1 Begriff
2 Prinzip der Einheitlichkeit der Leistung
3 Abgrenzung Werkleistung – Werklieferung
4 Abgrenzung Hauptstoffe und Nebenstoffe (Zutaten und sonstige Nebensachen)
5 Vereinfachung bei Reparaturarbeiten an Mobilien
6 Beschaffung der Hauptstoffe
7 Werkleistungen nach § 3 Abs. 10 UStG
8 Umfang der Werkleistung
8.1 Materialgestellung
8.2 Materialbeistellung
8.3 Sonstige Beistellung
9 Beteiligung des Werkunternehmers an der Stoffbeschaffung
10 Ort und Zeitpunkt der Werkleistung
10.1 Werkleistung an Grundstücken
10.2 Werkleistung an beweglichen Gegenständen
11 Werkleistung und Lohnveredelung
12 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
12.1 Allgemeines
12.2 Werkleistungen von Unternehmern im übrigen EU-Gebiet
12.3 Werkleistungen ausländischer Unternehmer
12.4 Werkleistungen im Rahmen von Bauleistungen
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Was unter einer »Werkleistung« zu verstehen ist, ist im UStG nicht definiert, kann jedoch im Umkehrschluss aus der Definition der Werklieferung in § 3 Abs. 4 UStG abgeleitet werden. Danach ist eine Werklieferung die Sonderform einer Lieferung, bei der der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines (fremden) Gegenstands übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft hat. Außerdem darf es sich bei den verwendeten vom Unternehmer selbst beschafften Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handeln, sondern es muss sich ganz oder teilweise um sog. Hauptstoffe handeln, vgl. auch A 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE. Im Umkehrschluss dazu liegt eine Werkleistung vor, wenn der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines fremden Gegenstands übernommen hat und dabei keinerlei selbstbeschaffte Stoffe oder allenfalls selbstbeschaffte Nebensachen und Zutaten verwendet, vgl. Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 3 UStG.
Mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) hat der BFH anlässlich eines Verfahrens, das in der Hauptsache die Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG betraf, zum Begriff der Werklieferung Stellung genommen: Es handelt es sich dabei um einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen, die die Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstands beinhalten. Werklieferungen liegen – so der BFH weiter – dann vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist dagegen die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden. Auch ein Unternehmer, der auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, bewirkt eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit dem Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes.
Mit BMF-Schreiben vom 1.10.2020, BStBl I 2020, 983 (LEXinform 7012450) hat die Finanzverwaltung die vom BFH im o.a. Urteil aufgestellten Grundsätze übernommen und Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE entsprechend geändert. Danach liegt eine Werklieferung nunmehr vor, wenn der Werkhersteller für das Werk einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbstbeschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind. Stellt der Unternehmer dagegen aus eigenen Stoffen, aber nach genauen Wünschen und Plänen des Auftraggebers einen Gegenstand her, wie bspw. bei der Maßanfertigung eines Kleidungsstücks durch einen Schneider, so liegt entgegen früherer Rechtsauffassung keine Werklieferung, sondern eine reine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG vor, da es an der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstands fehlt.
Im Falle einer Werkleistung (oder Werklieferung) beinhalten die vom Werkunternehmer zu erbringenden Leistungen in aller Regel sowohl – hinsichtlich der eingebrachten Arbeitsleistung – Elemente einer sonstigen Leistung als auch – hinsichtlich des verwendeten Materials – Elemente einer Lieferung. Da nach dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der Leistungseinheit ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang nicht künstlich aufgespalten werden darf, ist für die weitere Beurteilung des Umsatzes zu entscheiden, ob die Leistung des Werkunternehmers eine (einheitliche) Werkleistung oder eine (einheitliche) Werklieferung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG darstellt. Für diese Wertung stellt der BFH in Anwendung der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung auf die Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers ab (vgl. BFH vom 31.5.2001, V R 97/98, BStBl II 2001, 658). Überwiegen danach aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Elemente der sonstigen Leistung, so handelt es sich auch insgesamt um eine sonstige Leistung in der Unterform der Werkleistung. Überwiegen hingegen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Lieferelemente, handelt es sich auch insgesamt um eine Lieferung in der Unterform der Werklieferung.
