1 Allgemeiner Überblick
2 Verfassungskonforme Höhe des gesetzlichen Zinssatzes
3 Die Vollverzinsung gem. § 233a AO
3.1 Zinsberechnung
3.2 Zinsberechnung bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung
3.3 Zinsberechnung bei der Korrektur von Umsatzsteuerfestsetzungen in Bauträgerfällen (§ 13b UStG)
3.4 Zinsberechnung bei Nichtveranlagungsfällen
3.5 Zinslauf bei rückwirkendem Wegfall einer Voraussetzung für den Investitionsabzugsbetrag
3.6 Zu Unrecht nicht ausgezahltes Steuerguthaben
3.7 Verhältnis zu anderen steuerlichen Nebenleistungen
3.8 Anrechnung von Erstattungs-/Nachzahlungszinsen auf andere Zinsen
3.9 Bilanzsteuerliche Behandlung der Erstattungszinsen
3.10 Ertragsteuerrechtliche Behandlung der Erstattungszinsen
3.11 Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163 und 227 AO
3.12 Rechtsbehelfe
4 Stundungszinsen
4.1 Zinsberechnung
4.2 Zinsberechnung bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung
4.3 Zinsberechnung bei vorzeitiger bzw. verspäteter Tilgung
4.4 Zinsberechnung bei Aufhebung der Stundung
4.5 Billigkeitsmaßnahmen
4.6 Anrechnung von Erstattungs-/Nachzahlungszinsen auf Stundungszinsen
5 Verzinsung von hinterzogenen Steuern
5.1 Gegenstand und Voraussetzungen der Verzinsung
5.2 Zinsschuldner
5.3 Zinsberechnung
5.4 Zinsberechnung bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung
5.5 Verjährung
5.6 Vermeidung einer Doppelverzinsung im Hinterziehungsfall
6 Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge
6.1 Gegenstand und Voraussetzung der Verzinsung
6.2 Beginn und Ende der Verzinsung
6.3 Beginn der Festsetzungsfrist bei Klageverfahren wegen Kindergeld
6.4 Zinsanspruch auch ohne Zinsschaden
6.5 Prozesszinsen im mehrstufigen Verfahren (Grundsteuer)
6.6 Anrechnung von Erstattungs-/Nachzahlungszinsen auf Prozesszinsen
7 Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung
7.1 Voraussetzungen, Beginn und Ende der Verzinsung
7.2 Zweck der Verzinsung
7.3 Zinsberechnung bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung
7.4 Anrechnung von Erstattungs-/Nachzahlungszinsen auf Aussetzungszinsen
7.5 Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Zinssatzes für Aussetzungszinsen
8 Zinsen bei der Bemessung des Verspätungszuschlags gem. § 152 AO
9 Verzinsung von Mehrwertsteuerüberschüssen nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel
Die §§ 233 ff. AO regeln die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. In folgenden Fällen können Zinsen erhoben werden:
Zinsen von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gem. § 233a AO (Vollverzinsung);
Stundungszinsen gem. § 234 AO;
Zinsen von hinterzogenen Steuern gem. § 235 AO (→ Steuerhinterziehung, → Selbstanzeige);
Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge gem. § 236 AO;
Zinsen bei → Aussetzung der Vollziehung gem. § 237 AO.
Nach § 233 Satz 1 AO werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. §§ 233a bis 237 AO enthalten eine Reihe von Zinstatbeständen für bestimmte Konstellationen. Die Zinstatbestände bilden einen abschließenden Katalog. Steuerliche Nebenleistungen werden nicht verzinst.
Alle Zinsen betragen für jeden vollen Monat des jeweiligen Zinslaufs 0,5 %. Ein voller Zinsmonat i.S.d. § 238 Abs. 1 Satz 2 AO ist erreicht, wenn der Tag, an dem der Zinslauf endet, hinsichtlich seiner Zahl dem Tag entspricht, der dem Tag vorhergeht, an dem die Frist begann (BFH vom 24.7.1996, X R 119/92, BStBl II 1997, 6). Begann der Zinslauf z.B. am 1.4. und wurde die Steuerfestsetzung am 30.4. bekannt gegeben, ist bereits ein voller Zinsmonat gegeben. Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag gerundet (§ 238 Abs. 2 AO).
Zinsen werden durch schriftlichen Bescheid festgesetzt. Die Festsetzung erfolgt aber nur dann, wenn die Zinsen mindestens 10 € betragen (§ 239 Abs. 2 AO). Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Stpfl. abgerundet festzusetzen.
Nach Ablauf der Festsetzungsfrist von zwei Jahren (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO i.d.F. vom 12.7.2022) können Zinsen nicht mehr festgesetzt werden. Sie beträgt jedoch nur ein Jahr, wenn diese Frist am 21.7.2022 bereits abgelaufen war (Art. 97 § 15 Abs. 15 EGAO). Die für Folgebescheide geltende Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO wird im Verhältnis vom Einkommensteuerbescheid zum Zinsbescheid gem. § 233a AO durch die speziellen Regelungen in § 239 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AO verdrängt (BFH Urteil vom 16.1.2019, X R 30/17, BStBl II 2019, 362). Ergeht hingegen ein Zinsbescheid als Folgebescheid eines Zins-Grundlagenbescheids, endet die Festsetzungsfrist für den Zinsbescheid nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Zins-Grundlagenbescheids (vgl. AEAO zu § 239 Nr. 2).
Der Anspruch auf festgesetzte Zinsen erlischt durch Zahlungsverjährung, ggf. aber schon früher mit dem Erlöschen des Hauptanspruchs (§ 232 AO).
Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BGBl I 2021, 4303, wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht: »§ 233a der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung der Abgabenordnung vom 1.10.2002 (Bundesgesetzblatt I, 866), zuletzt geändert durch Art. 3 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1.11.2011 (Bundesgesetzblatt I, 2131) i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung der Abgabenordnung vom 1.10.2002 (Bundesgesetzblatt I, 3866), zuletzt geändert durch Art. 10 Nr. 17 des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (Bundesgesetzblatt I, 2878), ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 ein Zinssatz von ½ % für jeden Monat zugrunde gelegt wird. Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar.«
Lt. Beschluss des BFH vom 1.3.2024 (V B 34/23 (AdV), BStBl II 2024, 323, LEXinform 4271662) bestehen bei summarischer Prüfung für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238 Abs. 1 AO mit dem Unionsrecht.
Das BMF regelt für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 mit seinem Schreiben vom 22.7.2022 (BStBl I 2022, 1220) Folgendes:
§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist als Folge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unanwendbar (Anwendungssperre).
Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen diese Normen insoweit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen. D.h., betragsmäßig »neue« Nachzahlungs- und Erstattungszinsen dürfen auf der Grundlage des § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr festgesetzt werden.
Unanfechtbare Zinsfestsetzungen, die auf der Anwendung von § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO beruhen, sind wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weder aufzuheben noch zu ändern (§ 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entsprechend). Sie genießen Bestandskraft. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist – soweit sie noch nicht vollzogen ist – allerdings unzulässig (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG entsprechend).
Ansprüche des Zinsschuldners gegen die Finanzbehörde aus ungerechtfertigter Bereicherung hinsichtlich bereits entrichteter Zinsen sind ausgeschlossen (§ 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG).
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 zu treffen. Nach dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12.7.2022 (BGBl I 2022, 1142) erfolgt eine Absenkung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat (1,8 % pro Jahr). Die Angemessenheit dieses Zinssatzes ist nach § 238 Abs. 1c AO unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1.1.2024. Das BMF hat zu den Änderungen der §§ 233 bis 239 AO Stellung genommen (BMF vom 22.7.2022, BStBl I 2022, 1217).
Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zulasten der Stpfl., namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft aber auch nicht die Verzinsung zugunsten der Stpfl. nach § 236 AO.
