuerausschluss gem. § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG für Aufwendungen für Segelyachten und Motoryachten sowohl hinsichtlich der laufenden Aufwendungen als auch hinsichtlich der Erwerbskosten im Einklang mit dem Unionsrecht, weil diese Regelung bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG im deutschen UStG verankert gewesen ist und somit von der sog. Stillhalteklausel des Art. 176 MwStSystRL umfasst wird.
Hinweis:
Nach dem Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 22.9.2021 (3 K 227/19, EFG 2022, 368, LEXinform 5024269, rkr.) ist das Vorsteuerabzugsverbot nach § 15 Abs. 1a UStG aufgrund einer typisierenden Betrachtung anzuwenden, wenn Segelyachten ohne Gewinnerzielungsabsicht verchartert werden; das gilt auch dann, wenn ein geschäftsmäßig eingerichteter Gewerbebetrieb unterhalten wird und nachhaltig Einnahmen erzielt werden. Die Gewinnerzielungsabsicht ist für den Bereich der Umsatzsteuer eigenständig zu prüfen.
S.a. den BFH-Beschluss vom 15.12.2021 (XI R 19/18, BStBl II 2024, 495), wonach das Ausüben einer wirtschaftlichen Tätigkeit und das ausschließliche Tätigen von Repräsentationsaufwand sich nicht einander ausschließen (Pferdestall mit Pferdezucht, s. den nachfolgenden Gliederungspunkt).
Zum Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen hat der BFH mit Urteil vom 12.2.2009 (V R 61/06, BStBl II 2009, 828) Folgendes entschieden: Eine Kommanditgesellschaft, die nachhaltig mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, eine Pferdezucht betreibt, ist umsatzsteuerrechtlich Unternehmer, auch wenn die Gewinnerzielungsabsicht fehlt. Der Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen dient bei typisierender Betrachtung nicht in vergleichbarer Weise wie die ausdrücklich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Gegenstände (Jagd, Fischerei, Segel- oder Motorjacht) einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung. Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsverbots nach § 15 Abs. 1a UStG liegen in einem derartigen Fall nicht vor (Abschn. 15.6. Abs. 8 Satz 4 UStAE; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 44/09 vom 3.6.2009, LEXinform 0434114).
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG unterliegen dem Abzugsverbot Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen. Das gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht, wenn diese Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Stpfl. sind. »Ähnlich« i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG sind Zwecke, die in vergleichbarer Weise wie die ausdrücklich in dieser Vorschrift genannten Gegenstände (Jagd, Fischerei, Segel- oder Motorjacht) bei typisierender Betrachtung einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung dienen. Aufwendungen, die ersichtlich nicht derartige Zwecke verfolgen, können vom Abzugsverbot ausgenommen sein (vgl. BFH Urteil vom 2.7.2008, XI R 66/06, BStBl II 2009, 206). Nach der BFH-Rechtsprechung in seinem Urteil vom 2.7.2008 dient »ähnlichen Zwecken« i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG auch ein aus Repräsentationsgründen unterhaltenes Rennpferd. Das Halten eines – preisgekrönten – Rennpferdes entspreche typischerweise einem persönlichen, ggf. betrieblichen Repräsentationsbedürfnis.
Der Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen dient bei typisierender Betrachtung nicht einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung. Das gilt auch dann, wenn – wie § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG voraussetzt – die Pferdezucht nicht Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Stpfl. ist (vgl. BFH Urteil vom 12.2.2009, VR 61/06, BStBl II 2009, 828). Ob eine Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen vorliegt, ist in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden (s.a. Abschn. 15.6. Abs. 8 UStAE).
Mit Beschluss vom 15.12.2021 (XI R 19/18, BStBl II 2024, 495) hat der BFH entschieden, dass der Repräsentationsaufwand im Rahmen eines Liebhabereibetriebs eines Pferderennstalls vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
Zunächst stellt der BFH fest (Rz. 30), dass der Kläger mit dem Betrieb des Pferderennstalls als Unternehmer anzusehen und damit grundsätzlich gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Der Kläger übte mit dem Pferderennstall eine nachhaltige bzw. wirtschaftliche Tätigkeit aus, jedenfalls indem er Einnahmen aus dem Verkauf bzw. der Lieferung von Rennpferden erzielte.
Dem Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG steht jedoch nicht die Einschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG entgegen, da der Kläger den Pferderennstall nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat.
Zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1a UStG bei Aufwendungen für »ähnliche Zwecke« i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG (Repräsentationsaufwand) bei mangelnder Gewinnerzielungsabsicht (Liebhaberei) nimmt die Vfg. der OFD Niedersachsen vom 20.1.2010 (S 7303a – 2 – St 174, DStR 2010, 758, LEXinform 5232542) Stellung (s.a. Schlegel, NWB 31/2013, 2462).
Zur Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 UStG bei gleichzeitigem Vorliegen einer ertragsteuerrechtlichen Liebhaberei s. → Unternehmer.
Die OFD Frankfurt nimmt mit Vfg. vom 30.6.2016 (S 2145 A – 11 – St 210, DStR 2016, 1868) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Aufwendungen für die Veranstaltung von Golfturnieren durch Automobilvertragshändler als nichtabzugsfähige BA nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG Stellung.
Ein Unternehmen, das anlässlich einer Benefizveranstaltung ein Golfturnier mit anschließender Abendveranstaltung ausrichtet, kann die entsprechenden Aufwendungen (Platzmiete für den Golfplatz, Kosten der Bewirtung während des Golfturniers und der Abendveranstaltung) nicht als BA abziehen. Es greift das sog. Abzugsverbot nach 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Mit Urteil vom 16.12.2015 (IV R 24/13, BStBl II 2017, 224) hat der BFH diese Rechtsauffassung bestätigt. Er hat entschieden, dass Aufwendungen für die Durchführung eines Golfturniers einschließlich der Aufwendungen für die Bewirtung der Turnierteilnehmer und Dritter im Rahmen einer sich an das Golfturnier anschließenden Abendveranstaltung nicht abziehbare BA i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG sind und dies auch dann gilt, wenn beide Veranstaltungen auch dem Zweck dienen, Spenden für die Finanzierung einer Wohltätigkeitsveranstaltung zu generieren. Der BFH führt unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung dazu aus, dass das Abzugsverbot geschaffen wurde, weil der Gesetzgeber die genannten Ausgaben »ihrer Art nach als überflüssige und unangemessene Repräsentation« ansah und »im Interesse der Steuergerechtigkeit und des sozialen Friedens den Aufwand nicht länger durch den Abzug vom stpfl. Gewinn auf die Allgemeinheit abgewälzt« wissen wollte. Deshalb unterlägen sämtliche durch das Turnier verursachten Ausgaben – ungeachtet ihrer betrieblichen Veranlassung – dem steuerlichen Abzugsverbot (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 19/2016 vom 24.2.2016, LEXinform 0444135).
Beachte:
Zwar können durch das Veranstalten eines Golfturniers veranlasste Aufwendungen einen den Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten »ähnlichen Zweck« erfüllen und dadurch den Betriebsausgabenabzugsausschluss nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG auslösen. Dies gilt aber nicht für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Golfturnierreihe (20 Veranstaltungen) mit freier Teilnahmemöglichkeit für jeden Interessenten, zu deren Finanzierung sich ein Brauereibetrieb gegenüber seinen Geschäftspartnern (hier: Vereine bzw. Gastronomiebetriebe) im Rahmen von Bierliefervereinbarungen vertraglich verpflichtet (BFH vom 14.10.2015, I R 74/13, BStBl II 2017, 222; Anmerkung vom 1.3.2016, LEXinform 0652843).
Eine Ausnahme vom Betriebsausgabenabzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG für Aufwendungen für Golfturniere ist nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 14.10.2015 (I R 74/13, BStBl II 2017, 222) nur möglich, wenn sich die Vertragsgestaltungen eng an den entschiedenen Fall orientieren (OFD Nordrhein-Westfalen vom 9.5.2017, Kurzinformation ESt Nr. 14/2017, DB 2017, 1118).
Der BFH bestätigt mit Urteil vom 21.3.2019 (VIII B 129/18, BFH/NV 2019, 812, LEXinform 5908851) ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31.7.2018 (10 K 3355/16, EFG 2019, 22, LEXinform 5021819), das entschieden hatte, dass Aufwendungen für ein Kanzleifest (hier für einen sog. Herrenabend) bei privater Mitveranlassung anteilig abgezogen werden können (Anmerkung vom 12.6.2019, LEXinform 0653641).
Im Streitfall hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in mehreren Jahren sog. Herrenabende im Garten des Wohngrundstücks des namensgebenden Partners veranstaltet, bei denen jeweils bis zu 358 Gäste für Gesamtkosten zwischen 20 500 € und 22 800 € unterhalten und bewirtet wurden. Das FG hatte das Abzugsverbot bejaht, weil die Veranstaltungen »Eventcharakter« gehabt hätten, ein geschlossener Teilnehmerkreis vorgelegen habe und die Gäste sich durch die Einladung in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung bestätigt fühlen durften.
Mit Urteil vom 13.7.2016 (VIII R 26/14, BStBl II 2017, 161) hatte der BFH im ersten Rechtsgang entschieden, dass BA, die für die Unterhaltung von Geschäftsfreunden aufgewendet werden, als Aufwendungen für »ähnliche Zwecke« nur dann dem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG unterliegen, wenn sich aus der Art und Weise der Veranstaltung und ihrer Durchführung ableiten lässt, dass es sich um Aufwendungen handelt, die für eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation getragen werden. Zur weiteren Feststellung dieser Voraussetzungen hat der BFH die Rechtssache an das FG Düsseldorf zurückverwiesen (Anmerkung vom 6.12.2016, LEXinform 0653054).
Im zweiten Rechtsgang hat das FG Düsseldorf mit Urteil vom 31.7.2018 (10 K 3355/16, EFG 2019, 22, LEXinform 5021819) entschieden, dass der Betriebsausgabenabzug für den »Herrenabend« nicht schon gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 oder 7 EStG ausgeschlossen ist (Anmerkung vom 18.12.2018, LEXinform 0653593).
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG dürfen Aufwendungen für Jagd und Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern. Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die damit verfolgten Zwecke selbst Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Stpfl. sind (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG). Diese Ausnahme liegt nicht vor. Die Klägerin wird nicht selbst als originäre Eventagentur oder Organisator von Veranstaltungen tätig.
BA/Vorsteuern, die im Rahmen eines Gartenfests (»Herrenabend«) im Privatgarten des namensgebenden Sozius einer eine Rechtsanwaltskanzlei betreibenden Partnerschaftsgesellschaft für die Unterhaltung/Verpflegung von Geschäftsfreunden aufgewandt werden, unterliegen jedenfalls dann keinem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 oder Nr. 7 EStG/§ 15 Abs. 1a UStG, wenn sich die Aufwendungen für das keine kulturelle Spitzenleistungen beinhaltende Musikprogramm und die Verpflegung ohne kulinarische Besonderheiten auf rd. 60 €/Teilnehmer beschränken. Dass allein die Höhe der Aufwendungen pro Person kein Abzugsverbot begründet, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der Freigrenze bzw. dem Freibetrag für Betriebsveranstaltungen, der bei 110,00 € pro Teilnehmer liegt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Diese wertende Betrachtung der Höhe der Aufwendungen steht einem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG wegen Unangemessenheit entgegen.
Sind Aufwendungen für eine Feier gemischt veranlasst, weil daran sowohl Gäste aus dem privaten als auch dem beruflichen Umfeld sowie Personen aus den Bereichen Politik, Presse, Wirtschaft und Sport teilgenommen haben, sind die Gesamtkosten anteilig nach Gästen aufzuteilen.
Bestehen nach Ausschöpfung der im Einzelfall angezeigten Ermittlungsmaßnahmen keine gewichtigen Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen. Dem FG erschien es demnach sachgerecht, den Betriebsausgabenabzug hälftig zu beschränken.
In Höhe der anteiligen Aufwendungen ist der Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nicht abziehbar sind gem. § 15 Abs. 1a UStG die Vorsteuerbeträge, die u.a. auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG gilt.
Als die Lebensführung berührende Aufwendungen, die auf ihre Angemessenheit zu prüfen sind, kommen insbes. in Betracht (R 4.10 Abs. 12 EStR):
die Kosten der Übernachtung anlässlich einer Geschäftsreise,
die Aufwendungen für die Unterhaltung und Beherbergung von Geschäftsfreunden, soweit der Abzug dieser Aufwendungen nicht schon nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Abs. 1, 10 und 11 EStG ausgeschlossen ist,
die Aufwendungen für die Unterhaltung von Personenkraftwagen und für die Nutzung eines Flugzeugs,
die Aufwendungen für die Ausstattung der Geschäftsräume, z.B. der Chefzimmer und Sitzungsräume.
Bei der Prüfung der Angemessenheit von Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG ist darauf abzustellen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen hätte (s.a. BFH Urteil vom 29.4.2014, VIII R 20/12, BStBl II 2014, 679). Neben der Größe des Unternehmens, der Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns sind vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben als Beurteilungskriterien heranzuziehen (BFH Urteile vom 20.8.1986, I R 80/83, BStBl II 1986, 904, vom 26.1.1988, VIII R 139/86, BStBl II 1988, 629 und vom 14.4.1988, IV R 205/85, BStBl II 1988, 771 sowie H 4.10 (12) [Angemessenheit] EStH). Nutzt der Stpfl. ein selbst gesteuertes Privatflugzeug für beruflich veranlasste Reisen, kann es sich bei den Flugkosten um Aufwendungen handeln, die die Lebensführung i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG berühren (BFH Urteil vom 19.1.2017, VI R 37/15, BStBl II 2017, 526).
Bei der Angemessenheitsprüfung ist darauf abzustellen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer einen Hubschrauber angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten ebenfalls als Transportmittel eingesetzt hätte. Dies ist von Fall zu Fall neu zu entscheiden. Sollte sich dabei ergeben, dass die Kosten des Hubschraubers dessen Nutzen deutlich übersteigen, ist ein Teil der Hubschrauberkosten nicht als BA abziehbar (BFH Urteil vom 27.2.1985, I R 20/82, BStBl II 1985, 458 sowie H 4.10 (12) [Hubschrauber] EStH).