Eine Werkleistung liegt vor, wenn der → Unternehmer bei der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstands keine selbstbeschafften Hauptstoffe verwendet, die in das fertige Werk eingehen (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Dies ist erstens der Fall, wenn eine reine Reparaturleistung vorliegt, ohne dass dabei irgendwelche Stoffe verarbeitet werden. Eine Werkleistung liegt zweitens auch dann vor, wenn zwar Stoffe verwendet werden, diese jedoch keine Hauptstoffe, sondern nur Nebenstoffe in Form von Zutaten und Nebensachen darstellen. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob der Werkunternehmer oder der Auftraggeber bzw. Besteller die verwendeten Nebenstoffe beschafft hat. Schließlich liegt drittens auch dann eine Werkleistung vor, wenn der Werkunternehmer zwar Hauptstoffe verwendet, diese ausschließlich vom Auftraggeber bzw. Besteller beschafft werden (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG im Umkehrschluss). Es handelt sich nach Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 4 UStAE um eine sog. Materialgestellung. Die Werkleistung ist eine Sonderform der sonstigen Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG), das bedeutet, die weitere umsatzsteuerliche Beurteilung richtet sich nach den für sonstige Leistungen maßgebenden Bestimmungen.
Umgekehrt liegt gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG eine Werklieferung vor, wenn der Werkunternehmer im fertigen Werk Hauptstoffe be- oder verarbeitet, die er ganz oder zumindest teilweise selbst beschafft hat (→ Werklieferung).
Ein Hauptstoff liegt vor, wenn der betreffende Stoff im Vergleich zum fertigen Werk von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist. Der Hauptstoff macht regelmäßig die Wesensart des fertigen Werks aus, während Nebenstoffe i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG Materialien sind, die bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters nicht das Wesen des Umsatzes bestimmen (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Keine entscheidenden Kriterien für die Abgrenzung sind dabei nach Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 5 und 6 UStAE das Wertverhältnis zwischen Arbeitsleistung und verwendeten Stoffen sowie die Unentbehrlichkeit des jeweiligen Stoffes für das vom Unternehmer zu erbringende Werk. Aus diesem Grund gehören insbes. kleinere technische Hilfsmittel (z.B. Nägel, Schrauben oder Splinte) grundsätzlich zu den Nebenstoffen, obwohl sie für die Be- oder Verarbeitung des jeweiligen Gegenstands zwingend erforderlich sind (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 7 UStAE). Unabhängig davon kann jedoch insbes. der Wert der verwendeten Stoffe ein Indiz dafür sein, dass es sich um einen Hauptstoff handelt (→ Werklieferung).
Beispiel 1:
Ein Schreiner benötigt für die Reparatur des Bücherregals eines Kunden neue Holzplatten, Leim und Schrauben.
Lösung 1:
Alle Materialien sind zwar zur Reparatur des Regals erforderlich, aber nur die Holzplatten sind Hauptstoff. Leim und Schrauben machen hingegen nicht die Wesensart des Regals aus und sind lediglich Nebenstoffe.
Abgrenzungsprobleme zwischen Werkleistung und Werklieferung ergeben sich in der Praxis hauptsächlich bei der Reparatur beweglicher körperlicher Gegenstände, bspw. beim Einbau von Zubehör- und Ersatzteilen durch eine Kfz-Reparaturwerkstatt in den Pkw eines Kunden. Die Finanzverwaltung hat diesbezüglich in Abschn. 3.8 Abs. 6 Satz 6 UStAE eine Vereinfachungsregelung bei Reparaturen beweglicher körperlicher Gegenstände definiert, die folgende Verfahrensweise zulässt:
Beträgt der Materialanteil maximal 50 % des Gesamtentgelts, so stellt die Reparatur eine (einheitliche) Werkleistung dar, die umsatzsteuerlich nach den Grundsätzen einer sonstigen Leistung zu beurteilen ist.
Beträgt der Materialanteil über 50 % des Gesamtentgelts, so stellt die Reparatur eine (einheitliche) Werklieferung dar, die umsatzsteuerlich nach den Grundsätzen einer Lieferung zu beurteilen ist.