In Ergänzung des BMF-Schreibens zur Umsetzung des Zins-Beschlusses des BVerfG vom 17.9.2021 (BStBl I 2021, 1759) enthält das BMF-Schreiben vom 3.12.2021 (BStBl I 2021, 2227) eine Klarstellung zur Aussetzung der Vollziehung und eine Anweisung zur vorläufigen Festsetzung von Hinterziehungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019, soweit festgesetzte Nachzahlungszinsen für gleiche Verzinsungszeiträume anzurechnen sind. Die Steuerverwaltungen der Länder können die Neuberechnung der Zinsen in anhängigen Verfahren und die Umstellung der Zinsberechnungsprogramme aufgrund der damit verbundenen erheblichen technischen und organisatorischen Auswirkungen allerdings nicht sofort nach Inkrafttreten der Neuregelungen umsetzen (BMF vom 3.11.2022, BStBl I 2022, 1462; Neufassung des AEAO zu § 233a). Für die Zwischenzeit enthält Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO deshalb eine Übergangsregelung: Solange die Neuregelung in § 238 Abs. 1a und 1b AO technisch und organisatorisch noch nicht umgesetzt werden kann, können Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 ungeachtet der am 22.7.2022 in Kraft getretenen Neuregelungen weiterhin vorläufig ergehen oder ausgesetzt werden (Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO i.V.m. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Satz 4 sowie Abs. 2 AO). Die Umstellungstermine in den einzelnen Ländern können auseinanderfallen.
Die Neuregelung gilt weder für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2019 noch für Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen gelten. Auch für Säumniszuschläge nach § 240 AO ist keine Neuregelung vorgesehen.
Die Neuregelung gilt auch für noch nicht bestandskräftig festgesetzte Erstattungszinsen, wobei aber der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 AO zu beachten ist. Bei einem offenen Mischfall mit Nachzahlungs- und Erstattungszinsen soll auf das Gesamtergebnis der rückwirkend ab 2019 nach neuem Recht berechneten Zinsen abgestellt werden. Es soll eine Saldierung der Auswirkungen des neuen Zinssatzes auf Nachzahlungs- und Erstattungszinsen bis maximal null erfolgen. Die Angemessenheit des weiterhin festen Zinssatzes soll künftig mindestens alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden, erstmals zum 1.1.2026. Damit wird den Forderungen des BVerfG Rechnung getragen.
Erstattungszinsen für den Verzinsungszeitraum ab 2019 dürfen nach dem Urteil des FG Hamburg vom 14.4.2022 (1 K 126/20, EFG 2022, 1165) nicht vorläufig festgesetzt werden.
Die Vollverzinsung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Die Zinsfestsetzung wird regelmäßig mit dem Steuerbescheid verbunden. Die Verzinsung ist beschränkt auf die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Von der Verzinsung ausgenommen sind Steuervorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge (§ 233a Abs. 1 Satz 2 AO). § 233a AO beschränkt sich auf die Verzinsung der Ansprüche der in Abs. 1 aufgeführten Steuern. Der Regelungsbereich des § 233a AO bezieht sich nicht auf Steuervergütungen (BFH Urteil vom 23.2.2006, III R 66/03, BStBl II 2006, 741). So ist der Anspruch auf Investitionszulage nicht zu verzinsen.
Der Zinslauf beginnt im Regelfall 15 Monate nach Ablauf des Kj., in dem die Steuer entstanden ist.
Nach dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz wird die Erklärungsfrist für beratene Stpfl. bis zum 31.8.2022 verlängert. Für den VZ 2021 wird die Erklärungsfrist in nicht beratenen Fällen um zwei Monate und in beratenen Fällen um vier Monate verlängert. Für den VZ 2022 wird die Erklärungsfrist in nicht beratenen Fällen um einen Monat und in beratenen Fällen um zwei Monate verlängert. Auch die zinsfreien Karenzzeiten gem. § 233a Abs. 2 Satz 1 und 2 AO sind verlängert worden (vgl. Art. 97 § 36 Abs. 3 Nr. 7 EGAO). Der allgemeine Zinslauf beginnt für den Besteuerungszeitraum 2020 am 1.10.2022, für 2021 am 1.10.2023, für 2022 am 1.9.2024, für 2023 am 1.7.2025 und für 2024 am 1.6.2026.
Der Zinslauf endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO). Grundsätzlich werden Steuerfestsetzungen am Tag der Bekanntgabe des Steuerbescheids wirksam (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 124 AO). Der Lauf der Zinsen gem. § 233a AO endet mit Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe des Steuerbescheids zur Post (Bekanntgabe des Verwaltungsaktes i.S.d. § 122 Abs. 2 AO), auch wenn der Steuerbescheid tatsächlich früher zugeht (BFH Urteil vom 13.12.2000, X R 96/98, BStBl II 2001, 274). Bei USt-Erklärungen mit einem Unterschiedsbetrag zuungunsten des Stpfl. endet der Zinslauf grundsätzlich am Tag des Eingangs der → Steueranmeldung (§ 168 Satz 1 AO).
Beispiel 1:
Der ESt-Bescheid für das Kj. 06 wird am 12.11.08 (Donnerstag) zur Post gegeben.
Lösung 1:
Die ESt 06 entsteht nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des 31.12.06. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kj., in dem die Steuer entstanden ist. Der Zinslauf beginnt somit am 1.4.08. Er endet mit Bekanntgabe des Steuerbescheids. Der Steuerbescheid gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Sonntag). Da das Ende auf einen Sonntag fällt, gilt der Bescheid am Montag, 16.11.08, als bekannt gegeben (BFH Urteil vom 14.10.2003, IX R 68/98, BStBl II 2003, 898). Da die Zinsen nur für volle Kalendermonate anfallen, sind für insgesamt sieben Kalendermonate jeweils 0,5 % Zinsen zu berechnen.
Bemessungsgrundlage für die Zinsberechnung ist der Unterschied zwischen der festgesetzten Steuer abzüglich anzurechnender Steuerabzugsbeträge und dem Vorauszahlungssoll. Maßgebend sind die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 AO).
Beispiel 2:
Der Stpfl. in Beispiel 1 hat für den VZ 2006 jeweils 6 500 € ESt-Vorauszahlungen zu leisten. Die Vorauszahlung für das 4. Quartal (Fälligkeit 10.12.06) hat der Stpfl. bisher nicht entrichtet. Der am 20.11.08 bekannt gegebene ESt-Bescheid wurde wie folgt abgerechnet:
festgesetzte Steuer 06 |
42 000 € |
abzüglich anzurechnende Steuerabzugsbeträge |
./. 2 000 € |
verbleiben |
40 000 € |
abzüglich bisher entrichteter Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG) 3 × 6 500 € = |
./. 19 500 € |
noch zu zahlen |
20 500 € |
davon sofort (ausstehende Vorauszahlung) |
6 500 € |
Der verbleibende Betrag |
14 000 € |
ist nach § 36 Abs. 4 EStG ein Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. Der Betrag ist somit mit Ablauf des 20.12.08 fällig. Da dies ein Sonntag ist, wird die Frist nach § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag verlängert.
Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Zinsen wird wie folgt ermittelt:
festgesetzte Steuer 06 |
42 000 € |
abzüglich anzurechnende Steuerabzugsbeträge |
./. 2 000 € |
verbleiben |
40 000 € |
abzüglich festgesetzter Vorauszahlungen |
./. 26 000 € |
Unterschiedsbetrag |
14 000 € |
Zu verzinsen sind 14 000 € zuungunsten des Stpfl. für die Zeit vom 1.4.08 bis 20.11.08 (sieben volle Monate × 0,5 % = 3,5 %). Die festzusetzenden Nachzahlungszinsen betragen 3,5 % von 14 000 € = 490 €.
Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Stpfl. ist ebenfalls zu verzinsen. Um Erstattungszinsen auf festgesetzte, aber nicht entrichtete Vorauszahlungen zu verhindern, ist nur der tatsächlich zu erstattete Betrag zu verzinsen.
Beispiel 3:
Die festgesetzte Steuer in Beispiel 2 beträgt lediglich 16 000 €. Danach beträgt der zu verzinsende Betrag:
festgesetzte Steuer 06 |
16 000 € |
abzüglich anzurechnende Steuerabzugsbeträge |
./. 2 000 € |
verbleiben |
14 000 € |
abzüglich bisher entrichtete Vorauszahlungen 3 × 6 500 € = |
./. 19 500 € |
Mindersoll |
5 500 € |
Die Erstattungszinsen betragen 3,5 % von 5 500 € = 192,50 €. Nach § 239 Abs. 2 AO ist der Betrag auf volle Euro zum Vorteil des Stpfl. gerundet festzusetzen. Die Erstattungszinsen betragen 193 €.
Falls anlässlich einer Steuerfestsetzung Zinsen festgesetzt wurden, löst die Korrektur dieser Steuerfestsetzung eine Änderung der bisherigen Zinsfestsetzung aus (§ 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO). Dabei ist es gleichgültig, worauf die Korrektur beruht (z.B. auch Änderung durch Einspruchsentscheidung oder durch oder aufgrund der Entscheidung eines Finanzgerichts). Für § 233a Abs. 5 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 AO ist bei mehrfachen Änderungen von Steuerfestsetzungen die letzte Zahlung auf den Steuerbescheid maßgeblich, in dem die Besteuerungsgrundlage enthalten war, die aufgrund des Änderungsbescheids entfällt (vgl. BFH vom 8.10.2019, V R 15/18, BFH/NV 2020, 40).
Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden (BFH vom 13.12.2022, VIII R 16/19, n.v., BFHE 278/414, LEXinform 0952562).
Soweit die Steuerfestsetzung auf der erstmaligen Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder eines Verlustrücktrags (→ Verlustabzug nach § 10d EStG) beruht, beginnt der Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kj., in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
Die OFD Karlsruhe nimmt in ihrer Verfügung vom 28.4.2023 (S-0460a; LEXinform 7013613) Stellung zu den Auswirkungen einer Änderung der Zinsfestsetzungen bei bereits erfolgtem Erlass von Zinsen gem. § 233a AO. Gem. § 233a Abs. 8 Satz 3 AO mindert sich der Zinsverzicht nach § 233a Abs. 8 Satz 1 AO entsprechend, soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach § 233a Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 entfallen. Die gesetzlichen Neuregelungen des § 233a Abs. 8 AO sind gem. Art. 97 § 15 Abs. 14 EGAO vorbehaltlich des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in allen am 21.7.2022 anhängigen Verfahren anzuwenden.
Bei einem zulässigen Wechsel der Veranlagungsart (Zusammenveranlagung nach bereits erfolgter Einzelveranlagung oder umgekehrt) beruhen sowohl die Aufhebung des/der ursprünglichen Bescheide(s) als auch der Erlass der/des neuen Bescheide(s) auf einem rückwirkenden Ereignis. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um den antragstellenden Ehegatten oder den anderen Ehegatten handelt. Dass die verfahrensrechtliche Umsetzung des Wechsels der Veranlagungsart beim antragstellenden Ehegatten nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolgt, steht dem nicht entgegen. § 233a Abs. 2a AO findet sowohl bei der Aufhebung der ursprünglichen Veranlagung(en) als auch beim Erlass der/des neuen Steuerbescheide(s) für beide Ehegatten Anwendung (s. AEAO zu § 233a Nr. 10.2.1; BMF vom 31.1.2019, BStBl I 2019, 84).
Ist bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung eine Zinsfestsetzung unterblieben, weil z.B. bei Wirksamkeit der Steuerfestsetzung die Karenzzeit noch nicht abgelaufen war, ist bei der erstmaligen Zinsfestsetzung aus Anlass der Korrektur der Steuerfestsetzung für die Berechnung der Zinsen ebenfalls der Unterschied zwischen dem neuen und dem früheren Soll maßgebend.
Die von der Verwaltungsauffassung abweichende Auslegung des § 13b UStG durch den BFH, die dazu führte, dass eine Bauträgerin, die die bebauten Grundstücke weiterveräußert oder vermietet, als Leistungsempfängerin der an sie erbrachten Bauleistungen nicht nach § 13b UStG Steuerschuldnerin ist (vgl. BFH Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10), stellt kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar (FG Baden-Württemberg Urteil vom 17.1.2018, 12 K 2324/17, EFG 2018, 599; Revision eingelegt, Az. beim BFH: V R 8/18; die Revision wurde zurückgenommen, Einstellungsbeschluss des BFH vom 10.1.2019, V R 8/18). Bei der Festsetzung von Erstattungszinsen im Zuge der Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung auf Seiten der Bauträgerin kommt § 233a Abs. 2a AO nicht zur Anwendung. Der Zinslauf beginnt damit nicht erst 15 Monate nach Ablauf des Kj., in dem das (hier nicht vorliegende) rückwirkende Ereignis eingetreten ist.
Für die Bestimmung des Steuerschuldners bei Bauleistungen kommt es ausschließlich auf die Voraussetzungen von § 13b UStG, nicht aber darauf an, ob der Leistungsempfänger geltend macht, dass er nicht Steuerschuldner nach dieser Vorschrift sei, dass er einen Steuerbetrag an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder dass das FA gegen einen Erstattungsanspruch, der sich aus einer unzutreffenden Anwendung von § 13b UStG ergibt, aufrechnen kann, sodass hierin kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 233a Abs. 2a AO liegt (vgl. BFH vom 8.10.2019, V R 15/18, BFH/NV 2020, 40; LEXinform 0951856).
Ist eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen des § 46 EStG nicht erfüllt sind, sind festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen zu erstatten. Die Erstattungszinsen sind so zu berechnen, als sei eine Steuerfestsetzung über 0 € erfolgt. Wird eine Einkommensteuerfestsetzung, die zu einer Erstattung geführt hat, aufgehoben und die Abrechnung geändert, sodass die bisher angerechneten Steuerabzugsbeträge zurückgefordert werden, ist diese Steuernachforderung zu verzinsen. Eine bisher durchgeführte Zinsfestsetzung (Erstattungszinsen) ist nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO zu ändern.
Der Wegfall der Investitionsabsicht vor Ablauf der Investitionsfrist hat zur Folge, dass die Gewinnminderung durch den Investitionsabzugsbetrag (→ Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG) rückgängig zu machen ist. Die aus diesem Grund festgesetzte Einkommensteuer war vor Inkrafttreten des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.6.2013 nach § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen (BFH vom 11.7.2013, IV R 9/12, BStBl II 2014, 609).
Ein zu Unrecht nicht ausgezahltes Steuerguthaben kann nach dem BFH (Urteil vom 16.12.2009, I R 48/09, BFH/NV 2010, 827) weder nach § 233a AO noch nach einer anderen Vorschrift verzinst werden. Der Abgabenordnung lässt sich kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts entnehmen, dass Ansprüche des Stpfl. aus dem Steuerschuldverhältnis stets zu verzinsen sind. § 233 Satz 1 AO bestimmt im Gegenteil, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst werden, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Für die Zinsberechnung nach § 233a AO spielt es keine Rolle, ob und inwieweit Steuerbeträge gestundet sind.
Die Erhebung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) bleibt durch § 233a AO unberührt, da die Vollverzinsung nur den Zeitraum bis zur Festsetzung der Steuer betrifft. Sollten sich in Fällen, in denen die Steuerfestsetzung zunächst zugunsten und sodann wieder zuungunsten des Stpfl. geändert wird, Überschneidungen ergeben, sind insoweit die Säumniszuschläge zur Hälfte zu erlassen.