Die AK eines als »unangemessen« anzusehenden Kraftfahrzeugs fallen als solche nicht unmittelbar unter das Abzugsverbot. Bei Zugehörigkeit des Fahrzeugs zum BV sind sie vielmehr in vollem Umfang zu aktivieren. Zu den unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG fallenden Kraftfahrzeugaufwendungen gehört jedoch vor allem die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG. Diese kann nur insoweit als BA abgezogen werden, als sie auf den als »angemessen« anzusehenden Teil der AK entfällt. Die übrigen Betriebskosten (Kfz-Steuer und Versicherung, Kraftstoff, Instandsetzungs-, Wartungs- und Pflegekosten, Garagenmiete usw.) werden i.d.R. nicht als »unangemessen« i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG anzusehen sein, da diese Aufwendungen auch für ein »angemessenes« Fahrzeug angefallen wären (BFH Urteil vom 8.10.1987, IV R 5/85, BStBl II 1987, 853 sowie H 4.10 (12) [Kraftfahrzeug] EStH).
Die privaten Nutzungsanteile (Nutzungsentnahmen) sind auf der Grundlage der korrigierten (angemessenen) Werte zu erfassen (Blümich, § 4 EStG, Rz. 286). Dies bedeutet, dass ein bei der Pauschalierung der Nutzungswertbesteuerung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (1 %-Methode) entsprechend niedrigerer Listenpreis anzusetzen ist (Hoffmann/Nacke in Littmann/Bitz/Pust, ESt § 4, Rn. 1810).
Mit Urteil vom 29.4.2014 (VIII R 20/12, BStBl II 2014, 679) nimmt der BFH Stellung zum ungemessenen Fahrzeugaufwand eines Freiberuflers. Im Streitfall ging es um die BA für einen 400 PS-starken Sportwagen eines selbstständigen Tierarztes. Bei einer Gesamtfahrleistung von ca. 3 800 km entfielen lt. Fahrtenbuch 3 500 km auf betriebliche Fahrten. Die Gesamtkosten lt. Fahrtenbuch betrugen ca. 30 000 €; den betrieblichen Anteil machte der Tierarzt als BA geltend.
Der BFH ist der Auffassung, dass die BA für den Sportwagen auf einen angemessenen Betrag zu reduzieren seien. Die Grenzen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG für den Abzug unangemessener Aufwendungen gelten auch für die Beschaffung ausschließlich betrieblich genutzter Pkw. Das FG und der BFH legten 2 € je Kilometer als angemessenen Aufwand als BA fest (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 57/2014 vom 6.8.2014, LEXinform 0442201 sowie Anmerkung vom 12.8.2014, LEXinform 0652434).
Da das Urteil zur Ertragsteuer ergangen ist, nimmt der BFH zur USt nicht Stellung. Umsatzsteuerrechtlich hat das Urteil zur Folge, dass lediglich die Vorsteuer aus den angemessenen Aufwendungen von geschätzt 2 €/km abziehbar ist, die weitere Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht abziehbar. Da in den geschätzten Kosten von 2 €/km auch Aufwendungen ohne Vorsteuer enthalten sind (Kfz-Steuer und Versicherung), könnten die darin enthaltenen Aufwendungen ohne Vorsteuerabzug m.E. entsprechend der 1 %-Methode mit 20 % geschätzt werden (s.a. Urteil FG Baden-Württemberg vom 6.6.2016, 1 K 3386/15, LEXinform 5019447, rkr.; FG Baden-Württemberg Pressemitteilung Nr. 14/2016 vom 6.10.2016, LEXinform 0445181).
Zur Abgrenzung der unangemessenen Repräsentationsaufwendungen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG) vom Betriebsausgabenabzug der Aufwendungen hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.12.2014 (6 K 238/14, EFG 2015, 1853, LEXinform 5018205, rkr.) entschieden, dass bei der Prüfung, ob unangemessener betrieblicher Repräsentationsaufwand i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG vorliegt, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Neben der Größe des Unternehmens, der Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns sind vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben als Beurteilungskriterien heranzuziehen.
Bei Aufwendungen eines in der Automobilbranche und im Automobilrennsport tätigen Unternehmens für Leasing und Unterhalt eines Supersportwagens handelt es sich nicht um unangemessene Repräsentationsaufwendungen, wenn und soweit bei der betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs nicht die Repräsentation des Unternehmens im Allgemeinen, sondern konkret seine Identifizierung mit dem Fahrzeughersteller und dessen Rennsportbereich im Vordergrund steht.
Im Ergebnis hat das FG die Aufwendungen insbes. deshalb nicht als unangemessen angesehen, weil das Unternehmen mit der Fertigung von Kohlefaser-Karosseriestrukturen auch in einem Marktsegment tätig ist, das enge Bezüge zu dem angeschafften Fahrzeug – dem ersten aus CFK gefertigten Serienfahrzeug – aufweist (s.a. Anmerkung vom 8.12.2015, LEXinform 0947397).
Zur Angemessenheit von Fahrzeugkosten i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG und zur Bestimmung des angemessenen Teils nimmt das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 13.9.2017 (7 K 7234/15, EFG 2018, 159, LEXinform 5020687, rkr.) Stellung. Die Anschaffung eines teuren und schnellen Wagens ist nicht stets unangemessen i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG, wenn die Benutzung eines repräsentativen Wagens für den Geschäftserfolg keine Bedeutung hat. Vielmehr ist die Bedeutung des Repräsentationsaufwands nur eine von mehreren Tatsachen, die im Einzelfall zu würdigen und gegeneinander abzuwägen sind. Es spricht gegen die Angemessenheit, wenn die AK des Fahrzeugs mehr als das Dreifache des Durchschnittsgewinns des Stpfl. und mehr als 3/4 eines durchschnittlichen Jahresumsatzes des Stpfl. betragen und für dessen Anschaffung auch private Repräsentations- und Affektionsinteressen eine Rolle gespielt haben. Maßstab für die Feststellung des angemessenen Teils der BA ist die Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers »in derselben Situation« des Stpfl.
Nach dem Urteil des FG Hamburg vom 11.10.2018 (2 K 116/18, LEXinform 5021662) ist der Vorsteuerabzug regelmäßig zu versagen, wenn ein Luxussportwagen (Lamborghini Aventator) angeschafft wird, der nahezu ausschließlich vom Geschäftsführer genutzt wird und ein besonderes, ausnahmsweise anzuerkennendes betriebliches Interesse nicht dargetan wird. Der Unterhalt eines derartigen Fahrzeugs dient ähnlichen Zwecken wie Aufwendungen für Jagden, Segel- oder Motorjachten, weil er seiner Art nach geeignet ist, unangemessenen Repräsentationsaufwand darzustellen (s.a. FG Hamburg Mitteilung vom 21.12.2018, LEXinform 0449146; Beck u.a., NWB 12/2019, 788).
Zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Luxusfahrzeugen hat der BFH mit Urteil vom 8.9.2022 (V R 26/21, BStBl II 2023, 361) entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus dem nur gelegentlichen Erwerb eines Pkw einem Unternehmer mit andersartiger Haupttätigkeit nur dann zusteht, wenn damit eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet oder die wirtschaftliche Haupttätigkeit des Unternehmers unmittelbar, dauernd und notwendig erweitert wird.
Entscheidungssachverhalt:
Die Klägerin ist die geschäftsführende Komplementär-GmbH der A GmbH & Co. KG (im Folgenden A KG). Die Klägerin erhielt als Komplementär-GmbH eine Haftungsvergütung von 2 500 € im Jahr und verzichtete auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sowie alleiniger Kommanditist der A KG ist GF.
Im Streitjahr erwarb die Klägerin von der B KG ein Fahrzeug zu einem Kaufpreis i.H.v. 319 327,73 € zzgl. 60 672,27 € USt und von der C GmbH ein Fahrzeug zu einem Kaufpreis i.H.v. 125 966,38 € zzgl. 23 933,62 € USt. In der Bilanz der Klägerin wurden die Fahrzeuge im Umlaufvermögen als sonstige Vermögensgegenstände aktiviert und eine Verbindlichkeit gegenüber GF passiviert, der die Fahrzeuge vom Konto seines Einzelunternehmens bezahlte. Während einer USt-Sonderprüfung stellte die Prüferin noch im Streitjahr fest, dass beide Fahrzeuge verschlossen, abgedeckt und nicht zugelassen in einer Halle abgestellt waren.
In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen machte die Klägerin allein Vorsteuerbeträge geltend, die fast ausschließlich auf die Anschaffung der Fahrzeuge entfielen. Das FA versagte den Vorsteuerabzug für den Erwerb der Fahrzeuge.
Nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27.7.2021 (1 K 1268/18, EFG 2022, 438, LEXinform 5024378) kommt der Vorsteuerabzugsausschluss nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht zur Anwendung, wenn die abgedeckt in einer Halle stehenden Fahrzeuge weder zugelassen sind noch gefahren werden und daher keine dem Affektionsinteresse dienenden Luxusgüter, sondern ausschließlich für den späteren Verkauf bestimmte Wirtschaftsgüter des Unternehmensvermögens darstellen.
Nach der Revision des FA hat der BFH das Urteil aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
Die Verwendung von Eingangsleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Stpfl. erfordert, dass er diese Umsätze im Rahmen seiner »wirtschaftlichen Tätigkeiten« ausführt (BFH V R 26/21, Rz. 13). Eine Tätigkeit ist im Allgemeinen wirtschaftlich, wenn sie nachhaltig ist und gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt.
Der bloße Erwerb und der bloße Verkauf eines Gegenstands sind keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, da das einzige Entgelt aus diesen Vorgängen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf des Gegenstands besteht. Unternimmt hingegen eine Person für Verkäufe aktive Schritte zum Vertrieb, indem sie sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, übt sie eine »wirtschaftliche Tätigkeit« aus. Auf die Zahl und den Umfang der Umsätze kommt es dabei nicht an. Kann ein Gegenstand seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird (BFH V R 26/21, Rz. 14).
Nach der BFH-Entscheidung V R 26/21 in Rz. 22 begründet der Erwerb als solcher bei eigenständiger Betrachtung keine wirtschaftliche oder unternehmerische Tätigkeit der Klägerin. Auch wenn die Klägerin in einem engen Marktumfeld für hochpreisige Fahrzeuge nicht wie ein Gebrauchtwagenhändler ein Geschäftslokal unterhalten und regelmäßig Anzeigen schalten musste, fehlen jegliche Hinweise darauf, dass sie hinsichtlich der in Rede stehenden Fahrzeuge wie ein Händler tätig war oder aus der Nutzung der erworbenen Fahrzeuge Einnahmen erzielen wollte. Anhaltspunkte dafür, dass sie über den bloßen Erwerb und den Verkauf der Fahrzeuge hinaus die Absicht hatte, die Fahrzeuge unternehmerisch zu verwenden, liegen nicht vor. Etwaige Tätigkeiten, die über ein Handeln zur Veräußerung privater Gegenstände hinausgingen oder auf eine unternehmerische Nutzung hindeuteten, sind nicht manifestiert. Die Klägerin hat beide Fahrzeuge tatsächlich nicht genutzt. Sie standen verschlossen, abgedeckt und nicht zugelassen in einer Halle.
Zwar erbringt die Klägerin stpfl. Leistungen der Geschäftsführung und Haftungsübernahme gegenüber der A KG, für die sie eine Festvergütung erhält, und ist danach Unternehmerin i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Die Fahrzeugerwerbe sind jedoch keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung ihrer steuerbaren Tätigkeit, die gleichfalls zu einem Handeln als Stpfl. führt. Die Tätigkeit der Klägerin in Bezug auf die Fahrzeuge unterscheidet sich nicht von einem privaten Erwerb eines Vermögenswertes durch eine Sammlerin, der unverändert ggf. gewinnbringend infolge Zeitablaufs veräußert werden soll.
Nach dem EuGH-Urteil Kostov vom 13.6.2013 (C–62/12, UR 2013, 626, LEXinform 0589399, Rz. 31) ist eine natürliche Person, die bereits für eine dauerhaft ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit »Steuerpflichtiger« (Unternehmer i.S.d. UStG), sofern diese Tätigkeit eine Tätigkeit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL darstellt. Somit muss auch die gelegentlich ausgeübte Tätigkeit eine wirtschaftliche Tätigkeit sein, woran es vorliegend aber fehlt. Denn die Klägerin war nur als Komplementär-GmbH der A KG unternehmerisch tätig und erhielt hierfür eine Vergütung von 2 500 € jährlich. Sie hat die Fahrzeuge, die verschlossen, abgedeckt und nicht zugelassen in einer Halle abgestellt waren, demgegenüber in keiner Weise in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit genutzt oder Verkaufsbemühungen unternommen, die eine Veräußerungsabsicht im Hinblick auf eine unternehmerische Tätigkeit erkennen ließen. Selbst wenn es unionsrechtlich nur für die Begründung der Steuerpflichtigeneigenschaft, nicht auch für die Begründung der wirtschaftlichen Tätigkeit auf ein nachhaltiges Handeln ankommen sollte, hätte ein nur gelegentliches Handeln wie im Streitfall allenfalls dann zu einer Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens geführt, wenn es vorliegend um händlerartige Veräußerungen in einem zeitlichen Näheverhältnis zum Erwerb ginge. Danach ist im Streitfall der Erwerb der Fahrzeuge auch nicht aufgrund eines sachlichen Zusammenhangs mit der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin als »Nebengeschäft« anzusehen (s.a. Anmerkung vom 18.1.2023, LEXinform 0888753; s.a. Müller u.a., Kein Vorsteuerabzug für Luxus-Firmenwagen – Oder etwa doch?, NWB 51/2023, 3517).
Wie oben bereits ausgeführt, ist u.a. Voraussetzung für den Vorsteuerausschluss des § 15 Abs. 1a UStG, dass der Leistungsbezug zunächst dem Unternehmen zugeordnet werden kann. Objekt der Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist grundsätzlich jeder Leistungsbezug, d.h. jeder Gegenstand und jede sonstige Leistung (Abschn. 15.2c. Abs. 9 UStAE).