Zu beachten ist allerdings, dass diese Vereinfachungsregelung insoweit eingeschränkt ist, als sie nur nachrangig nach einer qualitativen Betrachtung erfolgen darf (Langer, ASR 2/2013, 9). Es muss also immer erst geprüft werden, ob aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers das Dienstleistungselement oder die Merkmale der Lieferung im Vordergrund stehen. Erst wenn danach keine zweifelsfreie Entscheidung möglich ist, kann eine Beurteilung nach den angesprochenen Wertverhältnissen erfolgen, vgl. Abschn. 3.8 Abs. 6 Satz 6 UStAE.
Eine weitere Einschränkung der Vereinfachungsregel liegt darin, dass die Qualifizierung auf Basis der Wertanteile nach dem Wortlaut des UStAE nur für Reparaturleistungen an beweglichen körperlichen Gegenständen gilt. Demzufolge ist die Regelung bspw. auf den erstmaligen Einbau von Zubehörteilen nicht anwendbar, da es sich insoweit mangels Ausbau defekter Altteile nicht um Reparaturen handelt. Eine analoge Anwendung bedarf zumindest einer entsprechenden Argumentation; ansonsten hätte die Verwaltung wohl eine andere Formulierung gewählt (Langer, ASR 2/2013, 9). Im Übrigen dürfte der erstmalige Einbau von Zubehörteilen ohnehin schon nach allgemeinen Grundsätzen als Werklieferung zu qualifizieren sein, weil das Hauptaugenmerk in diesen Fällen auf der Lieferung der Zubehörteile liegt (→ Werklieferung).
Wichtiges Abgrenzungsmerkmal zwischen Werkleistung und Werklieferung ist nicht nur, ob überhaupt Hauptstoffe in das fertige Werk eingehen, sondern darüber hinaus auch, ob diese Hauptstoffe vom Werkunternehmer oder aber vom Auftraggeber bzw. Besteller des Werks beschafft werden. In Abhängigkeit von der Stoffbeschaffung sind folgende Fallkonstellationen zu unterscheiden:
Werden im Rahmen der vom Werkunternehmer zu erbringenden Leistung überhaupt keine Stoffe oder nur Nebenstoffe verwendet, wie bspw. im Fall einer reinen Reparatur- oder Wartungsleistung, so scheidet eine Werklieferung aus; es handelt sich vielmehr um eine Werkleistung (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Besteht das Werk aus nur einem Hauptstoff, bewirkt der Werkunternehmer eine Werklieferung, wenn er diesen Hauptstoff ganz oder teilweise selbst beschafft.
Besteht das Werk aus mehreren Hauptstoffen, bewirkt der Werkunternehmer bereits dann eine Werklieferung, wenn er nur einen Hauptstoff oder auch nur einen Teil davon selbst beschafft; dies gilt auch dann, wenn alle übrigen Stoffe, also ggf. auch Teile des Hauptstoffs, vom Auftraggeber bzw. Besteller beigestellt werden (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG, Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE).
Werden jedoch bei der Werkerstellung ausschließlich Hauptstoffe verwendet, die vom Auftraggeber bzw. Besteller beschafft werden, so liegt eine Werkleistung vor.
Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstands berechnet wird. Diese Werkleistung ist steuerfrei nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG, wenn der umgetauschte Gegenstand unter den in § 7 Abs. 1 UStG bezeichneten Voraussetzungen in ein Drittlandsgebiet befördert oder versendet wird. Eine Werkleistung i.S.v. § 3 Abs. 10 UStG liegt darin begründet, dass der Unternehmer die von ihm geforderte Werkleistung tatsächlich erbringt, nur nicht aus den vom Auftraggeber übergebenen Stoffen.
