1 Begriff
2 Prinzip der Einheitlichkeit der Leistung
3 Abgrenzung Haupt- und Nebenstoffe (Zutaten und sonstige Nebensachen)
4 Vereinfachung bei Reparaturarbeiten an Mobilien
5 Beschaffung der Hauptstoffe
6 Umfang der Werklieferung
6.1 Materialgestellung
6.2 Materialbeistellung
6.3 Sonstige Beistellung
7 Beteiligung des Werkunternehmers an der Stoffbeschaffung
8 Ort und Zeitpunkt der Werklieferung
8.1 Allgemeines
8.2 Ort und Zeitpunkt der bewegten Werklieferung
8.3 Ort und Zeitpunkt der unbewegten Werklieferung
9 Liefergegenstand in Insolvenzfällen
10 Werklieferung und Ausfuhr
11 Werklieferung und Steuerschuldner
11.1 Allgemeines
11.2 Werklieferungen ausländischer Unternehmer
11.3 Werklieferungen im Rahmen von Bauleistungen
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Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG sind unter Werklieferungen Lieferungen zu verstehen, bei denen der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines (fremden) Gegenstands vornimmt und dabei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft hat, wenn es sich bei diesen Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG gilt dies auch dann, wenn die be- oder verarbeiteten Stoffe fest mit dem Grund und Boden verbunden werden. Entscheidend für die Beurteilung sind also im Wesentlichen zwei Kriterien: Einerseits müssen bei der zu erbringenden Leistung Stoffe verwendet werden, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen (= Nebenstoffe), sondern sog. Hauptstoffe darstellen, andererseits müssen diese Hauptstoffe zumindest teilweise vom Werkunternehmer selbst und nicht ausschließlich vom Auftraggeber bzw. Besteller beschafft werden.
Im Umkehrschluss dazu liegt eine Werkleistung vor, wenn der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines (fremden) Gegenstandes übernommen hat und dabei keinerlei selbstbeschaffte Stoffe oder nur selbstbeschaffte Nebensachen und Zutaten verwendet, Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE.
Mit Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10 (BStBl II 2014, 128) hat der BFH anlässlich eines Verfahrens, das in der Hauptsache die Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG betraf, zum Begriff der Werklieferung Stellung genommen. Er führt aus, dass es sich grds. um einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstands handelt. Werklieferungen liegen demnach nur dann vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern im Rahmen seiner Leistung zusätzlich einen fremden, in der Regel dem Auftraggeber gehörenden Gegenstands be- oder verarbeitet. Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist dagegen die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden.
Auch ein Unternehmer, der auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und an den Grundstückseigentümer veräußert, bewirkt eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit dem Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Die zur bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht hinzutretende Bearbeitung kann sich, wie bspw. beim Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen, auch aus dem Einbau gelieferter Gegenstände in ein Gebäude ergeben, so dass auch in diesen Fällen eine Werklieferung vorliegt.
Mit BMF-Schreiben vom 1.10.2020, BStBl I 2020, 983 (LEXinform 7012450) hat sich die Finanzverwaltung der BFH-Rspr. angeschlossen und Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE entsprechend angepasst. Danach liegt eine Werklieferung vor, wenn der Werkhersteller für das Werk einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbstbeschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind. Stellt der Unternehmer dagegen aus eigenen Stoffen, wenn auch nach genauen Wünschen und Plänen des Auftraggebers einen Gegenstand her (z.B. Maßanfertigung eines Anzugs durch ein Textilunternehmen), so handelt es sich mangels Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstands lediglich um eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG, nicht aber um eine Werklieferung. Dies gilt nach o.a. BMF-Schreiben entsprechend auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs und Fälle des § 13 b UStG.
Im Falle einer Werklieferung beinhalten die vom Werkunternehmer zu erbringenden Leistungen sowohl – hinsichtlich des verwendeten Materials – Elemente einer Lieferung als auch – hinsichtlich der eingebrachten Arbeitsleistung – Elemente einer sonstigen Leistung. Da nach dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der Leistungseinheit ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang nicht aufgespalten werden darf, ist für die weitere Beurteilung des Umsatzes zu entscheiden, ob die Leistung des Werkunternehmers eine (einheitliche) Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG oder eine (einheitliche) Werkleistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 UStG i.U. darstellt. Für diese Wertung stellt der BFH in Umsetzung der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung auf die Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers ab (vgl. BFH vom 31.5.2001, V R 97/98, BStBl II 2001, 658). Überwiegen danach die Elemente der Lieferung, handelt es sich auch insgesamt um eine Lieferung in der Unterform der Werklieferung, überwiegen hingegen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Elemente der sonstigen Leistung, so handelt es sich auch insgesamt um eine sonstige Leistung in der Unterform der Werkleistung.