Die ertragsteuerliche Behandlung der Aufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG regelt das BMF-Schreiben vom 6.7.2010 (BStBl I 2010, 614). Diese ertragsteuerlichen Grundsätze sind auch maßgeblich für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Aufwendungen. So sind die nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG getätigten Aufwendungen für den Haushalt des Stpfl. und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen vollständig vom Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug ausgeschlossen und demzufolge nicht in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. Sie sind durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (Grundfreibetrag, Freibeträge für Kinder) pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Kosten der Lebensführung in diesem Sinne sind insbes. Aufwendungen für
Wohnung,
Ernährung,
Kleidung.
Umsatzsteuerrechtlich sind die Leistungen ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen, sodass eine Zuordnung zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist (Zuordnungsverbot, → Unternehmensvermögen). Ein Vorsteuerabzugsverbot i.S.d. § 15 Abs. 1a UStG kommt somit nicht in Betracht.
Vollumfänglich nicht abziehbar und demzufolge nicht aufzuteilen sind ferner Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Das sind Aufwendungen für die Lebensführung, die zwar der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit dienen können, die aber grundsätzlich die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Stpfl. mit sich bringt. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die mit dem persönlichen Ansehen des Stpfl. in Zusammenhang stehen, d.h. der Pflege der sozialen Verpflichtungen dienen (sog. Repräsentationsaufwendungen).
Ob Aufwendungen Repräsentationsaufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG oder (zumindest teilweise) BA/WK darstellen, ist stets durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Bei Veranstaltungen, die vom Stpfl. ausgerichtet werden, stellt ein persönlicher Anlass (z.B. Geburtstag, Trauerfeier) regelmäßig ein bedeutendes Indiz für die Annahme nicht abziehbarer Repräsentationsaufwendungen dar. Auch Aufwendungen für gesellschaftliche Veranstaltungen fallen i.d.R. unter § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG sind selbst im Falle einer betrieblichen/beruflichen Mitveranlassung nicht als BA/WK abziehbar. Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass in der Wohnung des Stpfl. gehören regelmäßig nicht zu den BA, sondern zu den Kosten der Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG (R 4.10 Abs. 6 Satz 8 EStR).
Diese ertragsteuerlich nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbaren Repräsentationsaufwendungen sind m.E. umsatzsteuerrechtlich dem Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zuzuordnen (Zuordnungsgebot nach Abschn. 15.2c. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Bei den Repräsentationsaufwendungen fehlt es an einem steuerbaren Ausgangsumsatz, dem die Leistungsbezüge direkt und unmittelbar zugeordnet werden können (s.a. Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 3 UStAE). Es handelt sich dem Grunde nach um einen nicht steuerbaren Vorgang aus unternehmerischen Gründen, da § 3 Abs. 9a UStG Wertabgaben aus unternehmerischen Gründen nicht erfasst. Für den Vorsteuerabzug wäre deshalb die Gesamttätigkeit des Unternehmers maßgeblich. Die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit diesen Repräsentationsaufwendungen sind aber nach § 15 Abs. 1a UStG nicht abziehbar.
Ertragsteuerrechtlich sind solche nicht von § 12 Nr. 1 EStG erfassten Aufwendungen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, aber einen nachgewiesenen abgrenzbaren betrieblichen Anteil enthalten, nach dem jeweiligen Veranlassungsanteil in abziehbare und nicht abziehbare Aufwendungen aufzuteilen (BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Rz. 10).
Umsatzsteuerrechtlich muss dagegen zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung nach dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen (BFH Urteil vom 11.4.2013, V R 29/10, BStBl II 2013, 840). Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten entgeltlichen Leistungen sind (Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 3 und 4 sowie Abschn. 15.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Beispiel 21:
An der Feier zum 30. Firmenjubiläum des Einzelunternehmens Y nehmen 100 Personen teil (80 Kunden und Geschäftsfreunde und 20 private Gäste des Firmeninhabers). Die Gesamtkosten der Feier betragen 5 000 € zzgl. 950 € USt, auf Essen und Getränke entfallen 4 000 € zzgl. 760 € USt.
Lösung 21:
Ertragsteuerliche Lösung:
Aufgrund der Teilnahme privater Gäste handelt es sich um eine gemischt betrieblich und privat veranlasste Veranstaltung. Zwar liegt der Anlass der Veranstaltung im betrieblichen Bereich (Firmenjubiläum). Die Einladung der privaten Gäste erfolgte allerdings ausschließlich aus privaten Gründen, sodass die Kosten der Verköstigung und Unterhaltung der privaten Gäste als privat veranlasst zu behandeln sind. Sachgerechtes objektivierbares Kriterium für eine Aufteilung ist eine Aufteilung nach Köpfen. 80 Personen nehmen aus betrieblichen Gründen an dem Firmenjubiläum teil, 20 aus privaten Gründen. Damit sind 20 % der Aufwendungen, die anteilig auf die privaten Gäste entfallen, nicht als BA abziehbar.
Von den gesamten Aufwendungen entfallen insgesamt 1 000 € zzgl. 190 € nicht auf die Bewirtung. Davon sind 20 % = 200 € nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als BA zu berücksichtigen bzw. 800 € als BA abziehbar. Auch von den verbleibenden Bewirtungskosten i.H.v. 4 000 € zzgl. 760 € USt sind 20 % = 800 € nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als BA zu berücksichtigen. Danach sind insgesamt 1 000 € nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als BA zu berücksichtigen.
Von den danach verbleibenden 3 200 € zzgl. 608 € USt sind unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG 70 % = 2 240 € als BA abziehbar. Als BA zu berücksichtigen sind demnach insgesamt (2 240 € + 800 € =) 3 040 €.
S.a. das Beispiel 2 zu Rz. 15 des BMF-Schreibens vom 6.7.2010 (BStBl I 2010, 614).
Umsatzsteuerrechtliche Lösung:
Umsatzsteuerrechtlich sind den Eingangsumsätzen für das Firmenjubiläum keine direkten Ausgangsumsätze zuzuordnen. Eine Wertabgabe aus unternehmerischen Gründen wird von § 3 Abs. 9a UStG nicht erfasst. Die Eingangsumsätze für das Firmenjubiläum sind daher in voller Höhe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen (Zuordnungsgebot, Abschn. 15.2c. Abs. 1 Satz 1 UStAE). Ein Aufteilungsgebot der Eingangsleistungen i.S.d. Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStAE ist nicht gegeben, da die Eingangsleistungen nicht teilunternehmerisch verwendet werden.
Entsprechend der ertragsteuerlichen Behandlung ist aber das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG zu beachten (Abschn. 15.2b. Abs. 2 Satz 2 UStAE). Demnach unterliegen 1 000 € (200 € + 800 €, s.o.) zzgl. 190 € USt der Aufwendungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Die Vorsteuer i.H.v. 190 € ist nach § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar. Ertragsteuerlich unterliegt diese nicht abzugsfähige Vorsteuer dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG. Die nach § 15 Abs. 1a UStG nicht abziehbare Vorsteuer gehört nicht zu den AK; § 9b EStG ist insoweit nicht anwendbar (R 9b Abs. 3 EStR).
Von den Aufwendungen für Speisen und Getränke i.H.v. 4 000 € zzgl. 760 € USt entfallen 80 % = 3 200 € zzgl. 608 € auf Bewirtungsaufwendungen i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG gilt nach § 15 Abs. 1a Satz 2 UStG nicht für die Bewirtungsaufwendungen, sodass die Vorsteuer i.H.v. 608 € abziehbar ist.
Nach dem BFH-Urteil vom 24.8.2022 (XI R 3/22, BStBl II 2023, 936) ist der Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung des Unternehmers nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG ausgeschlossen, soweit es sich bei den hierfür aufgewendeten Beträgen um unverzichtbare Aufwendungen für die private Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt (Anschluss an BFH vom 16.3.2022, VIII R 33/18, BStBl II 2022, 614). Es bleibt offen, ob das Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform ist.
Streitig war, ob der Kläger als Trauerredner den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Anschaffungs- und Reinigungskosten von Kleidung beanspruchen kann oder ob dem das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG entgegensteht.
Bei den Aufwendungen des Klägers handelt es sich um derartige Aufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Stpfl. mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Stpfl. erfolgen. Denn nach dem zwischen den Beteiligten zur ESt ergangenen BFH-Urteil vom 16.3.2022 (VIII R 33/18, BStBl II 2022, 614, Rz. 12 bis 23) sind Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grds. nicht abziehbar. Anderes gilt nur für »typische Berufskleidung«, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann. Letzteres ist im Streitfall zu verneinen, wobei der BFH zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses BFH-Urteil verweist.
Zum Vorsteuerabzug bei teilunternehmerisch genutzten Grundstücken s.u. den Gliederungspunkt »Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken« sowie die Erläuterungen unter → Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer → Vorsteuerberichtigung → Unentgeltliche Wertabgabe sowie → Unternehmensvermögen.
Zu der Besonderheit des Vorsteuerabzugs bei Fahrzeugen s. → Pkw-Nutzung. Zum Vorsteuerabzug und zur Umsatzbesteuerung bei (teil-)unternehmerisch verwendeten Fahrzeugen beachte das BMF-Schreiben vom 5.6.2014 (BStBl I 2014, 896). Für die Frage der Zuordnung eines angeschafften, hergestellten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Fahrzeugs sind die Zuordnungsgrundsätze nach Abschn. 15.2c. UStAE zu beachten. Auf die ertragsteuerliche Behandlung als BV oder PV kommt es grundsätzlich nicht an. S.a. Abschn. 15.23. UStAE.
Der allgemeine Grundsatz, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UStG bezeichneten Vorsteuern abgezogen werden können, gilt nicht, wenn der Unternehmer bestimmte steuerfreie oder bestimmte nicht steuerbare Umsätze ausführt. Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug erstreckt sich nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG auf die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, die der Unternehmer zur Ausführung der dort bezeichneten Umsätze verwendet, sowie auf die Steuer für sonstige Leistungen, die er für diese Umsätze in Anspruch nimmt (Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 1 und 3 UStAE).
Der Begriff der Verwendung einer Lieferung oder sonstigen Leistung umfasst auch die Verwendungsabsicht. Das Recht auf Vorsteuerabzug des Unternehmers entsteht dem Grunde und der Höhe nach bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. I.R.d. § 15 Abs. 2 und 3 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Bei jedem Leistungsbezug muss der Unternehmer über die beabsichtigte Verwendung der bezogenen Leistung sofort entscheiden (→ Unternehmensvermögen, → Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer).
Beispiel 22:
Unternehmer U betrieb eine Färberei. Aufgrund des Betriebs war das Betriebsgrundstück mit Schadstoffen belastet. U wurde von den Umweltbehörden u.a. zur Boden- und Grundwassersanierung aufgefordert. Im Kj. 10 wurde mit dem Abbruch der Gebäude begonnen. Gleichzeitig führte U Verkaufsverhandlungen mit der Y KG, die das Grundstück nur umsatzsteuerfrei erwerben wollte. Voraussetzung für den Kauf durch die Y KG war weiterhin die erfolgreiche Durchführung der Grundwassersanierung und der Abbruch der Betriebsgebäude bis zum 31.12.11. Da die Sanierung nicht abgeschlossen werden konnte, trat die KG vom Kaufvertrag zurück.
Nach Abschluss der Sanierungen veräußerte U das Grundstück im Kj. 19 unter Verzicht auf die Steuerbefreiung gem. § 9 i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG.
U beantragte im Kj. 10 den Vorsteuerabzug aus den Sanierungsmaßnahmen (Gebäudeabbruch).
Lösung 22:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 14.3.2012 (XI R 23/10, BFH/NV 2012, 1672, LEXinform 0928014).
Da das Recht auf Vorsteuerabzug mit dem jeweiligen Leistungsbezug im Kj. 10 entsteht, und da sich auch der Umfang des Rechts nur nach der im jeweiligen Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs beabsichtigten oder ggf. bereits erfolgten tatsächlichen Verwendung richtet, kommt es entgegen der Auffassung des U nicht auf die stpfl. (§ 9 i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG) Lieferung des sanierten Betriebsgrundstücks im Jahr 19 an.
U tätigte die Aufwendungen zur Boden- und Grundwassersanierung im Hinblick auf eine beabsichtigte Veräußerung des Grundstücks. Mit Beginn des Abbruchs der Gebäude im Kj. 10 führte U bereits Vertragsverhandlungen mit der KG, die das Grundstück nur umsatzsteuerfrei erwerben wollte.
Gegenüber diesem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang der von U bezogenen Sanierungsleistungen mit der beabsichtigten (steuerfreien) Grundstücksveräußerung tritt der (lediglich mittelbare) Zusammenhang der Boden- und Grundwassersanierung mit den früheren Umsätzen der GmbH (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) zurück.
Die Aufwendungen für die Sanierungsleistungen gehören nicht zu den Kostenelementen der früheren Ausgangsumsätze des U. Denn eine solche Einordnung ließe unberücksichtigt, dass die Aufwendungen erst entstanden sind, nachdem der Betrieb des U eingestellt worden war, und dass U die streitigen Sanierungsleistungen von Beginn an im Hinblick auf die beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung bezogen und sich im Kaufvertrag im Kj. 10 gegenüber der KG zur Grundwassersanierung und zum Abbruch der Betriebsgebäude verpflichtet hat.
Deshalb ist es auch unerheblich, ob U für die Altlastenbeseitigung ggf. hätte Rückstellungen bilden müssen oder gar gebildet hat. Die Steuer für vom Unternehmer U bezogene Sanierungsleistungen ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Maßgeblich ist regelmäßig die erste Leistung oder die erste unentgeltliche Wertabgabe, in die die bezogene Leistung Eingang findet. Bei der Zurechnung sind grundsätzlich nur Umsätze zu berücksichtigen, die nach Inanspruchnahme der vorsteuerbelasteten Leistungen ausgeführt werden sollen. Die Verwendungsabsicht muss objektiv belegt und in gutem Glauben erklärt werden. Es darf kein Fall von Betrug oder Missbrauch vorliegen. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn es später nicht zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt (Abschn. 15.12. Abs. 1 Satz 13 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt 3.4 »Entstehung und Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs«).