Beim Verspätungszuschlag (§ 152 AO) ist für die Beurteilung der Frage, welche Vorteile der Stpfl. aus der verspäteten oder unterlassenen Abgabe der Steuererklärung gezogen hat, zu berücksichtigen, dass Zinsvorteile bereits durch Zinsen nach § 233a AO teilweise ausgeglichen sein können.
Zur Anrechnung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 233a AO bei der Festsetzung von Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen vgl. AEAO zu § 233a, Nrn. 64 ff. und AEAO zu § 235, Nr. 5.1.2 und 5.2.2 (vgl. AEAO zu § 239 Nr. 4). Der Zinsbescheid nach § 233a AO ist dabei Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Zinsen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237 AO, soweit hierauf nach § 233a AO festgesetzte Zinsen anzurechnen sind (§ 239 Abs. 5 AO); § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist entsprechend anzuwenden.
Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 waren die Zinssätze für Erstattungszinsen nach § 233a AO und Stundungs-, Hinterziehungs- und Prozesszinsen gleich, sodass die Prozesszinsen auf 0 € zu kürzen waren (BFH vom 12.3.2024, VIII R 10/20, BFH/NV 2024, 911). Für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 sind die Zinssätze hingegen unterschiedlich hoch, sodass auch nach Anrechnung von Erstattungszinsen nach § 233a AO noch andere Zinsen i.H.v. 4,2 % p.a. verbleiben (nach § 238 Abs. 1 AO 6 % p.a. für Stundungs-, Hinterziehungs- und Prozesszinsen abzgl. 1,8 % p.a. gem. § 238 Abs. 1a AO für Erstattungszinsen). Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf nach § 238 Abs. 1b AO in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kj. mit 360 Tagen gerechnet.
Überschneidungen von Stundungszinsen und Nachzahlungszinsen nach § 233a AO können sich ergeben, wenn die Steuerfestsetzung nach Ablauf der Stundung zunächst zugunsten und später wieder zuungunsten des Stpfl. geändert wird (siehe § 234 Abs. 1 Satz 2 AO). Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung werden Nachzahlungszinsen, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, im Rahmen der Zinsfestsetzung auf Stundungszinsen angerechnet (§ 234 Abs. 3 AO). Erfolgt die Zinsfestsetzung nach § 233a AO aber erst nach Festsetzung der Stundungszinsen, sind Nachzahlungszinsen insoweit nach § 227 AO zu erlassen, als sie für denselben Zeitraum wie die bereits erhobenen Stundungszinsen festgesetzt wurden.
Überschneidungen mit Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) sind möglich, etwa weil der Zinslauf mit Eintritt der Verkürzung und damit vor Festsetzung der Steuer beginnt. Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind im Rahmen der Zinsfestsetzung auf die Hinterziehungszinsen anzurechnen (§ 235 Abs. 4 AO). Dies gilt ungeachtet der unterschiedlichen ertragsteuerlichen Behandlung beider Zinsarten.
Überschneidungen mit Aussetzungszinsen (§ 237 AO) sind im Regelfall nicht möglich, da Zinsen nach § 233a Abs. 1 bis 3 AO nur für den Zeitraum bis zur Festsetzung der Steuer, Aussetzungszinsen jedoch frühestens ab der Fälligkeit der Steuernachforderung entstehen können.
Vor dem Hintergrund des BFH-Urteils vom 31.8.2011 (X R 19/10, BStBl II 2012, 190) ist die Aktivierung einer Forderung auf Erstattungszinsen nach Auffassung der Obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nur dann vorzunehmen, wenn der Anspruch auf Erstattungszinsen am Bilanzstichtag auch hinreichend sicher ist. Nach Ablauf der in § 233a Abs. 2 AO enthaltenen Frist von 15 Monaten ist nach Ablauf des Kj., für das der Steuererstattungsanspruch entstanden ist, eine Forderung auf Zinsen wegen Steuererstattungen auszuweisen; unabhängig davon, ob die entsprechenden Steuern festgesetzt wurden (OFD Frankfurt vom 18.7.2023, S 2133 A-21-St 516). Dieser unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgenommene Forderungsausweis entspricht den Grundsätzen, die für die Aktivierung von Dividendenansprüchen ohne vorherigen Gewinnverwendungsbeschluss gelten. Eine Forderung auf Zinsen wegen einer Steuererstattung ist demnach frühestens zu dem Bilanzstichtag zu aktivieren, der 15 Monate nach Ablauf des Kj. liegt, für das der Anspruch auf Steuererstattung entstanden ist. Dabei umfasst die Forderung nur die Zinsen, die bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich entstanden sind.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sind Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG.
Der Zinsbescheid ist kein Grundlagenbescheid für die einkommensteuerliche Behandlung der Zinsen, da der Gesetzgeber eine solche Bindung nicht gesetzlich geregelt hat (BFH vom 12.3.2024, VIII R 10/20, BFH/NV 2024, 911, LEXinform 0952858). Bindungswirkung entfaltet vielmehr umgekehrt die Einkommensteuerfestsetzung als Grundlagenbescheid hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Steuer für die Zinsfestsetzung. Über die Steuerpflicht von im Veranlagungszeitraum zugeflossenen Zinsen wird deshalb ohne Bindung an den Zinsbescheid im Einkommensteuerbescheid entschieden. Dort ist auch, ebenfalls ohne Bindung an den Zinsbescheid, zu entscheiden, welche Art von Zinsen zugeflossen ist, wenn es für die Besteuerung darauf ankommt.
Aus Gründen sachlicher Härte sind auf Antrag Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO nach § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit ihnen nicht abziehbare Nachzahlungszinsen gegenüberstehen, die auf ein und demselben Ereignis beruhen (BMF vom 16.3.2021, BStBl I 2021, 353). Dabei sind die Erstattungszinsen und die diesen gegenüberstehenden Nachzahlungszinsen auf den Betrag der jeweils tatsächlich festgelegten Zinsen begrenzt. Ereignis in diesem Sinne ist der einzelne Vorgang, der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erhöht oder vermindert (z.B. Erhöhung des Warenbestandes eines Jahres/Erhöhung des Wareneinsatzes im Folgejahr).
Erstattungszinsen für den Verzinsungszeitraum ab 2019 dürfen nach dem Urteil des FG Hamburg vom 14.4.2022 (1 K 126/20, EFG 2022, 1165; Revision BFH: VIII R 12/22; die Revision wurde zurückgenommen) nicht vorläufig festgesetzt werden.
Billigkeitsmaßnahmen hinsichtlich der Zinsen kommen in Betracht, wenn solche auch hinsichtlich der zugrunde liegenden Steuer zu treffen sind. Daneben sind auch zinsspezifische Billigkeitsmaßnahmen möglich (BFH Urteil vom 24.7.1996, X R 23/94, BFH/NV 1997, 92). Beim → Erlass gem. § 227 AO von Zinsen nach § 233a AO aus sachlichen Billigkeitsgründen i.S.d. §§ 163, 227 AO ist zu berücksichtigen, dass die Entstehung des Zinsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach gem. Wortsinn, Zusammenhang und Zweck des Gesetzes, den Liquiditätsvorteil des Steuerschuldners und den Liquiditätsnachteil des Steuergläubigers auszugleichen, eindeutig unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und, rein objektiv, ergebnisbezogen allein vom Eintritt bestimmter Ereignisse (Fristablauf i.S.d. § 233a Abs. 2 oder 2a AO, Unterschiedsbetrag i.S.d. § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 233a Abs. 3 oder 5 AO) abhängt. Ein Verschulden ist prinzipiell irrelevant, und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses.