Ein sog. »Hauptstoff« liegt vor, wenn der verwendete Stoff im Vergleich zum fertigen Werk von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist und die Wesensart des fertigen Werks bestimmt. Nebenstoffe i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG sind dagegen Materialien, die bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters nicht das Wesen des Umsatzes bestimmen (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Keine entscheidenden Kriterien für die Abgrenzung sind gem. Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 5 und 6 UStAE das Wertverhältnis zwischen Arbeitsleistung und verwendeten Stoffen sowie die Unentbehrlichkeit des jeweiligen Stoffes für das vom Werkunternehmer zu erbringende Werk. Aus diesem Grund gehören insb. kleinere technische Hilfsmittel (z.B. Nägel, Schrauben oder Splinte) grundsätzlich zu den Nebenstoffen, auch wenn sie für die Herstellung bzw. die Be- oder Verarbeitung des jeweiligen Gegenstands zwingend erforderlich sind (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 7 UStAE). Unabhängig davon kann jedoch insb. der Wert der verwendeten Stoffe trotzdem ein Indiz dafür sein, dass es sich um einen Hauptstoff handelt, vgl. Abschn. 3.8 Abs. 6 Sätze 4 und 5 UStAE.
Beispiel 1:
Ein Schreinerbetrieb benötigt für die Reparatur eines Kleiderschranks des Kunden K Regalplatten aus Holz, Leim und Schrauben.
Lösung 1:
Alle Materialien sind zwar zur Reparatur des Kleiderschranks erforderlich, aber nur die Regalplatten aus Holz sind Hauptstoffe. Leim und Schrauben machen hingegen nicht die Wesensart des Regals aus und sind somit lediglich Nebenstoffe i.S.d. Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 7 UStAE. Falls der Schreinerbetrieb die Regalplatten selbst beschafft, liegt eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG vor.
Abgrenzungsprobleme zwischen Werklieferung und Werkleistung ergeben sich in der Praxis insbes. bei der Reparatur beweglicher körperlicher Gegenstände, bspw. beim Einbau von Zubehör- und Ersatzteilen durch eine Kfz-Reparaturwerkstatt in den Pkw eines Kunden. Die Finanzverwaltung hat diesbezüglich in Abschn. 3.8 Abs. 6 Satz 6 UStAE eine Vereinfachungsregelung für die Abgrenzung der Umsatzart bei Reparaturen beweglicher körperlicher Gegenstände definiert, die folgende Verfahrensweise ermöglicht:
Beträgt der Materialanteil über 50 % des Gesamtentgelts, so stellt die Reparatur eine (einheitliche) Werklieferung dar, die umsatzsteuerlich nach den Grundsätzen einer Lieferung zu beurteilen ist.
Beträgt der Materialanteil maximal 50 % des Gesamtentgelts dar, so stellt die Reparatur eine (einheitliche) Werkleistung dar, die umsatzsteuerlich nach den Grundsätzen einer sonstigen Leistung zu beurteilen ist.
Zu beachten ist allerdings, dass diese Abgrenzung nach Wertanteilen insoweit eingeschränkt ist, als sie nur nachrangig nach einer qualitativen Betrachtung erfolgen darf. Es muss also immer erst geprüft werden, ob aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers das Merkmal der Lieferung oder das Dienstleistungselement im Vordergrund steht. Erst wenn danach keine zweifelsfreie Entscheidung möglich ist, kann die dargestellte Beurteilung nach den Wertanteilen erfolgen.
Eine weitere Einschränkung der Vereinfachungsregel liegt darin, dass die Qualifizierung auf Basis der Wertanteile nach dem Wortlaut des UStAE nur für Reparaturleistungen an beweglichen körperlichen Gegenständen gilt. Demzufolge ist die Regelung bspw. auf den erstmaligen Einbau von Zubehörteilen nicht anwendbar, da es sich insoweit mangels Ausbaus defekter Altteile nicht um Reparaturen handelt. Eine analoge Anwendung bedarf zumindest einer entsprechenden Argumentation; ansonsten hätte die Verwaltung wohl eine andere Formulierung gewählt (Langer, ASR 2/2013, 9). Im Übrigen dürfte der erstmalige Einbau von Zubehörteilen ohnehin schon nach allgemeinen Grundsätzen als Werklieferung zu qualifizieren sein, weil das Hauptaugenmerk in diesen Fällen auf der Lieferung der Zubehörteile liegt.