Vom Abzug ausgeschlossen sind nicht nur die Vorsteuerbeträge, bei denen ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen des Unternehmers besteht. Der Ausschluss umfasst auch die Vorsteuerbeträge, die in einer mittelbaren wirtschaftlichen Verbindung zu diesen Umsätzen stehen (Abschn. 15.12. Abs. 3 UStAE mit Beispielen).
Ein unmittelbarer Zusammenhang ist z.B. anzunehmen, wenn der Unternehmer Waren einkauft und sie veräußert.
Ein mittelbarer Zusammenhang liegt z.B. vor, wenn der Unternehmer eine Maschine einkauft und mit ihrer Hilfe Waren herstellt, die er weiterveräußert. Der mittelbare Zusammenhang zwischen Eingangsleistung (Maschineneinkauf) und Ausgangsumsätzen (Warenveräußerungen) liegt in der Verwendung der Maschine zur Herstellung der Waren. Auch die Verwaltungsgemeinkosten eines Unternehmens stehen noch in einem mittelbaren Zusammenhang mit seinen Ausgangsumsätzen.
Für die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist darauf abzustellen, welchem Ausgangsumsatz ein bestimmter Vorumsatz letztlich zugutekommt. Führt ein Vorumsatz zunächst zu Innenumsätzen, ist zu untersuchen, in welche Ausgangsumsätze diese Innenumsätze einfließen.
S.a. die Beispiele unter Abschn. 15.12. Abs. 3 und 4 UStAE.
Mit Urteil vom 20.10.2021 (XI R 10/21, BFH/NV 2022, 543, LEXinform 0953524) hat der BFH entschieden, dass der sog. Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) dann in Betracht kommen kann, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen. Für die Gemeinde bedeutet das im Ergebnis, dass sich ihre Baukosten für die Hängeseilbrücke deutlich reduzieren.
Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung muss zwischen dem Leistenden (hier: der Gemeinde) und dem Leistungsempfänger (hier: den Nutzern der Hängeseilbrücke) ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies hat der BFH bejaht. Er sah in der Vereinnahmung von Parkgebühren einen unmittelbaren Zusammenhang zur Bereitstellung der Hängeseilbrücke (s. BFH Pressemitteilung Nr. 11/2022 vom 17.3.2022, LEXinform 0461888).
Beispiel 23:
Der Eigentümer hatte ein bebautes Grundstück langfristig stpfl. verpachtet. Die Pächterin wiederum hatte das Grundstück unterverpachtet. Der Eigentümer schloss mit den Pächtern eine Aufhebungsvereinbarung. Er beabsichtige ausweislich der Vorbemerkung zur Aufhebungsvereinbarung, das Grundstück zum Zweck einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern, und sah sich durch den langfristigen Pacht- und Unterpachtvertrag an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums gehindert. Die Vertragsparteien einigten sich auf die vorzeitige Aufhebung der Pachtverträge rund acht Jahre vor dem ursprünglichen Ende mit der Option, diese schon während der nunmehr verkürzten Vertragslaufzeit zu kündigen. Der Eigentümer verpflichtete sich im Gegenzug, eine »Entschädigung« zzgl. 19 % USt an die Pächterin bzw. Unterpächterin zu zahlen. Die Pächterin kündigte das Pachtverhältnis vorzeitig und stellte dem Eigentümer die vereinbarten Gegenleistungen für sich und die Unterpächterin nebst USt in Rechnung. Später veräußerte der Eigentümer das Grundstück umsatzsteuerfrei.
Lösung 23:
Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 13.12.2017 (XI R 3/16, BStBl II 2018, 727; s.a. Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 18 i.d.F. des BMF-Schreibens vom 14.12.2018, BStBl I 2018, 1402).
Zwar bestand kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Auflösungszahlung und den stpfl. Verpachtungsumsätzen des Eigentümers. Denn er hat die Leistung der Pächter nicht bezogen, um stpfl. Verpachtungsumsätze auszuführen. Die betreffende Zahlung diente vielmehr dazu, die stpfl. Verpachtung alsbald vorzeitig zu beenden. Der Eigentümer ist aber gleichwohl zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Kosten für die zur vorzeitigen Beendigung der Verpachtung führende Abkürzung der Vertragslaufzeit zu den allgemeinen Aufwendungen seiner stpfl. Verpachtungstätigkeit gehören und als solche Kostenelemente der ausgeführten Verpachtungsumsätze sind.
Die fraglichen Kosten hängen direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Verpachtungstätigkeit zusammen. Ausgaben zum Zweck der Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit sind wegen des Neutralitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Da das Recht auf Vorsteuerabzug bei der Liquidation eines Betriebs anzuerkennen ist, soweit es dabei nicht zu Betrügereien und Missbräuchen kommt, darf dem Eigentümer der von ihm geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht versagt werden.
Dagegen besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der vom Eigentümer bezogenen Verzichtsleistung der Pächter auf langfristige Pacht und der beabsichtigten Grundstücksveräußerung. Diese Eingangsleistung ist somit nicht als für die Grundstücksveräußerung verwendet zu betrachten. Auf die möglicherweise von Anfang an bestehende Absicht des Eigentümers, das Grundstück zum Zweck einer künftig anderweitigen Nutzung steuerfrei zu veräußern, kam es vorliegend nach Ansicht des BFH nicht an. Eine den Vorsteuerabzug ausschließende Verwendung der bezogenen Verzichtsleistung der Pächter für Zwecke steuerfreier Umsätze lag mithin nicht vor (s.a. Anmerkung vom 2.5.2018, LEXinform 0653420).
Zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug s. → Steuerfreie Umsätze, Vorsteuerabzug sowie die Verwaltungsregelungen in Abschn. 15.13. und 15.14. UStAE. S.a. das Beispiel zu den Auslandsumsätzen i.S.d. § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG unter → Steuerfreie Umsätze, Vorsteuerabzug.
Abb.: Abzugsumsätze vs. Ausschlussumsätze
Art. 173 Abs. 1 und 2 MwStSystRL sieht eine Vorsteueraufteilung nach einem Pro-rata-Satz vor, der für die Gesamtheit der von dem Stpfl. bewirkten Umsätze festgelegt wird. Dieser Satz ist auf die Eingangsleistungen anzuwenden, die sowohl auf Abzugs- als auch auf Ausschlussumsätze entfallen.
Der Pro-rata-Satz bestimmt sich nach Art. 174 Abs. 1 MwStSystRL wie folgt:
Netto-Umsätze im Jahr, die zum Vorsteuerabzug berechtigen |
Netto-Umsätze im Zähler + Umsätze im Jahr, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen |
Nach Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten eine andere Aufteilung festlegen (s. § 15 Abs. 4 UStG). Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in Form des Vorranges von »anderen wirtschaftlichen Zuordnungen« vor einer Aufteilung nach den Umsätzen Gebrauch gemacht (s.a. BMF vom 18.11.2022, BStBl I 2022, 1590 zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG sowie vom 13.2.2024, BStBl I 2024, 280 zur Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG sowie zur Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels).
Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen erworbene Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzuordnen ist (§ 15 Abs. 4 UStG). Die nicht abzugsfähigen Teilbeträge sind in einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln. § 15 Abs. 4 UStG erstreckt sich demnach nicht auf die Vorsteuerbeträge, die entweder allein den zum Abzug berechtigenden Umsätzen oder allein den zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führenden Umsätzen zuzurechnen sind. Die Abziehbarkeit der einer Umsatzart ausschließlich zurechenbaren Vorsteuerbeträge beurteilt sich daher stets nach den Vorschriften des § 15 Abs. 1 bis 3 UStG. Die Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG betrifft somit nur die Vorsteuerbeträge, die teils der einen und teils der anderen Umsatzart zuzuordnen sind (Abschn. 15.16. Abs. 2 Satz 6 UStAE; Schneider, NWB 2013, 708).
Zum Zweck der Vorsteueraufteilung sind die Vorsteuerbeträge in drei verschiedene Gruppen aufzugliedern (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 1 UStAE):
in abzugsfähige Vorsteuern (Vorsteuergruppe A), die ausschließlich in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen der Umsatzgruppe A stehen;
in nichtabzugsfähige Vorsteuern (Vorsteuergruppe B), die ausschließlich in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen der Umsatzgruppe B stehen. Hierzu gehören z.B. bei steuerfreien Grundstücksverkäufen die Vorsteuerbeträge für die Leistungen des Maklers und des Notars sowie für Inserate.
Bei Pauschallandwirten, die ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 UStG versteuern, ist der Vorsteuerabzug in Zusammenhang mit diesen Umsätzen ausgeschlossen (→ Land- und Forstwirtschaft unter dem Gliederungspunkt »Vorsteuerabzug« und dort die BFH-Urteile vom 16.11.2016, V R 1/15, BStBl II 2022, 777 sowie vom 1.3.2018, V R 35/17, BStBl II 2020, 749; Becker, NWB 9/2017, 638).
Mit Urteil vom 1.3.2018 (V R 35/17, BStBl II 2020, 749) hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer (Verpächter), der ein Grundstück an einen Landwirt verpachtet, der seine Umsätze gem. § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichten kann (s.a. Abschn. 9.2. Abs. 2 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 6.11.2020, BStBl I 2020, 1202).
Zur Wohnraumvermietung und zum Vorsteuerabzug für eine neue Heizungsanlage hat der BFH mit Urteil vom 7.12.2023 (V R 15/21, BStBl II 2024, 503) entschieden, dass dann, wenn der Vermieter von Wohnraum zum vertragsgemäßen Gebrauch auch die Versorgung mit Wärme und warmem Wasser schuldet, die Kosten des Vermieters für eine neue Heizungsanlage jedenfalls dann im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zur steuerfreien Vermietung stehen, wenn es sich dabei nicht um Betriebskosten handelt, die der Mieter gesondert zu tragen hat (→ Grundstücksvermietung);
in zum Teil abzugsfähige Vorsteuern (Vorsteuergruppe C), die nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sowohl im Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen der Gruppe A als auch der Gruppe B stehen.
Zu den Vorsteuern der Vorsteuergruppe C rechnen insbes.:
Vorsteuern auf Verwaltungsgemeinkosten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Umsatzgruppen A und B stehen (vgl. auch Abschn. 15.18. Abs. 6 UStAE);
Vorsteuern aus erworbenen Wirtschaftsgütern, die gleichzeitig zur Ausführung von Umsätzen der Umsatzgruppen A und B verwendet werden, z.B. Maschinen, Fahrzeuge, Gebäude(teile) (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 UStAE).
Nur die Vorsteuern der Vorsteuergruppe C müssen aufgeteilt werden (s.a. Abschn. 22.4. UStAE).
Mit Urteil vom 23.10.2019 (V R 46/17, BStBl II 2022, 779) hat der BFH entschieden, dass die Vorsteueraufteilung i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG für von anderen Unternehmern bezogenen Leistungen voraussetzt, dass die Vorsteuerbeträge für diese Leistungen gesetzlich entstanden sind (Abschn. 15.16. Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Der von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG verwendete Begriff der Vorsteuerbeträge entspricht dem in § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG und setzt daher voraus, dass die in dieser Vorschrift genannten Abzugsvoraussetzungen vorliegen. Hierzu gehört beim Vorsteuerabzug aus von anderen Unternehmern bezogenen Leistungen, dass die für diese Leistungen in Rechnungen ausgewiesene Steuer i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG »gesetzlich geschuldet« wird. Ein Steuerausweis für eine steuerfreie Leistung, die zu einer Steuerschuld nach § 14c UStG führt, berechtigt demgegenüber nicht zum Vorsteuerabzug, sodass sich dann auch nicht die Frage nach einer Aufteilung gem. § 15 Abs. 4 UStG stellt (Anmerkung vom 15.1.2020, LEXinform 0889102).
Beachte:
Zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG – insbes. zur Anwendung der BFH-Urteile V R 1/15, XI R 18/17 und V R 46/17 – nimmt das BMF mit Schreiben vom 18.11.2022 (BStBl I 2022, 1590) Stellung. Dabei wird die Anwendung eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels in Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 4 bis 7 UStAE neu geregelt.
Das BMF-Schreiben vom 13.2.2024 (BStBl I 2024, 280) präzisiert die bisherigen Vorgaben zur Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel und ändert bzw. ergänzt erneut die Regelungen in Abschn. 15.17. Abs. 3 UStAE und fügt einen neuen Abs. 3a ein.
Die Aufteilung der Vorsteuern der Gruppe C in einen abzugsfähigen und einen nicht abzugsfähigen Anteil hat gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG nach wirtschaftlich sachgerechten Kriterien zu erfolgen. Hierfür bieten sich an:
die betriebliche Kostenrechnung oder die G+V bei Verwaltungsgemeinkosten (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 2 Satz 7 ff. UStAE);
bei Gebäuden die Aufteilung nach
dem Verhältnis der Nutzfläche (Flächenschlüssel; Abschn. 15.17. Satz 5 Nr. 1 UStAE);
dem objektbezogenen Umsatzschlüssel (Abschn. 15.17. Satz 5 Nr. 2 UStAE);
dem umbauten Raum (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 5 Nr. 3 UStAE);
Nutzungszeiten (Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 5 Nr. 4 Satz 2 UStAE).
bei zeitunterschiedlicher Nutzung von Wirtschaftsgütern das Verhältnis der zeitlichen Nutzung (bei Fahrzeugen auch nach dem Verhältnis der Kilometerleistung).
Wird ein Pkw nach der Anschaffung teils zur Erzielung stpfl. und teils zur Erzielung steuerfreier Umsätze verwendet, so ist die Vorsteueraufteilung für den Pkw auf der Grundlage der Fahrleistung des Pkw vorzunehmen. Eine Aufteilung im Verhältnis der auf die stpfl. bzw. steuerfreien Umsätze entfallenden Fahrleistungen führt zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung als der Umsatzschlüssel (FG Baden-Württemberg vom 15.9.2022, 12 K 1295/20, LEXinform 5025185).
