Wechsel der Besteuerungsart

Stand: 16. Dezember 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Grundsätzliches zur Besteuerungsart
2 Grundsätzliches zur Entstehung der Umsatzsteuer
3 Maßgebliche Besteuerungsart bei Leistungsausführung
4 Besonderheiten beim Wechsel der Besteuerungsart
5 Rückwirkender Wechsel

1. Grundsätzliches zur Besteuerungsart

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Maßgeblich für die Anwendung der jeweiligen Besteuerungsart im Kj. ist die bei Ausführung der Umsätze anzuwendende Besteuerungsart und nicht die Besteuerungsart in dem Kj., in dem das Entgelt vereinnahmt wird.

Ein Wechsel der Besteuerungsart kann insbes. in den Fällen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG bei Überschreitung der Umsatzgrenze in Betracht kommen. Der Unternehmer kann die Istversteuerung beantragen, wenn sein Gesamtumsatz im Vorjahr nicht mehr als 600 000 € betragen hat (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).

Hinweis:

Durch Art. 20 des Wachstumschancengesetzes (Ergebnis der 3. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 21.2.2024, Bundesrat Pressemitteilung vom 21.4.2024, LEXinform 0465200) soll ab 1.1.2024 in § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG AO die Gesamtumsatzgrenze von bisher 600 000 € auf 800 000 € angehoben werden.

Das Wachstumschancengesetz hatte der Bundestag bereits beschlossen, es stieß aber auf Ablehnung im Bundesrat und soll im Jahr 2024 im Vermittlungsausschuss behandelt werden.

Grds. kommt die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten für jeden Unternehmer in Betracht. Land- und Forstwirte, die für ihre Umsätze die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden, haben unter den übrigen Voraussetzungen des § 20 UStG die Möglichkeit, einen Antrag auf Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten zu stellen (Abschn. 20.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 12.4.2023, BStBl I 2023, 734).

2. Grundsätzliches zur Entstehung der Umsatzsteuer

Bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (→ Sollversteuerung) entsteht die Steuer grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG). Das gilt auch für unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 1b und 9a UStG. Die Steuer entsteht in der gesetzlichen Höhe unabhängig davon, ob die am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer von den ihnen vom Gesetz gebotenen Möglichkeiten der Rechnungserteilung mit gesondertem Steuerausweis und des Vorsteuerabzugs Gebrauch machen oder nicht (Abschn. 13.1. Abs. 1 UStAE).

Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (→ Istversteuerung). Anzahlungen sind stets im Voranmeldungszeitraum ihrer Vereinnahmung zu versteuern (Abschn. 13.6. Abs. 1 UStAE).

3. Maßgebliche Besteuerungsart bei Leistungsausführung

Die im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung geltenden Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer bleiben auch dann maßgebend, wenn der Unternehmer von der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten zur Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten wechselt. Für Umsätze, die in einem Besteuerungszeitraum ausgeführt wurden, für den dem Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erlaubt war, gilt diese Besteuerung weiter, auch wenn in späteren Besteuerungszeiträumen ein Wechsel zur Sollversteuerung eintritt. Danach entsteht die Steuer insoweit bei Vereinnahmung des Entgelts (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.2003, V R 58/01, BStBl II 2003, 817). Im Falle eines bereits sollversteuerten Umsatzes bleibt der Zeitpunkt des Entstehens der Steuer auch dann unverändert, wenn der Unternehmer zur Ist-Versteuerung wechselt und das Entgelt noch nicht vereinnahmt hat (Abschn. 13.6. Abs. 3 UStAE).

4. Besonderheiten beim Wechsel der Besteuerungsart

Ein Wechsel der Besteuerungsart liegt vor, wenn der Unternehmer von der → Istversteuerung zur → Sollversteuerung oder umgekehrt wechselt. Nach § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG dürfen dabei Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben. Das BFH-Urteil vom 30.1.2003 (V R 58/01, BStBl II 2003, 817) nimmt zur Steuerentstehung beim Wechsel von der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten zur Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten Stellung.

Beispiel 1:

Kj. 10

Kj. 11

Kj. 12

Besteuerungsart

Ist

Soll

Soll

Leistung ausgeführt

1 000 000 €

davon vereinnahmt

800 000 €

Rest vereinnahmt

200 000 €

Lösung 1:

Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Die Steuer für die steuerpflichtige Leistung entsteht im Kj. 10 nur insoweit, als der Unternehmer dafür Entgelt vereinnahmt hat; denn er ist berechtigt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG), die Steuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Soweit der Unternehmer Entgelt für diese Leistung aus dem Jahr 10 i.H.v. 200 000 € im Jahr 11 noch nicht vereinnahmt hat, ist die Steuer noch nicht entstanden.

Der Unternehmer ist im Kj. 11 nicht mehr berechtigt, die Steuer für die nach dem Jahr 10 ausgeführten Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen, weil die Umsatzgrenze nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG im vorangegangenen Kj. überschritten wurde. Der Unternehmer muss seine USt nunmehr nach vereinbarten Entgelten berechnen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG). Dies führt aber nicht dazu, dass die Steuer auf das restliche Entgelt wegen der im Kj. 10 ausgeführten Leistungen im Kj. 11 entsteht, obwohl der Unternehmer dieses noch nicht vereinnahmt hat.

Eine Steuer, die nicht entstanden ist, darf auch nicht berechnet werden. Die Steuer auf das noch nicht vereinnahmte restliche Entgelt wegen den im Kj. 10 ausgeführten Leistungen ist im Kj. 11 noch nicht entstanden.