Zinsen nach § 233a AO können auch dann festgesetzt werden, wenn vor Festsetzung der Steuer freiwillige Leistungen erbracht wurden. Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Stpfl. (Nachzahlungszinsen) sind aber nach § 233a Abs. 8 Satz 1 AO zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden und die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat (vgl. AEAO zu § 233a Nr. 70.1).
Die Verzinsung nachträglich festgesetzter Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer ist nicht sachlich unbillig, wenn sich per saldo ein Ausgleich der Steuerforderung mit den vom Leistungsempfänger abgezogenen Vorsteuerbeträgen ergibt (vgl. BFH Urteile vom 20.1.1997, V R 28/95, BStBl II 1997, 716, und vom 15.4.1999, V R 63/97, BFH/NV 1997, 1392).
Unterjährige Zinsvorteile sind bei der Prüfung eines Liquiditätsvorteils im Rahmen des Billigkeitserlasses von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer gem. § 233a AO unbeachtlich (BFH vom 23.2.2023, V R 30/20, BStBl II 2023, 1079, LEXinform 0953230). Dem Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer steht nicht entgegen, dass es zu mehreren aufeinanderfolgenden jahresübergreifenden Umsatzverlagerungen kommt.
Eine Zinspflicht nach § 233a AO ist sachlich unbillig, wenn der Leistende bei der Ausführung seines Umsatzes in Übereinstimmung mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsanweisungen zu § 13b UStG davon ausgehen konnte und musste, dass nicht er, sondern der Leistungsempfänger Steuerschuldner sei (vgl. BFH vom 8.10.2019, V R 15/18, BFH/NV 2020, 40).
Führt eine Außenprüfung sowohl zu einer Steuernachforderung als auch zu einer Steuererstattung, so ist deshalb hinsichtlich der Verzinsung nach § 233a AO grundsätzlich auf die Steueransprüche der einzelnen Jahre abzustellen, ohne auf Wechselwirkungen mit den jeweiligen anderen Besteuerungszeiträumen einzugehen. Ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt bei nachträglicher Zuordnung von Einkünften zu einem anderen Veranlagungszeitraum nicht in Betracht (BFH Urteil vom 16.11.2005, X R 3/04, BStBl II 2006, 155).
Zum Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO vgl. auch das BFH-Urteil vom 31.5.2017 (I R 92/15, BStBl II 2019, 14).
Die Erhebung von Nachforderungszinsen nach § 233a AO ist nicht allein deshalb sachlich unbillig, weil die Änderung eines Steuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erst nach Ablauf von 13 Monaten nach Erlass des Grundlagenbescheids erfolgt (vgl. BFH vom 3.12.2019, VIII R 25/17, BStBl II 2020, 214; LEXinform 0951635).
Wird die Steuerfestsetzung oder die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer geändert, sind etwaige Folgerungen für die Zinsfestsetzung nach 233a Abs. 5 AO zu ziehen.
Gegen die Zinsfestsetzung ist der Einspruch gegeben. Einwendungen gegen die zugrunde liegende Steuerfestsetzung oder Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer können jedoch nicht mit dem Einspruch gegen den Zinsbescheid geltend gemacht werden.
Wird der Zinsbescheid als solcher angefochten, kommt unter den Voraussetzungen des § 361 AO bzw. des § 69 FGO die Aussetzung der Vollziehung in Betracht. Wird mit dem Rechtsbehelf eine erstmalige oder eine höhere Festsetzung von Erstattungszinsen begehrt, ist mangels eines vollziehbaren Verwaltungsakts eine Aussetzung der Vollziehung nicht möglich. Soweit die Vollziehung des zugrunde liegenden Steuerbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung des Zinsbescheids auszusetzen.
Nach § 234 Abs. 1 AO werden Stundungszinsen für die Dauer der gewährten Stundung erhoben. Ihre Höhe ändert sich nicht, wenn der Stpfl. vor oder nach dem Zahlungstermin zahlt, der in der Stundungsverfügung festgelegt ist (Sollverzinsung). Die Stundungszinsen sind grundsätzlich zusammen mit der letzten Rate zu erheben. Der Zinslauf beginnt an dem ersten Tag, für den die Stundung wirksam wird, und endet mit Ablauf des letzten Tages, für den die Stundung ausgesprochen worden ist.
Der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart ist auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag abzurunden.
Beispiel 4:
Die ESt i.H.v. 4 215 € wird in drei Monatsraten zu 1 400 €, 1 400 € und 1 415 € gestundet.
Lösung 4:
Die Zinsberechnung wird wie folgt durchgeführt:
Raten |
Zinsen |
|
1. Rate |
1 400 € |
0,5 % = 7 € |
2. Rate |
1 400 € |
1,0 % = 14 € |
3. Rate |
1 415 € |
1,5 % = 21 € |
Die Zinsberechnung erfolgt von 1 415 € ./. 15 €.
Wird die gestundete Steuerforderung vor Ablauf des Stundungszeitraums herabgesetzt, ist der Zinsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend zu ändern. Eine Korrektur der Steuerfestsetzung nach Ablauf der Stundung hat keine Auswirkungen auf die Stundungszinsen (§ 234 Abs. 1 Satz 2 AO). Werden Vorauszahlungen gestundet, sind Stundungszinsen nur im Hinblick auf eine Änderung der Vorauszahlungsfestsetzung, nicht aber im Hinblick auf die Festsetzung der Jahressteuer herabzusetzen.
Eine vorzeitige Tilgung führt nicht automatisch zu einer Ermäßigung der Stundungszinsen. Soweit der gestundete Anspruch allerdings mehr als einen Monat vor Fälligkeit getilgt wird, kann auf bereits festgesetzte Stundungszinsen für den Zeitraum ab Eingang der Leistung auf Antrag verzichtet werden (§ 234 Abs. 2 AO). Eine verspätete Zahlung löst zusätzlich Säumniszuschläge aus.
Bei einer Aufhebung der Stundungsverfügung (Rücknahme oder Widerruf) sind auch die auf ihr beruhenden Zinsbescheide aufzuheben oder zu ändern; §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO gelten gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend.
Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann gem. § 234 Abs. 2 AO im Einzelfall aus Billigkeitsgründen verzichtet werden. Ein solcher Verzicht kann z.B. in Betracht kommen:
bei Katastrophenfällen,
bei längerer dauernder Arbeitslosigkeit des Steuerschuldners,
bei Stundung für einen Stpfl., der bisher seinen steuerlichen Pflichten, insbes. seinen Zahlungspflichten, pünktlich nachgekommen ist und der in der Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen in Anspruch genommen hat. In diesen Fällen kommt ein Verzicht auf Stundungszinsen in der Regel nur in Betracht, wenn für einen Zeitraum von nicht mehr als drei Monaten gestundet wird und der insgesamt zu stundende Betrag 5 000 € nicht übersteigt.
Ist eine Zinsfestsetzung mit einer Billigkeitsmaßnahme verbunden (§ 163 AO), ist gegen die Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ein gesonderter Einspruch gegeben (AEAO zu § 347 Nr. 4).
Zur Anrechnung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 233a AO bei der Festsetzung von Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen vgl. AEAO zu § 233a, Nrn. 64 ff. und AEAO zu § 235, Nr. 5.1.2 und 5.2.2 (vgl. AEAO zu § 239 Nr. 4). Der Zinsbescheid nach § 233a AO ist dabei Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Zinsen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237 AO, soweit hierauf nach § 233a AO festgesetzte Zinsen anzurechnen sind (§ 239 Abs. 5 AO); § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist entsprechend anzuwenden.
Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 waren die Zinssätze für Erstattungszinsen nach § 233a AO und Stundungszinsen nach § 234 AO gleich, sodass die Prozesszinsen auf null € zu kürzen waren (BFH vom 12.3.2024, VIII R 10/20, BFH/NV 2024, 911). Für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 sind die Zinssätze hingegen unterschiedlich hoch, sodass auch nach Anrechnung von Erstattungszinsen nach § 233a AO noch Prozesszinsen i.H.v. 4,2 % p.a. verbleiben (nach § 238 Abs. 1 AO 6 % p. a. für Prozesszinsen abzgl. 1,8 % p.a. gem. § 238 Abs. 1a AO für Erstattungszinsen). Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf nach § 238 Abs. 1b AO in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kj. mit 360 Tagen gerechnet.