Hat der Unternehmer den neuen Pkw kurz vor Jahresende (hier: November) erworben und im Jahr der Anschaffung des Pkw bereits zuvor einen anderen »funktionsgleichen« Pkw für die gleichen Umsätze genutzt, ist für die Vorsteueraufteilung auf die tatsächliche Verwendung sowohl des alten als auch des neuen Pkw im gesamten Kj., und somit auf die Gesamtfahrleistung im gesamten Kj. abzustellen.
Wird der neu angeschaffte Pkw ab der Anschaffung bis zum Jahresende in einem anderen Umfang als bei der Vorsteueraufteilung beim Kauf auf der Basis der Gesamtfahrleistung für das Kj. ermittelt für stpfl. bzw. steuerfreie Umsätze genutzt, ist insoweit eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorzunehmen. Es kann jedenfalls in Fällen, bei denen ein bereits vorhandenes WG durch ein funktionsgleiches ausgetauscht wird, zu einem Nebeneinander der Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG und § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG kommen (s.a. FG Baden-Württemberg Mitteilung vom 10.7.2023, LEXinform 0464171);
die Aufteilung im Wege einer sachgerechten Schätzung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Bei der nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG zugelassenen sachgerechten Schätzung ist auf die im Einzelfall bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Hierbei ist es erforderlich, dass der angewandte Aufteilungsschlüssel systematisch von der Aufteilung nach der wirtschaftlichen Zuordnung ausgeht (Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 1 und 2 UStAE). Eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel ist grundsätzlich nicht möglich. Gibt es aber keine sachgerechte Aufteilungsmethode, kann ausnahmsweise auch nach dem Gesamtumsatzschlüssel aufgeteilt werden (vgl. Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 3 UStAE, § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG). Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass keine andere Methode eine präzisere Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern gewährleisten darf (vgl. BFH vom 10.8.2016, XI R 31/09, BStBl II 2022, 736 und vom 11.11.2020 – XI R 7/20, BStBl II 2022, 746), ein präziserer anderer (sachgerechter) Aufteilungsschlüssel geht dem Gesamtumsatzschlüssel daher immer vor (Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 4 UStAE).
Auch eine Aufteilung, die auf Umsatzzahlen nur eines Teils der Umsätze beruht (Teilumsatzschlüssel, z.B. ein objekt- oder abteilungsbezogener Umsatzschlüssel), stellt eine andere Methode der wirtschaftlichen Zuordnung dar und geht dem Gesamtumsatzschlüssel daher vor (Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 5 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 13.2.2024, BStBl I 2024, 280).
Kommen mehrere andere präzisere Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl der anzuwendenden präziseren Methode obliegt in diesen Fällen dem Unternehmer; das FA kann sie jedoch daraufhin überprüfen, ob sie sachgerecht ist. Nicht sachgerecht sind z.B. Aufteilungen nach der Menge nicht miteinander vergleichbarer Produkte (zu einem Strom und Wärme produzierenden Blockheizkraftwerk vgl. BFH vom 16.11.2016, V R 1/15, BStBl II 2022, 777) oder nach einem selektiven Personalschlüssel (vgl. BFH vom 23.10.2019, XI R 18/17, BStBl II 2022, 782; Abschn. 15.17. Abs. 3 Sätze 7 bis 9 UStAE).
die Aufteilung nach den Gesamtumsätzen (Gesamtumsatzschlüssel). Zur Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel hat die Verwaltung durch das BMF-Schreiben vom 13.2.2024 (BStBl I 2024, 280) in Abschn. 15.17. UStAE eine neuen Abs. 3a eingefügt (s.a. Becker, NWB 12/2024, 785).
Bei der Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel handelt es sich um eine Aufteilung »nach dem Verhältnis der Umsätze« i.S.d. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG. Eine Aufteilung nach den Gesamtumsätzen des Unternehmers (Gesamtumsatzschlüssel) kann nur erfolgen, wenn kein präziserer Aufteilungsschlüssel (s.o. unter a) bis d) in Betracht kommt (Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 1 UStAE).
Der Gesamtumsatzschlüssel ergibt sich aus einem Bruch, der sich aus dem Verhältnis der Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, zum Gesamtumsatz des Unternehmers zusammensetzt, jeweils bezogen auf den Besteuerungszeitraum (Kj.; Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 2 UStAE).
Nettobetrag aller zum Vorsteuerabzug berechtigten Ausgangsumsätze des Unternehmens im betroffenen Kj. Hierzu gehören auch die der Besteuerung unterliegenden unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b oder 9a UStG (BMF vom 13.2.2024, Rz. 8). |
= Gesamtumsatzschlüssel |
Nettobetrag des Gesamtumsatzes (Summe der im Zähler erfassten Umsätze zzgl. der nach § 15 Abs. 2 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätze) des Unternehmens im betroffenen Kj. Subventionen sind nur zu berücksichtigen, wenn sie unmittelbar mit dem Preis der Lieferung oder sonstigen Leistung zusammenhängen und daher Teil der Gegenleistung i.S.v. § 10 Abs. 1 UStG sind. Andere Subventionen sind – im Gegensatz zu einer möglichen Berücksichtigung bei der Ermittlung eines präziseren Aufteilungsschlüssels – nicht zu berücksichtigen (BMF vom 13.2.2024, Rz. 9). |
Der Prozentsatz der abzugsfähigen Vorsteuern ist auf volle Prozentpunkte aufzurunden (vgl. Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL; Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 7 UStAE). |
Keine Ausgangsumsätze – weder im Zähler noch im Nenner – sind
Einfuhren,
innergemeinschaftliche Erwerbe und
die Bemessungsgrundlage zu Steuerbeträgen, die der Unternehmer nach § 13b Abs. 1 oder Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 UStG schuldet (Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 3 UStAE).
Der Umsatzschlüssel soll die reguläre wirtschaftliche Betätigung widerspiegeln. Um ihn nicht durch den Ansatz von Hilfs- und Zusatzgeschäften zu verfälschen, sind folgende Umsätze weder im Zähler noch im Nenner zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie stpfl. oder steuerfrei sind (Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 4 UStAE):
Umsätze aus dem Verkauf von Berichtigungsobjekten i.S.v. § 15a Abs. 1 UStG (i.d.R. ertragsteuerliches AV, unionsrechtlich »Investitionsgüter«), aus sonstigen Leistungen i.S.v. § 15a Abs. 4 UStG (sonstige Leistungen, für die in einer Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot bestünde) und ggf. – bei einem gesonderten Verkauf – auch aus Berichtigungsobjekten i.S.v. § 15a Abs. 3 und 6 UStG (vgl. hierzu auch Abschn. 15a.1. Abs. 2 UStAE; → Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG; BMF vom 13.2.2024, Rz. 10),
Hilfsumsätze aus Grundstücks- und Finanzgeschäften,
Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. a bis h UStG, soweit es sich um Hilfsumsätze handelt, und
Einnahmen, die ihrer Art nach nicht dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegen (z.B. aus Geschäftsveräußerungen nach § 1 Abs. 1a UStG oder Kapitalerträgen).
Beachte:
Versteuert der Unternehmer Leistungen nach § 25 UStG (→ Reiseleistungen nach § 25 UStG) oder § 25a UStG (→ Differenzbesteuerung), ist abweichend hiervon sowohl bei dem Betrag im Zähler als auch bei dem Betrag im Nenner das vereinnahmte Entgelt (Verkaufspreis abzüglich USt) zu berücksichtigen, nicht nur der sich nach diesen Regelungen ergebende stpfl. Betrag (Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 6 UStAE).
Es ist jeweils auf die Regelungen zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage abzustellen (Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 5 UStAE). Die Umsätze sind nach der Steuerentstehung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 UStG zu berücksichtigen. Insbes. sind im Fall einer Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) Umsätze in dem Besteuerungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie vereinnahmt worden sind. Änderungen des Entgelts i.S.v. § 17 UStG sind für den Besteuerungszeitraum zu berücksichtigen, in dem die Änderung eingetreten ist (BMF vom 13.2.2024, Rz. 12).
Wichtig:
Bei einer Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel ist der Prozentsatz der abzugsfähigen Vorsteuern auf volle Prozentpunkte aufzurunden (s. Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL; Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 7 UStAE). Bei der Anwendung eines anderen, präziseren Aufteilungsschlüssels findet diese Rundungsregel dagegen keine Anwendung, in diesen Fällen ist auf die zweite Nachkommastelle aufzurunden (Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 6 UStAE; BMF vom 13.2.2024, Rz. 13).
Der Gesamtumsatzschlüssel kann im Voranmeldungsverfahren auf einer vorläufigen Basis (z.B. auf der Grundlage des vorangegangenen Jahres) angewandt und in der Jahresfestsetzung auf den endgültigen Prozentsatz berichtigt werden (s. Abschn. 15.17. Abs. 3a Satz 8 i.V.m. Abschn. 15.16. Abs. 2a UStAE).
Die Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels führt im Jahresvergleich regelmäßig zu schwankenden Prozentsätzen. Deshalb sind bei Berichtigungsobjekten i.S.v.§ 15a UStG innerhalb des Berichtigungszeitraums die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG jährlich zu prüfen. Dabei ist für den Fall, dass der ursprüngliche Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs auf volle Prozentpunkte aufgerundet wurde, auch während des gesamten Berichtigungszeitraums der Prozentsatz der abzugsfähigen Vorsteuern auf volle Prozentpunkte aufzurunden, unabhängig von der in dem Berichtigungsjahr angewandten Methode (Abschn. 15a.2. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Buchst. c UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 13.2.2024, BStBl I 2024, 280).
Nach dem Urteil des FG Münster vom 13.6.2017 (15 K 1928/14, EFG 2017, 1770, LEXinform 5020617, rkr.) ist die Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel geboten, wenn der Unternehmer steuerfreie Umsätze mit Geldspielgeräten wie auch stpfl. Umsätze mit Unterhaltungsspielgeräten ausführt (BFH vom 5.9.2013, XI R 4/10, BStBl II 2014, 95; s.a. Urteil FG Münster vom 12.9.2017, 15 K 4335/12, EFG 2018, 249, LEXinform 5020795, Revision eingelegt, Az. BFH: V R 46/17, LEXinform 0951743). Im Revisionsverfahren hat der BFH mit Urteil vom 23.10.2019 (V R 46/17, BStBl II 2022, 779) die Möglichkeit der Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel bestätigt.
Beachte:
Seit dem 6.5.2006 sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG nur noch die Umsätze steuerfrei, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen.
Hinweis:
Bei Immobilien findet der Gesamtumsatzschlüssel als Aufteilungsschlüssel regelmäßig keine Anwendung (s. Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 5 UStAE). Der Gesamtumsatzschlüssel kommt beim gesamten Unternehmen regelmäßig dann zur Anwendung, wenn – wie vom BFH mit Urteil vom 23.10.2019 (V R 46/17, BStBl II 2022, 779) entschieden – wenn neben vorsteuerabzugsberechtigten Ausgangsumsätzen auch steuerfreie Umsätze, wie z.B. Versicherungsleistungen oder heilberufliche Leistungen ausgeführt werden.
Zu den Erleichterungen bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge s. § 43 UStDV sowie Abschn. 15.18. UStAE.
Die Erleichterungen des § 43 UStDV erstrecken sich auf die Fälle, in denen die dort bezeichneten Umsätze den Vorsteuerabzug ausschließen würden. Sie betreffen nur die Vorsteuerbeträge, die den in § 43 UStDV bezeichneten Umsätzen lediglich teilweise zuzurechnen sind. Vorsteuerbeträge, die sich ausschließlich auf diese Umsätze beziehen, bleiben vom Abzug ausgeschlossen. Die Erleichterungen des § 43 UStDV bestehen darin, dass die Vorsteuerbeträge, die den dort bezeichneten Umsätzen nur teilweise zuzuordnen sind, nicht in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Anteil aufgeteilt werden müssen. Sie sind somit voll abziehbar.
Zum Vorsteuerabzug bei Gebäuden s. → Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer, → Unternehmensvermögen, → Gebäude auf fremdem Grund und Boden; → Photovoltaikanlage. Zur Berechnung des maßgeblichen Flächenverhältnisses s. OFD Karlsruhe vom 14.4.2023 (S 7300 – Karte 7, UR 2023, 661).
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der → Mietereinbauten s. das BFH-Urteil vom 13.11.2019 (V R 5/18, BStBl II 2020, 136) sowie das BMF-Schreiben vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432).
Beispiel 24:
Vermieter V vermietet ein Grundstück für 15 Jahre an den Zahnarzt Dr. Z (Besteller). Z lässt das Grundstück als zahnärztliche Praxis herrichten und beantragt Vorsteuern aus Rechnungen von den beauftragten Baufirmen i.H.v. insgesamt 94 898 € für die Herrichtung der angemieteten Praxisräume. Die Beteiligten gehen von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren aus. Nach der Vereinbarung ersetzt V dem Dr. Z die Kosten für die von Dr. Z im eigenen Namen getragenen Umbaukosten. Für die Nutzung des Gebäudes zahlt Dr. Z eine angemessene Miete.
Lösung 24:
S. das Beispiel 1 des BMF-Schreibens vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432) sowie das BFH-Urteil vom 13.11.2019 (V R 5/18, BStBl II 2020, 136).
Dr. Z ist Empfänger der Leistungen der Baufirmen. Dr. Z ist unter den Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug der ihm in Rechnung gestellten USt als Vorsteuer berechtigt.
Dr. Z liefert die hergerichteten Praxisräume im Zeitpunkt der Fertigstellung an V weiter. V wird nicht nur nach §§ 946, 94 BGB Eigentümer, sondern erlangt nach dem Willen der Beteiligten auch die Verfügungsmacht an den Umbaumaßnahmen. Es liegt daher eine entgeltliche Lieferung der Umbaumaßnahmen vor. Gegenleistung des V für die Lieferung der Umbaumaßnahmen ist die Übernahme der Baukosten. Die Lieferung ist stpfl., da kein Grundstück i.S.d. GrEStG geliefert wird. Das Reverse-Charge-Verfahren des § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG ist somit auch nicht anzuwenden.