Gegenstand einer Werkleistung ist grundsätzlich das fertige Werk, das sowohl die darin eingegangenen, vom Werkunternehmer beschafften Nebenstoffe (Nebensachen und Zutaten) als auch die zugrundeliegende Arbeitsleistung beinhaltet. Hat sich der Auftraggeber bzw. Besteller durch das Zurverfügungstellen von (sämtlichen) Hauptstoffen, Nebenstoffen oder in sonstiger Weise an der Werkerstellung beteiligt, so scheiden diese Leistungsbeiträge aus dem Leistungsaustausch aus, gehören also nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage der Werkleistung des Werkunternehmers. Die Leistungsbeiträge des Auftraggebers bzw. Bestellers unterscheidet man begrifflich in Materialgestellung, Materialbeistellung oder sonstige Beistellung (vgl. BFH Urteil vom 19.9.1959, V R 32/57 U, BStBl III 1959, 435).
Eine Materialgestellung liegt vor, wenn der Auftraggeber bzw. Besteller den gesamten für die Be- oder Verarbeitung des fremden Gegenstands erforderlichen Hauptstoff zur Verfügung stellt (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 4 UStAE), so dass der Werkunternehmer allenfalls Zutaten oder sonstige Nebensachen beigetragen hat. Von der Umsatzart her führt eine Materialgestellung zwingend zu einer Werkleistung, da der Unternehmer keine selbst beschafften Hauptstoffe verwendet. Materialgestellungen scheiden aus dem Leistungsaustausch aus, gehören also nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage der Werkleistung.
Eine Materialbeistellung liegt vor, wenn der Auftraggeber bzw. Besteller dem Werkunternehmer einen von mehreren Hauptstoffen, einen Teil des Hauptstoffes oder aber nur Nebenstoffe zur Verfügung stellt (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UStAE). Das beigestellte Material scheidet grundsätzlich nur dann aus dem Leistungsaustausch aus, wenn es auch tatsächlich bei der Herstellung oder Be- oder Verarbeitung verwendet wird und in das fertige Werk eingeht (sog. Stoffidentität). Ausnahmsweise kann jedoch auf das Erfordernis der Stoffidentität verzichtet werden, wenn das vom Auftraggeber bzw. Besteller zur Verfügung gestellte Material gegen gleichartiges und gleichwertiges Material austauscht wird und der Austausch wirtschaftlich geboten ist. Dagegen liegt keine Materialbeistellung vor, wenn der beigestellte Stoff ausgetauscht wird und der Werkunternehmer den Auftrag weitergibt (vgl. A 3.8 Abs. 3 Satz 1 bis 4 UStAE).
Eine sonstige Beistellung liegt vor, wenn der Auftraggeber bzw. Besteller sich in anderer Weise als durch Stoffbeschaffung an der Werkerstellung beteiligt, insbes. durch den Einsatz von Arbeitskraft, die Überlassung von Konstruktionsplänen, Maschinen oder Hilfsstoffen wie Strom oder Wasser (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Bei der sonstigen Beistellung von Hilfsstoffen spielt die Frage der Stoffidentität keine Rolle, da Hilfsstoffe nicht gegenständlich in das fertige Werk eingehen (vgl. BFH vom 12.3.1959, V 205/56 S, BStBl 1957 III, 227).
Gehen im Rahmen einer Werkleistung Nebenstoffe in das fertige Werk ein, die der Werkunternehmer als Eigenhändler ohne Mitwirkung des Auftraggebers bzw. Bestellers beschafft hat, bspw. Stoffe aus dem Warenlager des Werkunternehmers, so sind die betreffenden Stoffe dem Werkunternehmer zuzurechnen und gehören zum Leistungsumfang.
Werden hingegen im Werk verwendete Haupt- oder Nebenstoffe vom Auftraggeber bzw. Besteller ohne Mitwirkung des Werkunternehmers beschafft hat, so ist die Stoffbeschaffung dem Auftraggeber bzw. Besteller zuzurechnen (Materialgestellung oder Materialbeistellung) und gehört nicht zum Leistungsumfang.
Sind jedoch sowohl der Werkunternehmer als auch der Auftraggeber bzw. Besteller an der Stoffbeschaffung beteiligt, so ist insbes. mit Blick auf den Leistungsumfang zu klären, wem die jeweilige Stoffbeschaffung zuzurechnen ist. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
Beschafft der Werkunternehmer den Stoff im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers bzw. Bestellers, so liegt eine sog. Einkaufskommission gem. § 383 HGB vor (→ Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen). Demzufolge ist die Stoffbeschaffung in diesem Fall dem Unternehmer zuzurechnen, seine Leistung schließt den im Wege des Kommissionsgeschäfts beschafften Stoff mit ein (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE).