Nach § 235 AO sind hinterzogene Steuern (→ Steuerhinterziehung), ungerechtfertigt erlangte Steuervorteile (z.B. zu Unrecht erlangte Steuervergütungen), zu Unrecht erlangte Steuervergünstigungen (z.B. Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen), ungerechtfertigt erlangte Prämien und Zulagen, auf die § 370 Abs. 1 bis 4, § 371, § 375 Abs. 1 und § 376 AO entsprechend anzuwenden sind (z. B. Wohnungsbauprämien, Arbeitnehmer-Sparzulagen und Zulagen nach § 83 EStG), zu verzinsen. Hinterziehungszinsen sind nicht festzusetzen bei erschlichener Investitionszulage und Eigenheimzulage, weil insoweit ein Subventionsbetrug und keine Steuerhinterziehung vorliegt.
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für verkürzte Einkommensteuervorauszahlungen neben der Festsetzung von Hinterziehungszinsen für verkürzte Jahreseinkommensteuer desjenigen Veranlagungszeitraums, für den die Vorauszahlungen zu leisten gewesen wären, bewirkt keine Doppelverzinsung desselben Steueranspruchs, wenn sich die den Festsetzungen zugrunde liegenden Zinsläufe nicht überschneiden (BFH vom 28.9.2021, VIII R 18/18, BStBl II 2022, 239). Es handelt sich um eigenständige Steueransprüche und um eigenständige Gegenstände der Verzinsung i.S.d. § 235 AO, was sich auch in separaten Zinsläufen niederschlagen muss. Zur Verjährung von Hinterziehungszinsen auf verkürzte Vorauszahlungen s. AEAO zu § 235 Nr. 7.2 (BMF vom 23.1.2023, BStBl I 2023, 189).
Die Zinspflicht tritt nur ein, wenn der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO erfüllt und die Tat i.S.d. § 370 Abs. 4 AO vollendet ist. Der Versuch einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 AO i.V.m. § 23 StGB) reicht zur Begründung einer Zinspflicht ebenso wenig aus wie die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) oder die übrigen Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 379 ff. AO). Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus (BFH Urteil vom 27.8.1991, VIII R 84/89, BStBl II 1992, 9). Die Zinspflicht ist unabhängig von einem Steuerstrafverfahren im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen. An Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren ist die Finanzbehörde nicht gebunden (BFH Urteil vom 10.10.1972, VII R 117/69, BStBl II 1973, 68).
Hinterziehungszinsen sind auch festzusetzen, wenn
wirksam Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet worden ist (z.B. durch Nachmeldung hinterzogener Umsatzsteuer in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung),
der Strafverfolgung Verfahrenshindernisse entgegenstehen (z.B. Tod des Täters oder Strafverfolgungsverjährung),
das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (z.B. nach §§ 153, 153a StPO; § 398 AO) oder
in anderen Fällen die Strafverfolgung beschränkt oder von der Strafverfolgung abgesehen wird (z.B. nach §§ 154, 154a StPO).
S.a. AEAO zu § 235 (BMF vom 31.1.2019, BStBl I 2019, 84).
Nach § 235 Abs. 1 Satz 2 AO ist derjenige Zinsschuldner, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Durch die Vorschrift soll ausschließlich der steuerliche Vorteil des Steuerschuldners abgeschöpft werden.
Sind Steuerschuldner Gesamtschuldner (§ 44 AO), ist jeder Gesamtschuldner auch Zinsschuldner. Dies gilt auch dann, wenn bei zusammenveranlagten Ehegatten der Tatbestand der Steuerhinterziehung nur in der Person eines der Ehegatten erfüllt ist. Da in diesem Fall beide Ehegatten Schuldner der Hinterziehungszinsen sind, kann nach § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 3 AO ein zusammengefasster Zinsbescheid an die Ehegatten ergehen (vgl. BFH Urteil vom 13.10.1994, IV R 100/93, BStBl II 1995, 484).
Die in §§ 34, 35 AO bezeichneten Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten sind nicht Entrichtungspflichtige und nicht Schuldner der Hinterziehungszinsen (vgl. BFH-Urteile vom 18.7.1991, V R 72/87, BStBl II 1991, 781, und vom 27.9.1991, VI R 159/89, BStBl II 1992, 163). Dieser Personenkreis kann aber sowohl für hinterzogene Steuern als auch für Hinterziehungszinsen haften.
Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils (bei Vollendung der Tat) und endet mit der Zahlung bzw. der Aufrechnung der hinterzogenen Steuern. Zum Beginn und zum Ende des Zinslaufs für die Hinterziehungszinsen und des Zinslaufs für die hinterzogene Jahreseinkommensteuer s. BFH vom 28.9.2021 (VIII R 18/18, BStBl II 2022, 239). Für die hinterzogene Jahreseinkommensteuer beginnt der Zinslauf gem. § 235 Abs. 2 Halbsatz 1 AO entweder mit der Bekanntgabe des unzutreffenden Jahressteuerbescheids oder bei Festsetzung einer Abschlusszahlung darin mit deren Fälligkeit (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 235 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AO). Der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen zu den Einkommensteuervorauszahlungen gem. § 235 Abs. 2 und Abs. 3 AO beginnt zum jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstag i.S.d. § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG (10.3./10.6./10.9./10.12.) und endet in dem Zeitpunkt, in dem gem. § 235 Abs. 2 AO der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen zur verkürzten Jahreseinkommensteuer beginnt.
Für Zeiträume, in denen Säumniszuschläge entstehen, Stundung oder Aussetzung gewährt werden, werden keine Hinterziehungszinsen berechnet.
Bei Fälligkeitssteuern (z.B. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, Lohnsteuer) tritt die Verkürzung im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit ein. Dies gilt auch dann, wenn keine (Vor-)Anmeldung abgegeben wurde. Bei Abgabe einer unrichtigen zustimmungsbedürftigen Steueranmeldung tritt die Verkürzung erst dann ein, wenn die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO dem Stpfl. bekannt geworden ist (z.B. Auszahlung oder Umbuchung des Guthabens oder Erklärung der Aufrechnung).
Bei Veranlagungssteuern tritt die Verkürzung im Fall der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung mit dem Tag der Bekanntgabe des auf dieser Erklärung beruhenden Steuerbescheids (§§ 122, 124 AO) ein; der Beginn des Zinslaufs verschiebt sich dabei i.d.R. auf den Ablauf des Fälligkeitstages.
Hat der Stpfl. keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grunde die Steuerfestsetzung unterblieben, so ist die Steuer zu dem Zeitpunkt verkürzt, zu dem die Veranlagungsarbeiten für das betreffende Kj. im Wesentlichen abgeschlossen waren. Dieser Zeitpunkt ist zugleich Zinslaufbeginn. Hat das FA die Steuer aber wegen Nichtabgabe der Steuererklärung aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) festgesetzt, tritt die Verkürzung mit Bekanntgabe dieses Steuerbescheids bzw. der Fälligkeit der sich hieraus ergebenden Abschlusszahlung ein. Bei einer durch Unterlassen der Anzeige begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer beginnt der Lauf der Hinterziehungszinsen zu dem Zeitpunkt, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte (BFH vom 28.8.2019, II R 7/17, BStBl II 2020, 247, LEXinform 0951217).
Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt (§ 235 Abs. 3 Satz 3 AO).