Voraussetzung einer Werklieferung ist nicht nur, dass überhaupt Hauptstoffe verwendet werden, sondern darüber hinaus auch, dass diese Hauptstoffe ganz oder zumindest teilweise vom Werkunternehmer und nicht ausschließlich vom Auftraggeber bzw. Besteller des Werkes beschafft werden. In Abhängigkeit von der Stoffbeschaffung sind folgende Fallkonstellationen zu unterscheiden:
Besteht das Werk aus nur einem Hauptstoff, bewirkt der Werkunternehmer eine Werklieferung, wenn er diesen Hauptstoff ganz oder teilweise selbst beschafft.
Besteht das Werk aus mehreren Hauptstoffen, bewirkt der Werkunternehmer bereits dann eine Werklieferung, wenn er nur einen Hauptstoff oder auch nur einen Teil eines Hauptstoffs selbst beschafft; dies gilt auch dann, wenn alle übrigen Stoffe, also ggf. auch Teile des Hauptstoffs, vom Auftraggeber bzw. Besteller beigestellt werden (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG, Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Werden jedoch bei der Be- oder Verarbeitung des fremden Gegenstands Hauptstoffe verwendet, die ausschließlich vom Auftraggeber bzw. Besteller beschafft werden, so liegt eine Werkleistung vor.
Werden im Rahmen der vom Werkunternehmer zu erbringenden Leistung überhaupt keine Stoffe (reine Reparaturleistung) oder nur Nebenstoffe verwendet, wie bspw. im Fall einer reinen Reparatur- oder Wartungsleistung, so scheidet eine Werklieferung aus; es handelt sich vielmehr um eine Werkleistung (Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Zur Abgrenzung der Werklieferung von der Werkleistung siehe auch das BFH-Urteil vom 9.6.2005, V R 50/02 (BStBl II 2006, 98). Die Frage, ob es sich bei der Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes unter Zuhilfenahme selbst beschaffter Stoffe um eine Lieferung oder sonstige Leistung handelt, beurteilt sich danach allein aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers.
Gegenstand einer Werklieferung ist grundsätzlich das fertige Werk, das sowohl die darin eingegangenen Stoffe (Haupt- und Nebenstoffe) als auch die eingebrachte Arbeitsleistung beinhaltet. Hat sich jedoch der Auftraggeber bzw. Besteller durch das Zurverfügungstellen von Hauptstoffen, Nebenstoffen oder in sonstiger Weise an der Werkerstellung beteiligt, so scheiden diese Leistungsbeiträge des Auftraggebers bzw. Bestellers aus dem Leistungsaustausch aus, gehören also nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage der Leistung des Werkunternehmers. Die Leistungsbeiträge des Auftraggebers bzw. Bestellers unterscheidet man begrifflich in Materialgestellung, Materialbeistellung oder sonstige Beistellung (vgl. BFH Urteil vom 10.9.1959, V R 32/57 U, BStBl III 1959, 435).
Eine Materialgestellung liegt vor, wenn der Auftraggeber bzw. Besteller den gesamten Hauptstoff zur Verfügung stellt (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 4 UStAE), so dass der Werkunternehmer allenfalls Zutaten oder sonstige Nebensachen beschafft. Liegt eine Materialgestellung vor, handelt es sich bei dem betreffenden Umsatz nicht um eine Werklieferung, sondern zwingend um eine Werkleistung (→ Werkleistung).
Eine Materialbeistellung im Rahmen einer Werklieferung liegt vor, wenn der Auftraggeber bzw. Besteller dem Werkunternehmer einen von mehreren Hauptstoffen, einen Teil des Hauptstoffes oder aber nur Nebenstoffe zur Verfügung stellt (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UStAE). Das beigestellte Material scheidet grundsätzlich nur dann aus dem Leistungsaustausch aus, wenn es auch tatsächlich bei der Herstellung oder Bearbeitung oder Verarbeitung verwendet wird und in das fertige Werk eingeht (sog. Stoffidentität). Ausnahmsweise kann jedoch auf das Erfordernis der Stoffidentität verzichtet werden, wenn das vom Auftraggeber bzw. Besteller zur Verfügung gestellte Material gegen gleichartiges und gleichwertiges Material ausgetauscht wird und der Austausch wirtschaftlich geboten ist. Dagegen liegt keine Materialbeistellung vor, wenn der beigestellte Stoff ausgetauscht wird und der Werkunternehmer den Auftrag weitergibt (vgl. A 3.8 Abs. 3 Satz 1 bis 4 UStAE).