Ist der Werkunternehmer nur als Berater oder im Rahmen eines Agenturgeschäfts als Vermittler beteiligt und erwirbt den verwendeten Stoff im Namen und für Rechnung des Auftraggebers bzw. Bestellers, so ist die Stoffbeschaffung nicht dem Unternehmer, sondern dem Auftraggeber bzw. Besteller zuzurechnen. Die eingekauften Stoffe gehören in diesem Fall nicht zur Leistung des Werkunternehmers, es liegt eine Materialgestellung oder Materialbeistellung seitens des Auftraggebers bzw. Bestellers vor (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 4 Satz 3 und 4 UStAE).
Da die Werkleistung eine Sonderform der sonstigen Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) darstellt, gelten für die Bestimmung von Leistungsort und Leistungszeitpunkt die für sonstige Leistungen einschlägigen Bestimmungen.
Werkleistungen im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Grundstück und dessen wesentlichen Bestandteilen i.S.d. § 94 BGB (z.B. die Wartung einer Heizungsanlage) werden nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo das jeweilige Grundstück liegt (Lageort). Dies gilt unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer (B2B-Umsatz) oder ein Nichtunternehmer (B2C-Umsatz) ist.
Zeitpunkt einer Werkleistung an Grundstücken ist nach Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE der Zeitpunkt der Vollendung der Leistung. Haben die Vertragsparteien eine Abnahme der Leistung vereinbart, so entspricht der Leistungszeitpunkt dem Abnahmezeitpunkt (vgl. Abschn. 13.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE).
Im Falle einer Werkleistung an einem beweglichen körperlichen Gegenstand (z.B. Wartungsarbeiten an Anlagen, Maschinen und Kraftfahrzeugen) ist zunächst zu klären, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine gleichgestellte juristische Person ist (B2B-Umsatz) oder ob der Leistungsempfänger nicht zu diesem Personenkreis gehört (B2C-Umsatz).
Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine gleichgestellte juristische Person, so ist der Ort der Werkleistung nach § 3a Abs. 2 UStG danach zu bestimmen, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen bzw. seine Betriebsstätte betreibt (Unternehmersitz).
Gehört der Leistungsempfänger jedoch nicht zum genannten Personenkreis (B2C-Umsatz), so liegt der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG dort, wo der leistende Unternehmer – bezogen auf die jeweilige Leistung – ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird.
Zeitpunkt einer Werkleistung an beweglichen Gegenständen ist nach Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE der Zeitpunkt der Vollendung der Leistung. Haben die Vertragsparteien eine Abnahme der Leistung vereinbart, so entspricht der Leistungszeitpunkt dem Abnahmezeitpunkt (vgl. Abschn. 13.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE).
Beispiel 2:
In der Kfz-Werkstatt des Unternehmers K in Köln lässt Bauunternehmer B aus Bonn seinen Firmenwagen reparieren. Bei der Reparatur entstehen hauptsächlich Lohnkosten, lediglich einige Kleinteile werden ausgetauscht.
Lösung 2:
Da bei der Leistung des K im Rahmen der Reparatur eines fremden Gegenstandes (Firmenwagen des B) der Dienstleistungscharakter überwiegt und keinerlei Hauptstoffe verwendet werden, liegt eine Werkleistung nach § 3 Abs. 4 UStG i.U. vor. Da der Leistungsempfänger B Unternehmer ist und die Reparatur unternehmerischen Zwecken dient (B2B-Umsatz), ist der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG der Unternehmenssitz des B in Bonn.
Beispiel 3:
In der Kfz-Werkstatt des Unternehmers K in Köln lässt Bauunternehmer B aus Bonn den privaten Pkw seiner Ehefrau reparieren. Bei der Reparatur entstehen hauptsächlich Lohnkosten, lediglich einige Kleinteile werden ausgetauscht.