Das Vorliegen einer Werklieferung erfordert noch, dass ein unmittelbar vom Vermieter tatsächlich genutzter wirtschaftlicher Vorteil zugewendet wird (BFH vom 16.11.2016, V R 35/16, BFH/NV 2017, 768, LEXinform 0950911). Dieser wirtschaftliche Vorteil liegt hier in der Herstellung der Vermietbarkeit der Räumlichkeiten für den Vermieter. Diese war erst nach Vornahme der Praxiseinbauten zur vertragsgemäßen Überlassung des Mietgegenstands in der Lage (BFH V R 5/18, Rz. 28 und 29).
V kann die ihm von Dr. Z für die Weiterlieferung in Rechnung gestellte USt unter den Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen. Hierzu ist u.a. erforderlich, dass für die Vermietung der Praxisräume an Dr. Z nach § 9 UStG ein Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG möglich ist. Soweit Dr. Z das Grundstück zur Ausführung steuerfreier Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet, ist ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 2 UStG nicht möglich.
Dr. Z ist als Empfänger der Bauleistungen auch nur dann zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Baufirmen berechtigt, wenn er die empfangenen Bauleistungen selbst nicht zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Da die Umbaumaßnahmen unmittelbar im Zeitpunkt der Fertigstellung an V geliefert werden, hat Dr. Z die bei der Weiterlieferung verwendeten Baumaßnahmen zuvor nicht für eine Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet. Damit ist auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG ausgeschlossen (BFH V R 5/18, Rz. 35).
Soweit die Einbauten für die Tätigkeit als Zahnarzt erforderlich waren und verwendet werden, handelt es sich um einen lediglich mittelbaren Zusammenhang mit der freiberuflich-steuerfreien Tätigkeit, auf den es für den Vorsteuerabzug jedoch nicht entscheidend ankommt (BFH vom 13.1.2011, V R 12/08, BStBl II 2012, 61, Rz. 19, sowie vom 9.12.2010, V R 17/10, BStBl II 2012, 53, Rz. 10).
Beispiel 25:
Vermieter V vermietet ein Grundstück für 10 Jahre an den Zahnarzt Dr. Z (Besteller). Z lässt das Grundstück als zahnärztliche Praxis herrichten und beantragt Vorsteuern aus Rechnungen von den beauftragten Baufirmen i.H.v. insgesamt 94 898 € für die Herrichtung der angemieteten Praxisräume. Die Beteiligten gehen von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren aus. Dr. Z hat sich gegenüber V verpflichtet, nach Beendigung des Mietvertrages den ursprünglichen Zustand des Grundstücks wieder herzustellen. Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Verpflichtung bestehen nicht.
Lösung 25:
S. das Beispiel 2 des BMF-Schreibens vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432).
Dr. Z ist Empfänger der Umbaumaßnahmen der Bauunternehmer. Er ist unter den Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug der ihm in Rechnung gestellten USt als Vorsteuer berechtigt. Da die Praxisräume zur Ausführung steuerfreier Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet werden, ist die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbare Vorsteuer nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig.
Eine Lieferung der Umbaumaßnahmen von Dr. Z an V liegt nicht vor. Dr. Z ist bürgerlich-rechtlich Eigentümer der Umbaumaßnahmen (§ 95 BGB), weil die Praxisräume nach dem Willen der Parteien nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden worden sind.
Beispiel 26:
Vermieter V vermietet ein Grundstück für 15 Jahre an den Zahnarzt Dr. Z (Besteller). Z lässt das Grundstück als zahnärztliche Praxis herrichten und beantragt Vorsteuern aus Rechnungen von den beauftragten Baufirmen i.H.v. insgesamt 94 898 € für die Herrichtung der angemieteten Praxisräume. Die Beteiligten gehen von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren aus. Es wird eine angemessene Miete gezahlt. Nach Ablauf des Mietvertrages fallen die Praxisräume vereinbarungsgemäß entschädigungslos V zu.
Lösung 26:
S. das Beispiel 3 des BMF-Schreibens vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432).
Dr. Z ist Empfänger der Umbaumaßnahmen der Bauunternehmer. Er ist unter den Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug der ihm in Rechnung gestellten USt als Vorsteuer berechtigt. Die Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig, soweit die Praxisräume zur Ausführung steuerfreier Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet werden.
V ist zivilrechtlich Eigentümer der Umbaumaßnahmen geworden (§§ 946, 94 BGB). Die Praxisräume sind nach dem Willen der Parteien nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck (§ 95 BGB) mit dem Grundstück verbunden worden.
Dr. Z kann jedoch nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise den V, obwohl dieser bürgerlich-rechtlich Eigentümer geworden ist, auf Dauer von der Einwirkung auf das Gebäude ausschließen. Dr. Z ist wirtschaftlicher Eigentümer (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) der Praxisräume. Der entschädigungslose Übergang der Verfügungsmacht an den Praxisräumen nach Ablauf des Mietvertrages erfolgt nicht gegen Entgelt. Eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG liegt nicht vor, da der Praxisumbau bei Dr. Z nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.
Die Ausgabe neuer Aktien stellt keinen Umsatz dar, der in den Anwendungsbereich von Art. 2 MwStSystRL fällt. Nach Art. 167 ff. MwStSystRL besteht ein Recht auf Abzug der gesamten Vorsteuer, die die Aufwendungen eines Stpfl. für die verschiedenen Leistungen belastet, die er im Rahmen einer Ausgabe von Aktien bezogen hat, sofern es sich bei sämtlichen Umsätzen, die dieser Stpfl. im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, um besteuerte Umsätze handelt (EuGH Urteil vom 26.5.2005, C-465/03, Kretztechnik AG, UR 2005, 382, DStR 2005, 965 Abschn. 15.21. UStAE).
Bei der Ausgabe von Aktien handelt es sich demnach um einen Umsatz, der nicht in den Anwendungsbereich der MwStSystRL fällt bzw. der nicht steuerbar ist. Die Kosten der Dienstleistungen, die im Rahmen der Ausgabe von Aktien bezogen werden, sind Teil der allgemeinen Kosten und gehören damit zu den Preiselementen der Produkte. Solche Dienstleistungen hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Stpfl. zusammen. Folglich hat der Stpfl. nach Art. 167 ff. MwStSystRL (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) ein Recht auf Abzug der gesamten Vorsteuer, die die Aufwendungen für die verschiedenen Leistungen belastet hat, die der Stpfl. im Rahmen seiner Ausgabe von Aktien bezogen hat, sofern es sich bei sämtlichen Umsätzen, die er im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ausführt, um besteuerte Umsätze handelt (s.a. Abschn. 15.21. Abs. 4 ff. UStAE).
Bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmers ist regelmäßig auf das Verhältnis der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen (Abschn. 15.16. Abs. 2a UStAE).
Eine PersGes, deren alleiniger Zweck es ist, ein Gebäude zu errichten und zu vermieten, und die im Zusammenhang mit ihrer Gründung und der Aufnahme von Gesellschaftern rechtlich beraten wird, bezieht die Beratungsleistungen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG für ihr Unternehmen. Eine PersGes erbringt bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage an diesen keinen steuerbaren Umsatz und damit auch keinen nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreien Umsatz. Der Vorsteuerabzug für die rechtliche Beratung der Gesellschaft anlässlich ihrer Gründung ist nicht nach § 15 Abs. 2 UStG oder Art. 167 ff. MwStSystRL ausgeschlossen. Entscheidend ist, dass die Kosten der bezogenen Beratungsleistungen allgemeine Kosten des Unternehmens sind und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers zusammenhängen (Abschn. 15.21. Abs. 1 und 3 UStAE und BFH Urteil vom 1.7.2004, VR 32/00, BStBl II 2004, 1022).
Mit Urteil vom 18.11.2004 (V R 16/03, BStBl II 2005, 503) bestätigt der BFH seine Rspr. vom 1.7.2004 (V R 32/00, BStBl II 2004, 1022) und damit auch die Sphärentheorie. Leistungen, die eine AG (Publikumsgesellschaft) mit dem Unternehmensgegenstand »Erwerb, Verwaltung und Verwertung von Immobilien, Wertpapieren, Beteiligungen sowie Vermögensanlagen« im Zusammenhang mit der Ausgabe stiller Beteiligungen bezieht, werden nur insoweit i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG »für das Unternehmen« der AG – und nicht für ihren nicht unternehmerischen Bereich – ausgeführt, als die AG unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig ist. Erbringt die AG sowohl stpfl. als auch steuerfreie Ausgangsumsätze, sind die in ihren unternehmerischen Bereich entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG entsprechend dem Verhältnis der ausgeführten steuerfreien Ausgangsumsätze zu ihren stpfl. Ausgangsumsätzen (Umsatzschlüssel) aufzuteilen. Eine Vorsteueraufteilung nach einem Investitionsschlüssel ist nicht statthaft.
Zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Halten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen s. Abschn. 15.22. UStAE.
Eine Tätigkeit, die ausschließlich im Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftlichen Beteiligungen besteht, ist keine unternehmerische Tätigkeit (Abschn. 2.3. Abs. 2 Satz 1 UStAE; EuGH Urteil vom 29.4.2004, C-77/01, UR 2004, 292, LEXinform 0168383), sondern eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit i.e.S. (Abschn. 2.3. Abs. 1a Satz 4 UStAE). Dies bedeutet, dass eine Holding, deren Zweck sich auf das Halten und Verwalten gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen beschränkt und die keine Leistungen gegen Entgelt erbringt (sog. Finanzholding), nicht Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist (s.a. Abschn. 15.2b. Abs. 2 UStAE; s.a. BFH vom 12.2.2020, XI R 24/18, BStBl II 2022, 191, Rz. 31; → Unternehmensvermögen).
Demgegenüber ist eine Holding, die i.S. einer einheitlichen Leitung unmittelbar oder mittelbar aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochtergesellschaften eingreift (sog. Führungs- oder Funktionsholding), unternehmerisch tätig. Es handelt sich dabei um die Erbringung von administrativen, buchführerischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen (EuGH vom 16.7.2015, C-108/14, C-109/14, BStBl II 2017, 604, Rz. 20 f.; vom 5.7.2018, C-320/17, UR 2018, 762, LEXinform 0651562, Rz. 29 f.; vom 8.11.2018, C-502/17, UR 2018, 966, LEXinform 0651557, Rz. 32). Dabei handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung; der Begriff »Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft« ist dahin zu verstehen, dass er alle Umsätze umfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden (EuGH C-320/17, Rz. 31 f.). Außerdem sind, da die wirtschaftlichen Tätigkeiten i.S.d. MwStSystRL mehrere aufeinanderfolgende Handlungen umfassen können, die vorbereitenden Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen. Somit muss jeder, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt, als Stpfl. gelten (BFH vom 12.2.2020, XI R 24/18, BStBl II 2022, 191, Rz. 34). Da die entgeltlichen Ausgangsleistungen an die Tochtergesellschaften damit keine besondere Qualität (z.B. im Sinne eines »Eingreifens«) aufweisen müssen, und auch ein Bezug der Leistungen vor Gründung der Tochtergesellschaften der Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit nicht entgegen steht, da allein darauf abzustellen ist, dass seit Gründung der Holding die Absicht zur Erzielung umsatzsteuerbarer Umsätze bestanden hat, ist von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen, wenn die Holding steuerbare Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften erbracht hat.
Nach dem EuGH-Urteil vom 29.4.2004 (C-77/01, UR 2004, 292, LEXinform 0168383, Leitsatz 1) stellen die jährliche Gewährung verzinslicher Darlehen durch eine Holdinggesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaften und die Anlagen der Holdinggesellschaft in Form von Bankeinlagen oder in Titel wie Schatzanweisungen oder Zertifikate wirtschaftliche Tätigkeiten dar. Diese Umsätze sind jedoch von der Mehrwertsteuer befreit.
Mit Urteil vom 14.12.2023 (V R 30/21, BFH/NV 2024, 849, LEXinform 0953962) hat der BFH zur Unternehmereigenschaft sowie zum Vorsteuerabzug einer Holding bei der Vergabe von Darlehen Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
Das FG entschied in der Sache durch Zwischenurteil i.S.d. § 99 Abs. 2 FGO, um den Vorsteuerabzug der Klägerin zunächst nur dem Grunde und erst im endgültigen Urteil (auch) der Höhe nach festzustellen.
Der BFH hat die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. Ein Zwischenurteil sei nur zulässig, wenn es sachdienlich sei und die Beteiligten nicht widersprächen. Sachdienlichkeit liege insbes. bei einer Vereinfachung des weiteren Verfahrens und dann vor, wenn zu erwarten sei, dass die Beteiligten den Rechtsstreit durch das Zwischenurteil rasch beilegen würden. Ein solcher Fall liege hier allerdings nicht vor. Denn das FG habe das Zwischenurteil ausschließlich auf die in der Sache noch nicht geklärte Annahme, zwischen Ein- und Ausgangsleistungen bestehe ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang, gestützt.
Da sich das FG nun erneut mit dem Fall zu befassen hat, wies der BFH vorsorglich auf die Unternehmereigenschaft einer darlehensvergebenden Holding-GmbH hin. Eine solche setze insbes. voraus, dass tatsächlich Lieferungen oder sonstige Leistungen erbracht würden. Die reine buchhalterische Erfassung von Rechnungen reiche nicht aus, weil sie keine »Tätigkeit« i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG darstelle. Zudem könnte vorliegend für eine unternehmerische Tätigkeit sprechen, dass die Klägerin mehrfach Fremdkapital aufgenommen habe, um hiermit anschließend eigene Darlehen zu finanzieren. Denn eine solche Betätigung gehe über die Tätigkeiten gewöhnlicher Privatanleger hinaus (BFH Beschluss vom 13.11.2019, V R 30/18, BStBl II 2021, 248, Rz. 20 bis 23; s.a. Anmerkung vom 10.5.2024, LEXinform 0431851).
Wird eine Holding nur gegenüber einigen Tochtergesellschaften geschäftsleitend tätig, während sie Beteiligungen an anderen Tochtergesellschaften lediglich hält und verwaltet (sog. gemischte Holding), hat sie sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich (s.a. Englisch, UR 2020, 216 unter II.1).