Eine sonstige Beistellung liegt vor, wenn der Auftraggeber bzw. Besteller sich in anderer Weise als durch Stoffbeschaffung an der Werkerstellung beteiligt, insb. durch den Einsatz von Arbeitskraft, die Überlassung von Konstruktionsplänen und Maschinen oder die Zurverfügungstellung von Hilfsstoffen wie Strom, Kohle, Baustrom oder Wasser (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Bei der sonstigen Beistellung von Hilfsstoffen spielt die Frage der Stoffidentität keine Rolle, da Hilfsstoffe nicht gegenständlich in das fertige Werk eingehen.
Gehen in das fertige Werk Haupt- oder Nebenstoffe ein, die der Werkunternehmer als Eigenhändler ohne Mitwirkung des Auftraggebers bzw. Bestellers beschafft hat, bspw. Stoffe aus dem Warenlager des Werkunternehmers, so ist die Stoffbeschaffung dem Werkunternehmer zuzurechnen und gehört zum Leistungsumfang sowie zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage.
Werden hingegen die verwendeten Haupt- oder Nebenstoffe vom Auftraggeber bzw. Besteller ohne Mitwirkung des Werkunternehmers beschafft hat, so ist die Stoffbeschaffung dem Auftraggeber bzw. Besteller als Materialge- oder -beistellung zuzurechnen und gehört nicht zum Leistungsumfang.
Sind sowohl der Werkunternehmer als auch der Auftraggeber bzw. Besteller an der Stoffbeschaffung beteiligt, so ist mit Blick auf den Leistungsumfang zu klären, wem die jeweilige Stoffbeschaffung zuzurechnen ist. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
Beschafft der Werkunternehmer den Stoff im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers bzw. Bestellers, so liegt eine sog. Einkaufskommission gem. § 383 HGB i.V.m. § 3 Abs. 3 UStG vor (→ Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen). In diesem Fall ist die Stoffbeschaffung dem Werkunternehmer zuzurechnen, so dass seine Leistung den im Wege des Kommissionsgeschäfts beschafften Stoff mit einschließt (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStAE).
Ist der Werkunternehmer nur als Berater oder im Rahmen eines Agenturgeschäfts als Vermittler beteiligt und erwirbt den verwendeten Stoff im Namen und für Rechnung des Auftraggebers bzw. Bestellers, so ist die Stoffbeschaffung nicht dem Werkunternehmer, sondern dem Auftraggeber bzw. Besteller zuzurechnen. Die eingekauften Stoffe gehören in diesem Fall nicht zur Leistung des Werkunternehmers, es liegt eine Materialge- oder Materialbeistellung seitens des Auftraggebers bzw. Bestellers vor (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 4 Satz 3 und 4 UStAE).
Da die Werklieferung eine Sonderform der Lieferung darstellt, gelten für die weitere umsatzsteuerliche Beurteilung, insb. auch für die Bestimmung von Ort und Zeitpunkt der Leistung, die für Lieferungen maßgebenden Vorschriften entsprechend. Demzufolge richtet sich die Bestimmung des Orts einer Werklieferung nach den Regelungen des § 3 Abs. 5a i.V.m. Abs. 6 bis Abs. 8 UStG (→ Ort der Lieferung). Dabei ist zunächst zu unterscheiden, ob eine bewegte oder eine unbewegte Werklieferung vorliegt.