§ 20 Abs. 1 Satz 3 UStG ist so zu verstehen, dass für Umsätze, die in dem Besteuerungszeitraum ausgeführt werden, für den dem Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erlaubt war (Kj. 10), diese Besteuerung weiterhin gilt, auch wenn in späteren Besteuerungszeiträumen ein Wechsel zur Sollversteuerung eintritt. Danach entsteht insoweit die Steuer bei Vereinnahmung des Entgelts; wird kein Entgelt vereinnahmt, entsteht keine Steuer.

Die Steuer auf das restliche Entgelt für die Leistungen aus dem Kj. 10 entsteht erst im Kj. 12, da es der Unternehmer in diesem Besteuerungszeitraum vereinnahmt hat.

Beispiel 2:

Kj. 10

Kj. 11

Kj. 12

Besteuerungsart

Ist

Soll

Soll

Leistung ausgeführt

1 000 000 €

davon vereinnahmt

800 000 €

Rest vereinnahmt

200 000 €

30 000 €

Anzahlung für einen im März 11 ausgeführten Umsatz

20 000 €

Anzahlung für einen im März 12 ausgeführten Umsatz

10 000 €

Leistungen ausgeführt

1 200 000 €

Davon vereinnahmt

980 000 €

200 000 €

20 000 € wurden bereits im Kj. 10 als Anzahlung vereinnahmt

Leistungen ausgeführt

1 320 000 €

Davon vereinnahmt

1 310 000 €

10 000 € wurden bereits im Kj. 10 als Anzahlung vereinnahmt

Lösung 2:

Für die im Kj. 10 ausgeführten Umsätze i.H.v. 1 000 000 € gilt die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten auch dann weiter, wenn in späteren Besteuerungszeiträumen ein Wechsel zur Sollbesteuerung eintritt. Danach entsteht insoweit die Steuer bei Vereinnahmung des Entgelts nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG.

Da die Umsätze für die getätigten Anzahlungen im. März 11 bzw. .März 12 ausgeführt werden, entsteht die Steuer insoweit nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt werden. Für die getätigten Anzahlungen entsteht die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.

Für die Leistungen, die im Kj. 11 und 12 ausgeführt werden, wird die Steuer nach vereinbarten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG).

5. Rückwirkender Wechsel

Ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 UStG) ist bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig (BFH-Urteil vom 10.12.2008, XI R 1/08, BStBl II 2009, 1026).

Sachverhalt:

Im Urteilsfall war dem Stpfl. die Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gestattet worden; entsprechend verfuhr er in den monatlich abgegebenen USt-Voranmeldungen. In der USt-Jahreserklärung legte der Stpfl. dagegen die Sollbesteuerung zugrunde. Etwa drei Jahre später reichte der Stpfl. eine berichtigte USt-Erklärung ein, mit der er u.a. auch eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten verlangte.

Entscheidungsgründe:

Da es sich bei der Gestattung der Istbesteuerung um einen begünstigenden – sonstigen – Verwaltungsakt handelt und die Sollbesteuerung der gesetzliche Regelfall ist, steht es dem Unternehmer grundsätzlich frei, von der Gestattung keinen Gebrauch zu machen und ohne weiteres zur Sollbesteuerung zurückzukehren; dafür ist weder ein Antrag des Stpfl. noch eine Erlaubnis des FA erforderlich.

Der Zeitpunkt, bis zu dem nach einer Option zur Istbesteuerung rückwirkend auf diese verzichtet werden kann, ist ebenso wenig geregelt wie der Zeitpunkt für eine Gestattung der Istbesteuerung. Für Letztere ist jedoch allgemein anerkannt, dass sie jedenfalls dann nicht mehr zulässig ist, wenn sie sich auf einen Besteuerungszeitraum erstreckt, der bereits durch eine bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung abgeschlossen ist. Dabei kommt es nicht auf die formelle Bestandskraft der jeweiligen USt-Voranmeldung an, sondern auf die formelle Bestandskraft der Jahressteuerfestsetzung. Denn maßgeblicher Besteuerungszeitraum für die USt ist das Kj. (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG). Daher werden die auf (monatlich oder vierteljährlich abzugebenden) Voranmeldungen beruhenden Festsetzungen durch eine Jahressteuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 UStG) abgelöst; in verfahrensrechtlicher Hinsicht führt dies dazu, dass – in einem die Voranmeldungen betreffenden Rechtsstreit – ein Jahressteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens wird (§ 68 FGO) und sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Voranmeldungen i.S.v. § 124 Abs. 2 AO »auf andere Weise« erledigt.

Ein erneuter Wechsel zur Istbesteuerung konnte nicht gestattet werden, da die Steuerfestsetzung aufgrund der Jahreserklärung formell bestandskräftig geworden war. Mit dem Eintritt der formellen Bestandskraft ist sowohl für den Stpfl. als auch für das FA hinsichtlich der Besteuerungsart eine Bindungswirkung eingetreten. Eine Änderung des Steuerbescheids nach § 164 Abs. 2 AO ist unabhängig davon weiterhin möglich.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 22.12.2010 (16 K 303/10, EFG 20911, 749, LEXinform 5011560) hat das FG Niedersachsen entschieden, dass ein Unternehmer rückwirkend von der Ist- zur Sollbesteuerung zurückkehren kann. Äußerste zeitliche Grenze ist der Eintritt der formellen Bestandskraft des Steuerbescheides (→ Istversteuerung).

Zum Wechsel der Besteuerungsart im Insolvenzverfahren s. die Erläuterungen zu → Istversteuerung und → Insolvenzen und Steuern sowie den Erlass des FinMin Brandenburg vom 15.10.2009 (31 – S 7340 – 3/04, UR 2010, 159, LEXinform 5232560).

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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