Hält der Unternehmer (z.B. eine gemischte Holding) gesellschaftsrechtliche Beteiligungen sowohl im unternehmerischen als auch im nichtunternehmerischen Bereich, sind Eingangsleistungen, die für beide Bereiche bezogen werden (z.B. allgemeine Verwaltungskosten der Holding, allgemeine Beratungskosten, Steuerberatungskosten usw.), für Zwecke des Vorsteuerabzugs aufzuteilen (Abschn. 15.22. Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abschn. 15.2b. Abs. 2 UStAE; s.a. BFH Urteil vom 9.12.2012, V R 40/10, BStBl II 2012, 844 und Pressemitteilung des BFH Nr. 14/12 vom 7.3.2012, LEXinform 0437632).
Ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen, die im Zusammenhang mit den im nichtunternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen anfallen, kommt nicht in Betracht.
Hinweis:
Mit zwei Beschlüssen vom 11.12.2013 (XI R 17/11, BStBl II 2014, 417 und XI R 38/12, BStBl II 2014, 428) hat der BFH dem EuGH u.a. die Frage zum Vorsteuerabzug einer sog. Führungsholding vorgelegt.
Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene stpfl. Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?
Bei einer Führungsholding handelt es sich um eine Gesellschaft, die über das Halten von Beteiligungen an Tochtergesellschaften hinaus auch aktiv in das laufende Tagesgeschäft dieser Tochtergesellschaften eingreift. In den Streitfällen erbrachten die Führungsholdings an ihre Tochter-Personengesellschaften entgeltliche administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit und des Erwerbs der Anteile an den Tochtergesellschaften bezogen die Holdings ihrerseits Dienstleistungen von anderen Unternehmen (wie z.B. die Erstellung eines Ausgabeprospekts und Rechtsberatungsleistungen). Die Holdings begehrten für diese mit USt belasteten Dienstleistungen den vollen Vorsteuerabzug. Weil das reine Halten von Anteilen an Tochtergesellschaften nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, war das FA dagegen der Auffassung, dass der Vorsteuerabzug nur anteilig gewährt werden kann. Unklar ist jedoch, nach welchen unionsrechtlichen Kriterien eine solche Aufteilung vorzunehmen ist. Dies soll mit der Vorlagefrage geklärt werden (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 19/2014 vom 5.3.2014, LEXinform 0441414).
Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 16.7.2015 (C–108/14 und C–109/14, UR 2015, 722, LEXinform 0589495) die Fragen des BFH beantwortet. In den beiden verbundenen Rechtssachen geht es um die Mehrwertsteuer, die die betreffende Holdinggesellschaft im Rahmen der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an ihren Tochtergesellschaften gezahlt hat und deren Vorsteuerabzug sie begehrt. Denn in beiden Fällen erbrachte die Holdinggesellschaft weitere administrative oder kaufmännische bzw. Geschäftsführungs-Dienstleistungen gegen Entgelt an die betreffenden Tochtergesellschaften (s.a. Anmerkung vom 16.7.2015, LEXinform 0401911).
Der EuGH hat sämtliche Aufwendungen der Führungsholding als im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit angesehen. Das FA wollte lediglich einen anteiligen Vorsteuerabzug gewähren, da die Vorsteuer auf die Kosten für die Beteiligungsverwaltung nach seiner Ansicht nicht abzugsfähig waren.
Allerdings wurde eingesammeltes Kapital auch angelegt und daraus entstanden Zinserträge. Hierbei handelt es sich wiederum um steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 8 UStG, weshalb die Vorsteuerbeträge, die auf die Aufwendungen in Zusammenhang mit der Kapitalanlage standen, nur entsprechend anteilig abgezogen werden konnten (s.a. Anmerkung vom 15.3.2016, LEXinform 0652860).
In seinem Urteil vom 16.7.2015 (C–108/14 und C–109/14, UR 2015, 722, LEXinform 0589495) gelangt der EuGH zu folgendem Ergebnis:
Leitsätze:
1. Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 173 MwStSystRL vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.
2. Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, sodass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten (enthaltenen) Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann.
Mit Urteilen vom 19.1.2016 (XI R 38/12, BStBl II 2017, 567) und vom 1.6.2016 (XI R 17/11, BStBl II 2017, 581 – Nachfolgeentscheidungen zum EuGH-Urteil vom 16.7.2015, C–108/14 und C–109/14, UR 2015, 722, LEXinform 0589495) hat der BFH – unter Verweis auf die Leitsätze des EuGH-Urteils – entscheiden, dass einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zusteht (s.a. Anmerkung vom 29.7.2016, LEXinform 0880171; BFH vom 6.4.2016, V R 6/14, BStBl II 2017, 517 und Anmerkung dazu vom 24.6.2016, LEXinform 0880161 sowie Sterzinger, UStB 9/2018, 260).
Mit Urteil vom 12.2.2020 (XI R 24/18, BStBl II 2022, 191) nimmt der BFH zum Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft Stellung.
Zusammenfassung des BFH-Urteils XI R 24/18 bezüglich des Vorsteuerabzugsrechts:
Hier war strittig, ob die Klägerin als Holdinggesellschaft – deren Zweck im Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen lag – i.S.v. Art. 9 MwStSystRL Mehrwertsteuerpflichtige war. Diese Tätigkeit allein führt nicht zur Unternehmereigenschaft, sondern nur dann, wenn die Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar in die Verwaltung der Organgesellschaften eingreift und dabei Umsätze generiert werden, die der Umsatzsteuer unterliegen. Hier hat die Klägerin Beratungsdienstleistungen für rechtliche, steuerrechtliche und wirtschaftliche Beratungen empfangen, die im Wesentlichen ihren Tochtergesellschaften dienten und an diese weiterberechnet wurden. Diese Weiterberechnung ist der Klägerin als Umsatz zuzurechnen, sodass auch die ihr berechneten Vorsteuern abzugsfähig sind. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Weiterberechnung ohne Aufschlag oder mit einer Provision erfolgt ist, da das UStG nur die Erzielung von Einnahmen fordert.
Der zu gewährende Vorsteuerabzug umfasst auch die Eingangsleistungen, die ohne Weiterberechnung direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin zusammenhängen (BFH XI R 24/18, Rz. 58 ff.; s.a. Anmerkung vom 12.6.2020, LEXinform 0882061).
Zum Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding hat der BFH mit Beschluss vom 23.9.2020 (XI R 22/18, BStBl II 2021, 325) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Nach der EuGH-Entscheidung vom 8.9.2022 (C-98/21, UR 2022, 736, s.u.) hat der BFH das Revisionsverfahren unter dem Az. XI R 24/22 (LEXinform 0954313) fortgesetzt (s.u.).
Im Entscheidungssachverhalt XI R 22/18 erbrachte die Holding entgeltliche Leistungen in Form von Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen an ihre Tochtergesellschaften als Ausgangsleistungen und ist daher Unternehmerin. Die Tätigkeiten der Tochtergesellschaften bestehen darin, Bauobjekte zu errichten und Wohneinheiten umsatzsteuerfrei zu veräußern.
Die Holding verpflichtete sich gegen die Gewährung von Beteiligungen an den Tochtergesellschaften (Gesellschafterbeitrag) zur unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen in einem ihrer Beteiligung entsprechenden Verhältnis, d.h. mit einem Wert von mindestens 9,4 Mio. €. Diese Dienstleistungen bestanden in Architektenleistungen, statischen Berechnungen, Planungen des Wärme- und Schallschutzes, der Energieversorgung und der Netzanschlüsse, Generalunternehmer-Dienstleistungen, Erschließungsdienstleistungen und Vertriebsdienstleistungen für die von den Tochtergesellschaften zu errichtenden Objekte. Die Holding erbrachte diese Dienstleistungen teilweise mit eigenem Personal bzw. eigenen Geräten, teilweise durch Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen von anderen Unternehmen.
In ihren Umsatzsteuererklärungen nahm die Holding den vollen Vorsteuerabzug aus den Dienstleistungen vor. Die deutsche Steuerverwaltung vertrat die Auffassung, dass die Gesellschafterbeiträge der Holding zugunsten der Tochtergesellschaften als nicht steuerbare Tätigkeiten einzustufen seien, weil sie nicht der Erzielung von Einnahmen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne gedient hätten und daher nicht der unternehmerischen Tätigkeit der Holding zuzuordnen seien. Die mit diesen Tätigkeiten im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge seien daher nicht abziehbar.
Nach der Entscheidung des FG Niedersachen vom 19.4.2018 (5 K 285/16, EFG 2019, 653, LEXinform 5021937) ist das Erbringen von Sachleistungen als Gesellschafterbeitrag Teil der unternehmerischen Tätigkeit der aktiven Beteiligungsverwaltung.
Im Revisionsverfahren XI R 22/18 ist es für den BFH fraglich, ob die Holding die Eingangsleistungen, die sie als Gesellschafterbeitrag an ihre Tochtergesellschaften weitergibt, für ihr Unternehmen bezogen hat und die Aufwendungen dafür zu ihren »Allgemeinkosten« (den Kostenelementen ihrer besteuerten Ausgangsumsätze »Buchhaltung und Geschäftsführung für die Tochtergesellschaften«) gehören (s. Anmerkung vom 17.2.2021, LEXinform 0887062).
Mit Urteil vom 8.9.2022 (C-98/21, UR 2022, 736) hat der EuGH entschieden, dass der Holdinggesellschaft das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zusteht.
Zusammenfassung des EuGH-Urteils C-98/21 bezüglich des Vorsteuerabzugsrechts:
In Rz. 43 seiner Entscheidung stellt der EuGH fest, dass sich die Tätigkeit der Holdinggesellschaft nicht auf den Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen an den Tochtergesellschaften beschränkte, sondern dass sie ihren beiden Tochtergesellschaften gegen Entgelt Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen erbrachte, die eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. MwStSystRL darstellen. Folglich ist die Holding als Stpfl. i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL einzustufen und erfüllt als Stpfl. die Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Rechts auf Vorsteuerabzug.
Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt aber weiterhin voraus, dass die Gegenstände und Dienstleistungen, die der Stpfl. bezogen hat, für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden (Rz. 44 ff.).
Der EuGH hat klargestellt, dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen muss, damit der Stpfl. zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer setzt voraus, dass die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören.
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Stpfl. auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Stpfl. gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Stpfl. zusammen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Holding Dienstleistungen in Form von statischen Berechnungen, Planungen des Wärme- und Schallschutzes, der Energieversorgung und des Netzanschlusses, Generalunternehmer-Dienstleistungen, Erschließungsdienstleistungen und Vertriebsdienstleistungen bezogen hat, um ihren Verpflichtungen in Bezug auf Gesellschafterbeiträge gegenüber ihren Tochtergesellschaften nachzukommen. Diese Eingangsleistungen der Holding werden nicht verwendet, um ihre Ausgangsleistungen der Buchführung und der Geschäftsführung anbieten zu können, die die Einstellung und Entlassung von Personal, den Materialeinkauf, die Aufstellung des Jahresabschlusses sowie die Wahrnehmung der steuerlichen Deklaration und Kommunikation gegenüber dem FA umfassen. Daraus folgt, dass die von der Holding für den Bezug der Eingangsleistungen getätigten Ausgaben nicht als zu den Kostenelementen ihrer besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsleistungen gehörend angesehen werden können.
Der EuGH weist darauf hin, dass es sich bei diesen Dienstleistungen um den Gegenstand der Beiträge handelt, die die Holding als Gesellschafterin an ihre Tochtergesellschaften geleistet hat. Es handelt sich somit nicht um Ausgaben, die die Holding für den Erwerb von Beteiligungen tätigen muss, sondern um Ausgaben, die gerade den Gegenstand des Gesellschafterbeitrags der Holding an ihre Tochtergesellschaften darstellen. Ein solcher Beitrag einer Holdinggesellschaft zugunsten ihrer Tochtergesellschaften, sei es in Form von Bar- oder Sacheinlagen, gehört zum Halten von Gesellschaftsanteilen, das keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. MwStSystRL darstellt und daher kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet. Der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes ist ein Gesellschafterbeitrag seitens der Holding.
Die Tatsache, dass diese Dienstleistungen zur Nutzung durch die Tochtergesellschaften der Holdinggesellschaft bestimmt sind, begründet einen direkten Zusammenhang mit den Umsätzen dieser Tochtergesellschaften und bestätigt das Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding. Dass diese Dienstleistungen in direktem Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, wird durch die Tatsache, dass sie von der Holding an ihre Tochtergesellschaften weitergeleitet wurden, nicht infrage gestellt, da es auf die tatsächliche Verwendung dieser Dienstleistungen ankommt. Die Kosten zählen nicht als allgemeine Aufwendungen zu den Bestandteilen der Geschäftsführungs- und Buchführungsdienste der Holding (Rz. 55 f.).
In Rz. 58 hat der EuGH folgende Entscheidung getroffen (s.a. Nachfolgeentscheidung des BFH vom 15.2.2023, XI R 24/22, BStBl II 2023, 940):
Einer Holdinggesellschaft, die stpfl. Ausgangsumsätze an Tochtergesellschaften ausführt, steht das Recht auf Vorsteuerabzug für Leistungen, die sie von Dritten bezieht und gegen die Gewährung einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn in die Tochtergesellschaften einlegt, nicht zu, wenn
die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holdinggesellschaft, sondern mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen,
diese Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten stpfl. Umsätze keinen Eingang finden und
diese Leistungen nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft gehören.