Wird das bereits fertiggestellte Werk zum Auftraggeber bzw. Besteller oder in dessen Auftrag zu einem Dritten befördert oder versendet, ohne dass es anschließend noch einer Behandlung unterzogen wird, die seine Marktgängigkeit ändert, liegt eine bewegte Werklieferung vor. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine betriebsfertig hergestellte Maschine lediglich zum Zweck eines besseren und leichteren Transports in ihre Einzelteile zerlegt und beim Auftraggeber bzw. Besteller wieder zusammengebaut wird. Die betriebsfertige Fertigstellung beinhaltet dabei auch einen beim Lieferer vorgenommenen Probelauf der Maschine. Der Leistungsort bestimmt sich in diesen Fällen nach § 3 Abs. 6 Satz 1 und 4 UStG und befindet sich – vorbehaltlich der Sonderregelungen in § 3 Abs. 8 UStG und § 3c UStG – dort, wo die Warenbewegung, also die Beförderung oder Versendung des fertigen Werks beginnt. Wird nach dem Zusammenbau der Maschine beim Abnehmer dort ein weiterer Probelauf durchgeführt, so handelt es sich nicht um eine die Marktgängigkeit ändernde Behandlung, sodass sich der Leistungsort auch hier nach § 3 Abs. 6 Satz 1 bis 4 UStG bestimmt (vgl. Abschn. 3.12 Abs. 4 Sätze 7 bis 10 UStAE).
Im Fall einer bewegten Werklieferung richtet sich auch deren Zeitpunkt nach dem Ort, es ist der Zeitpunkt des Beginns der Warenbewegung, vgl. Abschn. 3.12 Abs. 7 i.V.m. Abschn. 13.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE sowie BFH-Urteil vom 6.12.2007, V R 24/05, BStBl II 2009, 490.
Wird das Werk erst nach dem Transportvorgang fertiggestellt, z.B. indem es vor Ort beim Auftraggeber bzw. Besteller montiert und funktionsfähig gemacht wird, so wird noch nicht der fertige Liefergegenstand transportiert, so dass eine unbewegte Werklieferung vorliegt. Dabei hängt es im Einzelfall von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ab, was Gegenstand der Werklieferung ist und wann genau das vertraglich vereinbarte Werk fertiggestellt ist.
Unter einer unbewegten Werklieferung versteht man Werklieferungen, bei denen das fertige Werk nach seiner Fertigstellung nicht mehr befördert oder versendet wird. Darunter fallen zum einen Arbeiten an Grundstücken, die als Werklieferungen zu qualifizieren sind (z.B. Herstellung oder Reparaturen und Erhaltungsaufwendungen an Gebäuden). Zu den unbewegten Lieferungen gehören aber auch die sog. Montagelieferungen bzw. Montagefälle. Darunter versteht man Werklieferungen, bei denen der noch unfertige, nicht funktionsfähige Gegenstand zum Auftraggeber bzw. Besteller transportiert wird und erst nach dem Transport vor Ort fertiggestellt wird (vgl. Abschn. 3.12 Abs. 4 Satz 1 bis 6 UStAE). Der Ort der unbewegten Werklieferungen richtet sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG und befindet sich dort, wo dem Auftraggeber bzw. Besteller die Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft wird (vgl. Abschn. 13.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Verfügungsmacht wird in der Regel mit der Übergabe des fertigen Werks verschafft; ist darüber hinaus eine Abnahme des fertigen Werks vereinbart, so geht die Verfügungsmacht erst mit erfolgter Abnahme über (vgl. Abschn. 13.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStAE).
Beispiel 2:
Hersteller H fertigt in der betriebseigenen Werkstatt für Auftraggeber A nach dessen Plänen eine Produktionsmaschine und transportiert sie mit eigenem Lkw zum Betrieb des A. Dort wird die Maschine in eine bereits bestehende Anlage eingebaut und detailliert auf diese abgestimmt. Nach gelungenem Probelauf und daraufhin erfolgter Abnahme übergibt H die Maschine an A.
Lösung 2:
Es liegt eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG des H an Auftraggeber A vor, deren Gegenstand die eingebaute und funktionsfähige Maschine ist (sog. Montagefall). Werklieferungen liegen vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. Dies ist vorliegend der Fall, da die Maschine in eine bestehende Anlage eingebaut wird und somit ein fremder Gegenstand bearbeitet wird.
Mit dem Transport der Einzelteile zu A wird daher noch nicht der Liefergegenstand (das fertige Werk) befördert, so dass keine bewegte Werklieferung vorliegt. Das Werk wird vielmehr erst durch Einbau und Abstimmung bei A fertiggestellt und anschließend nicht mehr bewegt, so dass eine unbewegte Werklieferung vorliegt (Abschn. 3.12 Abs. 4 Satz 1 bis 6 UStAE). Zeitpunkt der Lieferung ist somit der Zeitpunkt der Abnahme, in dem die Verfügungsmacht an der Maschine verschafft wird. Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG der Standort der Maschine im Zeitpunkt der Abnahme, also der Betrieb des A.