Die Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen beträgt zwei Jahre (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie beträgt jedoch nur ein Jahr, wenn diese Frist am 21.7.2022 bereits abgelaufen war (Art. 97 § 15 Abs. 15 EGAO). Sie beginnt mit Ablauf des Kj., in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kj., in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO). Die für Folgebescheide geltende Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO wird durch die speziellen Regelungen in § 239 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AO verdrängt (BFH Urteil vom 16.1.2019, X R 30/17, BStBl II 2019, 362).
Ein Strafverfahren hat nur dann Einfluss auf die für die Hinterziehungszinsen geltende Festsetzungsfrist, wenn es bis zum Ablauf des Jahres eingeleitet wird, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wurden (BFH Urteil vom 24.8.2001, VI R 42/94, BStBl II 2001, 782).
Der BFH hat mit Urteil vom 28.9.2021 (VIII R 18/18, BStBl II 2022, 239) entschieden, dass dann, wenn es weder zu einer Festsetzung noch zur Einleitung und zum Abschluss eines Strafverfahrens bezüglich der hinterzogenen Vorauszahlungen kommt, die einjährige Festsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AO (ab 21.7.2022 zwei Jahre) weder beginnen noch ablaufen kann.
Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung im Hinterziehungsfall sind Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, im Rahmen der Zinsfestsetzung auf die festzusetzenden Hinterziehungszinsen anzurechnen (§ 235 Abs. 4 AO). Der Zinsbescheid nach § 233a AO ist dabei Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen, soweit nach § 233a AO festgesetzte Zinsen auf die Hinterziehungszinsen anzurechnen sind (§ 239 Abs. 5 AO); nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hierbei entsprechend anzuwenden. Vgl. AEAO zu § 235 Nr. 5.1.2 (BMF vom 23.1.2023, BStBl I 2023, 190).
Zu verzinsen ist nur der zu viel entrichtete Steuerbetrag oder die zu wenig gewährte Steuervergütung.
Voraussetzung für die Zahlung von Erstattungszinsen an den Stpfl. ist nach § 236 AO, dass eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt – oder erhöht – wird. Die Steuerherabsetzung muss durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erfolgt sein. Ein Anspruch auf Prozesszinsen gem. § 236 Abs. 1 AO besteht auch dann, wenn durch eine rechtskräftig gerichtliche Entscheidung eine unwirksame Steuerfestsetzung aufgehoben wird (BFH vom 16.5.2013, BStBl II 2013, 770). Ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO besteht nicht für den Zeitraum, in dem während eines Klageverfahrens die Vollziehung des Steuerbescheids aufgehoben wurde und die Finanzbehörde daraufhin den Steuerbetrag an den Stpfl. zurückgezahlt hat (BFH vom 17.5.2022, VII R 34/19, BStBl II 2023, 8).
Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 waren die Zinssätze für Erstattungszinsen nach § 233a AO und Prozesszinsen nach § 236 AO gleich, sodass die Prozesszinsen auf null € zu kürzen waren (BFH vom 12.3.2024, VIII R 10/20, BFH/NV 2024, 911). Für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 sind die Zinssätze hingegen unterschiedlich hoch, sodass auch nach Anrechnung von Erstattungszinsen nach § 233a AO noch Prozesszinsen i.H.v. 4,2 % p.a. verbleiben (nach § 238 Abs. 1 AO 6 % p.a. für Prozesszinsen abzgl. 1,8 % p.a. gem. § 238 Abs. 1a AO für Erstattungszinsen). Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf nach § 238 Abs. 1b AO in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kj. mit 360 Tagen gerechnet.
Der Zinszeitraum beginnt am Tag der Rechtshängigkeit und endet am Tag der Auszahlung.
Rechtshängig ist die Streitsache erst mit dem Tag, an dem die Klage bei Gericht erhoben wird (§ 66 Abs. 1 i.V.m. mit § 64 Abs. 1 FGO).
Zahlt die Familienkasse während des Klageverfahrens das begehrte Kindergeld aufgrund eines außergerichtlichen Eilverfahrens vorläufig aus, beginnt die Frist für die Festsetzung von Prozesszinsen nicht mit Ablauf des Jahres der Auszahlung i.S.d. § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO, sondern erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht. Erlässt die Familienkasse im weiteren Verlauf des Verfahrens den beantragten Kindergeldbescheid, entsteht der Anspruch auf Prozesszinsen gem. § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Rechtsstreit aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten erledigt (BFH Urteil vom 25.1.2007, III R 85/06, BStBl II 2007, 598).
Der u.a. für Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerfragen zuständige 4. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf (4 K 885/10, EFG 2011, 104; das Revisionsverfahren wurde nach Rücknahme der Revision eingestellt, BFH Beschluss vom 1.3.2011, II R 55/10) hat entschieden, dass der Zinsanspruch nach § 236 Abs. 1 AO – ebenso wie § 291 BGB – nicht voraussetzt, dass der Gläubiger tatsächlich einen Zinsschaden erlitten hat. Insbes. komme es nach § 236 AO nicht darauf an, ob der Gläubiger des Anspruchs auf Erstattung von (Einfuhr-)Umsatzsteuer tatsächlich wegen der sich an die Erstattung anschließenden Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung mit einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO rechnen müsse. Im Streitfall hatte das beklagte Hauptzollamt von der Klägerin mehr als 2 Mio. € Einfuhrumsatzsteuer nacherhoben. Die Klägerin zahlte den Betrag, erhob aber nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Der Senat gab der Klage statt und hob den Bescheid des beklagten Hauptzollamts auf. Das Urteil wurde rechtskräftig. Die Klägerin beantragte daraufhin die Festsetzung von über 150 000 € Prozesszinsen. Diesen Antrag lehnte das beklagte Hauptzollamt ab und führte dazu aus, § 236 AO setze voraus, dass dem Gläubiger des Erstattungsanspruchs auch tatsächlich ein Zinsschaden entstanden sei. Die Klägerin habe die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer aber als Vorsteuer in ihrer beim FA abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung geltend gemacht. Ein Zinsschaden könne ihr deshalb allenfalls für den Zeitraum von der Abbuchung des Steuerbetrags bis zur Gutschrift des vom FA gezahlten Erstattungsbetrags entstanden sein. Das Finanzgericht Düsseldorf folgte dieser Argumentation nicht. Weder Wortlaut noch Zweck des § 236 Abs. 1 AO setze voraus, dass der Gläubiger tatsächlich einen Zinsschaden erlitten habe.
Ist das Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheiden dreistufig ausgebildet, kann eine gerichtliche Entscheidung der ersten Stufe (Wertfeststellung) ausreichen, damit ein Zinsanspruch betreffend die in der dritten Stufe festgesetzte Steuer (Grundsteuerfestsetzung) entsteht (BFH vom 24.5.2023, II R 23/20, BFH/NV 2023, 1335). Die Zwischenschaltung der zweiten Stufe (Grundsteuermessbetrag) ist eine Frage der Gesetzgebungstechnik und unterbricht den Kausalzusammenhang nicht.
Zur Anrechnung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 233a AO bei der Festsetzung von Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen vgl. AEAO zu § 233a, Nrn. 64 ff. und AEAO zu § 235, Nr. 5.1.2 und 5.2.2 (vgl. AEAO zu § 239 Nr. 4). Der Zinsbescheid nach § 233a AO ist dabei Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Zinsen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237 AO, soweit hierauf nach § 233a AO festgesetzte Zinsen anzurechnen sind (§ 239 Abs. 5 AO); § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist entsprechend anzuwenden.
Voraussetzung für die Erhebung von Aussetzungszinsen beim Stpfl. ist, dass die Vollziehung eines Steuerbescheids, eines Bescheids über die Rückforderung einer Steuervergütung oder – nach Aussetzung eines Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheids – eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt worden ist. Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt haben, ist gem. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Wird ein Grundlagenbescheid angefochten und Aussetzung der Vollziehung gewährt, ist für die Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit i.S.d. § 237 Abs. 1 Satz 2 AO ausschließlich auf das Ergebnis des gegen diesen Bescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens abzustellen (BFH vom 10.4.2024, II R 14/21, n.v., DStR 2024, 1942).