S. → Beteiligungsveräußerung.
Mit Urteil vom 8.11.2018 (C-502/17, BB 2018, 2773, LEXinform 0651557; Jansen, UR 4/2019, 121) hat der EuGH zum Vorsteuerabzug aus Beratungskosten beim Beteiligungsverkauf in Rz. 38 wie folgt entschieden:
»Eine Aktienveräußerung fällt grundsätzlich nur dann in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn sie ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der fraglichen Muttergesellschaft hat oder eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Tätigkeit darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn die Veräußerung erfolgt, um den daraus erzielten Erlös direkt für die steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit der Muttergesellschaft oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Gruppe, deren Muttergesellschaft sie ist, zu verwenden.«
Im Urteilsfall C-502/17 lag der Zweck der Aktienveräußerung darin, den Erlös aus dieser Veräußerung zur Tilgung der gegenüber der Bank – der neuen Eigentümerin des Konzerns – bestehenden Verbindlichkeiten zu verwenden. Eine solche Veräußerung lässt sich, wie in der Rz. 38 (s. vorhergehenden Absatz) ausgeführt, weder als ein Umsatz ansehen, der seinen ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft hat, noch als ein Umsatz, der eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft darstellt. Unter diesen Umständen stellt diese Veräußerung keinen Umsatz dar, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgehen, zu erzielen und fällt damit nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Daraus folgt, dass die auf die streitigen Dienstleistungen entfallende Mehrwertsteuer nicht abzugsfähig ist (s.a. Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, Anmerkung vom 8.11.2018, LEXinform 0401984).
Zum Vorsteuerabzug bei Kostentragung einer KG für Beurkundungs- und »Due Diligence«-Leistungen hat der BFH mit Beschluss vom 30.4.2014 (XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239, LEXinform 0928951) Folgendes entschieden: Trägt eine KG (lediglich) die Kosten der notariellen Beurkundung eines Kauf- und Übertragungsvertrages über ihre Kommanditanteile sowie die Kosten einer bei ihr durchgeführten sog. Due-Diligence-Prüfung, ohne selbst Leistungsempfängerin der genannten Leistungen zu sein, steht ihr kein Vorsteuerabzug zu.
Hinweis:
Eine »Due Diligence« (übersetzt: gebührende Sorgfalt) ist die eingehende Prüfung eines zum Verkauf stehenden Unternehmens durch den Verkäufer oder Käufer (vgl. Vogt, DStR 2001, 2027; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 34a Rz. 75). Die Prüfung erfolgt insbes. im Hinblick auf die wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse des Unternehmens durch Fachleute des Käuferunternehmens unter Zuhilfenahme externer Berater (vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwort »Due Diligence« und BFH Beschluss vom 30.4.2014, XI R 33/11, BFH/NV 2014, 1239, LEXinform 0928951, Rz. 34).
Zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs einer Kapitalanlagegesellschaft, die Immobilien-Sondervermögen verwaltet, aus Aufwendungen, die in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der steuerfreien Verwaltungstätigkeit stehen, hat das FG München mit Urteil vom 9.4.2019 (3 K 1230/15, EFG 2019, 1243, LEXinform 5022250; Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 13/19, LEXinform 0952671) folgenden Fall entschieden:
Die Klägerin übertrug die Durchführung der Verwaltung der Sondervermögen nicht insgesamt einem Dritten, sondern erbrachte die Leistungen teilweise selbst und schloss daneben Verträge mit einzelnen Beratern, Sachverständigen etc. (Subunternehmer) ab. Den Verwahrstellenvertrag schloss sie mit der A-Bank, die als Depotbank tätig war. Für ihre Leistungen stellten die Subunternehmer und die A-Bank der Klägerin Umsatzsteuer in Rechnung, die sie teilweise als Vorsteuer aus »allgemeinen Kosten und Sachverständigenkosten« abzog. Das FA vertrat die Auffassung, dass einem Antrag der Klägerin auf einen teilweisen Vorsteuerabzug aus »allgemeinen Kosten« des Sondervermögens nicht zugestimmt werden könne. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin als solche ausschließlich steuerbefreite Umsätze ausführe. Daher sei die Quote für die Aufteilung der »allgemeinen Kosten« mit 0 % anzusetzen.
Das FG München hat entschieden, dass die Klägerin als Kapitalanlagegesellschaft mit der Verwaltung der Sondervermögen entgeltliche sonstige Leistungen gegenüber den Anteilinhabern erbringe. Daneben erbringe sie durch die Bewirtschaftung der Immobilien Leistungen an die Mieter der für die Sondervermögen erworbenen Immobilien. Die streitigen Eingangsleistungen stünden im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der gem. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfreien Verwaltung der Sondervermögen, was den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließe. Die streitigen Eingangsleistungen (außer diejenigen der Depotbank) dienten unmittelbar dazu, der Verpflichtung der Klägerin gegenüber den Anlegern zur steuerfreien Verwaltung der Sondervermögen nachzukommen. Daher scheide auch ein Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten aus. Folglich sei eine Aufteilung der Vorsteuern aus allgemeinen Aufwendungen gem. § 15 Abs. 4 UStG nicht möglich.
Mit Urteil vom 16.12.2020 (XI R 13/19, BStBl II 2022, 389) hat der BFH die Rechtsauffassung des FG München bestätigt. Nach Auffassung des BFH liegt eine einheitlich nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG zu beurteilende Gesamtleistung der Klägerin vor. Zwar schließt Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL seinem Wortlaut nach nicht grds. aus, dass sich die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt. Unter bestimmten Umständen sind aber mehrere formal eigenständige Leistungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks dieses Umsatzes und des Interesses der Leistungsempfänger als einheitlicher Umsatz anzusehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall hinsichtlich der Leistung an die (Gesamtheit der) Anleger erfüllt. Aus Anlegersicht wird von der Klägerin aufgrund des Investmentvertrags eine einzige, rechtlich und tatsächlich untrennbare Verwaltungsleistung ausgeführt. Diese einzige, untrennbare Verwaltungsleistung der Klägerin an die (Gesamtheit der) Anleger ist auch unter Einbeziehung der weitergeleiteten Leistungen der Subunternehmer bzw. der Depotbank steuerfrei. Die bei isolierter Betrachtung stpfl., kostenmäßig weiterbelasteten Leistungen der Subunternehmer und der Depotbank gehen mangels Gleichartigkeit in dieser steuerfreien Leistung der Klägerin auf (s.a. Anmerkung von Brill, NWB 19/2021, 1364).
S. dazu → Verein sowie die Verwaltungsregelungen in Abschn. 2.10. UStAE.
Der Umfang der Aufzeichnungspflichten, die für den Unternehmer zum Vorsteuerabzug und zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge bestehen, ergibt sich aus § 22 UStG und den §§ 63 bis 67 UStDV (Abschn. 15.11. Abs. 2 UStAE; s.a. → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers und → Bauleistungen in der Umsatzsteuer).
Durch das StVBG wird § 18f UStG neu eingeführt: »Bei Steueranmeldungen i.S.d. § 18 Abs. 1 und 3 UStG kann die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO im Einvernehmen mit dem Unternehmer von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Satz 1 gilt entsprechend für die Festsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn sie zu einer Erstattung führt.«
Bei zweifelhafter Vorsteuerabzugsberechtigung kann die notwendige Prüfung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die Ermittlungsdauer kann zu Liquiditätsschwierigkeiten beim Unternehmer führen. Deshalb kann der Vorsteueranspruch einvernehmlich gegen Sicherheitsleistung zunächst akzeptiert werden. Die Sicherheitsleistung kann längstens für die Dauer der notwendigen Prüfung verlangt werden. Die Verweisung auf § 167 Abs. 1 Satz 1 AO ist erforderlich, um auch in den Fällen, in denen das FA von der Voranmeldung abweicht, die Festsetzung einer Sicherheitsleistung zu ermöglichen (→ Voranmeldung).
Die Entscheidung des FA, die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO gegen Stellung einer Sicherheitsleistung zu erteilen, ist eine Ermessensentscheidung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. In Fällen, in denen die bestehenden Zweifel mit einer Umsatzsteuer-Nachschau oder einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kurzfristig ausgeräumt werden können, ist eine Sicherheitsleistung grds. nicht angezeigt. Die Vorschrift ist daher regelmäßig nur in Fällen anzuwenden, in denen die erforderliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Erstattungsbeträge wegen der besonderen Schwierigkeiten des zu beurteilenden Sachverhalts voraussichtlich länger als sechs Wochen in Anspruch nimmt. Die Anwendung der Regelung darf nicht zu einer Verzögerung bei der Prüfung des Erstattungsanspruchs führen (Abschn. 18f.1. Abs. 3 UStAE).
Die Sicherheitsleistung muss nicht zwingend in voller Höhe des zu sichernden Steueranspruchs erbracht werden. Bei der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung sind sowohl das Ausfallrisiko zu Lasten des Fiskus als auch die Liquidität des Unternehmers zu berücksichtigen (Abschn. 18f.1. Abs. 5 UStAE).
Soweit Unterlagen für den Vorsteuerabzug nicht vorhanden sind und auch nicht vorhanden waren oder soweit die Unterlagen unvollständig sind, kommt eine Anerkennung des Vorsteuerabzugs nur aus Billigkeitsgründen in Betracht (§ 163 AO). Die Voraussetzungen für Billigkeitsmaßnahmen regeln die Nr. 1 und 2 des Abschn. 15.11. Abs. 7 UStAE.
Zum Vorsteuerabzug bei vollständigem Verlust sämtlicher Eingangsrechnungen hat der BFH mit Urteil vom 23.10.2014 (V R 23/13, BStBl II 2015, 313) Folgendes entschieden: Sind sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert worden, ist dieser gestohlen worden und ist deshalb die Vorlage der Originalunterlagen unmöglich geworden, sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt (hier: Schätzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit 60 % der voranmeldeten Vorsteuerbeträge). Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG; das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden. Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Stpfl. ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Zwar kann der Stpfl. den Nachweis des Leistungseingangs nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen (Abschn. 15.11. Abs. 1 Satz 3 ff. UStAE). Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben. Bei Verlust der Eingangsrechnungen muss der Unternehmer die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs darlegen und hierfür Beweis anbieten; insbes. muss vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der Vorsteuerabzug beantragt wird.
Mit Urteil vom 21.11.2018 (C-664/16, UR 2018, 962, LEXinform 0651531) hat der EuGH entschieden, dass allein aufgrund einer Schätzung in einem gerichtlichen Sachverständigengutachten kein Vorsteuerabzug möglich ist. In dem rumänischen Ausgangsfall reichte der Stpfl. keine Steuererklärungen ein, sodass die Steuerbehörde die geschuldete Mehrwertsteuer schätzte. Da der Stpfl. keine Eingangsrechnungen vorlegen konnte und auch die anderen beigebrachten Dokumente zwischenzeitlich unleserlich geworden waren, wurde ein gerichtliches Sachverständigengutachten beauftragt, in dem der Sachverständige den Betrag der abzugsfähigen Vorsteuer auf der Basis des Umfangs der für die ausgeführten Projekte erforderlichen Arbeiten bzw. der Arbeitsleistung ermittelte.
Der EuGH macht deutlich, dass die erforderlichen materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in Art. 168 Buchst. a MwStSystRL aufgezählt sind und sich hinsichtlich der formellen Voraussetzungen demgegenüber aus Art. 178 Buchst. a MwStSystRL ergibt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur ausgeübt werden kann, wenn der Stpfl. eine im Einklang mit Art. 226 der Richtlinie ausgestellte Rechnung besitzt. Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt in besonderen Situationen jedoch, dass dem Stpfl. das Recht auf Vorsteuerabzug zu gewähren ist, wenn er zwar die materiellen Voraussetzungen erfüllt, einigen formellen Voraussetzungen jedoch nicht genügt hat. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Steuerbehörde anhand der vorhandenen Daten prüfen kann, ob die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, was der Stpfl. nachzuweisen hat. Der Stpfl. muss also durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Stpfl. auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Leistungen erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Mehrwertsteuer tatsächlich entrichtet hat. Eine Schätzung in einem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten kann diese Nachweise zwar ggf. ergänzen oder glaubwürdiger erscheinen lassen, nicht aber ersetzen. Durch ein solches Gutachten kann insbes. nicht nachgewiesen werden, dass der Stpfl. die Mehrwertsteuer für die betreffenden Umsätze tatsächlich gezahlt hat.
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Scholz, Vorsteueraufteilung gemischt genutzter Gebäude, UR 19/2014, 764; Merkel, Vorsteuerabzug beim Erwerb von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, UR 14/2015, 539; Hartmann, Vorsteuerabzug bei geleisteten Anzahlungen und anschließend ausbleibender Leistung – EuGH-Urteil vom 31.5.2018 (C-660/16, 661/16), NWB 31/2018, 2242; Sterzinger, Vorsteuerabzugsberechtigung von Holdinggesellschaften, UStB 9/2018, 260; Teufel, Der präzise Vorsteuerabzug aus dem Erwerb eines zu vermietenden Gebäudes, UStB 2/2018, 46; Jansen, Vorsteuerabzug aus Kosten im Zusammenhang mit Beteiligungsverkäufen, UR 4/2019, 121; Beck u.a., Vorsteuerabzug für die Anschaffung von Luxusfahrzeugen, NWB 12/2019, 788; Wenzel, Nachweis von Vorsteuerbeträgen, NWB 43/2019, 3141; Englisch, Der unmittelbare und direkte Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen – Teil 1, UR 2020, 171, Teil 2, UR 2020, 216; Meurer, Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Leistungen: EuGH-Urteil zum Ausbau einer Gemeindestraße, UStB 2020, 353; Masuch u.a., Die Besteuerung des Leistenden definiert den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers (EuGH vom 10.2.2022, C-9/20), NWB 15/2022, 1032; Schumann, Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung bei zeitlichem Auseinanderfallen von Leistungsbezug und Vorsteuerabzugsrecht, UR 2022, 481; Axmann u.a., Umdenken beim Vorsteuerabzug – »Mittelbare« Verwendung oder Mittel zur Verwendung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, NWB 30/2022, 2124; Casper u.a., Widerruf der Gestattung der Ist-Besteuerung wegen Missbrauchs – Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers (BFH-Urteil vom 12.7.2023, XI R 5/21, NWB 8/2024, 526; Becker, Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel, NWB 12/2024, 785.
→ Allgemeine Durchschnittssätze
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
→ Bewirtung und Mahlzeiten: Arbeitnehmer
→ Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer
→ Innergemeinschaftlicher Erwerb
→ Reiseleistungen nach § 25 UStG
→ Rechnung
→ Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG
→ Steuerfreie Umsätze, Vorsteuerabzug
→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
→ Tausch und tauschähnlicher Umsatz: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer
→ Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis
→ Verein
→ Vorsteuervergütungsverfahren
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
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