Lösung 3:
Da bei der Leistung des K im Rahmen der Reparatur eines fremden Gegenstandes (Firmenwagen des B) der Dienstleistungscharakter überwiegt und keinerlei Hauptstoffe verwendet werden, liegt eine Werkleistung nach § 3 Abs. 4 UStG i.U. vor. Da die Reparatur privaten Zwecken dient (B2C-Umsatz), ist der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG dort, wo der leistende Unternehmer K tätig wird, also in Köln.
Die Entscheidung, ob eine Werkleistung oder eine Werklieferung vorliegt, ist auch für die Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG bei Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) und Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7 UStG) von wesentlicher Bedeutung. Liegt von der Umsatzart her eine Werkleistung vor, so kommt dafür nur die Steuerbefreiung nach § 7 UStG in Frage, da einer Lohnveredelung immer eine Werkleistung zugrunde liegt. Liegt jedoch eine Werklieferung vor, so kommt als Befreiungsvorschrift lediglich die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG in Frage.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass für die Steuerbefreiung von Lohnveredelungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UStG der veredelte Gegenstand entweder zum Zweck der Bearbeitung oder Verarbeitung in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt oder zu diesem Zweck im Gemeinschaftsgebiet erworben worden sein muss. Bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG ist diese Voraussetzung dagegen nicht erforderlich. Wird also ein Gegenstand nach seiner Bearbeitung oder Verarbeitung im Inland in das Drittlandsgebiet nach § 1 Abs. 2 Buchst. a Satz 3 UStG ausgeführt, kommt es für die Steuerbefreiung entscheidend darauf an, ob der Umsatz als Werklieferung i.S.d. § 6 UStG oder als Werkleistung i.S.d. § 7 UStG (= Lohnveredelung) zu beurteilen ist, vgl. auch Abschn. 7.4 UStAE (→ Ausfuhrlieferung, → Lohnveredelung).
Schuldner der Umsatzsteuer für im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) und sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG) ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich der den Umsatz ausführende leistende Unternehmer. Dies gilt entsprechend auch für Werkleistungen als Sonderform einer sonstigen Leistung. Aus Gründen der Sicherung des Steueraufkommens und der Minimierung umsatzsteuerlicher Registrierungspflichten ausländischer Unternehmer bestimmt die Vorschrift des § 13b UStG jedoch abweichend von diesem Grundsatz in bestimmten Fällen, dass die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übertragen wird (sog. Reverse-Charge-Verfahren), wenn dieser gem. § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG Unternehmer ist. Betroffen von dieser Verlagerung der Steuerschuld sind im Bereich der Werkleistungen insbes. nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige Werkleistungen von gem. § 13b Abs. 7 Satz 2 UStG im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmen nach § 13b Abs. 1 UStG, Werkleistungen von gem. § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG im Ausland ansässigen Unternehmern nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG sowie Werkleistungen im Rahmen von Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
Für im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen, zu denen auch Werkleistungen gehören, wird die Steuerschuld unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 1 UStG auf den Leistungsempfänger verlagert, wenn dieser ein Unternehmer oder eine juristische Person ist, § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG. Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 13b Abs. 1 UStG ist, dass es sich um eine Werkleistung handelt, deren Ort nach § 3a Abs. 2 UStG (B2B-Umsatz) zu bestimmen ist, also nach dem Unternehmenssitz des Leistungsempfängers. Darüber hinaus muss der leistende Unternehmer ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 2 UStG sein. Für die Rechnungsstellung gelten gem. § 14 Abs. 7 Satz 1 UStG aus Sicht des leistenden Unternehmers die Vorschriften des jeweiligen EU-Ansässigkeitsstaates (→ Rechnung). Weist der im übrigen EU-Gebiet ansässige Unternehmer die deutsche Umsatzsteuer für eine Leistung i.S.d. § 13b Abs. 1 UStG offen aus, so schuldet er die zu Unrecht ausgewiesene Steuer – unabhängig von der (zusätzlichen) Steuerschuld des Leistungsempfängers – nach § 14c Abs. 1 UStG i.V.m. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 und Abschn. 13b.14 Abs. 1 Satz 5 UStAE (siehe auch Abschn. 14.1 Abs. 6 UStAE mit Beispiel 2).