Die Zinsen werden nach § 237 Abs. 2 AO vom Tag des Eingangs des Einspruchs bzw. der Rechtshängigkeit der Klage oder des späteren Beginns der → Aussetzung der Vollziehung bis zu dem Tag erhoben, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet.
Nach der Rspr. des BFH (BFH vom 25.4.2013, V R 29/11, BStBl II 2013, 767) bezweckt die Verzinsung nach § 237 AO, den Nutzungsvorteil abzuschöpfen, den der Stpfl. dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem erfolglos angefochtenen Steuerbescheid dem Steuergläubiger zusteht. Die Regelung zielt auf einen Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Stpfl. und dem Zinsverlust des Steuergläubigers ab, sodass die Verzinsung dazu dient, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für den nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt. Zur Erreichung dieses Zwecks knüpft § 237 AO im Interesse der Verfahrensentlastung generell an den endgültigen Ausgang eines gegen die Steuerfestsetzung geführten Verfahrens an. Bei der Anwendung der gem. § 237 Abs. 4 AO i.V.m § 234 Abs. 2 AO gebotenen Abwägung ist deshalb zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens als das beste Mittel ansieht, um einen Ausgleich zwischen den Geldnutzungsinteressen des Steuergläubigers und denen des Stpfl. herbeizuführen. Daher ist es für den Regelfall angemessen, die Entscheidung über die Festsetzung von Aussetzungszinsen als automatische Folge des Verfahrensausgangs über die Steuerfestsetzung anzusehen, sodass hiervon nur in besonders begründeten Einzelfällen abzuweichen ist (BFH Urteil vom 31.3.2010, II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602).
Hatte ein Rechtsbehelf in vollem Umfang Erfolg, können auch dann keine Aussetzungszinsen festgesetzt werden, wenn das FA rechtsirrig einen zu hohen Betrag von der Vollziehung ausgesetzt hatte (BFH vom 31.8.2011, BStBl II 2012, 219). Der Wortlaut des § 237 AO ist insoweit eindeutig. Eine erweiternde Auslegung des Tatbestandes des § 237 Abs. 1 AO kommt nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht in Betracht.
Die Frage, ob ein Rechtsbehelf Erfolg hatte, bemisst sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkretisierten Rechtsbehelfsbegehren und ist unabhängig von der verfahrenstechnischen Art der Erledigung. Der Umfang der Aussetzung der Vollziehung und der Aspekt der Verzinsung sind im Fall der rechtsirrigen Aussetzung eines zu hohen Betrages unerheblich. »Endgültig keinen Erfolg« hat der Rechtsbehelf insbes. dann, wenn der Rechtsbehelf
durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen,
vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen oder eingeschränkt worden ist, wenn
das FA dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft.
Das kann zu dem Ergebnis führen, dass der Stpfl., der mit seinem Rechtsbehelf im Wesentlichen Erfolg hatte und nur zum Teil unterlegen ist, Aussetzungszinsen für den gesamten zu viel ausgesetzten Betrag zu zahlen hat. Dagegen bleibt der Stpfl., der vollen Erfolg hatte und bei dem im Rechtsbehelfsverfahren rechtsirrig ein zu hoher Betrag von der Vollziehung ausgesetzt wurde, von der Zinspflicht verschont. Damit wirkt der »volle Erfolg« des Rechtsbehelfsverfahrens als Befreiung von der Zinspflicht des § 237 AO.
Nach § 233 AO werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Zinstatbestände der §§ 233a bis 237 AO bilden einen abschließenden Katalog. Beruhen Nachzahlungsbeträge nicht auf einer Änderung der Steuerfestsetzung, sondern auf dem Umfang der rechtsirrigen Aussetzung der Vollziehung, ist keine Zinsvorschrift einschlägig. Daher fallen im Fall des in vollem Umfang erfolgreichen Rechtsbehelfs keine Zinsen an.
Die überlange Dauer eines Einspruchs- oder Klageverfahrens steht der Festsetzung von Aussetzungszinsen für dieses Verfahren, auch unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung, nicht entgegen (BFH vom 27.4.2016, X R 1/15, BStBl II 2016, 840).
§ 237 Abs. 5 AO ordnet an, dass ein Zinsbescheid nicht aufzuheben oder zu ändern ist, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Auch wenn die Regelung allgemein die Situation einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens anspricht, ordnet sie als Rechtsfolge lediglich an, dass dies keine Aufhebung oder Änderung des Zinsbescheids auslöst. Für den Fall der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens, aber vor Erlass des Zinsbescheids sieht § 237 Abs. 5 AO dagegen keine Rechtsfolge vor. Daher gilt hier weiterhin der Grundsatz der Akzessorietät der Aussetzungszinsen mit der Folge, dass im Zinsbescheid eine niedrigere Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen ist (FG Münster vom 4.8.2009, 9-K-1268/07-K, EFG 2010, 193; Verfahren ist erledigt durch Beschluss vom 10.5.2010, I R 105/09).
Zur Anrechnung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 233a AO bei der Festsetzung von Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen vgl. AEAO zu § 233a, Nrn. 64 ff. und AEAO zu § 235, Nr. 5.1.2 und 5.2.2 (vgl. AEAO zu § 239 Nr. 4). Der Zinsbescheid nach § 233a AO ist dabei Grundlagenbescheid für die Festsetzung von Zinsen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237 AO, soweit hierauf nach § 233a AO festgesetzte Zinsen anzurechnen sind (§ 239 Abs. 5 AO); § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist entsprechend anzuwenden.
Der BFH hat verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Aussetzungszinsen (BFH Vorlagebeschluss vom 8.5.2024, VIII R 9/23, n.v.; Az. beim BVerfG: 1 BvL 8/24). Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO seit dem 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als der Zinsberechnung für die Zinsen bei AdV ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird. Ein Zinssatz für die Zinsen bei AdV i.H.v. 0,5 % pro Monat gem. § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im maßgeblichen Zeitraum ist nach Auffassung des vorlegenden Senats mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
Aufgrund der gesetzlichen Festlegung der Höhe des Verspätungszuschlags (§ 152 Abs. 5 AO in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung) sind Zinsen nach § 233a AO bei der Bemessung des Verspätungszuschlags nicht von Bedeutung (AEAO zu § 233a Nr. 63; BMF vom 20.1.2021, BStBl I 2021, 128).
Mit Urteil vom 24.10.2013 (C-431/12, UR 2014, 441; MwStR 2013, 730) stellt der EuGH fest, dass der Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems es verlange, dass die finanziellen Verluste, die dem Stpfl., wenn ihm der Mehrwertsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird, durch die fehlende Verfügbarkeit der fraglichen Geldbeträge entstehen, durch die Zahlung von Verzugszinsen ausgeglichen werden. Der Berechnung der von der Staatskasse geschuldeten Zinsen ist der Tag als Verzinsungsbeginn zugrunde zu legen, an dem der Mehrwertsteuerüberschuss gem. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hätte ausgeglichen werden müssen. Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können nach Art. 183 MwStSystRL die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten.
Schmidt, Roth, Kollmann, Zum Beschluss des BVerfG betreffend die Vollverzinsung, StuB 20/2021, 818; Baum, Rückwirkende Anpassung des Zinssatzes der Vollverzinsung, NWB 9/2022, 586; Fischer, Neuregelung der Vollverzinsung nach dem Beschluss des BVerfG vom 8.7.2021, NWB 34/2022, 2413; Baum, Zahlreiche Änderungen der AO im Jahr 2022, NWB 7/2023, 460.
→ Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG
→ Vorläufige Steuerfestsetzung
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