Beispiel 3:
Unternehmer A beauftragt Bauunternehmer B mit der Errichtung einer Werkhalle. A stellt Maschinen, eigene Arbeitskräfte sowie auch teilweise Materialien (Hauptstoffe) im Wert von insgesamt 20 000 € netto zur Verfügung. B berechnet dem A nach Abschluss der Arbeiten und erfolgter Abnahme 250 000 € netto und zieht davon für Eigenleistungen und beschafftes Material einen Betrag von 25 000 € ab.
Lösung 3:
Ein Unternehmer, der auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, bewirkt eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit dem Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Da B die Hauptstoffe für die Fertigstellung der Halle zumindest teilweise selbst beschafft, liegt eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG vor. Bei der Überlassung des Materials durch A handelt es sich um Materialbeistellungen, bei der Zurverfügungstellung von Personal und Maschinen um sonstige Beistellungen, vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 UStAE.
Es liegt – mangels Transports des fertigen Werks – eine unbewegte Werklieferung vor, deren Ort nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG der Standort der fertigen Werkhalle im Zeitpunkt der Abnahme ist. Die Beistellungen nehmen nicht am Leistungsaustausch teil und gehören somit auch nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für die Leistung des B (Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Die Bemessungsgrundlage der Werklieferung beträgt somit 225 000 €, die Umsatzsteuer nach dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) 19 % von 225 000 € = 42 750 €.
Da Werklieferungen wie bspw. Errichtung, Ausbau oder umfangreiche Instandhaltung von Gebäuden sich in vielen Fällen über einen längeren Zeitraum erstrecken, hat sich in der Praxis die Fragestellung ergeben, wie zu verfahren ist, wenn über das Vermögen des Werkunternehmers (Werkunternehmer-Insolvenz) oder über das Vermögen des Bestellers (Besteller-Insolvenz) vor Fertigstellung des Werks das Insolvenzverfahren eröffnet wird und der Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung des Werks nach § 103 InsO ablehnt.
Für den Fall der Werkunternehmer-Insolvenz hat der BFH (Urteil vom 2.2.1978, V R 128/76, BStBl II 1978, 483) entschieden, dass der Gegenstand der Werklieferung abweichend von der ursprünglichen Vereinbarung der Vertragsparteien neu zu bestimmen ist, es ist das noch nicht bzw. teilweise fertiggestellte Bauwerk.
Bei einer Besteller-Insolvenz beschränkt sich der Leistungsaustausch zwischen Werkunternehmer und Besteller nach dem Beschluss des BFH vom 24.4.1980, V S 14/79, BStBl II 1980, 541, auf den vom Werkunternehmer gelieferten Teil des Werks, der nach § 105 InsO nicht mehr zurückgefordert werden kann (vgl. auch Abschn. 3.9 UStAE).
Die Unterscheidung zwischen Werklieferung und Werkleistung ist für die Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 1 a UStG bei Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) und Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7 UStG) von wesentlicher Bedeutung. Während für die Steuerbefreiung von Lohnveredelungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UStG der veredelte Gegenstand entweder zum Zweck der Be- oder Verarbeitung in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt oder zu diesem Zweck im Gemeinschaftsgebiet erworben worden sein muss, ist dies für die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG nicht erforderlich.
Wird also ein Gegenstand nach seiner Be- oder Verarbeitung im Inland in das Drittlandsgebiet i.S.d. § 1 Abs. 2 Buchst. a Satz 3 UStG ausgeführt, so kommt es für die Steuerbefreiung darauf an, ob der Umsatz als Werklieferung i.S.d. § 6 UStG oder als Werkleistung i.S.d. § 7 UStG zu beurteilen ist, vgl. auch Abschn. 7.4 UStAE (→ Ausfuhrlieferung, → Lohnveredelung).