Auch für im Inland steuerpflichtige Werkleistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers (vgl. hierzu § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG), die nicht unter § 13b Abs. 1 UStG fallen, schuldet der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, → Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen). Dies gilt auch hier wiederum nur, wenn der Leistungsempfänger selbst ein Unternehmer oder eine juristische Person ist, § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG, und zwar gem. § 13b Abs. 5 Satz 6 UStG auch dann, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers bestimmt ist.
Hinsichtlich der Rechnungstellung sind in derartigen Fällen die Vorgaben des § 14a Abs. 5 UStG zu beachten: Der leistende Unternehmer ist zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet, die die wörtliche Angabe »Steuerschuld des Leistungsempfängers« beinhalten muss; darüber hinaus darf die Umsatzsteuer nicht offen ausgewiesen werden. Fehlt der Hinweis »Steuerschuld des Leistungsempfängers«, so entbindet dies den Leistungsempfänger allerdings nicht von seiner Steuerschuld (Abschn. 13b.14 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Weist der Rechnungssteller die Umsatzsteuer offen aus, so schuldet er – unabhängig von der Steuerschuld des Leistungsempfängers – die zu Unrecht ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG iVm Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UStAE (vgl. auch Abschn. 13b.14 Abs. 1 Satz 5 UStAE). Ist der leistende Unternehmer im übrigen EU-Gebiet ansässig, gelten für die Rechnungsstellung gem. § 14 Abs. 7 Satz 1 UStG die Vorschriften des jeweiligen EU-Ansässigkeitsstaats (→ Rechnung). Die Vereinfachungsregelungen für Kleinbetragsrechnungen sind gem. § 33 Satz 3 UStDV in Fällen des § 13b nicht anzuwenden.
Beispiel 4:
Der in Metz (Frankreich) ansässige Heizungsbauer H führt im Auftrag des in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmers U die Wartung der Heizungsanlage in dessen Betriebsgebäude in Freiburg durch.
Lösung 4:
Heizungsbauer H bearbeitet im Rahmen der Wartung einen fremden Gegenstand (Heizungsanlage des U) und erbringt dadurch eine Werkleistung nach § 3 Abs. 4 UStG i.U. Da bei einer Wartung i.d.R. nur unwesentliche Kleinteile verarbeitet werden, steht der Dienstleistungscharakter im Vordergrund, so dass eine Werklieferung ausscheidet. Der Ort der Werkleistung befindet sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG am Lageort des Betriebsgebäudes des U in Freiburg, da eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück vorliegt. Der Umsatz ist somit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und mangels Steuerbefreiung in § 4 UStG auch stpfl. Schuldner der Umsatzsteuer ist gem. § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG der Leistungsempfänger U aus Freiburg. Es handelt sich um eine sonstige Leistung in Form einer Werkleistung, die von einem im Ausland ansässigen Unternehmer i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG ausgeführt wird. Die vorrangige Regelung des § 13b Abs. 1 UStG ist nicht einschlägig, da der Leistungsort nicht nach § 3a Abs. 2 UStG zu bestimmen ist. Die Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger U hat für den französischen Unternehmer H den Vorteil, dass er sich in Deutschland für Umsatzsteuerzwecke nicht registrieren lassen muss.
Auch für im Inland steuerpflichtige Werkleistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsarbeiten, schuldet der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG die Umsatzsteuer. Da Werkleistungen ausländischer Unternehmer bereits von den vorrangigen Regelungen in § 13b Abs. 1 bzw. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG erfasst werden, fallen nur Bauleistungen inländischer Unternehmer in den Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG. Voraussetzung für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ist dabei nicht nur, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist (§ 13b Abs. 5 Satz 1 UStG), sondern auch, dass er selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt. Davon ist auszugehen, wenn er dem leistenden Unternehmer eine entsprechende im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung (Vordruckmuster USt 1 TG) des für ihn zuständigen FA vorlegen kann, § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG (→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
→ Innergemeinschaftliche Lieferung
→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
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