Steuerschuldner der Umsatzsteuer auf im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich der den Umsatz ausführende leistende Unternehmer. Dies gilt entsprechend auch für Werklieferungen als Sonderform einer Lieferung. Aus Gründen der Sicherung des Steueraufkommens und der Minimierung umsatzsteuerlicher Registrierungspflichten für ausländische Unternehmer regelt die Vorschrift des § 13b UStG jedoch abweichend von diesem Grundsatz unter bestimmten Voraussetzungen, dass die Steuerschuld nicht vom leistenden Unternehmer getragen, sondern auf den jeweiligen Leistungsempfänger übertragen wird (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Betroffen von dieser Verlagerung der Steuerschuld sind insbes. Werklieferungen ausländischer Unternehmer gem. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG sowie Werklieferungen im Rahmen von Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers).
Für im Inland steuerpflichtige Werklieferungen eines gem. § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG im Ausland ansässigen Unternehmers schuldet der Leistungsempfänger nach der Regelung in § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, → Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen). Dies gilt allerdings nur, wenn der Leistungsempfänger entweder ein Unternehmer oder eine juristische Person ist, § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG. Zu beachten ist dabei, dass die Übertragung der Steuerschuld gem. § 13b Abs. 5 Satz 6 UStG auch dann gilt, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers bestimmt ist.
Hinsichtlich der Rechnungstellung sind in derartigen Fällen die Vorgaben des § 14a Abs. 5 UStG zu beachten: Der leistende Unternehmer ist zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet, die die wörtliche Angabe »Steuerschuld des Leistungsempfängers« beinhalten muss. Darüber hinaus darf die Umsatzsteuer in der Rechnung nicht offen ausgewiesen werden. Fehlt der Hinweis »Steuerschuld des Leistungsempfängers«, so entbindet dies den Leistungsempfänger allerdings nicht von seiner Steuerschuld (Abschn. 13b.14 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Weist der Rechnungssteller die Umsatzsteuer offen aus, so schuldet er die zu Unrecht ausgewiesene Steuer – unabhängig von der Steuerschuld des Leistungsempfängers – nach § 14c Abs. 1 UStG (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 i.V.m. Abschn. 13b.14 Abs. 1 Satz 5 UStAE). Ist der leistende Unternehmer im übrigen EU-Gebiet ansässig, gelten für die Rechnungsstellung gem. § 14 Abs. 7 Satz 1 UStG die Vorschriften des jeweiligen EU-Ansässigkeitsstaates (→ Rechnung). Die Vereinfachungsregelungen für Kleinbetragsrechnungen sind gem. § 33 Satz 3 UStDV in Fällen des § 13b nicht anzuwenden,
Beispiel 4:
Der im französischen Metz ansässige Bauunternehmer B hat den Auftrag erhalten, in Freiburg für den dort ansässigen Kfz-Händler K ein Geschäftsgebäude zu errichten. Alle Baumaterialien nimmt B aus seinem Warenbestand.
Lösung 4:
Der nach § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG im Ausland nach § 1 Abs. 2 Satz 2 UStG (Frankreich) ansässige Bauunternehmer B erbringt an K eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG, da er unter Verwendung von selbstbeschafften Hauptstoffen (Baumaterialien) ein Geschäftsgebäude errichtet. Es liegt eine unbewegte Werklieferung vor, deren Ort sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG in Freiburg befindet. Der Umsatz ist somit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und mangels Steuerbefreiung in § 4 UStG auch stpfl. Schuldner der Umsatzsteuer ist gem. § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG der Leistungsempfänger K aus Freiburg, so dass sich B in Deutschland nicht umsatzsteuerlich registrieren lassen muss.
Auch für im Inland stpfl. Werklieferungen und sonstige Leistungen (Werkleistungen), die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsarbeiten, vereinfacht ausgedrückt für sog. Bauleistungen, wird der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG zur Übernahme der Steuerschuld verpflichtet. Da Werklieferungen ausländischer Unternehmer bereits nach der vorrangigen o.g. Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG unter das Reverse-charge-Verfahren fallen, bezieht sich § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG auf Werklieferungen (Bauleistungen), die von inländischen Unternehmern erbracht werden. Hinsichtlich der Person des Leistungsempfängers genügt es dabei nicht, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist, er muss vielmehr auch selbst nachhaltig Bauleistungen erbringen, § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG. Als Nachweis hierzu ist im Regelfall eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Finanzbehörde (Vordruckmuster USt 1 TG) erforderlich (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, → Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen). Hinsichtlich der Rechnungsstellung gelten die unter 12.2 erläuterten Vorschriften der §§ 14a Abs. 5 UStG, 33 Satz 3 UStDV entsprechend (→ Rechnung).
→ Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
→ Innergemeinschaftliche Lieferung
→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
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